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{"created":"2022-01-31T13:24:56.692646+00:00","id":"lit757","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Wundt, Wilhelm","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 7: 298-327","fulltext":[{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Replik C. Stumpfs.\nVon\nW. Wundt.\nIn einem unter dem Titel \u00bb Wundt\u2019s Antikritik\u00ab erschienenen Aufsatze (Zeitschr. f\u00fcr Psychol, und Physiol, der Sinnesorgane, Bd. II, S. 266 ff.) ist C. Stumpf meiner in Band VI dieser Studien ver\u00f6ffentlichten Beleuchtung seiner Kritik der Lorenz\u2019sehen Arbeit \u00fcber Tondistanzen entgegengetreten. In dieser Gegenschrift beschuldigt er mich der \u00bbVerdrehungen und Unterstellungen\u00ab; ich soll den \u00bbKern des Angriffs\u00ab unber\u00fchrt lassen, dagegen mich in \u00bbInsulten\u00ab auf seine wissenschaftlichen F\u00e4higkeiten ergehen. Auf die beiden ersten Anschuldigungen habe ich zu erwiedern, dass ich nach sorgf\u00e4ltiger Pr\u00fcfung dieser neuen Stumpf\u2019schen Arbeit von dem \u00fcber seine Einw\u00e4nde, Gegenvorschl\u00e4ge und eigenen Versuche Gesagten auch nicht ein Wort zur\u00fccknehmen kann. Den Beweis hierf\u00fcr werde ich antreten. Was die \u00bbInsulte\u00ab betrifft, so bedaure ich aufrichtig, dass der Versuch Stumpf\u2019s, die Ergebnisse einer sorgf\u00e4ltigen Arbeit auf Grund theils nichtiger, theils irrth\u00fcmlicher Ein w\u00e4nde in Frage zu stellen, mich in die Noth wendigkeit versetzt hat, sein Verfahren einer Kritik zu unterziehen, welche seine wissenschaftlichen F\u00e4higkeiten auf dem hier von ihm betretenen Gebiete allerdings in keinem gl\u00e4nzenden Lichte erscheinen l\u00e4sst. Wenn ich meiner Missbilligung seines Verfahrens zuweilen einen energischen Ausdruck gab, so wird dies, wie ich glaube, Jeder begreiflich finden, der die Art des Stumpf\u2019schen Angriffs ber\u00fccksichtigt, in","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Replik C. Stumpfs.\n299\nwelchem die um jeden Preis festgehaltene Tendenz, eine flei\u00dfige Untersuchung in den Staub zu ziehen, nur durch die Unzul\u00e4nglichkeit der Mittel \u00fcberboten ist, mit denen diese Absicht verfolgt wird.\nEs ist mir nicht erfreulich, in dieser Angelegenheit noch einmal das Wort zu nehmen. Handelte es sich um ein Gebiet, das sich bereits einer allgemein anerkannten, gesicherten Methodik erfreute, so k\u00f6nnte ich die Irrth\u00fcmer und Angriffe Stumpf\u2019s auf sich beruhen lassen. Mit der experimentellen Psychologie verh\u00e4lt es sich heute noch anders. Sie muss sich k\u00e4mpfend ihr Gebiet erobern, und bei diesem Kampfe ist ihr gef\u00e4hrlichster Gegner nicht die metaphysische Psychologie von ehedem, sondern der selbstgef\u00e4llige Dilettantismus, der jedes planlose Herumtasten f\u00fcr ein wissenschaftliches Experiment h\u00e4lt.\nI. Stumpf er\u00f6ffnet seine Replik mit dem \u00bbKern der Sache\u00ab. Dieser bestand in dem vermeintlich von ihm gef\u00fchrten Nachweis, \u00bbdass in allen Versuchsreihen, worin ein Ton mit unverkennbarer Bestimmtheit als Mitte zwischen zwei anderen bezeichnet wurde, dieses ein durch die musikalischen Gewohnheiten bevorzugter Ton war, und dass die gr\u00f6\u00dfere Bestimmtheit des Urtheils sich bei den musikalischen Beobachtern vorfand\u00ab. In meinem ganzen Artikel sei \u00bb-nicht ein Wort, welches diese Thatsachen in Abrede stellte und diese Folgerung entkr\u00e4ftete\u00ab. Nun habe ich in meinem vorigen Aufsatze ausf\u00fchrlich nachgewiesen: 1) dass selbstverst\u00e4ndlich Theilungen nach harmonischen Intervallen nicht zu ma\u00dfgebenden Folgerungen \u00fcber reine Distanzurtheile herbeigezogen werden k\u00f6nnen, weil hier musikalische Gewohnheiten jedenfalls bei musikalischen, m\u00f6glicher Weise aber auch in geringerem Grade bei unmusikalischen Beobachtern Einfluss gewinnen; 2) dass die von Stumpf gegen die Eintheilung solcher Distanzen, deren Theilungsglieder keinen musikalischen Intervallen entsprechen, vorgebrachten Einw\u00e4nde hinf\u00e4llig sind, theils weil sie nach Gutd\u00fcnken dem Beobachter bald das Aufsuchen eines Tons, der einem harmonischen m\u00f6glichst nahe kommt, bald das absichtliche Vermeiden eines solchen unterschieben, theils weil sie musikalisch unge\u00fcbten Beobachtern die Erkennung von Quarten, Sexten, kleinen Terzen etc.\n20*","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300\nW. Wundt.\nZutrauen; 3) dass die Discussion, welcher Stumpf die Lorenz-schen Versuche unterworfen hat, \u00fcberhaupt zu keinem Ergebnisse f\u00fchren konnte, weil er sich auf die Betrachtung der Rohtabellen beschr\u00e4nkt und die bei solchen Versuchen unerl\u00e4ssliche rechnerische Behandlung unterlassen, die von Lorenz ausgef\u00fchrten Rechnungen aber lediglich deshalb, weil er sie nicht verstand, unbe-r\u00fcksichtigt gelassen hat. Demnach habe ich nicht blo\u00df die von Stumpf behaupteten \u00bbThatsachen\u00ab in Abrede gestellt, sondern auch nachgewiesen, dass seine \u00bbFolgerung\u00ab keine Folgerung, sondern eine auf nichtige Vorw\u00e4nde und irrige Gr\u00fcnde gest\u00fctzte Annahme sei.\nStumpf hatte ferner eingewandt, dass bei den Versuchen obertonreiche Kl\u00e4nge von Zungenpfeifen, nicht einfache T\u00f6ne benutzt worden seien. Ich habe darauf bemerkt, dass sowohl an obertonreichen, wie an m\u00f6glichst einfachen Kl\u00e4ngen die Untersuchung ausgef\u00fchrt werden m\u00fcsse und thats\u00e4chlich ausgef\u00fchrt werde, da Versuche der letzteren Art seit l\u00e4ngerer Zeit in meinem Laboratorium im Gange seien. Damit, behauptet er nun, sei das Gewicht seines Einwandes zugestanden. Dies ist aber nicht im allergeringsten der Fall, da ich vielmehr die Untersuchung an obertonreichen Kl\u00e4ngen f\u00fcr nicht minder nothwendig halte wie die an obertonfreien. Wenn Stumpf fr\u00fcher (S. 458) eine St\u00fctze f\u00fcr seinen Einwand in der (freilich sehr unzureichend gemachten) Beobachtung zu finden glaubte, dass eine Tonreihe von mehreren Octaven in reinen T\u00f6nen den Eindruck einer gr\u00f6\u00dferen Distanz mache als in zusammengesetzten Kl\u00e4ngen, so w\u00fcrde diese Beobachtung nur dann einen triftigen Einwand abgeben, wenn man etwa Instrumente von verschiedener Klangfarbe zu denselben Versuchen w\u00e4hlen wollte, oder auch wenn die Versuche \u00fcber viel gr\u00f6\u00dfere Tondistanzen sich ausdehnten, als sie es thun und den allgemeinen Bedingungen der Methode gem\u00e4\u00df thun k\u00f6nnen.\nII. Zu der in meiner physiol. Psych, mitgetheilten Tabelle hatte Stumpf, wie man sich erinnern wird, eine \u00bbCorrectur\u00ab angebracht (Phil. Stud. VI, S. 607). Da das geometrische Mittel zwischen T und H im allgemeinen eine Schwingungszahl ergibt, die am Tonmesser nicht vertreten ist, so substituirte er der wirklichen","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Replik C. Stumpfs.\n301\ngeometrischen Mitte R den n\u00e4chsten Ton des Tonmessers ; also z. B., wenn li \u2014 426,1 ist, wird 428 als geometrische Mitte angesetzt. Denn man k\u00f6nne doch \u00bbbilliger Weise\u00ab nicht verlangen, dass T\u00f6ne als Mitte anerkannt w\u00fcrden, die der Tonmesser nicht enthalte. In seiner Kritik hat Stumpf diesen Satz ganz allgemein aufgestellt ; ich war daher berechtigt, ihn als ebenso gut gegen meine wie gegen die Lorenz\u2019sche Berechnung der Werthe von R gerichtet zu betrachten, um so mehr, da bei der weiterfolgenden Besprechung der Lorenz\u2019sehen Versuche nicht nur von dieser Berechnung keine Notiz genommen, sondern auch immer wieder, wo es sich darum handelt zu bestimmen, ob ein Ton gesch\u00e4tzt worden sei, der auf dem Tonmesser nicht vertreten ist, einfach die n\u00e4chste Taste des Tonmessers substituirt wird (vergl. S. 447\u2014449). Jetzt soll sich aber die angebliche \u00bb Correctur \u00ab \u00fcberhaupt nicht auf Lorenz beziehen, da dieser die Tonmitten auf Decimalen ausgerechnet habe, sondern nur auf meine Mittheilung, in der eine solche Ausrechnung unterblieben sei. Weil bei mir die gesch\u00e4tzten Mitten mit T\u00f6nen des Tonmessers zusammenfallen, so m\u00fcsse auch die berechnete geometrische Mitte auf eine Taste des Tonmessers verlegt werden. Noch immer ist sich Stumpf des logischen Fehlers dieser Behauptung nicht bewusst geworden. Ich habe in meiner letzten Mittheilung in den beiden Zeitlagen an einigen Versuchsbeispielen nachgewiesen, warum es mir zul\u00e4ssig schien, mich bei den damals mitgetheilten Versuchen auf die Angabe derjenigen T\u00f6ne des Tonmessers zu beschr\u00e4nken, f\u00fcr die sich aus den u-, o- und m-F\u00e4llen ein Maximum der Mittesch\u00e4tzungen ergab (608). Aber wie in aller Welt soll denn der Umstand, dass in jener Mittheilung die Ausgleichung der Zeitlagen und die genaue Bestimmung der Empfindungsmitte nicht vorgenommen ist, es rechtfertigen, nun \u2014 nicht etwa bei der Berechnung der geometrischen Mitten die Decimalen als unwesentlich zu streichen, sondern \u00fcberhaupt Zahlen f\u00fcr die geometrischen Mitten anzusetzen, die dies gar nicht sind, sondern nur die zuf\u00e4llige Eigenschaft haben, den n\u00e4chstliegenden T\u00f6nen des Tonmessers zu entsprechen? Freilich, T\u00f6ne, die auf dem Tonmesser nicht existiren, k\u00f6nnen auch nicht als Reizmitten \u00bbanerkannt\u00ab werden. Das k\u00f6nnen sie aber bei Lorenz ebenso wenig wie bei mir, wenn man unter dem \u00bbAnerkennen\u00ab dies versteht,","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302\nW. Wundt.