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{"created":"2022-01-31T13:24:28.970778+00:00","id":"lit8526","links":{},"metadata":{"contributors":[{"name":"Stumpf, Carl","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Berlin: Springer","fulltext":[{"file":"a0004.txt","language":"de","ocr_de":"DIE SPRACHLA\u00dcTE\nEXPERIMENTELL-PHONETISCHE\nUNTERSUCHUNGEN\nNEBST EINEM ANHANG \u00dcBER\nINSTRUMENTALKL\u00c4NGE\nVON\nCARL STUMPF\nDR. PHIL., DR. MED. H. C.\nO. PROFESSOR AN DER UNIVERSIT\u00c4T ZU BERLIN\nMIT 8 TEXTFIGUREN UND 8 NOTENBILDERN\nBERLIN\nVERLAG VON JULIUS SPRINGER 1926","page":0},{"file":"a0005.txt","language":"de","ocr_de":"ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER \u00dcBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN. COPYRIGHT 1926 BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN.\nCU\nJ \u00b0 T\nk*is a \u2019A\" 9 3 i S RS S O H A \u00bb ' ' ? 3 S f. S C H Biblicth\u00ab*\n\u2014.------------------^\n01 dm","page":0},{"file":"a0006.txt","language":"de","ocr_de":"DER\nMEDIZINISCHEN FAKULT\u00c4T DER UNIVERSIT\u00c4T BERLIN\nIN DANKBARKEIT GEWIDMET","page":0},{"file":"a0008introduction.txt","language":"de","ocr_de":"Vorwort.\nDie experimentellen Arbeiten, deren Ergebnisse das vorliegende Buch zusammenfa\u00dft, begannen 1913. In den Kriegsjahren, als drau\u00dfen die Gesch\u00fctze donnerten, war es um so stiller auf den Stra\u00dfen und in den wissenschafthchen Instituten Berlins. Fast wie in einem schalldichten Raume lie\u00dfen sich akustische Beobachtungen durchf\u00fchren und selbst die Fl\u00fcsterlaute in ihre letzten Bestandteile zerlegen. So versuchte ich denn, wie wenig auch sonst die Stimmung dazu dr\u00e4ngte, in dieser furchtbaren Zeit die wissenschaftliche Arbeit, wie sie gerade auf dem Gebiete der Phonetik seit Helmholtz in Deutschland intensiv gepflegt worden war, weiterzuf\u00fchren. Den Ansto\u00df dazu hatten mir die Vokalstudien Wolfgang Koehlers gegeben, \u00fcber die ich auf dem Kongre\u00df f\u00fcr experimentelle Psychologie zu G\u00f6ttingen April 1914 vorzutragen hatte. Die Arbeit mu\u00dfte aber oft l\u00e4ngere Zeit unterbrochen werden, da die Herstellung und Reparatur der n\u00f6tigen Einrichtungen w\u00e4hrend des Krieges gro\u00dfe Schwierigkeiten machte. \u00dcber die einzelnen Stadien wurde der' Berliner Akademie der Wissenschaften berichtet (28. V. 1914 Resonanz versuche, 22. VII. 1915 Interferenz versuche, 1. XI. 1917 Synthesen). Die erste \u00dcbersicht der experimentellen Ausbeute findet sich im akademischen Sitzungsbericht vom 4. IV. 1918. Es folgten weitere Monographien, die im Literaturverzeichnis dieses Buches zitiert sind.\nHier sind nun die Beobachtungen weit vollst\u00e4ndiger zusammengestellt, die fr\u00fcher offen gelassenen allgemeinen Fragen er\u00f6rtert, und das Ganze ist in einen gemeinschaftlichen Rahmen eingef\u00fcgt. Inzwischen sind manche der bereits ver\u00f6ffentlichten Tabellen in Lehrb\u00fccher \u00fcbergegangen, manche wurden f\u00fcr die ohren\u00e4rztliche Praxis, ja auch f\u00fcr die Telephonie und Radiophonie n\u00fctzlich ge-","page":0},{"file":"a0009.txt","language":"de","ocr_de":"VI\nVorwort.\nfunden und dabei zugleich best\u00e4tigt. W\u00e4hrend des letzten Dezenniums haben sich aber auch amerikanische Physiker und Ingenieure vielfach mit denselben Fragen besch\u00e4ftigt. Ihre auf g\u00e4nzlich anderen Wegen durchgef\u00fchrten Untersuchungen f\u00fchrten in den wichtigsten Punkten zu Ergebnissen, die sich mit den meinigen zu einem widerspruchslosen Gesamtbilde abrunden. Bei der absoluten gegenseitigen Unabh\u00e4ngigkeit ist dies ein erfreuliches Zeichen, da\u00df wir in diesen schwierigen Fragen endlich dem Ziele der Erkenntnis, der objektiven Wahrheit n\u00e4herkommen. In allem Wesentlichen hat sich \u00dcELMHOLTzens vielumstrittene Vokaltheorie, die auch dem Verfasser keineswegs von vornherein unbezweifelbar erschien, doch zuletzt als siegreich erwiesen.\nDas Interesse des Verfassers war nicht auf praktische Ziele gerichtet, sondern auf die rein theoretischen Fragen nach der Entstehung der sog. Komplexqualit\u00e4ten und ihrem Zusammenhang mit den Eigenschaften der Elemente. Klangfarben und speziell Vokale liefern daf\u00fcr die bekanntesten Beispiele und das geeignetste Untersuch\u00fcngsmaterial. Die Ausf\u00fchrungen \u00fcber Klangfarbe im Schlu\u00dfparagraphen meiner \u201eTonpsychologie\u201c bedurften in dieser Hinsicht einer Revision und Erg\u00e4nzung, weshalb die gegenw\u00e4rtige Arbeit als unmittelbare Fortsetzung der fr\u00fcheren betrachtet werden kann. Von diesem Standpunkte bitte ich die Stellung der Probleme und die Richtung der ganzen Diskussion zu beurteilen.\nWie Helmholtz neben den Vokalen auch Instrumentalkl\u00e4nge eingehend untersuchte, so hat sich auch dem Verfasser die Notwendigkeit solcher Parallelversuche aufgedr\u00e4ngt. Die auf die Vokale angewandten Methoden der Analyse und Synthese lie\u00dfen sich in der Hauptsache darauf \u00fcbertragen. Aber hier bin ich zu einer ersch\u00f6pfenden \u00dcbersicht \u00fcber die au\u00dferordentliche Mannigfaltigkeit der Erscheinungen nicht gelangt und kann nur sagen, da\u00df HELMHOLTzens Theorie hier allerdings nicht blo\u00df erg\u00e4nzt, sondern allem Anscheine nach auch modifiziert werden mu\u00df, da\u00df sich zwischen Vokal- und Instrumentalkl\u00e4ngen eine v\u00f6llig scharfe Grenze nicht ziehen l\u00e4\u00dft, da\u00df aber gerade dieser Umstand die Unterordnung der stimmhaften Vokale unter den Allgemeinbegriff der Klangfarben nur noch entschiedener rechtfertigt.","page":0},{"file":"a0010.txt","language":"de","ocr_de":"Vorwort.\nVII\nLinguistische, haupts\u00e4chlich auf die Erzeugungsweise der Sprach-laute gerichtete Fragen standen hier ebenso wie gesangstechnische nicht in erster Linie. Doch darf ich aus dem Interesse, mit dem auch Sprachforscher gelegentliche Demonstrationen aufgenommen haben, die Hoffnung sch\u00f6pfen, da\u00df die neue Durcharbeitung des akustischen Materials auch diesen Kreisen nicht unwillkommen erscheinen und da\u00df der Nachweis fast v\u00f6lliger \u00dcbereinstimmung in den neuesten Untersuchungen das durch den zeitweiligen Stand der Forschungen hervorgerufene Mi\u00dftrauen beseitigen werde. Wieweit Sprachforschung und Gesanglehre positiven Gewinn aus dem Buche ziehen k\u00f6nnen, mu\u00df dem Urteil der Fachm\u00e4nner \u00fcberlassen bleiben.\nSollte dieses Buch philosophischen Kollegen in die H\u00e4nde kommen, so werden wohl viele es bald kopfsch\u00fcttelnd wieder aus der Hand legen. Es erhebt in dieser Richtung keine Anspr\u00fcche. Aber schlie\u00dflich kann der Philosoph aus allen Bl\u00fcten Honig saugen, und mir ist es nun einmal gewi\u00df, da\u00df auch die hohe K\u00f6nigin der Wissenschaften niemals anders wahrhaft fortschreiten wird, als auf dem Wege vom Einzelnen zum Allgemeinen.\nNicht unterlassen m\u00f6chte ich, dem Verlage Julius Springer f\u00fcr die au\u00dferordentlich bereitwillige Erf\u00fcllung aller meiner W\u00fcnsche in Hinsicht des Druckes und der Ausstattung dieses Buches meinen herzlichen Dank zu sagen.\nBerlin, im Mai 1926.\nCARL STUMPF.","page":0},{"file":"a0011contents.txt","language":"de","ocr_de":"Inhaltsverzeichnis.\nEinleitung......................................................\nRichtungen und Forschungsmethoden der Phonetik.\nAntinomien der Vokalforschung.\n1.\tKapitel: Analyse gesungener Vokale durch resonierende\nGabeln......................................................\nI.\tMethode...............................................\nWesen und Vorz\u00fcge der Gabelmethode. Keine multiple Resonanz. Resonanzbreite 9. St\u00e4rkesch\u00e4tzungen. Vergleichung mit physikalischen St\u00e4rken 13. Gabeln und S\u00e4nger 18.\nII.\tErgebnisse............................................\nZahl der Teilt\u00f6ne 21. Harmonische Teilt\u00f6ne 21. Charakteristische Struktur 22. Zahl und Lage der Maxima 25. Verlauf der St\u00e4rkekurven. St\u00e4rke der tiefsten Teilt\u00f6ne. Ver\u00e4nderungen bei und \u00fcber c2 27. Individuelle und Register-Unterschiede 28. Schranken der Gabelmethode 31.\nAnhang: Resonanzversuche am Klavier 32.\n2.\tKapitel: Analyse gesungener Vokale durch Interferenz-\nr\u00f6hren ....................................................\nI. Prinzipielle Schwierigkeiten und deren L\u00f6sung.........\nGleichzeitige Ausl\u00f6schung der ungeraden Multipla. Ab- und Aufbaureihen, L\u00fccken-, Stich- und Isolierversuche 37. Verst\u00e4rkung der geraden Multipla 39. Schw\u00e4chung des Grundtones 40. Bauch- und Knotenwirkung 4L Ver\u00e4nderung des Klanges durch die Hauptleitung 42. Interferenzbreite 43.\nII.\tWeiteres zur Technik und Methodik....................\nLeitung und R\u00f6hrensysteme 44. Einflu\u00df der R\u00f6hrenweite auf die erforderliche Einstellung 45. Probe durch schwebende Hilfsgabeln 48. Wissentliches und unwissentliches Verfahren 49. Verschiedenheiten beim Auf- und Abbau 51. Analysierendes Verhalten 52. Beschreibring des Geh\u00f6rten 52.\nIII.\tErgebnisse ...........................................\nDas untersuchte Lautmaterial und die Versuchsreihen 53. Nur harmonische Teilt\u00f6ne 54. Entwicklungsstadien 55. Die Formanten 62. Ihr langsames Hinauf r\u00fccken mit der H\u00f6he","page":0},{"file":"a0012.txt","language":"de","ocr_de":"Inhaltsverzeichnis.\nIX\nSeite\ndes Grundtones 65. Unwissentliche Aufbaureihe 68. Die Erscheinungen beim Grundton c2 70. L\u00fccken- und Stichversuche 71. Isolierversuche 75.\n3.\tKapitel: Das Unkenntlichwerden der Vokale in der\nh\u00f6heren Sopranlage .................................... 77\n4.\tKapitel: Das stimmhafte Sprechen und dessen Abbau\ndurch das Interferenzverfahren.........................86\nSprache und Sprachmaterial 86. Singen und Sprechen 88.\nDas Interf erenzverf ahren bei der gesprochenen Rede 91. Die BEZOLDsche \u201eSprachsext\u201c 95.\n5.\tKapitel: Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten 98\nI. Kl\u00e4nge und Ger\u00e4usche, Vokale und Konsonanten, stimmhafte\nund stimmlose Sprachlaute..................................98\nII.\tAnalyse der Fl\u00fcstervokale durch Interferenzr\u00f6hren .... 104 Ab- und Aufbauversuche 105. L\u00fccken- und Stich versuche 108.\nIII.\tAnalyse von Konsonanten durch Interferenzr\u00f6hren . . . . 110\nR; K, T, P; Ch gutt.; H; Sch; M, N, Ng; L; S; Ch pal.\nIV.\tErgebnisse graphischer Methoden bei Konsonanten .... 129\nV.\t\u00dcbersicht der Ver\u00e4nderungen stimmloser Sprachlaute beim\nAbbau durch Interferenzr\u00f6hren.............................132\nAnhang:\nI.\tZur Analyse sonstiger Ger\u00e4usche........................134\nII.\tDie obere H\u00f6rgrenze 136. Ihr Sinken mit dem Alter 139.\n6.\tKapitel: Die subjektiven Tonh\u00f6hen der stimmlosen Sprachlaute.......................................................142\nTonh\u00f6hen von Kl\u00e4ngen und Ger\u00e4uschen 142. Tonh\u00f6hen der Fl\u00fcstervokale 143. Fr\u00fchere Beobachtungen 148. Hauch-und Pfeift\u00f6ne 154. Tonh\u00f6hen der stimmlosen Konsonanten 157. Verschiebung der Tonh\u00f6hen stimmloser Laute bei Interferenz versuchen 162. Deutung der gefundenen Tonh\u00f6hen 164.\n7.\tKapitel: Synthetische Darstellung der stimmhaften\nVokale...................................................167\nI. Historisches 167. II. Die synthetische Einrichtung 171.\nIII.\tErgebnisse 175. IV. Unwissentliche Versuche zur Pr\u00fcfung der Naturtreue 180. V. Der Grundton als Differenzton 185.\nVI.\tUnharmonische Teilt\u00f6ne 188. VII. Vokale aus nur 2 T\u00f6nen 195. VIII. Besondere Vokaltypen 195 (russisches Y, Nasallaute).\nIX. Stimmf\u00e4rbungen (Falsett, Knabenstimmen) 197.\n8.\tKapitel: Die Entwicklung der Vokalforschungen und\ndie Konvergenz ihrer Ergebnisse.......................202\nI. Hauptergebnisse der Vokalforschung seit Willis....202\nResonanz- und Interferenzmethode. Subjektive Analyse 202. Graphische Methoden 207. Bestimmung des energetisch","page":0},{"file":"a0013.txt","language":"de","ocr_de":"X\nInhaltsverzeichnis.\nst\u00e4rksten Teiltones 213. Synthesen 214. Verkn\u00fcpfung mehrerer Methoden 215. Die Analysen und Synthesen D. Ch. Millers 217.\nII* Kritik einiger pseudo - synthetischer Versuche der neueren Zeit 220 Hermanns Versuch mit der Doppelsirene 220. Jaenschs Versuche mit der Selensirene 221. ter Kuiles Versuche 226.\n9.\tKapitel: Phonographische, telephonische und ohren\u00e4rztliche Beobachtungen ................................... 228\nI.\tDie Ver\u00e4nderungen der Vokale bei ver\u00e4nderter Umdrehungsgeschwindigkeit der Phonographenwalze...................228\nII.\tErfahrungen und Versuche in der\tTelephonie...........234\nIII.\tOhren\u00e4rztliche Beobachtungen.........................239\n10.\tKapitel: Systematik der Sprachlaute vom akustischen Standpunkte..............................................\nI. Vokale................................................\nSukzessiv ein- und mehrteilige 246. Simultan ein- und mehrteilige 246. Die 5 sog. Hauptvokale 247. Das Helligkeits-prinzip 249. Das Vokaldreieck 252. Freie und n\u00e4selnde Vokale 257. Offenes und gedecktes Singen und offene und geschlossene Aussprache 258. Multiple Vokale 263. Voka-\nlitaten au\u00dferhalb der menschlichen Stimme 267.\nII. Konsonanten........................................268\n11. Kapitel: Einheitliches und mehrheitliches H\u00f6ren . . . 276\nAllgemeinere Fragestellungen 276. Komplex- und Gestalteigenschaften 277. G\u00fcnstige Bedingungen f\u00fcr das einheitliche H\u00f6ren 280.\n12.\tKapitel: Die gegenseitige Beeinflussung der Teiltonst\u00e4rken und ihr Verh\u00e4ltnis zur Gesamtst\u00e4rke des Klanges 290\nI. Gegenseitige Beeinflussung............................290\n\u00c4ltere Beobachtungen 291. Neuere amerikanische Untersuchungen 292. Eigene Beobachtungen 297. Ergebnis f\u00fcr die Vokalstruktur 301. Die der ph\u00e4nomenalen St\u00e4rke entsprechende physikalische Intensit\u00e4t herausgeh\u00f6rter Teilt\u00f6ne 302.\nII.\tVerh\u00e4ltnis der Teiltonst\u00e4rken zur Gesamtst\u00e4rke des Klanges 305\n13.\tKapitel: Psychophysik der Sprachlaute.....................310\nAllgemeine Ergebnisse betreffs gesungener und stimmhaft gesprochener Vokale 310. Die Formanten des stimmhaften U 315. Die U-I-Linie des Vokaldreiecks 317. Die Vokale au\u00dferhalb der U-I-Linie. Koehlers Vokalit\u00e4ten 320. Zwei zentralphysiologische Prozesse 331. Besondere Gesetzlichkeiten hinsichtlich des Zusammenwirkens der Teilt\u00f6ne 335. Ursprung des akzessorischen Prozesses 338. Formantverschiebung mit der H\u00f6he des Grundtones und Unkenntlich werden der Vokale jenseits c2 340. Vokalcharakter der Abbauprodukte 342. Vokalit\u00e4t der Fl\u00fcster-","page":0},{"file":"a0014.txt","language":"de","ocr_de":"Inhaltsverzeichnis.\nXI\nSeite\nvokale 343. Vokale und Ger\u00e4usche 345. Zentralphysiologisches \u00fcber die Konsonanten 347.\n14.\tKapitel: Zur Physik\tund\tPhysiologie\tder\tSprachlaute 349\nI.\tPhysikalisches.........................................349\nII. Physiologisches.........................................352\nZur Erzeugung der Sprachlaute 352. Zur physiologischen H\u00f6rtheorie 357.\n15.\tKapitel (Anhang):\t\u00dcber\tInstrumentalkl\u00e4nge...................374\nErkennen instrumentaler Klangfarben 374. Hauptergebnisse bez\u00fcglich der Klangstrukturen 376. Resonanz versuche 378. Interferenzversuche 382. Synthesen 386. Allgemeines \u00fcber das Wesen und die Unterschiede der Klangfarbe 389. Tiefere Erkl\u00e4rungsgr\u00fcnde 395. Klangmerkmale der Instrumente 402. Gruppierungen und Mischungen 407. Blick auf fr\u00fchere und k\u00fcnftige Untersuchungen 409.\nNachtr\u00e4ge 411. Druckberichtigungen 412. Literaturverzeichnis 413. Verzeichnis der Textfiguren.\n1. Schema der Einrichtungen f\u00fcr Interferenzversuche und Synthesen 44\n2.\tStruktur stimmloser Vokale und Konsonanten.................107\n3.\tSchema der 5 \u201eHauptvokale\u201c.................................251\n4.\tDas Vokaldreieck...........................................252\n5.\tSchema der Vokalit\u00e4ten nach Koehler........................321\n6.\tGrundproze\u00df und akzessorischer Proze\u00df......................331\n7.\tund 8. Zusammengesetzte Wellenformen.......................360\nTabellen.\n\u00c4ltere Formantbestimmungen (Notentabellen)........................ 6\nAmplituden und subjektive St\u00e4rken.................................18\nTeiltonst\u00e4rken der Vokale nach der Resonanzmethode . . 23, 29, 30, 31 Interferenzeinstellungen (in cm) f\u00fcr die T\u00f6ne der chromatischen Leiter\nvon c1 bis c7.................................................. 47\nUmwandlungen stimmhafter Vokale beim Aufbau durch Interferenz 56, 69\nDie Interferenzformanten auf Grundt\u00f6nen von C bis c2...........66\nGesamtumf\u00e4nge und Zentralstrecken der If.-Formanten............68\nStatistik der Ver\u00e4nderungen der Vokale oberhalb c2.............78\nAbbau der stimmhaften Sprache durch If.-R\u00f6hren.................94\nAufbau der Fl\u00fcstervokale durch If.-R\u00f6hren......................106\nFormanten und Gesamtumf\u00e4nge stimmloser Sprachlaute...............113\nAbbau stimmloser Sprachlaute durch If.-R\u00f6hren....................133\nTonh\u00f6hen der Fl\u00fcstervokale (Notentabellen)...........145, 147, 148\nTonh\u00f6hen stimmloser Konsonanten..................................158\nTeiltontabellen nach Synthesen der Vokale auf CjC1,^1, c2 176,184,197,199, 200\nSchema der Formantzentren nach den Synthesen.....................179\nFormanten nach Miller........................................... 218\nOrts- und Grenzbestimmungen des Tonreiches.......................314\nFormanten und Maxima bei Instrumentalkl\u00e4ngen.....................382\nTeiltontabellen nach Synthesen von Instrumentalkl\u00e4ngen auf c, c1, c2, c3 388","page":0},{"file":"a0015.txt","language":"de","ocr_de":"Erl\u00e4uterungen.\nBei Zitaten verweist die einem Namen beigef\u00fcgte arabische Ziffer auf die entsprechende Nummer im Literaturverzeichnis am Schl\u00fcsse des Buches. Bei Hermanns Arbeiten wird der Band des Pfl\u00fcge Eschen Archivs zitiert.\nDie Notenbuchstaben beziehen sich bei den Resonanzversuchen und Synthesen (1., 7., 15. Kap.) auf die physikalische Stimmung (C \u2014 64, 0,1 \u2014 4262/3 Schw.), in welcher die benutzten Gabeln und Pfeifen standen, im \u00fcbrigen aber auf die heutige Orchesterstimmung und das temperierte System, f\u00fcr das die Schwingungszahlen unten angegeben sind. Doch ist der Unterschied gegen\u00fcber der physikalischen Stimmung nur gering und f\u00fcr die vorliegenden Zwecke so gut wie irrelevant.\nAls \u201eharmonische Teilt\u00f6ne\u201c bezeichnen wir hier gem\u00e4\u00df dem physikalischen Sprachgebrauch alle in der objektiven Schwingung durch Analyse nachweisbaren Teilschwingungen, deren Schwingungszahlen sich zu der des Grundtones wie ganze Zahlen zu 1 verhalten. Der Grundton selbst ist 1. Teilton. Der 1. \u201eOberton\u201c ist 2. Teilton. Wir verwenden hier ausschlie\u00dflich die weit zweckm\u00e4\u00dfigere Z\u00e4hlung nach Teil-t\u00f6nen und sprechen von Ober t\u00f6nen nur gelegentlich, wenn Ordnungszahlen nicht in Betracht kommen. Der Begriff \u201eharmonisch\u201c f\u00e4llt in diesem Zusammenh\u00e4nge nicht mit dem in der Musik gebr\u00e4uchlichen zusammen. Die ungeraden Teilt\u00f6ne vom 7. an gelten dort nicht als harmonisch zum Grundton, w\u00e4hrend sie hier den geradzahligen gleichstehen.\nErl\u00e4uterung der St\u00e4rkezahlen (in den Tabellen meist mit 4 multipliziert) 15.\nErl\u00e4uterung der Lautbezeichnungen (AO, Ao, U + i usf.) 55.\nErl\u00e4uterungen oft vorkommender Begriffe:\nFarbigkeit der Geh\u00f6rsempfindungen 100, 329.\nFormant (Haupt- und Neben-, Ober- und Unterform.) 62, 377.\nKomplexeigenschaft 277.\nMusikalische Qualit\u00e4t 91 Anm., 142.\n| D.T. \u2014 Differenzton.\nAbk\u00fcrzungen: > If. = Interferenz.\nj Vp. = Versuchsperson.\nSchwingungszahlen der T\u00f6ne der temperierten zw\u00f6lfstufigen Leiter f\u00fcr a1 = 435 Schwingungen (v. d.)\n\t\u00a9\t(\u00a3i\u00a7\t\t\u00a98\t\u00a9\ts\tgt\u00eb\t&\tm Sf\u00ea\t8t\t\u00bb\t\u00a7\nC\u2014H\t65\t69\t73\t77\t81\t86\t91\t97\t103\t109\t115\t122\nc\u2014h\t129\t137\t145\t154\t163\t172\t183\t194\t205\t218\t230\t244\nc1\u2014h1\t259\t274\t290\t308\t;\t326\t345\t366\t388\t411\t435\t461\t488\nc2\u2014lt-\t517\t548\t581\t615\t652\t691\t732\t775\t821\t870\t922\t977\nc3\u2014h3\t1035\t1096\t1161\t1230\t1304\t1381\t1463\t1550\t1642\t1740\t1843\t1953\nc4\u2014ft4\t2069\t2192\t2323\t2461\t2607\t2762\t2926\t3100\t3285\t3480\t3687\t3906\nc5\u2014h5\t4138\t4385\t4645\t4921\t5214\t5524\t5853\tj 6201\ti 6569\t6960\t; 7374\t7812\nc6\u2014h6\t8277\t8769\t9290\t9843\t10428\t11048\t11705\tS12401\t13139\t13920\t|14748\t15625","page":0},{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"Einleitung.\n1. Richtungen und Forschungsmethoden der Phonetik.\nZwei Grundrichtungen gehen in der Phonetik nebeneinander her, zum gro\u00dfen Teil gegenseitig unabh\u00e4ngig, vielfach aber auch sich erg\u00e4nzend und unterst\u00fctzend. Die eine untersucht die Erzeugungsweise der Sprachlaute, die Rolle der Atmung, des Kehlkopfs, der Mund- und Nasenh\u00f6hle, die Stellung der Sprach-werkzeuge bei den einzelnen Lauten; die andere die hervor -gebrachten Laute selbst, wie sie dem H\u00f6renden erscheinen, und ihre physikalischen, physiologischen und psychologischen V orbedingungen.\nPhysiologen bet\u00e4tigten sich von jeher nach beiden Richtungen. Die akustische Zusammensetzung der Laute ist ihnen f\u00fcr die allgemeine Theorie des H\u00f6rens von Bedeutung, die Umst\u00e4nde ihrer Erzeugung f\u00fcr die der Sprachwerkzeuge.\nDie Ziele der Sprachforscher sind zun\u00e4chst vorwiegend organogenetischer (artikulatorischer) Art. Ihnen kommt es. vor allem darauf an, die richtige Wiedererzeugung der Laute in die Gewalt zu bekommen, zu wissen, wie man die Kiefern, die Zunge einzustellen habe. Die Kunst des Linguisten in der Nachbildung der verschiedensten Laute beruht auf einer gut einge\u00fcbten willk\u00fcrlichen Beherrschung dieses Instrumentariums. Freilich ist die Klangvorstellung das Prim\u00e4re an dem ganzen Vorgang und ein scharfes Ohr und ein treues Ged\u00e4chtnis f\u00fcr Klangeigent\u00fcmlichkeiten mu\u00df die Ausf\u00fchrung kontrollieren. Und wenn auch eine Zerlegung in die letzten Bestandteile dazu nicht erforderlich ist, so werden doch Linguisten bei fortschreitender Vertiefung und Differenzierung ihrer Untersuchungen auch aus einer solchen nicht selten Nutzen ziehen; wie es denn heute schon m\u00f6glich ist, feine Unterschiede in der Aussprache eines Vokals durch Angabe seines Formantzentrums genauer als durch irgendwelche phonetische Transkription oder durch Schilderung der Mundstellung festzulegen.\nUnter den deutschen Sprachforschern betonten dies besonders Trautmann und Bremer. Dieser sagt S. 173 (vgl. 151 ff.): \u201eDie vollkommenste Unterscheidung w\u00fcrde erreicht werden, wenn man statt von einem Vokal Stumpf, Sprachlaute.\t1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nEinleitung.\nA, E, U usw. von einem Vokal b2 oder einem Vokal d2 gz sprechen d\u00fcrfte.\u201c Trautmann, der die Tonh\u00f6hen des Fl\u00fcsterns vortrefflich beschrieben hat, sagt auch von den Konsonanten nach Untersuchung ihrer Artikulationsstellen (S. 103ff.) : \u201eDie Hauptsache bleibt immer der Klang: Angabe der Tonh\u00f6he, also Bestimmung des Grundger\u00e4usches, ist das mindeste, was verlangt werden mu\u00df, und zugleich das, was geleistet werden kann, und das letzte Ziel der Bestimmung der Konsonanten mu\u00df, wie das Ziel der Bestimmung der Vokale, die vollst\u00e4ndige Zerlegung ihrer Kl\u00e4nge sein, so da\u00df man von einem gewissen Laut sagen kann, er besteht aus dem Grundger\u00e4usch x und den Nebenger\u00e4uschen x, z, w.\u201c Bez\u00fcglich eines von Storm genetisch beschriebenen skandinavischen L meint er (S. 106): \u201eWir w\u00e4ren sofort im reinen, wenn Storm auch die Tonh\u00f6he angegeben h\u00e4tte.\u201c\nAber auch Storm selbst, der norwegische Verfasser einer englischen Phonetik, urteilt (S. 156, vgl. S. 343): \u201eDer Laut selbst ist das Bleibende, das Wesentliche, der eigentliche Gegenstand der Ergr\u00fcndung; das akustische Prinzip ist das oberste. Die Kenntnis der Organstellungen, des Mechanismus der Laute, ist f\u00fcr die Wissenschaft unerl\u00e4\u00dflich, jedoch nur als Mittel, nicht als letztes Ziel zu betrachten.