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{"created":"2022-01-31T12:39:31.221835+00:00","id":"lit770","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Wundt, Wilhelm","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 9: 311-315","fulltext":[{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen zu vorstehendem Aufsatze.\nVon\nW. Wundt.\nDa die obigen Ausf\u00fchrungen im wesentlichen nur den von Catteil in seiner ersten Arbeit in dem \u00bbAmeric. Journal of Psych.\u00ab gegen meine Angabe \u00fcber die Genauigkeit des Chronographen erhobenen Einwand wiederholen, so kann ich mich meinerseits auf einige erg\u00e4nzende Bemerkungen zu meiner Notiz in Bd. VIII, S. 653 dieser Studien beschr\u00e4nken.\nWenn man mittelst eines Luftthermometers, welches den zwanzigsten Theil eines Grades Celsius zu messen gestattet, ein Quecksilberthermometer A graduirt, an dem man nur noch halbe Grade abzulesen vermag, und dieses Thermometer A nun benutzt, um die hintheilung eines zweiten \u00e4hnlichen Quecksilherthermometers B zu corrigiren, so wird man diese Correctur als hinreichend zuverl\u00e4ssig betrachten k\u00f6nnen, wenn die Abweichungen der Ablesungen an A und B nicht wesentlich gr\u00f6\u00dfer sind als die durchschnittlichen Abweichungen zwischen A und dem zur Graduirung benutzten Luftthermometer selbst. Man darf aber daraus, dass diese Bedingung unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden zutrifft, nicht schlie\u00dfen, dass auch das Luftthermometer nur einen halben Grad Celsius mit Genauigkeit zu messen gestatte. Genau diesen Fehler begeht Cattell, indem er den Controlhammer, dessen Zehwerthe mittelst des Chronographen bestimmt worden sind, ben\u00fctzen will, um mit seiner H\u00fclfe wieder die Genauigkeit der Zeitwerthe des Chronographen zu pr\u00fcfen;\nWundt, Philos. Studien. IX.","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\nW. Wundt.\nEr glaubt zu diesem. Zweck den bekannten Satz der Wahrscheinlichkeitstheorie anwenden zu k\u00f6nnen, nach welchem der resultirendc Fehler einer Beobachtung gleich der Summe der Quadratwurzeln der einzelnen Fehler ist, aus denen er sich zusammensetzt. Indem er die mittleren Variationen der Beobachtungen bei der Pr\u00fcfung des Controlhammers am Chronographen einerseits und diejenigen bei der Pr\u00fcfung des Chronoskops mit dem Controlhammer anderseits als solche Beobachtungsfehler ansieht, bildet er zwei Gleichungen mit drei Unbekannten, aus denen sich, da die eine dieser Unbekannten, n\u00e4mlich der Fehler des Controlhammers, in jeder Gleichung vorkommt, wenigstens die relative Gr\u00f6\u00dfe der beiden andern Fehler soll ermitteln lassen. Aber jener Satz der Wahrscheinlichkeitstheorie ist nur auf von einander unabh\u00e4ngige Beobachtungsfehler anwendbar, die s\u00e4mmtlich ebenso gut positiv wie negativ sein k\u00f6nnen, nicht auf Schwankungen der Beobachtungen, die irgendwie von einander abh\u00e4ngig sind, und in die irgend welche constante Fehler eingehen. Dies ist nun gerade bei allen hier in Rede stehenden Beobachtungen der Fall. Die Schwankungen der Chronoskopzeiten sind abh\u00e4ngig von den Schwankungen in der Einstellung des Controlhammers und seiner Ausl\u00f6sungsapparate. Denn die Abweichungen des Chronoskops r\u00fchren wesentlich her von der Zeit der Durchstr\u00f6mung seiner Elektromagnete ; die Schwankungen in der Gr\u00f6\u00dfe dieser Zeit sind aber unmittelbar abh\u00e4ngig von den Schwankungen, welche in der Ausl\u00f6sung der beiden Con-tactapparate des Controlhammers stattfinden. Die Mittel sowohl der Chronoskop- wie der Controlhammerzeiten sind ferner nicht die wahren Zeitwerthe, sondern sie sind mit einem constanten Fehler von wechselnder