\ndass man einem Ton unmittelbar anh\u00f6ren soll, er und kein anderer sei die Tonmitte. Wer das fordert, der muss eben zugleich verlangen, wie das Stumpf an einer sp\u00e4teren Stelle auch thut, dass die unendlich vielen zwischen T und H m\u00f6glichen T\u00f6ne wirklich vorgelegt werden. Unter keiner Bedingung aber ist man berechtigt, einem Ton a, der auf dem Tonmesser nicht vorkommt, den ihm n\u00e4chsten auf ihm vorhandenen Ton b zu substituiren, wenn es sich um die Frage handelt, wie nahe irgend ein gesch\u00e4tzter Ton c mit a Zusammenfalle. Man will ja eben wissen, wie weit entfernt c von a, nicht wie weit es von b sei. Wenn z. B. in dem oben citirten Beispiele (Nr. 11 der Stumpf\u2019sehen Tabelle, S. 424) 426,1 die geometrische, 432 und 428 (je nach Zeitlage), demnach im Mittel 430 die gesch\u00e4tzte Mitte ist, so wird das n\u00e4here oder fernere Zusammentreffen dieser Zahl mit jener doch nur durch die Differenz 430 \u2014 426,1 oder, wenn man Decimalen weglassen will, durch 430 \u2014 426, nimmermehr aber durch 430 \u2014 428 gemessen. Die \u00bb Correctur \u00ab hleibt also nach diesem verungl\u00fcckten Rettungsversuch so sinnlos wie vorher.\nIII. Gegen die Regel der Eintheilung der Tondistanzen nach gleichen absoluten Unterschieden der Schwingungszahlen hatte Stumpf eingewandt, dass in der Reihe der T\u00f6ne\nc c1 gx c2 e2 \u00f62 c3 cP\ndas letzte Intervall gleich dem ersten und \u00fcberhaupt jedes Intervall gleich irgend einem der anderen sein m\u00fcsste. Ich habe darauf bemerkt, dass ich hiergegen namentlich dann nach meiner unmittelbaren Empfindungssch\u00e4tzung nichts Entscheidendes w\u00fcrde einzuwenden haben, wenn ich die Reihe um eine Octave tiefer verlegte. Ich wollte damit andeuten, dass die vorgelegte Reihe deshalb zur Entscheidung der Frage \u00fcber die Grenzen der G\u00fcltigkeit jener Regel ungeeignet sei, weil ihre h\u00f6chsten Glieder bereits in (ein Tongebiet reichen, wo die Distanzsch\u00e4tzung \u00fcberhaupt unsicherer wird, dass aber an sich die Gr\u00f6\u00dfe der hier vorgelegten Reihe kaum den Umfang der G\u00fcltigkeit der Regel \u00fcberschreite. Darauf antwortet Stumpf, er \u00bbcapricire\u00ab sich nun einmal auf jene Lage. Nun denn, wenn er sich darauf \u00bb capricirt \u00ab, etwas zu bestreiten","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Replik G. Stumpfs.\n303\nwas Niemand behauptet hat, oder etwas zu behaupten was Niemand bestritten hat, so kann er dies ja thun, falls es ihm Vergn\u00fcgen macht; mit der vorliegenden Frage haben solche \u00bbCapricen\u00ab nichts gemein.\n\u2022 Aber nicht genug damit, auch an der Forderung], dass, wenn die Ergebnisse der Lorenz\u2019schen Versuche richtig w\u00e4ren, man zu zwei um eine Octave verschiedenen T\u00f6nen als einen um eine gleiche Distanz nach unten gelegenen einen solchen von unendlicher Tiefe erhalten m\u00fcsste, weil die Differenz der Schwingungszahlen der Octave gleich Null ist, h\u00e4lt Stumpf fest. Meine Bemerkung, man k\u00f6nne immer nur eine gegebene Empfindungsdistanz eintheilen, nie aber zu ihr eine andere gleich gro\u00dfe Distanz au\u00dferhalb ihres Gebietes auffinden, h\u00e4lt er f\u00fcr unrichtig. Lorenz selbst habe \u00bbgenau dasjenige abgefragt\u00ab, was mir unvern\u00fcnftig scheine. Unter den vielen irrigen Behauptungen, welche auch in dieser neuen Abhandlung Vorkommen, ist diese eine der irrigsten, wie f\u00fcr jeden, der sich an die Lorenz\u2019sehe Versuchsmethode erinnert, auf der Hand liegt. Lorenz hat unmittelbar nach einander die dreifT\u00f6ne t, m und h einwirken lassen, und die Frage war, ob m als unter der Mitte, \u00fcber der Mitte oder in der Mitte liegend empfunden werde ; es wurde aber nicht gefragt, welches zu m die gleich gro\u00dfe h\u00f6here oder tiefere Strecke sei, was allein zu der Stumpf\u2019sehen Forderung das Analogon w\u00e4re. Wenn daher Stumpf behauptet, gerade die Aufgabe, die man nach mir niemals stellen k\u00f6nne, sei diejenige, welche Lorenz selbst gestellt habe, so beweist er damit, dass er noch jetzt, nachdem er zwei ausf\u00fchrliche Abhandlungen dar\u00fcber geschrieben, entweder die Lorenz\u2019sehe Versuchsmethode nicht verstanden hat, oder sich wenigstens \u00fcber die bei derselben obwaltenden Bedingungen, so ^einfach sie sind, keine Rechenschaft zu geben wei\u00df. \u00bbHaben wir \u00fcberhaupt\u00ab, so meint er, \u00bb die F\u00e4higkeit, Empfindungsdistanzen als gleich unter einander jzu erkennen, Jso kann man nicht blo\u00df verlangen: ,Nennt mir ein y, welches zwischen x und z die Mitte h\u00e4lt! \u2018 sondern ebenso auch: , Nennt mir ein x. welches von y so weit wie dieses von \u00ab!\u2018 das Urtheil ist ja in beiden F\u00e4llen identisch \u00ab. Wenn die Frage s o gestellt w\u00e4re, m\u00f6chte er Recht haben, aber die wirkliche Fragestellung lautet: \u00bbGegeben sind die drei Empfindungen x, y, z, bestimme, ob y n\u00e4her","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\nW. Wundt.\nbei x oder bei 2 liegt ! \u00ab und damit ist die Frage : \u00bb Gegeben sind die zwei Empfindungen x und y, finde eine dritte Empfindung 2, welche von y die gleiche Distanz wie x hat\u00ab, keineswegs einerlei.\nAber Stumpf ist nicht nur unbekehrt durch die vorangegangene Berichtigung seines Irrthums, sondern er bem\u00fcht fich auch, denselben in vergr\u00f6berter Gestalt zu wiederholen. Er gibt das folgende schlagende Beispiel. Man soll einen unteren Grenzton C von 64 oder auch ein c von 128 und einen oberen Ton e4 von 2048 Schw. nehmen, ja sogar einen unteren von 128, einen oberen c3 von 1024 und dann soll man Zusehen, ob die hier vorhandenen arithmetischen Mitten wirklich als Mitten gesch\u00e4tzt werden. Auf diese Aufgabe antworte ich einfach, dass ich \u00fcberhaupt so gro\u00dfe Tondistanzen nicht mehr einzutheilen im Stande bin. Wenn daher Stumpf siegesgewiss ausruft: \u00bbWenn meine obige Fragestellung Wundt unbequem war, hier ist die seinige!\u00ab und meine Sch\u00fcler einl\u00e4dt, den Versuch auszuf\u00fchren, so lehne ich dies ab : unl\u00f6sbare Aufgaben pflege ich \u00fcberhaupt nicht zu stellen, und jeden meiner Sch\u00fcler, der etwa auf dem Versuche, so enorme Tondistanzen wie namentlich die erste und die zweite der hier vorgeschlagenen einzutheilen, beharren wollte, w\u00fcrde ich ersuchen, lieber die Besch\u00e4ftigung mit psychophysischen Experimenten ganz aufzugeben.\nIch habe mich in meiner vorigen Mittheilung damit begn\u00fcgt, den \u00e4hnlichen Einw\u00e4nden gegen\u00fcber zu bemerken, dass selbstverst\u00e4ndlich \u00bbempirische Gesetze nie \u00fcber die Grenzen hinaus gelten, innerhalb deren sie nachgewiesen sind\u00ab. Darum meint Stumpf, ich habe es nunmehr \u00bbrathsam gefunden, einzulenken\u00ab. Zu dieser Bemerkung w\u00e4re er berechtigt, wenn bei mir oder Lorenz irgendwo aus den Versuchen gefolgert w\u00e4re, dass eine unbegrenzte Proportionalit\u00e4t zwischen den Schwingungszahlen und der Empfindung der Tonh\u00f6he existire. Davon findet sich nat\u00fcrlich kein Wort. Wohl aber das Gegentheil! Auf S. 427, Bd. I meiner phys. Psych, ist bemerkt, dass nach den Lu ft\u2019sehen Versuchen \u00bbzwischen 256 und 1024 Schwingungen die absolute Unterschiedsempfindlichkeit fast v\u00f6llig constant ist, so dass innerhalb dieser Grenzen jedenfalls nicht das Weber\u2019sehe Gesetz gilt, sondern vielmehr eine nahezu vollst\u00e4ndige Proportionalit\u00e4t zwischen den absoluten Unter-","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Replik C. Stmnpf\u2019s.\n305\nschieden der Tonempfindung und den Unterschieden der Schwingungszahlen zu bestehen scheint\u00ab. Und im unmittelbaren Anschl\u00fcsse daran wird gesagt, dieses Ergebniss werde durch die Versuche von C. Lorenz best\u00e4tigt. Die Folgerung einer unbegrenzten und gleichf\u00f6rmigen Proportionalit\u00e4t zwischen Tonh\u00f6he und Schwingungszahlen ist also lediglich Stumpf\u2019s eigene Erfindung. Ich selbst habe aus den Luft\u2019schen Versuchen genau das Gegentheil gefolgert. Die Versuche von Lorenz geben \u00fcberhaupt nur \u00fcber mittlere Tonlagen und m\u00e4\u00dfige Tondistanzen sichere Aufschl\u00fcsse, wie Lorenz selbst bemerkt hat (S. 92ff.).\nIV. Von meiner Schilderung des Verfahrens, das er bei der Untersuchung und Beurtheilung der Lorenz\u2019schen Versuche angewandt, behauptet Stumpf, sie sei unwahr. Er habe die Rohtabellen nicht blo\u00df \u00bb besichtigt, geschweige denn fl\u00fcchtig besichtigt, sondern aufs allergenaueste studirt\u00ab. Er halte es aber nach wie vor f\u00fcr unerl\u00e4sslich, auf die Rohtabellen zur\u00fcckzugehen, weil nur an ihnen, nicht an den durch die Berechnung entstandenen \u00bb Kunst-producten\u00ab sich sehen lasse, ob die zu brauchbaren Versuchen erforderliche \u00bbBestimmtheit des Urtheils\u00ab vorhanden gewesen sei. Auch sei es ja augenf\u00e4llig, dass Lorenz und ich selbst gelegentlich auf die Rohtabellen zur\u00fcckgingen.