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{"created":"2022-01-31T12:35:34.468008+00:00","id":"lit749","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Wundt, Wilhelm","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 6: 605-640","fulltext":[{"file":"p0605.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Vergleichungen von Tondistanzen.\nVon\nW. Wundt.\nUnter obigem Titel hat C. Stumpf in der Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane (Bd. 1 Heft VI) eine Reihe von Betrachtungen ver\u00f6ffentlicht, welche in einer kritischen Er\u00f6rterung der in diesen Studien \u00fcber den gleichen Gegenstand erschienenen Arbeit von C. Lorenz sowie meiner in der 3. Aufl. der physiol. Psychologie gegebenen Uebersicht \u00fcber die Hauptresultate derselben bestehen1). Dem Beobachter auf einem schwierigen Gebiete kann eine unbefangene und freim\u00fcthige Kritik seiner Untersuchungen nur willkommen sein, und ich bin der Letzte, der in solchen Dingen auch ein scharfes Wort dem Kritiker verargen m\u00f6chte. Dennoch habe ich mich des Eindruckes nicht erwehren k\u00f6nnen, dass sich C. Stumpf bei der Abfassung seiner Abhandlung aus irgend welchen Gr\u00fcnden in einer zornesmuthigen Laune befunden haben muss, die in der au\u00dferordentlich n\u00fcchtern und leidenschaftslos geschriebenen Lorenz\u2019schen Arbeit nicht ihren Grund haben kann, um so mehr, da die Bemerkungen, die mich selbst betreffen, weit \u00fcber das Thema jener Arbeit hinausreichen. Stumpf betrachtet es als eine ausgemachte Sache, dass ich meine Ansichten ebenso wechsle wie Andere ihre Kleider; er bezichtigt mich der Gewohnheit, was Andere gefunden haben, mir anzueignen und durch Uebertreibungen zu verschlechtern. Und damit dieser kriegerischen Stimmung als anmuthiger Contrast auch der elegische\n1) Vgl. C. Lorenz, Phil. Stud. VI S. 26 ff. Physiol. Psychol. 13, S. 428 ff. Wundt, Philos. Studien. YI.\t40","page":605},{"file":"p0606.txt","language":"de","ocr_de":"606\nW. Wundt.\nTon nicht fehle, wird schlie\u00dflich nicht hlos der Leser bedauert, der diese Kritik hat erdulden m\u00fcssen \u2014 wogegen an und f\u00fcr sich nicht viel einzuwenden w\u00e4re \u2014 sondern auch dem \u00bbflei\u00dfigen Experimentator\u00ab (damit ist C. Lorenz gemeint) wird ein Wort des Mitleids geg\u00f6nnt, weil er \u00bbmit \u00fchelherathenem Eifer Jahre hindurch nebst seinen Genossen Zeit und Arbeitskraft verschwendete, wo doch von vornherein ein klares Ergebniss mit Klarheit ausgeschlossen war\u00ab.\nIch werde nicht dem Beispiele Stumpf\u2019s folgen. Das Wort Spinoza\u2019s, dass man sogar die menschlichen Affecte leidenschaftslos, als wenn es sich um geometrische Figuren handelte, betrachten m\u00fcsse, sollte man, wie ich meine, wenigstens auf Tondistanzen anwenden k\u00f6nnen. Ich werde darum die Kritik Stumpf\u2019s, soweit ich es vermag, \u00bbsine ira et studio\u00ab pr\u00fcfen. Wo es sich zeigen sollte, dass er seihst im Eifer der Kritik Irrth\u00fcmer begeht, um vermeintliche Irrth\u00fcmer aufzufinden, oder wo er Vorschl\u00e4ge zur Reform der Methoden macht, die ich nicht billigen kann, da halte ich es freilich um der Sache willen f\u00fcr geboten, ihm die gemachten Fehlgriffe so einleuchtend wie m\u00f6glich nachzuweisen. Wenn ich in solchen F\u00e4llen dann und wann bei Dingen mich aufhalten sollte, die dem Leser selbstverst\u00e4ndlich^erscheinen, so bitte ich dies damit zu entschuldigen, dass ich mich bem\u00fchen will, durch meine Auseinandersetzungen auch Solche zu \u00fcberzeugen, die durch die zuversichtlichen Behauptungen des Gegners m\u00f6glicher Weise get\u00e4uscht werden k\u00f6nnten. So handgreiflich seine Fehler auch sein m\u00f6gen, so muss ich doch annehmen, dass sie gemacht werden k\u00f6nnen, da sie nun einmal gemacht worden sind.\nL\nIch erinnere zun\u00e4chst daran, dass die Arbeit von Lorenz sich die Aufgabe gestellt hatte, die Abmessung von Tondistanzen in der Empfindung zu untersuchen, indem sie zu ermitteln suchte, welcher Ton M' zu zwei gegebenen T\u00f6nen T und H als Mitte, d. h. als gleich weit von beiden entfernt, aufgefasst werde. Das allgemeine Ergebniss dieser Untersuchung war, dass wir nicht, wie nach dem Princip der Tonintervalle erwartet werden k\u00f6nnte, das geometrische Mittel zwischen den Schwingungszahlen der beiden T\u00f6ne T und H, son-\n0","page":606},{"file":"p0607.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Vergleichungen von Tondistanzen.\n607\ndern mehr oder weniger ann\u00e4hernd das arithmetische Mittel als Mitte sch\u00e4tzen. Die Methode der an Appunn\u2019schen Tonmessern ausgef\u00fchrten Versuche bestand in einer leicht zu \u00fcbersehenden Combination der Methode der mittleren Abstufungen mit der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle1).\nStumpf beginnt nun seine Kritik mit einer Besprechung meiner vorl\u00e4ufigen Mittheilung \u00fcber diese Arbeit in der 3. Auflage der physiologischen Psychologie. Er glaubt von vornherein an der dort (S. 432) abgedruckten Tabelle eine Correctur anbringen zu m\u00fcssen. Er meint n\u00e4mlich, die mit R bezeichneten Werthe des geometrischen Mittels zwischen den zwei Grenzt\u00f6nen T und H m\u00fcssten umgerechnet werden. Da dieses geometrische Mittel [im allgemeinen eine Schwingungszahl ergibt, die nicht am Tonmesser vertreten ist, ja sogar eine Zahl mit einer D\u00e9cimale, so k\u00f6nne man doch billiger Weise nicht verlangen, dass solche T\u00f6ne als Mitte anerkannt w\u00fcrden. Es m\u00fcsse also die n\u00e4chste am Tonmesser, wirklich vorhandene Zahl substituirt werden, und diese \u00bbcorrigirte\u00ab Zahl p substituirt er nun den von mir angegebenen i\u00fc-Werthen. Um zu verstehen, wie Stumpf zu diesem Verfahren gekommen ist, muss erw\u00e4hnt werden, dass zu den T\u00f6nen T und II die arithmetische Mitte M ebenfalls am Tonmesser vorhanden war. Diese Mitte war also, da sich die T\u00f6ne des Tonmessers bei diesen ersten Versuchen s\u00e4mmtlich von 4 zu 4 Schwingungen \u00e4nderten, ebenso wie T und H eine ganze durch 4 theilbare Zahl. Nun sind aber in meiner Tabelle nicht blos die wirklichen, sondern auch die gesch\u00e4tzten Mitten in solchen den T\u00f6nen einzelner Tasten des Tonmessers entsprechenden ganzen Zahlen angegeben. Der Grund hierzu lag in dem Gang der Versuche, wie ihn die folgenden beliebig aus den Rohtabellen herausgegriffenen Beispiele sofort erkennen lassen. Unter I ist bei aufsteigender, unter II bei absteigender Zeitfolge die H\u00e4ufigkeit der auf den Ton in der ersten Columne kommenden Sch\u00e4tzungen u, m und o (u unter der Mitte, m Mitte, o \u00fcber der Mitte) in Procentzahlen angegeben. Ich beschr\u00e4nke mich auf die der gesch\u00e4tzten Mitte naheliegenden T\u00f6ne.\n1) Vgl. das N\u00e4here hier\u00fcber bei Lorenz, a. a. O. S. 45 ff.\n40*","page":607},{"file":"p0608.txt","language":"de","ocr_de":"608\tW. Wundt.\nNo. 1 <y = 256, 2T= 512). No.5 (T = 320, H= 448). No. 9 (T= 480, H= 512).\n(S. 56).\nDie Betrachtung dieser Zahlen zeigt sofort, dass, so lange man sich mit einer approximativen Bestimmung der Empfindungsmitte begn\u00fcgt, in Folge des im allgemeinen raschen Ansteigens der Sch\u00e4tzungen m gegen die Eeizmitte und des gleichzeitig raschen Ahnehmens der u- und o-Sch\u00e4tzungen, man mit hinreichender Ann\u00e4herung hei einem Werthe der Reihe Mv dieses Maximum annehmen kann, also in No. 1 und 2 hei 384, in No. 9 bei 496. Ergehen sich Versuchsreihen, bei denen eine so rasche Ver\u00e4nderung der u-, o-und m-Wer the nicht stattfindet, so kann sich nat\u00fcrlich aus der sp\u00e4ter zu besprechenden Berechnungsweise eine Lage jenes Punktes ergeben, die nicht mehr ann\u00e4hernd mit einem Ton des Tonmessers zusammen-, sondern zwischen zwei T\u00f6ne f\u00e4llt. In der von Lorenz auf Grund eines umfassenderen Versuchsmaterials gegebenen Zusammenstellung der Empfindungsmitten (Tab. XLV S. 85) finden sich darum in der That viele Werthe, die keinem Ton des Tonmessers entsprechen. Wenn nun aber die Reizmitten nach der Versuchs an Ordnung immer auf bestimmte T\u00f6ne des Tonmessers fallen, die Empfindungsmitten nach den Versuchs er geh ni s sen (insoweit meine vorl\u00e4ufig mitgetheilte kurze Tabelle in Betracht kommt) mit hinreichender Ann\u00e4herung als zusammenfallend mit solchen angesehen werden k\u00f6nnen, so liegt doch in der im letzteren Fall begangenen und durch die Umst\u00e4nde entschuldbaren kleinen Ungenauigkeit nicht der allergeringste Grund, bei der Berechnung der geometrischen Mitten absichtlich einen Fehler zu begehen. Stumpf sagt freilich: \u00bbein Ton wie 362,3 kann von dem Tonmesser nicht angegeben,","page":608},{"file":"p0609.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Vergleichungen von Tondistanzen.\n609\nalso auch nicht als Mitte erkannt werden\u00ab. Dieser Schluss hat aber ungef\u00e4hr dieselbe Berechtigung, als wenn man behaupten wollte : der Mond kann von der Erde aus nicht erreicht, also kann auch seine Entfernung von der Erde nicht gemessen werden. Ich scheue mich fast, trotz der schon im Eingang gebrachten Entschuldigung, diesen Gegenstand noch weiter zu verfolgen; doch da nun einmal meine Berechnung mit gro\u00dfer Emphase als \u00bbfalsch\u00ab bezeichnet worden ist, so scheint es mir n\u00fctzlich, den hier obwaltenden Irrthum so klar wie m\u00f6glich darzulegen. Wir wollen annehmen, die geometrische Mitte sei in einem gegebenen Fall 362, w\u00e4hrend der Tonmesser nur die Zahlen 360 und 364 avifweist. Nach Stumpf\u2019scher Hegel muss man jeder Zahl, die der Tonmesser nicht hat, die ihr n\u00e4chste auf ihm substituiren. Nun sind aber diesmal 360 und 364 beide gleich nahe, welche substituiren wir also? Nat\u00fcrlich beide, d. h. wir werden zu erwarten haben, dass von den F\u00e4llen, die auf 362 fallen w\u00fcrden, die H\u00e4lfte auf 360 und die andere H\u00e4lfte auf 364 f\u00e4llt. So weit wird sogar Stumpf beistimmen. Wenn nun aber einmal nicht 362, sondern etwa 362,1 die Mitte ist, dann soll pl\u00f6tzlich alles anders werden: nun merken nach der Stumpf\u2019sehen Hegel diejenigen F\u00e4lle, die bei der symmetrischen Vertheilung um 362 auf den Ton 360 gefallen sind, dass das Gleichgewicht gest\u00f6rt ist, sie st\u00fcrzen sich auf die der Mitte n\u00e4here 364 her\u00fcber, und diese wird jetzt von allen als die unbestreitbare Mitte anerkannt. Nat\u00fcrlich ist das nicht so ; Stumpf selbst glaubt es nicht, wenn er seine etwas voreilig vorgenommene Verbesserung jetzt in n\u00e4here Erw\u00e4gung zieht: vielmehr wird bei jener Ver\u00e4nderung nur eine ganz geringe Verschiebung in der Vertheilung der Frequenz der F\u00e4lle ein treten. Es ist einleuchtend, dass auf diese Weise vollkommen exact auch ein auf dem Tonmesser nicht vorhandener Ton gesch\u00e4tzt werden kann: aus der Vertheilung der F\u00e4lle \u00fcber die vorangegangenen und nachfolgenden T\u00f6ne muss er unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden bis auf die erste D\u00e9cimale recht wohl berechnet werden k\u00f6nnen. Also, ich wiederhole die Frage, warum sollen wir nicht diese wirkliche geometrische Mitte angeben, sondern einen andern Werth, der es nicht ist?\nDurch die falschen Werthe, welche Stumpf den geometrischen","page":609},{"file":"p0610.txt","language":"de","ocr_de":"610\nW. Wundt.