\u201c Ebenso unter den russischen Linguisten Alex\u00e4nder Thomson. Rousselot und Pipping machten von akustischen Hilfsmitteln bereits f\u00fcr ihre Dialektstudien Gebrauch. Der letztere nimmt (3, S. 11; vgl. 2, S. 164ff.) sehr energisch gegen rein genetische Systeme Stellung: \u201eAlle Theoretiker, deren Systeme sich auf Beobachtung der Zungen- und Lippenstellungen gr\u00fcnden, haben stillschweigend angenommen, da\u00df dieselbe Artikulationsform auch denselben Laut erzeugen m\u00fcsse. Sowie diese nie bewiesene und in der Tat falsche Voraussetzung beseitigt wird, st\u00fcrzen die Systeme krachend zusammen . . . Ein strenges System . . . kann nur von den konstanten Elementen bei der Vokalbildung ausgehen . . . Das konstante Element . . . zeigt sich unzweideutig in den Luftvibrationen, welche die Botschaft des Mundes zum Ohre bef\u00f6rdern.\u201c\nDas Interesse des Psychologen (zn dessen Aufgaben wir hier auch die Beschreibung und Theorie der sinnlichen Erscheinungen als solcher, die Ph\u00e4nomenologie, rechnen) ist in erster Linie ein akustisches. Die allgemeinen Probleme der Klangwahrnehmung und noch tiefer liegende prinzipielle Fragen \u00fcber sog. \u201eKomplexe\u201c k\u00f6nnen an diesem Material mit Vorteil untersucht werden. Gewi\u00df hat auch die Lautproduktion beim Sprechen und Singen ihre psychologische Seite. Doch sind in dieser Hinsicht weniger die Unterschiede in der Erzeugung der einzelnen Laute als die allgemeinen psychologischen Bedingungen des Singens und Sprechens \u00fcberhaupt wichtig, insofern diese Funktionen hervorragende Beispiele willk\u00fcrlicher und unwillk\u00fcrlicher Bewegungen darstellen. In diese Fragen gedenken wir uns hier nicht eingehender zu vertiefen. Vielmehr ist unser Ziel vor allem die Zergliederung der Sprachlaute selbst und der zu ihrer Perzeption f\u00fchrenden Vorg\u00e4nge; wobei wir die Analyse erst dann als vollst\u00e4ndig ansehen d\u00fcrfen, wenn es gelingt, die Laute auch wieder aus ihren letzten Elementen oder Faktoren naturgetreu zusammenzusetzen.","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"Antinomien der Vokal forschung.\n3\nDa\u00df der Verfasser hierbei zun\u00e4chst, ja fast ausschlie\u00dflich, die Laute seiner deutschen Muttersprache ber\u00fccksichtigt, wird man begreiflich finden. Mit dem N\u00e4chstliegenden und Bestbekannten mu\u00df jeder beginnen. Aber die Methoden, die hier angewandt, und die Strukturgesetzlichkeiten, die hier gefunden werden, lassen sich selbstverst\u00e4ndlich auch auf andere Sprachen \u00fcbertragen, und wir werden im einzelnen der Vergleichung halber dahinzielende Versuche und Hinweisungen einschalten.\n2. Antinomien der Vokalforschung.\nDie Vokale als lautlicher Grundstock der Bede ziehen auch die Aufmerksamkeit des Theoretikers zun\u00e4chst auf sich. Um sie drehen sich vorzugsweise die Anstrengungen und Streitigkeiten der akustisch gerichteten Phonetiker seit Helmholtz. Ein fl\u00fcchtiger \u00dcberblick der Hauptstreitpunkte und Gegens\u00e4tze, um die es sich dabei handelt, sei hier vorausgeschickt.\nHelmholtz betrachtete die Vokale als besondere F\u00e4lle von Klangfarben neben denen der Instrumente. Das Gemeinsame fand er in dem Aufbau aus Teilt\u00f6nen, das Unterscheidende darin, da\u00df eine instrumentale Klangfarbe gegeben sei durch ein bestimmtes St\u00e4rkeverh\u00e4ltnis von Teilt\u00f6nen bestimmter Ordnungszahl, einerlei, welche absolute H\u00f6he diese Teilt\u00f6ne besitzen, eine Vokalfarbe dagegen durch die Anwesenheit und \u00fcberwiegende St\u00e4rke eines oder zweier charakteristischer Teilt\u00f6ne von bestimmter absoluter H\u00f6he f\u00fcr jeden Vokal. Diese charakteristischen T\u00f6ne m\u00fcssen aber nach Helmholtz als harmonische Teilt\u00f6ne in dem Vokalklang enthalten sein, d. h. ihre Schwingungszahlen m\u00fcssen ganzzahlige Vielfache von der Schwingungszahl des Grundtones sein, auf dem gesungen oder gesprochen wird. Sie sind in folgendem Schema, nach ihrer Tonh\u00f6he geordnet, zusammengestellt :\nU OAOUAEI\nHelmholtz kam zu diesen Aufstellungen haupts\u00e4chlich durch die Untersuchung der Resonanzeinstellung der Mundh\u00f6hle. Gegen\u00fcber dem naheliegenden Einwand, da\u00df doch nicht jeder Grundton alle diese Teilt\u00f6ne als Multipla mit sich f\u00fchre, w\u00e4hrend man alle\n1*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nEinleitung.\nVokale auf allen T\u00f6nen innerhalb des Stimmumfanges singen k\u00f6nne, antwortete er, da\u00df man einen bestimmten Vokal tats\u00e4chlich nicht gleich gut auf jeder Tonh\u00f6he singen k\u00f6nne, sondern am besten in der N\u00e4he des charakteristischen Tones oder auf seiner tieferen Oktave, die diesen Ton stark enthalte.\nAber die Einwendungen wiederholten und mehrten sich. Ludi-mar Hermann stellte neue ausgedehnte Untersuchungen an, f\u00fcr die er die photophonographische Methode mit gl\u00e4nzendem Erfolg einf\u00fchrte. Er photographierte zun\u00e4chst die Schwingungen einer Membran, gegen die ein Vokal gesungen wurde, sp\u00e4ter die winzigen, in die Phonographenwalze eingegrabenen Vertiefungen, beide auf ein Spiegelchen \u00fcbertragen, das die Bewegungen vergr\u00f6\u00dfert auf die photographische Platte warf. So erhielt er Kurven, aus denen mit Hilfe der Fourier-Analyse oder durch blo\u00dfe Ausz\u00e4hlung der Zacken ihre Bestandteile berechnet wurden. Er konnte dadurch nicht blo\u00df den st\u00e4rksten Teilton, sondern eine gro\u00dfe Anzahl von Teilt\u00f6nen ihrer relativen St\u00e4rke nach bestimmen und so die ganze Struktur der untersuchten Vokale in einer Tabelle ihrer Teiltonst\u00e4rken klarlegen. Aber die Ergebnisse f\u00fchrten ihn zu ganz anderen Vorstellungen als Helmholtz. Der charakteristische Ton \u2014 f\u00fcr den er den bequemen Ausdruck ,,Formant\u201c einf\u00fchrte \u2014 braucht nach ihm keineswegs ein harmonischer Teilton zu sein und entsteht nicht durch die Resonanzverst\u00e4rkung eines solchen in der Mundh\u00f6hle. Diese wird vielmehr durch den im Rhythmus der Grundschwingungen intermittierenden Luftstrom aus dem Kehlkopf wie eine Art Pfeife angeblasen. Doch stimmte Hermann seinem Vorg\u00e4nger darin bei, da\u00df der Formant f\u00fcr jeden Vokal eine feste absolute Lage in der Tonreihe habe, einerlei, auf welchem Grundton zuf\u00e4llig gesungen werde. Auch sind die Abweichungen der charakteristischen T\u00f6ne in beiden Theorien nicht allzu gro\u00df1).\nHermanns Vokallehre stie\u00df aber gleichfalls auf Widerspruch. Die Vorstellung, da\u00df die Mundh\u00f6hle beim Gesang angeblasen w\u00fcrde, konnte sich gegen die \u00e4ltere, da\u00df sie nur als Resonator wirke, nicht durchsetzen, und sein Begriff des Formanten, wonach dieser nicht blo\u00df kein harmonischer, sondern \u00fcberhaupt kein Teilton im gew\u00f6hnlichen Sinne sein sollte und auf keine Weise\n!) Da die Ergebnisse meiner Untersuchungen in prinzipiellen Punkten der HERMANNschen Theorie scharf widersprechen, m\u00f6chte ich vorab meiner Bewunderung f\u00fcr seine unerm\u00fcdliche und musterhaft sorgf\u00e4ltige Experimentalarbeit Ausdruck gehen. Er hat die graphische Methodik, die mit dem ScOTT-KoENiGschen Phonautographen (1859) ihren Anfang nahm, um ein gewaltiges St\u00fcck weitergebracht. Die Originalkurven, die ich 1904 im K\u00f6nigsberger Physiologischen Institut sehen durfte, sind noch weit sch\u00f6ner als die ver\u00f6ffentlichten Abbildungen.","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Antinomien der Vokalforschung.\n5\nisoliert oder verst\u00e4rkt zu Geh\u00f6r gebracht werden k\u00f6nnte, wurde im Laufe seiner Darstellungen und Erwiderungen immer unfa\u00dflicher.\nVerwandte Methoden sind seitdem zumeist benutzt worden, sei es, da\u00df man sich der HERMANNschen Technik oder des Hensen-schen \u201eSprachzeichners\u201c oder des Oszillographen und \u00e4hnlicher Einrichtungen bediente. Es wurde auch versucht, die Luftschwingungen ohne dazwischentretende Membran, bei der immer die Eigent\u00f6ne gef\u00e4hrlich sind, zu photographieren (Raps, Gehl-hoef). Sehr feine Bilder erhielt Struycken durch ein leichtbeweglich aufgeh\u00e4ngtes, von den Schallschwingungen gedrehtes Spiegelchen. W. Koehler hat sogar durch ein an seinem eigenen Trommelfell befestigtes Spiegelchen gute Kurven erhalten, die den gro\u00dfen Vorzug haben, da\u00df sie der am H\u00f6ren unmittelbar beteiligten Membran entstammen. Andere vergr\u00f6\u00dferten auf mechanischem Wege die durch den Stift des Grammophons in die Wachsmasse eingezeichneten Kurven (Scripture, Lioret) oder unterzogen diese einer mikroskopischen Ausmessung (Boeke, Stevani). Aber die Ergebnisse zeigten zun\u00e4chst keineswegs die erw\u00fcnschte \u00dcbereinstimmung, weder im einzelnen, noch in den prinzipiellen Auffassungen, zu denen sie f\u00fchrten.\nIn letzterer Hinsicht fand Helmholtz einen ausgezeichneten Verteidiger in Pipping. Auf Hermanns Seite traten (wenigstens im Prinzip) Samojloff, Nagel, Scripture, Garten u.. a.\nWas aber die Bestimmung der Formanth\u00f6hen im einzelnen betrifft, so m\u00f6ge eine \u00dcbersicht der f\u00fcr U und A von verschiedenen Forschern angegebenen charakteristischen T\u00f6ne das weite Auseinanderklaffen der Angaben veranschaulichen1).\nDie mit X bezeichneten Angaben stammen aus graphischen Methoden. Die durch Striche verbundenen Noten bedeuten, da\u00df die Versuchsergebnisse innerhalb dieser Strecken variieren.\nDer Anblick dieser untereinander so abweichenden Bestimmungen (die Werte f\u00fcr U umfassen fast 3, die f\u00fcr A l1/2 Oktaven, und jeder Leiterton in diesen weiten R\u00e4umen ist vertreten) kann einen entmutigenden Eindruck machen. Aber es soll damit nicht allen diesen Untersuchungen gleicher Wert oder Unwert bei-gemessen werden. In wissenschaftlichen Dingen gibt es keine Volksabstimmung. Nur das Bed\u00fcrfnis einer neuen Untersuchung auf neuen Grundlagen sollte durch diese \u00dcbersichten gerechtfertigt werden.\n1) Die Tabellen gr\u00fcnden sich haupts\u00e4chlich auf die Zusammenstellungen bei Nagel, Gutzmann, Zwaabdemakeb, Jespersen, Victor. Die neuesten Angaben sind darin noch nicht enthalten.","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nEinleitung.\n\u00efi\nx\tx x *\t*\t\u00ab\t14 15\t16 .\n1 2 3\t4 5,6 7\t[ 8\t9\t,10 ^ J ^,3 * * * * * 9 * * * 13 J f-f\n\n\n\nU:\n=W'i\"'\n*r\nf\nmT\nf rrrt ftg/ifffj\nr\n\n3 4\t5,6 7\t8\t9,10 11\t12\t13\t14,15 16\nU: 1 Helmholtz, 2 Koenig, 3 Pipping, 4 Gutzmann, 5 Auerbach\n(Perkussion), 6 Donders, 7 Abraham, 8 Auerbach (Resonanz), 9 Hermann 1890, 10 Boeke, 11 Samojloff, 12 Hermann 1905, 13 Raps, 14 Del-\nsaux, 15 Stevani, 16 Verschuur.\nA: 1 Donders, 2 Hermann 1890, 3 Auerbach (Perkussion), 4 Her-\nmann 1905, 5 Auerbach (Resonanz), 6 Raps, 7 Samojlofe, 8 Gutzmann,\n9 Helmholtz, 10 Koenig, 11 Verschuur, 12 Stevani, 13 Abraham, 14 Boeke, 15 Pipping, 16 Bevier.\nManche wurden durch die Divergenz der Ergebnisse sogar wieder an dem Grundgedanken irre, den Hermann mit Helmholtz teilte, da\u00df n\u00e4mlich der \u201echarakteristische Ton\u201c \u00fcberhaupt eine feste Lage besitze, und kehrten zu der Relativtheorie zur\u00fcck, wonach Teilt\u00f6ne von bestimmter Ordnungszahl nia\u00df-gebend w\u00e4ren, so da\u00df z. B. beim U jedesmal der 1., beim 0 der 2., beim A der 3. Teilton am st\u00e4rksten w\u00e4re, einerlei, auf welche Tonh\u00f6he sie fallen. Es w\u00e4re also nicht wesentlich anders als nach Helmholtz bei den Klangfarben der Instrumente. (So H. Grassmann, Lloyd, zum Teil auch Auerbach.)\nWir werden aber nach der positiven Darstellung unserer Ergebnisse in einem kritischen R\u00fcckblick auf die fr\u00fcheren (8. Kap.)\nzeigen, da\u00df die Abweichungen zum gro\u00dfen Teil nur scheinbar sind, da\u00df die methodisch einwandfreien Versuche tats\u00e4chlich in allem Wesentlichen \u00fcbereinstimmen, und da\u00df die neueren, unter denen auch die radiophonischen eine zunehmende Rolle spielen, immer weitere Best\u00e4tigungen liefern.\nDie Einw\u00e4nde gegen die graphische Methode richteten sich, abgesehen von den Schwierigkeiten ihrer exakten Durchf\u00fchrung (Eigent\u00f6nen der Membranen usf.), haupts\u00e4chlich gegen die Schlu\u00dfkraft der Fourier-Analyse. Vor allem erschien es unbegreiflich, da\u00df dabei der Grundton fast regelm\u00e4\u00dfig sehr schwach oder gar nicht herauskam, w\u00e4hrend wir ihn doch so stark zu h\u00f6ren glauben, da\u00df er die H\u00f6he des ganzen Klanges bestimmt. Es wird sich zeigen, da\u00df gerade dieser Einwand (den besonders Scripture in den Vordergrund stellt) in eine Rechtfertigung umschl\u00e4gt. Aber","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Antinomien der Vokalforschung.\n7\nzwei allgemeinere Gr\u00fcnde lassen es erw\u00fcnscht erscheinen, zun\u00e4chst noch andere und direktere Methoden zu versuchen:\n1. liefert die Fourier-Analyse ihrer Natur nach nur harmonische Teilt\u00f6ne, w\u00e4hrend man auf unharmonische nur etwa (mit ziemlicher Unsicherheit) aus der gleichm\u00e4\u00dfigen Verst\u00e4rkung benachbarter harmonischer Teilt\u00f6ne schlie\u00dfen kann. Man wird daher \u00fcber diesen wichtigen Punkt, der auch mit den organo-genetischen Streitfragen zusammenh\u00e4ngt, auf diesem Wege nicht zur Entscheidung kommen.\n2. kann man dadurch nur die physikalische St\u00e4rke, d. h. die Amplitude der Luftschwingungen und ihre kinetische Energie (Quadrat der Amplitude X Quadrat der Schwingungszahl) messen, nicht die physiologische, wie sie im Geh\u00f6rorgan und zuletzt in der Hirnrinde vorhanden ist, geschweige denn die psychologische (ph\u00e4nomenale), wie sie sich in der Empfindung selbst darstellt. Die letzteren Intensit\u00e4ten d\u00fcrfen aber keineswegs ohne weiteres den physikalischen proportional gesetzt werden. Dies ist ein Punkt, auf den bis zur neuesten Zeit in der Phonetik fast niemals geachtet wurde.\nAls den leitenden Grundgedanken der vorliegenden Arbeit nach der analytischen Seite hin m\u00f6chte ich den bezeichnen: den Klang so direkt als m\u00f6glich, unter Einschaltung m\u00f6glichst weniger Zwischenglieder, zu untersuchen. Da\u00df allzu kostspielige und komplizierte Apparate nicht zu Gebote standen, hat zu diesem Bestreben mit beigetragen. Um so mehr aber waren d\u00e8r Verfasser und seine Mitarbeiter auf die anhaltendste \u00dcbung im direkten Beobachten des Klangmaterials, seiner Unterschiede und Ver\u00e4nderungen angewiesen. Zahlreiche j\u00fcngere Kr\u00e4fte haben mir geholfen, denen ich auch hier den herzlichsten Dank ausspreche. Besonders bei den m\u00fchsamen Interferenzversuchen wirkten sie s\u00e4mtlich abwechselnd mit, je nachdem es jedem der Kriegsdienst gestattete. Es waren die Herren Dr. Abraham, Dr. v. Allesch, Dr. Blumeneeld, Dr. Friedl\u00e4nder, Dr. A. Guttmann, Prof. Dr. v. Hornbostel, Dr. Koefka, A. Kreichgauer, Dr. Lewin, Dr. Rjefeert, Prof. Dr. Hupp. Dr. v. Allesch hat nicht nur bei den Beobachtungen, sondern auch bei der \u00e4u\u00dferen Einrichtung der Interferenzversuche und dem Aufbau des synthetischen Apparats unerm\u00fcdlich geholfen.\nDie ,,subjektive\u201c Methode, bei der die direkte akustische Beobachtung die Hauptrolle spielt, gilt vielen als weniger vertrauensw\u00fcrdig gegen\u00fcber der \u201eobjektiven\u201c, bei der die Struktur eines Sprachlautes in Kurvengestalt vor Augen liegt. Ohne im geringsten die Wichtigkeit dieser graphischen Hilfsmittel zu ver-","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nEinleitung.\nkennen, auf deren Leistungen wir des \u00f6fteren zur Erg\u00e4nzung oder Best\u00e4tigung zur\u00fcckgreifen werden, m\u00fcssen wir doch nachdr\u00fccklich betonen: 1. da\u00df Vokale als solche \u00fcberhaupt etwas Subjektives sind und wir vom Standpunkte des Gesichtssinnes niemals Anla\u00df gehabt h\u00e4tten, sog. Vokalkurven von anderen zu unterscheiden, 2. da\u00df in akustischen Dingen das Ohr erster und letzter Richter sein mu\u00df, 3. da\u00df die \u201eobjektive\u201c Methode, je feiner sie durchgebildet wird, um so kompliziertere \u00e4u\u00dfere Einrichtungen erfordert, da\u00df aber jedes Glied einer zwischengeschalteten \u00e4u\u00dferen Einrichtung eine besondere Fehlerquelle mit sich bringt. Dies ist Physikern und Physiologen selbst am besten bekannt, und viel Scharfsinn und Arbeit ist auf die Ausschaltung dieser Fehlerquellen verwandt worden. Gleichwohl stellt sich das Vorhandensein einer solchen nicht selten erst heraus, wenn die Untersuchung vorbei ist. Den Nachteil der subjektiven Methode, da\u00df man auf das gute Ohr und die \u00dcbung des individuellen Beobachters angewiesen ist, haben wir durch die erw\u00e4hnte Vervielf\u00e4ltigung der Beobachter und andere Kontrollma\u00dfregeln auszugleichen gesucht. Auch werden die \u00e4u\u00dferen Umst\u00e4nde, unter denen die Beobachtungen gemacht wurden, und ihre Einzelheiten im folgenden so genau angegeben, da\u00df sie jederzeit von anderen nachgepr\u00fcft werden k\u00f6nnen. Im \u00fcbrigen haben auch Grassmann, Donders, Helmholtz, Aiterbach und andere bei der Aufsuchung der Resonanz -maxima, der Fl\u00fcsterh\u00f6hen usw. den direkten Weg eingeschlagen. Endlich ist \u00fcberhaupt der Unterschied von objektiver und subjektiver Methode vielfach ein flie\u00dfender. Denn zur Durchf\u00fchrung erfolgversprechender und unter gleichen Umst\u00e4nden wiederholbarer direkter Beobachtungen sind doch auch \u00e4u\u00dfere Einrichtungen unentbehrlich, und wir werden namentlich bei der Interferenz-methode auf die Fehlerquellen dieser Einrichtungen einzugehen haben. Ob man also das Auge oder das Ohr ben\u00fctze: der Vorsicht und Geduld bedarf es da wie dort.","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"1. Kapitel.\nAnalyse gesungener Vokale dnrcli resonierende\nGabeln.\nVon Analyse und von einer Struktur der Vokale wird hier zun\u00e4chst in dem hergebrachten Sinn aller bisherigen Untersuchungen gesprochen, d. h. im Hinblick auf die dem Ohre zugef\u00fchrten Schwingungen. Diese selbst nennen wir im Anschlu\u00df an Ohm einfach, wenn sie als pendelf\u00f6rmige oder Sinusschwingungen erfolgen, zusammengesetzt aber, wenn ihre Schwingungsform sich mathematisch und physikalisch in eine Anzahl superponierter Sinusschwingungen zerlegen l\u00e4\u00dft. Erst im Laufe der Darstellung werden wir auch die Fragen nach der physiologischen und psychologischen Struktur der Vokale auf werfen und den Sinn und die Berechtigung dieser Begriffe erl\u00e4utern1).\nI. Methode.\n1. Wesen und Vorz\u00fcge der Gabelmethode.\nHelmholtz hatte die Resonanz der Mundh\u00f6hle bei den verschiedenen Vokalen durch die Verst\u00e4rkung festgestellt, die eine t\u00f6nende Stimmgabel erf\u00e4hrt, wenn sie vor die zum Aussprechen des Vokals ge\u00f6ffnete Mundh\u00f6hle gehalten wird (Verst\u00e4rkungsmethode, auch von R. Koenig angewandt). Er hatte ferner die Verst\u00e4rkung von Teilt\u00f6nen w\u00e4hrend des Singens durch ans Ohr gehaltene Resonatoren ermittelt (Resonatorenmethode, auch von Auerbach ben\u00fctzt). Er hatte endlich das Nachklingen bestimmter Klaviersaiten bei aufgehobener D\u00e4mpfung infolge eines hineingesungenen Vokals beobachtet (Kl a vier methode). Andere suchten durch Anblasen der zum Singen oder Sprechen ge\u00f6ffneten Mundh\u00f6hle, durch Beklopfen verschiedener Teile des Sch\u00e4dels oder des Kehlkopfs die charakteristischen T\u00f6ne zu ermitteln (Anblase-und Klopf methoden : Auerbach, Abraham) .\nMerkw\u00fcrdigerweise ist aber bisher ein Resonanzverfahren fast gar nicht angewandt worden, das, systematisch durchgef\u00fchrt,\n1) Siehe S. 12, ferner Kap. 11, 13, 14.","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\t1. Kap. Analyse gesungener Vokale durch resonierende Gabeln.\nausgiebigere und eindeutigere Ergebnisse als alle diese anderen liefert: die Feststellung der in einem Klang enthaltenen Teilt\u00f6ne und ihrer St\u00e4rke Verh\u00e4ltnisse durch mit- und nachschwingende Stimmgabeln (Resonanzmethode i. e. S. oder Gabelmethode). Auf dieses Verfahren wurde ich vor langer Zeit durch den verstorbenen Professor der Gesangskunst Gustav Engel aufmerksam gemacht, der sich 1888 zur Untersuchung der Obert\u00f6ne der menschlichen Stimme von R. Koenig eine sch\u00f6ne Serie von Gabeln auf Resonanzk\u00e4sten hatte anfertigen lassen und mir damals sogleich mitteilte, da\u00df es ihm gelungen sei, damit den 24. Teilton seiner Stimme, n\u00e4mlich c4 beim Singen auf F (der Vokal war nicht erw\u00e4hnt) festzustellen. Ich habe dann 1896 das Verfahren zur Bestimmung der Obert\u00f6ne \u00fcberhaupt empfohlen und angewandt1).\nVielfach ist nun zwar fr\u00fcher behauptet worden (so von Wheatstone, sp\u00e4ter u. a. von Wundt, der es durch besondere Versuche best\u00e4tigt haben wollte, von Lloyd und noch 1913 von Musehold2)), da\u00df ein einfacher Ton h\u00f6here Gabeln erregen k\u00f6nnte, ohne da\u00df entsprechende hohe Teilt\u00f6ne im Klange vorhanden zu sein brauchten (\u201emultiple Resonanz\u201c). Aber die Unrichtigkeit dieser Lehre ist von mir (3) durch besondere Versuche erwiesen: wurden die betreffenden Obert\u00f6ne durch Interferenzr\u00f6hren ausgeschlossen, so blieb auch die Resonanzwirkung aus3). Man kann daher aus dem\n1)\tNur Stefanini (Physiker in Pisa) hat seit 1911 wiederholt damit experimentiert, aber die Methode wegen zu geringen Gabelvorrates und anderer Bedenken (s. u.) wieder aufgegeben.\n2)\tSelbst ein so hervorragender Akustiker wie F. Auerbach scheint sich hiervon nicht freigemacht zu haben. Wenigstens kann ich seine Dai-stellung in 4, S. 125 und in \u201eGrundlagen der Musik\u201c 1911, S. 80 nicht anders verstehen. Helmholtz dagegen bemerkt ausdr\u00fccklich (S. 76): \u201eIn diesen F\u00e4llen (wenn ein Resonator auch auf tiefere Kl\u00e4nge anspricht, zu deren harmonischen Obert\u00f6nen sein Eigenton geh\u00f6rt) t\u00f6nt der Resonator durch einen der harmonischen Obert\u00f6ne des im \u00e4u\u00dferen Luftraum angegebenen Klanges.\u201c Er lehrt also ausschlie\u00dflich unisone Resonanz. Gegen Lloyd hat Pipping nachdr\u00fccklich die richtige Ansicht\nvertreten.\t.\n\u00dcber multiple Resonanz in einem ganz anderen, einwandfreien bmne\ns. 14. Kap.\n3)\tTheoretisch wurde das n\u00e4mliche kurz darauf (Ann. d. Phys. N. t., Bd. 59, 1896) durch Johannesson abgeleitet. Auch Bosanquet hat schon 1881 gegen R. Koenig die mathematische Unm\u00f6glichkeit geltend gemacht (Philosophical Magazine Bd. 12, S. 280). Die beliebte Analogie eines Pendels, das bei jedem 2. oder 3. Hin- und Hergang angesto\u00dfen wird, la\u00dft sich nicht auf die Einwirkung einer in stetigem Phasenwechsel schwingenden Luftmasse anwenden.\nAn Streichinstrumenten hat F. Ritz (1883) beobachtet, da\u00df jeder Oberton einer Saite unisone Obert\u00f6ne anderer Saiten in Mitschwingung versetzt, niemals aber deren Multipla.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Wesen und Vorz\u00fcge der Gabelmethode.\n11\nMit- und Nachschwingen einer Gabel durchaus eindeutig auf das Vorhandensein eines entsprechenden Teiltones schlie\u00dfen.\nGute Gabeln auf Resonanzk\u00e4sten k\u00f6nnen durch blo\u00dfes Mit-klingen auf einen kr\u00e4ftigen Oberton unter Umst\u00e4nden so stark erregt werden, als w\u00fcrden sie mit einem Bogen gestrichen. Wenn ich auf dem Tone gis ein 0 singe, schwingt die Gabel gis1 (2. Teilton) noch in 2 Metern Entfernung merklich mit. Wenn ich auf c1 ein A singe (allerdings aus voller Lunge), schwingt die Gabel g2 (3. Teilton) sogar noch in 6 m Entfernung. In beiden F\u00e4llen handelt sich\u2019s eben um Formantt\u00f6ne der bez\u00fcglichen Vokale.