\nNun kann ich nat\u00fcrlich nicht bestreiten, dass Stumpf die Versuchstabellen in seiner Weise genau studirt habe. Meine Kritik kann sich allein gegen den Gebrauch richten, den er von ihnen macht. Wer aus den unmittelbar gewonnenen Versuchszahlen nur diejenigen Resultate zieht, die sich auf den ersten Augenschein und bei der oberfl\u00e4chlichsten Besichtigung aus ihnen ziehen lassen, der mag die Tabellen noch so sorgf\u00e4ltig betrachtet, er mag sie meinetwegen auswendig gelernt haben \u2014 sein Verfahren kann nicht als das eines gr\u00fcndlichen Studiums bezeichnet werden. Denn zu einem solchen geh\u00f6rt es nun einmal unweigerlich, dass man nicht bei den Rohversuchen stehen bleibt, sondern durch Rechnung aus diesen diejenigen Resultate zu gewinnen sucht, die kein Mensch, und w\u00e4re es der ge\u00fcbteste Mathematiker, den unmittelbaren Versuchszahlen ansehen kann. F\u00fcr psychophysische Versuche gilt hier genau dasselbe, was f\u00fcr jede physikalische oder chemische Unter-","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\nW. Wundt,\nsuchung auch gilt. So wenig ein Chemiker die einfachste empirische Formel f\u00fcr eine durch Analyse gewonnene Verbindung ableiten kann ohne st\u00f6chiometrische Berechnung, gerade so wenig kann man in der Regel aus planm\u00e4\u00dfig ausgef\u00fchrten psychophysischen Versuchen etwas folgern, ohne bestimmte Rechnungsmethoden in Anwendung zu bringen. Ohne alle Methode ausgef\u00fchrte Versuche, bei denen man planlos hin und her experimentirt, wie solche Stumpf auszuf\u00fchren pflegt, kann man freilich keiner Berechnung unterwerfen; man kann aber auch nichts aus ihnen schlie\u00dfen.\nNun behauptet Stumpf, von mir selbst seien f\u00fcr meine vorl\u00e4ufige Mittheilung der Versuchsergebnisse auch nur\\iie Rohtabellen \u00bbbesichtigt\u00ab worden; und \u00fcberdies werde von mir wie von Lorenz noch gelegentlich auf dieselben zur\u00fcckgegriffen. Was die erste dieser Bemerkungen betrifft, so habe ich schon in meiner ersten Mittheilung die Gr\u00fcnde angef\u00fchrt, aus denen ich f\u00fcr den Zweck jener kurzen Mittheilung eine Wiedergabe der berechneten Tabellen, welche zugleich eine Auseinandersetzung der Berechnungsmethode erforderlich gemacht h\u00e4tte, unterlassen habe. Ich wollte \u00fcberdies in dieser Beziehung der eigenen Arbeit von Lorenz, in die ich ausdr\u00fccklich die ausf\u00fchrlichere Darstellung verwies (S. 428 Anrn.), nicht vorgreifen. Wenn nun aber in 15 Versuchen, die eigens so ausgew\u00e4hlt sind, dass sie das zu erweisende Resultat unmittelbar veranschaulichen, eine Berechnung der unmittelbar gewonnenen Zahlen allenfalls entbehrt werden kann, so folgt daraus doch nicht, dass dies f\u00fcr alle andern Versuche gilt, oder dass Versuche, bei denen das Ergebniss nicht in \u00e4hnlicher Weise unmittelbar in die Augen f\u00e4llt, ohne weiteres zu verwerfen sind. Ich brauche wohl nicht nochmals zu betonen, dass ja das Tongebiet insofern eine Ausnahmestellung einnimmt, als hier in Folge des Einflusses der musikalischen Hebung unter gewissen Bedingungen eine Sicherheit der Sch\u00e4tzungen vorhanden sein kann, welche die Resultate unmittelbar und ohne weitere Berechnung erkennen l\u00e4sst. Aber daraus ist nicht zu schlie\u00dfen, dass nun in solchen F\u00e4llen, wo trotz der gr\u00f6\u00dften Sorgfalt in der Ausf\u00fchrung der Versuche, trotz vollkommener Versuchs\u00fcbung und bei normaler Beschaffenheit des Geh\u00f6rs dies nicht zutrifft, sondern wo sich die Ergebnisse gerade so wie bei den psychophysischen Versuchen auf anderen Gebieten","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Replik C. Stumpfs.\n307\nverhalten, diese Ergebnisse unbrauchbar seien, weil eben dies Gebiet das Tongebiet und kein anderes Sinnesgebiet ist. Im Gegentheil, allen verdunkelnden Phrasen und Verdrehungen Stumpf\u2019s gegen\u00fcber muss ich den Satz aufrecht erhalten : ein musikalisch unge\u00fcbter Beobachter, der aber sonst in psychophysischen Versuchen und speciell auch in Ton Vergleichungen die zureichende Versuchs\u00fcbung gewonnen hat, ist f\u00fcr die Pr\u00fcfung der vorliegenden Frage ungleich geeigneter als ein anderer, der in der Auffassung musikalischer Intervalle ge\u00fcbt ist und daher m\u00f6glicher Weise sein Intervallurtheil der reinen Distanzsch\u00e4tzung substituirt. Freilich kann man aber von einem solchen unmusikalischen Beobachter auch bei der gr\u00f6\u00dften Uebung in Distanzsch\u00e4tzungen nicht erwarten, dass seine Versuche wesentlich anders aussehen, als diejenigen eines jeden Beobachters, sobald es um die Vergleichung von Empfindungen in andern Sinnesgebieten sich handelt. Stumpf selbst hat f\u00fcr solche Darlegungen kein Geh\u00f6r oder will es nicht haben. Er l\u00e4sst sie in derselben unsichtbaren Versenkung verschwinden, in der in dieser Beplik so vieles verschwindet, was die Kreise seiner \u00bbKritik\u00ab st\u00f6ren k\u00f6nnte. Ich behaupte freilich nicht, dass man auf die Rohversuche niemals zur\u00fcckgehen d\u00fcrfe \u2014 wo es zur Entscheidung zweifelhafter Punkte dienen kann, wird es immer geschehen m\u00fcssen \u2014, ich behaupte nur, dass bei einer ausschlie\u00dflichen Benutzung derselben im allgemeinen bei psychophysischen Untersuchungen nichts herauskommen kann. Wenn vollends Jemand da, wo der Gang der Versuche ein regelm\u00e4\u00dfiger ist, viele, und da, wo er ein unregelm\u00e4\u00dfiger ist, wenige um die Mitte herum gelegene Zahlenwerthe herausgreift, so nenne ich das nicht nur eine \u00bboberfl\u00e4chliche\u00ab, sondern auch eine \u00bb fl\u00fcchtige \u00ab Besichtigung, da ich Niemand die Sinnlosigkeit Zutrauen kann, nach reiflicher Ueberlegung nicht einzusehen, dass im letzteren Fall mehr Beobachtungen n\u00f6thig sind als im ersten, um> einen Schluss m\u00f6glich zu machen.\nStumpf beschwert sich weiterhin \u00fcber meine Polemik gegen die von ihm fett gedruckten Maxima, die er \u00bbals die gesch\u00e4tzten Mitten betrachte\u00ab. Er habe mit keinem Wort gesagt, dass er sie als die \u00bbwirklichen Empfindungsmitten ansehe\u00ab. Diese Maxima der Mitte-Sch\u00e4tzungen seien \u00bbnat\u00fcrlich Thatsachen\u00ab, \u00fcber die als solche nicht gestritten werden k\u00f6nne. Sie seien nicht von ihm erfunden,","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308\nW. Wundt.\nsondern sie st\u00fcnden einfach in den Tabellen. Gewiss thun sie das. Das einzige, was ich bestritten habe, war dies, dass aus diesen Zahlen allein irgend ein Schluss gezogen werden k\u00f6nne. Eben dies thut aber Stumpf. Wo er ein solches Maximum von m erblickt, da erkl\u00e4rt er, dem betreffenden Ton werde eine \u00bbBevorzugung\u00ab zu Theil, er werde \u00bb in der Mehrzahl der F\u00e4lle als Maximum gesch\u00e4tzt \u00ab u. dergl. Seine eigenen Schl\u00fcsse wie seine Einw\u00e4nde gr\u00fcnden sich blo\u00df auf diese Zahlen, die er ohne R\u00fccksicht auf die sonstige Ver-theilung der F\u00e4lle aus den Tabellen herausgreift, und wobei er dann gelegentlich diejenigen fiimmt, \u00bb die ihm am besten gefallen \u00ab. Stumpf protestirt gegen diesen Ausdruck. Nun denn, ich kann es an einem Beispiel gen\u00fcgen lassen. In Tabelle II S. 441 der Stumpf\u2019schen Kritik finden sich bei dem Beobachter B folgende Sch\u00e4tzungen (in den zwei Zeitlagen I und II) von dem Mittelton 88 an :\n\tI.\t\t\t\tii.\t\nMo\tu\tin\t0\tu\tin\t0\n88\t33\t40\t27\t28\t40\t32\n90\t32\t35\t33\t8\t25\t67\n92\t15\t50\t35\t\u2014\t30\t70\n94\t\u2014\t50\t50\t\u2014\t20\t80\n96\t\u2014\t50\t50\t\u2014\t10\t90\nDazu bemerkt Stumpf : \u00bbDer T&n 96, welcher dem Beobachter noch in 50 % F\u00e4llen als Mitte erschien, entspricht z. B. bei c und as1 als Grenzt\u00f6nen dem es1\u00ab. Wenn diese Auseinandersetzung irgend einen Sinn haben soll, so kann sie doch nur dies bedeuten, dass der Ton 96 irgendwie bevorzugt sei, und dass dies durch die 50 % m - F\u00e4lle erwiesen werde. Nun stehen aber erstens diesen 50 m blo\u00df 10 m in der zweiten Zeitlage gegen\u00fcber, man hat es also augenscheinlich mit einem lediglich durch die Zeitlage bedingten Uebergewicht zu thun ; zweitens finden sich bei den T\u00f6nen 92 und 94 ebenfalls 50 % Mitte-Sch\u00e4tzungen. Ber\u00fccksichtigt man vollends die u- und o-Sch\u00e4tzungen, so ist es vollkommen klar, dass erst der Ton 88 derjenige sein kann, auf welchen ann\u00e4hernd das Maximum der wirklichen Mittesch\u00e4tzungen fallen wird. Was kann man von einem solchen Verfahren anderes sagen, als dass derjenige, der es anwendet, die Zahlen aussucht, \u00bbdie ihm am besten gefallen\u00ab? Freilich \u00bbstehen diese Zahlen in den Tabellen\u00ab. Wer leugnet das?","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Replik C. Stumpfs.\n309\nWas ich leugne, ist nur, dass eine auf Grund dieser Zahlen ge\u00fcbte Kritik irgend einen Werth hat. Wenn Stumpf jetzt behauptet, er habe die m-Maxima nur fett gedruckt \u00bbzur Beurtheilung der Unterschiede in der Brauchbarkeit und Durchsichtigkeit der Versuchsreihen\u00ab, so \u00e4ndert dies nichts an der Sache. Da aus jenen Zahlen allein \u00fcberhaupt keine Schl\u00fcsse gezogen werden k\u00f6nnen, so sind sie auch zu einer solchen Beurtheilung untauglich. Uebri-gens steht diese von Stumpf gebrauchte Ausflucht mit seinem fr\u00fcheren Verfahren in directem Widerspruch. Wohl hat er gelegentlich seine Unkenntniss in der Beurtheilung psychophysischer Versuche auch dadurch an den Tag gelegt, dass er gelegentlich bei vollkommen normalen Versuchsreihen von den \u00bbjammerw\u00fcrdigen Schwankungen in der Lage des Maximums \u00ab redete ; im wesentlichen aber hat er \u00fcberall diese Maxima als Werthe behandelt, welche eine hervorragende Neigung beweisen sollen, den betreffenden Ton als \u00bbvermeintliche Mitte\u00ab zu sch\u00e4tzen. Ueberdies, meint Stumpf weiter, habe er auf S. 429 gesagt, dass auch der Gang der u- und der o -Werthe und die Gr\u00f6\u00dfe der Abweichungen bei verschiedener Zeitlage in Betracht kommen. Nun hat er allerdings an der betreffenden Stelle solche Bemerkungen gemacht \u2014 und zwar Bemerkungen, die, wie wir sogleich sehen werden, Punkt f\u00fcr Punkt falsch sind \u2014, aber wo hat er denn bei der Besprechung der einzelnen Versuchsreihen die u- und o -F\u00e4lle und die Zeitlagen ber\u00fccksichtigt? Wie es damit steht, haben wir an der oben abgedruckten Reihe gesehen. Freilich, nach dem, was Stumpf \u00fcber jene F\u00e4lle und \u00fcber die Zeitlagen sagt, war es f\u00fcr ihn \u00fcberhaupt nicht n\u00f6thig, dieselben zu ber\u00fccksichtigen. Denn er verlangt, dass \u00bb in der Gegend der Empfindungsmitte sowohl die u als die o bei hinreichender Festigkeit und Bestimmtheit des Urtheils nahe gleich Null, wenigstens viel geringer als die m geworden sein m\u00fcssen\u00ab, und dass die \u00bb Empfindungsmitte die n\u00e4mliche ist, mag die Zeitfolge T M H oder H M T sein\u00ab. Nun, wenn die u und o in der Mitte Null oder an Zahl verschwindend klein sind, so braucht man sie freilich nicht zu ber\u00fccksichtigen, und wenn beide Zeitlagen das n\u00e4mliche Resultat ergeben m\u00fcssen, so braucht man sie nicht auszugleichen. Bisher haben wir geglaubt, jede Zeitlage bringe unvermeidliche Sch\u00e4tzungsfehler mit sich, die durch Mittelziehung aus den Resultaten","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310\nW. Wundt.