Gr\u00f6\u00dfe behaftet, und die mittleren Variationen dieser Zeiten sind demnach auch nicht reine variable Fehler, sondern es gilt f\u00fcr sie genau das, was Cattell von den von Lange bestimmten wahrscheinlichen Fehlern des Chronographen behauptet: sie sind nicht die mittleren Variationen in der Bestimmung der absoluten Zeit selber, sondern sie sind die Mittelwerthe der Schwankungen in der Bestimmung einer von der absoluten Zeit um einen constanten, je nach den Versuchsbedingungen gr\u00f6\u00dferen oder kleineren, positiven oder negativen Betrag abweichenden Fehlzeit, und die Bedingung, dass sie gleich gro\u00dfe positive und negative Werthe","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen zu vorstehendem Aufsatze.\n313\nannehmen k\u00f6nnen, ist bei ihnen durchaus nicht erf\u00fcllt. Dem gegen\u00fcber bietet der Chronograph den Vortheil dar, dass sich hei ihm durch die Anwendung des mit ihm verbundenen Controlapparates, namentlich wenn man sich wechselnder Richtung der Str\u00f6me und wechselnder Anwendung der Electromagnete bedient, der constante Fehler vollst\u00e4ndig eliminiren l\u00e4sst, so dass nur noch Ablesungsfehler, die ebenso gut positiv wie negativ sein k\u00f6nnen, Zur\u00fcckbleiben, sofern man, was in diesem Fall gestattet ist, eine absolute Genauigkeit der Stimmgabelschwingungen annimmt, d. h. die wirklichen Abweichungen derselben als verschwindend klein voraussetzt. In Wahrheit ist also das Verh\u00e4ltniss das umgekehrte von dem, welches Cattell annimmt. Beim Chronographen handelt es sich, nachdem in der angedeuteten Weise die constanten Fehler eliminirt sind, nur noch um reine variable Ablesungsfehler. Beim Controlhammer und Chronoskop dagegen bleiben stets constante Fehler bestehen, und die mittleren Variationen sind haupts\u00e4chlich von den in den einzelnen Versuchen vorhandenen Schwankungen im Betrag dieser Fehler abh\u00e4ngig. Eben dieser Umstand ist es, der in allen F\u00e4llen eine Correctur der Chronoskop- und der Controlhammerzeiten mit dem Chronographen oder mit einem andern ihm \u00e4hnlichen, absolute Zeitangaben verb\u00fcrgenden Instrumente erforderlich macht. Bei dem Chronoskop resultirt jener constante Fehler, abgesehen von der an sich vermeidbaren Unsicherheit in der Stimmung der schwingenden Feder, aus der Verschiedenheit der An-ziehungs- und Abrei\u00dfungszeit des Elektromagnetankers, bez. aus dem verschiedenen Verlauf der Remanenz- und der Wachsthums-curve des Magnetismus1), bei dem Controlhammer aus der Verz\u00f6gerung des Falls durch die Controlapparate, namentlich den oberen2). Aus den Schwankungen in dem Betrag dieser constanten Fehler, von denen der des Controlhammers \u00fcberhaupt unvermeidbar ist, der des Chronoskops aber nur in dem in voller Strenge idealen Fall eines vollkommen symmetrischen Verlaufs jener beiden Curven verschwindet, resultirt wesentlich die mittlere Variation der Beobachtungen.\n1)\tK\u00fclpe und Kdrschmann, Phil. Stud. VIII, S. 152.\n2)\tPhil. Stud. VIII, S. 166 ff.\n21*","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314\nW. Wundt.\nAus allem diesem erhellt, dass es unzul\u00e4ssig ist, in der von Cat teil versuchten Weise mittelst Controlhammer und Chronoskop die Genauigkeit des Chronographen pr\u00fcfen zu wollen, sondern dass hierzu directe Controlversuche an diesem Instrumente selbst erforderlich sind, wozu insbesondere die zur Elimination des constanten Fehlers dienenden Versuche mit dem f\u00fcr den Chronographen bestimmten Controlapparat geh\u00f6ren. Wenn \u00fcbrigens Catteil der Meinung ist, dass die Correctur dieses Fehlers nur f\u00fcr Zeiten von 10 o gelte, und dass der Fehler mit der Vergr\u00f6\u00dferung der Zeiten wachsen