\nMitten substituirt, wird aber Eines erreicht: in 4 von den 15 von mir mitgetheilten Versuchen f\u00e4llt nun die absolute mit der nach ihm bestimmten relativen Mitte zusammen. Folglich, so schlie\u00dft er, \u00bbsind diese s\u00e4mmtlichen Versuche zu streichen, wenn durch die Tabelle bewiesen werden soll, dass Distanzurtheile sich nicht nach der relativen, sondern nach der absoluten Mitte richten\u00ab. Wenn damit gemeint ist, dass ich diese Reihen aus meiner Mittheilung h\u00e4tte streichen sollen, so theile ich nicht diese Auffassung, welche die Angaben eines wissenschaftlichen Beobachters mit dem Plaidoyer eines Advokaten zu verwechseln scheint. Ich habe geglaubt, alle Versuchsresultate mittheilen zu sollen, die \u00fcberhaupt Vorlagen, um jedem Leser ein eigenes Urtheil zu erm\u00f6glichen. Die Fragestellung bei der Ausf\u00fchrung der Versuche ist aber wiederum nicht diejenige gewesen, welche Stumpf vorauszusetzen scheint. Wir hatten uns nicht von vornherein die Aufgabe gestellt, zu beweisen, dass Tondistanzen nach absoluten Entfernungen gesch\u00e4tzt werden, sondern unsere Frage lautete: welches Ergebniss liefert die Methode der mittleren Abstufungen in der Anwendung auf Tonh\u00f6hen? Dass hei der Auswahl der Tondistanzen auch solche vorkamen, bei denen beide Mitten, die absolute und die relative, sehr nahe zusammenfielen, versteht sich hiernach von selbst. Uebrigens sind bei dreien der von Stumpf herausgehobenen vier Beispiele beide Mitten noch hinreichend von einander entfernt, um in den Mittelzahlen aus den Einzelversuchen ein Uebergewicht der absoluten Mitten deutlich erkennen zu lassen.\nStumpf erkl\u00e4rt ferner, alle diejenigen Versuche seien zu streichen, in denen der Unterschied beider Mitten nur eine Taste des Tonmessers betrage. Diese Behauptung halte ich f\u00fcr irrth\u00fcm-lich: erstens wird in den von ihm ausgeschiedenen F\u00e4llen \u00fcberall erst durch seine willk\u00fcrliche Abrundung der Zahlen jene Ann\u00e4herung herbeigef\u00fchrt ; zweitens aber kann, bei hinreichender Anzahl der Versuche und unter Ber\u00fccksichtigung der durch die Zeitlage bedingten Fehler, ein in den Endmitteln sich herausstellender Unterschied, auch wenn er nur eine Taste des Tonmessers betr\u00e4gt, nicht vernachl\u00e4ssigt werden. Ich verweise den Leser auf die Lorenz\u2019schen Tabellen XI (XXXIII), XII (XXIV), XVI (XXXVIII), V (XXI), VI (XXVIII), XIX (XLI), welche","page":610},{"file":"p0611.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Vergleichungen von Tondistanzen.\n611\ndiese von Stumpf zur\u00fcckgewiesenen Reihen enthalten1). Kein sachverst\u00e4ndiger Beurtheiler wird das hier constant auftretende Uehergewicht der arithmetischen Mitte als ein rein zuf\u00e4lliges betrachten. Auch versteht es sich von selbst, dass nicht hlos die Beobachter, die ja von der Bedeutung ihrer abgegebenen Urtheile nichts wussten, sondern auch Herr Lorenz und ich vollkommen neutral den Versuchsergebnissen gegen\u00fcberstanden. Wir hatten keine besondere Vorliebe f\u00fcr die arithmetischen Mitten, sondern wir nahmen lediglich die Ergebnisse hin, denen wir uns nicht verschlie\u00dfen konnten.\nNachdem nun Stumpf durch die angegebenen Kunstgriffe alle Versuche, bei denen die Grenzt\u00f6ne ein unharmonisches Ver-h\u00e4ltniss bildeten, zum Verschwinden gebracht hat, bleiben noch f\u00fcnf \u00fcbrig, bei denen \u2014 das ist nach Lage der Sache beinahe selbstverst\u00e4ndlich -\u2014 musikalische Motive als wahrscheinlich entscheidend oder mindestens mitwirkend f\u00fcr die Mittensch\u00e4tzung angesehen werden k\u00f6nnen. Dass diese f\u00fcr sich allein nichts beweisen, versteht sich von selbst, und ich \u00fcbergehe daher die daran gekn\u00fcpften Bemerkungen um so mehr, als dieser Punkt weiter unten, bei der Besprechung der Lorenz\u2019schen Arbeit, uns noch besch\u00e4ftigen wird. Nicht \u00fcbergehen kann ich aber die darauf folgenden Schlussbemerkungen.\nStumpf sagt: dass die Behauptung, die absolute Reizmitte sei die Empfindungsmitte, \u00bbhandgreiflich falsch\u00ab sei, ersehe man aus der folgenden Reihe:\nc c1 gl c2 e2 \u00f62 e3 d3\nNiemand werde glauben, dass das letzte Intervall c3 d3 dem ersten c c1 gleich sei. Zun\u00e4chst kann ich diese Behauptung nicht als so selbstverst\u00e4ndlich gelten lassen, wie Stumpf sie hinstellt. Namentlich wenn ich die Tonreihe um eine Octave tiefer verlege, als Stumpf es vorschreibt, und m\u00f6glichst mich bestrebe, die reinen Tondistanzen ohne R\u00fccksicht auf die musikalischen Intervalle aufzufassen, w\u00fcrde ich auf Grund meiner unmittelbaren Empfindung\n1) Die nicht eingeklammerte r\u00f6mische Zahl bezeichnet die Tabelle der\nRohversuche, die eingeklammerte die aus derselben berechnete Tabelle zum\nBehuf der Ermittelung des Maximums der Mittensch\u00e4tzungen aus den u-, o- und \u00bbi-Werthen.","page":611},{"file":"p0612.txt","language":"de","ocr_de":"612\nW. Wundt.\ngegen die Gleichheit der letzten und der ersten Distanz nichts entscheidendes einzuwenden haben. Nat\u00fcrlich kann aber die Frage \u00fcberhaupt nicht durch eine einzelne Beobachtung, sondern nur durch zahlreiche Sch\u00e4tzungen entschieden werden, die unter Umst\u00e4nden ausgef\u00fchrt sind, unter denen Intervallurtheile nicht st\u00f6rend einwirken k\u00f6nnen. Aber von allem dem abgesehen: die Folgerung, zwischen je zwei um eine gewisse endliche Distanz entfernten T\u00f6nen entspreche die Empfindungsmitte der absoluten Reizmitte, ist doch wahrlich nicht identisch mit der Behauptung, je zwei Tondistanzen seien einander gleich, wie sie auch sonst gelegen sein m\u00f6gen, wenn nur der Unterschied der Schwingungszahlen ihrer Endt\u00f6ne derselbe sei. Dass empirische Gesetze nie \u00fcber die Grenzen hinaus gelten, innerhalb deren sie nachgewiesen sind, sollte man einem Philosophen nicht erst zu sagen brauchen. Oder huldigt Stumpf etwa der Meinung: wenn innerhalb einer Tonregion m n und ebenso innerhalb einer andern davon beliebig entfernten x y Proportionalit\u00e4t zwischen Empfindung und Reiz herrscht, so m\u00fcsse deshalb auch in beiden Strecken, wenn man sie mit einander vergleicht, demselben Unterschied der Schwingungszahlen derselbe Unterschied der Empfindungen entsprechen? Ich w\u00fcrde diesen Verdacht nicht auszusprechen wagen, wenn die nun kommende Ausf\u00fchrung ihn nicht-zu best\u00e4tigen schiene.\nStumpf meint n\u00e4mlich weiterhin: Falls jenes Gesetz der Proportionalit\u00e4t richtig w\u00e4re, so m\u00fcsste man, wenn man die Aufgabe stellte, zu einer Octave eine gleiche Distanz nach unten in der Empfindung abzumessen, jedes Mal bei einem Ton von der Schwingungszahl Null ankommen. Warum hat er nicht lieber gleich die Duodecime genommen, um uns auf diese Weise mit Tonempfindungen zu beschenken, welche negativen Schwingungszahlen entsprechen? Von einer Eintheilung von Tondistanzen kann, wie ich meine, vern\u00fcnftiger Weise nur insofern die Rede sein, als man eine durch einen tieferen und einen h\u00f6heren Grenzton gegebene Distanz einzutheilen sucht. Man kann aber niemals die Aufgabe stellen, zu einer gegebenen Tondistanz eine andere zu suchen, die gleich gro\u00df oder halb so gro\u00df oder noch einmal so gro\u00df sei u. dergl. Es ist ja m\u00f6glich, dass ein musikalisches Individuum, welches zu einer gegebenen Tonstrecke h\u00f6her und niedriger gelegene repro-","page":612},{"file":"p0613.txt","language":"de","ocr_de":"lieber Vergleichungen von Tondistanzen.\n613\nduciren kann, in solchen F\u00e4llen sich irgend einen Ton denkt; aber eine Art von Abmessung wird auch dann eben nur dadurch zu Stande kommen, dass man in Gedanken probirt, zu welchen T\u00f6nen der untere der beiden gegebenen etwa die Mitte sein k\u00f6nnte. Im \u00fcbrigen beruht die Folgerung Stumpfs darauf, dass er zuerst die Annahme einer unbegrenzt g\u00fcltigen Proportionalit\u00e4t macht und dann diese Proportionalit\u00e4t mit einem absoluten Parallelismus verwechselt, nach welchem die Empfindung mit der Schwingungszahl Null anfangen und von da an einfach in gleichem Ma\u00dfe wie die absolute Gr\u00f6\u00dfe der Schwingungszahlen zunehmen soll.\nMeine Mittheilung der Lorenz\u2019sehen Ergebnisse in der 3. Auflage meines Werkes ist zwei Jahre vor dem definitiven Abschluss der Untersuchungen erschienen. Es versteht sich daher von selbst, dass manches dort Angegebene in der sp\u00e4tem Arbeit theils vervollst\u00e4ndigt, theils auch eingeschr\u00e4nkt worden ist. So konnte man nach den zuerst vorliegenden Ergebnissen annehmen, dass \u00bbder Beobachter hei jeder Zeitfolge geneigt ist, die jenseits der wirklichen Mitte gelegenen T\u00f6ne in gr\u00f6\u00dferer Anzahl als die diesseits gelegenen als Mittelt\u00f6ne zu sch\u00e4tzen\u00ab, wie dies die graphische Wiedergabe zweier Versuchsreihen in Fig. 124 und 125 meines Werkes zeigt. Diesem Verhalten entspricht in der That die Mehrzahl der Versuche des Beobachters P, auf die in diesem Fall, weil sie die gr\u00f6\u00dfte Regelm\u00e4\u00dfigkeit darbieten, auch der gr\u00f6\u00dfte Werth zu legen ist; es entsprechen ihm aber auch mehrere Versuche des Beobachters Lz\\ so No. 3, 4 und theilweise 14. Zugleich ist dies die einzige etwas constantere Regelm\u00e4\u00dfigkeit, die in Bezug auf den Einfluss der Zeitfolge \u00fcberhaupt in den fr\u00fcheren Versuchen gefunden wurde: Ich war also wohl berechtigt, hier von einer \u00bbNeigung\u00ab zu reden, und es scheint mir nicht billig, kwenn Stumpf im Ton des Vorwurfs gegen \u00bbvoreilige Behauptungen\u00ab polemisirt.\nAber mit diesem verbindet Stumpf noch einen andern Vorwurf, den ich nicht nur f\u00fcr unbillig halte, sondern der mir auch eine verkehrte Auffassung wissenschaftlicher Grunds\u00e4tze zu verrathen scheint. Stumpf wirft mir vor, dass ich in vielen Dingen heute andere Ansichten vertrete, als vor zehn und vor zwanzig Jahren. Gewiss, ich gebe es zu, meine Anschauungen \u00fcber die Bedeutung","page":613},{"file":"p0614.txt","language":"de","ocr_de":"614\nW. Wundt.