\nbei den verschiedenen Zeitlagen eliminirt werden m\u00fcssten. Stumpf decretirt: die Zeitlagen d\u00fcrfen keine Fehlervorg\u00e4nge hervorbringen, sonst sind die Versuche unbrauchbar. Denn \u00bbhinreichende Bestimmtheit und Festigkeit des Urtheils \u00ab verlangt er ja f\u00fcr alle Versuche; wo sie fehlen, da klagt er \u00fcber \u00bbjammerw\u00fcrdige Schwankungen\u00ab und r\u00e4th, die Beobachter als unbrauchbar zu entlassen.\nV. Diesen einleitenden Er\u00f6rterungen folgt eine Besprechung meiner Beleuchtung seiner Einzelkritik der Lorenz\u2019sehen Versuche. Sie beginnt wieder mit den harmonischen Intervallen innerhalb einer Octave. Ich hatte bemerkt, dass alle Versuche, bei denen die arithmetische Mitte mit einem harmonischen Intervall zusammenti;ifFt, f\u00fcr die vorliegende Streitfrage \u00bbohne entscheidenden Werth\u00ab seien. \u00bbDas nagle ich fest!\u00ab ruft Herr Stumpf triumphirend. Alle diese Versuche, 45 000 an Zahl, sind eitel Zeit-verschwendung ! Es ist zugestanden, dass sie ohne entscheidenden Werth sind, also ist zugestanden, dass sie \u00fcberhaupt keinen Werth haben. Ich bewundere die dialektische Wortkunst, mit der mein Gegner es hier fertig bringt, eine sehr einfache Sache auf den Kopf zu stellen. Der Sachverhalt ist dieser: Die Aufgabe war, zu ermitteln , welcher Ton als reine Mitte zwischen zwei gegebenen T\u00f6nen aufgefasst werde. Die Beobachtungen wurden ausgef\u00fchrt an harmonischen wie an nicht-harmonischen Intervallen, an musikalischen wie an nicht-musikalischen, aber durch die Versuchs\u00fcbung zureichend vorbereiteten Beobachtern. Aus diesen Versuchen schlie\u00dfen wir, dass Tondistanzen von nicht zu gro\u00dfer Ausdehnung nach, dem Princip der arithmetischen Mitte getheilt werden, und wir schlie\u00dfen weiter, dass wahrscheinlich dieses metrische Princip neben dem phonischen der Klangverwandtschaft auf die Theilung gewisser Intervalle innerhalb der Octave, wie der Quinte, der gro\u00dfen Terz, einen Einfluss besitze: wir gr\u00fcnden diese Vermuthung einerseits darauf, dass bei v\u00f6llig unmusikalischen Beobachtern die genannten Intervalle ebenfalls in der entsprechenden Weise getheilt werden, und anderseits darauf, dass die Theilung auch dann nach dem Princip der arithmetischen Mitte erfolgt, wenn der bevorzugte mittlere Ton keinem musikalischen Intervall entspricht. ' Nun kommt Stumpf und discutirt in polemischer Absicht unsere","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Replik C. Stumpfs.\n311\nResultate. Er constatirt zun\u00e4chst, dass in jenen F\u00e4llen der Quinte, gro\u00dfen Terz u. s. w. in der That die arithmetische Mitte als Mitte gesch\u00e4tzt wird ; aber er'entgegnet, diese F\u00e4lle seien nicht beweisend, da hier musikalische Gewohnheiten bestimmend sein k\u00f6nnten. Ich hin zwar nicht so gewiss, wie Stumpf es zu sein scheint , dass hei v\u00f6llig unmusikalischen Personen musikalische Gewohnheiten diesen Einfluss aus\u00fcben k\u00f6nnen. Ueber die Versuchszahlen selbst l\u00e4sst sich aber hier nat\u00fcrlich nicht weiter streiten, da eben nach beiden Annahmen die gleichen T\u00f6ne als Mitten gesch\u00e4tzt werden mussten. Darum, weil diese Versuche in der von Stumpf aufgeworfenen Streitfrage \u00bbohne entscheidenden Werth\u00ab sind, sind sie aber doch keineswegs werthlos. Sie sind vielmehr unerl\u00e4sslich, wenn man einerseits \u00fcber den Einfluss der musikalischen Uebung, anderseits \u00fcber das Verh\u00e4ltniss der Sch\u00e4tzungen bei diesen musikalischen zu denjenigen bei den andern Intervallen einen Aufschluss gewinnen will. Das mag Stumpf festnageln, ich habe nichts dagegen.\nZu den Versuchen mit nicht-harmonischen Sch\u00e4tzungsmitten \u00fcbergehend l\u00e4sst sich unser Kritiker zun\u00e4chst durch seine polemischen Bem\u00fchungen zu einer Aeu\u00dferung hinrei\u00dfen, die ich ihm, da er nun einmal bei der Arbeit ist, ebenfalls zum Festnageln empfehlen m\u00f6chte. Er findet es \u00bbunerfindlich\u00ab, warum in diesen F\u00e4llen, wo kein harmonischer Zwischenton als Mitte gesch\u00e4tzt werde, die Versuchszahlen schwankend sein sollen, und wundert sich, dass ich die thats\u00e4chlich vorhandenen gr\u00f6\u00dferen Schwankungen \u00bbnat\u00fcrlich\u00ab finde. \u00bbDas reine Distanzurtheil muss doch nur sicherer werden, wenn es nicht durch das musikalische Intervallenurtheil gest\u00f6rt wird \u00ab. Ich denke, die Sache verh\u00e4lt sich sehr einfach. Nehmen wir einerseits c und c1, anderseits c und es als Grenzt\u00f6ne, so wird dort der Ton g sicherer als Mitte getroffen werden, weil er nicht blo\u00df nach dem reinen Distanzurtheil die Empfindungsmitte, sondern weil er auch jedem an musikalische Intervalle gew\u00f6hnten Ohr als Quinte bekannt ist. Bei den T\u00f6nen c und es dagegen kommt nur das erste dieser Momente, nicht das zweite zur Geltung, da hier der die Mitte bildende Ton in der musikalischen Scala nicht vorkommt. Stumpf aber scheint zu denken: wenn zwei Kr\u00e4fte im gleichen Sinne wirken, so st\u00f6ren sie einander.","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\nW. Wundt.\nF\u00fcr die Beurtheilung der Versuche mit nicht - harmonischen Mitten h\u00e4lt Stumpf auch jetzt seine fr\u00fchere Behauptung aufrecht, dass bei ihnen \u00fcberall der Einfluss \u00bbmusikalischer Gewohnheiten\u00ab ma\u00dfgebend gewesen sei. Aber er r\u00e4umt ein, dass seine Erkl\u00e4rungen in diesem Falle \u00bbnur Sinn f\u00fcr die musikalischeren unter den betheiligten Individuen hatten, und vielleicht h\u00e4tte ich dies Selbstverst\u00e4ndliche ausdr\u00fccklich hinzuf\u00fcgen m\u00fcssen\u00ab. Entweder hat Herr Stumpf ein ausnehmend kurzes Ged\u00e4chtniss f\u00fcr das, was er selbst gesagt, oder sein Urtheil \u00fcber die musikalische Bef\u00e4higung der Beobachter \u00e4ndert sich von Fall zu Fall. In der That, nicht darum handelt es sich, dass er der Gr\u00fcndlichkeit wegen die Resultate aller Beobachter mitgetheilt, dann auf Grund dieser Resultate seine Schl\u00fcsse gezogen und nur vergessen h\u00e4tte zu bemerken, dass diese Schl\u00fcsse f\u00fcr die unmusikalischen nicht gelten. Im Gegentheil, er greift aus den Tabellen gelegentlich gerade die Resultate der unmusikalischen, die er selbst zuvor als unbrauchbar verworfen hatte, heraus, um auf sie seine musikalischen Interpretationen anzuwenden. Ein Beispiel daf\u00fcr haben wir oben hei der von dem Beobachter B abgedruckten Tabelle kennen gelernt, wo die ganze Erkl\u00e4rung der angeblich (freilich nicht wirklich) auf den Ton 96 fallenden 50 % Mittesch\u00e4tzungen doch nur unter der Voraussetzung Sinn hat, dass B musikalisch genug war, um kleine Terzen von T\u00f6nen und sogar von Obert\u00f6nen zu erkennen. Kurz vorher S. 430 hatte er aber denselben Beobachter als \u00bbabsolut unsicher\u00ab bezeichnet. Ferner, wenn er beispielsweise in den Bemerkungen zu Tabelle VI, S. 447 als die gesch\u00e4tzte Mitte den Ton 208 betrachtet, so m\u00fcsste er, wenn sich dieser Schluss auf den unmusikalischen Ln nicht beziehen soll, denn doch dar\u00fcber Rechenschaft geben, warum auch bei diesem die Sch\u00e4tzungsmitte ungef\u00e4hr auf den n\u00e4mlichen Ton f\u00e4llt. (Nach Stumpf\u2019s Methode die so genannte \u00bbUmrechnung\u00ab zu vermeiden und blo\u00df die m-Werthe zu ber\u00fccksichtigen, w\u00fcrde 204 bez. 200 die gesch\u00e4tzte Mitte sein, unter Ber\u00fccksichtigung aller u-, o-und m - Werth e sowie der Zeitlagen ergibt sich 207.) Hat sich dieser Beobachter hier pl\u00f6tzlich die F\u00e4higkeit angeeignet, ausnahmsweise einmal eine kleine Terz nach musikalischem Ged\u00e4chtniss interpoliren zu k\u00f6nnen? Oder haben die Versuchsreihen, welche Stumpf deswegen f\u00fcr unbrauchbar h\u00e4lt, weil sie von unmusikalischen Beob-","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Replik C. Stumpfs.\n313\nachtern herr\u00fchren, durch einen wunderbaren Zufall die Eigenschaft, dass sie trotzdem die n\u00e4mlichen Resultate ergeben wie die brauchbaren Versuche ? Nebenbei bietet diese Reihe noch eine interessante Anwendung des Stumpf sehen Princips, f\u00fcr die zu erwartenden Sch\u00e4tzungsmitten den auf dem Tonmesser \u00bbn\u00e4chsten Ton\u00ab zu suhstituiren. Die kleine Terz, welche hier als Mitte eingeschaltet werden soll, hat 2111/5 Schw. Der n\u00e4chste, kaum merklich verschiedene Ton des Tonmessers ist 212. Stumpf aber sagt: \u00bbDie nach der Tiefe zun\u00e4chstliegende Taste des Tonmessers ist 208; derselbe Ton, der auch die absolute Reizmitte bildet; er erscheint in der Tabelle im Gro\u00dfen und Ganzen als Mitte!