\nDiese Methode hat den gro\u00dfen Vorzug vor den meisten anderen Resonanzmethoden, da\u00df die Gabeln nac hschwingen und man also den einzelnen Teilton bequem und rein f\u00fcr sich beobachten, auch seine verschiedene St\u00e4rke bei verschiedenen Vokalen vergleichen kann1). Das Verfahren ist unabh\u00e4ngig von der F\u00e4higkeit eines Beobachters zum Heraush\u00f6ren, da die Analyse von den Gabeln selbst besorgt wird. Insofern kann man die Gabelmethode geradezu als eine objektive bezeichnen. Nur die Sch\u00e4tzung der St\u00e4rke des Mitschwingens (s. u.) bleibt subjektiv. Bei der Klaviermethode ist das zwar \u00e4hnlich, aber es schwingen doch immer, wenn nicht besondere Ma\u00dfregeln ergriffen werden, mehrere Saiten auf einmal nach und sind noch Ger\u00e4usche beigemischt. Auch schwingen die Saiten der besonders wichtigen 3- und 4-gestrichenen Oktaven nicht mehr deutlich mit. Bei den \u00fcbrigen Resonanzmethoden aber erh\u00e4lt man, wenn es gut geht, \u00fcberhaupt nur einen einzigen Ton, kein Bild der ganzen Klangstruktur. Au\u00dferdem ist es bekanntlich schwer, die Mundstellung nach dem Aussprechen oder Singen eines Vokals noch eine Weile ganz unver\u00e4ndert zu halten; es treten leicht unwillk\u00fcrliche, ja unbemerkte Ver\u00e4nderungen ein, die den Punkt st\u00e4rkster Resonanz verschieben. Bei der Verst\u00e4rkungs- und der Resonatorenmethode besteht noch der \u00dcbelstand, da\u00df eine Klangquelle auch vor jedem Hohlraum verst\u00e4rkt wird, der ihren Eigenton alsMultiplum des seinigen enth\u00e4lt, indem seine Luftmasse dann eben in die entsprechenden Teilschwingungen ger\u00e4t, besonders wenn es sich um ein ungerades Multiplum handelt. An der ,,Flaschenorgel\u201c des Berliner Psychologischen Instituts, die aus kugelf\u00f6rmigen Resonatoren besteht,\nx) Bei einer Einrichtung, die Edelmann in M\u00fcnchen auf Anregung der Frau Weber-Bell ausgef\u00fchrt hat, ist das Nachkhngen auf elektrischem Wege noch verl\u00e4ngert. Ich habe diese Einrichtung 1912 kennengelernt, nachdem ich l\u00e4ngst die Gabelmethode zur Klanganalyse verwendet hatte, habe sie aber nicht benutzt, weil die Zahl der dadurch zu ermittelnden Obert\u00f6ne f\u00fcr wissenschaftliche Zwecke viel zu gering ist.","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\t1. Kap. Analyse gesungener Vokale durch resonierende Gabeln.\nl\u00e4\u00dft sich dies mit davorgehaltenen losen Gabeln leicht beobachten. Liegt der Eigenton des Resonators tief unter dem der Gabel, so wird man hier \u00fcberhaupt immer eine, wenn auch geringe, Verst\u00e4rkung bemerken, weil der Gabelton dann immer einem Mul-tiplum entspricht oder naheliegt1). Man kann bei diesem Verfahren also nicht ohne weiteres aus einer Verst\u00e4rkung auf einen bestimmten Teilton des Vokalklanges schlie\u00dfen, sondern mu\u00df erst sorgf\u00e4ltig die Lage der maximalen Verst\u00e4rkung auf suchen, was in F\u00e4llen, wie den letztgenannten, keineswegs leicht ist.\nEine gewisse Resonanzbreite gibt es freilich auch bei den mitschwingenden Resonanzgabeln. Sie ist nach Umst\u00e4nden verschieden, betr\u00e4gt aber in der Regel nicht mehr als einen Halbton nach oben und unten2). Immerhin mu\u00df dieser Umstand ber\u00fccksichtigt werden, wenn man nicht zu Fehlschl\u00fcssen kommen soll. Es mu\u00df also in Zweifelsf\u00e4llen versucht werden, ob nicht durch eine kleine Erh\u00f6hung oder Erniedrigung des gesungenen Tones die Gabel noch st\u00e4rker zum Mitschwingen gebracht werden kann.\nLegt man die HELMHOLTZsche Theorie des H\u00f6rens zugrunde \u2014 und sie gibt, wenn nicht den realen Tatbestand selbst, doch jedenfalls das bisher beste Bild desselben \u2014, so ist diese unsere Methode der Klangzerlegung keine andere als die des Ohres selbst. In der Tat fallen die Teilt\u00f6ne, die wir dadurch finden, mit denen zusammen, die ein ge\u00fcbtes Ohr durch rein subjektive Analyse findet. Bald reicht das Ohr weiter, bald die Gabeln. Bei einer konstant t\u00f6nenden Metallzunge von 50 Schwingungen pro Sekunde konnte\n2) Es kommt aber auch vor, da\u00df eine h\u00f6here Gabel, vor den Resonanzkasten einer tieferen gehalten, geschw\u00e4cht wird, offenbar durch Interferenzwirkungen. H\u00e4lt man die lose Gabel c3 vor den Kasten der Resonanzgabel c2, so wird sie an gewissen Stellen verst\u00e4rkt, an anderen geschw\u00e4cht. Ich h\u00f6rte (mit Dr. Bale y) eine as1-Gabel bei O-Einstellung des Mundes direkt vor der Mund\u00f6ffnung schw\u00e4cher, w\u00e4hrend sie, als im O-Formant liegend, h\u00e4tte verst\u00e4rkt klingen m\u00fcssen. Diese dem Berliner Physikalischen Institut geh\u00f6rige Gabel war von R\u00fcd. Koenig ausdr\u00fccklich durch ein eingepr\u00e4gtes ,,0\u201c als diesem Vokal entsprechend bezeichnet worden.\n2) So bei Erregung durch eine kr\u00e4ftige menschliche Stimme aus unmittelbarer N\u00e4he. Wenn der erregende Klang selbst eine Stimmgabel oder\neine Zunge des Tonmessers ist, so erstreckt sich das Mitschwingen nur auf wenige Schwingungen auf- und abw\u00e4rts; weshalb gew\u00f6hnlich Stimmgabeln, auch solche auf Resonanzk\u00e4sten, von Physikern (Helmholtz, Auerbach, Waetzmann) als Beispiel einer starken, aber engbegrenzten Resonanz angef\u00fchrt werden. Aber die menschliche Stimme ist eben eine viel kr\u00e4ftigere Klangquelle und darum von breiterer Resonanzwirkung. Wenn z. B. eine M\u00e4nnerstimme den Vokal O auf dem Tone gis singt, so ist die Gabel a1 damit noch recht merklich in Schwingung zu setzen, obgleich sie um einen Halbton von dem in dem Stimmklang enthaltenen gis1 ab weicht.","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"St\u00e4rkesch\u00e4tzungen.\n13\ny. Hornbostel noch den 56. Teilton heraush\u00f6ren, der Verfasser noch den 48.1). Bei den Vokalen, die vom S\u00e4nger nicht so lang ausgehalten werden k\u00f6nnen, kommt man wieder mit den Gabeln weiter.\nF\u00fcr die Beweisf\u00fchrung haben die Gabeln den unsch\u00e4tzbaren Vorzug vor dem Ohre, da\u00df ihr Mit- und Nachklingen von jedem, auch dem Unge\u00fcbtesten, vernommen wird, w\u00e4hrend das direkte Heraush\u00f6ren subjektiv bleibt und nicht demonstriert werden kann, \u00fcberdies von \u00dcbung und Anlage im h\u00f6chsten Ma\u00dfe abh\u00e4ngig ist.\nSetzen wir voraus, da\u00df der Bestand des Klanges, wie er in der Schnecke des Ohres existiert, auf diesem Wege festgestellt werde, so d\u00fcrfen wir wohl auch weiter annehmen, da\u00df in den letzten oder vorletzten Prozessen in der H\u00f6rsph\u00e4re der Hirnrinde eine \u00e4hnliche Zusammensetzung vorliege. Ob wir auch die Klangerscheinung selbst, wie sie in der Empfindung gegeben ist, aus ebenso vielen Teilen zusammengesetzt zu denken haben, mag hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls wird man ihr in dem Sinne Teile zuschreiben m\u00fcssen, da\u00df es prinzipiell m\u00f6glich ist, durch gesch\u00e4rfte Aufmerksamkeit unter g\u00fcnstigen Bedingungen die Teilt\u00f6ne, einen nach dem anderen, aus dem Ganzen herauszuh\u00f6ren.\nDiese Bemerkungen sollten nur die m\u00f6gliche Tragweite der Methode erl\u00e4utern. Was aber daraus zun\u00e4chst erschlossen werden soll und kann, ist nur der objektive Klangbestand, und dieser Schlu\u00df ist von jeder Hypothese unabh\u00e4ngig.\n2. St\u00e4rkesch\u00e4tzungen.\nWichtig ist nun weiter die Absch\u00e4tzung der St\u00e4rke des nachschwingenden Tones. In dieser Hinsicht hielt ich mich unter Verzicht auf physikalische Bestimmungen, die doch nur die St\u00e4rke der \u00e4u\u00dferen Reize messen, an die Empfindungsst\u00e4rken selbst. Freilich gestatten diese keine mathematischen Bestimmungen. Niemals k\u00f6nnen wir auf Grund direkter Vergleichung behaupten, eine Tonempfindung sei 2- oder 3 mal so stark als eine andere. Aber wir k\u00f6nnen auf der stetigen Linie der St\u00e4rkegrade gewisse Typen\n1) Man h\u00f6rt nicht alle Teilt\u00f6ne bis zu diesen Grenzen, sondern unter den h\u00f6heren, wie es scheint, nur die Oktaven der ersten 9 oder 10. Die Gr\u00fcnde und der Hergang dieses ausw\u00e4hlenden Verhaltens w\u00e4ren noch zu untersuchen. Wahrscheinlich spielt das Entgegenkommen der Erfahrungsvorstellungen, die man sich von den tieferen Teilt\u00f6nen auf Grund der bekannten musikalischen Intervalle \u2022 bilden kann, dabei eine Rolle. Denn solche entgegenkommenden Vorstellungen sind f\u00fcr das Heraush\u00f6ren von Teilt\u00f6nen \u00fcberhaupt von Bedeutung. Nur der Mechanismus w\u00e4re zu finden, durch den mit der Vorstellung eines tieferen Teiltones zugleich dessen h\u00f6here Oktaven subjektiv verst\u00e4rkt werden.","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\t1. Kap. Analyse gesungener Vokale durch resonierende Gabeln.\noder Kategorien unterscheiden, unter die wir einen gegebenen Schall einreihen. Ich benutzte 5 solcher Typen, die den musikalischen Unterscheidungen des pp, p, f, ff, fff entsprachen und durch die Ziffern 1 bis 5 bezeichnet wurden1). Bald sah ich mich aber auch zu Zwischenstufen gef\u00fchrt. Namentlich mu\u00dften in den unteren Graden noch Halbe und Viertel, vor der Nullgrenze sogar eine Achtelstufe unterschieden werden.\nZu \u00e4hnlichen subjektiven Absch\u00e4tzungen von St\u00e4rkeklassen findet man sich nicht blo\u00df im Leben, sondern auch in der Wissenschaft oft genug veranla\u00dft. Bekannt sind die Sternklassen der Astronomen, die (urspr\u00fcnglich wenigstens) auf Helligkeitssch\u00e4tzungen beruhen. Zu diesen sind in neuerer Zeit die Intensit\u00e4tssch\u00e4tzungen der feinen Linien auf astronomischen Photogrammen getreten, bei denen gelegentlich 10 Klassen unterschieden werden. In der Farbenlehre -haben Plateau, Delboeuf, Chevreul, Hering, Hillebrand, Ebbinghaus solche rein subjektiven Skalen angewandt. In der Meteorologie ordnet man die Bew\u00f6lkung und die Windst\u00e4rken in Klassen. F\u00fcr die letzteren stellte Beaufort eine 12-stufige, von eben merklicher Bewegung bis zum Orkan reichende Skala auf, in welche ge\u00fcbte Segelfahrer eine gegebene St\u00e4rke mit hinreichender Bestimmtheit einordnen. Ebenso. ist es mit den musikalischen Tempi, wie sie durch die gebr\u00e4uchlichen 5\u20146 Hauptausdr\u00fccke bezeichnet sind. Die Tonst\u00e4rken selbst ordnete Helmholtz gerade anl\u00e4\u00dflich des Mitschwingens in 10 Stufen nach blo\u00df subjektivem Geh\u00f6rseindruck2). Auerbach (1), Bosan-quet, Rousselot operierten gleichfalls mit solchen. Dwelshauvers ordnete die Erregung KoENiGscher Flammen durch Resonatoren, v. Kempelen die Weite der Lippen\u00f6ffnung und des Raumes zwischen Zunge und Gaumen beim Sprechen in 5 Stufen. Und so wird man uns nicht ein wissenschaftlich fragw\u00fcrdiges Verfahren vorwerfen. Schlie\u00dflich ist man ja bekannterma\u00dfen selbst bei genauesten wirklichen Messungen mit eingeteilten Ma\u00dfst\u00e4ben zuletzt vielfach auf blo\u00dfe Sch\u00e4tzung der noch zwischen zwei Teilstrichen liegenden Dezimalen angewiesen.\n*) In meiner Abhandlung 10 sind die Ziffern 1 bis 4 = po, mf, fo, ffo gesetzt. Aber die obige Gleichsetzung scheint mir jetzt den Eindruck noch besser wiederzugeben. mf ist dann eben = 21/2.\n2) S. 203. Helmholtz brauchte diese Sch\u00e4tzungen, um den Phasenunterschied eines verstimmten Resonators gegen\u00fcber der Klangquelle da; nach zu bestimmen. Die dazu dienende Tabelle ist reines Rechnungsprodukt-aber die Einordnung einer beobachteten St\u00e4rkeabnahme in die 10 Stufen erfolgte nach subjektiver Sch\u00e4tzung: \u201eWenn man das Verh\u00e4ltnis, in welchem diese St\u00e4rke abgenommen hat, ungef\u00e4hr zu beurteilen wei\u00df, findet man aus der Tafel den Phasenunterschied.\u201c","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"St\u00e4rkesch\u00e4tzungen.\n15\nUnsere Klassifikation unterscheidet sich aber von vielen anderen dadurch, da\u00df sie nicht darauf ausgeht, eine Skala von gleich weit abstehenden Graden herzustellen. Die Helligkeitsunterschiede aufeinanderfolgender Sternklassen sind sch\u00e4tzungsweise gleich gro\u00df (Fechner). Von unseren St\u00e4rkeunterschieden soll dies aber nicht behauptet werden. Vielmehr w\u00fcrde ich sagen, da\u00df die Abst\u00e4nde zwischen 2 benachbarten Stufen von der untersten zur obersten hin immer kleiner werden. Ebendarum wurden bei den untersten Klassen auch noch vielfach Zwischenstufen eingeschaltet, namentlich gegen die Nullgrenze hin, w\u00e4hrend von 1 ab fast immer nur eine Zwischenstufe gen\u00fcgte; und zwar kamen solche zwischen 1 und 2, 2 und 3 noch h\u00e4ufig vor, zwischen den h\u00f6heren Graden aber immer seltener. Unsere Zahlen sind daher gewisserma\u00dfen nur Ordnungszahlen. Die St\u00e4rke 4 soll nicht das Doppelte der St\u00e4rke 2, der Abstand von 4 zu 2 nicht das Doppelte des Abstandes von 2 zu 1 bedeuten.\nDie Anwendung dieser Kategorien erfolgte ebenso wie die der entsprechenden musikalischen (pp, p usw.) nach sozusagen impressionistischen Gesichtspunkten. Die Intensit\u00e4ten unserer Sinnesempfindungen bilden zwar in sich selbst eine durchaus homogene stetige Reihe, sind aber an bestimmten absoluten Punkten ihres Verlaufes mit charakteristischen Wirkungen auf das Bewu\u00dftsein und das Nervensystem verkn\u00fcpft, durch die diese Punkte sich auszeichnen und wiedererkannt werden, pp oder 1 ist ein sehr schwacher Eindruck, der aber bei \u00e4u\u00dferer Ruhe schon gut und ohne Anstrengung der Aufmerksamkeit h\u00f6rbar ist. p oder 2 eine St\u00e4rke, die erheblich dar\u00fcber, aber noch im Gebiet des ,,Leisen\u201c liegt, mf oder 21 */2 ist schon kr\u00e4ftig, aber in keiner Weise angreifend. Hier liegt die Grenze der beiden gro\u00dfen St\u00e4rkezonen \u201eLeise\u201c und \u201eLaut\u201c, in die wir die Sch\u00e4lle ordnen1). Dagegen f oder 3 ist schon der erste Anfang des \u201eGellens\u201c, ein St\u00e4rkegrad, der auf die Dauer dem Ohre doch l\u00e4stig fallen, es angreifen w\u00fcrde. 4 und 5 endlich bedeuten weitere Schritte auf dieser Bahn, die sprachlich als \u201esehr stark\u201c bzw. \u201eenorm stark\u201c auszudr\u00fccken w\u00e4ren. Zuweilen notierte ich sogar 6, d. h. extrem stark. Unterhalb der St\u00e4rke 1 bedeutet x/8 einen eben (aber unzweifelhaft) merklichen, 1/4 einen eben \u00fcbermerklichen Ton, 1/2 und 3/4 weitere Stufen zu dem gew\u00f6hnlichen pp hin.\n1) Bosanqtjet rechnete 5 seiner 10 Grade zu den \u201elauten\u201c, 5 zu den \u201eleisen\u201c.\nUnter den Tempi bildet das Andante, das Tempo des gem\u00e4chlichen Gehens, die neutrale Mitte zwischen den schnellen und langsamen. Solche\nsubjektive Gradbestunmungen scheinen \u00fcberall absolute Mitten zwischen entgegengesetzten Polen einzuschlie\u00dfen.","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\t1. Kap. Analyse gesungener Vokale durch resonierende Gabeln.\nMan erwirbt sich bald \u00dcbung in der Anwendung dieser Bezeichnungen, wenn man auch nat\u00fcrlich oft zwischen den feineren benachbarten Nuancen schwanken kann. Nicht leugnen m\u00f6chte ich, da\u00df bei den tiefsten und h\u00f6chsten der angewandten Gabeln, die nicht so empfindlich waren wie die \u00fcbrigen, die obigen Kriterien etwas verschoben wurden und z. B. mit \u201e3\u201c schon ein Stadium bezeichnet wurde, das f\u00fcr das Ohr noch nicht gerade bedrohlich erschien. Da wurde eben die mangelhafte Resonanzf\u00e4higkeit mit in Rechnung gezogen.\nAuch in anderen Sinnesgebieten sind \u00fcbrigens Gradbestimmungen, die nicht in erster Linie nach Distanzgleichheit, sondern nach charakteristischen Bewu\u00dftseinswirkungen abgestuft werden, l\u00e4ngst gebr\u00e4uchlich. So unterscheiden wir unter den Temperaturen: \u201e\u00fcberschlagen (leicht angew\u00e4rmt), lau, warm, hei\u00df, gl\u00fchendhei\u00df\u201c, und k\u00f6nnten auch da die 5 ersten Ordnungszahlen einsetzen. Hier liegt wieder zwischen dem 2. und 3. Grade die behagliche Mitte. Vermutlich sind auch bei manchen der oben angef\u00fchrten Einteilungen in \u00e4hnlicher Weise mehr qualitative Merkmale als reine Distanzkriterien angewandt worden.\nBesonders mu\u00df noch das Mi\u00dfverst\u00e4ndnis ausgeschlossen werden, als ob Teilt\u00f6ne von sehr verschiedener H\u00f6he, z. B. c1 und c4, wenn sie die gleiche St\u00e4rkeziffer, sagen wir 3, erhalten, damit als subjektiv gleich stark bezeichnet sein sollten. Es ist bekanntlich unm\u00f6glich, T\u00f6ne so verschiedener H\u00f6he in Hinsicht ihrer subjektiven St\u00e4rke direkt zu vergleichen. Die identische St\u00e4rkeziffer bedeutet also in unserem Falle nur, da\u00df jeder in seiner Art, f\u00fcr sich beurteilt, die mit dieser Ziffer ausgedr\u00fcckte Eigenschaft besitzt. Ganz anders liegen die Dinge aber bei gleicher oder nur wenig verschiedener Tonh\u00f6he. Die deutlichen St\u00e4rkever\u00e4nderungen, die ein und derselbe Teilton bei verschiedenen auf dem gleichen Grundton gesungenen Vokalen erf\u00e4hrt, dr\u00e4ngen sich in \u00fcberzeugendster Weise auf. Es ist z. B. ein stets gelingender Vorlesungsversuch, wenn ich die Resonanzgabel h1 (480 Schw.) oder auch a1, b1 zuerst durch ein auf ihrer tieferen Oktave gesungenes 0, dann durch ein ebenso kr\u00e4ftiges A oder I auf demselben Grundton zum T\u00f6nen bringe: im 1. Falle spricht sie laut an, im 2. erheblich weniger. Dagegen spricht wieder die Gabel g* sehr laut an, wenn ich auf c1 ein A singe, lauter als etwa bei O oder I auf demselben Grundton. gz reagiert besonders laut, wenn \u00d6 auf c1 gesungen wird usf. Die Ursachen werden wir sp\u00e4ter in den Formanten dieser Vokale entdecken.\nAber auch wenn man von einem Teilton eines Vokals zu dem n\u00e4chsth\u00f6heren oder tieferen desselben Vokals \u00fcbergeht","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"St\u00e4rkesch\u00e4tzungen.\n17\n(vorausgesetzt, da\u00df der Schritt nicht zu gro\u00df ist, wie die Oktave zwischen dem l. und 2. Teilton), kann man mit aller Bestimmtheit \u00fcber Gleichbleiben, Zu- oder Abnahme der St\u00e4rke entscheiden. Wir erkennen z. B. direkt, da\u00df beim Singen des A auf c1 vom 2. zum 3. Teilton eine Verst\u00e4rkung, vom 4. zum 5. eine Schw\u00e4chung eintritt. Man kann also die Wendepunkte, die Richtungsunterschiede der Intensit\u00e4tskurve als solche mit Sicherheit erkennen. Nur die Gr\u00f6\u00dfenverh\u00e4ltnisse der Maxima, zu denen die Kurven emporsteigen, lassen sich nicht durch direkte Vergleichung untereinander kontrollieren.\nZu leichterem Ausschlu\u00df von Mi\u00dfverst\u00e4ndnissen und Einw\u00e4nden obiger Art k\u00f6nnte man statt der arabischen Ziffern r\u00f6mische, die heute zumeist als Ordnungsziffern dienen, oder Buchstaben setzen. Oder es w\u00e4ren, um ungef\u00e4hr gleiche Abst\u00e4nde zu bekommen, die im folgenden unter II angegebenen Werte statt der unter I stehenden zu setzen:\nI Vs 1/i\t7\u00ab 74\t1\t17*\t17*\t174 2\t27,\t3\t37, 4\t4 V, 5\nII V2 1 2 3 4 5\t6 7 8 9 10 11 12 13 14\nDoch hat sich unsere Bezeichnungsweise, die sich unmittelbar an die obigen Kriterien anschlie\u00dft, als f\u00fcr den Gebrauch handlicher erwiesen und werden obige Bemerkungen hoffentlich gen\u00fcgen, um Mi\u00dfverst\u00e4ndnisse auszuschlie\u00dfen, auch wenn die Zahlen sp\u00e4ter, um die l\u00e4stigen Br\u00fcche im Druck zu vermeiden, mit 4 multipliziert werden.\nVon gro\u00dfem Interesse bleibt nat\u00fcrlich die Frage, wie sich die so bestimmten subjektiven zu den physikalischen St\u00e4rken verhalten. Die Schwierigkeiten der physikalischen Tonst\u00e4rke-messung sind bekannt. Es ist nun k\u00fcrzlich (Fr\u00fchjahr 1922), lange nach Abschlu\u00df meiner experimentellen Arbeiten, durch eine von Dr. K. Lewin ausgearbeitete Einrichtung, bei der die Schwingungen einer Membran durch ein darauf befestigtes Spiegelchen in enormer Vergr\u00f6\u00dferung sichtbar gemacht werden, m\u00f6glich geworden, die zu den obigen Stufen geh\u00f6rigen physikalischen St\u00e4rken (bzw. deren gegenseitiges Verh\u00e4ltnis) bei dem Tone c2, auf den die Membran abgestimmt war, zu messen. Aus 4 Reihen, an deren Durchf\u00fchrung sich Frl. Eberhardt beteiligte, ergab sich, da\u00df die Amplituden etwas st\u00e4rker, die Intensit\u00e4ten (Quadrate der Amplituden) also viel st\u00e4rker wachsen als die subjektiven St\u00e4rkezahlen, wenigstens bis zur St\u00e4rke 3. Dar\u00fcber hinaus konnten Messungen nicht gemacht werden.\nDas Ohr wurde in eine solche Stellung gebracht, da\u00df die Entfernung des Trommelfells von der \u00d6ffnung der Schalleitung m\u00f6glichst gleich war derjenigen der Membran bei der objektiven Messung. Die Stellung des Kopfes wurde durch einen Kopf halter fixiert. Jeder der objektiven St\u00e4rke-grade wurde mehrmals gegeben und mit ihrer Aufeinanderfolge imregelm\u00e4\u00dfig gewechselt. Die fehlerfreie Subsumtion so wenig verschiedener Intensit\u00e4ten unter bestimmte Kategorien ist nicht leicht. Doch kamen nur ganz wenige und geringe Abweichungen vor.\nStumpf, Sprachlaute.\n2","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\t1. Kap. Analyse gesungener Vokale durch resonierende Gabeln.\nDie folgenden Tabellen geben ein Bild der 3 Versuchsreihen. Da\u00df die Stufe 1 als Einheit auch f\u00fcr die objektiven Amplitudenverh\u00e4ltnisse genommen wird, ist nat\u00fcrlich willk\u00fcrlich. Bei der 2. Reihe war der Abstand des Ohres und der Membran um 1 cm geringer als bei der 1. und 3. (dort 5, hier 6 cm). Aber auch zwischen der 1. und 3. Reihe, die durch 8 Tage getrennt waren, m\u00f6gen geringe unvermeidliche Unterschiede in der Klangzuf\u00fchrung stattgefunden haben, auf denen es beruhen wird, da\u00df gleichen subjektiven St\u00e4rken in der 3. durchweg gr\u00f6\u00dfere Amplituden als in der 1. zugeordnet sind. Daher darf man die Werte nur innerhalb ein und derselben Reihe vergleichen. Die Versuche waren nat\u00fcrlich \u201eunwissentlich\u201c, die Reihenfolge der dargebotenen St\u00e4rkegrade bunt und willk\u00fcrlich. Daher ist damit zugleich eine Probe f\u00fcr die Sicherheit der Einordnung in die subjektiven St\u00e4rkekategorien gegeben.\n1. Reihe\t2.\tReihe\t3.\tReihe\nRelative\tSubjektive\tRelative\tSubjektive\tRelative\tSubjektive\nAmplituden\tSt\u00e4rken\tAmplituden\tSt\u00e4rken\tAmplituden\tSt\u00e4rken\n0,04\tVs\t0,3\t7\u00bb\t0,15\t7s\no,i\t74\t1\tl\t0,2\t74\n0,22 ; 74\u20147\u00bb\t1,7\t17.\t0,3\t72\no,4\t:\t7\u00bb\t2,7\tfast 2\t1\t1\nl\tl\t\t\t2\t17a\n1,25\tU/g\t4,9\t2-2 V2\t2,5\t2\n3,4\t3\t5,6\t27.-3\t4\t272\n\t6\t3\t4,5\tknapp 3\nHier f\u00fcgen sich nur der \u00dcbergang von der drittletzten zur vorletzten Stufe in der 1. und der von der 5. zur 6. Stufe in der 3. Reihe nicht der obigen Regel. Doch wollen diese Versuche nur als erste Probe einer Verh\u00e4ltnisbestimmung angesehen sein.\n3. Gabeln und S\u00e4nger.\nDie von mir benutzten Gabeln reichen von c bis c5 und umfassen fast s\u00e4mtliche Ober t\u00f6ne f\u00fcr die Grundt\u00f6ne c, c1 und c2 bis zu dieser Grenze. Von c2 bis c4 waren es die obenerw\u00e4hnten KoENiGschen Gabeln1). Bis zu dieser H\u00f6he waren sie mit Resonanzk\u00e4sten verbunden. B\u00fcr die 4-gestrichene Oktave hatte ich sehr massive KoENiGsche Gabeln aus dem Breslauer Physikalischen Institut, die genau auf die Obert\u00f6ne des c1 vom 8. bis zum 16. abgestimmt sind. Sie stehen nicht auf Resonanzk\u00e4sten, sind aber\nx) Der Umstand, da\u00df die Oktave c2\u2014c3 in dieser Serie durch die chromatische Leiter vertreten ist, also nicht \u00fcberall genau mit den Obertonh\u00f6hen stimmt, mu\u00dfte bei den Versuchen ber\u00fccksichtigt werden. Galt es z. B., bei dem gesungenen Grundton c die St\u00e4rke des 5. Teiltones zu bestimmen, so mu\u00dfte der Grundton ein wenig h\u00f6her als sonst intoniert werden, weil erst dann die Gabel f\u00fcr c2 das genaue Multiplum des Grundtones war. F\u00fcr ge\u00fcbte S\u00e4nger macht dies keine Schwierigkeit.","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Gabeln und S\u00e4nger.\n19\nso empfindlich, da\u00df sie schon durch leises Blasen oder rasche Bewegung in Schwingung kommen1).\nF\u00fcr den Ton c war zwar auch eine Resonanzgabel vorhanden, die einen lang anhaltenden Ton gibt. Aber sie resoniert nicht auf ein noch so starkes Ansingen, war also f\u00fcr unseren Zweck nicht zu brauchen. Infolgedessen mu\u00df in den unten folgenden Tabellen bei den auf c gesungenen Vokalen die Stelle des Grundtons unaus-gef\u00fcllt bleiben.\nAu\u00dfer den Obert\u00f6nen des c sind aber auch noch zahlreiche andere T\u00f6ne (besonders die Multipla von 50) in der Gabelsammlung des Berliner Psychologischen Instituts vertreten, mit denen Obert\u00f6ne anderer Grundt\u00f6ne als c, c1, c2, wenn auch nicht so vollst\u00e4ndig, gepr\u00fcft werden k\u00f6nnen. Insgesamt standen gegen 60 Gabeln zu Resonanz versuchen zur Verf\u00fcgung.\nImmer wurde besonders darauf geachtet, da\u00df die Gabel zu Beginn des Versuchs, wenn sie vor dem Munde des S\u00e4ngers stand, sich in v\u00f6lliger Ruhe befand. W\u00e4hrend des Singens aber wurde ein Karton zwischen dem Mund und der Gabel gehalten, um direktes Anblasen auszuschlie\u00dfen.\nVon Seite des S\u00e4ngers ist m\u00f6glichst gleiche Exspirationsst\u00e4rke innerhalb einer Versuchsreihe, m\u00f6glichst genaue Intonation des Grundtons und m\u00f6glichst deutliche Nuancierung des Vokals erforderlich. S\u00e4nger ohne hinreichende Ausbildung (manchmal aber auch Ge\u00fcbte) pflegen den Ton etwas zu tief einzusetzen und dann, wenn auch sehr rasch, auf die richtige H\u00f6he zu steigen. Dadurch kann man zu Fehlschl\u00fcssen kommen. Beispielsweise wird bei genauer, sicherer Intonation eines Vokals auf d1 niemals die Gabel c3 mitklingen. Wohl aber kann dies bei der angegebenen Singweise geschehen : denn wenn ein A auch nur f\u00fcr einen Moment zun\u00e4chst auf cis1 eingesetzt wird, so enth\u00e4lt dieser Klang den Oberton cis3, der bereits in der Resonanzzone der c3-Gabel liegt und sie in leise Mitschwingung versetzen kann. L\u00e4\u00dft man in solchem Falle d1 mit einem Vorschlag von oben her singen, so bleibt c3 v\u00f6llig in Ruhe.