\nder Schwebungen, der Obert\u00f6ne, \u00fcber die tiefsten h\u00f6rbaren T\u00f6ne und \u00fcber manches andere, theils Thats\u00e4chliche theils aus That-sachen Gefolgerte, sind heute nicht mehr ganz dieselben wie fr\u00fcher. Auch meine Ansicht \u00fcber die Beziehung der Tonintervalle zu dem Web er\u2019sehen Gesetze, in gewissem Grade auch die \u00fcber das Web er\u2019sehe Gesetz selber hat sich ge\u00e4ndert1). Ja, ich gestehe nicht nur, dass ich keinen Augenblick Bedenken trage, neuen Erfahrungen gegen\u00fcber meine bisherigen Meinungen zu \u00e4ndern, sondern dass ich sogar im Laufe der Jahre gelernt habe, mehr als es mir fr\u00fcher gelingen wollte, bereitwillig mich durch Thatsachen belehren zu lassen. Wenn ich daher fr\u00fcher mit Andern vermuthete, dass, wie die musikalischen Tonintervalle, so auch eben merkliche und gleich gro\u00dfe Unterschiede der Tonempfindung in ihrer Beziehung zu den Tonschwingungen dem Web er\u2019sehen Gesetze folgten, so bin ich \u2014 nach einigem Widerstreben, wie ich offen bekenne \u2014 durch die Thatsachen eines Bessern belehrt worden. Und h\u00e4tte ich mich hier etwa nicht sollen belehren lassen? Oder ist die experimentelle Psychologie so unwandelbar wie die Philosophie des heiligen Thomas? Freilich, nicht alle angeblichen Widerspr\u00fcche in meinen Arbeiten, welche Stumpf nachzuweisen bem\u00fcht ist,\n1) Ich darf wohl diese Gelegenheit ergreifen, um eine historische Construction richtig zu stellen, welche Ebbinghaus neuerlich von der Entwicklung meiner Anschauungen \u00fcber das W eb er\u2019sche Gesetz gegeben hat (Zeitschr. f. Psychol, und Physiol, der Sinnesorg. I, S. 464 Anm.). Ebbinghaus meint, die zuerst in der 2. Aufl. meiner physiol. Psychologie (1880) hervorgetretene Aenderung meiner Ansichten sei wohl \u00bbauf die Anregung der T annery\u2019schen Controverse (1878) zur\u00fcckzuf\u00fchren\u00ab. Aber die Tannery\u2019sche Abhandlung ist nicht 1878, sondern 1884 in der Revue philos. erschienen, vier Jahre nach der 2. Auflage meiner physiol. Psych. Meine die gleichen Anschauungen eingehender begr\u00fcndende Abhandlung in Bd. II dieser Studien (Ueber das Web er\u2019sche Gesetz) ist von Tannery selbst schon am Schl\u00fcsse seiner Arbeit erw\u00e4hnt worden. Dagegen darf ich wohl darauf hinweisen, dass meine Grundauffassung des Web er\u2019sehen Gesetzes seit dem Erscheinen meiner ersten Darstellung desselben im Jahre 1863 (im ersten Band der \u00bbVorlesungen \u00fcber die Menschen- und Thierseele\u00ab) unver\u00e4ndert geblieben ist, und dass ich vielleicht berechtigt bin, die neueren Modificationen, die sich namentlich auf die Deutung der Fechner\u2019schen Formeln und der eben merklichen Unterschiede beziehen, als folgerichtige Weiterbildungen jener fr\u00fchesten Auffassung zu bezeichnen, Weiterbildungen, auf welche haupts\u00e4chlich experimentelle Erfahrungen von Einfluss gewesen sind.\n","page":614},{"file":"p0615.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Vergleichungen von Tondistanzen.\n615\nsind yon dieser Art. Aber ich kann es hier nicht als meine Aufgabe betrachten, \u00fcberall da das Wasser wieder klar zu machen, wo er es getr\u00fcbt hat1). Ich nehme nat\u00fcrlich an, dass er in solchen F\u00e4llen, wo er eine \u00bbunheilbare Confusion\u00ab zu entdecken meint, mich absichtslos missversteht, d. h. dass er selber an unheilbarer Confusion leidet, aber ich \u00fcberlasse es dem Leser, diese Annahme zu pr\u00fcfen. Hier haben wir es nur mit der Kritik der Lorenz\u2019scheri Arbeit zu thun, zu welcher Stumpf\u2019s Er\u00f6rterungen \u00fcber meine vorl\u00e4ufige Darstellung nur eine Art Vorpostengefecht bilden sollten.\nII.\nSeine Besprechung der Lorenz\u2019schen Untersuchung er\u00f6ffnet Stumpf mit der Nebeneinanderstellung zweier Versuchsreihen, deren eine ein Beispiel der regelm\u00e4\u00dfigsten, die andere ein solches der unregelm\u00e4\u00dfigsten Vertheilung der Urtheile darbietet; denn jene r\u00fchrt von einem musikalischen Beobachter, diese von einem unmusikalischen her, jene bezieht sich auf die in harmonischer Beziehung g\u00fcnstigste Theilung (2:3:4), diese auf eine ung\u00fcnstige (8 : 9 : 10). In dieser zweiten Reihe, meint Stumpf, seien die Zahlen \u00bbwie durcheinandergew\u00fcrfelt\u00ab, aus einer solchen Tabelle lasse sich \u00bb\u00fcberhaupt nichts schlie\u00dfen, als dass dpr Mann vollkommen rathlos war\u00ab. Wenn Stumpf jemals Versuche \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schall- oder Lichtst\u00e4rken nach der Methode der mittleren Abstufungen oder \u00fcberhaupt nach irgend einer Methode gemacht h\u00e4tte, bei welcher erst mittelst der rechnerischen Behandlung einer gro\u00dfen Zahl von Einzelversuchen ein Ergebniss erwartet werden kann, so w\u00fcrde er anders urtheilen. Freilich, wenn man alle solche Versuche so behandelte, wie er es mit den Lorenz\u2019schen\n1) Die Berichtigung eines Druckfehlers sei mir an dieser Stelle gestattet. S. 438 Bd. I meiner Physiol. Psychol steht gedruckt : \u00bbBei Schwebungen, welche die Zahl 30 erheblich \u00fcbersteigen, vermag unser Ohr die einzelnen T\u00f6ne nicht mehr auseinander zu halten. Schon bei 50 Schwebungen wird der intermittirende Charakter der Empfindung sehr undeutlich, und bei 60 ist er g\u00e4nzlich verschwunden.\u00ab Es muss nat\u00fcrlich hei\u00dfen: St\u00f6\u00dfe statt T\u00f6ne. Ebenso ist aus dem Zusammenhang klar, dass von den Schwebungen von Kl\u00e4ngen die Rede ist, die vom Einklang aus gegen einander verstimmt werden. (Vergl. S. 436, 440.) Hiernach ist die Verwirrung zu beurtheilen, welche Stumpf (Tonpsychologie II, S. 472 f.) mit dieser Stelle angerichtet hat.","page":615},{"file":"p0616.txt","language":"de","ocr_de":"616\nW. Wundt.\nTabellen thut, so w\u00fcrden sich \u00fcber die s\u00e4mmtlichen Probleme der Psychophysik \u00fcberhaupt keine brauchbaren Versuche machen lassen. Sein Verfahren besteht n\u00e4mlich darin, dass er die Rohtabellen besichtigt, und wenn ihm dabei nicht sofort irgend eine Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit in die Augen springt, die Zahlen f\u00fcr \u00bbdurcheinandergew\u00fcrfelt\u00ab h\u00e4lt. F\u00fcr einen in der Behandlung derartiger Versuche einigerma\u00dfen Erfahrenen, der die Bedeutung der zuf\u00e4lligen Fehler Vorg\u00e4nge zu sch\u00e4tzen wei\u00df, nimmt sich aber von vornherein eine Tabelle wie die in Rede stehende keineswegs so gesetzlos aus, wie es Stumpf scheint. Jener wird schon beim ersten Anblick dieser Zahlenreihe den Eindruck gewinnen, dass sich der Beobachter Ln den T\u00f6nen gegen\u00fcber ungef\u00e4hr ebenso verh\u00e4lt, wir wir Alle gegen\u00fcber Schall- oder Lichtst\u00e4rken oder anderen Sinnesreizen, wo sich \u00fcberall nicht sofort aus den einzelnen Versuchszahlen, wohl aber aus einer angemessenen rechnerischen Behandlung derselben brauchbare Resultate erhalten lassen. In der That ergibt die nach den unten zu erw\u00e4hnenden Methoden mittelst der u-, o- und m-Werthe und unter Ber\u00fccksichtigung der Zeitlage vorgenommene Ermittelung des Maximums der Mittensch\u00e4tzungen den Ton 902, w\u00e4hrend die wirkliche arithmetische Mitte 900, die geometrische aber 894,4 ist. (Vergl. Lorenz S. 85, Tab. XLV.) Mir scheint es nun klar zu sein, dass eben darum, weil hier keine fr\u00fcheren musikalischen Erfahrungen ihre Einfl\u00fcsse geltend machen, gerade die Versuche solcher Beobachter besonders sch\u00e4tzbar sind. Freilich, ohne jede Vor\u00fcbung sollten Versuche \u00fcberhaupt nicht, und sollten am wenigsten Versuche an Unmusikalischen als brauchbar betrachtet werden. Ehe bei unseren Untersuchungen definitive Ergebnisse aufgezeichnet wurden, war aber stets, hier wie in allen andern \u00e4hnlichen F\u00e4llen, eine gr\u00f6\u00dfere Zahl zur Ein\u00fcbung dienender Vorversuche vorausgegangen. V\u00f6llig Unmusikalische zusammen zu rufen, in ein paar Stunden um ihr Urtheil zu befragen und dann wieder zu entlassen, wie es Stumpf in seiner \u00bbTonpsychologie\u00ab zu machen pflegt, halte ich im allgemeinen nicht f\u00fcr zul\u00e4ssig. Ich w\u00fcrde solche Versuche \u00fcberhaupt nicht machen, und wenn ich sie gemacht h\u00e4tte, so w\u00fcrde ich sie wenigstens nicht ver\u00f6ffentlichen. Ganz anders verh\u00e4lt es sich, wie gesagt, in unserem Fall, der insofern sogar ein besonders g\u00fcnstiger ist, als der Beobachter in","page":616},{"file":"p0617.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Vergleichungen von Tondistanzen.\n617\nsonstigen physikalischen Messungen sehr ge\u00fcbt, im Tongebiet aber v\u00f6llig unerfahren war, ohne doch etwa abnorme Abweichungen darzuhieten. Wenn ich demnach zwischen den zwei von Stumpf als Contraste einander gegen\u00fcbergestellten Tabellen zu w\u00e4hlen h\u00e4tte, so w\u00fcrde ich lieber die des Musikalischen mit den harmonischen Tonverh\u00e4ltnissen verwerfen und die des Unmusikalischen mit den unharmonischen beibehalten. In der That ist die erste offenbar von gar keinem entscheidenden Werthe. Sie musste mitgetheilt werden, weil unsere Versuche m\u00f6glichst \u00fcber alle vorkommenden Verh\u00e4ltnisse Auskunft geben sollten; aber ich w\u00fcrde es nicht wagen, aus ihr irgend einen Schluss zu ziehen.\nStumpf dagegen gr\u00fcndet gerade auf den Anblick dieser Zahlenreihe einige Regeln, nach denen man, wie er meint, die brauchbaren Versuche von den unbrauchbaren scheiden soll. Die Sch\u00e4tzungsmitte soll sofort durch ihre gro\u00dfe Ueherzahl von Mittensch\u00e4tzungen und durch die verschwindende Zahl und die rasche Abnahme der u- und o-F\u00e4lle (d. h. der Tiefer- und H\u00f6hersch\u00e4tzungen) mit Ann\u00e4herung an sie in die Augen fallen. Gewiss, bei harmonischen Intervallen und musikalisch ge\u00fcbten Beobachtern ist dies ja der Fall; eben deshalb w\u00fcrde aber die Befolgung dieser Regeln dazu f\u00fchren* dass man die werthvollsten Ergebnisse ausschiede und die werthlosesten beibehielte. Auf die psychophysische Methodik in andern Sinnesgebieten angewandt w\u00fcrde sie \u00fcberhaupt zur Verwerfung aller Versuche f\u00fchren. Denn die Aufstellung jener Regeln ist in Wahrheit gleichbedeutend mit der Forderung: man solle nur solche Versuche als brauchbar gelten lassen, die sofort in ihrem Rohzust\u00e4nde schon, ohne dass man die Zahlen durch irgend ein rechnendes Verfahren n\u00e4her pr\u00fcft, das gesuchte Resultat erkennen lassen. Wenn Stumpf eine un\u00fcberwindliche Abneigung gegen das Rechnen hat, so ist das seine Sache ; Niemand zwingt ihn, psychophysische Versuche zu machen. Aber er sollte auf dieses subjective Verhalten nicht Regeln gr\u00fcnden, die er Andern vorschreibt.\nIndem jedoch unser Kritiker sein Verfahren die Rohtabellen anzusehen und sie f\u00fcr unbrauchbar zu erkl\u00e4ren, wenn an ihnen das Resultat nicht unmittelbar in die Augen springt, weiter anwendet, muss er, ebenso wie die Versuche des Beobachters Ln, auch die der beiden Beobachter B und M verwerfen. Ich stelle,","page":617},{"file":"p0618.txt","language":"de","ocr_de":"618\nW. Wundt.\num den Werth dieser Behauptung ermessen zu lassen, die Endergebnisse dieser zwei Beobachter, n\u00e4mlich die durch die Rechnung ermittelten gesch\u00e4tzten Mitten aus der Lorenz\u2019schen Tabelle auf S. 85 zusammen. Die geometrischen Mittel sind den wirklichen\narithmetischen Mitteln in Klammem beigef\u00fcgt.\nWirkliche Mitten:\n60 (53) \u2014 68 (58,9) \u2014 84 (71,3) -78 (72) \u2014 160 (128) \u2014 320 (256) \u2014 640 (512) Gesch\u00e4tzte Mitten-B 66\t\u2014 76\t\u2014 88\t\u2014 81\nM 60\t\u2014 68\t\u2014 81\t\u2014 76\t\u2014 159\t\u2014 322\t\u2014 638.\nDiese Resultate sehen doch wahrlich nicht so aus, als wenn man um ihrer willen die Versuche verwerfen m\u00fcsste, auch wenn es, was Stumpf anzunehmen scheint, dem Experimentator erlaubt w\u00e4re Zahlen zu streichen, blos deshalb weil sie ihm nicht gefallen. Man erkennt sofort, dass hier \u00fcberall die gesch\u00e4tzten den wirklichen .absoluten Mitten sehr nahe liegen. Dies gilt sogar von den Zahlen des Beobachters B bei den tiefsten T\u00f6nen, wenn man bedenkt, dass es sich dabei zugleich um relativ gro\u00dfe Tonstrecken (stets um Intervalle von mehr als einer Octave) handelte. Auch gehen hier die Abweichungen in einem dem geometrischen Mittel entgegengesetzten Sinne.\nNachdem Stumpf durch sein mehr auf \u00bbIntuition\u00ab als auf Ueber-legung gegr\u00fcndetes Verfahren wiederum eine Anzahl der brauchbarsten Versuche vorl\u00e4ufig zum Verschwinden gebracht hat, wendet er sich nun der Discussion einzelner Beispiele zu, die er nach ihren musikalischen Verh\u00e4ltnissen gruppirt.