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{"created":"2022-01-31T13:13:59.787099+00:00","id":"lit789","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Wundt, Wilhelm","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 13: 318-322","fulltext":[{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen zu vorstehendem Aufsatze.\nVon\nW. Wundt.\nDen dankenswerthen Ausf\u00fchrungen der vorstehenden Erwiderung beabsichtige ich nicht eine nochmalige eingehende Er\u00f6rterung meiner Einw\u00e4nde gegen den Standpunkt der immanenten Erkenntnistheorie folgen zu lassen. Ich glaube nicht, dass dies nach den Ausf\u00fchrungen des Herrn Verfassers dieser Erwiderung, die das Wesentliche seiner eigenen Ansicht, sowie sein Verh\u00e4ltnis zu Schuppe in deutlichen Umrissen kennzeichnen, noch irgend einen Zweck h\u00e4tte. Wo die Ausgangspunkte so verschiedene sind, wie bei der \u00bbimmanenten Philosophie\u00ab und hei den von mir vertretenen Anschauungen, da ist auf eine Verst\u00e4ndigung, ja im letzten Grunde vielleicht sogar auf ein eigentliches Verst\u00e4ndnis kaum zu hoffen. Ich beschr\u00e4nke mich darum hier auf einige Bemerkungen zu denjenigen Punkten der obigen Erwiderung, die sich auf meine Auffassung dessen beziehen, was man \u2014 ich gehe es zu, mit einem nicht ganz gl\u00fccklichen, aber von ihren Vertretern selbst herr\u00fchrenden und auch von dem Herrn Verfasser durch die Mitherausgahe der unter diesem Titel erscheinenden Zeitschrift wenigstens stillschweigend gebilligten Hamen \u2014 die \u00bbimmanente Philosophie\u00ab nennt.\nDer Herr Verfasser erhebt in dieser Beziehung im Eingang seines Aufsatzes eigentlich zwei entgegengesetzte Vorw\u00fcrfe gegen mich. Erstens meint er, wenn man unter dem Ausdruck \u00bbimmanente Philosophie\u00ab alle Bestrebungen zusammenfasse, die die Erkenntnisstheorie","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen zu vorstehendem Aufsatze.\n319\nvon metaphysischen Bestrebungen befreien wollen, so m\u00fcsse man den Kreis der Vertreter derselben sehr viel weiter ziehen, als ich es ge-than; und zweitens ist er der Ansicht, ich habe unter dem. gleichen Gesichtspunkt Bestrebungen vereinigt, die doch keineswegs v\u00f6llig mit einander \u00fcbereinstimmten, so besonders die Anschauungen von Schuppe und die des Verfassers seihst. Nun habe ich bei der Auseinandersetzung des \u00bballgemeinen Standpunktes\u00ab der immanenten Philosophie ausdr\u00fccklich hervorgehoben, dass \u00bbdie Anh\u00e4nger der immanenten Erkenntnisslehre keineswegs in allen Punkten einig\u00ab seien, und dass es namentlich in den specielleren Fragen, die die Naturphilosophie und Psychologie ber\u00fchren, nicht an Meinungsunterschied\u00ebn fehle. Als eine allgemeinere Frage, in der ein solcher Unterschied hervortrete, habe ich zu wiederholten Malen die der Entstehung der Vorstellung einer Au\u00dfenwelt \u00fcberhaupt hervorgehoben (S. 321, 365 Anm.). Dass ich dabei in der Schilderung der nach meiner Auffassung \u00fcbereinstimmenden Ansichten in solchen F\u00e4llen, wo von Schuhert-Soldern den Ausdruck \u00bbBewusstsein\u00ab vorzieht, den von Schuppe durchweg gebrauchten Begriff des \u00bbIch\u00ab gew\u00e4hlt habe, schien mir f\u00fcr den Grundcharakter der Anschauungen nicht wesentlich, und ich habe mich auch nach den obigen Ausf\u00fchrungen von einem f\u00fcr die vorhegende Frage ma\u00dfgebenden Unterschied beider Ausdr\u00fccke nicht \u00fcberzeugen k\u00f6nnen. Anderseits bin ich freilich gerne bereit zuzugeben, dass nach der vorstehenden Erwiderung die sachliche Differenz zwischen von Schubert und Schuppe gr\u00f6\u00dfer ist, als ich voraussetzte. Aber die Erwiderung deutet selbst an, dass die erste Schrift des Verfassers \u00fcber \u00bbImmanenz und Transcendenz\u00ab diesen Unterschied weniger deutlich hervortreten l\u00e4sst. Wenn ich \u00fcbrigens, obgleich mir solche sachliche Differenzen oder mindestens Schattirungen der Grundanschauung seihst in dieser principiellen Frage nicht entgingen, trotzdem die \u00bbimmanente Philosophie\u00ab als eine im wesentlichen zusammengeh\u00f6rige Gruppe von Bearbeitungen der Erkenntnisstheorie glaubte betrachten zu k\u00f6nnen, so meinte ich mich dabei der Zustimmung mindestens der von mir vorzugsweise ber\u00fccksichtigten Schriftsteller, n\u00e4mlich eben Schuppe\u2019s und von Schu-hert-Soldern\u2019s versichert halten zu d\u00fcrfen. Wer seinen Namen als Mitherausgeber auf den Titel einer Zeitschrift setzt, die nicht nur in diesem Titel schon die Vertretung einer bestimmten einheitlichen","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320\nW. Wundt.