w\u00fcrde, so ist das ein Irrthum. Bei einer gew\u00f6hnlichen Uhr trifft es ja allerdings zu, dass, wenn sie in einer Stunde um 1 Sec. vor- oder nachgeht, der Fehler in 10 Stunden 10 Sec. betragen wird. Bei dem Chronographen entspringt aber der Fehler nur aus der Begistrirbewegung der Ankerhebel, und diese ist bei gro\u00dfen Zeiten dieselbe wie bei kleinen Zeiten. Den Zeitwerth von 10 ff (10 einfachen Stimmgabelschwingungen) hat darum auch Lange Hur benutzt, um aus der ihm entsprechenden Baumgr\u00f6\u00dfe den Zeitwerth des constanten Begistrirfehlers zu berechnen1); der Begistrirfehler selbst ist aber von diesem willk\u00fcrlich gew\u00e4hlten Ma\u00dfstah ganz unabh\u00e4ngig. Absolute Genauigkeit der Stimmgabelschwingungen und genaue Z\u00e4hlung derselben vorausgesetzt, ist demnach der absolute Betrag desselben bei 100 a durchaus nicht gr\u00f6\u00dfer als bei 10 ff. Bei allen Versuchen, bei denen man sich, wie z. B. bei denjenigen von K\u00fclpe \u00fcber die Gleichzeitigkeit und Ungleichzeitigkeit von Bewegungen (Phil. Stud. VI, S. 514), nur des Chronographen zur Zeitmessung bedient, kommt nat\u00fcrlich nur dieser auf die angegebene Weise zu eliminirende Fehler des Chronographen selbst in Betracht.\nAuf die Bemerkungen Cattell\u2019s \u00fcber die Vorz\u00fcge und Nachtheile der verschiedenen Controlapparate zum Chronoskop n\u00e4her einzugehen, finde ich keine Veranlassung. Ich kann in dieser Beziehung auf die Arbeit von K\u00fclpe und Kirschmann verweisen2). Der Bemerkung, dass man zur Bestimmung der Fallzeiten eines Fallschirms\n1)\tLange, a. a. O. S. 469.\n2)\tDas von K\u00fclpe und Kirschmann gepr\u00fcfte Cattell\u2019sche Fallchronometer ist \u00fcbrigens, so viel ich wei\u00df, von Herrn C. Krille zwar f\u00fcr Amerika, aber nicht f\u00fcr Herrn Catteil selbst angefertigt worden.","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen zu vorstehendem Aufsatze.\n315\ndes Chronographen nicht bed\u00fcrfe, kann ich jedoch nur unter einer Voraussetzung zustimmen, unter der sie auch f\u00fcr den von uns benutzten Controlhammer gilt: falls man n\u00e4mlich auf anderem Wege, nicht etwa blo\u00df durch die Berechnung der theoretischen Fallzeiten f\u00fcr den luftleeren Baum und f\u00fcr reibungslos fallende K\u00f6rper, eine genaue Bestimmung der Zeiten ausf\u00fchrt. Das einfachste und sicherste Mittel hierzu besteht in den Schwingungen einer Stimmgabel, die man bei allen den Instrumenten, die sich irgendwie modificirter Fallbewegungen bedienen, auch direct auf einer an dem fallenden Apparat angebrachten Platte kann aufzeichnen lassen. In der That ist ja die Contr\u00f4le mit dem Chronographen nichts anderes als eine Contr\u00f4le mittelst Stimmgabelsehwingungen ; nur dass hier wegen der vollkommeneren Einrichtungen zur Vermeidung der Ablesungsfehler und wegen der sehr viel gr\u00f6\u00dferen Geschwindigkeit, die sich der Trommel des Chronographen im Vergleich mit den zur directen Contr\u00f4le des Chronoskops benutzbaren Fallapparaten geben l\u00e4sst, die Angaben genauere sind.\nMit diesen Bemerkungen glaube ich die Discussion \u00fcber diesen Gegenstand in den Studien um so mehr schlie\u00dfen zu k\u00f6nnen, als die mehrfach citirten Arbeiten von L. Lange \u00fcber den Chronographen und von K\u00fclpe und Kirschmann \u00fcber die Contr\u00f4le des Chronoskops \u00fcber alle etwa noch in Frage kommenden Punkte hinreichende Auskunft geben.","page":315}],"identifier":"lit770","issued":"1894","language":"de","pages":"311-315","startpages":"311","title":"Bemerkungen zu vorstehendem Aufsatze: Cattell, Chronoskop und Chronograph","type":"Journal Article","volume":"9"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:39:31.221840+00:00"}