\nIn bezug auf die Nuancierung mu\u00df man darauf halten, da\u00df bei solchen Versuchen Deutlichkeit \u00fcber Sch\u00f6nheit geht. Kunsts\u00e4nger ver\u00e4ndern bekanntlich vielfach die nat\u00fcrliche Vokalisierung. Hier-\n*) Diese sch\u00f6ne Serie habe ich f\u00fcr das Berliner Psychologische Institut nacharbeiten lassen und die Reinstimmung selbst mittels der Differenztonmethode (St. 4) \u00fcberwacht. Die Abweichungen von den vorgeschriebenen Schwingungszahlen betragen, wenn die KoENl\u00f6sche Gabel 512 als genau vorausgesetzt wird, kaum mehr als eine Schwingung. Man kann dies mit Differenzt\u00f6nen in vielfacher Weise kontrollieren. Der Berliner Serie sind auch noch die T\u00f6ne ,/4 und a 4 der reinen diatonischen Leiter eingef\u00fcgt*\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\t1- Kap. Analyse gesungener Vokale durch resonierende Gabeln.\nvon mu\u00df bei wissenschaftlichen Versuchen abgesehen werden. Da gilt es, die Vokale aufs sch\u00e4rfste zu charakterisieren und gegeneinander abzugrenzen. U mu\u00df daher sehr dunkel gehalten werden, O hell (offen), aber nicht schon A-haltig, A hell, aber nicht \u00c4-haltig, E geschlossen, wie in \u201eRede, Ebbe\u201c, nicht \u00c4-haltig, wie in \u201efett\u201c, I so hell und scharf als m\u00f6ghch.\nEs ist erstaunlich, wie fein die Resonanzgabeln auf kleine Ver\u00e4nderungen der Nuancierung reagieren. Beispielsweise erzielte Frl. Ohlhoff durch Ver\u00e4nderungen der Mundstellung, die f\u00fcr mein Ohr noch kaum einen Unterschied des Vokals bedingten, wenn sie beim E die Lippen etwas emporzog, um mehr Luft herauszulassen, schon eine erhebliche Verschiebung in der Resonanz -st\u00e4rke einzelner Gabeln.\nAls S\u00e4nger wirkten bei den systematischen Reihen au\u00dfer mir selbst mit: Herr Dr. Abraham (= Ab, Bariton), Frl. Behrend (= Be, Sopran), Herr Belian (\u2014 Bl, Ba\u00df), Herr Hartmann (= Ha, Bariton), Herr Krause (= Kr, Tenor, etwas nach Bariton), Herr Kreichgauer (= Kg, Tenor), Frau Melanie Kurt (Sopran), Frl. Ohlhoff (= Oh, Sopr.), Frl. A. und H. Planck (= AP, HP, Sopr.) und ich selbst (= St, Bariton). Die Damen Behrend, Kurt und Ohlhoff sind r\u00fchmlich bekannte Konzert- bzw. Operns\u00e4ngerinnen, die Herren Belian und Krause ausgebildete S\u00e4nger, die \u00fcbrigen Dilettanten1). Allen bin ich f\u00fcr ihre geduldige und sorgf\u00e4ltige Mitwirkung zu lebhaftem Danke verpflichtet.\nII. Ergebnisse.\nUntersucht wurden auf diesem Wege vorzugsweise die 5 sog. Hauptvokale A EIO U, gelegentlich aber auch die Umlaute \u00d6 \u00c4 \u00dc. Als Grundt\u00f6ne wurden bei den systematischen Reihen c, c1, c2 gew\u00e4hlt. Auf c wurden 6 Reihen mit 5 S\u00e4ngern, auf c1 9 Reihen mit 6 S\u00e4ngern und 2 S\u00e4ngerinnen, auf c2 6 Reihen mit 5 S\u00e4ngerinnen durchgef\u00fchrt.\ni) Versuchsreihen mit einer vierten Konzerts\u00e4ngerin von vorz\u00fcglicher Stimme mu\u00dfte ich hier au\u00dfer Betracht lassen, weil sie den Wohlklang so sehr \u00fcber die Charakteristik der Vokale stellte, da\u00df dadurch empfindliche Undeutlichkeiten in die Aussprache und demzufolge auch in die Tabellen kamen. Auch in der St\u00e4rke nahm sie die verschiedenen Vokale au\u00dferordentlich imgleich, namentlich I viel schw\u00e4cher als die \u00fcbrigen, A besonders kr\u00e4ftig.\nAuch mehrere Versuchsreihen mit 2 anderen Personen, Alt und Bariton, sind nicht in die unten folgenden Tabellen aufgenommen, weil es die ersten Reihen waren, an denen die Methode ausprobiert wurde. Doch zeigen sie bereits alle wesentliche Z\u00fcge der sp\u00e4teren Reihen.","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Zahl der Teilt\u00f6ne. \u2014 Harmonische Teilt\u00f6ne.\n21\nIm folgenden erw\u00e4hnen wir zun\u00e4chst unter 1.\u20143. die Ergebnisse bei den Grundt\u00f6nen c und c1, dann unter 4. die Modifikationen bei c2 *, unter 5. individuelle Unterschiede.\n1. Zahl der Teilt\u00f6ne.\nGesungene Vokale besitzen bei starker Stimmgebung in der N\u00e4he der Klangquelle eine unerwartet gro\u00dfe Zahl von Teilt\u00f6nen. Beim A auf c lassen sich Teilt\u00f6ne bis zum 32., bei dem auf F gesungenen I einer kr\u00e4ftigen Ba\u00dfstimme bis zum 36. nach-weisen; und zwar ist in diesen F\u00e4llen die Reihe, soweit nur immer unsere Gabeln sie verfolgen lassen, l\u00fcckenlos. In anderen F\u00e4llen sind L\u00fccken vorhanden; aber selbst bei dem dunkelsten Vokal U finden sich in manchen Stimmen noch Teilt\u00f6ne von den Ordnungszahlen 20\u201422 (beim Grundton c die T\u00f6ne c4 und fis4).\nSchon dieses Ergebnis ist theoretisch darum bedeutsam, weil gegen die Definition der Vokale durch harmonische Teilt\u00f6ne der Einwand erhoben wurde, da\u00df man .schon den 14. Teilton in der menschlichen Stimme nicht mehr nachweisen k\u00f6nne, w\u00e4hrend diese Theorie viel h\u00f6here verlangt1).\n2. Harmonische Teilt\u00f6ne.\nNur harmonische Teilt\u00f6ne sind in der menschlichen Stimme enthalten. Gabeln, die von solchen um mehr als Resonanzbreite abweichen, bleiben vollkommen stumm. Liegen sie innerhalb der Resonanzbreite, so klingen sie zwar mit \u2014 und man kann dann zun\u00e4chst zu dem Schl\u00fcsse kommen, da\u00df auch unharmonische Teilt\u00f6ne vorhanden seien \u2014, aber es zeigt sich regelm\u00e4\u00dfig, da\u00df sie noch st\u00e4rker mitschwingen, wenn sie mit benachbarten harmonischen Teilt\u00f6nen in Einklang gebracht werden, wenn also der S\u00e4nger seinen Ton um soviel h\u00f6her oder tiefer nimmt. A. Stefanini ist bei \u00e4hnlichen Versuchen einem solchen Fehlschlu\u00df unterlegen2),\nq Hermann, Bd. 58, S. 274: \u201eWie kann man auch nur einen Augenblick annehmen wollen, da\u00df der 28. oder 31. Partialton des Stimmklanges noch so weit vertreten sei, um durch Resonanz des Mundes verst\u00e4rkt zu werden.\u201c Nagel, S. 783: \u201eWollte man den Formanten /4 des I als verst\u00e4rkten Partialton betrachten, so k\u00e4me man beim Singen des I mit einer Ba\u00dfstimme auf die Note G auf den 28. \u2014 29. Partialton und selbst bei g noch auf den 14. Partialton. Das Vorhandensein von Obert\u00f6nen solcher Ordnungszahlen ist \u00fcberhaupt im Stimmklange nicht mehr nachweisbar; und doch ist der I-Klang auch auf den tiefen Noten deutlich zu singen.\u201c\nDagegen schon Koehler 1, II, S. 75.\n2) Steeanini behauptet ausdr\u00fccklich, da\u00df die Resonanzgabeln keine\nResonanzbreite bes\u00e4\u00dfen, sondern nur auf ihre genaue Schwingungszahl an-\nspr\u00e4chen. Dies ist ein Irrtum. \u00dcbrigens hatte er auch bei weitem zu wenig Gabeln zur Verf\u00fcgung. Seinem Bedenken, da\u00df innerhalb einer Versuchs-","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\t1. Kap. Analyse gesungener Vokale durch resonierende Gabeln.\nund ich selbst wurde durch die ersten Eindr\u00fccke der Resonanz -versuche zu der Annahme unharmonischer Teilt\u00f6ne verleitet, habe aber bald genug das angegebene Verhalten ausnahmslos best\u00e4tigt gefunden.\n3. Charakteristische Struktur.\nJeder Vokal hat eine gewisse charakteristische Struktur, eine Intensit\u00e4tskurve seiner Teilt\u00f6ne. Dies ist aber nicht im Sinne der ,,Relativtheorie\u201c zu verstehen. Denn wenn man den Grundton wechselt, bleiben, abgesehen vom U, die Maxima auf ihrer absoluten H\u00f6he liegen* 1). Infolgedessen streckt sich die Intensit\u00e4tskurve beim Sinken des Grundtons immer mehr in die L\u00e4nge, wenn sie auch ihre allgemeine Gestalt beibeh\u00e4lt. Man vergleiche z. B. unter den unten folgenden Tabellen die des A auf c und auf c1. Das 1. Maximum bleibt auf g2 *, das 2. auf fis4 liegen. Wo Verschiebungen Vorkommen, sind sie doch nur geringf\u00fcgig und verstehen sich leicht teils aus unvermeidlichen zuf\u00e4lligen Urteilsschwankungen des Beobachters, teils aus den ebenso unvermeidlichen kleinen Unterschieden in der Nuancierung des Vokals und in der Stimme des S\u00e4ngers. Um solche Zuf\u00e4lligkeiten und individuellen Unterschiede m\u00f6glichst auszugleichen, habe ich versucht, die St\u00e4rkeziffern aller Versuchspersonen, die einen bestimmten Vokal auf bestimmter Tonh\u00f6he gesungen haben, zu summieren. Die Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten sind dabei in der Tat besonders deutlich hervorgetreten. Dennoch m\u00f6chte ich hier auf die Unterst\u00fctzung solcher Summen- oder Durchschnittstabellen verzichten, da die Berechtigung der Summierung wegen der obenerw\u00e4hnten qualitativ mitbedingten Sch\u00e4tzungskriterien bestritten werden k\u00f6nnte.\nWir geben f\u00fcr die Grundt\u00f6ne c, c1, c2 eine Anzahl von Einzeltabellen, die zugleich die individuellen Verschiedenheiten erkennen lassen, bei c1 und c2 auch je 2 Reihen der n\u00e4mlichen Person zu verschiedenen Zeiten, die begreiflicherweise auch nicht ganz zusammenfallen. Zur Vergleichung mag man dann immerhin auch Summen- oder Durchschnittszahlen daraus bilden.\nreihe nicht die n\u00f6tige Garantie f\u00fcr die gleiche Nuancierung seitens des S\u00e4ngers gegeben sei und daher eine Menge von Beobachtern auf einmal, jeder f\u00fcr einen der Teilt\u00f6ne, Zusammenwirken m\u00fc\u00dften, kann ich kein Gewicht beimessen. Der Beobachter mu\u00df eben achtgeben, da\u00df die Nuancierung konstant bleibt, und Versuche mit zuf\u00e4lliger merklicher Abweichung sofort durch andere ersetzen.\ni) Wir werden unten aus den Ergebnissen der Interferenzversuche, die\neine unbeschr\u00e4nkte Ver\u00e4nderung des Grundtons gestatten, ein langsames\nHinaufr\u00fccken der Maxima mit steigendem Grundton erschlie\u00dfen. Aber bei\nden Resonanzversuchen auf c und c1 kam es nicht zum Vorschein.","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Charakteristische Struktur.\n23\nBei den Notenbuchstaben bedeutet hier und in sp\u00e4teren Tabellen ein Strich \u00fcber dem Buchstaben eine kleine Erniedrigung gegen\u00fcber dem damit bezeichneten Leiterton. Bekanntlich fallen die h\u00f6heren Multipla des Grundtones nicht immer mit Leitert\u00f6nen zusammen.\nDas Fehlen von Zahlenwerten f\u00fcr den Grundton in der Tabelle f\u00fcr c beruht auf dem Fehlen der Resonanzgabel c (s. o.). Der Strich ist also nicht mit 0 zu verwechseln.\nMan kann zur graphischen Veranschaulichung auch Diagramme zeichnen, in denen die St\u00e4rkegrade durch die H\u00f6he schmaler Rechtecke wiedergegeben sind, wobei aber wieder nur das Wachsen und Abnehmen \u00fcberhaupt, nicht genaue Ma\u00df Verh\u00e4ltnisse, ausgedr\u00fcckt sein sollen. 12 Tafeln solcher Diagramme nach meinen Resonanzversuchen besitzt das Berliner Psychologische Institut.\nF. Trendelenburg hat k\u00fcrzlich (2) aus 2 meiner Zahlenreihen f\u00fcr den Vokal A (Kr auf c1 und der ersten HP auf c2) in der physikalisch gebr\u00e4uchlichen Weise durch Verbindungslinien zwischen den diskreten Werten Kurven gebildet und diese mit 2 seiner eigenen, aus objektiven Schwingungsaufnahmen abgeleiteten Amplitudenkurven zusammengestellt. Da es sich in unserem Falle um subjektive St\u00e4rken handelt, bei denen die Umbildung der Tonprozesse im Ohr und im Nervensystem mitspielt, so kann man eine genaue \u00dcbereinstimmung nicht erwarten. Gleichwohl ist der Verlauf im allgemeinen \u00fcberall ziemlich derselbe. Insbesondere haben das untere und das obere Maximum in allen 4 Kurven die gleiche absolute Lage. Und jedenfalls zeigt der Versuch, da\u00df man auch diese Darstellungsweise an wenden und zu interessanten Vergleichungen benutzen kann.\nGrundton c \u2014 128 Schw.\nTeu- ton\tNote\tAb\tSt\tHa\tBl\tI Ab\tSt\tHa\tBl\tAb\tSt\tHa\tBl\tAb\tst\tHa\tBl\tAb\tSt\tHa\tBl\n32\tc5\t\t\t\t\t\t\t\t\t4\t2\t1\t\t4\t2\t3\t\t4\t2\t2\t\n30\t/t4\t\t\t\t\t\t\t\t\t4\t3\t1\t\t6\t2\t2\t\t8\t2\t2\t\n28\t64\t\t\t\t\t\t\t\t\t4\t3\t2\t1\t8\t6\t3\t1\t8\t3\t2\t1\n26\td4\t\t\t\t\t\t\t\t\t8\t3\t2\t2\t6\t4\t3\t4\t8\t4\t3\t2\n24\t\t\t\t\t\t\t\t\t1\t8\t4\t4\t3\t8\t4\t3\t3\t10\t4\t4\t3\n22\tfis4\t\t\t\t1\t\t2\t\t2\t10\t6\t2\t4\t8\t4\t4\t2\t8\t4\t4\t3\n20\te4\t\t\t\t2\t\t1\t\t2\t8\t6\t2\t4\t4\t4\t6\t4\t8\t4\t4\t3\n18\td4\t\t\t\t0\t\t1\t\t1\t4\t4\t2\t2\t8\t2\t4\t1\t8\t2\t1\t3\n16\tc4\t\t\t\t0\t\t1\t\t0\t4\t2\t1\t\u00dc2\t8\t2\t3\t2\t4\t2\t1\t2\n15\th3\t\t\t\t0\t\t0\t\t0\t4\t3\t1\t0\t4\t1\t0\t0\t3\t1\t0\t0\n12\t93\t\t\t\t0\t\t0\t\t0\t8\t4\t4\t6\t6\t2\t0\t1\t4\t2\t0\t7 2\n10\te3\t\t\t\t7.\t\t1\t\t7.\t10\t6\t4\t8\t6\t0\t0\t1\t3\t0\t0\t1\n9\td3\t\t\t\tV.\t2\t0\t\t7*\t12\t6\t8\t8\t4\t0\t0\t1\t2\t0\t0\t1\n8\tc3\t2\t\t7.\t2\t4\t\u00dc2\t4\t2 !\t12\t4\t10\t4\t4\t0\t0\t1\t3\t0\t0\t1\n7\tb2\t6\t3\t4\t4\t8\t4\t8\t8\t16\t8\t16\t8\t2\t\u00dc2\t4\t4\t8\t1/ / 2\t2\t4\n6\t92\t12\t10\t6\t16\t20\t12\t12\t20\t16\t16\t14\t20\t10\t1\t2\t4\t6\t1\t0\t4\n5\te2\t12\t8\t0\t12\t16\t10\t4\t12\t8\t14\t8\t20\t3\t2\t72\t8\t8\t2\t0\t8\n4 |\tc2\t16\t12\t6\t20\t20\t16\t14\t20 I\t10\t10\t6\t12\t8\t6\t7 2\t14\t12\t6\t\u00dc2\t12\n3\t91\t16\t16\t8\t16\t12\t8\t18\t18\t8\t12\t12\t6\t12\t12\t12\t8\t12\t12\t8\t4\n2 1\tc1 I c\t16\t16\t14\t12\t12\t16\t10\t14\t8\t8\t10\t12\t6\t14\t12\t12\t12\t14\t12\t12\n\t\t\tU\t\t\tO\t\t\t\t\tA\t\t\t\tE\t\t\tI\t\t\t","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"Grunclton c1 = 256 Schw.\n24\t1- Kap. Analyse gesungener Vokale durch resonierende Gabeln.\nHa\t\tO\ttH\tTh\tCO\tCO\tTh\tTh\t00\tCd\tCd\tTh\t00\tTh\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t'\"H\t\tpH\t\t\tTh\t00\t00\t00\tTh\t\u00a9\nM\t\tl\tCd\tpH\tCO\to\t00\tCd\t00\t00\tTh\tTh\tCd\tCO\to\t\tw\t\t\t\t\t\t\t\tCd\n\t\t\t\t\t\tl\u201c1\t\t1-1\t\t\t\t\t\t1-1\t\t\tPh\t00\to\tO\tCO\tCO\tO\tTh\t\u00a9\ntc W\tCd\tCO\tCd\tCd\tCd\tCO\t00\to\tCO\tCO\tCO\tTh\t00\to\t\t\ttu\t\trH\tr\u20141\tpH\tpH\t\t\tCd\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\trH\t, 1\u20141\tPh\tTh\to\tO\tCO\tCd\t00\tTh\t00\nCO\tCd\tCO\tTh\tCO\t00\t00\to\tCd\tCO\tTh\tTh\tTh\tTh\tTh\t00\t\t-a*\t\t\tpH\trH\tpH\t\t\tPH\n\t\t\t\t\t\t\t1-1\t1\u20141\t\t\t\t\t\t\t\t\tA\t\t\tTh\t<N\t00\t\u00a9\tCd\tTh\nP\u00db\tCd\tTh\tTh\to\t\to\t00\tTh\t00\t00\tTh\tTh\t00\tTh\t00\t\to\t\t\t\ttH\ttH\tpH\tpH\tCd\n\t\t\t\t\t\t1-1\t1\u20141\t\t\t\t\t\t\t\tpH\t\tBe\t\t<n\tCO\tTh\tCd\t\u00a9\t00\t\u00a9\npO\t\t\tTh\tCd\tCO\tCO\t00\tTh\tCO\tCO\tTh\t00\too\t00\tCO\t\t\tH\t\tH\t\t\t\t\tCd\n*4\t\t\t\t1\u20141\t\t1\u20141\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nc3 jTj\t\t\t\tCO\tTh\tTh\tCd\tTh\tCG\tTh\tTh\t\u00a9\tCG\tOl\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nH\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\tpH\t\tPh\t\t\u00a9\tTh\t<N\tCG\t00\t00\t\u00a9\nSh KJ\t\t\t\tCd\tTh\tCd\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\tOl\tOl\t\u00a9\tOl\t\u00a9\t00\t\tw\t\t\t\tpH\t\t\t\tpH\nH\t\t\t\t\t\tH\t\tOl\t1-1\t\trH\t1-1\tOl\trH\t\t\tPh\tTh\tCG\t\u00a9\t\u00a9\tCd\t\u00a9\tCG\t\u00a9\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nt\u00ae\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\t00\tCd\t\u00a9\tCI\t00\t\u00a9\tTh\tCO\tCO\tOl\tco\to\t\tw\t\t\tpH\tpH\tpH\tpH\t\tpH\nw\t\t1\u20141\t00\t\t1-1\tpH\t\t\t\t\t\t\t\t\trH\t\u2022w\tPh\tTh\tTh\t\u00a9\tOl\tTh\t\u00a9\tTh\tCG\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\u2022+D\tTh\tCO\t\t\u00a9\tCd\tTh\tCd\t\u00a9\tCG\t00\t\u00a9\t\u00a9\tCG\tco\tco\t\t\t\t\tpH\t1\u20141\tpH\tpH\t\t1\u20141\n\t\t\t\u00a9\t1-1\trH\t\t\tpH\t\t\t\t\t\trH\t\t\tA\tOl\tTh\tTh\t00\t\u00a9\t\u00a9\tCd\tCd\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\npO\tTh\tCO\t\t\u00a9\to\tt\"\t\u00a9\tOl\tTh\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\trfi\tco\t\tO\t\t\t\t\tpH\tpH\ti\u2014i\tCd\n\t\t\t\t'\u201cl\trH\t\t\t\t1-1\t\t\t\t\t\trH\t\ts>\trH\tOl\t\u00a9\tco\tTh\t\u00a9\tCG\t\u00a9\n\t\t\tTh\t00\t<N\tCd\tCd\tOl\tOl\tCG\tCG\tOl\tOl\tco\tco\t\tffl\t\ttH\tpH\t\t\t\t\tpH\n\t\t\t\t\ti-H\tTH\tH\tpH.\tpH\t\t\tpH\ti\u2014i\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nc3\t\t\u00a9\tPH\tco\tTh\tTh\tcd\t_\tcd\tTh\tCd\tCd\tTh\t\u00a9\t\u00a9 .\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\niH\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t1-1\tCd\trH\tpH\t\t.\t\t\u00a9\t\u00a9\tCG\tTh\tTh\t\u00a9\tCd\t\t\nyj\tpH\t\u00a9\tTh\t\u00a9\tCd\t\u00a9\t\u00a9\tCG\t\u00a9\tcd\tCd\t\u00a9\tcd\t\u00a9\t\u00a9\t\t\tw\t\t\t\t\t\tI\u2014!\tpH\tiH\t\n\t\t\t\t\trH\t1-1\t1\u20141\t\t\tpH\t\tpH\tCd\t\t\t\tpC\tPh\t00\t00\tCD\tTh\t\u00a9\t\u00a9\t00\t<N\t\nfci)\t\u00a9\t\u00a9\tTh\tTh\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\tTh\tco\tCG\tCd\t\u00a9\tCd\t\u00a9\t\u00a9\t\t\u00fc\tK\t\t\t\t\t\t\t\trH\t\nM\t\t\t\t\t1-1\t1\u20141\t\t\t\t\t1-1\tH\tcd\t\t\t\tUl\ttu\t00\t00\tCG\tCd\tTh\t\u00a9\t\u00a9\t00\t><\nm\tCO\tTh\tTh\tCG\t\u00a9\tTh\tCG\t\u00a9\tco\t\u00a9\tCd\tCd\tCd\tCd\tCd\t\tCd\t\t\t\t\t\t\t\tpH\trH\t\n\t\t\t\t\t,_l\tpH\t\t\t\tpH\t1\u20141\t1-1\tCd\t\tpH\t\t\u00a9\tA\tTh\t\u00a9\tTh\tTh\t\u00a9\tCd\t\u00a9\t00\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\u25a0O\tco\t\u00a9\tCG\t\u00a9\tcd\tTh\tTh\tCG\tCG\tCd\t\u00a9\t\u00a9\tcd\t\u00a9\tCd\t\t\tO\t\t\t\t\t\ti\u2014l\tpH\tH\t\n\t\t\t\tr\u20141\t1\u20141\t1\u20141\tl\u20141\t\t\t\u201dH\tpH\t\tcd\t\t\t\tII\tm\tCd\t00\tTh\tTh\tCG\t\u00a9\tCd\tO\t\np\u00fc\t\t\t\tOl\tCG\tTh\tCG\t\u00a9\tTh\tCG\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\tCd\t\tfH\t\t\t\t'\u2014!\t\t\tpH\tpH\tH y\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\tr-1\t\tCd\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nw\t\t\t\tCd\t\tTh\t\u00a9\t\u00a9\tpH\tCd\tco\tCO\t\u00a9\tTh\t00\t\to 43\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\tCd\tCd\t1-1\t\t\tPh\t\tCd\tcd\t\u00a9\tCd\tCd\t\u00a9\t\u00a9 >\t\nw\t\t\t\tCd\t<N\tTh\t\u00a9\tCd\tTh\tTh\t00\tCd\t\u00a9\tCd\tCd\t\t\u00d6\tw\t\t\t\t\t\t\tCd\ti\u20141\t\n\t\t\t\t\t,\"H\t1\u20141\t\t\t\t\t\t1\u20141\tcd\tCd\t\t\ta\tPh\t\t\u00a9\tTh\tTh\t\tTh\tcd\tCG\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nt\u00ae\tcd\tTh\tTh\tco\tCO\tCG\tpH\tpH\tCd\tCO\tTh\tCG\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\t\tpH \u00d6\tm\t\t\t\t\t\t\trH\tpH\t\nw\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\tCd\trH\t>Q\t\tPh\t\tTh\tCG\tTh\tTh\tTh\tCd\t00\tO\n3q\tCd\tTh\t\u00a9\t\u00a9\tco\t\u00a9\tTh\tTh\tco\tTh\tTh\tCG\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\t\t\t*4\t\t\t\t\t\t\tpH\tpH\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\tCd\t1\u20141\t\t\t\u00c4\t\tTh\tTh\t\u00a9\tCO\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\t\npO\t\tCd\t\u00a9\t\u00a9\tco\tTh\tCG\tcd\tCd\tco\tTh\tTh\t\u00a9\tTh\t\u00a9\t\t\to\t\t\t\t\t\t\tCd\tCd\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\tcd\tCd\t1-1\t\t\tm\t\t00\tCO\tCd\tco\t\u00a9\tTh\tTh\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\tTh\tCd\tTh\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\t\t\t\t\t\t\t\t\t\ti\u20141\tCd\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\tCd\trH\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nc8\t\t\t\tpH\tco\t\t\u00a9\t\t\u00a9\tcd\tcd\tTh\t\u00a9\t\u00a9\t00\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nw\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t1\u20141\trH\t\t\t\tPh\t\t\t\tCG\t\tCd\t\u00a9\tCd\t\nH\t\t\t\t\tTh\tCd\tCd\tCG\tCG\tcd\tTh\t\u00a9\t\u00a9\tcd\t\u00a9\t\t\tM\t\t\t\t\t\t\ti\u20141\tCd\t\nrH\t\t\t\t\t\t\t1\u20141\t\t\t\t\t\t1-1\t1-1\tcd\t\t\tPh\t\tTh\tCd\tcd\t\u00a9\tTh\t00\t\u00a9\t\nfco\trH\t\t\t\tCd\tTh\tCd\tCO\tCO\tpH\tpH\tTh\t\u00a9\tTh\t\u00a9\t\t\tM\t\t\t\t\t\t\t\tH\t\n&\t\t**\t\trH\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t1-1\t\t\t\tPh\tCd\tCd\tcd\tcd\t\u00a9\tTh\t00\t\u00a9\t>P\n\t\t\t\tH\tCd\tCd\tCd\tCO\tCO\tCd\tTh\tTh\t\u00a9\t\u00a9\tcd\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\tCd\t\n00\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\tCd\t1-1\tCd\t\t\t\u00c4\t\t\t\tco\tTh\tTh\tcd\tTh\t\nO\t\t\trH\t\tpH\tCd\tcd\tCd\tpH\tco\tCd\tTh\t\u00a9\t\u00a9\tCd\t\t\tO\t\t\t\t\t\t\t1\u20141\tCd\t\nO\to 5s\u00ae \u00fc \u00d6jO \u00fc\n\u00e9\t1^,\nS tOLO^\u00abNHOOOO\u00a9lO'!tlM(NH\n\n00 O \u00a9 \u00bbO \u00ab (N","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Charakteristische Struktur.\n25\nFolgendes l\u00e4\u00dft sich aus diesen Tabellen deutlich erkennen; wobei wir vorerst unter a\u2014b nur die Verh\u00e4ltnisse f\u00fcr die Grundt\u00f6ne c und c1 ins Auge fassen.\na) Zahl und Lage der Maxima.\nDie Lage des ersten Maximums versinnlicht dieses Schema:\nGrundton c\t\t\t\t\t\tGrundton\tc1\t\ng2\t\t: 1 *\t\t\t\t*\t\t\ne2\t\t\t\t\t\t\t\t\nc2\t\t*\t\t\t\t*\t! *\t\ng1\t\t\t*\t\t\t\t\t\nc1\t*\t\t\t*\t*\t\t\t*\nc\t\t\t\t\t\t\t\t\n\tU\t0\tA\tE\tI\tU\t0 j A |\tE\tI\nWie man sieht, liegt es f\u00fcr beide Grundt\u00f6ne in gleicher absoluter H\u00f6he. Die Haupttabellen zeigen nur seltene und unbedeutende R\u00fcckungen, die als zuf\u00e4llig oder individuell angesehen werden m\u00fcssen. Das des E r\u00fcckt nur darum von g1 auf c2, weil g1 eben nicht als harmonischer Teilton im c1-Klange vorhanden ist. F\u00fcr den Grundton c mu\u00df allerdings mindestens beim U und I die Frage noch offen bleiben, ob das Maximum hier nicht auf dem Grundton selbst liegt. Wir hatten ja daf\u00fcr keine ansprechende Resonanzgabel. Diese Frage werden wir sp\u00e4ter zu bejahen finden.\nFerner ist immer im Auge zu behalten, da\u00df die Verh\u00e4ltnisse bei schw\u00e4cher oder in gr\u00f6\u00dferer Entfernung angegebenen Vokalen nicht genau dieselben zu sein brauchen. O. Weiss hat nach graphischen Befunden bereits darauf hingewiesen, da\u00df gerade in Hinsicht der relativen Grundtonst\u00e4rke zwischen stark und schwach angegebenen Vokalen ein Unterschied bestehe: in schwachen sei der Grundton relativ st\u00e4rker vertreten.\nAu\u00dfer dem 1. Maximum weisen unsere Tafeln fast alle noch weitere auf. Zun\u00e4chst ist f\u00fcr U und 0 fast immer ein solches bei g2 bemerkbar (auch in den Durchschnittszahlen deutlich ausgepr\u00e4gt). Beim 0 auf c1 bildet es die Fortsetzung des 1. Maximums, da g2 unmittelbar auf c2 folgt. In hellen oder metallreichen Stimmen folgt aber, wie besonders aus der Tabelle f\u00fcr c1, teilweise aber auch aus der f\u00fcr c hervorgeht, beim U und 0 der Bruststimme sogar noch ein 3. Maximum in der 4-gestrichenen Oktave.\nIn dieser Gegend haben auch A, E und I ein 2. Maximum, A aber wieder nur bei metallischen Stimmen im Brustregister.","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\t1. Kap. Analyse gesungener Vokale durch resonierende Gabeln.\nDie oberen Maxima f\u00fcr U, O, A haben neuerdings F. Trendelenburg und gleichzeitig die Amerikaner Crandall und Sacia auf graphischem Wege nachgewiesen (vgl. 8. Kap.). Auch einige Kurven Hermanns und Koehlers scheinen sie schon zu enthalten. In meinen Versuchen w\u00e4ren sie vielleicht auch noch \u00f6fter aufgetreten, wenn ich nicht in der ersten Zeit \u00fcber diese hohe Region bei U und O etwas rasch hinweggegangen w\u00e4re, in der Annahme, da\u00df hier keine Reaktion mehr zu erwarten sei. \u00dcbrigens vermuten die genannten Forscher mit Recht, da\u00df diese schwachen hohen Teilt\u00f6ne der dunklen Vokale nur die individuelle Klangfarbe der Stimme, nicht den Vokalcharakter beeinflussen. F\u00fcr meine eigene Stimme habe ich auch bei gelegentlichen direkten Beobachtungen des U ohne Resonanzgabeln mehrmals notiert: ,,auch ganz hohe T\u00f6ne der 4-gestrichenen Oktave, die aus der Nase zu kommen scheinen\u201c. Und Grassmann hat, wie ich nachtr\u00e4glich sehe, diese T\u00f6ne beim A schon 1854 direkt beobachtet (1, S. 14). Auch Helmholtz erw\u00e4hnt (S. 169), da\u00df bei etwas angestrengtem Forte der Stimme auf h\u00f6heren Noten deutlicher als bei allen (?) anderen Instrumenten hohe Obert\u00f6ne aus der Mitte der 4-gestrichenen Oktave erscheinen, deren St\u00e4rke aber individuellen Verschiedenheiten unterworfen und bei scharfen, hellen Stimmen gr\u00f6\u00dfer sei. Er beobachtete ferner (S. 188) ein eigent\u00fcmliches Rasseln bei Chorvortr\u00e4gen im Forte, das er auf die Schwebungen dieser hohen, durch die Resonanz des Geh\u00f6rganges verst\u00e4rkten Obert\u00f6ne zur\u00fcckf\u00fchrt. Dieses Rasseln ist auch mir in Konzerten stets aufgefallen; es ist sehr st\u00f6rend, sobald man seine Aufmerksamkeit darauf richtet, wird aber sonst \u00fcberh\u00f6rt. Es erscheint mir gegen\u00fcber den Stimmen selbst n\u00e4her lokalisiert, was mit der Verst\u00e4rkung im Geh\u00f6rgange Zusammenh\u00e4ngen mag. Bei Orchesterinstrumenten hat es Helmholtz niemals vernommen. In der Tat scheint es da nur ausnahmsweise aufzutreten und ist jedenfalls bedeutend weniger auff\u00e4llig. Der Grund d\u00fcrfte darin liegen, da\u00df die hohen Teilt\u00f6ne, die auch in Instrumenten kr\u00e4ftig vorhanden sein k\u00f6nnen, hier nicht, wie bei den Vokalen, durch leere oder sehr schwache Strecken von den tieferen getrennt sind, sich daher innerhalb der Klangmasse nicht so als gesonderte Gruppen geltend machen ; wozu noch kommt, da\u00df die Tonbewegung in der Orchestermusik durchschnittlich rascher, umfangreicher, mehr figuriert und auf abwechselnde Instrumente verschiedenster Klangstruktur verteilt ist. Bei den totenerweckenden Posaunenfanfaren in Berlioz\u2019 Requiem kann man ein scharfes Stechen wahrnehmen, an dem noch h\u00f6here Partialt\u00f6ne beteiligt sind, aber es erscheint nicht ebenso abgel\u00f6st vom Gesamtklange.