\nRichtung erkennen l\u00e4sst, sondern die dies auch ausdr\u00fccklich noch in den Einf\u00fchrungsworten des Herausgebers ausspricht, \u2014 von dem darf man doch wohl erwarten, dass er sich auch wirklich mit seinen Mitherausgebern in gewissen grundlegenden Ueberzeugungen eines Sinnes wei\u00df. In der That ist das, was ich in dem Eingang meines Aufsatzes als den \u00bballgemeinen Standpunkt\u00ab der \u00bbimmanenten Philosophie\u00ab bezeichnet habe, kaum mehr als eine aus den Schriften der Mitherausgeber erg\u00e4nzte Paraphrase des Programms, das in der \u00bbEinf\u00fchrung\u00ab der Zeitschrift mit den Worten angedeutet wird: \u00bbdass die immanente Philosophie, indem sie die Begriffe wirklich sein und bewusst sein, Object und Vorstellung paarweise identificirt, als die Gesammtheit der wirklichen Dinge aber nicht das Subject, sondern das Weltganze bezeichnet, nicht nur eine Gestaltung der Erkenntnisstheorie, sondern eine Weltanschauung ist\u00ab. Eher musste ich vielleicht Bedenken tragen, auf einige andere Philosophen gelegentlich Bezug zu nehmen, die nicht Mitarbeiter der gleichen Zeitschrift sind und sich in der That, wie z. B. Rehmke, in manchen Punkten wohl weiter von dem gleichen Programm entfernen. Ich habe dies daher auch nur mit Vorbehalt und nur in den besonderen F\u00e4llen gethan, wo mir der Zusammenhang der Anschauungen mit der immanenten Philosophie der Sache nach unzweifelhaft zu sein schien.\nIn manchen Einzelheiten habe ich die zwischen den Hauptvertretern der immanenten Philosophie bestehenden Differenzen nur dadurch angedeutet, dass ich die Belegstellen zu den angef\u00fchrten S\u00e4tzen aus den einzelnen Autoren anf\u00fchrte. In der kurzen Zusammenfassung der Gesammtanschauung im Eingang meines Aufsatzes konnte das freilich nicht geschehen, und hier muss ich anerkennen, dass ich in der Auseinandersetzung des Verh\u00e4ltnisses zwischen Identit\u00e4t und Causalit\u00e4t ausschlie\u00dflich Schuppe gefolgt bin. Es geschah dies deshalb, weil mir allerdings Schuppe\u2019s Ansicht in diesem Punkte f\u00fcr die allgemeine Richtung der immanenten Erkenntnisstheorie vorzugsweise charakteristisch zu sein schien. Ich darf wohl aber darauf hinweisen, dass ich in c der n\u00e4heren Ausf\u00fchrung auch die Ansicht von Schubert\u2019s \u00fcber die aller Causalit\u00e4t zu Grunde liegende Analogie ausdr\u00fccklich erw\u00e4hnt habe. Warum ich auch diese Ansicht, die im wesentlichen auf Hume, Stuart Mill u. A. zur\u00fcckgeht, f\u00fcr unzul\u00e4ssig halte, ist von mir anderw\u00e4rts so eingehend auseinander-","page":320},{"file":"p0321.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen zu vorstehendem Aufsatze.\n321\ngesetzt, dass ich darauf allerdings in dem in Rede stehenden Aufs\u00e4tze nicht n\u00e4her eingegangen hin.\nDer Verfasser macht mir ferner den Vorwurf, der Standpunkt der immanenten Philosophie sei von mir mit dem des naiven Realismus verwechselt worden. Hier muss ich meinerseits glauben, dass diesem Vorwurf ein Missverst\u00e4ndniss zu Grunde liegt. Ich habe ausdr\u00fccklich von allen Richtungen des modernen philosophischen Realismus betont, dass er zwar vom Standpunkt des naiven Realismus auszugehen suche, dass man aber dar\u00fcber vollkommen einig sei, dieser Standpunkt k\u00f6nne nicht als ein endg\u00fcltiger betrachtet werden, und daher von jenem naiven zu einem kritischen Realismus vorzudringen strebe. Dass in diesem Sinne auch die Erkenntnisstheorie der \u00bbimmanenten Philosophie\u00ab von mir als ein kritischer oder vermeintlich kritischer Realismus