\u00ab Also, wenn der n\u00e4here Ton es nicht thut, so thut es der fernere, der sich durch die euphemistische Wendung \u00bbder nach der Tiefe n\u00e4chste Ton\u00ab so ausnimmt, als wenn er wirklich der n\u00e4chste Ton w\u00e4re.\nBei den in den tieferen Regionen der musikalischen Scala ausgef\u00fchrten Versuchen hatte Stumpf in seiner Kritik die Annahme einer \u00bbVerwechselung\u00ab der T\u00f6ne mit ihren Obert\u00f6nen zu H\u00fclfe genommen. Ich habe darauf hingewiesen, dass seine hei musikalischen Beobachtern unwahrscheinlichen, hei unmusikalischen unm\u00f6glichen Erkl\u00e4rungen dadurch noch unm\u00f6glicher werden. Jetzt beruft er sich f\u00fcr diese Verwechselung auf eine Stelle in meinem eigenen Buch (Physiol. Psych. Is, S. 423). Den Zusammenhang, in welchem sich diese Stelle findet, hat er aber nicht beachtet oder wenigstens nicht erw\u00e4hnt. Es ist dort von den Versuchen, die untere Grenze der h\u00f6rbaren T\u00f6ne zu bestimmen, die Rede, und mit Bezug auf diese Versuche ist gesagt, dass bei den tiefsten T\u00f6nen eine Verwechselung mit Obert\u00f6nen m\u00f6glich sei. Erstens aber handelt es sich bei solchen Versuchen, wie sie von Savart an einem Stab, von andern Beobachtern an der Sirene angestellt wurden, um tiefere T\u00f6ne, als sie in den Lorenz\u2019schen Versuchen zur Verwendung kamen, bei welchen letzteren der Ton von 32 Doppelschwingungen der tiefste \u00fcberhaupt vorkommende war. Zweitens wurden in unsern Versuchen Klangquellen benutzt, hei denen von vornherein ein derartiges Ueberwiegen der Obert\u00f6ne ausgeschlossen war. T\u00f6ne von 32 bis 48 Schw. k\u00f6nnen in der That noch leicht durch constante Klangquellen erzeugt werden, ohne dass ein Uebert\u00f6nen\nWundt, Philos. Studien. VII.\n21","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314\nW. Wundt.\ndes Grundtons durch die Obert\u00f6ne stattfindet. Die tiefsten T\u00f6ne der Appunn\u2019schen Tonmesser sind knarrend, wie immer die tiefsten Zungenpfeifent\u00f6ne ; sie sind aber von ihren h\u00f6heren Octaven so verschieden, dass von einer \u00bbVerwechselung\u00ab nicht die Rede sein kann. Auch ist es ja klar, dass ein solches Instrument, auf welchem die T\u00f6ne und ihre Octaven gleichzeitig vertreten sind, von vornherein unbrauchbar w\u00e4re, wenn die Octaven verwechselt werden k\u00f6nnten. Die Obert\u00f6ne k\u00f6nnten also in diesem Fall h\u00f6chstens dadurch wirken, dass sie eben, wie immer, als schw\u00e4chere Bestandtheile neben dem Grundton in dem Klang geh\u00f6rt werden. Eine derartige \u00bbZu-h\u00fclfenahme\u00ab eines Obertons aber, mittelst deren zwischen dem nur schwach mitgeh\u00f6rten Oberton des ersten Klangs und dem stark geh\u00f6rten Grundton des zweiten, unter Vernachl\u00e4ssigung des starken ersten Grundtons, eine musikalische Mitte gesucht werden soll \u2014 eine solche Procedur halte ich bei Musikalischen wie bei Unmusikalischen f\u00fcr gleich unm\u00f6glich. Sie ist \u00fcberhaupt nur auf dem Papier und unter der Voraussetzung m\u00f6glich, dass Jemand sich die Aufgabe gestellt hat, Sch\u00e4tzungen von Tondistanzen, die nicht auf musikalischen Gewohnheiten beruhen, um jeden Preis aus der Welt zu schaffen. Freilich ist es dann seltsam, dass der n\u00e4mliche Kritiker trotzdem reine Distanzurtheile f\u00fcr m\u00f6glich, und dass er spe-ciell sich selber f\u00fcr f\u00e4hig h\u00e4lt, solche auszuf\u00fchren. Er theilt S. 459 seiner Kritik vorl\u00e4ufige Beobachtungen dieser Art mit. \u00bbZwischen c1 und c3 bildet zwar nicht c2, aber sicherlich auch nicht e2 die Mitte, sondern beil\u00e4ufig d2, zwischen c1 und g2 nicht c2, sondern beil\u00e4ufig b'n etc. Diese Versuche sind allerdings sehr \u00bbbeil\u00e4ufig\u00ab, und sie werden schwerlich richtig sein. Aber immerhin, reine Distanzsch\u00e4tzungen sollen nach ihnen offenbar ausgef\u00fchrt werden k\u00f6nnen. Warum sollen sie also bei Beobachtern unm\u00f6glich gewesen sein, die vor Stumpf den Vortheil voraus hatten, dass sie sorgf\u00e4ltig auf musikalische Distanzsch\u00e4tzungen einge\u00fcbt waren, und dass namentlich die unmusikalischen unter ihnen dem Einfluss der musikalischen Gewohnheit nicht unterlagen?\nBei den Versuchen \u00fcber die Eintheilung der Doppeloctave muss ich zun\u00e4chst wegen eines beim Abdruck eines Stumpf\u2019schen Satzes entstandenen Versehens um Entschuldigung bitten. Die Resultate dieser Versuche, welche darin bestehen, dass zu c und c2 nicht e1,","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Replik C. Stumpfs.\n315\nsondern e1 als Mitte gesch\u00e4tzt wurde, erkl\u00e4rt Stumpf daraus, dass man sich ehen diesmal \u00bbausdr\u00fccklich und kr\u00e4ftig\u00ab gegen die Versuchung, die Octave zu w\u00e4hlen, gestemmt habe. Er sagt w\u00f6rtlich : \u00bbEs ist klar, dass man sich diesmal, wo die Versuchung sozusagen am nacktesten herantrat, ausdr\u00fccklich und kr\u00e4ftig gegen dieselbe gestemmt hat, w\u00e4hrend man ihr in den fr\u00fcheren F\u00e4llen, wo sie versteckter auftrat oder (wie heim Dreiklang) nicht viel Spielraum lie\u00df, unterlag\u00ab (S. 443). In Folge jenes Versehens hei\u00dft es in meiner Antikritik im Schlusss\u00e4tze: \u00bbw\u00e4hrend man ihr fr\u00fcher nicht viel Spielraum lie\u00df\u00ab, statt: \u00bbw\u00e4hrend man ihr fr\u00fcher unterlag\u00ab. Augenscheinlich gibt in dieser Fassung der Satz gar keinen Sinn, und meine Ausf\u00fchrungen sind denn auch deutlich genug nur gegen den Stumpf\u2019sehen Satz und gegen die darin 'er\u00f6ffnete \u00bbZwickm\u00fchle\u00ab gerichtet, so dass \u00fcber den Inhalt derselben nicht der leiseste Zweifel aufkommen kann. Stumpf aber erhebt einen gro\u00dfen L\u00e4rm der Entr\u00fcstung, weil ich ihn das Gegentheil von dem sagen lasse, was er wirklich gesagt habe. M\u00f6glicher Weise kann ja durch die Verst\u00fcmmelung jenes Satzes die Deutlichkeit meiner Darlegungen beeintr\u00e4chtigt worden sein. In der Sache wird nichts ge\u00e4ndert. Sein Verfahren, eine Sch\u00e4tzung, wenn sie mit einem musikalisch bevorzugten Tone zusammenf\u00e4llt, aus der musikalischen Empfindung, und wenn sie nicht mit einem solchen zusammenf\u00e4llt, aus dem bewussten oder unbewussten Streben abzuleiten, diesmal nun eben nicht zu thun, was die musikalische Empfindung verlangen w\u00fcrde, bleibt dasselbe. Freilich will es Stumpf nicht Wort haben, dass das Intervall dort \u00bbabsichtlich aufgesucht\u00ab, hier \u00bbabsichtlich vermieden\u00ab worden sei. Von absichtlichem Suchen sei bei diesen Zwischent\u00f6nen keine Rede, \u00bbman f\u00e4llt auf sie herein\u00ab. Aber wenn man sich \u00bbausdr\u00fccklich und kr\u00e4ftig\u00ab gegen eine Versuchung stemmt, so setzt das nicht nur Absicht, sondern sogar energische Absicht voraus, und stemmen kann man sich gegen eine Versuchung hinwiederum nur dann, wenn man sich dieser Versuchung bewusst ist, wie Herr Stumpf als Psychologe doch wissen sollte. Auch die weiteren Verdeutlichungen, welche er jetzt von der Sache zu geben sucht, verrathen dieses absichtliche Streben und Widerstreben. \u00bbMan stelle sich einmal die Aufgabe, die Mitte zwischen c und es zu singen, man ist versucht des bez. cis und d anzugeben, bemerkt\n21*","page":315},{"file":"p0316.txt","language":"de","ocr_de":"316\nW. Wundt.\naber, dass des zu nahe an c, d zu nahe an es, und versucht nun einen zwischen des und d liegenden Ton zu produciren\u00ab. Diese Dinge soll einmal Jemand machen ohne Absicht, im blo\u00dfen \u00bbHereinfallen\u00ab. Wenn Stumpf das kann, so mache ich mich anheischig, ihm zu beweisen, dass seine Kritik auch durch ein blo\u00dfes \u00bbHereinfallen\u00ab entstanden ist. Dass der Zustand der Beobachter in den Lorenz\u2019schen Versuchen \u00bbin diesem Punkte\u00ab von den Versuchen dieses fingirten S\u00e4ngers sich nicht unterscheide, soll dann auch noch durch eine l\u00e4ngere Auseinandersetzung erh\u00e4rtet werden. Wenn einem Beobachter drei ganz beliebige, aber in aufsteigender Reihe liegende T\u00f6ne a, b, c gegeben werden und man ihn fragt, ob b weiter von a ist als von c oder umgekehrt, und wenn man einem S\u00e4nger in Noten die T\u00f6ne c und es vorlegt und zu ihm sagt : Singe einen Ton, der zwischen beiden liegt \u2014; wobei der S\u00e4nger den Ton nat\u00fcrlich zun\u00e4chst auf der musikalischen Scala aufsucht \u2014 diese F\u00e4lle sind nach Stumpf eins und dasselbe. \u00bbDie Unterschiede k\u00f6nnen den Zuverl\u00e4ssigkeitsgrad der Urtheile beeinflussen ; aber die Urtheile selbst sind die n\u00e4mlichen!\u00ab\nVI. Auf den Rettungsversuch, den er f\u00fcr seine psychologischen Interpretationsk\u00fcnste unternommen, l\u00e4sst Stumpf eine Rechtfertigung seiner Kritik der Lorenz\u2019schen Rechnungsmethode folgen. Er behauptet: 1) Meine Darstellung der Methode decke sich nicht mit derjenigen von Lorenz; 2) meine Darstellung decke sich dagegen \u00bbin ihrem Kern\u00ab mit der von ihm selbst vorgeschlagenen \u2014 sie sei nur breiter. Ich erwidere hierauf :\n1. Lorenz bezeichnet, wie aus S 70 seiner Arbeit hervorgeht, die F\u00e4lle u unter der Mitte (einschlie\u00dflich der Mitte selbst) mit r, \u00fcber der Mitte mit f und behandelt die F\u00e4lle m als \u00bbNull-f\u00e4lle\u00ab Fechner\u2019s. Er berechnet demnach f\u00fcr jeden Zwischenton\nden Werth r -|\u2014\u2014 und nimmt an, dass die Empfindungsmitte da\nliege, wo procentisch genommen u + \u2014 = 50 ist. Ich lasse die Bezeichnungen u und o unver\u00e4ndert, berechne \u00fcber der Reizmitte u 4\u20142~i unVr der Reizmitte o -j\u2014\u2014 oder auch (was damit gleich be-","page":316},{"file":"p0317.