\nDie genauere Lage des E- und I-Maximums l\u00e4\u00dft sich aus den Resonanztabellen nicht eindeutig erkennen; nur in den Durchschnittszahlen tritt ein deutlicher Unterschied hervor, indem sie f\u00fcr E bei e4, f\u00fcr I bei /is4\u2014g4 ein Maximum auf-weisen.\nAuch die Umlaute \u00d6, \u00c4, \u00dc, die bei Bl und Kr mituntersucht wurden, ergaben auf den beiden Grundt\u00f6nen c und c1 \u00e4hnliche Zahlenkurven mit einem unteren und einem oberen Maximum. Das erste f\u00e4llt f\u00fcr \u00d6 und \u00c4 mit dem des 0, f\u00fcr \u00dc mit dem des U zusammen. Das zweite liegt in der oberen H\u00e4lfte der 3- und der unteren der 4-gestrichenen Oktave.","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Ver\u00e4nderungen bei und \u00fcber c2.\n27\nb) Verlauf der St\u00e4rkekurven.\nDie Ab- und Zunahme der St\u00e4rken innerhalb der einen Vokal zusammensetzenden Teil tonreihe erfolgt im allgemeinen nicht ruckweise, so da\u00df ein Maximum beiderseits von schw\u00e4chsten T\u00f6nen oder einer Nullstrecke umgeben w\u00e4re,sondern allm\u00e4hlich. Man hat sich fr\u00fcher vielfach vorgestellt oder wenigstens so ausgedr\u00fcckt, da\u00df die Anwesenheit eines einzelnen bestimmten Tones, sei es eines harmonischen oder unharmonischen, schon den Vokalcharakter bedinge. Selbst Helmholtz scheint (nach einer m\u00fcndlichen \u00c4u\u00dferung M. Plancks) eine solche Vorstellung gehegt zu haben, wenn er auch recht wohl wu\u00dfte, da\u00df die dem charakteristischen Tone naheliegenden Teilt\u00f6ne etwas mitverst\u00e4rkt werden. In Wahrheit ist aber deren Mitwirkung, wie wir immer deutlicher erkennen werden, fast \u00fcberall durchaus wesentlich.\nc) St\u00e4rke der tiefsten Teilt\u00f6ne.\nEine bemerkenswerte Regelm\u00e4\u00dfigkeit besteht sowohl f\u00fcr den Grundton c wie f\u00fcr c1 in Hinsicht der St\u00e4rke des tiefsten Tones der Tabellen (d. h. des Grundtons bei c1 und des 2. Teiltons bei c) : seine St\u00e4rke nimmt von U nach 0 und A ab, dann wieder nach E und I zu. Dies h\u00e4ngt offenbar mit der Verschiebung des unteren St\u00e4rkemaximums zusammen: je mehr dieses in die H\u00f6he r\u00fcckt, um so mehr wird dem tiefsten Ton an St\u00e4rke entzogen. Wir werden dies sp\u00e4ter bei c auch bez\u00fcglich des Grundtones selbst best\u00e4tigt finden.\nVergleicht man ferner die unteren Teilt\u00f6ne bei c, c1, c2, so zeigt sich, da\u00df ihre St\u00e4rke im allgemeinen mit der H\u00f6he des Grundtones zunimmt. Die Gesamtenergie des Schalles verschiebt sich nach unten hin. Wir werden diesem aus allgemeineren Gr\u00fcnden wohlverst\u00e4ndlichen Zuge noch \u00f6fter, auch bei den Instrumenten, wieder begegnen.\n4. Ver\u00e4nderungen bei und \u00fcber c2.\nBei dem Grundton c2 ver\u00e4ndert sich das Bild merklich. Die einzelnen Vokalstrukturen n\u00e4hern sich einander. Die ersten Maxima liegen s\u00e4mtlich auf dem Grundton. Doch ist die soeben erw\u00e4hnte Gesetzlichkeit auch hier deutlich: der hier \u00fcberall sehr starke Grundton nimmt von U bis A ab, dann wieder bis I zu. Ein 2. Maximum ist hier \u00fcberall in der 4-gestrichenen Oktave vorhanden. Doch sinken die Teilt\u00f6ne des U und 0 nach der H\u00f6he hin alsbald zu niedrigen absoluten Werten herab, w\u00e4hrend die h\u00f6heren Teilt\u00f6ne von U bis I im allgemeinen immer mehr hervortreten. Da nun die ersten Maxima hier \u00fcberall auf demselben","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\t1. Kap. Analyse gesungener Vokale durch resonierende Gabeln.\nTon, die zweiten auf nur wenig verschiedenen T\u00f6nen liegen, ist-zu erwarten, da\u00df die Eigent\u00fcmlichkeiten der Vokale weniger als bei tieferen Grundt\u00f6nen zur Geltung kommen, insbesondere k\u00f6nnen U und O, I und E untereinander nach den Tabellen nur wenig verschieden sein (besonders bei den 2 Konzerts\u00e4ngerinnen sind die bez\u00fcglichen Zahlen so gut wie identisch). Und so ist es auch in Wirklichkeit, wie wir im 3. Kap. eingehender dartun werden. Auch da\u00df A in dieser Lage noch am deutlichsten erkennbar bleiben mu\u00df, l\u00e4\u00dft sich aus den Resonanztabellen verstehen: hier sind die 5 Zahlenreihen am gleichf\u00f6rmigsten und auch die h\u00f6chsten Teilt\u00f6ne \u00fcberall noch ziemlich kr\u00e4ftig ausgebildet.\nBei Grundt\u00f6nen, die \u00fcber c2 hinaus hegen, tritt eine fortschreitende Vereinfachung und Angleichung der Vokalstrukturen ein. Mit der Resonanzmethode habe ich nur beispielshalber das A auf gis2 = 800 Schw. untersucht, wof\u00fcr mir 6 Teiltongabeln zur Verf\u00fcgung standen: gis2, gis2, dis3, gis*, Hs*, dis5. S\u00e4ngerin war Frau Melanie Kurt, die ein besonders helles, gl\u00e4nzendes A hat. Die ersten 5 Gabeln wurden alle, und zwar in regelm\u00e4\u00dfig abnehmender St\u00e4rke, in Mitschwingung versetzt. Das Maximum lag auf dem Grundton, ein zweites schien hier nicht mehr vorhanden zu sein.\n5. Individuelle und Registerunterschiede.\nW\u00e4hrend die auf gleicher Tonh\u00f6he mehrfach angenommenen Reihen desselben S\u00e4ngers (Ab, HP) in ihrem Verlaufe wesentlich \u00fcbereinstimmen und die in der Klangfarbe \u00e4hnlichen Stimmen der Schwestern PI. auch in den St\u00e4rkekurven diese \u00c4hnlichkeit zeigen (nur etwas voller klingt die Stimme AP\u2019s, und auch dies l\u00e4\u00dft sich in den Zahlentabellen verfolgen), offenbaren sich in anderen F\u00e4llen gewisse Stimmeigent\u00fcmlichkeiten. Dahin geh\u00f6ren die obersten Maxima f\u00fcr U und 0 (s. o.). Bei Kr scheint besonders e* im Stimmklange beg\u00fcnstigt. E, das er nach eigener Angabe auf c1 schon \u201eetwas gedeckt\u201c singt, hat fast dieselbe Zusammensetzung wie \u00d6. Bei Frau Kurt fanden sich ungew\u00f6hnlich hohe Teilt\u00f6ne, auch ihr U hatte noch ein Nebenmaximum in der 4-gestrichenen Oktave. \u00c4hnliches bei Fri. Behrend, bei der auch die zweiten Maxima des E und I h\u00f6her als sonst hegen. Sie kann gleichsam in den Obert\u00f6nen hoher hinauf singen. Bei Frl. Ohlhoff haben die Grundt\u00f6ne des U und I eine au\u00dferordentliche St\u00e4rke. Auch \u00dc singt sie besonders voll. Beim \u00dcbergang \u00dc\u2014U erreicht die Resonanz der c2-Gabel eine St\u00e4rke, die ich mit 7 bezeichnen w\u00fcrde. Auch Frl. Behrend hat auf c2 ein U mit einer Grundtonst\u00e4rke \u00fcber 6 (24).","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Individuelle und Registerunterschiede.\n29\nDie geringere St\u00e4rke meiner eigenen Stimme (dar\u00fcber hat man selbst kein direktes Urteil) gegen\u00fcber der Dr. Abrahams zeigt sich in den absoluten Zahlen, die fast \u00fcberall kleiner sind. Noch geringer sind die absoluten Teiltonst\u00e4rken bei Ha. Aber der ganze Aufbau der Vokale, die wesentlichsten St\u00e4rke Verh\u00e4ltnisse unter den Teilt\u00f6nen werden dadurch nicht ber\u00fchrt. Bei Kg erkennt man die ungew\u00f6hnlich helle Stimme, die auch im Sprechen auff\u00e4llt, besonders an den Zahlen f\u00fcr A und E. HP mu\u00df das U in der 2. Reihe etwas dunkler gegeben haben usw.\nSchlechte, d\u00fcnne Stimmen scheinen L\u00fccken in der Obertonreihe, gleichsam zerschlissene Struktur, zu haben1).\nIm Anschlu\u00df an die individuellen Unterschiede m\u00f6ge noch eine kleine Versuchsreihe mit Dr. Abraham erw\u00e4hnt werden, bei der es darauf an-kam, ein helles A, wie es in diesen Versuchen stets verlangt wurde, mit einem dunkleren zu vergleichen. Die verschiedene Aussprache des A geh\u00f6rt ja auch unter die typischen individuellen Verschiedenheiten im gew\u00f6hnlichen Leben.\nDas Maximum bleibt in allen F\u00e4llen auf g2. Der Unterschied des hellen vom dunklen A zeigt sich aber darin, da\u00df beim dunklen die unteren Teilt\u00f6ne st\u00e4rker sind als beim hellen, w\u00e4hrend bei diesem die hohen das \"\u00dcbergewicht \u00fcber die des dunklen haben. Beim dunklen sind die T\u00f6ne bis g2, beim hellen die von c3 bis c5 st\u00e4rker (nur einige Male gleich). Es sind meist kleine LTnterschiede, doch die der tiefsten T\u00f6ne sind bedeutend, und alle zusammenwirkend gen\u00fcgen, die Klangfarbe merklich zu ver\u00e4ndern2).\n\tA auf c\t\tA auf c1\t\nc5\t0\t0\tVi\t0\n7i4\tV\u00ab\ti / ; 2\t1\tl/2\n64\t1\t1\t2\t1\na4\t2\t1\t6\t4\ngi\t6\t4\t6\t4\nlis4\t4\t3\t3\t3\ne4\t4\t1\t4\t2\ndi\t2\t1\t2\t1\nc4\tV,\tVf\t2\t1\nh3\t1\t0\t\u2014\t\n63\t2\tV.\t6\t1\n93\t4\t2\t8\t6\ne3\t8\t6\t8\t8\nd3\t10\t8\t\u2014\t\nc3\t12\t8\t16\t16\n62\t16\t16\t\u2014\t\u2014\n92\t18\t20\t22\t24\ne2\t12\t14\t\u2014\t\u2014\nc2\t12\t16\t16\t20\n91\t4\t10\t\t'' '\nc1 c\t3\t8\t4\t8\n\thell\tdunkel\thell |\tdunkel\n4) Auch Sokolowsky glaubt aus seinen graphischen Aufnahmen schlie\u00dfen zu d\u00fcrfen, da\u00df gequetschte und gaumig klingende Stimmen \u00e4rmer an Obert\u00f6nen seien (nach Nadoleczny S. 655).\n2) Die vorher mitgeteilten Zahlen f\u00fcr das A\u00dfBAHAMsche A auf c und c1\nunterscheiden sich im einzelnen nicht ganz unbetr\u00e4chtlich von denen des","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\t1. Kap. Analyse gesungener Vokale durch resonierende Gabeln.\nZwischen M\u00e4nnern und Frauen zeigen unsere Tabellen, wenn die Vokale auf dem gleichen Grundton (c1) gesungen wurden, keine charakteristischen Verschiedenheiten. Doch liegen mir nur wenige Reihen auf c1 von Frauenstimmen zur Vergleichung vor.\nWegen der eigent\u00fcmlichen Klangfarbe der Knabenstimme untersuchte ich den Vokal A bei 4 Knaben (Alter von R. 13, P. 10, N. und J. 12 Jahre) auf den Grundt\u00f6nen f1 und c2. Die besten Stimmen hatten N. und J., die aus dem Knabenchor der staatlichen Bildungsanstalt in Lichterfelde ausgew\u00e4hlt waren; besonders sch\u00f6n und charakteristisch schien mir die Stimme von N. Alle Stimmen waren aber schw\u00e4cher als die gew\u00f6hnlichen Frauenstimmen. Die folgenden Tabellen zeigen die Ergebnisse.\nKnabenstimmen auf f1 und c2\n\tR.\tP.\tX.\tJ.\t\tR.\tP.\tX.\tJ,\nc5\t1\t7\u00ab\t\t\t\t\t\t\t\na4\t2\t3\t\t\t\t\t\t\t\n9i\t2\t2\t2\t3\tc5\t4\t4\tV2\tV2\n/4\t4\t4\t3\t3\t64\t4\t2\t72\t2\nc4\t3\t3\t0\t0\t9i \\\t2\t4\t3\t4\na3\t3\t3\t4\tv2\te4\t8\t6\t4\t6\n/3\t8\t6\t6\t4\tc4\t4\t6\t8\t6\nc3\t6\t4\t6\t2\t93\t8\t4\t4\t5\nP\t12\t14\t12\t10\tc3\t8\t6\t8\t6\nf1\t12\t12\t8\t10\tc2\t10\t12\t11\t10\nA\nDas 2. Maximum beim Grundton fl ist sehr schwach und bei N. und J. durch einen Nullpunkt (mehrmals gepr\u00fcft) von den tieferen Teilt\u00f6nen getrennt. Auff\u00e4llig \u00fcberall die Schw\u00e4che des c3 (Koehlers A-Zentrum). Die Tabelle f\u00fcr c2 gestattet Vergleiche mit denen der Frauenstimme f\u00fcr denselben Ton (S. 24). Die Teilt\u00f6ne sind fast \u00fcberall schw\u00e4cher als dort, und das 2. Maximum liegt etwas tiefer (hier c4\u2014e4, dort g4). Ich m\u00f6chte aber aus diesen wenigen Versuchen (bisher sind Knabenstimmen meines Wissens \u00fcberhaupt noch nicht gepr\u00fcft) noch keine sichere Schlu\u00dffolgerung \u00fcber die Ursachen der Klangverschiedenheit ziehen.\nAuch den Unterschied der Stimmregister endlich kann man mit der Resonanzmethode untersuchen. Dr. Abraham, der auch im Falsettsingen bewandert ist, sang die 5 \u201eHauptvokale\u201c in dieser Form auf f1. (Dieser Ton wurde gew\u00e4hlt, weil bei c2 schon\nhellen A in der gegenw\u00e4rtigen Liste: dort ist der Gesamtklang auf c offenbar st\u00e4rker gewesen, was sich besonders in den tiefsten und h\u00f6chsten Teilt\u00f6nen zeigt. Aber die Struktur des Klanges, die Verteilung und Lage der Maxima ist gleichwohl dieselbe.","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Schranken der Gabelmethode.\n31\nder alterierende Einflu\u00df der H\u00f6henlage beginnt, der sich mit dem des Falsetts vermischt h\u00e4tte, und weil f\u00fcr /1 noch eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl von Teilt\u00f6nen in Frage kamen, f\u00fcr die auch die n\u00f6tigen Gabeln vorhanden waren). Die Vokale sind in dieser Lage der Fistelstimme noch ganz wohl erkennbar, aber alle mehr oder weniger verdunkelt, am meisten 0, das stark nach U, und I, das etwas nach E hin verschoben ist. Sie ergaben folgende St\u00e4rkereihen :\n\tFalsett auf f1.\t\t\t\t\tBruststimme Heldentenor 1 Dilettant\t\na4\t\t\t\t\t2\t2\t4\n/4\t\t\t\t8\t8\t10\t8\nc4\t\t\tVi\t2\t0\t6\t6\nc?3\tVi\tVi\t3\t4\t3\t4\t4\n/3\t3\t2\t6\t6\t4\t10\t8\nc3\tV 2\t4\t6\t4\t4\t6\t6\n/2\t16\t18\t12\t10\t6\t20\t16\n/1\t16\t14 |\t10\t12\t12\t10\t12\n\tu |\t0 |\tA\t1 E\t1 1\tA\t\nDie Teilt\u00f6ne gehen also nicht so hoch hinauf wie bei dem Brustregister in allen Lagen. Bei den dunkelsten Vokalen fehlen die hohen Teilt\u00f6ne, dagegen sind die tiefen \u00fcberall relativ verst\u00e4rkt. Daher die weiche und etwas verdunkelte Farbe des Falsetts. Die Lage der Maxima ist aber unver\u00e4ndert.\nBei graphischen Aufnahmen von Falsett\u00f6nen fand Katzenstein (2), da\u00df die Wellen fast alle wie Sinuskurven aussahen; auch die Analyse ergab nur winzige Obertonst\u00e4rken. Da man aber auf Vokalen jodeln kann \u2014 duli\u00f6h, holdrio ! \u2014, so waren eben die Aufnahmen ungen\u00fcgend. Besser ist schon die neuerdings von Nadoleczny (S. 644) als Probe der FBANKschen Methode auf genommene Kurve eines auf g falsettierten O.\nZur Vergleichung wurde das A auf /1 auch bei einem jungen Heldentenor der staatlichen Hochschule f\u00fcr Musik mit \u00e4u\u00dferst kr\u00e4ftiger, metallreicher Stimme untersucht. Aus der obigen Tabelle, die auch mit der f\u00fcr den gleichen Ton bei Knabenstimmen verglichen werden kann, geht hervor, da\u00df das 1. Maximum (/2) au\u00dferordentlich stark, ein 2. bei /3 und ein 3. ebenso starkes bei /4 vorhanden war. c3 war auch hier auffallend schwach. Die Teiltonreihe geht aber nicht etwa besonders hoch: a4 war schon fast unh\u00f6rbar und c5 bei wiederholten Versuchen \u00fcberhaupt nicht zur Resonanz zu bringen.\n6. Schranken der Gabelmethode.\nBei der Deutung und Bewertung aller vorstehenden Ergebnisse darf niemals au\u00dfer acht gelassen werden, da\u00df sie unter speziellen","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\t1. Kap. Analyse gesungener Vokale durch resonierende Gabeln.\nBedingungen gewonnen sind: 1. bei gro\u00dfer Klangst\u00e4rke, unmittelbar vor dem Munde des S\u00e4ngers, 2. haupts\u00e4chlich auf den Grundt\u00f6nen c, c\\ c2. Wenn es richtig ist, da\u00df nur harmonische Teilt\u00f6ne die Vokale zusammensetzen, so folgt gerade daraus, da\u00df das Maximum eines Vokals nicht immer auf genau demselben Tone liegen kann, wenn es auch innerhalb einer gewissen Zone verbleiben mu\u00df. Daf\u00fcr liefert auch schon die Resonanzmethode selbst die Belege. So ergibt z. B. ein auf gis gesungenes A ein sehr stark resonierendes gis2, ein auf b gesungenes ein sehr starkes b2. Die gesamte Strecke, innerhalb deren das 1. St\u00e4rkemaximum des A liegt, mu\u00df also mindestens bis b2 reichen. Das Genauere hier\u00fcber ist auf diesem Wege, wenn nicht eine noch viel gr\u00f6\u00dfere Menge von Gabeln angewandt werden, nicht festzustellen.\n\u00dcberhaupt hat die Methode hieran ihre nat\u00fcrlichen Schranken. Aber zur Vorbereitung weiterf\u00fchrender Methoden, zur ersten \u00dcbersicht \u00fcber die Anzahl und die St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse der Teilt\u00f6ne und zur Analyse individueller Unterschiede wird sie immer n\u00fctzlich bleiben. Ja, auch wenn nur wenige Gabeln vorhanden sind, beh\u00e4lt sie ihren Wert als \u00fcberzeugendes Demonstrationsmittel.\nVgl. hier\u00fcber o. S. 16.\nEin guter Demonstrationsversuch ist es auch, wenn man eine' Reihe von Gabeln, die die harmonischen Teilt\u00f6ne eines Stimmklanges enthalten, vor sich hinstellt und auf dem Grundton dagegensingt. Man h\u00f6rt dann einen ganzen Akkord mit verschiedener St\u00e4rke der einzelnen Komponenten nachklingen. Gleich zu Anfang meiner Resonanzversuche lie\u00df ich einen S\u00e4nger die Vokale auf c1 vor der Gabelreihe c1 c2 g2 c3 e3 g3 angeben und beobachtete, da\u00df bei U c1, bei O c2 und g2, bei A g2 am st\u00e4rksten erklangen, bei E wieder c2, bei I c1. Dies stimmt vollkommen mit den durchgef\u00fchrten Resonanzreihen. Aber nat\u00fcrlich w\u00fcrde es nicht zur Erkenntnis der Vokalstrukturen gen\u00fcgen.\nAnhang.\nResonanzversuche am Klavier.\n1. Singt man in das Klavier bei aufgehobener D\u00e4mpfung einen Vokal, so h\u00f6rt man ihn bekanntlich mehr oder weniger deutlich nachklingen. Es werden eben die Teilt\u00f6ne gleich oder nahezu gleich gestimmter Saiten in einigerma\u00dfen entsprechenden St\u00e4rke Verh\u00e4ltnissen erregt. Also zugleich eine Analyse und eine Synthese; freilich beide nur sehr unvollkommen, weil die h\u00f6heren Saiten dabei den Dienst versagen. Aber auch alte und neue Instrumente und mehr oder weniger klangreiche unter den heutigen antworten ungleich. Schon Hellwag sagt in einem hinterlassenen Manuskript vom Jahre 1780: \u201eWenn man die Vokale A, O, U in die Saiten eines Klaviers hineinruft, so t\u00f6nen sie den Vokal wieder, aber nicht die Vokale \u00c4, E, I.\u201c HELMHOLTzens Klavier war schon gef\u00fcgiger, nur das I gelang \u201eweniger","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Resonanz versuche am Klavier.\n33\ngut\u201c (S. 105). Doch d\u00fcrfte Helmholtz hier etwas nachsichtig geurteilt haben. Denn selbst \u00fcber einen modernen Bl\u00fcthner-Konzertfl\u00fcgel ersten Ranges (mit 4 gleichgestimmten Saiten f\u00fcr jeden Ton von an2 an) berichtet mir Herr A. Kreichgatjer : ,,A sehr gut, E und I unkenntlich und ununterscheidbar; die \u00fcbrigen Vokale (auch \u00c4, \u00d6, \u00dc wurden untersucht) einigerma\u00dfen, doch keiner au\u00dfer A so, da\u00df ein v\u00f6llig unbeeinflu\u00dfter Beobachter, der den gesungenen Vokal nicht vorher h\u00f6rt und den Zusammenhang kennt, die Klavierwiedergabe f\u00fcr einen bestimmten Vokal halten w\u00fcrde ... Er wird, befragt, vielleicht ebenso leicht auf Musikinstrumente tippen als auf Vokale.\u201c\n2. Bedeutsamer als das Nachklingen der ganzen Vokale ist f\u00fcr unsere Zwecke die Feststellung der einzelnen mitklingenden Saiten und die St\u00e4rke ihres Mitklingens. Von solchen Versuchen scheinen HELMHOLTzens Analysen \u00fcberhaupt ausgegangen zu sein, da er sie allein in seinem Schreiben an Donders 1857 erw\u00e4hnt, um darauf die These zu st\u00fctzen, da\u00df die Vokale sich durch ihre Obert\u00f6ne unterscheiden. A enth\u00e4lt danach neben dem 1. (Grundton) deutlich den 3. und 5., schw\u00e4cher den 2., 4., 7. O den 3. etwas schw\u00e4cher als bei A, sehr schwach den 2. und 5. U fast nur den Grundton, schwach den 3. E sehr kr\u00e4ftig den 2., die h\u00f6heren kaum h\u00f6rbar. I schwach den 1., daneben den 2. und 3., schwach auch den 5.\nLeider gibt Helmholtz die H\u00f6he des gesungenen Grundtones selbst nicht an. Es hat fast den Anschein, als habe er damals noch auf dem Standpunkt der Relativtheorie gestanden. Lag aber der Grundton, wie es wahrscheinlich ist, in der unteren H\u00e4lfte der kleinen Oktave, so lassen sich die Ergebnisse nach dem Obigen wohl verstehen; bei E imd I resonierten eben nur die unteren Maxima. In der \u201eLehre von den Tonempfindungen\u201c erw\u00e4hnt er die Methode S. 65, sieht aber von n\u00e4heren Angaben ab. In der Tat reicht dieses Verfahren zur systematischen Analyse bei weitem nicht aus. Doch seien einige Versuche erw\u00e4hnt, die jeder leicht nachpr\u00fcfen kann.\nMan h\u00f6rt die Teilt\u00f6ne dabei leichter als in dem nat\u00fcrlichen Vokal heraus, weil die Saiten in verschiedenem Tempo abklingen und ungleich lokalisiert sind. Man mu\u00df nach aufgehobener D\u00e4mpfung die tiefen, unterhalb des gesungenen Tones liegenden Saiten durch ein Kissen bedecken, weil sich sonst darin zahllose Partialschwingungen bilden, die untereinander ein Ger\u00e4usch geben, das namentlich beim A st\u00f6rend wird. Wenn dann zun\u00e4chst die St\u00e4rke des Mitschwingens f\u00fcr den Grundton festgestellt ist, bedecke man auch dessen Saite mit der Hand, um den n\u00e4chsth\u00f6heren Teilton deutlicher zu h\u00f6ren, usf. Das D\u00e4mpfungspedal mu\u00df vorsichtig, langsam niedergetreten werden, weil sonst wieder ein langnachhallendes Ger\u00e4usch entsteht. Man macht die Beobachtungen am besten in der Nacht bei v\u00f6lliger \u00e4u\u00dferer Stille.\nIch habe so an einem \u00e4lteren Fl\u00fcgel von Ritm\u00fcller die Vokale U, O, A, I (zwischen E und I sind auf diesem Wege keine deutlichen Unterschiede zu erwarten) auf verschiedenen Grund t\u00f6nen untersucht und folgende Teilt\u00f6ne beobachtet:\n1.\tGrundton A (der gro\u00dfen Oktave). U: Grundton und e1 stark. O: Grundton weniger stark, el schwach, a1 kr\u00e4ftig. A: Grundton h\u00f6rbar, Obert\u00f6ne undeutliche Masse, doch e2 und g2 erkennbar. I: Grundton und e1 deutlich; von hohen Obert\u00f6nen nichts erkennbar.\n2.\tGrundton c. U: c sehr stark. O: g1 merklich, auch e2 scheint vorhanden. A: c schwach, b2 hervortretend. I: c stark. Hohe T\u00f6ne?\nStumpf, Sprachlaute.\n3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\t1. Kap. Analyse gesungener Vokale durch resonierende Gabeln.\n3.\tGrundton d. U : d stark, auch a1. O : d stark, a1 st\u00e4rker. A: d schwach, die folgenden Obert\u00f6ne, auch noch der 7. (c3), merklich. I: d st\u00e4rker, unter den Obert\u00f6nen h\u00f6chstens ein schwaches d4.\n4.\tGrundton /. U : / und besonders stark f1. O : / st\u00e4rker, dazu c2. A: wieder eine Menge Teilt\u00f6ne, / und f1 ziemlich gut, au\u00dferdem a2 und c3 hervortretend. I: / vorhanden, /1 st\u00e4rker. Hohe Teilt\u00f6ne?\n5.\tGrundton a. U: a stark, e2 ganz schwach. O: a schw\u00e4cher, a1 st\u00e4rker, e2 ganz schwach. A: Ger\u00e4usch mit vielen T\u00f6nen, erkennbar a, a2, gz + a3 (diese nicht recht trennbar, schwebend), h3. I: a, au\u00dferdem etwa schwaches d4.\n6.\tGrundton d1. U: d1 stark, sonst nichts. O: d1, d2. A: Ger\u00e4usch mit vielen T\u00f6nen, darin a2, c3 kenntlich, ein anderes Mal auch e3, h3. I: d3 und deutliches d4, ein anderes Mal auch fis*.\nWeitere Beobachtungen zeigten, da\u00df beim A immer T\u00f6ne der 2-gestri-chenen Oktave (verschieden je nach dem Grundton) besonders verst\u00e4rkt waren.\nNeuerdings hat auf meinen Wunsch Herr A. Kreichgauer an dem obenerw\u00e4hnten Konzertfl\u00fcgel die Versuche auf den T\u00f6nen A, c, d wiederholt. Der Hauptunterschied war, da\u00df beim Vokal A auf dem Ton A auch der Grundton sehr stark war (vielleicht infolge zuf\u00e4llig besonders starker Tongebung) und da\u00df hier noch \u00fcber g2 hinaus schwache Teilt\u00f6ne bis dis3 erklangen. Auch auf dem Tone c reichten die Teilt\u00f6ne des A bis d3, auf d sogar bis fis3. Beim U machte sich noch das 2. Maximum um g2 (a2) geltend. Aber bei den hellen Vokalen (hier wurden auch die Umlaute gepr\u00fcft) fand sich- trotz der 4 Saiten der hohen Region auch hier nur das untere Maximum, h\u00f6chstens ein ganz schwaches isoliertes e3 bei \u00c4 und \u00d6 auf d.\nDas Klavier hat au\u00dfer seiner Allgegenwart als Saloninstrument auch den Vorteil, da\u00df man jeden beliebigen Grundton der chromatischen Skala, w\u00e4hlen und so vor allem die ann\u00e4hernde Konstanz der Maxima in ihrer absoluten H\u00f6henlage pr\u00fcfen kann, wenigstens bei den dunkleren Vokalen. In dieser Hinsicht wird man die aus unseren Resonanztabellen ersichtliche und im folgenden weiter zu besprechende Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit daran best\u00e4tigt finden; ebenso, da\u00df niemals eine Saite zum Mitklingen zu bringen ist, die nicht einem harmonischen Oberton unmittelbar nahe liegt (so auch Kreichgauer). Die kleinen, durch die temperierte Stimmung verursachten Abweichungen liegen noch in der Resonanzbreite der Saiten. Immerhin bedingen sie Modifikationen in der St\u00e4rke des Mitschwingens. \u00dcberhaupt w\u00fcrde ich aus Klavierversuchen allein diesen Schlu\u00df auf nur harmonische Teilt\u00f6ne noch nicht mit solcher Bestimmtheit ziehen.