\nDa vielleicht nicht jedem Leser die Stumpf\u2019sche Abhandlung zur Hand ist, so wird es nothwendig sein, \u00fcber das von ihm angewandte Verfahren einige orientirende Bemerkungen voranzuschicken. Stumpf kn\u00fcpft seine Er\u00f6rterungen \u00fcberall an Ausz\u00fcge aus dett Lorenz\u2019schen unmittelbar aus denVersuchen gewonnenen Rohtabellen an, in denen f\u00fcr jeden zwischen T und H gelegenen und der Sch\u00e4tzung unterworfenen Ton Mv die Sch\u00e4tzungen u (tiefer als die Mitte), m (gleich der Mitte) und o (h\u00f6her als die Mitte) pro-centisch bestimmt sind4). Diese Ausz\u00fcge bestehen aber lediglich in\n1) Vergl. die n\u00e4here Schilderung des Versuchsverfahrens bei Lorenz, a; a. O. S. 46 ff.","page":618},{"file":"p0619.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Vergleichungen von Tondistanzen.\n619\neinigen wenigen aus den Lorenz\u2019schen Tabellen herausgenommenen, die Sch\u00e4tzungen in der N\u00e4he der arithmetischen Mitte repr\u00e4sentiren-den Zahlen. Aus der 31 Werthe des variablen mittleren Tons Mo umfassenden Tabelle XVIII P z. B. (Intervall 620 : 868) entnimmt er die folgenden 5 mittleren (I bedeutet die Zeitlage der in der Reihenfolge u m o erfolgten Toneindr\u00fccke, II die umgekehrte Zeitlage) :\nMv\tu\tI m\t0\tu\tII m\t0\n728\t94\t5\t1\t77\t21\t2\n732\t92\t5\t3\t73\t15\t12\n736\t74\t13\t13\t56\t21\t23\n740\t63\t25\t12\t54\t16\t30\n744\t71\t13\t16\t56\t9\t35\nAus diesen Bruchst\u00fccken der Tabellen entnimmt er nun ferner die in den zwei Vertical-Columnen f\u00fcr m enthaltenen gr\u00f6\u00dften Zahlen und betrachtet sie als die gesch\u00e4tzten Mitten. Demnach sind nach ihm in dem angegebenen Beispiel die T\u00f6ne Mo = 728, 736 und 740 Schw. die gesch\u00e4tzten Mitten (die betreffenden Zahlen f\u00fcr m : 25, 21, 21 sind nach dem Vorbild von Stumpf fett gedruckt). An eine Ausgleichung der Zeitlagen I und II wird nicht gedacht, ebenso wenig an eine Ber\u00fccksichtigung der u- und o-Werthe, auch nur innerhalb des kleinen hier herausgegriffenen Bruchst\u00fccks. Es ist vollkommen einleuchtend, dass aus diesen Zahlen auf die wirkliche Lage der Empfindungsmitte gar kein Schluss gezogen werden kann, und wenn trotzdem zuweilen, namentlich bei den harmonischen Intervallen, die auf solche Weise planlos herausgegriffenen gr\u00f6\u00dften Werthe f\u00fcr m mit den aus der Vertheilung aller F\u00e4lle richtig berechneten Empfindungsmitten Zusammentreffen (in dem oben angezogenen Beispiel ist es, wie man sogleich sieht, keineswegs der Fall), so ist dies blos eine Folge davon, dass die Sch\u00e4tzung von Tondistanzen \u00fcberhaupt mit verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig gro\u00dfer Sicherheit geschieht, und dass bei ihr relativ viele Mittensch\u00e4tzungen in der Region der wirklichen Mitte stattfinden. Wo letzteres nicht der Fall ist, sondern aus irgend welchen Gr\u00fcnden immer eine Neigung besteht, die Reize Mo nicht als Mitten aufzufassen, da k\u00f6nnte es sich z. B. leicht ereignen,","page":619},{"file":"p0620.txt","language":"de","ocr_de":"620\nW. Wundt.\ndass man folgende Reihen von Werthen u, m und o f\u00fcr eine aufsteigende Reihe von Reizen a, b, c, d . . . erhielte:\na\tb\tc\td\te\tf\tg\nu\t80\t70\t60\t48\t40\t36\t25\n\u00bb\u00bb\t0522240\no\t20\t25\t38\t50\t58\t60\t75\nSolche Zahlen k\u00f6nnten hei reinen Intensit\u00e4tsmessungen Vorkommen, und eine Versuchsreihe wie die obige w\u00fcrde ich nach; der Vertheilung der F\u00e4lle keineswegs f\u00fcr eine schlechte, sondern f\u00fcr eine ganz vorz\u00fcgliche halten. Stumpf w\u00fcrde aber aus dieser Reihe schlie\u00dfen, dass die Empfindungsmitte bei b und / liegt; ich w\u00fcrde schlie\u00dfen, dass sie bei d liegt, obgleich hier sehr wenig Mittensch\u00e4tzungen stattgefunden haben.\nUeber die erste Gruppe der von Stumpf unterschiedenen Intervalle, die musikalischen Intervalle innerhalb einer Octave, k\u00f6nnen wir kurz hinweggehen. Da hier die arithmetische Mitte mit einem harmonischen Intervall zusammentrifft, so sind sie, wie schon oben bemerkt, f\u00fcr sich allein ohne entscheidenden Werth. Auch Stumpf vermag daher in diesem Fall im allgemeinen nur zu constatiren, dass selbst nach seiner Art der Pr\u00fcfung die wirkliche und die gesch\u00e4tzte Mitte bei den musikalischen Beobachtern in allen F\u00e4llen genau, bei den unmusikalischen wenigstens ann\u00e4hernd identisch sind.\nEs folgen als zweite Gruppe die musikalischen Intervalle \u00fcber eine Octave. Da bei gro\u00dfen Tonstrecken das Urtheil \u00fcber die Lage der Mitte unsicher wird, so f\u00fchrt Stumpf\u2019s Methode, aus den Werthen f\u00fcr m beliebig die gr\u00f6\u00dften herauszugreifen, hier nat\u00fcrlich zu erheblicheren Fehlern, und sie l\u00e4sst die individuellen Unterschiede der Versuchsergebnisse nothwendig gr\u00f6\u00dfer erscheinen, als sie wirklich sind.\nBei dem ersten der hierhergeh\u00f6rigen Intervalle, der gro\u00dfen None (48 : 108 = 4 : 9) sind die wirklichen Endergebnisse der vier Beobachter f\u00fcr die Mitte 76, 80, 77, 81, w\u00e4hrend die arithmetische Mitte 78, die geometrische 72 ist. Der Ton 72 ist diesmal aber noch durch die Eigenschaft ausgezeichnet, dass er, nicht 78, ein musikalisches Intervall zu den beiden Grenzt\u00f6nen bildet, n\u00e4mlich die Quinte. In Folge dessen macht sich auch bei einem der","page":620},{"file":"p0621.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Vergleichungen von Tondistanzen.\n621\nBeobachter eine leise Neigung bemerkbar, diesen Ton durch eine gr\u00f6\u00dfere Zahl von Mittensch\u00e4tzungen auszuzeichnen. Es bildet sich dadurch ein zweites, freilich viel kleineres Maximum, wie dies sehr sch\u00f6n die graphische Wiedergabe dieses Versuchs in Fig. 4 der der Lorenz\u2019sehen Arbeit beigegebenen Tafel zeigt. Die oben angegebenen Mittensch\u00e4tzungen aus den Versuchen der vier Beobachter ergeben den Mittelwerth 78,5, der mit dem wirklichen arithmetischen Mittel 78 sehr nahe \u00fcbereinstimmt, aber, ebenso wie 3 unter den 4 Endmitteln, etwas \u00fcber demselben liegt.\nF\u00fcr die nun in der Besprechung folgenden Versuchsreihen II (Duodecime 34 : 102 = 1:3) und III (Octave + kleine Sexte 40 : 128 = 5 : 16) stelle ich zun\u00e4chst die von Stumpf angegebenen und die von Lorenz 'gefundenen Zahlen f\u00fcr die als Mitten gesch\u00e4tzten T\u00f6ne zusammen.\nMittensch\u00e4tzungen:\nLz\tM Ps\tB\n66,68\t68\t78\n68\t68\t76\n90,84\t84,82\t84,86\t92, 94, 96\norenz 87\t81\t83\t88\nBei Stumpf sind in der Regel zwei Zahlen angegeben, weil er die Zeitlagen unausgeglichen l\u00e4sst ; wenn die gr\u00f6\u00dften Zahlen f\u00fcr m in beiden Zeitlagen gelegentlich zusammenfallen, so ist dies rein zuf\u00e4llig. Nat\u00fcrlich kann es aber auch Vorkommen, dass m f\u00fcr mehrere T\u00f6ne Mo dieselbe gr\u00f6\u00dfte Zahl darbietet; dann nimmt Stumpf ein mehrfaches Maximum an: so erstreckt sich nach ihm in der letzten Reihe f\u00fcr B ein Maximum \u00fcber die 3 T\u00f6ne 92, 94 und 96 (die T\u00f6ne des Tonmessers waren in diesem Fall nur um 2 Schw. verschieden). Ueber die gro\u00dfen Abweichungen dieser Stumpf\u2019sehen \u00bbMitten\u00ab von den wirklich gefundenen Mittensch\u00e4tzungen wird sich nach dem, was oben \u00fcber deren Entstehungsweise gesagt wurde, Niemand wundern. Eher k\u00f6nnte man sich wundern, dass die Abweichungen nicht noch viel gr\u00f6\u00dfer sind. Aber damit nicht genug, Stumpf betrachtet dann weiterhin als das Mittel aus den Reihen der 4 Beobachter in II die Zahl 78, obgleich man auf den ersten Blick sieht, dass sie das nicht entfernt ist, und in III die Zahl 96, obgleich diese nur in einer Zeitlage eines\nWundt, Philos. Studien. VI.\t41","page":621},{"file":"p0622.txt","language":"de","ocr_de":"622\nVV. Wundt.\nBeobachters als Extrem einmal vorkommt. Allerdings werden von ihm diese Zahlen nicht ausdr\u00fccklich als Mittelwerthe bezeichnet. Aber er sagt, es werde ihnen eine \u00bbmerkliche Bevorzugung\u00ab zu theil und jedenfalls legt er sie seiner Erkl\u00e4rung der wirklich gesch\u00e4tzten Mitten zu Grunde. Er meint n\u00e4mlich, die tiefen T\u00f6ne des Tonmessers w\u00fcrden ja leicht mit ihren Obert\u00f6nen verwechselt. Dann bildet aber in beiden F\u00e4llen der von ihm f\u00fcr die Mittensch\u00e4tzung angenommene Ton die musikalische Dreiklangsmitte zwischen dem ersten Oberton des tiefen und dem hohen Grenzton, \u2014 eine Deduction, \u00fcber die nichts weiter zu sagen ist, als dass sie \u00fcberzeugend nachweist, wie eine solch\u2019 fl\u00fcchtige, sich jeder Selbst-controle entziehende Betrachtungsweise von Versuchsergebnissen naturnothwendig dazu f\u00fchren muss, die wirklichen Thatsachen nach vorgefassten Meinungen umzumodeln. Im Versuch III wird die Erkl\u00e4rung aus der Dreiklangsmitte mit dem Oberton sogar allein aus einer extremen Zahl des Beobachters B erschlossen, welchen Stumpf selbst fr\u00fcher als \u00bbv\u00f6llig unmusikalisch\u00ab verworfen hatte. Dieser unmusikalische soll nun nicht blos, noch dazu unter Zu-h\u00fclfenahme eines Obertons, zu der Sext die in die Mitte fallende kleine Terz erg\u00e4nzen, sondern er soll auch allen andern mehr musikalischen Beobachtern gegen\u00fcber den Vorzug verdienen.\nInteressant ist der Weg, den Stumpf zur Erkl\u00e4rung der Er-gebniss\u00e8 der nun folgenden Versuche \u00fcber die Doppeloctave einschl\u00e4gt. Die Versuche ergeben, dass in diesem Fall, wo das Ver-h\u00e4ltniss der Grenzt\u00f6ne 2:8 ist, nicht die Octave des tieferen Tons, sondern ann\u00e4hernd die Terz dieser Octave als Mitte gesch\u00e4tzt wurde, also die arithmetische Mitte 5. Stumpf meint nun, die musikalische Mitte sei \u00bbaufs unzweideutigste die Octave\u00ab. \u00bbAlle Welt\u00ab habe auch bis jetzt die Distanzen zweier aufeinanderfolgender Octaven f\u00fcr gleich gro\u00df gehalten. Wenn trotzdem in keinem einzigen Fall in unseren .Versuchen die Octave als Mitte anerkannt wurde, so sei es also klar, dass man sich diesmal, \u00bbwo die Versuchung s. z. g. am nacktesten herantrat, ausdr\u00fccklich und kr\u00e4ftig dagegen gestemmt hat, w\u00e4hrend man ihr in den fr\u00fcheren F\u00e4llen, wo sie versteckter auftrat, nicht viel Spielraum lie\u00df.\u00ab Wenn diese Worte nicht einen so naiven Standpunkt in der Beurtheilung der Art, wie psychophysische Versuche gemacht werden, verriethen, so","page":622},{"file":"p0623.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Vergleichungen von Tondistanzen.