aufgefasst war, d\u00fcrfte nicht nur aus dieser Stelle, sondern aus dem ganzen \u00fcbrigen Inhalt meiner Er\u00f6rterungen hervorgehen. Freilich war und ist meine Meinung, dass die immanente Philosophie nicht den richtigen Weg einschl\u00e4gt, um von jenem Standpunkte des naiven zu dem des kritischen Realismus her\u00fcberzugelangen \u2014 ein Umstand, der sie \u00fcberdies nach meiner Meinung hinsichtlich dessen, was der eigentliche Inhalt des urspr\u00fcnglichen \u00bbnaiven Realismus\u00ab oder der \u00bbnat\u00fcrlichen Weltansicht\u00ab, wie es Andere nennen, sei, in einen verh\u00e4ngnissvollen Irrthum gef\u00fchrt hat. Ich betrachte es n\u00e4mlich nicht als zweckm\u00e4\u00dfig, dass die \u00bbimmanente Philosophie\u00ab, \u00e4hnlich wie \u00fcbrigens auch noch viele andere philosophische Erkenntnisstheorien, durch blo\u00dfe Selbstbesinnung jenen Weg finden zu k\u00f6nnen meint. Ich glaube vielmehr, dass man sich vor allem dar\u00fcber Rechenschaft geben muss, auf welchem Wege die Wissenschaft von jenem ihr urspr\u00fcnglich ebenfalls eigenen Standpunkte des naiven Realismus sich entfernt habe, und welche logischen Motive dabei wirksam gewesen seien. Wenn von Schubert-Sol-dern diese meine Meinung dahin zu interpretiren scheint, dass die philosophische Erkenntnisstheorie unbesehen den Standpunkt naturwissenschaftlicher Anschauungen sich zu eigen machen solle, so missversteht er freilich meine Meinung. Ich habe nirgends verschwiegen, dass mir solche Ueberlegungen \u00fcber die logischen Motive des von der positiven Wissenschaft festgehaltenen Standpunktes nur dann f\u00fcr die Erkenntnisstheorie fruchtbringend zu sein scheinen, wenn sie mit","page":321},{"file":"p0322.txt","language":"de","ocr_de":"322\nW. Wundt. Einige Bemerkungen zu vorstehendem Aufsatze.\nder zureichenden Kritik angestellt werden, und wenn sie aus den naturwissenschaftlichen Anschauungen alles Zuf\u00e4llige, Unmotivirte und Dogmatische, woran ja wahrlich kein Mangel ist, zu entfernen trachten. Ich glaube in der That, wenn es die immanente Erkenntnistheorie nicht verschm\u00e4hen wollte, auf diese Betrachtungsweise einzugehen, so w\u00fcrden Argumente, wie die der nothwendigen Correlation von Subject und Object, auf das auch die obige Erwiderung so gro\u00dfes Gewicht legt, vielleicht doch nicht mehr als so absolut feststehende S\u00e4tze gelten. Ich bezweifle nat\u00fcrlich keinen Augenblick, dass Subject und Object in unseren Begriffen zusammengeh\u00f6ren. Ich bezweifle aber nicht nur, sondern ich bestreite nachdr\u00fccklich, dass sich die Thatsachen nach unseren Begriffen zu richten haben. Vielmehr bin ich der Meinung, dass sich unsere Begriffe freilich irgendwie auf Grund von Thatsachen gebildet haben, dass wir uns aber, ehe wir aus ihnen r\u00fcckw\u00e4rts auf diese wiederum Schl\u00fcsse ziehen, vergewissern m\u00fcssen, wie die Begriffe entstanden sind. Da erscheint es mir denn unzweifelhaft, dass jene Correlation unserer Begriffe Subject und Object ein sp\u00e4tes Erzeugniss der Reflexion ist, das \u00fcber die Frage, oh das Object oder das Subject, oder oh beide zumal urspr\u00fcnglich unserem Denken gegeben sind, gar nichts entscheiden kann. Obgleich daher von Schubert-Soldern sagt, es sei ihm \u00bbunerfindlich\u00ab, \u00bbwie ich ein Object au\u00dfer dem Bewusstsein erfahren soll, um dann mittelst Reflexion nachtr\u00e4glich zu erkennen, dass dieses Object doch im Bewusstsein vorgestellt wird\u00ab, so ist eben das, was er f\u00fcr unerfindlich h\u00e4lt, dasselbe, was ich nach den Zeugnissen der psychologischen Erfahrung f\u00fcr den urspr\u00fcnglichen Thatbestand des Erkennens halte, von dem daher auch die Erkenntnisstheorie zun\u00e4chst auszugehen habe.","page":322}],"identifier":"lit789","issued":"1898","language":"de","pages":"318-322","startpages":"318","title":"Einige Bemerkungen zu vorstehendem Aufsatze: Schubert-Soldern: Erwiderung auf Prof. Wundts Aufsatz \"\u00dcber naiven und kritischen Realismus\"","type":"Journal Article","volume":"13"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:13:59.787104+00:00"}