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{"created":"2022-01-31T12:44:15.464391+00:00","id":"lit797","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Wundt, Wilhelm","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 15: 579-582","fulltext":[{"file":"p0579.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Technik des Complicationspendels.\nVon\nW. Wundt.\nIn der October-Nummer des \u00bbMind\u00ab (1899, S. 564) lese ich ein kurzes Referat \u00fcber die im ersten Heft dieses Bandes der Studien ver\u00f6ffentlichten neuen Versuche von Ohr. D. Pflaum am Compli-cationspendel. In diesem Referat ist bemerkt, der Verf. habe leider \u00fcber die \u00bbdefects of the instrument\u00ab nichts gesagt: \u00bbthe present writer has never seen an instrument in which the pendulum did not kick at the moment of complication\u00ab. Ich kann nicht umhin, diese Bemerkung sehr auffallend zu finden. Denn ich muss umgekehrt sagen, dass das von mir benutzte Instrument bei richtiger Einstellung des Balancirhebels niemals den angedeuteten Fehler gezeigt hat. Dabei muss ich allerdings zugleich bemerken, dass dieses nach meinen Angaben von dem verstorbenen Mechaniker Zimmermann in Heidelberg um das Jahr 1863 angefertigte Instrument leider das einzige ist, das ich kenne. Ich vermag daher nat\u00fcrlich nicht zu sagen, ob nicht etwa bei Nachbildungen des Apparates Fehler begangen wurden, die nach der Construction desselben eigentlich ausgeschlossen und jedenfalls leicht zu vermeiden sind. Ich vermuthe \u00fcbrigens, dass der oben citirte Ausdruck \u00bbin the moment of complication\u00ab bedeuten soll, der Referent habe einen Sto\u00df des Zeigers in dem Moment bemerkt, wo der Hammer die Glocke ber\u00fchrt. Das ist n\u00e4mlich die einzige M\u00f6glichkeit, wie bei richtiger Construction des Apparates wegen falscher Einstellung desselben ein Sto\u00df Vorkommen kann. Dieser Sto\u00df erfolgt nur dann \u00bbat the moment of complication\u00ab, wenn dieser dem wirklichen Zusammentreffen","page":579},{"file":"p0580.txt","language":"de","ocr_de":"580\nW. Wundt.\ndes Gesichts- und Geh\u00f6rseindruckes entspricht. Im allgemeinen liegt der Moment der Complication in Folge der regelm\u00e4\u00dfig stattlindenden Zeitverschiebungen davon mehr oder weniger weit entfernt. St\u00f6\u00dft das Pendel, weil der Apparat fehlerhaft eingestellt wurde, so muss dann aber der Moment dieses Sto\u00dfes mit dem Moment der Complication zusammenfallen, da man eben unter solchen Umst\u00e4nden die Zeitverschiebungen \u00fcberhaupt nicht mehr beobachten kann, sondern den Schalleindruck mit dem gesehenen Sto\u00df, das hei\u00dft mit dem Moment des wirklichen Schalls complicirt. Ist jedoch das Instrument richtig eingestellt, so kann man an demselben, ohne an der Einstellung irgend etwas zu \u00e4ndern, Wochen, ja Monate lang ex-perimentiren, ohne jemals einen Sto\u00df zu bemerken: der Zeiger bewegt sich vollkommen continuirlich \u00fcber die Scala, wie das nat\u00fcrlich f\u00fcr die Ausf\u00fchrung der Versuche gefordert ist. Denn es braucht kaum bemerkt zu werden, dass ein Apparat, bei dem diese Bedingung nicht zutrifft, absolut unbrauchbar ist, und dass sich Versuche, die man mit einem solchen fehlerhaften oder fehlerhaft eingestellten Apparat ausf\u00fchren wollte, aus dem oben angedeuteten Grunde von selber verbieten w\u00fcrden. Das noch gegenw\u00e4rtig im hiesigen psychologischen Institut befindliche Complicationspendel hat schon vor mehr als drei\u00dfig Jahren mir selbst zu meinen Versuchen gedient. Es ist dann von W. von Tchisch zu seinen umfangreichen Untersuchungen (Philos. Studien, Bd. II, S. 603 ff.), und schlie\u00dflich wieder von Herrn Pflaum zu seinen neueren Beobachtungen verwendet worden. Ich habe es au\u00dferdem beinahe allj\u00e4hrlich in Vorlesungen zur Demonstration der Erscheinungen der Zeitverschiehung ben\u00fctzt. Durch den langen Gebrauch ist das Kronrad des Uhrwerkes, durch dessen Verstellung, wie ich in meiner Beschreibung (Physiol, Psychologie, II4, S. 404 f.) angegeben habe, die Amplitude der Schwingungen willk\u00fcrlich variirt werden kann, stark abgen\u00fctzt, so dass es schwer h\u00e4lt, die Amplitude w\u00e4hrend l\u00e4ngerer Zeit constant zu erhalten, und eine Variirung derselben \u00fcberhaupt nur noch in sehr engen Grenzen m\u00f6glich ist. Das sind alles M\u00e4ngel , wie sie hei jedem vielgebrauchten Uhrwerk mit der Zeit sich einstellen, und die die Anwendbarkeit des Instrumentes etwas einschr\u00e4nken. Aber der continuirliche Gang des Pendels und Zeigers ist durch diese Abn\u00fctzung nicht im geringsten beeintr\u00e4chtigt worden.","page":580},{"file":"p0581.