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Replik C. Stumpfs.\n317\ndeutend ist) umgekehrt \u00fcber der Reizmitte o + \u2014-, unter ihr u + \u2014\nund nehme ebenfalls an, dass die Empfindungsmitte da liege, wo\nii _|_ \u2014 \u2014 50 ist. Mit einem Wort: unsere Darstellungen unter-\nscheiden sich dadurch, dass, wo Lorenz u = r und o \u2014 f, bez. u = f und o = r setzt, ich u = u und o = o setze. Die Verwendung der Werthe u, o und m zur Berechnung der Versuche ist aber in beiden F\u00e4llen identisch. Und das soll nun \u00bbnicht blo\u00df ein Unterschied der Bezeichnungen \u00ab sein !\n2. An der von ihm citirten Stelle S. 453\u201454, an welcher Stumpf die von mir gegebene Darstellung der Berechnungsmethode der Versuche bereits \u00bbihrem Kern nach\u00ab entwickelt haben will, hat er lediglich die vorher S. 429 von ihm entwickelten und bereits oben (S. 309) beleuchteten Regeln noch einmal in abgek\u00fcrzter Form wiederholt. Da die u bei der Empfindungsmitte \u00bbbis 0 oder nahe 0 abgenommen und die m bis 100 oder nahe 100 zugenommen haben\u00ab, so\nYYl\nwerde allerdings \u00bbin einer normalen Versuchsreihe\u00ab u + \u2014 \u2014 50 sein.\nStumpf\u2019s angebliche Rechnungsmethode ist also eine Methode, bei der man nicht zu rechnen braucht. Auch die Fehler der Zeitlagen auszugleichen ist ja, wie wir gesehen haben, \u00fcberfl\u00fcssig, da in einer \u00bbnormalen\u00ab Versuchsreihe die Zahlen in beiden Zeitlagen einander gleichen sollen. Im unmittelbaren Anschl\u00fcsse an diese Behauptung, die er nun f\u00fcr identisch mit meiner Darstellung h\u00e4lt, hatte er dann eine fingirte, nat\u00fcrlich wieder nur auf dem Papier ausf\u00fchrbare Versuchsreihe mitgetheilt, welche beweisen sollte, dass\nin einer ganzen Versuchsreihe der Werth u -\\\u2014\u2014 m\u00f6glicher Weise immer = 50 bleiben k\u00f6nnte1).\n1) Ich erw\u00e4hne ausdr\u00fccklich, dass es schon in meinem vorigen Aufsatze nicht meine Absicht war, alle von Stumpf begangenen Irrth\u00fcmer aufzukl\u00e4ren; ich musste mich auf das wichtigste beschr\u00e4nken. Stumpf scheint dies r\u00fcgen zu wollen. Dies fingirte Beispiel, das auf den ersten Blick als vollkommen sinnlos zu erkennen ist, hat er \u00bbjetzt selbst bei sorgf\u00e4ltiger Nachpr\u00fcfung unhaltbar befunden\u00ab. Das sei aber von mir \u00bboffenbarnicht bemerkt worden\u00ab (S. 287 Anmerk.).","page":317},{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"Bl 8\nW. Wundt.\nSchlie\u00dflich soll ich die \u00bbBedenken\u00ab, welche Stumpf \u00bbgegen die N\u00fctzlichkeit der Umrechnung erhob\u00ab, mit Stillschweigen \u00fcbergangen haben. Eine Berechnung der unmittelbaren Versuchszahlen, ohne die nat\u00fcrlich im allgemeinen \u00fcberhaupt nichts aus denselben zu schlie\u00dfen ist, bezeichnet er als eine \u00bbUmrechnung\u00ab, als ein \u00bbKunstproduct\u00ab, welches die aus dem Anblick der Rohtabellen gewonnenen Eindr\u00fccke beeintr\u00e4chtigen k\u00f6nnte. Gewiss, \u00fcber die \u00bbN\u00fctzlichkeit\u00ab dieser angeblichen Umrechnung habe ich kein Wort verloren. Denn ich habe ausf\u00fchrlich die Nothwendigkeit derselben bewiesen, indem ich zeigte, dass man nirgends, wo aus vielen, zum Theil unter verschiedenen Bedingungen gewonnenen Zahlenwerthen ein Schluss gezogen werden soll, eine Berechnung entbehren kann, und indem ich an dem Beispiele Stumpfs ad oculos demonstrate, zu welchen Willk\u00fcrlichkeiten das von ihm eingeschlagene Verfahren f\u00fchrt, blo\u00df aus den unmittelbaren Versuchszahlen Schl\u00fcsse ziehen zu wollen.\nAber damit nicht genug, auch die famose \u00bb petitio principii \u00ab, die ich auf S. 630 f. meiner Antikritik beleuchtet, sucht dieser standhafte Kritiker aufrecht zu erhalten. Meine popul\u00e4re Erkl\u00e4rung beweist ihm nur, \u00bbdass es f\u00fcr den Beobachter ganz einerlei ist, ob er die Schwingungszahlen der T\u00f6ne, deren Empfindungsmitte gesch\u00e4tzt werden soll, kennt oder nicht\u00ab. Nun, wenn dies der Zweck meiner Erkl\u00e4rung gewesen w\u00e4re, so h\u00e4tte ich sie mir sparen k\u00f6nnen. Denn dass der Beobachter von den Schwingungszahlen nichts wusste, versteht sich von selbst. Meine Erl\u00e4uterung ist also noch immer nicht popul\u00e4r genug gewesen. Stumpf hat noch immer nicht gemerkt, dass wir die Empfindungsmitte ohne alle R\u00fccksicht auf die Schwingungszahlen bestimmen, und dass wir sie in der Weise, wie es geschehen ist, bestimmen k\u00f6nnten, auch wenn gar keine Schwingungszahlen existirten, da wir erst nachtr\u00e4glich, wenn die Empfindungsmitte gefunden ist, uns fragen, wie sich dieselbe zur Mitte der Schwingungszahlen verh\u00e4lt. Wenn ihm die Lorenz-sche Bezeichnungsweise Schwierigkeiten bereitet hat, so h\u00e4tte es ihm doch jetzt, nachdem ich die n\u00e4mliche Rechnung lediglich auf Grund der u-, o- und m-Sch\u00e4tzungen ausgef\u00fchrt, tagen k\u00f6nnen, um was es sich eigentlich handelt. Stumpf \u00bbl\u00e4sst es kalt\u00ab, dass ich solche Missverst\u00e4ndnisse einer \u00bbegyptischen","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Replik C. Stumpfs.\n319\nFinsterniss\u00ab vergleiche. *Er \u00bbmuss sich wundern, solche Mahnungen aus dem Munde eines Forschers zu vernehmen, der sich die fatalsten algebraischen Schulfehler hat zu Schulden kommen lassen\u00ab. Und nun folgt ein Cit\u00e2t aus dem 1864 erschienenen Bd. 122 von PoggendorfFs Annalen (die Jahreszahl wird \u00fcbrigens verschwiegen), in welchem mir von Hering ein Versehen in einer trigonometrischen Formel nachgewiesen worden war. Habe ich Herrn Stumpf etwa einen Rechenfehler vorgeworfen? Nein, den w\u00fcrde ich ihm verziehen haben, auch wenn er ihn nicht blo\u00df vor zwanzig oder drei\u00dfig Jahren, sondern heute begangen h\u00e4tte. Auch \u00fcber seine Unkenntniss der psychophysischen Methodik w\u00fcrde ich kein Wort verlieren, wie ich denn bisher aus seinen Arbeiten das Brauchbare benutzt habe, und \u00fcber das Unbrauchbare \u2014 das meiste war freilich unbrauchbar \u2014 stillschweigend hinweggegangen bin. Aber was ich nicht verzeihe, das ist die Unwissenheit, die sich mit Ueberhebung verbindet. Wenn Derjenige, der selbst unf\u00e4hig ist, etwas Brauchbares zu leisten, absprechend \u00fcber Leistungen urtheilt, die er nicht versteht, so verdient dies, wie ich meine, klar und energisch als das gekennzeichnet zu werden, was es ist.\nVII. Ich komme zu demjenigen Capitel dieser Auseinandersetzungen, welches diese Unf\u00e4higkeit Stumpf\u2019s zu eigenen Leistungen auf dem von ihm betretenen Gebiete der Psychophysik leider in das grellste Licht setzt: auf seine Vorschl\u00e4ge zur Verbesserung der Versuche, und auf seine eigenen experimentellen Arbeiten.\nStumpf hatte, wie man sich erinnert, an Stelle der von uns befolgten Methode \u00bbstetige Ton Ver\u00e4nderungen\u00ab vorgeschlagen. \u00bbDer Beobachter selbst oder irgend ein anderer soll den Zwischenton so lange hin und her ver\u00e4ndern, bis er endgiltig gleich weit von den \u00e4u\u00dferen entfernt erscheint\u00ab. Wie er sich das denkt, hat er nicht weiter ausgef\u00fchrt. Ich habe bemerkt, dass Tonmesser, \u00fcberhaupt Instrumente mit fester Stimmung der einzelnen T\u00f6ne \u2014 dass solche aus andern Gr\u00fcnden hier unentbehrlich sind, sieht jeder Sachverst\u00e4ndige ein \u2014 dann selbstverst\u00e4ndlich hinwegfielen. Darauf antwortet er mit Entr\u00fcstung: \u00bbIch verlangte stetige Tonver\u00e4nderung, und dazu gibt es Instrumente genug\u00ab. In der That hatte ich selbst schon seinen Gedanken so interpretirt. Ich nahm an, dass man","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320\nW. Wundt,\n\u00bban einem Instrument, an welchem stetige Tonver\u00e4nderungen m\u00f6glich sind, wie etwa der Violine, so lang den Ton hin- und herf\u00fchrt, bis die Mitte zwischen t und h gefunden ist\u00ab. Aber ich habe auch darauf aufmerksam gemacht, dass gerade hierin die psychologische Unbegreiflichkeit dieses Vorschlags besteht. Man soll einen Ton, der von Moment zu Moment sich ver\u00e4ndert, fortw\u00e4hrend mit zwei andern T\u00f6nen vergleichen und dazu auch noch im richtigen Augenblick festhalten ! Den Experimentator, der auf diese Manier Beobachtungen, geschweige denn brauchbare Beobachtungen machen kann, w\u00fcnschte ich kennen zu lernen. Ueberdies, unmittelbar darauf fordert Stumpf: \u00bb die Versuche m\u00fcssen mit einfachen T\u00f6nen gemacht werden\u00ab. Nun sind die einzigen T\u00f6ne, f\u00fcr die diese Einfachheit mit hinreichender Ann\u00e4herung zutrifft, bekanntlich die T\u00f6ne von Stimmgabeln mit Itesonanzr\u00e4umen. Die Kl\u00e4nge der Fl\u00f6tenpfeifen sind namentlich in den mittleren Tonlagen durchaus nicht einfach; sie sind also, sobald Versuche mit einfachen T\u00f6nen gefordert werden, unbedingt zu verwerfen. Die einzige Art, wie man die Tonh\u00f6he von Stimmgabeln ver\u00e4ndern kann, besteht aber meines Wissens darin, dass man sie mit festgeschraubten Laufgewichten versieht. Wie denkt sich da Stumpf die stetige Tonver\u00e4nderung ?