\n623\nk\u00f6nnte man sie f\u00fcr eine Verd\u00e4chtigung der Glaubw\u00fcrdigkeit der Beobachter halten. Stumpf stellt sich offenbar vor, hei solchen Versuchen mache man sich vor allen Dingen seine Theorie zurecht, und dann suche man, so gut es gehe, die Beobachtungen so einzurichten, dass das gew\u00fcnschte Resultat herauskommt. Ein aufmerksamer und zuverl\u00e4ssiger Beobachter ist nat\u00fcrlich hei diesen Sch\u00e4tzungen lediglich mit der Auffassung der zwei gegebenen Tondistanzen, nicht aber mit dem Nebengedanken an irgend eine vorgefasste Ansicht besch\u00e4ftigt. Ist es doch bekannt genug, dass hei Versuchen nach der Methode der mittleren Fehler sogar das wissentliche dem unwissentlichen Verfahren keineswegs nachsteht, da eben die erste und- nach zureichender Uebung leicht zu erf\u00fcllende Bedingung hei der Ausf\u00fchrung der Versuche darin besteht, dass man seine ganze Aufmerksamkeit auf die zu vergleichenden Empfindungen richtet. Nur wer diesen Zustand selbst nicht kennt, kann unbefangenen Beobachtern solche Zwischengedanken und Nebenmotive unterschieben. Wenn Stumpf dann weiterhin auch hier wieder von den \u00bbjammerw\u00fcrdigen Schwankungen in der Lage des Maximums\u00ab redet, so beruht das auf seiner omin\u00f6sen Methode, \u00fcberall da, wo er bei fl\u00fcchtiger Durchsicht der Rohtabellen eine gr\u00f6\u00dfere Ziffer f\u00fcr m erblickt, ein Maximum anzunehmen. Zugleich aber widerspricht diese Behauptung seiner eben ausgesprochenen Verd\u00e4chtigung. Denn wenn es den Beobachtern darum zu thun gewesen w\u00e4re, die obere Terz zu finden, so w\u00e4re das wahrlich f\u00fcr musikalisch Ge\u00fcbte nicht allzu schwer gewesen. Ebenso widerspricht jener Insinuation die weitere, diesmal zuf\u00e4llig richtige Bemerkung, dass die Maxima durchgehends etwas \u00fcber der absoluten Reizmitte liegen. Denn wenn die Beobachter nur mit gro\u00dfer Anstrengung die Versuchung \u00fcberwinden konnten, statt der Octave die h\u00f6here Terz zu sch\u00e4tzen, so h\u00e4tte sich als Resultat dieser entgegengerichteten Tendenzen ein zwischen beiden, nicht ein sogar noch \u00fcber der Terz gelegener Ton ergeben m\u00fcssen.\nWir wenden uns zu der dritten Gruppe von Versuchen, zu den \u00bbnichtmusikalischen Combinationen\u00ab. Der Gesichtspunkt, von welchem Stumpf bei der Beurtheilung derselben ausgeht, wird von ihm in dem Satze ausgesprochen: \u00bbNichtmusikalische Combina-tionen werden gleichwohl von jedem musikinficirten Bewusstsein\n41*","page":623},{"file":"p0624.txt","language":"de","ocr_de":"624\nW. Wundt.\nnach musikalischen Gewohnheiten und Gesichtspunkten aufgefasst: sie werden mit den n\u00e4chstliegenden Intervallen identificirt oder, wenn die Abweichungen von denselben merklich sind, eben als Verstimmungen oder Ann\u00e4herungen aufgefasst\u00ab. Diesen Satz halte ich in der Allgemeinheit, in der er hier aufgestellt ist, nicht f\u00fcr richtig, auch widersprechen ihm die subjectiven Wahrnehmungen der bei unsern Versuchen betheiligten Beobachter; aber ich will mich nicht mit seiner Widerlegung aufhalten, die Deductionen aus ihm werden sich ohnehin als hinf\u00e4llig erweisen. Zun\u00e4chst sollte man aus dem ausgesprochenen Satze offenbar folgern, dass bei derartigen Versuchen m\u00f6glichst solche Beobachter verwendet werden m\u00fcssen, deren Bewusstsein nicht musikinficirt ist. Wir haben aber fr\u00fcher gesehen, dass Stumpf die Reihen solcher Beobachter verwirft, weil nat\u00fcrlich ihre Zahlen im allgemeinen, namentlich wenn man sich, wie er es thut, auf eine oberfl\u00e4chliche Besichtigung beschr\u00e4nkt, keine so gro\u00dfe Regelm\u00e4\u00dfigkeit darbieten als die der musikalischen. Aber damit nicht genug, nachdem er oben diese brauchbarsten Beobachter ausgeschieden hat, f\u00fchrt er sie bei der Discussion der Einzeltabellen \u00fcberall, wo es ihm gut d\u00fcnkt, wieder ein und behandelt sie nun genau ebenso wie die andern, allenfalls musikalisch inficirten, muthet also z. B. einem Beobachter wie Ln zu, das Verh\u00e4ltniss 11 : 15 als die \u00bbVertiefung einer \u00fcberm\u00e4\u00dfigen Quarte\u00ab aufzufassen und zu diesem Intervall dann die kleine Terz als Mitte zu erg\u00e4nzen. Fr\u00fcher haben wir erfahren, dass dieser Mann einem so einfachen Intervall wie der Secunde gegen\u00fcber \u00bbvollkommen rathlos\u00ab gewesen sei, und nun werden ihm solche musikalische Kunstst\u00fccke zugetraut! Die F\u00e4higkeiten, Quarten, kleine Terzen, Sexten richtig aufzufassen oder musikalisch zu gliedern, werden wir, nach den von Lorenz S. 46 gegebenen Mittheilungen \u00fcber die musikalische Bef\u00e4higung seiner Mitarbeiter, allenfalls bei dreien, P, B und Ps, als m\u00f6glich zuzugeben haben. Schon bei Lz, der \u00bbgern Musik h\u00f6rt\u00ab und in fr\u00fcherer Zeit]einmal \u00bbohne nennenswerthen Erfolg Clavierunterricht gehabt hat\u00ab, ist sie sehr unwahrscheinlich; bei den v\u00f6llig unmusikalischen B, M und Ln ist sie v\u00f6llig ausgeschlossen.\nAber sehen wir zu, wie Stumpf seine Regel auf die einzelnen Versuche anwendet. Zun\u00e4chst bahandelt er das auf drei verschie-","page":624},{"file":"p0625.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Vergleichungen von Tondistanzen.\t625\ndenen Tonstufen untersuchte Intervall 5:7. Bei den harmonischen Intervallen hat er zuweilen doch noch 7 bis 9 um die absolute Mitte gelegene Stellen der Rohtabellen in Betracht gezogen. Hier, wo nat\u00fcrlich die Sch\u00e4tzungen im allgemeinen viel unsicherer sind, gen\u00fcgen ihm zwei Zahlen unter und zwei \u00fcber der Mitte, um darauf seine Schl\u00fcsse zu gr\u00fcnden. Ich ersuche den Leser nachdr\u00fccklich, die Tabellen XI, XII und XVIII bei Lorenz in Augenschein zu nehmen und sich nun das von wissenschaftlicher Methodik \u00bbnichtinficirte\u00ab Bewusstsein eines Beurtheilers zu vergegenw\u00e4rtigen, der von diesen Zahlenreihen jedesmal die 5 mittleren herausnimmt, die \u00fcbrigen so behandelt, als wenn sie nicht da w\u00e4ren, und dann aus diesen 5 diejenigen Zahlen aussucht, die ihm am besten gefallen, um sie als die gesuchten Maxima zu pro-clamiren, alles das mit jener Sicherheit, die nur ein von Sachkenntnis ungetr\u00fcbter Gem\u00fcthszustand zu verleihen vermag. In der That, dieses Verfahren gleicht vollst\u00e4ndig dem eines Meteorologen, der das Maximum der Tagestemperatur bestimmen wollte und zu diesem Zweck st\u00fcndlich des Mittags zwischen 11 und 1 Uhr aufs Thermometer blickte, um dann die gr\u00f6\u00dfte der drei Zahlen zu seinem Maximum auszuersehen. Die fraglichen Intervalle (320 : 448, 340 : 476, 620 : 868) erkl\u00e4rt Stumpf entweder f\u00fcr verminderte Quinten oder f\u00fcr \u00fcberm\u00e4\u00dfige Quarten. Beidemale sei die musikalische Mitte die kleine Terz, welche der absoluten Mitte entspricht.\nBei dem Intervall 176 : 240 (11 : 15) ist die arithmetische Mitte 208. Stumpf betrachtet nun das Hauptintervall 11 : 15 als einen zwischen Quarte und \u00fcberm\u00e4\u00dfiger Quarte gelegenen Ton. Zwischen Grundton und Quarte w\u00fcrde aber die kleine Terz mit 21iy5 Schw. als n\u00e4chstes musikalisches Intervall zu legen sein. Der nach der Tiefe n\u00e4chste Ton des Tonmessers sei 208, die absolute Rcizmitte. Damit stimme auch die Tabelle der Sch\u00e4tzungen \u00bbim gro\u00dfen ganzen\u00ab \u00fcberein. Nun ist in Wahrheit die gesch\u00e4tzte Mitte bei P 217, bei Lz und R 211, bei Ln 207. In diesem Fall hat also der von Musik am wenigsten inficirte Beobachter am richtigsten gesch\u00e4tzt. In der That zeigt auch schon der Anblick der Rohtabellen (Lorenz S. 55), dass bei ihm der Gang der Versuche an Regelm\u00e4\u00dfigkeit dem bei den \u00fcbrigen mindestens ebenb\u00fcrtig ist. Begreiflich, denn in diesem Fall, wo die gesch\u00e4tzten","page":625},{"file":"p0626.txt","language":"de","ocr_de":"626\nW. Wundt.\nDistanzen keine musikalische Bedeutung mehr haben, werden die musikalischen und unmusikalischen Beobachter, gleiche Versuchs-\u00dcbung und normale Eigenschaften des Sinnesorgans vorausgesetzt, einander gleichstehen. Nach Stumpf m\u00fcsste man annehmen, jener im Zustand v\u00f6lliger musikalischer Unschuld stehende Beobachter, dem es schwer fiel, Octaven und Quinten zu erkennen, verwandle sich pl\u00f6tzlich, wenn es sich um Quarten und kleine Terzen und um die Reduction \u00fcberm\u00e4\u00dfiger Intervalle auf die normalen handle, in ein musikalisches Ohr erster Ordnung.\nEinen w\u00fcrdigen Schluss bildet endlich die Erkl\u00e4rung, die Stumpf von der letzten der besprochenen Tondistanzen, 388 : 468 = 97 : 117, gibt. Musikalisch w\u00fcrde dieses Intervall aufgefasst werden k\u00f6nnen als eine etwas zu gro\u00dfe kleine Terz. Nun hat freilich die kleine Terz keine \u00bbmusikalische Mitte\u00ab mehr. Zwischen dem c und es liegen aber auf dem Klavier die zwei T\u00f6ne d und des oder eis. Nun l\u00e4sst uns dar\u00fcber, welcher dieser T\u00f6ne zu w\u00e4hlen sei, das Distanzurtheil im Zweifel. Was werden wir also thun? Wir werden einen Ton w\u00e4hlen, der zwischen der Scylla d und Charybdis des, wie Stumpf sinnig sich ausdr\u00fcckt, in der Mitte liegt, und dieser Mitte entsprechen etwa die wirklichen Mittesch\u00e4tzungen. Also : wenn die gesch\u00e4tzte Mitte mit einem Intervall zusammenf\u00e4llt, so ist das Intervall die Ursache; und wenn sie nicht mit einem Intervall zusammenf\u00e4llt, so ist das Intervall auch die Ursache. Dort ist es absichtlich aufgesucht, hier ist es absichtlich vermieden worden. Jetzt sehe einer zu, wie er dieser Zwickm\u00fchle entgehen kann!\nWir sind zu Ende mit der Discussion der Versuchsergebnisse. Es war ein unerfreulicher Weg, auf dem ich den Leser geleiten musste. Wir haben einen Kritiker kennen gelernt, der Schritt f\u00fcr Schritt von der nicht zu misskennenden Tendenz beseelt war, die Untersuchungen, die er zum Object seiner Kritik genommen, aus dem Wege zu r\u00e4umen. Nun kann eine solche Tendenz, wenn sie auch nicht l\u00f6blich ist und keineswegs als Vorbild empfohlen werden kann, doch ihre guten Dienste leisten, vorausgesetzt nur dass sie sich unter die F\u00fchrung einer strengen Methode stellt, welche die wirklichen Schw\u00e4chen und L\u00fccken einer Arbeit nachweist, um daran ankn\u00fcpfend zu zeigen, wie sie besser gemacht werden k\u00f6nnte. Aber die Handgreiflichkeit jener Tendenz wird in diesem Fall leider","page":626},{"file":"p0627.txt","language":"de","ocr_de":"627\nUeber Vergleichungen von Tondistanzen.\nnoch, ubertroffen durch die grenzenlose Unf\u00e4higkeit, die dieser Kritiker auf jedem seiner Schritte an den Tag legt. Er hat keine Ahnung von der befolgten Methode. Dass man verschiedene Zeitlagen anwendet, um gewisse Fehler zu eliminiren, ist, wie es scheint, noch nie in den Gesichtskreis seiner Erw\u00e4gungen getreten. Von den drei Zahlenreihen u, o und m, die hei der Bestimmung der Maximalpunkte in Betracht kommen, ber\u00fccksichtigt er nur die eine, und auch diese behandelt er nicht nach irgend einem arithmetischen Verfahren, sondern er sucht sich diejenigen Zahlen aus, die ihm als die gr\u00f6\u00dften in die Augen fallen, um dann daraus wieder eine beliebige zu w\u00e4hlen, in der Regel wieder eine solche, die keineswegs das Mittel aus ihnen ist. Im Handumdrehen verwandelt er einen Beobachter, den er eben noch als v\u00f6llig unmusikalisch und unbrauchbar verworfen, in ein musikalisches Wunderkind, das, ohne jemals sich mit Musik besch\u00e4ftigt zu haben, kleine Terzen, vermehrte und verminderte Quarten m\u00fchelos zu erkennen vermag. Doch halt! Ein Verdienst soll ihm unbenommen bleiben. Er hat zwei Druck- oder Schreibfehler in unseren Tabellen entdeckt. Zwei Druckfehler! Viel ist es nicht. Aber es ist doch mehr als nichts. Mehr als alles \u00fcbrige ist es also immerhin.\t,\nm.\nEine dunkle Ahnung davon, dass es mit seinem Verfahren, Rohversuchen unmittelbar anzusehen, was sie bedeuten, nicht ganz seine Richtigkeit haben k\u00f6nne, scheint nun freilich auch Herrn Stumpf schlie\u00dflich gekommen zu sein. Wenigstens hat er sich veranlasst gesehen, ah die Besprechung der einzelnen Versuchsreihen einige Bemerkungen anzuschlie\u00dfen, durch die die Unzul\u00e4ssigkeit der von Lorenz gew\u00e4hlten rechnerischen Behandlung der Versuchszahlen nachgewiesen werden soll. Diese Lorenz\u2019sche Behandlung ist in Wirklichkeit ein auf \u00e4u\u00dferst einfache Gesichtspunkte gegr\u00fcndetes Verfahren, das den Bedenken, die leider manchen Rechnungsmethoden in der Psych ophysik anhaften, gl\u00fccklicherweise nicht unterliegt. Um n\u00e4mlich die drei F\u00e4lle, wo der mittlere variable Ton tiefer als die Mitte (\u00ab), h\u00f6her als die Mitte (o) und gleich der Mitte (m) gesch\u00e4tzt wird, zur Ermittelung des wirklichen Maximums der Mittensch\u00e4tzungen verwenden zu k\u00f6nnen, ist Lorenz","page":627},{"file":"p0628.txt","language":"de","ocr_de":"628\nW. Wundt.