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Technik des Complicationspemlels.\n58 t'\nUnter diesen Umst\u00e4nden bleibt mir f\u00fcr die Bemerkung des Herrn Mind-Referenten, falls derselbe nicht einen ganz und gar unzul\u00e4nglich construirten Apparat ben\u00fctzt haben sollte, nur die Erkl\u00e4rung \u00fcbrig, dass er \u00fcberhaupt die Noth wendigkeit einer Einstellung des Instrumentes \u00fcbersehen hat, also der Meinung gewesen ist, um Versuche zu machen, sei nichts weiter erforderlich, als ein Gewicht anzuh\u00e4ngen und das Uhrwerk in Gang zu setzen. Nun ist zwar die Anwendung des Complicationspendels sehr einfach. Aber so einfach ist sie doch nicht, dass sie nicht ein gewisses Ma\u00df von Aufmerksamkeit und Vorsicht erforderte. Von dem Instrumente verlangen, dass es ohne weiteres in der richtigen Weise seine Schuldigkeit thue, das w\u00e4re ungef\u00e4hr dasselbe, als wenn man von einem Mikroskop fordern wollte, es m\u00fcsse deutliche Bilder geben, gleichg\u00fcltig ob man die Linse in die richtige Eocaldistanz bringt oder nicht. Eigentlich ergibt sich das schon aus der Construction des Apparates. Aber, da ich es doch f\u00fcr m\u00f6glich halten muss, dass auch andere Psychologen in den Irrthum des Herrn Mind-Referenten verfallen k\u00f6nnten, so m\u00f6chte ich hier in wenigen Worten das nachholen, was ich vielleicht bei der Beschreibung des Apparates ausdr\u00fccklich hervorzuheben vers\u00e4umt habe.\nDie correcte Function des Complicationspendels beruht ganz und gar auf der richtigen Einstellung des Balancirhebels II (Fig. 231 Physiol. Psych., II4, S. 405). Diese Einstellung geschieht haupts\u00e4chlich mit H\u00fclfe der Schraube k und nebenbei noch durch Verschiebung des Gegengewichtes l, das auf einem Schraubengang des Hebels H hin- und herbewegt werden kann. Beide, Schraube und Gegengewicht, sind so einzustellen, dass der Stift p genau in demselben Moment von dem federnden Mitnehmer i abgleitet, in welchem der Hammer q eben die Glocke ber\u00fchrt. Ist der Hebel richtig in dieser Weise eingestellt, so ist ein Sto\u00dfen des Pendels und Zeigers absolut ausgeschlossen, und es ist zugleich das momentane Zusammenfallen des Schalles mit dem zugeh\u00f6rigen Punkt der Scala gesichert, da jedes Werfen des.Hammers nach der Construction des Apparates unm\u00f6glich ist. Diese Einstellung ist aber au\u00dferordentlich leicht vorzunehmen, weil die Lage des Hebels H innerhalb eines ziemlichen Spielraums variiren kann, ohne dass ein Sto\u00dfen des Hammers eintritt. Kleine Verstellungen ver\u00e4ndern n\u00e4mlich blo\u00df die Intensit\u00e4t des\nWandt, Philos, Stadien. XV.\t39","page":581},{"file":"p0582.txt","language":"de","ocr_de":"582\nW. Wundt. Zur Technik des Complicationspendels.\nGlockenschlages, ohne die ungest\u00f6rte Bewegung des Pendels zu beeintr\u00e4chtigen. Um planm\u00e4\u00dfig die beste Einstellung zu finden, geht man am zweckm\u00e4\u00dfigsten von einer Einstellung der Schraube k aus, hei der der Hammer q abgleitet, noch ehe er die Glocke ber\u00fchrt. Dann schraubt man allm\u00e4hlich h\u00f6her, bis der Punkt erreicht ist, wo die Ber\u00fchrung und demnach der Glockenschlag erfolgt. Die erforderliche Verst\u00e4rkung des letzteren erzeugt man durch geeignete Einstellung des Laufgewichtes l. Geht man mit der Aufw\u00e4rtsbewegung der Schraube k \u00fcber den richtigen Punkt hinaus, so gleitet nun nat\u00fcrlich der Stift i zu sp\u00e4t von dem Mitnehmer m ab; jetzt wird daher der Hammer q mit einer gewissen Gewalt gegen die Glocke gedr\u00fcckt, und diese Hemmung wirkt dann auf den Gang des Pendels und Zeigers zur\u00fcck, so dass in dem Moment der Ber\u00fchrung ein Sto\u00df entsteht, der einen kurz dauernden Stillstand des Zeigers bewirkt. Einen Apparat mit solch falscher Einstellung hat vielleicht der Herr Mind-Beferent vor Augen gehabt, und er hat sich dabei \u00fcber den Zweck des Balancirhebels und der an ihm angebrachten Einstellungsvorrichtungen keine zureichende Bechenschaft gegeben, um dem Uebel abhelfen zu k\u00f6nnen. Dies ist aber, wie gesagt, nicht blo\u00df sehr einfach, sondern es braucht nicht einmal die Einstellung eine peinlich genaue zu sein, da sie innerhalb eines gewissen Spielraumes variiren kann, ohne andere Wirkungen als Ver\u00e4nderungen in der St\u00e4rke des Glockenschlages hervorzuhringen.\nDruck von Breitkopf & H\u00e4rtel in Leipzig.","page":582}],"identifier":"lit797","issued":"1900","language":"de","pages":"579-582","startpages":"579","title":"Zur Technik des Complicationspendels","type":"Journal Article","volume":"15"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:44:15.464396+00:00"}