\nGerne m\u00f6chte ich diesmal \u00fcber die Versuche aus der \u00bbTonpsychologie\u00ab schweigend hinweggehen. Aber da Schweigen als Billigung gedeutet werden k\u00f6nnte, so muss ich noch einmal auch dieses unerfreuliche Gebiet betreten, und die Gr\u00fcnde beleuchten, mit denen Stumpf seine \u00bbMethode\u00ab zu rechtfertigen bem\u00fcht ist. Er verweist darauf, dass seine meisten Versuche an den oberton\u00e4rmsten T\u00f6nen der Orgel, denen der Fl\u00f6tenpfeifen, ausgef\u00fchrt seien. Dass diese obertonfrei seien, was die Fragestellung forderte, wird er gleichwohl nicht behaupten wollen. In der \u00bbTonpsychologie\u00ab wenigstens gibt er selbst an, dass er in ihnen Obert\u00f6ne bis zum f\u00fcnften noch wahrgenommen habe (II, 161 Anm.). Dem Einwand, dass stets die n\u00e4mliche Zeitfolge gew\u00e4hlt und dadurch von vornherein in unzul\u00e4ssiger Weise die nachfolgenden Ur-theile durch die vorangegangenen beeinflusst wurden, wird mit der Erkl\u00e4rung begegnet, dass das \u00bbmit Absicht\u00ab geschehen sei. Stumpf ist erb\u00f6tig, \u00bbAndern gegen\u00fcber\u00ab das Verfahren eingehender zu recht-fertigen. Mir gegen\u00fcber h\u00e4lt er sich \u00bbdieser Aufgabe enthoben\u00ab.","page":320},{"file":"p0321.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Replik C. Stumpfs.\n321\nDas ist nun freilich eine bequeme Art, unbequeme Einw\u00fcrfe los zu werden. Die Exemplification auf den \u00bbtrefflichen Lorenz\u00ab, der ja auch nur die zwei Zeitlagen t m h und h m t, nicht t h m, m h t u. s. w. untersucht habe, passt aber hier wie die Faust aufs Auge. Lorenz musste offenbar, wenn die Bedingungen des Versuchs nicht unn\u00f6thiger Weise complicirt werden sollten, dem Ton m in allen Zeitlagen denselben Zeitabstand von den T\u00f6nen t und h geben, dann aber die durch die verschiedenen Lagen von t und h zu m entstehenden Fehler durch Wechsel von auf- und absteigenden Versuchen eliminiren. Nicht das ist ja die Aufgabe bei psychophysischen Versuchen, dass man alle \u00fcberhaupt denkbaren Zeitlagen w\u00e4hle, sondern dass man die Zeitlagen so w\u00e4hlt, um die' durch sie bedingten Fehler eliminiren zu k\u00f6nnen. Darum waren hier nur die zwei Zeitlagen t m h und h m t m\u00f6glich. Uebrigens w\u00fcrde die Analogie zu dem Stumpf\u2019sehen Verfahren bei Lorenz darin bestanden haben, dass er jeden Tag dieselben Tondistanzen in derselben Reihenfolge und innerhalb einer jeden auch wieder die Einzelversuche in derselben Reihenfolge ausgef\u00fchrt h\u00e4tte. Das hat er nat\u00fcrlich nicht gethan. Von einer \u00bbElimination der Zeitlagen\u00ab (d. h. Elimination der durch die Zeitlage bedingten Fehler) ist also bei dieser ganzen Frage \u00fcberhaupt nicht die Rede. Nicht um eine solche handelt es sich, sondern um eine ganz gew\u00f6hnliche Vorsichtsma\u00dfregel gegen die Beeinflussung nachfolgender durch vorausgegangene Versuche1). Gegen\u00fcber dem Einwand, dass die T\u00f6ne nicht gleichzeitig, sondern in Wirklichkeit successiv und zwar, nach den Beobachtungen\n1) In einer mir nachtr\u00e4glich zugegangenen, f\u00fcr die \u00bbZeitsehr. f. Psych.\u00ab bestimmten Bemerkung zu dieser Stelle sagt Stumpf: auch wenn man stets von einem der Grenzt\u00f6ne ausgehe, also die Zeitlagen tmh und hmt einhalte, werde m \u00bbdoppelt vorgestellt, zuerst als Glied der einen, dann als Glied der anderen Distanz\u00ab. Wenn der Yerf. den augenscheinlichen Beweis f\u00fchren wollte, dass er Versuche wie die vorliegenden entweder aus eigener Erfahrung nicht kennt oder jedenfalls in g\u00e4nzlich verkehrter Weise ausgef\u00fchrt hat, so konnte das nicht wirksamer als durch diese Worte geschehen. Ich fordere Jeden, der in psychophysischen Versuchen einige Uehung besitzt, auf, solche Vergleichungen nach der Methode der mittleren Abstufungen anzustellen und zu sehen, ob er dabei den mittleren Reiz wirklich doppelt vorstellt !","page":321},{"file":"p0322.txt","language":"de","ocr_de":"322\nW. Wundt.\n\u00fcber gleichzeitig intendirte Bewegungen, jedenfalls in einer Zeitfolge angegeben wurden, die das Unterscheiden der T\u00f6ne erm\u00f6glichen konnte, wird bemerkt, die Beobachtungen Exner\u2019s seien an Knisterger\u00e4uschen, also \u00bbunter total verschiedenen Umst\u00e4nden\u00ab angestellt. Wohlan denn, nehmen wir einen Fall, wo die Umst\u00e4nde nicht \u00bbtotal verschieden\u00ab sind, sondern wo es sich, wie hier, um T\u00f6ne handelt. Schwebungen zweier T\u00f6ne sind bis zu 60 in der Sec. (nach Stumpf selbst sogar noch bis zu 200) vernehmbar. Das macht f\u00fcr einen einzelnen Tonsto\u00df eine Zeit von 0,016 Sec., ein Zeitunterschied, der bei gleichzeitig intendirten Bewegungen noch erheblich \u00fcbertroffen werden kann. Ferner : nach den Beobachtungen von Pfaundler u. A. gen\u00fcgen zwei Schwingungen eines Tons oder jedenfalls wenig mehr, um ihn als Tonqualit\u00e4t zu unterscheiden. Angesichts dieser wohlbekannten Thatsachen war es doch wahrlich nicht erlaubt ohne weiteres anzunehmen, dass- zwei in Wirklichkeit jedenfalls ungleichzeitig angegebene T\u00f6ne dennoch gleichzeitig geh\u00f6rt w\u00fcrden! Dass die Beobachter Stumpf\u2019s von der Aufeinanderfolge der T\u00f6ne nichts merkten, ist nat\u00fcrlich gar nicht ma\u00dfgebend. Das Urtheil kann bekanntlich durch eine ob-jectiv gegebene Bedingung beeinflusst werden, ohne dass die Bedingung selbst zur deutlichen Auffassung gelangt. Vollends ist das bei den ganz unge\u00fcbten Versuchspersonen, um die es sich hier handelt, anzunehmen. Schlie\u00dflich soll auch noch der sinnreich erdachte Schlussaccord, der den Nachhall in der Kirche ausl\u00f6schte, gerettet werden. \u00bbDas Urtheil setzte sich nach bestimmter Aussage aller Beobachter schon w\u00e4hrend der Zeit des Erklingens der beiden T\u00f6ne fest\u00ab. Nun, wenn sich das Urtheil bereits festgesetzt hatte, so konnte es auch durch den Nachklang nicht mehr nachtr\u00e4glich gest\u00f6rt werden. Und wenn es trotzdem gest\u00f6rt wurde, so war der nachklingende Accord, auch wenn er keinen Theilton der urspr\u00fcnglichen Kl\u00e4nge enthielt, doch nicht minder eine St\u00f6rung, welche bewirken konnte, dass jenes Urtheil umge\u00e4ndert wurde. Warum soll denn die Beeinflussung durchaus nur in einer nachtr\u00e4glichen Klanganalyse bestehen? Der n\u00e4chste Eindruck, den der Accord hervorbrachte, wird der einer zusammengesetzten Klangempfindung gewesen sein, im Contrast zu welcher nun der vorherige Eindruck als ein relativ einfacher beurtheilt wurde. Statt die Versuche unter","page":322},{"file":"p0323.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Replik C. Stumpf\u2019s.\n323\nBedingungen anzustellen, unter denen \u00fcberhaupt der Nachklang unm\u00f6glich war, wurde also die st\u00f6rende Bedingung durch die Einf\u00fchrung einer andern wom\u00f6glich noch st\u00f6renderen beseitigt.\nVIII. Es bleibt mir nicht erspart, zum Schl\u00fcsse noch einen Punkt zu er\u00f6rtern, den ich in dem vorigen Aufsatze geflissentlich \u00fcberging, weil er mit den Versuchen \u00fcber Tondistanzen nicht zusammenh\u00e4ngt. Stumpf zeiht mich der \u00bbWiderspr\u00fcche\u00ab in meinen Angaben, wozu er au\u00dferdem noch den Vorwurf der Unkenntniss allbekannter Thatsachen hinzuf\u00fcgt. Er wiederholt, dass mir jene \u00bbWiderspr\u00fcche vielfach und von verschiedenen Seiten in der Literatur\u00ab nachgewiesen worden seien. Die Angriffe, auf die sich dies beziehen mag, habe ich in der Regel unbeantwortet gelassen, weil ich es nicht liebe, meine Zeit mit der Aufkl\u00e4rung von offenkundigen Missverst\u00e4ndnissen oder von leeren Wortklauberein zu verschwenden. Da aber Herr Stumpf abermals hierauf zur\u00fcckkommt, so sehe ich mich gen\u00f6thigt, jene mir aufgeb\u00fcrdeten Widerspr\u00fcche und Unkenntnisse endlich einmal etwas n\u00e4her zu beleuchten.\nStumpf wirft mir, wie schon in seinem vorangegangenen Aufs\u00e4tze, vor, dass ich 1885 in meinen \u00bbEssays\u00ab noch die gleichen Tonintervalle auf gleiche Unterschiede der Empfindung zur\u00fcckbeziehe, und dass ich dann zwei Jahre sp\u00e4ter in der 3. Aufl. meiner physiologischen Psychologie anf\u00fchre, auch am Klavier k\u00f6nne man sich \u00fcberzeugen, dass die absolute Empfindungsmitte zwischen c1 und c3 nicht c2, sondern e2 sei. Ich halte diese gegens\u00e4tzlichen Aeu\u00dfe-rungen f\u00fcr einen Widerspruch, wie er \u00fcberall sich einstellt, wo neue Untersuchungen eine ver\u00e4nderte Auffassung von Beobachtungen n\u00f6-thig machen. In die Zeit jener zwei Jahre fallen die Untersuchungen von Luft und von Lorenz, In den Essays folgte ich noch der fr\u00fcheren verbreiteten Auffassung, nach welcher die Gleichheit zweier aufeinanderfolgender Octaven einer absoluten Gleichheit der beiden Empfindungsstrecken entspreche. In Folge der genannten Untersuchungen habe ich diese Ansicht aufgegeben. Ich glaube nunmehr, dass die anscheinende Gleichheit zweier Octaven nicht eine absolute, sondern eine relative ist, \u00e4hnlich wie wir, gleichfalls im Gegens\u00e4tze zu fr\u00fcheren Anschauungen, die eben merklichen Unterschiede bei der Sch\u00e4tzung von Empfindungsst\u00e4rken wahi-1","page":323},{"file":"p0324.txt","language":"de","ocr_de":"324\nW. Wundt.\nscheinlich nicht als gleiche absolute, sondern als gleiche relative Unterschiede aufzufassen haben.