\nvon folgender Erw\u00e4gung ausgegangen : Sind die F\u00e4lle u solche, in denen das Empfindungsurtheil den Ton diesseits, die F\u00e4lle o solche, \\ in denen es denselben jenseits der Mitte verlegt, so werden die F\u00e4lle m als solche aufgefasst werden k\u00f6nnen, in denen die Neigungen ihn h\u00f6her oder tiefer zu sch\u00e4tzen einander das Gleichgewicht halten. Demnach kann auch gesagt werden: nach mathematischen Gesichtspunkten ist jede einzelne Mittensch\u00e4tzung einer halben Unten- und einer halben Obensch\u00e4tzung \u00e4quivalent. Gesetzt also, wir wollten eine Curve construiren, welche die Neigungen zur Untensch\u00e4tzung ihrer Gr\u00f6\u00dfe nach f\u00fcr jeden Punkt der Tondistanz bestimmt, so werden wir diese Neigung f\u00fcr jeden Punkt durch die\nSumme u + y der f\u00fcr ihn beobachteten F\u00e4lle messen k\u00f6nnen. Ebenso wird die Neigung der Ohensch\u00e4tzungen durch Ordinaten, die den Wer then o ~ entsprechen, zu messen sein. Von den so\ngewonnenen Curven hat die eine ihr Maximum bei dem unteren, die andere hei dem oberen Grenzton. Irgendwo in der Gegend der Mitte aber wird ein Punkt kommen, wo die Ordinaten beider gleich gro\u00df sind, indem bei einer hinreichenden Anzahl von Beobachtungen hei dem n\u00e4mlichen Punkt sowohl u -f- wie o + y\n50 Procent aller F\u00e4lle ausmachen muss. Dies ist aber der Punkt, welcher dem Maximum der Mittensch\u00e4tzungen oder der Empfindungsmitte entspricht. Es ist klar, dass dieses Verfahren namentlich dann mit gro\u00dfer Sicherheit zum Ziele f\u00fchren wird, wenn die erw\u00e4hnten Curven gegen die Mitte hin einen ziemlich steilen Verlauf haben. Da dies in den meisten F\u00e4llen wirklich zutrifft, so hat in der That die Rechnung fast \u00fcberall ohne weiteres den gesuchten Punkt ergehen. Wo die beiden genannten Curven minder steil verlaufen oder kleine Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten darbieten, da f\u00fchrt allerdings die Berechnung der u-, m- und o-Werthe nicht unmittelbar zum Ziel, sondern es muss dann in jedem einzelnen Fall sorgf\u00e4ltig nach dem besonderen Verlauf der Curve die wahrscheinliche Lage des Maximums der Mittensch\u00e4tzungen ermittelt werden. Dieser F\u00e4lle sind aber sehr wenige, und man wird den hier ausgef\u00fchrten Erw\u00e4gungen von Lorenz das Zeugniss der Sorgfalt und Unbefangenheit nicht versagen k\u00f6nnen. Niemand wird von denselben den","page":628},{"file":"p0629.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Vergleichungen von Tondistanzen.\n629\nEindruck empfangen, dass bei ihnen gewaltsam die Zahlen nach vorgefassten Ansichten sich richten m\u00fcssen. Sogar Stumpf lobt in diesem Punkt die \u00bbGewissenhaftigkeit des Verfassers;'.\nLorenz hat nun seine Tabellen in der Weise berechnet, dass er, von unten beginnend, bis zur Reizmitte einschlie\u00dflich die Zahlen w + y und von da an die Zahlen o + y angibt. Er h\u00e4tte nat\u00fcrlich auch umgekehrt verfahren, oder er h\u00e4tte nur u + y\noder nur o. + y berechnen k\u00f6nnen. Da bei procentischer Berechnung u -f- o -f- m = 100 ist, so muss selbstverst\u00e4ndlich die gesch\u00e4tzte Mitte immer mit der Zahl 50 zusammenfallen. Ich greife, um dies zu veranschaulichen, 4 der Lorenz\u2019 sehen Tabellen beliebig heraus, denen die umgekehrte Berechnungsweise beigef\u00fcgt worden ist. Unter A sind die Lorenz\u2019sehen Zahlen angegeben, also bis zu dem unter der absoluten Reizmitte gezogenen Horizontalstrich \u00ab + y dann o + y, unter B sind umgekehrt \u00fcber dem Strich die\nWerthe o + \u2014, darunter u + y berechnet. Nat\u00fcrlich muss A + B \u00fcberall =100 sein, was zur Contr\u00f4le der Richtigkeit jeder einzelnen Rechnung dienen kann ; f\u00fcr die Sch\u00e4tzungsmitte muss aber au\u00dferdem A\u2014B = 0 sein. Die Stelle, die diesem Punkte entspricht, habe ich durch eine punktirte Horizontallinie angedeutet.\nTab. I (XXIII) Lz. 32 : 60 : 88 = 8 : 15 : 22\t\t\tTab. VI (XXVIII) P. 176 : 208 : 240 = 11 : 13 : 15\t\t\tTab. IX (XXXI) Lz. 300 : 400 : 500 = 3:4:5\t\t\tTab. XVI (XXXVIII) |\tLz. 296 : 360 : 424 = 1\t37 : 45 : 53\t\t\nMv\tA\tB\tMv\tA\tB\tMv\tA\tB\tMv\tA\tB\n50 52 54 56 58 60\t98 97,75 96.5 95,95 90,25 81.5\t2 2.25 3,5 4.25 9,75 18,5\t192 196 200 204 208\t99 100 98,25 94,75 77\t1 1,75 5,25 23\t384 388 392 396\t94,5 92.75 80.75 55\t5,5 7,25 19,25 45\tI 336 340 344 348 352 356\t96.5 86.5 84.5 79.5 67.5 51.5\t3.5 13.5 15.5 20.5 32.5 48.5\n\t\t\t\t\t\t400\t43,75\t56,25\t\t\t\n62 64\t32.25 49.25\t67.75 50.75\t212 216\t25,25 47,5\t74,75 52,5\t404 408 412 416\t73 77 87,25 96\t27 23 12,75 4\t360\t45,75\t54,25\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t364 368 372 376 380 384\t58 59.5 75 89 96 94.5\t42 40,5 25 11 4 5,5\n66 68 70 72 74\t62,25 73,5 85 96 94\t37,75 26,5 15 4 6\t220 224 228\t88,25 95,5 97,75\t11,75 4,5 2,25\t\t\t\t\t\t","page":629},{"file":"p0630.txt","language":"de","ocr_de":"630\nW. Wundt.\nWenn nun gleichwohl Stumpf die auseinandergesetzte Methode f\u00fcr falsch und unzuverl\u00e4ssig erkl\u00e4rt, so beruht dies, so merkw\u00fcrdig es bei der Einfachheit und Selbstverst\u00e4ndlichkeit derselben erscheinen mag, doch blos darauf, dass er sie nicht verstanden hat. Weil Lorenz, wegen der Analogie mit dem Fechner\u2019schen Theilungs-princip der s. g. zweifelhaften F\u00e4lle, sich vor\u00fcbergehend der Fechner\u2019schen Bezeichnungsweise der r-, f- und /-F\u00e4lle bedient, so hat sich in Stumpf die Vorstellung festgesetzt, die F\u00e4lle der Mittensch\u00e4tzung w\u00fcrden, da sie zur H\u00e4lfte den u- und zur H\u00e4lfte den o-F\u00e4llen zugetheilt sind, auch dann halb als falsche F\u00e4lle angesehen, wenn die gesch\u00e4tzte mit der richtigen Mitte zusammentrifft ; und das nennt er denn eine \u00bbvertrackte Art die Dinge zu behandeln\u00ab. Gewiss, \u00bbvertrackt\u00ab ist die klarste und einfachste Rechnung \u2014 f\u00fcr den, der sie nicht versteht.\nDoch damit nicht genug, Stumpf hat auch noch einen prin-cipiellen Einwand gegen den eingeschlagenen Weg. Abgesehen von allem andern, meint er, liege schon im Ausgangspunkt eine \u00bbVerwechselung oder Erschleichung\u00ab. Es sollte doch beurtheilt werden, ob der Ton subjectiv, f\u00fcr die Empfindung, in der Mitte liegt. Ob aber \u00bbein Urtheil in dieser Beziehung richtig oder falsch ist, das kann nicht durch sein Verhalten zur Mitte der Schwingungszahlen definirt werden, es sei denn, dass die subjective mit der objectiven Mitte zusammenf\u00e4llt, was doch erst bewiesen werden soll\u00ab. Darum, meint Stumpf, muss uns die Empfindungsmitte schon vorher bekannt sein, ehe wir \u00fcber ihr Verhalten zur Mitte der Schwingungszahlen etwas erfahren k\u00f6nnen.\nWer sich auch nur halbwegs theoretisch oder praktisch mit den Fragen der Empfindungsmessung besch\u00e4ftigt hat, sieht sofort die \u00e4gyptische Finsterniss, die uns aus diesen Worten entgegenstarrt. Trotzdem will ich versuchen, die Sache so popul\u00e4r zu erl\u00e4utern, dass allenfalls ein Quartaner sie einsehen k\u00f6nnte. Wir wollen einmal annehmen, es sei gegeben eine Reihe von Tonquellen, denen die T\u00f6ne\n1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10\nentsprechen. Der Ton 1 sei der tiefste, der Ton 10 der h\u00f6chste, und alle andern seien in der angegebenen Reihenfolge in ihrer Tonh\u00f6he zwischen ihnen gelegen. Es sei uns ferner v\u00f6llig unbekannt, welche","page":630},{"file":"p0631.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Vergleichungen von Tondistanzen.\n631\nSchwingungszahl jeder Ton hat. Aber wir seien in die Lage versetzt, beliebig einen Ton angeben zu k\u00f6nnen. Die T\u00f6ne 1 bis 10 bilden dann eine Tondistanz, die durch die anderen T\u00f6ne in einer uns zun\u00e4chst ganz unbekannten Weise in kleinere Strecken einge-theilt ist. Nun k\u00f6nnen wir offenbar auf eine derartige durch einzelne Punkte markirte Tonstrecke ohne alle Schwierigkeit das Lorenz\u2019sche Verfahren anwenden. Wir bestimmen f\u00fcr jeden der Punkte 1, 2, 3, 4 . . bis 10 in einer gro\u00dfen Zahl von F\u00e4llen die Oben-, Unten- und Mittensch\u00e4tzungen und stellen den Punkt fest, wo in der gro\u00dfen Durchschnittszahl der F\u00e4lle die Neigungen zur Unten- und Obensch\u00e4tzung mit einander im Gleichgewicht stehen. Dieser Punkt wird der Empfindungsmitte entsprechen. Sei es z. B. der Ton 4, so wird also f\u00fcr unsere Empfindung die Strecke von 1 bis 4 gerade so gro\u00df sein wie die Strecke von 4 bis 10. Hier haben wir die Empfindungsstrecke halbirt, ohne von Schwingungszahlen etwas zu wissen. Auch ist es gar nicht n\u00f6thig, dass die Empfindungsmitte gerade auf den Punkt f\u00e4llt, der zuf\u00e4llig der mittlere der von uns untersuchten ist, sondern sie kann gerade so gut auf 2, 3, 8 u. s. w. oder zwischen zwei der durch die Tonquellen repr\u00e4sentirten T\u00f6ne fallen. Nachdem wir so weit gekommen sind, wollen wir aber einmal weiter voraussetzen, die T\u00f6ne 1 bis 10 seien dem Experimentator in Bezug auf ihre Schwingungszahlen nicht mehr unbekannt \u2014 wie werden sich dann die Dinge ver\u00e4ndern? Nat\u00fcrlich in gar nichts! F\u00fcr die Beobachter sind die T\u00f6ne als Empfindungen gegeben und nicht als Schwingungszahlen, und sie werden also in diesem Fall genau in der n\u00e4mlichen Weise ihre Sch\u00e4tzungen ausf\u00fchren wie vorhin. Der Quartaner hat den Zusammenhang l\u00e4ngst begriffen.\nIV.\nWenn man an einer Untersuchung etwas zu tadeln hat, so schlie\u00dft das keineswegs die Verpflichtung ein, die Sache selbst besser machen zu k\u00f6nnen oder machen zu wollen. Fehler in einer Arbeit aufzudecken, ist an und f\u00fcr sich schon ein verdienstliches Unternehmen, vorausgesetzt dass es gelingt. Stumpf h\u00e4tte also hier seine Betrachtungen schlie\u00dfen k\u00f6nnen, da wenigstens er sein Unternehmen wahrscheinlich f\u00fcr ein gelungenes hielt. Aber er hat","page":631},{"file":"p0632.txt","language":"de","ocr_de":"632\nW. Wundt.