\nStefanini beschreibt (1914) Klavier versuche, bei denen er einzelne Saiten auf ihr Mitschwingen untersuchte, indem er sie mit einem Mikrophon verband und den Ton durch ein Telephon abh\u00f6rte. So antwortete die Saite gis3 = 1600 Schwingungen, wenn der Vokal U auf es \u2014 155 Schwingungen gesungen wurde. Dies w\u00e4re ein Ton, der 50 Schwingungen \u00fcber dem 10. harmonischen Teilton l\u00e4ge. Dieselbe Saite antwortete bei O, A, E, I, wenn sie auf 170 Schwingungen gesungen wurden; was einem Ton entspr\u00e4che, der 70 Schwingungen \u00fcber dem 9. harmonischen Teilton l\u00e4ge. Stefanini schlie\u00dft daraus wieder auf unharmonische Obert\u00f6ne. Aber wenn etwa im 1. Falle der S\u00e4nger auch nur um 5 Schwingungen, im 2. Fall um 9 Schwingungen zu hoch gesungen hat, was bei den besten S\u00e4ngern","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Resonanzversuche am Klavier.\n35\nVorkommen kann* 1), w\u00fcrde es auch mit den harmonischen Teilt\u00f6nen genau stimmen. Au\u00dferdem kommt die Resonanzbreite der Saite in Betracht. Es w\u00e4re also erst durch kleine H\u00f6henversehiebungen des gesungenen Tones der Punkt st\u00e4rkster Resonanz der Saite aufzusuchen, ehe man auf unharmonische Teilt\u00f6ne schlie\u00dfen k\u00f6nnte. Im \u00fcbrigen ist das Vorhandensein eines so hohen Teiltones in den dunklen Vokalen bemerkenswert (s. o. S. 26). Vielleicht w\u00fcrde sich doch die weitere Ausbildtmg dieser Methode, wenigstens f\u00fcr gewisse Fragepunkte, lohnen.\nWer eine Harfe oder Zither zur Hand hat, kann nat\u00fcrlich auch da \u00e4hnliche Beobachtungen wie am Klavier machen. Hier lassen sich die Saiten auch sehr leicht in reine Stimmung zu einem gew\u00e4hlten Grundton bringen. Die hellen Vokale bzw. deren obere Maxima kommen auch bei der Zither nicht heraus, recht gut aber O, A und deren untere Maxima. Selbst die Violine kann zu gewissen Proben auf unsere Resonanz versuche dienen. D\u00e4mpft man die 3 oberen Saiten mit dem Finger und singt nun auf dem Tone g den Vokal A, so klingt g'z nach. Bei O klingt g1, ebenso bei E (1. Maximum). Bei U g2 (2. Maximum). Diese T\u00f6ne entstehen durch Partialschwingungen der g-Saite. Die Saite als Ganzes brachte ich durch Singen ihres Grundtones nicht zum Mitschwingen, auch nicht mit U. Mit I war \u00fcberhaupt nichts zu erreichen, weil eben g nicht erregt wird, das obere Maximum aber schon zu hoch liegt.\n2) Eine ge\u00fcbte S\u00e4ngerin machte beim Nachsingen nach Sokolowskys Messungen (Nadoeeczny S. 653) Fehler bis zu 3,52%. Dies w\u00e4ren im\n1. Falle bis 51/2, im 2. bis 6 Schwingungen. Es kommen aber noch gr\u00f6\u00dfere Fehler vor; vgl. Kl\u00fcnder im Arch. f. Anat. u. Physiol. 1879. Die Kurve\neines routinierten S\u00e4ngers zeigte derartige Schwankungen, da\u00df sie zur Messung gar nicht zu brauchen war. Hier\u00fcber w\u00e4ren also in den obigen F\u00e4llen zun\u00e4chst Feststellungen erforderlich gewesen.\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"2. Kapitel.\nAnalyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hrenJ).\nBekanntlich l\u00e4\u00dft sich eine Schallwelle dadurch vernichten, da\u00df man sie durch eine R\u00f6hre mit einer Zweigleitung schickt, aus der sie mit einer Verl\u00e4ngerung ihres Weges um eine halbe Wellenl\u00e4nge zur Hauptleitung zur\u00fcckkehrt. Dann kommen Berg und Tal zusammen und heben sich gegenseitig auf. So kann man nun auch Teilt\u00f6ne eines Klanges vernichten. Gr\u00fctzner ben\u00fctzte dieses Prinzip 1891 zur Vokalanalyse und gab zugleich der Zweigleitung die bequemste Form, indem an einer Stelle der Hauptleitung eine auf ^-Wellenl\u00e4nge des auszuschlie\u00dfenden Tones eingestellte Seitenr\u00f6hre rechtwinklig angesetzt wurde, so da\u00df der Ton, darin hin- und zur\u00fccklaufend, um eine halbe Wellenl\u00e4nge verschoben wurde. Gr\u00fctzners Analysen wurden durch Satjberschwarz 1895 fortgesetzt. Aber beide Forscher f\u00fchrten die Methode nicht systematisch genug durch. Sie beschr\u00e4nkten sich fast nur auf die Ausl\u00f6schung des Grundtones und der damals angenommenen \u201echarakteristischen T\u00f6ne\u201c. Sp\u00e4ter hat W. Koehler in seinen Vokalstudien davon Gebrauch gemacht und wesentliche Schl\u00fcsse gegen die Hermann sehe Theorie daraus gezogen. Gewisse Schwierigkeiten aber, die dieser Methode anhaften, m\u00f6gen ihre allgemeinere Anwendung und konsequente Durchf\u00fchrung verhindert haben. Im folgenden sollen zun\u00e4chst diese Schwierigkeiten besprochen werden. Gerade sie f\u00fchrten zu einer Ausgestaltung des Verfahrens, wodurch es f\u00fcr die Erkenntnis der Vokalstrukturen in hohem Ma\u00dfe fruchtbar wird2).\nx) \u201eInterferenz\u201c wird im folgenden zumeist durch \u201eIf.\u201c wiedergegeben.\n2) Zur Herstellung einfacher T\u00f6ne habe ich bereits 1896 die If,-Methode angewandt und empfohlen und sp\u00e4ter namentlich in der Untersuchung \u00fcber Kombinationst\u00f6ne (1903\u2014-1909) davon systematischen Gebrauch gemacht. If.-Einrichtungen geh\u00f6ren zu den unentbehrlichsten Bestandst\u00fccken eines akustischen Instituts.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichzeitige Ausl\u00f6schung der ungeradzahligen Multipla.\n37\nI. Prinzipielle Schwierigkeiten und deren L\u00f6sung.\n1. Gleichzeitige Ausl\u00f6schung der ungeradzahligen\nMultipla.\n(Ab- und Aufbaureihen, L\u00fccken-, Stich- und Isolierversuche.)\nMit einem bestimmten Tone von der Schwingungszahl n m\u00fcssen theoretisch auch die Schwingungen 3 n, 5 n . . . ausgel\u00f6scht werden, weil auch bei diesen entgegensetzte Phasen des Wellenzuges Zusammentreffen. Hat man also beim Ausschlu\u00df eines Teiltons n eine bestimmte Ver\u00e4nderung des Vokalklanges bemerkt, so kann sie zun\u00e4chst ebensogut von dem gleichzeitigen Ausschlu\u00df des Teiltons 3 n, 5 n usf. herr\u00fchren. Nun trifft freilich die theoretische Folgerung so allgemein in Wirklichkeit nicht zu (s. u.). Aber eindeutige Schl\u00fcsse erscheinen eben zun\u00e4chst doch unm\u00f6glich.\nDieser Schwierigkeit wurde in der Weise vorgebeugt, da\u00df der Vokal von oben herab systematisch durch Einf\u00fcgung immer l\u00e4ngerer Seitenleitungen abgebaut wurde, bis endlich nur der Grundton selbst als einfacher Ton \u00fcbrigblieb1). Die dabei eintretenden Klangver\u00e4nderungen wurden Schritt f\u00fcr Schritt beobachtet. Dann wurde der Laut auf dem umgekehrten Wege, durch Einschieben der R\u00f6hren, wieder aufgebaut und die Ver\u00e4nderungen in umgekehrter Folge beobachtet.\nMan braucht dazu nat\u00fcrlich ein System vieler Seitenr\u00f6hren und mu\u00df zun\u00e4chst, solange man noch nicht sicher wei\u00df, ob au\u00dfer den harmonischen nicht auch unharmonische Teilt\u00f6ne vorhanden sind, in m\u00f6glichst kleinen Schritten Vorgehen. Aber bald best\u00e4tigte sich auch auf diesem Wege, da\u00df unharmonische nicht da waren2),\n\u2019) Immer noch findet man die Behauptung, es sei noch nicht gelungen oder \u00fcberhaupt unm\u00f6glich, v\u00f6llig einfache T\u00f6ne herzustellen (z. B. bei Ziehen, Leitfaden der Physiolog. Psychologie, 12. Aufl. 1924, S. 151). Dies ist aber seit Jahrzehnten auf dem angegebenen Wege geschehen. Im \u00fcbrigen braucht man auch nur zu pfeifen : denn Pfeift\u00f6ne sind tats\u00e4chlich einfache T\u00f6ne (s. 6. Kap.).\n2) Koehler fand bereits, da\u00df beim Ausschlu\u00df aller harmonischen Teilt\u00f6ne \u00fcberhaupt nichts \u00fcbrigblieb, und schlo\u00df daraus, da\u00df unharmonische nicht vorhanden seien. S. Garten bestreitet diesen Schlu\u00df mit Hinweis auf die If.-Breite, verm\u00f6ge deren mit einem harmonischen auch ein benachbarter unharmonischer Ton vernichtet werden k\u00f6nne. An sich ist dies auch richtig, wenn sie einander nahe genug liegen. Aber da bei den zahllosen Einzelversuchen und Versuchsmodifikationen, die meine Untersuchungen mit sich brachten, niemals ein solcher Ton eindeutig auf getreten ist, auch nicht innerhalb eines gro\u00dfen Zwischenraums zwischen harmonischen T\u00f6nen, so wird man meine zuversichtliche Stellungnahme verstehen.","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\t2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\nund nun konnten von vornherein die R\u00f6hreneinstellungen auf harmonische beschr\u00e4nkt und damit R\u00f6hren gespart werden.\nDa bei solchem Vorgehen stets s\u00e4mtliche \u00fcber einem gewissen Punkte der Tonlinie liegenden Teilt\u00f6ne ausgeschlossen bleiben, so kann eine beobachtete Klangver\u00e4nderung nur auf die zuletzt eingef\u00fcgte bzw. abgestellte Zweigleitung bezogen werden. Die Deutung auf ungeradzahlige Multipla ist ausgeschlossen.\nBeim Ab- und Aufbau kann man L\u00e4ngs- oder Querschnitte machen, d. h. entweder einen Vokal nach dem anderen vollst\u00e4ndig ab- und aufbauen, oder bei jeder Einstellung s\u00e4mtliche oder mehrere Vokale durchpr\u00fcfen und dann erst zur n\u00e4chsten Einstellung \u00fcbergehen. Meistens wurden L\u00e4ngsschnitte gemacht, Querschnitte aber vielfach zur Kontrolle eingef\u00fcgt. Das Querschnittsverfahren f\u00fcr sich allein eignet sich besonders zu unwissentlichen Versuchen, d. h. solchen, bei denen der H\u00f6rende nicht wei\u00df, um welchen Vokal es sich handelt. Es werden dann die untersuchten Vokale in best\u00e4ndig unregelm\u00e4\u00dfig wechselnder Reihenfolge gegeben.\nAu\u00dfer diesen Ab- und Aufbauversuchen lassen sich unter gewissen Voraussetzungen auch L\u00fccken- und Stichversuche mit eindeutigem Erfolg anstellen, bei denen nur eine bestimmte Zone oder einzelne Teilt\u00f6ne mitten aus dem Klangkomplex herausgenommen werden. Man kann dies tun, sobald sich auf dem obigen Wege herausgestellt hat, da\u00df die oberhalb einer gewissen H\u00f6hengrenze liegenden T\u00f6ne keinen Einflu\u00df mehr auf die Natur eines Vokals haben. Denn dann kann man unterhalb dieser Grenze bis zu einer Duodezime (1:3) beliebig T\u00f6ne herausnehmen, deren ungerade Vielfache in die dar\u00fcberliegende einflu\u00dflose Region fallen.\nIn gewissen F\u00e4llen lassen sich auch umgekehrt alle T\u00f6ne au\u00dfer einem einzigen ausschalten, so da\u00df man dessen Vorhandensein und relative St\u00e4rke fest stellen kann (Isolierversuche). Eine solche vollkommene Isolierung durch If. ist aber nur m\u00f6glich beim Grundton und seinen Oktaven (Oktavenversuche), weil nur die Potenzen von 2 die Eigenschaft haben, sich nicht als ungerade Vielfache irgendeiner anderen Zahl (1 inbegriffen) darstellen zu lassen.\nBei diesen Oktavenversuchen wird man, um die volle St\u00e4rke des Teiltons zu erhalten, in F\u00e4llen, wo die bez\u00fcgliche Oktave zwischen naheliegende Teilt\u00f6ne f\u00e4llt (z. B. 8 zwischen 7 und 9), auch diese freigeben, weil infolge der If.-Breite der Ausschlu\u00df eines Tons auch die Nachbart\u00f6ne sch\u00e4digt. Man wird dann gleichwohl nur den gew\u00fcnschten Ton selbst h\u00f6ren, nicht seine Nachbarn, die wieder von benachbarten Interferenzen geschw\u00e4cht sind.\nAus der im Text erw\u00e4hnten Zahlengesetzlichkeit folgt auch, da\u00df, wenn man nur den Grundton und seine Oktave ausschlie\u00dft, s\u00e4mtliche Teilt\u00f6ne, theoretisch wenigstens, mit ausgeschlossen sind, also der ganze Klang vernichtet werden mu\u00df.","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Verst\u00e4rkung der geradzahligen Multipla.\n39\nMan kann so z. B. jeden Bassisten mit Bruststimme das hohe c3 singen lassen. Er braucht nur den Vokal A auf c zu singen, w\u00e4hrend in der Leitung alle Teilt\u00f6ne au\u00dfer c3 ausgeschaltet sind. Am Ende der Leitung, im Beobachtungszimmer, h\u00f6rt man dann nur ein kr\u00e4ftiges c3 \u2014 ein sehr erg\u00f6tzlicher Versuch. Wenn er aber U singt, h\u00f6rt man unter denselben Umst\u00e4nden nichts, weil c3 eben nicht darin enthalten ist.\nIst der Grundton nicht zu stark, so kann man immerhin in Verbindung mit ihm auch den 3., 5. oder 7. Teilton durch Vernichtung aller \u00fcbrigen so gut wie isoliert zu Geh\u00f6r bringen, da ein schwacher Grundton die Beobachtung und St\u00e4rkesch\u00e4tzung so weit davon entfernter T\u00f6ne nicht nennenswert beeintr\u00e4chtigt. Analog auch den 6., 10., 14., wenn man den 2. daneben bestehen l\u00e4\u00dft, usf.\n2. Verst\u00e4rkung der geradzahligen Multipla.\nNach Auerbach und Garten1) k\u00f6nnen durch lf.-Einstellung auf einen Ton seine geraden Multipla infolge der Reflexion der Schwingungen in den Seitenr\u00f6hren verst\u00e4rkt, ja es kann nach Garten auf diesem Weg eine gar nicht im Klange vorhandene h\u00f6here Oktave erzeugt werden.\nDies mag nun bei der Pr\u00fcfung auf objektivem Wege unter besonderen Umst\u00e4nden der Fall sein. F\u00fcr das Ohr habe ich es und hat es auch Prof. v. Hornbostel niemals best\u00e4tigt gefunden. Wenn ich z. B. c2 als einfachen Ton herstelle, es dann auf m\u00f6glichste Schw\u00e4che bringe (am einfachsten wieder durch ann\u00e4hernde If.), sodann If.-R\u00f6hren auf die nicht vorhandenen T\u00f6ne c1, c, F einstelle, so wird dadurch f\u00fcr mein Ohr c2 nicht im geringsten st\u00e4rker ; noch weniger wird es, wenn es ganz ausgel\u00f6scht war, dadurch wiedererzeugt, auch nicht, wenn ich diese Einstellungen alle auf einmal und jede mit mehreren R\u00f6hren vornehme.\nAuch dieses physikalische Bedenken braucht uns also nicht zu beunruhigen. Alles kommt ja doch hier gerade auf das menschliche Ohr an. \u00dcbrigens hat K. Lewin (2, S. 328) auch bei seinen physikalischen Messungen keine solche Verst\u00e4rkung gefunden.\nIch leugne nicht, da\u00df auch in meinen Versuchen zuweilen Paradoxien vorkamen. Gewisse Einstellungen hatten unerwartete, ja zun\u00e4chst unerkl\u00e4rbare Wirkungen. \u00c4hnliches erw\u00e4hnt LeWin. Ein Physiker \u00e4u\u00dferte: ,,Die Akustik ist das seltsamste Gebiet. Da kommt alles anders als man berechnet hat.\u201c Und wenn sich noch alles berechnen lie\u00dfe! Sehr unbedeutende, unvorhergesehene Faktoren k\u00f6nnen eine Rolle spielen, Reflexions- und Resonanzwirkungen, vielleicht sogar solche zwischen den einzelnen M\u00fcn-\n0 Auerbach 5, S. 598; Garten 3, Nr. VII, S. 20ff.","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\t2. Kap. Analyse gesungener- Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\ndungsstellen der Seitenr\u00f6hren, usf. Einige Faktoren (Bauch und Knoten, B\u00f6hrenweite) werden wir noch besprechen. Aber im gro\u00dfen und ganzen sind die Ergebnisse meiner zahlreichen und mit vielen Variationen an-gestellten Versuchsreihen so durchsichtig und \u00fcbereinstimmend, da\u00df ich einen prinzipiellen Fehler nicht besorge. Wo wirklich ein Verdacht sich ergab, ist es im folgenden erw\u00e4hnt.\n3. Schw\u00e4chung des Grundtons.\nRein physikalisch betrachtet, mu\u00df ein Ton durch jede beliebig lange Seitenr\u00f6hre mehr oder weniger geschw\u00e4cht werden, ausgenommen nur, wenn ihre L\u00e4nge genau mit einer halben Wellenl\u00e4nge oder einem ganzzahligen Vielfachen davon zusammenf\u00e4llt, weil dann die Verz\u00f6gerung eine oder mehrere ganze Wellen ausmacht. Durch Einstellung von Seitenr\u00f6hren auf ^-Wellenl\u00e4ngen h\u00f6herer T\u00f6ne mu\u00df daher ein tieferer ausnahmslos geschw\u00e4cht werden, da ja die bez\u00fcglichen Seitenleitungen weniger als 1/4 seiner Wellenl\u00e4nge haben. Die Einstellung auf Obert\u00f6ne mu\u00df daher immer den Grundton schw\u00e4chen, zumal wenn auf zahlreiche Obert\u00f6ne zugleich eingestellt wird.\nSo liegen die Dinge mathematisch. So haben sie sich diesmal auch physikalisch bei den Lewin sehen Intensit\u00e4tsmessungen best\u00e4tigt gefunden: wurden zahlreiche If.-R\u00f6hren auf die Obert\u00f6ne eines bereits obertonfreien Tones eingestellt, so konnte er dadurch um x/4\u20141/3 physikalisch geschw\u00e4cht werden. Aber eine andere Frage ist es, wie weit eine solche Schw\u00e4chung des Grundtones noch durch ein ge\u00fcbtes menschliches Ohr wahrgenommen werden kann. Hier ist das Ohr nun doch im Nachteil gegen eine so empfindliche, auf den bez\u00fcglichen Ton ausschlie\u00dflich abgestimmte Membran. Ich habe mit If. einfache T\u00f6ne verschiedener H\u00f6he hergestellt (namentlich T\u00f6ne weiter Flaschen, die ohnedies nur ganz schwache, durch wenige R\u00f6hren auszuschaltende Obert\u00f6ne haben) und dann jedesmal Seitenr\u00f6hren in zunehmender Anzahl (bis zu 50) auf das dar\u00fcber liegende Tongebiet eingestellt, dabei aber keine irgend erhebliche Schw\u00e4chung bemerkt. Ein Ton von der St\u00e4rke 2 hatte dann noch mindestens l3/4, konnte aber auch noch ebensogut mit 2 taxiert werden.\nDieser Nachteil des Ohres gegen\u00fcber einer auf einen Ton speziell abgestimmten Membran ist aber f\u00fcr unsere Untersuchung ein Vorteil. Denn wir brauchen nun nicht zu besorgen, da\u00df die St\u00e4rkesch\u00e4tzungen in bezug auf einen durch If. isolierten Ton, insbesondere den Grundton, erheblich andere werden, als wenn wir den Ton irgendwie ohne das Mittel der If.-Einrichtungen isoliert h\u00e4tten.\nAuch die blo\u00dfe Wegverl\u00e4ngerung eines Teiles der Energie in den Seitenr\u00f6hren reicht in unserem Falle nicht zu einer wahrnehm-","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Unterschied der Bauch- und Knoten Wirkung.\n41\nbaren Schw\u00e4chung. Wenn man die Hauptleitung um ebensoviel verl\u00e4ngert, als die s\u00e4mtlichen Seitenleitungen zusammen ausmachen, l\u00e4\u00dft sich dies leicht best\u00e4tigen.\n4. Unterschied der Bauch- und Knotenwirkung.\nEs macht einen Unterschied, an welchem Orte der in der Hauptleitung vorhandenen stehenden Wellen man eine If.-R\u00f6hre ein-schaltet. Die Wirkung ist naturgem\u00e4\u00df bei den B\u00e4uchen gr\u00f6\u00dfer. Darauf hat Max Meyer zuerst aufmerksam gemacht1). Er betonte es f\u00fcr die \u00e4ltere If.-Methode (Zweigleitungen von 1/2 Wellenl\u00e4nge). Bei der hier angewandten Methode der einfachen Seitenr\u00f6hren ist der Unterschied k\u00fcrzlich von Frl. Eberhardt und Dr. Lewin physikalisch gemessen worden. Die Amplituden des Tones e2 verhielten sich bei Bauch- und Knoten-Interferenz wie 38 : 202, die Intensit\u00e4ten also wie die Quadrate dieser Zahlen. In meinen subjektiven Intensit\u00e4tsstufen ausgedr\u00fcckt, fand sich der Ton, der ohne If. mit der St\u00e4rke 21/2 aus der Leitung kam, bei Bauch-If. auf 1/8, bei Knoten-If. auf 3/4 vermindert. Immerhin ist auch diese letzte Verminderung schon sehr betr\u00e4chtlich, und in beiden F\u00e4llen wurde der Ton durch Hinzuf\u00fcgung einer zweiten gleich langen Seitenleitung an beliebiger Stelle vollends vernichtet.\nBei Ab- und Aufbauversuchen ist es nun v\u00f6llig undurchf\u00fchrbar, jedesmal und f\u00fcr jeden auszuschlie\u00dfenden Teilton einen Bauch auszusuchen. Aber es ist auch nicht n\u00f6tig, wenn nur f\u00fcr- kr\u00e4ftigere Teilt\u00f6ne stets 2 oder mehr R\u00f6hren angewandt werden. Eine darunter liegt dann eben dem Bauch n\u00e4her2). Auch wirken ja zufolge der If.-Breite die Einstellungen auf die benachbarten Teilt\u00f6ne bei T\u00f6nen h\u00f6herer Ordnungszahl noch mit. Nur bei Stichversuchen k\u00f6nnte der Unterschied Bauch\u2014Knoten einmal von Bedeutung werden. Doch begn\u00fcgte ich mich auch da damit, mehrere R\u00f6hren auszuziehen, und glaube nicht, da\u00df wesentliche Ungenauigkeiten dadurch in die Ergebnisse gekommen sind.\nDa\u00df der Unterschied Bauch\u2014Knoten sich nicht st\u00e4rker geltend macht, wird wohl darauf beruhen, da\u00df au\u00dfer den stehenden Wellen\nB Zeitschr. f. Psychol. Bd. 11, S. 191. 1896.\n2) Koehler fand es in seinen If.-Versuchen n\u00fctzlich, bei Einstellung\nmehrerer Seitenr\u00f6hren eines R\u00f6hrensystems auf denselben Ton die auszuziehenden durch eine nichtgebrauchte zu trennen. Bei meinen Einrichtungen, wo ich namentlich bei den Fl\u00fcster vokal en auf diesen Punkt achtete, konnte ich keinen Unterschied in der Wirkung finden. Aber bei sehr dichter Anordnung der R\u00f6hren kann es damit wohl seine Richtigkeit haben. Es d\u00fcrfte auf dem Umstande beruhen, da\u00df auf diese Weise mehr Chance besteht, einen Wellenbauch zu treffen. Nat\u00fcrlich kommt es auch auf die jeweilige Tonh\u00f6he an.","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\t2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\nauch fortschreitende durch die Hauptr\u00f6hre gehen. Da\u00df dies der Fall ist, geht schon daraus hervor, da\u00df man den Ton fast ebensogut aus der Leitung h\u00f6rt, wenn das Ohr sich an einem Knoten als wenn es sich an einem Bauch befindet. Befestigt man am R\u00f6hrenende einen ausziehbaren Ansatz, den man langsam verl\u00e4ngert, so h\u00f6rt man bei gespannter Aufmerksamkeit allerdings ein minimales An- und Abschwellen an gewissen Stellen, aber von einem Verschwinden ist nicht die Rede.\n5. Ver\u00e4nderung des Klanges durch die Hauptleitung.\nLaute, die durch eine l\u00e4ngere R\u00f6hrenleitung dem Ohre zugef\u00fchrt werden, sind gewissen Alterationen ausgesetzt, schon ehe man die seitlichen If.-Einstellungen vornimmt. Besonders werden die tieferen Bestandteile durch die Reibung an den R\u00f6hrenw\u00e4nden geschw\u00e4cht; dadurch wird der Klang heller, sch\u00e4rfer als in freier Luft. Ein Instrument kann so seinen ganzen Charakter \u00e4ndern. Bei den Vokalen hatte ich zwischendurch eine Anzahl besonders sorgf\u00e4ltig angestellter Versuche mit sehr langer Leitung gemacht, um zum Zweck \u201eunwissentlicher\u201c Beobachtungen jedes direkte Her\u00fcberdringen der von einem vorz\u00fcglichen S\u00e4nger stark ange-gebenenen Vokallaute auszuschlie\u00dfen (s. u. III, 3, Schlu\u00df). Die Folge war aber, da\u00df die Formanten der helleren Vokale sich ein wenig in die H\u00f6he zogen. Das hei\u00dft: die Vokale m\u00fcssen ein wenig heller geklungen haben, obgleich diese Ver\u00e4nderungen nicht auff\u00e4llig und die Vokale durchaus noch gut kenntlich waren. Aber auch bei k\u00fcrzerer Hauptleitung kommen solche Alterationen vor, und manchmal in recht auff\u00e4lliger Weise.\nEs ist daher vor jeder Versuchsreihe genau darauf zu achten, ob die Laute nat\u00fcrlich und unentstellt aus der R\u00f6hren\u00f6ffnung herausklingen. Wenn dies nicht der Fall ist, mu\u00df zun\u00e4chst die Leitung m\u00f6glichst verk\u00fcrzt werden. Bei Versuchen, in denen der Beobachter wei\u00df, um welchen Vokal es sich handelt, schadet es nicht wesentlich, wenn der Laut auch direkt etwas in das Beob-achtungszimmer dringt. Auch kann man das nichtgebrauchte Ohr verstopfen. Sodann kann im Schallzimmer durch Trichter nachgeholfen werden, die durch ihre Resonanz bestimmte Teiltongruppen verst\u00e4rken. Bei meinen Versuchen wurden nach Bedarf Trichter verschiedenster Gr\u00f6\u00dfe, von einem m\u00e4chtigen Grammophontrichter (59 cm Durchm.) bis zu winzig kleinen, angewandt. Sie sind aber nur im Notfall und mit Vorsicht zu gebrauchen, sonst k\u00f6nnen sie den Klang noch mehr ver\u00e4ndern als die freie R\u00f6hrenleitung. Immer mu\u00df das Ohr des Beobachters entscheiden, ob die Vokale deutlich unterscheidbar herauskommen. Steht dies nicht","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Interferenzbreite.\n43\nv\u00f6llig au\u00dfer Zweifel, so sind Reihen unwissentlicher Erkennungsversuche den If.-Reihen vorauszuschicken, um festzustellen, ob die aus der Leitung kommenden Vokale eine einwandfreie naturgetreue Beschaffenheit haben. Dies ist der Fall, wenn ausschlie\u00dflich richtige Urteile erfolgen1 * *).\nWichtig ist auch, da\u00df die Leitung keine scharfen R\u00e4nder und keine unvermittelten \u00dcberg\u00e4nge zwischen R\u00f6hrenst\u00fccken von gr\u00f6\u00dferer zu solchen kleinerer Weite enthalte, da sonst durch Reflexion und Resonanz Ver\u00e4nderungen des Klanges entstehen. Die \u00dcberg\u00e4nge m\u00fcssen daher immer konisch geformt sein. Auch wende man m\u00f6glichst wenig Schlaucheins\u00e4tze an, da sie den Ton viel mehr als Metallr\u00f6hren schw\u00e4chen, was namentlich bei den Fl\u00fcsterlauten in Betracht kommt.\nEndlich ist auch das Verfahren beim Abh\u00f6ren des aus der Leitung kommenden Lautes nicht unwesentlich. Man kann sich dabei einer Olive oder eines Schlauchst\u00fcckchens bedienen, die mit der Leitungsr\u00f6hre verbunden werden, oder das Ohr direkt an diese selbst halten. Letzteres wird in den meisten F\u00e4llen vorzuziehen sein. Hauptsache ist aber, da\u00df man das Leitungsende, welches es auch sei, nicht in unmittelbare Ber\u00fchrung mit den Geh\u00f6rw\u00e4nden bringe, da hierdurch st\u00f6rende Resonanzwirkungen entstehen.\n6. Interferenzbreite.