\nAuf die Nachweisung dieses \u00bbWiderspruchs\u00ab l\u00e4sst nun Stumpf eine Aufz\u00e4hlung meiner angeblichen tonpsychologischen Irrth\u00fcmer folgen, die also lautet : \u00bbEinem solchen Kenner, der bei 30 Schwebungen in der Secunde die Auffassung der Tonh\u00f6he unm\u00f6glich findet (also z. B. bei c \u2014 e'}; der Schwebungen \u00fcber 60 nicht mehr als wahrnehmbar erkl\u00e4rt (ich mache mich anheischig, selbst dem Unge\u00fcbten noch \u00fcber 200 deutlich wahrnehmbar zu demonstriren), und der diese f\u00fcr die Beurtheilung der Helmholtz\u2019schen Dissonanz- und Klanglehre nicht belanglose Behauptung so nachdr\u00fccklich und zuversichtlich hinstellt, dass er Helmholtz hierbei falscher Beobachtung und grober Verwechselung zeiht; f\u00fcr den ferner die Vorstellung eines Zusammenstimmens mehrerer T\u00f6ne \u00bbaugenblicklich ganz aufh\u00f6rt\u00ab, wenn er zum Dreiklang 4:5:6 noch die T\u00f6ne 1:2:3 in gleicher St\u00e4rke hinzuf\u00fcgt; der endlich behauptet, dass Ohert\u00f6ne nur in Folge besonderer Versuchsbedingungen, also nicht mit freiem Ohr, geh\u00f6rt werden k\u00f6nnen \u2014- einem solchen Kenner d\u00fcrfte ich vielleicht ohne Ueberhebung einfach sagen : I have studied these things \u2014 you have not\u00ab.\nHierauf habe ich folgendes zu entgegnen :\n1. Bei Beschreibung der Schwebungen zweier Stimmgabeln, die vom Einklang ausgehend gegen einander verstimmt werden (Phys. Psych. I3, S. 437\u201438), habe ich bemerkt: \u00bbJenes Maximum der St\u00f6rung liegt etwa bei 30 Schwebungen in der Secunde. Bei dieser oder einer ihr nahe liegenden Geschwindigkeit bringen die Schwebungen ein \u00bb\u2019-\u00e4hnliches Ger\u00e4usch hervor, wobei wegen der gro\u00dfen Schnelligkeit, mit der die einzelnen Tonst\u00f6\u00dfe auf einander folgen, eine deutliche Auffassung der Tonh\u00f6he nicht mehr m\u00f6glich ist\u00ab. Stumpf l\u00e4sst die Bedingung, dass die T\u00f6ne vom Einklang aus gegen einander verstimmt werden, hinweg und verwandelt die undeutliche Auffassung der Tonh\u00f6he in eine Unm\u00f6glichkeit die Tonh\u00f6he \u00fcberhaupt aufzufassen, wodurch sich dann ganz nat\u00fcrlich eine leicht zu best\u00e4tigende allbekannte Beobachtung in eine absurde Behauptung verwandelt1 *).\n1) Ich habe schon in meinem vorigen Aufsatze (S. 615, Anm.) darauf hinge-\nwiesen, dass an dieser Stelle von Kl\u00e4ngen die Hede sei, die vom Einklang aus","page":324},{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Replik C. Stumpf\u2019s.\n325\n2. Auf derselben Seite meines Werkes bei\u00dft es im unmittelbaren Anschl\u00fcsse an das Vorige : \u00bbBei Schwebungen, welche die Zahl 30 erheblich \u00fcbersteigen, vermag unser Ohr die einzelnen St\u00f6\u00dfe nicht mehr auseinanderzuhalten Schon bei 50 Schwebungen wird der intermittirende Charakter der Empfindung sehr undeutlich, und bei 60 ist er g\u00e4nzlich verschwunden. Die Angabe, dass wir noch viel zahlreichere Intermissionen zusammenklingender T\u00f6ne, sogar bis zu 132 in der Secunde, unterscheiden k\u00f6nnen, d\u00fcrfte auf einer Verwechselung mit dem dissonanten Eindruck beruhen, welchen nicht verwandte Kl\u00e4nge immer, wenn sie gleichzeitig ert\u00f6nen, auf uns machen. Wir m\u00fcssen aber durchaus die St\u00f6rungen des Zusammenklangs, welche in den Schwebungen ihre Ursache haben, von der Beziehung, in welche die einzelnen Kl\u00e4nge durch ihre Verwandtschaft, n\u00e4mlich durch die Uebereinstimmung oder Verschiedenheit der Theilt\u00f6ne treten, unterscheiden\u00ab. Hiernach kann ich allerdings die Helmholtz\u2019sche Beobachtung nicht best\u00e4tigt finden. Ich habe aber mit keinem Wort Helmholtz falscher Beobachtung und grober Verwechselung geziehen, wie Stumpf behauptet. Zugleich handelt es sich hier, wie Jedermann sieht, um eine Thatsache unmittelbarer subjectiver Wahrnehmung, auf welche sonstige musikalische Erfahrungen keinen, wohl aber bestimmte theoretische Anschauungen m\u00f6glicher Weise einen Einfluss aus\u00fcben k\u00f6nnen, nat\u00fcrlich ohne dass darum demjenigen, der durch sie beeinflusst wird, eine \u00bbgrobe Verwechselung\u00ab vorzuwerfen w\u00e4re. Indem Helmholtz die Dissonanz aus den Schwebungen ableitet, ist, wie ich glaube, sein Urtheil \u00fcber die Auffassung von Intermissionen einigerma\u00dfen beeinflusst worden, und er hat die Schwebungen auch\ngegen einander verstimmt werden. Diese Bemerkung l\u00e4sst Herrn Stumpf kalt. Er ignorirt jene Bedingung auch jetzt.\n1) In dem Original (Physiol. Psych. I3, S. 438) ist \u00bbT\u00f6ne\u00ab statt \u00bbSt\u00f6\u00dfe\u00ab gedruckt. Die Verbesserung des Druckfehlers ist so selbstverst\u00e4ndlich, dass er, wie es in solchen F\u00e4llen, wo man unwillk\u00fcrlich statt des falschen das richtige Wort appercipirt, geschehen kann, durch mehrere Auflagen hindurch stehen geblieben ist. Stumpf hatte darausgeschlossen, dass der Druckfehler kein Druckfehler sein k\u00f6nne. Jetzt beklagt er sich dar\u00fcber, dass ich denselben \u00bbohne Nennung der Quelle\u00ab berichtigt habe. Er betrachtet sich also als den geistigen Eigenth\u00fcmer dieses Druckfehlers und h\u00e4lt es f\u00fcr ein Plagiat, wenn ich denselben berichtige, ohne ihn als den ersten Entdecker zu nennen !","page":325},{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"326\n\\V. \\Vundt.\nda noch zu h\u00f6ren geglaubt, wo in Wahrheit nur noch Dissonanz vorhanden ist. Wer aus anderen psychologischen Beobachtungen wei\u00df, wie schwer es bei fest gewordenen Associationen gewisser Empfindungselemente wird, die Bestandteile von einander zu trennen, der wird die M\u00f6glichkeit einer solchen Verwechselung auch bei dem ge\u00fcbtesten Beobachter f\u00fcr sehr wohl m\u00f6glich halten. Freilich, so weit ist auch Helmholtz nicht gegangen, dass er, wie Stumpf, noch die Unterscheidung von \u00fcber 200 Schwebungen selbst f\u00fcr den \u00bbUnge\u00fcbten\u00ab m\u00f6glich hielt.\n3. In Band II (S. 53) meines Werkes habe ich angegeben: \u00bbEs ist die gew\u00f6hnliche Ansicht, dass die Empfindung der Klangeinheit bei den Einzelkl\u00e4ngen durch die viel gr\u00f6\u00dfere St\u00e4rke des Grundtons gegen\u00fcber den Obert\u00f6nen bedingt werde. Diese Ansicht ist nur in sehr beschr\u00e4nktem Ma\u00dfe richtig, nur insoweit n\u00e4mlich, als der Grundton nicht so schwach sein darf, dass er gegen die Obert\u00f6ne verschwindet. Dagegen wird die Empfindung der Klangeinheit nicht geschw\u00e4cht, wenn die Obert\u00f6ne ebenso stark sind wie der Grundton, ja wenn einzelne ihn sogar \u00fcbertreffen. Es wird dadurch nur immer die Klangfarbe ver\u00e4ndert, nicht aber die Vorstellung des Einzelklangs aufgehoben. Man kann sich hiervon an dem Obert\u00f6neapparat \u00fcberzeugen, wenn man zuerst den Dur-accord 4:5:6 angibt und dann dessen Untert\u00f6ne 1:2:3 in gleicher St\u00e4rke hinzuf\u00fcgt: die bei dem Dreiklang trotz der auch hier nicht fehlenden Empfindung der Klangeinheit so ausgepr\u00e4gte Vorstellung eines Zusammenstimmens mehrerer T\u00f6ne h\u00f6rt augenblicklich ganz auf, und man glaubt nur noch einen einzigen Klang von sehr voller Klangfarbe zu h\u00f6ren\u00ab. Der angef\u00fchrte Ueber-gang aus der Vorstellung einer Mehrheit von Kl\u00e4ngen in die eines Klanges mit starken Obert\u00f6nen ist in der That so auffallend, dass ich den Versuch am Obert\u00f6neapparat regelm\u00e4\u00dfig in meinen Vorlesungen \u00fcber Psychologie vorf\u00fchre. Stumpf leugnet nicht nur die Erscheinung, sondern er schildert sie auch so, als wenn nach meiner Angabe beim Hinzutreten der T\u00f6ne 1:2:3 \u00fcberhaupt gar nicht mehr mehrere T\u00f6ne wahrgenommen w\u00fcrden, w\u00e4hrend ich doch in der Bezeichnung der dann entstehenden Vorstellung eines Einzelklangs als eines solchen von sehr voller Klangfarbe ausdr\u00fccklich daraufhingewiesen habe, dass man nun","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Replik C. Stumpfs.\t327\ndie vorher als selbst\u00e4ndige T\u00f6ne geh\u00f6rten Kl\u00e4nge wie starke Obert\u00f6ne auffasst.\n4. Auf S. 419, Bd. I meines Werkes steht zu lesen: \u00bbIn einem gew\u00f6hnlichen zusammengesetzten Klang, der auf einer regelm\u00e4\u00dfig periodischen, aber zusammengesetzten Luftbewegung beruht, lassen sich in der Regel mehrere neben einander klingende T\u00f6ne deutlich unterscheiden : unter ihnen zeichnet der tiefste stets durch gr\u00f6\u00dfere St\u00e4rke sich aus, nach ihm, dem Grundton, wird daher auch die Tonh\u00f6he des Klangs bestimmt. Erleichtert wird diese Klanganalyse durch Resonatoren, welche man vor das Ohr h\u00e4lt . . . . Hat man erst mittelst eines solchen Resonators einen schwachen Ton, der einen einzelnen Bestandtheil einer complexen Empfinduirg bildet, wahrgenommen, so gelingt es dann leichter ihn auch ohne Hiilfsmittel zu unterscheiden\u00ab. Stumpf l\u00e4sst mich behaupten, dass man niemals mit freiem Ohr ohne Einf\u00fchrung besonderer Versuchsbedingungen Obert\u00f6ne wahrnehmen k\u00f6nne \u2014 genau das Gegentheil von dem, was ich wirklich gesagt habe.\nDer ganze oben abgedruckte Angriff besteht also von Anfang bis zu Ende aus nichts als Entstellungen und Erdichtungen.\n\u00bbI have studied these things, you have not!\u00ab lieber diese Worte kann ich mich des Urtheils enthalten. Sie m\u00f6gen im Lichte der Versuche an den zw\u00f6lf Auserw\u00e4hlten in der Domkirche zu Halle und anderer \u00e4hnlicher Leistungen gew\u00fcrdigt werden !","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"\n","page":328}],"identifier":"lit757","issued":"1892","language":"de","pages":"298-327","startpages":"298","title":"Eine Replik C. Stumpf\u2018s","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:24:56.692652+00:00"}