\nsich damit nicht begn\u00fcgt. Er hat uns die Vorschl\u00e4ge zu denjenigen Methoden nicht vorenthalten, die er in einem \u00e4hnlichen Falle befolgen w\u00fcrde. Einige missbilligende Seitenblicke auf unsere Versuche fallen freilich auch da noch ab. Vor allem \u00bbkeine Massenversuche\u00ab, ruft er aus, \u00bbkeine Volksabstimmung\u00ab, an der sich Musikalische und Unmusikalische gleichm\u00e4\u00dfig betheiligen ! Ich w\u00fcrde es allenfalls eine Volksabstimmung nennen, wenn man Urtheile von allen m\u00f6glichen Beobachtern, ohne R\u00fccksicht auf Vor\u00fcbung 'und sonstige Vorbedingungen durcheinanderw\u00fcrfelte, wenn man z. B. in einem Versuch einen Ton ang\u00e4be, dann eine gro\u00dfe Menge von Individuen befragte, wie sie ihn sch\u00e4tzen, die Urtheile aufzeichnete und das Mittel daraus als Resultat festhielte. Wo ist denn aber in unseren Versuchen von einem so sinnlosen Verfahren die Rede? Die Versuche jedes Einzelnen werden f\u00fcr sich behandelt. Er wird \u00fcberhaupt erst zu definitiven Versuchen zugelassen, nachdem er sich die zureichende Versuchs\u00fcbung erworben; dann wird mit ihm planm\u00e4\u00dfig, mit sorgf\u00e4ltiger Beachtung der Zeitlagen und der sonstigen zur Gewinnung brauchbarer Ergebnisse und zur Elimination zuf\u00e4lliger Fehler erforderlichen Bedingungen verfahren. Schlie\u00dflich werden die Versuche eines jeden isolirt berechnet, und nirgends wird aus den Zahlen verschiedener Beobachter etwa ein Gesammt-mittel genommen. Stumpf kann also sein Urtheil nur auf den Umstand gegr\u00fcndet haben, dass \u00fcberhaupt viele Versuche angestellt worden sind. Gewiss, ich kenne Versuche, von denen man nicht blos sagen muss: wenige von ihnen sind besser als viele, sondern: gar keine w\u00e4ren die besten gewesen. Ein Beispiel solcher Art werden wir unten kennen lernen.\nHiernach schreitet Stumpf zur Aufstellung einiger Regeln, welche nach ihm bei der Ausf\u00fchrung der Versuche befolgt werden sollten. Die beiden ersten lauten der Hauptsache nach : 1) es sollen Versuche ausgef\u00fchrt werden \u00bbmit musikalisch wohlgeschulten Beobachtern (wohlgeschult nat\u00fcrlich dem Geh\u00f6r nach, nicht der Technik nach)\u00ab; 2) es sollen ebensolche ausgef\u00fchrt werden \u00bbmit psychologisch ad hoc einge\u00fcbten (musikalischen) Beobachtern\u00ab. Durch die Herbeiziehung dieser soll insbesondere der \u00bbEinfluss der musikalischen Gewohnheit\u00ab paralysirt werden. Das letztere entspricht nun, wie man sich erinnert, genau den Verh\u00e4ltnissen, unter","page":632},{"file":"p0633.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Vergleichungen von Tondistanzen.\n633\ndenen ein Theil unserer Beobachtungen ausgef\u00fchrt ist. Dagegen waren wir der Ansicht; Versuche an nicht eingeschulten, sondern zuf\u00e4llig aufgegriffenen Beobachtern seien \u00fcberhaupt unbrauchbar, auch wenn sie musikalische Uebung besitzen. Die bei allen diesen Versuchen unerl\u00e4ssliche Versuchs\u00fcbung kann bei den Musikalischen k\u00fcrzer sein, keineswegs darf sie ganz fehlen. Um den Einfluss der \u00bbmusikalischen Gewohnheit\u00ab festzustellen, schien es uns aber au\u00dferdem unerl\u00e4sslich, unmusikalische Beobachter von normalem Geh\u00f6r nach zureichender Versuchs\u00fcbung zu verwenden. Dass solche Versuche Unmusikalischer, namentlich bei harmonischen Intervallen, nat\u00fcrlich viel gr\u00f6\u00dfere Schwankungen der Versuchszahlen darbieten als die der Musikalischen, ist ein Mangel, der \u00fcberall an das reine, von der musikalischen Intervallsch\u00e4tzung unabh\u00e4ngige Distanzurtheil gebunden, und der auch bei den musikalischen Beobachtern vorhanden ist, wo es sich um unharmonische Intervalle, also eben um reine Distanzsch\u00e4tzungen handelt. Wenn Stumpf meint, dass eine psychologische Ein\u00fcbung ad hoc allein den Einfluss musikalischer Gewohnheit beseitigen k\u00f6nne, so zeigt dies nur, dass er in derartigen Versuchen keine Erfahrung hat. Ebendarum m\u00f6chte ich seiner Behauptung, \u00bbein einziges Urtheil eines solchen (ad hoc einge\u00fcbten musikalischen) Beobachters wiegt mehr als tausend von Unmusikalischen und Unge\u00fcbten\u00ab, nur insofern entgegentreten , als ich sage : beide wiegen gleich viel, n\u00e4mlich gar nichts. Ein einziger Versuch ist bei Beobachtungen, wo so zahlreiche Fehlervorg\u00e4nge sich durchkreuzen, \u00fcberhaupt nichts werth; wenige blieben unsicher, viele sind nur dann etwas werth, wenn sie unter Ber\u00fccksichtigung aller Einfluss habenden Bedingungen an brauchbaren Beobachtern und nach geh\u00f6riger Vor\u00fcbung derselben ausgef\u00fchrt worden sind. Wenn man hinsichtlich der Anzahl der Versuche die Lorenz\u2019sehe Arbeit bem\u00e4ngeln wollte, so k\u00f6nnte es allenfalls deshalb geschehen, weil eine gr\u00f6\u00dfere Versuchszahl w\u00fcnschenswerth w\u00e4re. Aber die in dieser Beziehung vorhandenen M\u00e4ngel wird ja der Einsichtige entschuldigen, der die ungew\u00f6hnliche Ausdauer zu sch\u00e4tzen wei\u00df, die zu den Beobachtungen, wie sie jetzt vorliegen, schon erforderlich war.\nMit den zwei angef\u00fchrten Regeln sind wir \u00fcbrigens noch nicht fertig. Stumpf verlangt au\u00dferdem, dass die Versuche 3) mit","page":633},{"file":"p0634.txt","language":"de","ocr_de":"634\nW. Wundt.\nstetiger Tonver\u00e4nderung, und dass sie 4) mit einfachen T\u00f6nen ausgef\u00fchrt werden.\nWas zun\u00e4chst das letztere betrifft, so ist es in der That w\u00fcnschenswerth, dass Versuche \u00fcber die Eintheilung von Tomdistanzen mit einfachen T\u00f6nen (insoweit es einfache T\u00f6ne \u00fcberhaupt gibt, also mit den relativ einfachen T\u00f6nen der mit Ilesonanz-r\u00e4umen in Verbindung stehenden Stimmgabeln) gemacht werden. Auch sind solche Versuche in meinem Laboratorium schon seit l\u00e4ngerer Zeit im Gang, aber, da hierbei, wie man leicht begreift, die technischen Schwierigkeiten ungleich gr\u00f6\u00dfer sind, noch nicht abgeschlossen. Es geh\u00f6rt aber die vorliegende Frage meines Erachtens nicht zu denjenigen, die nur mit einfachen T\u00f6nen behandelt werden d\u00fcrfen. Es gibt solche Fragen. Wenn man z. B. fragt, ob zwei T\u00f6ne gleichzeitigerklingend als zwei unterschieden oder in einen verschmolzen werden, so darf man ganz gewiss nicht, wie es Stumpf (Tonpsychologie II S. 142 ff.) gethan hat, statt der einfachen T\u00f6ne obertonreiche Kl\u00e4nge w\u00e4hlen. Denn es leuchtet Jedermann ein, dass, wo es sich darum handelt, ob zwei gleichzeitige T\u00f6ne unterschieden werden, man nicht 4 oder 6 oder 12 T\u00f6ne gleichzeitig darf einwirken lassen. Solche Versuche taugen also in der That nichts. Mit der Eintheilung der Tondistanzen verh\u00e4lt es sich aber anders. Sie kann unter den zwei Bedingungen obertonfreier und obertonreicher Kl\u00e4nge ausgef\u00fchrt werden. Beide Untersuchungen sind neben einander noth-wendig. Sie erg\u00e4nzen sich, weil die Obert\u00f6ne m\u00f6glicher, ja wahrscheinlicher Weise in gewissen F\u00e4llen einen Einfluss auf das Distanz-\u00fcrtheil aus\u00fcben. Diesen Einfluss kann man aber nur feststellen, wenn einmal beide Untersuchungen vorliegen.\nDoch nicht blos mit einfachen T\u00f6nen, sondern auch mit stetiger Tonver\u00e4nderung sollen nach Stumpf die Versuche gemacht werden. \u00bbDer Beobachter selbst oder ein anderer\u00ab, sagt er, \u00bbmuss den Zwischenton so lange hin und her ver\u00e4ndern, bis er endgiltig gleichweit von den \u00e4u\u00dfern T\u00f6nen entfernt scheint, und diese Ver\u00e4nderung muss stetig erfolgen k\u00f6nnen\u00ab. Ich muss gestehen, dass der Sinn dieser Stelle mir einige Schwierigkeiten bereitet hat. Dass f\u00fcr viele Versuche mit kleinen Tondistanzen kleinere Schritte als solche mit 4 oder 2 Schwingungen w\u00fcnschenswerth w\u00e4ren, ist bereitwillig zuzugeben, auch von Lorenz selbst ausdr\u00fccklich betont","page":634},{"file":"p0635.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Vergleichungen von Tondistanzen.\n635\nworden. Also h\u00e4tte Stumpf verlangen k\u00f6nnen, wir h\u00e4tten uns Tonmesser mit viel mehr T\u00f6nen in der Octave, nicht blos mit 64 und 128, sondern mit 512 und 1024 oder mehr verschaffen sollen. Aber nun gleich einen Tonmesser mit so vielen T\u00f6nen, dass eine stetige Aenderung des Mitteltons m\u00f6glich wird, zu fordern, also mit andern Worten unendlich viele T\u00f6ne und dem entsprechend auch unendlich viele Versuche \u2014 nein, das ist seihst f\u00fcr den technischen Genius unseres Zeitalters und f\u00fcr einen Beobachter von dem Flei\u00df und der Ausdauer des trefflichen Lorenz zu viel. Der Verfasser dieser Kritik muss also etwas anderes gemeint haben. Aber warum verlangt er denn \u00fcberhaupt eine stetige Tonver\u00e4nderung ? Ich bekenne, ein Licht \u00fcber den Sinn dieser Forderung ist mir erst aufgegangen, als ich mich an die im Eingang dieses Aufsatzes erw\u00e4hnte Behauptung erinnerte, dass T\u00f6ne, die nicht mit einem der T\u00f6ne des Tonmessers zusammenfielen, unm\u00f6glich die aus den Versuchszahlen sich ergebenden Sch\u00e4tzungsmitten sein k\u00f6nnten. Denn man k\u00f6nne doch eine Mitte nicht sch\u00e4tzen, die man nicht wirklich h\u00f6rt. In der That, dieser skeptische Psychophysiker glaubt nichts, was er nicht gesehen oder geh\u00f6rt hat, und da \u2014 das l\u00e4sst sich nicht bestreiten \u2014 die gesch\u00e4tzte Mitte an jedem Punkt der stetigen Tonlinie zwischen dem untern .und dem oberen Ton liegen kann, so verlangt er, dass alle diese Punkte gr\u00fcndlich durchprobirt werden. F\u00fcr was f\u00fcr ungr\u00fcndliche K\u00f6pfe muss er die Astronomen halten, welche die Bahn eines Himmelsk\u00f6rpers bestimmen, ohne ihn das ganze Jahr hindurch im Auge zu behalten?. Nun denn, so leicht wie die Astronomie kann es sich freilich die Psychophysik nicht machen. Wo es sich um so complexe Regelm\u00e4\u00dfigkeiten handelt wie hier, wird eine gr\u00f6\u00dfere Zahl von Werthen der Function bestimmt werden m\u00fcssen. Immerhin, aus einer hinreichend gro\u00dfen Zahl von Punkten sollte sich doch auch hier der ganze Gang der Function ermitteln lassen.\nDoch, wie dem auch sein m\u00f6ge, wie hat sich wohl Stumpf die Ausf\u00fchrung seines Versuchsplans \u00fcberhaupt gedacht? Einzelne Vergleichungen je dreier nach einander angegebener T\u00f6ne t, m und h, von denen der zweite in den verschiedenen Versuchen variabel genommen wird, kann er, wie wir gesehen haben, nicht gemeint haben. Er denkt sich' also offenbar, dass man zuerst t,","page":635},{"file":"p0636.txt","language":"de","ocr_de":"636\nW. Wundt.\ndann h angibt und hierauf an einem Instrument, an welchem stetige Ver\u00e4nderungen m\u00f6glich sind, wie etwa der Violine, die Saite bald stetig verk\u00fcrzend bald stetig verl\u00e4ngernd, so lange den Ton hin- und herf\u00fchrt, bis die Mitte zwischen t und h gefunden ist. Offenbar setzt aber dieses Verfahren voraus, dass man erstens die beiden T\u00f6ne t und h w\u00e4hrend der ganzen Zeit neben dem direct einwirkenden ver\u00e4nderlichen Ton im Ged\u00e4chtniss beh\u00e4lt, und dass man zweitens diesen letzteren, obgleich er sich fortw\u00e4hrend ver\u00e4ndert, in jedem Moment genau nach seiner augenblicklichen Tonh\u00f6he festzuhalten vermag. Dass unter diesen Umst\u00e4nden eine Vergleichung \u00fcberhaupt kaum m\u00f6glich oder, wenn m\u00f6glich, so erschwert ist, dass ihr Resultat keinen Werth hat, das leuchtet wohl selbst demjenigen ein, der in Versuchen dieser Art ganz unerfahren ist, aber sich einigerma\u00dfen die gestellten psychologischen Forderungen zu vergegenw\u00e4rtigen wei\u00df.\nFreilich, man begreift, dass Stumpf \u00fcber diese Forderungen leichten Herzens hinweggeht, wenn man einige der Versuche ins Auge fasste, die er selbst ausgef\u00fchrt und in seiner \u00bbTonpsychologie\u00ab mitgetheilt hat. Wenn sie sich auch nicht auf unsere Frage beziehen, so k\u00f6nnen sie doch den hier gemachten Vorschl\u00e4gen als ebenb\u00fcrtig an die Seite gestellt werden.