\nWie die Resonanz, so hat auch die If. eine gewisse Breite. Sie erstreckt sich in abnehmendem Grade auf die Nachbarn des direkt ausgeschlossenen Tones. Besondere Versuche hier\u00fcber ergaben, da\u00df (wenigstens bei den von mir benutzten Apparaten) eine merkliche Schw\u00e4chung in den mittleren Lagen des Tonreiches nur etwa auf eine kleine Terz nach unten und oben sich erstreckt. In h\u00f6herer Lage w\u00e4chst sie etwas und kann von c4 ab etwa auf eine gro\u00dfe Terz, von c6 ab auf eine Quart, bei e7 auf eine halbe Oktave angesetzt werden. Man kann diese Versuche mit einzelnen einfachen T\u00f6nen anstellen, sie aber auch bei der Analyse von Vokal- oder Instrumentalkl\u00e4ngen kontrollieren. Es zeigt sich regelm\u00e4\u00dfig bei den Aufbauversuchen, da\u00df ein durch Zur\u00fcckstellung eines R\u00f6hrenstempels freigegebener Ton erst dann seine volle St\u00e4rke erlangt, wenn auch noch die weiter nach oben folgende Region des Klanges im Umfang einer kleinen Terz usf. freigegeben ist.\nDie If.-Breite w\u00e4chst, wie es scheint, mit abnehmender R\u00f6hrenweite, h\u00e4ngt aber sicher auch noch von anderen Umst\u00e4nden, namentlich der Abdichtung der Stempel, ab. Die St\u00e4rke der T\u00f6ne scheint insofern keinen Unterschied zu machen, als die Zone der Schw\u00e4chung dadurch\n1) So glaube ich dem an sich nicht imberechtigten Bedenken S. Gartens\nbetreffs der Vorschaltung von Trichtern (3, VII, S. 15) zuvorgekommen\nzu sein. Eingehend hat D. C. Miller auf physikalischem Wege die Wirkung\nvon Trichtern untersucht.","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\t2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\nnicht ver\u00e4ndert wird (wohl wegen gr\u00f6\u00dferer Unterschiedsempfindlich-keit f\u00fcr schw\u00e4chere T\u00f6ne). Dagegen ist die Zone des Verschwindens nat\u00fcrlich f\u00fcr sehr schwache T\u00f6ne breiter als f\u00fcr starke. F\u00fcr diese bildet sie einen Ausschnitt aus der Schw\u00e4chlingszone, f\u00fcr die ganz schwachen dagegen f\u00e4llt sie mit dieser zusammen, da ein solcher eben durch jede Schw\u00e4chung schon verschwindet. Dieser Unterschied der Vernichtungsbreite zwischen starken und schwachen T\u00f6nen wird uns bei den Fl\u00fcster-lauten wichtig werden.\nDie so festgestellte If.-Breite ist bei der Ausdeutung der bei If.-Versuchen beobachteten Klangver\u00e4nderungen immer im Auge zu behalten. Man hat z. B. bei Abbau versuchen damit zu rechnen, da\u00df der Klang nicht blo\u00df bis zu der der letzten B\u00f6hreneinstellung entsprechenden Tongrenze vernichtet, sondern noch eine kurze Strecke weiter hinab geschw\u00e4cht ist. Bei Stichversuchen ist er nach beiden Seiten geschw\u00e4cht.\nII. Weiteres zur Technik und Methodik.\n1. Leitung und R\u00f6hrensysteme.\nIn dem folgenden Leitungsschema bedeuten die r\u00f6mischen Ziffern Zimmer des (alten) Berliner Psychologischen Instituts, die teilweise durch einen l\u00e4ngeren Korridor getrennt sind. Die If.-Leitung J beginnt in I bei S1 und endigt in V bei Bv Die von P bis Vp reichende synthetische Einrichtung bleibt hier au\u00dfer Betracht. Die gew\u00f6hnlich benutzte k\u00fcrzere If.-Leitung beginnt bei $2, die f\u00fcr Fl\u00fcsterlaute erst bei Fl. Die in die Hauptleitung einfiigbaren If.-Systeme mit Seitenr\u00f6hren sind auf IV und V verteilt.\nAbb. 1. Leitungsschema.","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"Einflu\u00df der R\u00f6hrenweite auf die erforderliche Einstellung. 45\nEs wurden dazu (au\u00dfer R\u00f6hren von allergeringster Weite f\u00fcr die h\u00f6chste Tonregion, deren Stempel nur die Dicke von Stricknadeln hatten, die aber bei den Hauptversuchen nicht mehr zur Anwendung kamen) 9 R\u00f6hrensysteme mit insgesamt 71 Seitenr\u00f6hren, die mit ausziehbaren Stempeln versehen waren, ben\u00fctzt. Der Stempelabschlu\u00df war kreisrund und gut abgedichtet. Bei den 4 gro\u00dfen Systemen mit zusammen 39 R\u00f6hren war die Hauptleitung 1,8\u20142,1 cm, die Nebenleitung 1,8 cm weit, die Stempel teils 124, teils 54 cm lang. Bei 2 kleineren Systemen mit zusammen 20 R\u00f6hren waren Haupt- und Nebenleitungen 1 cm weit, die Stempel 18 cm lang, bei dem kleinsten mit 12 R\u00f6hren waren die Leitungen 0,5 cm weit, die Stempel 12 cm lang. Alle Stempel waren graduiert, die l\u00e4ngeren (der weiteren R\u00f6hren) in 1/2 cm-, die k\u00fcrzeren in mm-Skalen. R\u00f6hren von 2,1 cm Weite kann man noch bis c5 gut verwenden, die engeren am besten von c4 an. Die Zahl der R\u00f6hren zur vollst\u00e4ndigen Ausl\u00f6schung eines Vokals mu\u00df darum so gro\u00df sein, weil f\u00fcr jeden einigerma\u00dfen kr\u00e4ftigen Teilton 2\u20143 R\u00f6hren erforderlich sind. Er kommt aus der Seitenleitung nicht blo\u00df mit entgegengesetzter Phase, sondern auch etwas geschw\u00e4cht zur\u00fcck, so da\u00df er die st\u00e4rkere Hauptwelle nicht sogleich ganz vernichtet. Au\u00dferdem ist die Vermehrung n\u00fctzlich, um nicht immer erst die B\u00e4uche auf suchen zu m\u00fcssen.\n2. Einflu\u00df der R\u00f6hr en weite auf die erforderliche Einstellung.\nDie Wellenl\u00e4nge eines Tones ist bekanntlich gleich der Raumstrecke in Metern, die er in einer Sekunde durchl\u00e4uft (Fortpflanzungsgeschwindigkeit), dividiert durch die Anzahl der Schwingungen in der Sekunde. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit bei 0\u00b0 C in freier trockener Luft ist f\u00fcr Knalle neuerdings durch v. Angerer und Ladenburg = 330,8 \u00b10,1 m/sek. bestimmt worden (\u00fcbereinstimmend mit einem fr\u00fcher von R\u00e9gnault gefundenen Werte), f\u00fcr T\u00f6ne durch Gr\u00fcneisen und Merkel = 331,57 m/sek. (extrapoliert auf unendlichen R\u00f6hrendurchmesser) 4). F\u00fcr uns kommt der letzte Wert in Betracht. Die Schallgeschwindigkeit bei h\u00f6heren Temperaturen kann daraus berechnet werden. Sie ist f\u00fcr 18\u00b0 C = 341,6 m/sek.2 *). Die gew\u00f6hnlichen Schwankungen der Zimmer-\n1)\tDie beiden Abhandlungen in den Ann. d. Physik (4) Bd. 66. 1921.\n2)\t\u00dcber die Berechnung vgl. K. L. Schaefer 3 und 4 S. 322ff. Den\nTabellen Schaefers ist als Schallgeschwindigkeit bei 0\u00b0 C der Wert 331,8\nzugrunde gelegt, woraus sich f\u00fcr 18\u00b0 C 342,6 ergibt. Dadurch werden die\nViertelwellenl\u00e4ngen bei T\u00f6nen mittlerer H\u00f6he um etwa 0,1 cm gr\u00f6\u00dfer; bei h\u00f6heren T\u00f6nen ist in der ersten Dezimale kein Unterschied.","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\t2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\ntemperatur machen nur geringe Unterschiede, namentlich bei hohen T\u00f6nen. Bei 24\u00b0 C w\u00fcrde z. B. die Viertelwellenl\u00e4nge f\u00fcr 384 Schwingungen um 0,2, f\u00fcr 3840 um 0,1 cm gr\u00f6\u00dfer sein.\nNun findet ein Einflu\u00df der R\u00f6hrenweite in doppelter Richtung statt :\na)\tDie Schallgeschwindigkeit wird nachKuNDT mit abnehmender Schwingungszahl des Tones und abnehmender Weite der R\u00f6hre vergr\u00f6\u00dfert. Diese auch von Sp\u00e4teren best\u00e4tigte Gesetzlichkeit wird nur bei tieferen T\u00f6nen und bei R\u00f6hren von weniger als 2,6 cm Weite von Bedeutung. Nun liegt das Lumen unserer R\u00f6hren f\u00fcr die tieferen T\u00f6ne etwas unter dieser Grenze. Aber die resultierenden Abweichungen sind wieder so gering, da\u00df sie hier vernachl\u00e4ssigt werden k\u00f6nnen. Denn sie sind viel kleiner als die If.-Breite. Wenn diese bei T\u00f6nen von der H\u00f6he etwa des c auch nur einen Ganzton betr\u00e4gt, so bedeutet .dies schon einen Spielraum der Einstellungen von 2 cm. Da wir, um der Ausl\u00f6schung sicher zu sein, stets eine Mehrzahl von R\u00f6hren (bei tieferen T\u00f6nen 3\u20144) von etwas verschiedener L\u00e4nge nach oben und unten von der berechneten einstellten und die einzelnen Einstellungen infolge der If.-Breite sich \u00fcberdecken und in ihrer Wirkung gegenseitig unterst\u00fctzen, so war damit dieser Einflu\u00df der R\u00f6hrenweite au\u00dfer Kraft gesetzt.\nb)\tDagegen trat bei hohen T\u00f6nen, die f\u00fcr uns weit wichtiger sind, ein anderer Einflu\u00df zutage, auf den man bisher nicht aufmerksam geworden ist, der aber auch nur bei If .-Versuchen durch die Weite der Seitenr\u00f6hren ausge\u00fcbt wird. Eine von mir (17) gemeinschaftlich mit Dr. v. Allesch durchgef\u00fchrte Versuchsreihe ergab, da\u00df von fis2 * * * * an die zur v\u00f6lligen Ausl\u00f6schung eines Tones erforderlichen Einstellungen der Seitenr\u00f6hren um wachsende Betr\u00e4ge von den berechneten ab weichen. Diese Abweichungen sind viel gr\u00f6\u00dfer als die, welche sich f\u00fcr hohe T\u00f6ne aus den Formeln f\u00fcr die unter a) erw\u00e4hnte Abweichung ergeben w\u00fcrden, und sie bewegen sich in beiden vorhin erw\u00e4hnten Beziehungen in umgekehrter Richtung: sie nehmen zu mit zunehmender R\u00f6hren weite und zunehmender Schwingungszahl. Und zwar wachsen sie von gz\u2014c7 von einem Halbton bis zu einer gro\u00dfen Sexte, d. h. man mu\u00df bei gz auf den f\u00fcr gisz, bei c7 auf den f\u00fcr a7 in freier Luft geltenden Wert einstellen1).\n1) Der Grund f\u00fcr dieses Verhalten d\u00fcrfte darin liegen, da\u00df die aus der\nSeitenr\u00f6hre zur\u00fcckkommende Schwingung zwar an dem Punkte, wo die\nSeitenr\u00f6hre in die Hauptr\u00f6hre m\u00fcndet, die von der Rechnung verlangte\nentgegengesetzte Phase besitzt, sich aber von da in den Querschnitt der\nHauptr\u00f6hre weiterverbreitet und innerhalb dieser Strecke, wenn sie gr\u00f6\u00dfer\nist als etwa 1/10 der Wellenl\u00e4nge, verschiedene Phasen annimmt, unter\nUmst\u00e4nden sogar eine mit der Hauptwelle \u00fcbereinstimmende, also sie verst\u00e4rkende (F. Stumpf m\u00fcndlich).","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Einflu\u00df der R\u00f6hrenweite auf die erforderliche Einstellung.\n47\nIn der folgenden Tabelle stehen unter I die f\u00fcr Viertelwellenl\u00e4ngen in freier Luft berechneten Werte von c1 an f\u00fcr die temperiertchromatische Leiter und a1 = 435 Schw. F\u00fcr die tieferen Oktaven sind sie durch Multiplikation mit Potenzen von 2 aus den Werten f\u00fcr c1\u2014c2 abzuleiten1). In der Spalte II stehen die korrigierten Werte f\u00fcr eine R\u00f6hren weite von 10 mm. Von diesen Werten beruhen 17, die sich auf die Tonstrecke von /2\u2014c7 gleichm\u00e4\u00dfig verteilen, auf wiederholt kontrollierten Beobachtungen, die \u00fcbrigen auf Interpolation. Bei R\u00f6hren von 20 mm Weite ergeben sich teilweise um 1 Dezimale niedrigere, bei R\u00f6hren von 5 mm um 1 Dezimale h\u00f6here Werte.\nViertelwellenl\u00e4ngen f\u00fcr die chromatische Leiter, a1 = 435 Schw., Temp. 18\u00b0 C, R\u00f6hrenweite 10 mm.\nNote\tn\tIl 4\t\tNote\tn\tH 4\t\tNote\tn\tZ/4\t\n\t\tI\tII\t\t\tI !\til\t\t\tI j II\t\nc1\t259\t33,0\t\tc3\t1035\t8,3\t8,0\tC5\t4138\t2,1\t1,8\ncis1\t274\t31,1\t\tcis3\t1096\t7,8\t7,6\tcis5\t4385\t2,0\t1,7\nd1\t290\t29,4\t\td3\t1161\t7,4\t7,2\td5\t4645\t1,8\t1,6\ndis1\t308\t27,7\t\tdis3\t1230\t6,9\t6,8\tdis5\t4921\t1,7\t1,5\nc1\t326\t26,2\t\te3\t1304\t6,6\t6,4\te5\t5214\t1,6\t1,4\nP\t345\t24,7\t\tP\t1381\t6,2\t6,0\tP\t5524\t1,6\t1,3\nfis1\t366\t23,3\t\tfis3\t1463\t5,8\t5,6\tfis5\t5853\t1,5\t1,2\ngl\t388\t22,0\t\tg3\t1550\t5,5\t5,2\tg5\t6201\t1,4\t1,1\ngis1\t411\t20,8\t\tgis3\t1642\t5,2\t4,9\tgis5\t6569\t1,3\t1,0\na1\t435\t19,6\t\ta3\t1740\t4,9\t4,6\ta5\t6960-\t1,2\t1,0\nais1\t461\t18,5\t\tais3\t1843\t4,6\t4,3\tais5\t7374\t1,2\t0,9\n\th}_\t488\t17,5\t\th3\t1953\t4,4\t4,1\th5\t7812\t1,1\t0,8\nc2\t517\t16,5\t\tc4\t2069\t4,1\t3,9\tr';\t8277\t1,0\t0,7\ncis'2\t548\t15,6\t\tcfs4\t2192\t3,9\t3,7\td6\t9290\t0,9\t0,6\nd2\t581\t14,7\t\td4\t2323\t3,7\t3,5\te6\t10428\t0,8\t0,5\ndis2\t615\t13,9\t\tdis4\t2461\t3,5\t3,3\tg6\t12401\t0,7\t0,4\ne2\t652\t13,1\t\te4\t2607\t3,3\t3,1 '\tc7\t16554\t0,5\t0,3\nP\t691\t12,4\t12,4\tP\t2763\t3,1\t2,9\t\t\t\t\nfis2\t732\t11,7\t11,6\tfis4\t2926\t2,9\t2,7\t\t\t\t\ng2\t775\t11,0\t10,8\tgi\t3100\t2,8\t2,5\t\t\t\t\ngis2\t821\t10,4\t10,1\tgis4\t3285\t2,6\t2,3\t\t\t\t\na2\t870\t9,8\t9,5\ta4\t3480\t2,5\t2,1\t\t\t\t\nais2\t921\t9,3\t9,0\tans4\t3687\t2,3\t2,0\t\t\t\t\nh2\t977\t8,7\t8,5\th4\t3906\t2,2\t1,9\t\t\t\t\nMan darf aber nicht etwa, um den f\u00fcr freie Luft berechneten Werten m\u00f6glichst nahe zu bleiben, mit der Verkleinerung des\n*) F\u00fcr die reine Stimmung, in welcher bei a1 \u2014 435 c2 = 522 ist, w\u00fcrden die Werte in den tieferen Oktaven um 1 \u20143 mm niedriger, f\u00fcr die \u201ephysikalische\u201c Stimmung (a1 = 431, c2 = 512) um 1 \u20142 mm h\u00f6her sein. Von c3 ab fallen die Werte der 3 Stimmungen mit denen unserer Tabelle bei einer Dezimale fast \u00fcberall zusammen.","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\t2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\nLumens beliebig weit gehen. Das Lumen der Seitenr\u00f6hren mu\u00df dem der Hauptr\u00f6hre ungef\u00e4hr gleich sein, diese aber kann nicht viel unter 10 mm heruntergehen, ohne da\u00df die Fortleitung \u00fcberhaupt gesch\u00e4digt w\u00fcrde. Zu Beginn meiner Versuche gebrauchte ich f\u00fcr die h\u00f6chste Tonregion K\u00f6hren bis herab zu 1 mm, bemerkte aber, da\u00df dabei die ohnehin schwachen T\u00f6ne schon in der Hauptleitung verschluckt wurden. Selbst ein sonst vortrefflich gebauter Apparat von 5 mm Weite der Hauptleitung lie\u00df schwache T\u00f6ne der h\u00f6chsten Oktaven nicht mehr durch, wenn die Leitung l\u00e4nger als 1 m war.\nDiese Abweichungen haben nun aber f\u00fcr unsere Zwecke zuweilen ihre gute Seite. Eine Folge davon ist n\u00e4mlich, da\u00df die ungeraden Multipla eines Tones nur bis zu einer gewissen H\u00f6he mitausgeschlossen werden, so da\u00df man z. B. bei If.-Einstellung auf den Grundton c doch den 11. Teilton isoliert zu Geh\u00f6r bringen kann, weil ihm bei der benutzten R\u00f6hrenweite diese Einstellung nichts mehr schadet. Besonders gelingt dies, wenn der Grundton in einem Klange nur schwach vertreten ist, was (gegen\u00fcber einer verbreiteten Meinung) bei vielen obertonreichen Kl\u00e4ngen tats\u00e4chlich zutrifft. Dann wird er schon durch eine nur ann\u00e4hernde Einstellung auf eine berechnete Viertelwellenl\u00e4nge vernichtet, und man kann die ungeraden Teilt\u00f6ne gleichwohl etwa vom 7. oder 9. ab h\u00f6ren, wenn man auf ihre isolierte Beobachtung Gewicht legt. Au\u00dferdem mu\u00df man sie eben durch besondere, ihrer eigenen H\u00f6he entsprechende Einstellungen vernichten.\n3. Probe durch schwebende Hilfsgabeln.\nDie sch\u00e4rfste Probe, ob ein Ton wirklich vernichtet ist, geschieht durch ann\u00e4hernd auf diesen Ton gestimmte Hilfsgabeln, die mit einer ungeheuren Empfindlichkeit auf jede Spur des Tones durch Schwebungen reagieren (Vgl. m. Abh. 3 und 7).\nNur beim 2. Teilton, der Oktave des Grundtones, darf man sich nicht ohne weiteres darauf verlassen. Hier werden infolge der Bildung eines Differenztones zwischen der Hilfsgabel und dem Grundton \u201etiefe Schwebungen\u201c (auf dem Grundton) auch dann herauskommen, wenn der 2. Teilton bereits v\u00f6llig aus dem Klange verschwunden ist (3, S. 669; 7, S. 110). Man kann sich nun zwar auf die Unterscheidung der \u201etiefen\u201c und \u201ehohen\u201c Schwebungen ein\u00fcben, aber dies ist nicht leicht. Die Probe ist daher, statt mit der Hilfsgabel, hier so zu machen, da\u00df man auch den Grundton selbst vernichtet. War der 2. Teilton vorhanden, so wird er dann isoliert h\u00f6rbar. Und man wird oft erstaunt sein, wie stark er ist, obschon man ihn direkt gar nicht herausgeh\u00f6rt hatte.","page":48},{"file":"p0049.txt","language":"de","ocr_de":"Wissentliches und unwissentliches Verfahren.\n49\nDa\u00df ein Klang g\u00e4nzlich von Obert\u00f6nen gereinigt sei, darf man nicht etwa ans der Tatsache schlie\u00dfen, da\u00df bei Einstellung von If.-R\u00f6hren auf den Grundton \u00fcberhaupt nichts mehr zu h\u00f6ren ist (so z. B. Lewin 2, S. 328): denn es k\u00f6nnten ungerade Multipla vorhanden gewesen sein, die durch den Grundton mitausgeschlossen wurden. Eine Pr\u00fcfung mit schwebenden Hilfsgabeln ist daher unerl\u00e4\u00dflich.\n4. Wissentliches und unwissentliches Verfahren.\nDie Experimentalpsychologen pflegen das unwissentliche Verfahren, bei dem die \u201eVersuchsperson\u201c (Vp.) wom\u00f6glich nicht einmal \u00fcber den Zweck der ganzen Untersuchung unterrichtet ist, im allgemeinen h\u00f6her zu stellen. Vielfach mit Recht, besonders wenn die Vpn. nur so gebraucht werden, wie die H\u00fchner oder die Fr\u00f6sche in der Physiologie, um aus ihren Reaktionen, die hier auch sprachlicher Art sein k\u00f6nnen, auf bestimmte Wahrnehmungen oder sonstige innere Vorg\u00e4nge zu schlie\u00dfen. Anders aber, wenn es sich gar nicht um Vpn., sondern um Beobachter handelt, deren Aufgabe die Beschreibung einer wahrgenommenen Erscheinung ist. Einem solchen wird es nicht notwendig schaden, wenn ihm gesagt wird, um was es sich handelt; nicht einmal immer, wenn ich ihm sage, was ich selbst daran wahrgenommen habe. Er wei\u00df dann genau, worauf er seine Aufmerksamkeit zu richten, was er zu pr\u00fcfen hat. Freilich kann unter Umst\u00e4nden auch eine Suggestion- eintreten ; -ein geschulter Beobachter verl\u00e4\u00dft sich aber mehr auf sein eigenes Ohr als auf das eines anderen1).\nExtrem wissentlich w\u00e4re das Verfahren in unserem Falle, wenn der Beobachter nicht blo\u00df w\u00fc\u00dfte, da\u00df ein Vokal und welcher Vokal aus der R\u00f6hre kommt, sondern auch, welche Ver\u00e4nderung er im Augenblick zu erwarten hat. In diesem Sinne wissentlich waren die Versuche nur, wenn ich selbst gegen das Ende meiner Studien hin beobachtete: denn dann wu\u00dfte ich im voraus, was eintreten w\u00fcrde.\nDagegen habe ich wissentliche Versuche in dem beschr\u00e4nkten Sinne, da\u00df dem Beobachter bekannt war, welcher Sprachlaut untersucht wurde, im weitesten Umfange, besonders bei L\u00e4ngsschnitten (s. u.), nicht nur als zul\u00e4ssig, sondern als das Verfahren erprobt, das am besten vorw\u00e4rtsbringt. Der Beobachter wei\u00df dann noch immer nicht, welche Ver\u00e4nderungen eintreten werden, und jedenfalls nicht, ob gerade die R\u00f6hreneinstellung vorliegt,\n1) Vgl. \u00fcber verkehrte Heranziehung von Vpn., wo man die ge\u00fcbtesten Beobachter gebraucht h\u00e4tte, m. Abh. 7, S. 12ff.\nStumpf, Spr achlaute.\t*","page":49},{"file":"p0050.txt","language":"de","ocr_de":"50\t2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00d6hren.\nbei der eine bestimmte Ver\u00e4nderung einzutreten pflegte. Er kann aber nunmehr seine Aufmerksamkeit ganz und gar auf die engste Fragestellung konzentrieren.\nExtrem unwissentlich w\u00e4re das Verfahren, wenn der Beobachter nicht einmal w\u00fc\u00dfte, ob ein Vokal oder ein Konsonant, ja nicht einmal, ob ein Sprachlaut oder ein sonstiger Geh\u00f6rseindruck gegeben wird. Versuche dieser Art habe ich gelegentlich eingeschaltet, und sie sind nicht ohne Interesse. Aber systematische Versuchsreihen d\u00fcrfen so nicht angestellt werden. Man mu\u00df mindestens wissen, da\u00df es sich um Sprachlaute handelt, meist auch, um welche Gattung, Vokale, Konsonanten, gesungene, gesprochene, gefl\u00fcsterte. Je weitere und vielf\u00e4ltigere M\u00f6glichkeiten man offen l\u00e4\u00dft, je unbestimmter die Instruktion lautet, um so gr\u00f6\u00dfer wird auch der Spielraum zuf\u00e4lliger subjektiver Einstellungen, die dann oft auch noch sich fortsetzen (Perseveration) und eine ganze Reihe sch\u00e4digen k\u00f6nnen1).\nIn der lebendigen Sprache hat man best\u00e4ndig richtungweisende Einstellungen. Schon indem wir uns auf das Deutsche, Franz\u00f6sische, Italienische einstellen, sind eine gro\u00dfe Zahl von M\u00f6glichkeiten der Auffassung des Geh\u00f6rten ausgeschlossen, andere n\u00e4herger\u00fcckt. Eine weitere Determination bringt der Zusammenhang. Wie schlecht isolierte Laute, ja ganze Silben, bei den geringsten Hindernissen verstanden werden, zeigen bekannte Versuche (Gutz-mann 3). Es ist, als w\u00e4re der Laut selbst ein anderer, fremdartiger. Auch meine Versuche brachten hierf\u00fcr Belege. Es ist sogar vorgekommen, da\u00df einer meiner besten Beobachter, als ihm nach vielen Vokalreihen unwissentlich ein S dargeboten wurde, es nicht erkannte, obgleich es ausgezeichnet aus der Leitung kam, nur weil er eben augenblicklich nicht an die M\u00f6glichkeit dachte, da\u00df auch Konsonanten gegeben w\u00fcrden. Sobald ihm dies gesagt wurde, erschien es wie verwandelt und wurde als gutes S anerkannt. Es w\u00e4re daher zweckwidrig, in Versuchen \u00fcber Strukturver\u00e4nderungen von Vokalen bei Ausschaltung von Teilt\u00f6nen Unwissentlichkeit in diesem weitgehenden Umfange zu verlangen.\nBei den unwissentlichen Versuchen im obigen beschr\u00e4nkten Sinne ist es eine wichtige Vorschrift, die man selbst psychologisch geschulten Beobachtern immer wieder einpr\u00e4gen mu\u00df, da\u00df es sich hier nicht darum handelt, aus dem aus der R\u00f6hre kommenden Laute den im Schallzimmer hineingesungenen richtig zu erschlie\u00dfen, sondern lediglich darum, die Beschaffenheit\n1) So hatte sich ein Beobachter einmal eine Zeitlang auf A eingestellt und h\u00f6rte ein gefl\u00fcstertes \u00d6, als es beim Aufbau schon ganz deutlich sein mu\u00dfte, als A.","page":50},{"file":"p0051.txt","language":"de","ocr_de":"Verschiedenheiten beim Auf- und Abbau.\n51\ndes geh\u00f6rten Lautes selbst als eines akustischen Ph\u00e4nomens so genau wie m\u00f6glich zu beschreiben.\nDer Anf\u00e4nger h\u00e4lt sich zun\u00e4chst oft an die aus dem Leben \u00fcbernommene Gew\u00f6hnung, den vom Sprechenden oder Singenden intendierten Laut zu erkennen oder zu erraten. Man klammert sich dann an allerlei sekund\u00e4re Kriterien, und dies um so mehr, je st\u00e4rker der Geh\u00f6rseindruck von den gewohnten abweicht; w\u00e4hrend es doch gerade dieser Geh\u00f6rseindruck als solcher ist, auf den alles ankommt. Es war dies einer der Gr\u00fcnde, weshalb ich das anf\u00e4ngliche unwissentliche Querschnittverfahren (s. u.) sp\u00e4ter meistens durch ein wissentliches L\u00e4ngsschnittverfahren ersetzte.\nBemerkungen \u00fcber psychologische Einfl\u00fcsse der hier erw\u00e4hnten Art schon bei Kempelen und Willis, denen auch Hebmann (Bd. 91, S. 156 Anm.) zustimmt, besonders treffend und eingehend bei Bousselot (I, 34ff. \u201eL\u2019\u00e9ducation de l\u2019oreille\u201c).\nErstaunlich, ja fast imbegreiflich ist zuweilen die Unf\u00e4higkeit zum imbefangenen Beobachten bei nicht naturwissenschaftlich geschulten Personen. Ich demonstrierte eines Tages 7 Mitgliedern eines Universit\u00e4tsseminars f\u00fcr neuere Sprachen, darunter einem Lektor, die Ver\u00e4nderungen der Vokale durch Interferenzr\u00f6hren. Es wurde ein \u00d6 abgebaut. Der erste Beobachter, eine Dame, gab aber fortw\u00e4hrend an, \u00d6 zu h\u00f6ren, als es l\u00e4ngst in ein reines, ja sogar in ein dunkles O \u00fcbergegangen war. Und diese Beurteilung \u00fcbertrug sich auf ihre s\u00e4mtlichen Nachfolger, die ihre Aussagen mitangeh\u00f6rt hatten. Ich begann fast an meinem eigenen Ohre zu zweifeln, bis ein herbeigerufener bew\u00e4hrter Beobachter, Dr. Wertheimer, der unwissentlich zu urteilen hatte, im ersten Augenblick auf O erkannte.\n5. Verschiedenheiten beim Auf- und Abbau.\nEs gibt aber einen Punkt, in dem auch der ge\u00fcbteste Beobachter einem konstant wirkenden psychologischen Einflu\u00df ausgesetzt ist : die Ergebnisse bei Ab- und bei Aufbauversuchen weichen fast ganz regelm\u00e4\u00dfig etwas voneinander ab, insofern alle Stadien der Umwandlung beim Aufbau etwas tiefer liegen als beim Abbau. So erscheint z. B. ein Laut beim Abbau an einer Stelle bereits alteriert, wo er beim Aufbau schon fertig und tadellos ist; oder er hat bei einer anderen Einstellung bereits ganz seinen spezifischen Charakter verloren, w\u00e4hrend beim Aufbau an der gleichen Stelle schon etwas von diesem Charakter zu bemerken ist. Der Unterschied kann nat\u00fcrlich nur psychologische Ursachen haben; wie ja auch bekannterma\u00dfen bei der Bestimmung der H\u00f6rsch\u00e4rfe ein kleiner Unterschied des Schwellenwertes auftritt, je nachdem man eine Klangquelle dem Ohre n\u00e4hert oder sie von ihm entfernt. Die Ursache liegt hier offenbar darin, da\u00df man beim Aufbau f\u00fcr die erste Spur des spezifischen Charakters besonders empfindlich ist und mit der Erreichung einer gewissen\n4*","page":51},{"file":"p0052.txt","language":"de","ocr_de":"52\t2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\nVollkommenheit und Deutlichkeit den Laut schon f\u00fcr fertig h\u00e4lt, w\u00e4hrend man beim Abbau, wo der Laut in seiner nat\u00fcrlichen vollkommenen Gestalt kurz vorher noch geh\u00f6rt wurde, wieder f\u00fcr Alterationen empfindlicher ist und den g\u00e4nzlichen Verlust des spezifischen Charakters zu fr\u00fch konstatiert. Diesem verschiedenen Verhalten unterliegt man auch bei gro\u00dfer \u00dcbung immer wieder, selbst wenn Ab- und Aufbau unmittelbar auf einanderfolgen.