\nIch nehme aufs Gerathewohl ein Beispiel aus dem vor kurzem erschienenen zweiten Bande (S. 155\u2014166). Es handelt sich um Versuche, die den Grad der \u00bbVerschmelzung\u00ab je zweier T\u00f6ne feststellen sollen. Die Versuche sind offenbar mit besonderer Sorgfalt ausgef\u00fchrt, da der Verfasser dabei haupts\u00e4chlich die Absicht hatte, \u00bbwo m\u00f6glich einem etwaigen feineren Unterschied zwischen den beiden Terzen auf die Spur zu kommen\u00ab. Durch Aufforderung an seine zuf\u00e4lligen Zuh\u00f6rer gewann er 14 Individuen, die sich selbst als \u00bbsehr Unmusikalische\u00ab meldeten. Von ihnen wurden aber zwei ausgeschieden, der eine, weil er sich trotz seiner Versicherung als \u00bbzu musikalisch\u00ab erwies, der andere aus dementgegengesetzten Grunde. So blieben 12 \u00fcbrig, deren \u00bbmusikalische Verfassung\u00ab als hinreichend gleich betrachtet werden konnte. In diesem Fall meint Stumpf abweichend von dem, was wir oben geh\u00f6rt haben: \u00bbje gr\u00f6\u00dfere Zahlen, um so zuverl\u00e4ssigere Resultate und Schlussfolgerungen\u00ab. Um recht gro\u00dfe Zahlen zu erhalten, addirt er daher sofort die Angaben aller","page":636},{"file":"p0637.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Vergleichungen von Tondistanzen.\n637\nBeobachter. Das habe den Vortheil, \u00bbdass kleinere individuelle Eigenheiten sich ausgleichen oder abschw\u00e4chen\u00ab. Die Versuche wurden an vier Tagen in der Domkirche zu Halle angestellt, jeden Tag eine Reihe. Der Grad der \u00bbVerschmelzung\u00ab wurde an der Unf\u00e4higkeit, zwei gleichzeitig angegebene T\u00f6ne zu unterscheiden, gemessen. Je h\u00e4ufiger in einer gewissen Zahl von Versuchen die Beobachter angaben, blos einen Ton zu h\u00f6ren, um so gr\u00f6\u00dfer war der Grad der Verschmelzung anzunehmen. So wurden kleine Terz, gro\u00dfe Terz, Quarte, Triton, Quinte untersucht. Stumpf hielt darauf, dass an jedem Versuchstag die Aufeinanderfolge der einzelnen Intervalle immer dieselbe blieb, und er bem\u00fchte sich, m\u00f6glichst gleichzeitig die T\u00f6ne anzugeben, was dadurch geschah, dass die Finger beider H\u00e4nde \u00bbmit einer gewissen Schnellkraft aus einiger H\u00f6he\u00ab auf die Tasten aufgesetzt und ebenso kr\u00e4ftig wieder gehoben wurden. Weil endlich manche Beobachter angaben, durch den Nachklang in der Kirche gest\u00f6rt zu werden, so lie\u00df er zugleich mit dem Aufh\u00f6ren der beiden T\u00f6ne einen kr\u00e4ftigen tiefen Accord erklingen, der jenen Nachklang ausl\u00f6schen sollte.\nNun vergegenw\u00e4rtige man sich die Umst\u00e4nde dieser Versuche! Ich sehe ab von dem g\u00e4nzlichen Mangel an Vor\u00fcbung in Beobachtungen, die gro\u00dfe Aufmerksamkeit erfordern, von der geringen Versuchszahl, von dem Zusammenwerfen von Versuchen verschiedener Beobachter. Aber zu allem dem kommt: 1) Stumpf stellte von vornherein die Versuche nicht mit einfachen T\u00f6nen an, was in diesem Fall die Fragestellung unbedingt forderte. 2) Er gab an jedem Tag den Intervallen die n\u00e4mliche Reihenfolge, wodurch die Beeinflussung der Urtheile in den folgenden Reihen durch diejenigen in den vorhergehenden f\u00f6rmlich herausgefordert wurde, w\u00e4hrend einem solchen Einfl\u00fcsse durch m\u00f6glichsten Wechsel der Reihenfolge entgegenzuarbeiten war. 3) Die T\u00f6ne, die er gleichzeitig will einwirken lassen, fangen in Wirklichkeit weder gleichzeitig an, noch h\u00f6ren sie gleichzeitig auf. Jeder Physiologe w\u00fcrde ihm haben sagen k\u00f6nnen, dass zwei als gleichzeitig intendirte Bewegungen darum noch lange nicht gleichzeitig sind. Je mehr er die H\u00e4nde \u00bbaus einiger H\u00f6he\u00ab herabfallen lie\u00df, um so weniger war eine solche Gleichzeitigkeit m\u00f6glich, weil dann zu der Ungleichzeitigkeit der Entstehung der Bewegungen noch die unbeabsichtigte Ungleichheit Wundt, Philos. Studien. VI.\t42","page":637},{"file":"p0638.txt","language":"de","ocr_de":"638\nW. Wundt.\nder Geschwindigkeiten beider H\u00e4nde hinzukam, die um so betr\u00e4chtlicher ist, weil rechte und linke Hand bei keinem Menschen vollkommen gleichgeiibte Organe sind. Endlich sind die Tasten der Orgel bekanntlich erheblich schwerer als Klaviertasten beweglich, was abermals Ungleichzeitigkeiten beg\u00fcnstigen musste. Nun glaube man nicht etwa, dass es sich hier um sehr kleine Gr\u00f6\u00dfen handle, die bei dem H\u00f6ren gleichzeitiger T\u00f6ne gar nicht mehr in Betracht kommen. Nach den in dem vorliegenden Hefte mitgetheilten Untersuchungen von Osw. K\u00fclpe \u00fcber die Gleichzeitigkeit und Ungleichzeitigkeit von Bewegungen kann der unbemerkt bleibende Zeitunterschied zweier als gleichzeitig intendirter Bewegungen bis zu 0,030 Sec. betragen. Ein Blick auf die Tabellen S. 521\u2014525 lehrt, dass die wirkliche Ungleichzeitigkeit bei Bewegungen dieser Art (d. h. bei vorbereiteter willk\u00fcrlicher Reaction) durchschnittlich jedenfalls gr\u00f6\u00dfer als 0,005 Sec. ist, und dies unter besonders g\u00fcnstigen Bedingungen, wenn n\u00e4mlich die Bewegung in dem pl\u00f6tzlichen Loslassen eines stark federnden Tasters besteht. Jeder, der in chronoskopischen Versuchen erfahren ist, wei\u00df, dass eine den Schluss eines solchen Tasters bewirkende Bewegung, die dem Herabdr\u00fccken der Orgeltasten einigerma\u00dfen analog sein w\u00fcrde, viel unsicherer ist und durchweg l\u00e4ngere Zeit beansprucht. Hiernach d\u00fcrfte, m\u00e4\u00dfig gesch\u00e4tzt, die Ungleichzeitigkeit in Stumpf\u2019s Versuchen das 5- bis lOfache der von K\u00fclpe beobachteten Ungleichzeitigkeiten betragen haben. Aber setzen wir selbst den ganz unm\u00f6glichen Fall, dass die wirkliche Ungleichzeitigkeit dort gar nicht mehr betragen habe als hier, so w\u00fcrde das noch immer gen\u00fcgen, um eine Succession der Empfindungen so weit m\u00f6glich zu machen, dass sie das Urtheil beeinflussen konnte, da nach Exner\u2019s Ermittelungen eine Succession der Empfindungen von blos 0,002 Sec. mittelst des Geh\u00f6rsinns noch erkannt werden kann. In allen den F\u00e4llen, in denen bei Stumpf die zwei zusammenklingenden T\u00f6ne unterschieden wurden, kann dies also durch die Ungleichzeitigkeit ihres Anfangs bedingt gewesen sein. 4) Gleichzeitig mit dem Loslassen der Tasten l\u00e4sst Stumpf einen \u00bbtiefen Accord\u00ab erklingen, der die beiden T\u00f6ne nicht als Obert\u00f6ne enth\u00e4lt und das Nachhallen derselben ausl\u00f6schen soll. Das hat der Accord wahrscheinlich gethan ; jedenfalls hat er aber auch in den Zuh\u00f6rern die","page":638},{"file":"p0639.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Vergleichungen von Tondistanzen.\n639\nF\u00e4higkeit ausgel\u00f6scht, das was sie eben geh\u00f6rt hatten festzuhalten und dar\u00fcber Rechenschaft zu gehen. Ueberdies, wenn der Nachhall in der Kirche die Beobachter st\u00f6rte, so wird sie wohl der viel st\u00e4rkere nachklingende Accord noch mehr gest\u00f6rt haben. Das hei\u00dft denn doch den Teufel durch Belzehuh austreihen! In der That, wenn die vorigen Ma\u00dfregeln nicht gen\u00fcgt h\u00e4tten, die Versuche unbrauchbar zu machen, diese eine w\u00fcrde es gethan haben.\nIch bin zu Ende. Ungern nur habe ich mich zu dieser Abwehr entschlossen, die unvermeidlich in ihrem Verlauf zu einer Kritik der eigenen Leistungen Stumpfs auf dem Gebiete der Psychophysik werden musste. Die experimentelle Psychologie hat, als ein in der Entstehung begriifenes Gebiet, mit so gro\u00dfen Schwierigkeiten zu k\u00e4mpfen nach au\u00dfen und innen, dass unfruchtbare Zwistigkeiten zwischen denen, die sich ihrer Pflege widmen, vermieden werden sollten. Auch begr\u00fc\u00dfe ich es dankbar, wenn Solche, deren philosophischer Bildungsgang das Verst\u00e4ndniss exacter Methoden und Betrachtungsweisen erschwert, gleichwohl es nicht verschm\u00e4hen, an experimentellen Fragen mitzuarbeiten, und auf diese Weise durch eigene praktische Beth\u00e4tigung die hier wie \u00fcberall nothwendige Uebung und Sachkenntniss sich zu erwerben suchen. Ich bin theils aus diesen Gr\u00fcnden, theils im Hinblick auf die Versehen und Irrth\u00fcmer, die keinem von uns erspart bleiben, geneigt, die Leistungen Anderer mild zu beurtheilen, aus ihnen zu lernen, wo ich es vermag, sie unbeachtet zu lassen, wo ich es nicht vermag. Auch in diesem Falle habe ich wahrlich den Streit nicht gesucht. Mein erster Impuls war, als mir Stump f\u2019s Abhandlung in die H\u00e4nde kam, schweigend dar\u00fcber hinwegzugehen. N\u00e4here Ueberlegung hat mich jedoch \u00fcberzeugt, dass in diesem Fall den Kampf aufzunehmen eine Pflicht sei, die ich meinen j\u00fcngeren Mitarbeitern, und die ich insbesondere dem Verfasser der angegriffenen Abhandlung schuldete. Ich konnte es nicht ruhig ansehen, dass die Frucht eines treuen, ausdauernden Flei\u00dfes in den Staub getreten, bestenfalls als eine unn\u00fctze Zeitvergeudung beklagt wurde, \u2014 und das in einer Weise, die in jeder Zeile nicht nur einen v\u00f6lligen Mangel an Verst\u00e4ndniss f\u00fcr die beurtheilten Versuche, sondern auch die eigene Unf\u00e4higkeit zu \u00e4hnlichen Leistungen an den Tag legte. Ich habe im Eingang versprochen, diese\n42*","page":639},{"file":"p0640.txt","language":"de","ocr_de":"640\nW. Wundt. Ueber Vergleichungen von Tondistauzen.\nAbwehr wo m\u00f6glich \u00bbsine ira et studio\u00ab zu schreiben. Dass ich den zweiten Theil dieses Vorsatzes gehalten, daf\u00fcr kann ich einstehen. Meine einzige Tendenz war, einer mit Unrecht angegriffenen, sorgf\u00e4ltig ausgef\u00fchrten Untersuchung wieder zu ihrem Rechte zu verhelfen, und die Nebel zu zerstreuen, die eine \u00bb\u00fcbelberathene\u00ab Kritik \u00fcber an sich klare und einfache Fragen verbreitet hatte. Dass es auch immer \u00bbsine ira\u00ab abgelaufen sei, will ich jetzt nicht mehr behaupten. Wenn, wie es ja zuweilen im gelehrten Leben vorkommt, das \u00fcberlegene Wissen auf den redlichen Flei\u00df des Anf\u00e4ngers mit wegwerfendem Hohne herabsieht, so finde ich das nicht sch\u00f6n. Aber ein noch unerfreulicheres Schauspiel scheint es mir doch zu sein, wenn die Unkenntniss zu Gericht sitzt, um zu verurtheilen, wo sie nicht einmal zu urtheilen f\u00e4hig ist.\nNoch aus einem andern Grunde habe ich mich schwer zu dieser Abwehr entschlossen. Ich konnte mich zwar niemals dem Eindruck verschlie\u00dfen, dass Stumpf, wo er in seinen Arbeiten experimentelle Fragen behandelt, allzu unmethodisch verf\u00e4hrt. Immerhin glaubte ich, dass die musikalische Erfahrung, die ihm zu Gebote steht, nach mancher Richtung, namentlich wo es auf die Wiedergabe subjectiver Wahrnehmungen ankommt, manchen sch\u00e4tzens-werthen Beitrag zur Tonpsychologie von ihm erwarten lasse. Ich bekenne, dass ich jetzt an dieser guten Meinung einigerma\u00dfen irre geworden bin. Stumpf wei\u00df hoffentlich, so gut wie ich, dass, wer die Tonpsychologie f\u00f6rdern will, mehr als etwas musikalische Erfahrung n\u00f6thig hat. Aber es kann, wie ich glaube, nicht schaden, wenn er in dieser Ueberzeugung durch den Erfolg, den er diesmal errungen, best\u00e4rkt wird. Um so eher wird dann diese Polemik f\u00fcr ihn auch noch den weiteren Ertrag haben, dass er nicht nur als die beste, sondern auch als die n\u00fctzlichste Tugend f\u00fcr einen wissenschaftlichen Forscher die sch\u00e4tzen lernt: gerecht zu sein gegen Andere, strenge gegen sich selbst.\nDruck von Breitkopf & H\u00e4rtel in Leipzig.","page":640}],"identifier":"lit749","issued":"1891","language":"de","pages":"605-640","startpages":"605","title":"Ueber Vergleichungen von Tondistanzen","type":"Journal Article","volume":"6"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:35:34.468014+00:00"}