\n6. Analysierendes Verhalten.\nIm gew\u00f6hnlichen Leben h\u00f6ren wir die Vokale als einheitliche Lautgebilde. Der analysierenden Einstellung des Linguisten und Phonetikers offenbaren sich aber schon beim direkten H\u00f6ren gewisse Gliederungen, z. B. im I die dunkle Unterlage und der helle Oberbau. Diese Neigung zur Analyse, die ja \u00fcberhaupt jedem wissenschaftlichen Beobachter eigen sein mu\u00df, verst\u00e4rkt sich noch, wenn man wei\u00df, da\u00df w\u00e4hrend einer Beobachtungsreihe eine allm\u00e4hliche Umbildung der Laute erfolgt, deren einzelne Stadien wahrgenommen und beschrieben werden sollen. So kommt es namentlich, da\u00df in einem gewissen Stadium 2 Elemente, ein tiefes dunkles und ein neu hinzukommendes helles, im Geh\u00f6rseindruck unverbunden nebeneinander hegen, wie wir dies z. B. in der Formel U\u00fc -j- i ausdr\u00fccken. Der akustisch Ge\u00fcbte nimmt dann auch wohl geradezu einen oder zwei mit dem Ganzen noch nicht verschmolzene Obert\u00f6ne wahr, die durch die Einschiebung der letzten B\u00f6hren frei geworden sind. In diesem Fall ist regelm\u00e4\u00dfig zu bemerken, da\u00df die Teilt\u00f6ne beim Aufbau ihre volle St\u00e4rke erst erlangen, wenn man mit der Einschiebung der R\u00f6hren schon um eine Terz h\u00f6her gelangt ist (o. S. 43). In dieser Weise dr\u00e4ngten sich oft bei den hellen Vokalen besonders starke Teilt\u00f6ne auf, sowohl in den unteren Regionen (Unterformant) als in der 3- und 4-gestrichenen Oktave, z. B. beim \u00c4 auf dem Grundton e die Obert\u00f6ne gis3 und ais3, beim I auf demselben Grundtone gis7 * * * 11.\nSolche Wahrnehmungen sind nat\u00fcrlich immer wertvoll, und die analysierende Einstellung ist so lange festzuhalten, bis der Eindruck selbst beim weiteren Aufbau wieder so einheitlich geworden ist, da\u00df er dem nat\u00fcrlichen Laut auch in dieser Hinsicht gleichkommt.\n7. Beschreibung des Geh\u00f6rten.\nHierbei vermeide man, von au\u00dfen hereingetragene Kategorien\nanzuwenden (wozu geistreiche Beobachter neigen), gebe sich viel-\nmehr v\u00f6llig unbefangen dem Lauteindrucke selbst hin. Ein aus-\ngezeichnetes Mittel, sich diesen klarzumachen, ist die Nach-","page":52},{"file":"p0053.txt","language":"de","ocr_de":"Das untersuchte Lautmaterial und Versuchsreihen.\n53\ne r z eugung, sei es in Wirklichkeit, sei es wenigstens in anschaulicher Vorstellung. Die aktuelle Nachbildung hat anch den Vorteil, da\u00df der Versuchsleiter sie wahrnehmen und die Bezeichnungsweise des Beobachters dadurch kontrollieren kann. In Zweifelsf\u00e4llen ist es auch n\u00fctzlich, auf solche Weise eine Mehrzahl \u00e4hnlicher Laute durchzuprobieren, um den zutreffendsten zu finden. Man bemerkt dann geradezu ihre verschiedenen Abst\u00e4nde von dem vorliegenden.\nIn der Bezeichnungsweise gibt es individuelle Unterschiede. So nannte ein Beobachter das N\u00e4mliche, was ich ein dunkles A nannte und Ao schrieb, stets ein \u201ehelles (oder offenes) O\u201c. F\u00fcr ihn fiel der Laut noch unter die Sph\u00e4re des O, was f\u00fcr meine Auffassungsgewohnheiten ganz ausgeschlossen war. M\u00f6glicherweise wirken hier auch Erziehungseinfl\u00fcsse und Unterschiede der nord- und s\u00fcddeutschen Aussprache mit. Ein anderer Beobachter (Dr. Rieffert) wurde in seinen Ausdr\u00fccken durch Photismen mitbestimmt. A nannte er dunkler als O, weil er bei A schwarze Photismen hat. Bei einer If.-Einstellung, durch die A in Ao \u00fcbergeht, nannte er es daher gerade \u201eheller\u201c. Nachdem sich dies herausgestellt hatte, wurde vereinbart, immer nur zu sagen: \u201eA nach O hin, A nach E hin\u201c usf.\nDurch diese Ma\u00dfnahmen (1. \u20147.) und andere, die nicht alle hier aufgez\u00e4hlt werden k\u00f6nnen, l\u00e4\u00dft sich bei If.-Versuchen die Rolle des Zufalls und des Subjektiven auf ein Minimum herabdr\u00fccken. Man kann dann mit fast physikalischer Sicherheit darauf rechnen, da\u00df jeder gute Beobachter unter gleichen Bedingungen gleiche Resultate haben wird.\nIII. Ergebnisse.\nDas untersuchte Lautmaterial und die Versuchsreihen.\nMit der If.-Methode wurden nicht blo\u00df die sog. 5 Hauptvokale untersucht, sondern auch die in der deutschen Sprache gebr\u00e4uchlichen Laute \u00d6, \u00c4, und \u00dc, die akustisch ganz die gleichen Probleme darbieten und ebenso gleichm\u00e4\u00dfig andauernde Kl\u00e4nge darstellen; w\u00e4hrend in den Diphthongen, wie Au, Ei, die analysierende Aufmerksamkeit leicht eine Aufeinanderfolge zweier durch einen raschen \u00dcbergang verbundener Vokale erkennt. \u00dcber die Aussprache der untersuchten Laute gilt das bereits bei der Resonanzmethode Gesagte.\nAlle diese Vokale wurden in der beschriebenen Weise ab- und aufgebaut und die Teilt\u00f6ne nach ihrer St\u00e4rke und ihrem Einflu\u00df auf den Vokalcharakter auch mit L\u00fccken- und Stichversuchen gepr\u00fcft. In erster Linie wurden Auf b a ureihen durchgef\u00fchrt, da sie den wichtigsten Punkt, die untere Formantgrenze, am deutlichsten erkennen lassen. Abbaureihen dienten als Vorbereitung, L\u00fccken- und Stichversuche als Erg\u00e4nzungen.","page":53},{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"54\t2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\n22 vollst\u00e4ndige Aufbaureihen wurden mit s\u00e4mtlichen Vokalen ausgef\u00fchrt, haupts\u00e4chlich auf den Grundt\u00f6nen C, Ges, c, g es, c1, ges1, c2, die je um eine halbe Oktave voneinander abstehen. Vollst\u00e4ndige Reihen wurden aber auch auf Gis und e gemacht, unvollst\u00e4ndige (besonders f\u00fcr den Vokal A) auch noch auf anderen T\u00f6nen. Es ist ein gro\u00dfer Vorzug der If.- vor der Resonanzmethode, da\u00df man jeden beliebigen Grundton verwenden kann. Diesen Vorzug teilt sie mit der objektiven Aufnahme und Zerlegung der Wellen. Beim synthetischen Verfahren, das sonst alle anderen an Klarheit und Erkenntniswert seiner Ergebnisse weit \u00fcbertrifft, waren ebenfalls bestimmte Grundt\u00f6ne vorgeschrieben.\nWir beschreiben zuerst die Ergebnisse von 16 Reihen, die mit k\u00fcrzester Leitung und unter Ausschlu\u00df der engsten R\u00f6hrensysteme gemacht wurden, damit der Laut am sichersten unversehrt hindurchkam. Die Sqhallgebung erfolgte hier im Zimmer II (s. Schema S. 44). Die L\u00e4nge der Leitung betrug zwischen 41/2 und 8 m. Verschiedene S\u00e4nger dienten zur Lautgebung, bei ges1 und c2 Frauen und Kinder, bei C ein fr\u00fcherer Doms\u00e4nger, der diesen f\u00fcr die menschliche Stimme ganz ungew\u00f6hnlich tiefen Ton mit gro\u00dfer Kraft w\u00e4hrend der l1/2-st\u00fcndigen Versuche wiederholen konnte. Die Vokale kamen auch da vollkommen deutlich heraus.\nWie bei den Resonanzversuchen, wird zun\u00e4chst (1.\u20143.) von den Ergebnissen bei dem Grundton c2 abgesehen, da sich hier wesentliche Abweichungen zeigten.\n1. Nur harmonische Teilt\u00f6ne.\nEs best\u00e4tigte sich, da\u00df gesungene Vokale ausschlie\u00dflich aus harmonischen Teilt\u00f6nen bestehen. Niemals ist in den Versuchsreihen etwas von dem Laut \u00fcbriggeblieben, wenn die s\u00e4mtlichen harmonischen Teilt\u00f6ne ausgeschlossen waren; auch w\u00e4hrend der Ab- und Aufbaureihen ist nirgends eine Spur anderer Beit\u00f6ne zum Vorschein gekommen. F\u00fcr sich allein w\u00fcrde ich dies zwar in bezug auf die h\u00f6heren Teilt\u00f6ne wegen der If.-Breite nicht als voll ausreichenden Beweis ansehen, aber als Best\u00e4tigung k\u00f6nnen diese Erfahrungen immerhin gelten. Das synthetische Verfahren wird uns die M\u00f6glichkeit bieten, die Frage an der Wurzel zu fassen.\nW. Koehler zeigte bereits (1, II, S. 7Iff.), da\u00df bei IT, O und A nach Vernichtung aller harmonischen Teilt\u00f6ne nichts \u00fcbrigbleibt, und folgerte mit Recht, da\u00df wenigstens zwischen den niedrigen Teilt\u00f6nen, die weit auseinanderliegen, keine unharmonischen liegen k\u00f6nnen, und da\u00df U, O, A, bei denen diese niedrigen Teilt\u00f6ne den Ausschlag geben, nicht durch solche von imharmonischen Verh\u00e4ltnissen charakterisiert sein k\u00f6nnen. F\u00fcr O f\u00fchrte er noch den besonderen Nachweis, da\u00df die Berufung auf die If.-Breite zur Entkr\u00e4ftung dieses Argumentes nicht gen\u00fcge.","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"Entwicklungsstadien.\n55\nS. Garten machte nun folgendes Gegenexperiment (3, VII, S. 35ff.): er lie\u00df ein A durch einen Resonator von 462 Schw. hindurchgehen, der dem O-Formanten entsprach, und fand es dadurch nach O hin verschoben. Darauf schaltete er den Grundton durch If. aus und beobachtete an der graphisch auf genommenen Kurve eine Ver\u00e4nderung, die er auf den Wegfall des dem A k\u00fcnstlich beigef\u00fcgten unharmonischen Resonatortones deutete. Daraus schlo\u00df er, da\u00df durch die Vernichtung des Grundtones dieser letztere mitvernichtet worden sei, obgleich er von harmonischen Teilt\u00f6nen um mehr als If.-Breite entfernt lag.\nDa Garten nichts \u00fcber die H\u00f6he des gesungenen Grundtones angibt, kann man den ganzen Versuch schwer beurteilen. \u00dcberdies scheint es physikalisch unverst\u00e4ndlich, wie eine solche Mitausl\u00f6schung vor sich gehen sollte. Wahrscheinlich war durch den Resonator, der ja auch in einer gewissen Breite wirkt, ein ungeradzahliger harmonischer Teilton verst\u00e4rkt worden, der dann durch If. auf den Grundton mitausgel\u00f6scht wurde. Es gibt aber einfachere und exaktere Mittel, unharmonische Teilt\u00f6ne einem Klang beizumischen. Die Wirkungen werden wir im 7. Kapitel beschreiben.\n2. Entwicklungsstadien.\nJeder Vokal durchl\u00e4uft beim Ab- und Aufbau bestimmte. Stadien. Die folgenden Tabellen geben ein Bild dieser Ver\u00e4nderungen beim Aufbau. Die beiden ersten Kolumnen der Tabellen (von unten nach oben zu lesen) bedeuten das Hinzutreten des betreffenden Teiltons zum Grundton und den vorangehenden Teilt\u00f6nen. Jede der Vokalbezeichnungen gilt solange, bis sie durch eine andere abgel\u00f6st wird. Also z. B. beim E auf dem Grundton C bleibt der Eindruck des 0 vom Auftreten des Teiltones g1 bis zum Hinzukommen von c3 unver\u00e4ndert. U auf demselben Grundton bleibt von d2 an \u00fcberhaupt unver\u00e4ndert Uo, O bleibt von c2 an Oa, auch wenn s\u00e4mtliche R\u00f6hren hineingeschoben, also alle Interferenzen beseitigt und alle Obert\u00f6ne eingef\u00fcgt sind.\nOu bedeutet ein dunkles 0, etwas nach U hin; OU und UO einen ungef\u00e4hr in der Mitte liegenden Laut (wobei der vorangehende Buchstabe eine vorwiegende Auffassung als 0 oder als U bedeutet). \u00dcu -j- i ein \u00dc, dem Spuren sowohl von U als von I beigemischt sind, die aber untereinander nicht zu einer Einheit verschmelzen. Analog bei den \u00fcbrigen Vokalen. Die Tabelle f\u00fcr c besagt also beispielsweise, da\u00df ein auf c gesungenes \u00d6, solange alle Obert\u00f6ne ausgeschaltet sind, als U erscheint, da\u00df es beim Hinzutreten des 3. Teiltones (<\u00fc) zu einem dunklen 0, weiter bei c3 zu einem guten 0 wird, da\u00df bei g3 die erste Spur eines \u00d6, etwas Helles, sich beimischt, und da\u00df es mit d4 fertig ist. Die Stelle des ersten Auftauchens der eigent\u00fcmlichen F\u00e4rbung eines Vokals, bei den helleren die des ersten Auftauchens einer hellen Nuance oder einer hellen Beimischung zu dem dunklen Untergrund, ist durch Unterstreichen hervorgehoben.","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"Grundton\n56\t2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\n\u00f6 \u00a9\nM\no.\u00a3 a\n\"e \u00abi-o\t^ \u00abi-o cs\u00ab \u00ab\ng i-o \u00abe 2\nO 00 \u00ae KJ\nooo\u00ae'#MOooot'fflionimiMH","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"Grundton Ges.\nEntwicklungsstadien.\n57\n3\n:p\nP\nm H H O\nbD\n=P\n\u00a9\n\u00a7o \u00a7 =<1 * =<1\nbD\ni\ng\np\np\n\u00a7 \u00a9 o o\n:p p\n\u00ae\t:c8\n\u25a0o\t+\n\tO\n\t<1\no\t\n<\t\nP\nP\no\n<1\nO\n<\n<\no\n\u00b0 o\nbp\n\u00a3\no O < < < O\n.bp\nc\u00a7\na\no\nH\noo\t\u00abo o\nCO 00\t\u00bb\n2\n\u00ab0 W Co rO\nGO C\u00a3> T}H (N CO 00\n\u00ae IO Tf M (N\ndes1 Immer noch \u00fcberall U, aber kr\u00e4ftig, metallisch\nges U st\u00e4rker und voller.........................\nGes U \u00e4u\u00dferst dumpf und schwach..................","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58\t2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\nGrundton c.\nGrundton ges.\n20\t&4\t\t\t\t\t\t\t\tI\n18\tasi\t\t\t\t\t\t\tE\t\n17\tg4\t\t\t\t\t\t\tE\u00f6\t\n16\tges*\t\t\t\t\t\t\u00fc\tEo\tIu\n15\t/4\t\t\t\t\t\t\tEo\u00f6\t\n14\te4\t\t\t\t\u00d6 gut\t\u00c4 gut\t\t\tU\u00fc + i\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t(hoher Beiton)\n13\tes4\t\t\t\t\t\t\t\u00d6oe\t\n12\tdes4\t\t\t\t\tA\u00c4\t\u00dcu\t\u00d6o\tU\u00fc\n11\tc4\t\t\t\t\u00d6\tAo\u00e4\t\tO\u00d6\tU metallisch\n10\t\u00f63\t\t\t\tO\u00d6\u00e4\tAo\tU\u00fc\t0 me-\t\n\t\t\t\t\t\t\t\ttallisch\t\n9\tas3\t\t\t\t0 me-\t\t\t\t\n\t\t\t\t\ttallisch\t\t\t\t\n6\tdes3\t\t\tA\t\t\t\t\t\n5\tb2\t\t\tAo\t\t\t\t\t\n4\tgres2\tU me-\t0 heller\tAO\t\tAO\t\t\t\n\t\ttallisch.\t\t\t\t\t\t\t\n3\tdes2\t\t0\tOa\t\tOa\t\t0\t\n2\tges1\t\tOu\tOu\t0\t0\t\tOu\t\n1\tges\tU\tU\tU\tU\tU\tu\tU\tU\n\t\tU\tO\tA\t\u00f6\tA I\t\u00fc\tE\tI","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"Entwicklungsstadien.\t59\nGrundton c1.\nGrundton ges1.\nGrundton c2.\nOhne If.\t\tOu\tOA\tA sehr gut\tDie helleren Vokale unvollkommen und einander vielfach \u00e4hnlich.\t\t\t\t\n7\t&4\t\t\t\t\u00d6\u00e4\t\u00c4 ziemlich gut\t\u00dc leidlich\tE\u00e4\t1 Iu\n6\t\t\t\tA sehr gut\t\tA\u00e4\t\u00dcu\t\tUi\n5\te4\tOu\t\t\t\u00d6\u00c4\tA sehr hell\t\t\u00d6 heiser\t\n4\tc4\t\t\tA gut\t0 hell\tOa\tU\u00fc?\t\t\n3\t<73\t\tOA\tA\t\t\t\t\t\n2\tc3\tUO\t0 stark\tAo\t0\t0\tUo\t0\tUo\n1\tc2\tAlle identisch; eigentlich kein Vokal, sehr helles U.\t\t\t\t\tam ehesten noch ein\t\t\n\t\tU\t0\tA\t\u00d6\t\u00c4\t\u00dc\tE\tI","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\t2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\nWenn hier vom Hinzntreten der Teilt\u00f6ne gesprochen wird, ist immer gemeint: in der relativen St\u00e4rke, wie sie in dem betreffenden Vokal enthalten sind. Aber auch in dieser Hinsicht ist in acht zu behalten, da\u00df sie ihre volle nat\u00fcrliche St\u00e4rke erst erreichen, wenn der Aufbau etwa um eine Terz h\u00f6her gediehen ist (If.-Breite). Nur die 4 ersten Teilt\u00f6ne, die gr\u00f6\u00dfere Intervalle untereinander bilden, treten sogleich mit voller St\u00e4rke auf.\nBeim Abbau wiederholen sich nat\u00fcrlich dieselben Stufen in umgekehrter Ordnung; nur treten die Wendepunkte meist ein wenig fr\u00fcher ein (o. S. 51).\nDer \u00dcbersichtlichkeit halber nehmen wir hier auch schon die erst sp\u00e4ter zu besprechende Tabelle f\u00fcr c2 mit auf.\nS\u00e4mtliche Laute beginnen mit einem leisen Ton von U-Charakter. Wird jedoch auf dem Grundton C gesungen, so ist dieser f\u00fcr sich allein \u00fcberhaupt nicht zu h\u00f6ren. Liegt der Grundton zwischen Ges und c1, so wird er in der Regel als ein sehr dumpfes U bezeichnet. W\u00e4re der Beobachter nicht auf das H\u00f6ren von Vokalen eingestellt, so w\u00fcrde er vielleicht nur angeben, einen leisen, mehr oder weniger dunklen, h\u00f6chst weichen Ton zu h\u00f6ren. Irgendein Unterschied unter den Vokalen besteht hier nicht, abgesehen von gewissen regelm\u00e4\u00dfigen St\u00e4rkeverschiedenheiten (s. u.).\nIst der gesungene Vokal selbst ein U, so wird er, wenn ein Oberton nach dem anderen freigegeben wird, nur noch etwas voller, sozusagen k\u00f6rperlicher, auch wohl metallischer, ist aber l\u00e4ngstens mit dem Auftreten der Teilt\u00f6ne der 2-gestrichenen Oktave fertig.\n0 geht von seiner U-Grundlage aus durch Uo, UO oder auch direkt in 0 \u00fcber ; letzteres ist der Fall, wenn der Grundton zwischen c1 und g es1 liegt. In diesem Falle gen\u00fcgt das Hinzukommen des 2. Teiltons (der Oktave) in der St\u00e4rke, wie er eben in dem gesungenen 0 enthalten ist, um den 0-Charakter herzustellen, der dann durch weiter hinzutretende h\u00f6here Teilt\u00f6ne nicht mehr wesentlich ver\u00e4ndert wird.\nA durchl\u00e4uft die Haupt stuf en U, O, A (nebst den etwaigen \u00dcberg\u00e4ngen) und wird weiterhin nur noch etwas heller und st\u00e4rker.\n\u00d6 geht von U durch 0 in \u00d6 \u00fcber.\n\u00c4 wird aus U zu 0, Ao und einem eigent\u00fcmlichen Bl\u00f6klaut Ao\u00e4, der an das franz\u00f6sische c\u0153ur, s\u0153ur oder an das in braunschweigischen und hannoverschen Gegenden gesprochene A erinnert. Dieser wandelt sich dann durch Zur\u00fccktreten seiner dunkleren Bestandteile in \u00c4.\n\u00dc bleibt lang ein U. Dann tritt pl\u00f6tzlich eine minimale Erhellung ein, und es geht durch U\u00fc in \u00dc \u00fcber. Analog ist es beim I. E dagegen geht zun\u00e4chst aus U in 0 \u00fcber, dann durch O\u00f6, evtl. \u00d6, in E.","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Entwicklungsstadien.\n61\nAu\u00dfer U selbst hat also jeder Vokal seine n\u00e4chste Grundlage in einem anderen Vokal, 0 in U, A in 0, \u00c4 in AO, E in 0, I und \u00dc in U. Darauf baut sich erst das Eigent\u00fcmliche des bez\u00fcglichen Vokals auf.\nEs ist eine bemerkenswerte Tatsache, da\u00df \u00fcberhaupt alle wesentlichen Umwandlungsprodukte beim Ab- und Aufbau selbst Vokalcharakter tragen. Dies ist durchaus nicht selbstverst\u00e4ndlich. Denn es gibt zahllose Kombinationen von Teilt\u00f6nen in bestimmten St\u00e4rke Verh\u00e4ltnissen, die instrumental klingen. In einzelnen F\u00e4llen sind uns denn auch solche mehr instrumental gef\u00e4rbte, klarinetten- oder fagott\u00e4hnliche, auch wohl tierstimmen\u00e4hnliche Laute begegnet; aber nur bei den L\u00fcckenversuchen sowie bei einzelnen Konsonanten wie R (\u201eGurren ), niemals bei den gew\u00f6hnlichen Abbauversuchen mit Vokalen. \u00dcber die Erkl\u00e4rung dieser Tatsache s. 13. Kap.\nBesonders hervorzuheben sind die langen toten Strecken bei den helleren und hellsten Vokalen. Sind beim Aufbau des \u00dc, E oder I die ersten Stempel zur\u00fcckgestellt, also die tiefsten Teilt\u00f6ne freigegeben, so ver\u00e4ndert sich der Vokalcharakter bei weiteren Einschiebungen lange Zeit \u00fcberhaupt nicht mehr, bis der erste Schimmer von \u201eetwas Hellem\u201c auftritt, das den Anfang des spezifischen \u00dc-, E- oder I-Charakters darstellt.\nDer nun folgende status nascendi selbst ist auch sehr interessant. Der Laut hat dann etwas Zwiesp\u00e4ltiges, Br\u00fcchiges, wie eine mutierende Stimme; es streiten gewisserma\u00dfen ein dunkles und ein helles Element in ihm um die Vorherrschaft, man h\u00f6rt auch wohl z. B. ein 0 und ein E geradezu nebeneinander, das dunkle Element wird aber durch jeden neu hinzukommenden Oberton mehr und mehr zur\u00fcckgedr\u00e4ngt, bis es zuletzt nicht mehr bemerkt wird.\nDer geschilderte Entwicklungsgang ist nun aber von verschiedener L\u00e4nge je nach der H\u00f6he des Grundtons. Er umfa\u00dft beim Grundton C bis zu 6 Oktaven, verk\u00fcrzt sich aber mit steigendem Grundton. Dies ist, wie man leicht sieht, begr\u00fcndet in der festen (bzw. nur wenig verschiebbaren) Lage der \u201e.Formanten\u201c und liefert einen Beweis daf\u00fcr. Aber wir kommen zugleich auf dem If.-Wege zu einer n\u00e4heren Bestimmung dieser entscheidendsten Regionen.\nZuvor noch einige Bemerkungen \u00fcber die Erscheinungen beim Grundton C, der in der Musik wohl niemals (abgesehen vielleicht von russischen Kirchench\u00f6ren) von einem S\u00e4nger verlangt wird, wenn er auch als Schlu\u00dfeffekt zuweilen gratis beigegeben wird. Obgleich auch hier alle Vokale durchaus kenntlich und unter-","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\t2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\nscheidbar sind, zeigen sich doch gewisse bemerkenswerte Eigenheiten. Der Grundton scheint hier \u00fcberall nur als subjektiver Differenz ton der Obert\u00f6ne im Ohre zu entstehen, objektiv aber zu fehlen, ausgenommen vielleicht in der unmittelbaren N\u00e4he des S\u00e4ngers. Mit dem Hinzutreten des 2. Teiltons, der Oktave c, wird der Klang h\u00f6rbar, ist aber f\u00fcr alle Vokale noch identisch, ein dumpfes U von majest\u00e4tischem Charakter. Mit dem 3. Teilton (g) wird er kr\u00e4ftiger, etwas dr\u00f6hnend, ist aber immer noch ein unzweifelhaftes U, nur mit kleinen St\u00e4rkeunterschieden unter den einzelnen Vokalen. Erst mit dem 5. Teilton, e1, wandeln sich alle Vokale in ein sehr markiges UO, und dann beginnen die Differenzierungen. Das Markige kommt in den Klang durch die Schwebungen aller Teilt\u00f6ne untereinander, die zwischen je zwei benachbarten 64 in der Sekunde betragen, sich also als Rauhigkeit geltend machen m\u00fcssen.\nU und 0 sind zun\u00e4chst, sobald die erforderlichen Teilt\u00f6ne hinzukommen, gut, werden aber durch weitere, h\u00f6here Teilt\u00f6ne geradezu alteriert. U bekommt vom 5. Teilton (e1) an einen Stich nach 0 und beh\u00e4lt ihn. Ebenso 0 vom 7. Teilton (&1) an einen Stich nach A. Die durch Interferenz ihrer h\u00f6heren Teilt\u00f6ne beraubten Vokale sind also hier besser, charakteristischer als die im Schallzimmer gesungenen: ein Fall, der \u00fcbrigens auch sonst nicht selten vorkommt. Beim nat\u00fcrlichen Singen auf C reicht offenbar die Resonanzeinstellung f\u00fcr U bzw. 0 nicht hin, um die n\u00e4chsth\u00f6heren starken Teilt\u00f6ne so weit zu unterdr\u00fccken, da\u00df sie nicht etwas von ihrer Vokalvalenz dem Klange heimischen. Durch die If.-Vorrichtung wird dieser Mangel getilgt. Der Wegfall von Schwebungsrauhigkeiten tr\u00e4gt zur Verbesserung noch bei.\nFerner ist hervorzuheben, da\u00df sich, wenn auf C gesungen wird, bei dem \u00d6 zwischen das gew\u00f6hnliche 0-Stadium und das erste Auftreten einer \u00d6-Spur ein \u00dcbergang in Gestalt eines Oa einschiebt, und beim \u00c4 an der analogen Stelle ein langes A-Stadium, das bei h\u00f6heren Grundt\u00f6nen fehlt (nur einmal, bei einer besonders metallreichen Stimme, kam es auf dem Grundton e zum Vorschein). Der Beginn des \u00c4 selbst wird dadurch in abnormer Weise hinauf -geschoben. In unserer Tabelle sind die Anf\u00e4nge dieser beiden Zwischenstadien durch Punktierung bezeichnet, da man sie schon als Vorformanten betrachten kann.\n3. Die Formanten.\nDie If.-Methode gibt nun auch Mittel an die Hand, um die relative Bedeutung der einzelnen Strukturelemente eines Vokals f\u00fcr seinen spezifischen Vokalcharakter, insbesondere die Tonlage der \u201eFormanten\u201c zu bestimmen. Wir verstehen unter dem","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Die Formanten.\n63\nFormanten nicht einen einzelnen Ton, sondern im allgemeinen eine Strecke des Tongebietes, die zur Charakteristik eines Vokals in besonderem Ma\u00dfe beitr\u00e4gt. Und zwar nennen wir Hauptf ormant oder Formant schlechtweg die Strecke, die den \u00fcberhaupt ausschlaggebendsten Ton eines Lautes einschlie\u00dft. Dieser bildet, wie der Vergleich mit den Resonanztabellen lehrt, bei den Vokalen ein St\u00e4rkemaximum, das nach beiden Seiten von stufenweise abfallenden Teiltonst\u00e4rken umgeben ist. Es soll aber nicht behauptet werden, da\u00df er zugleich immer der absolut st\u00e4rkste Ton des ganzen Klangkomplexes sei.\nIn meinen fr\u00fcher ver\u00f6ffentlichten Einzelabhandlungen bezeichnete ich die ma\u00dfgebende Strecke als Formant region, das Formantzentrum als Formant, betonte aber nicht minder wie jetzt das Zusammenwirken der ganzen Formantregion. Die jetzt vorgeschlagene Bezeichnungsweise ist k\u00fcrzer und praktischer. Den Ausdruck \u201eFormant\u201c selbst hat Hermann f\u00fcr die von ihm behaupteten, im allgemeinen unharmonischen, ma\u00dfgebenden Bestandteile der Vokale eingef\u00fchrt. Er ist aber so zweckm\u00e4\u00dfig, da\u00df ich mir erlaubt habe, ihn auch f\u00fcr unsere Darstellung des Sachverhaltes zu verwerten.\nAu\u00dfer dem Hauptformanten unterscheiden wir Neben -(Unter-und Ober-) Formanten, d. h. weitere relative Maxima, die f\u00fcr den spezifischen Vokalcharakter von Bedeutung sind. Die hellen Vokale von \u00d6 bis I haben s\u00e4mtlich untere Maxima, die von den oberen durch eine mit der Helligkeit des Vokals wachsende leere Strecke getrennt sind und den Gesamtcharakter nicht unwesentlich beeinflussen. Werden sie durch Abbau isoliert, so tragen sie selbst Vokalcharakter, und zwar ist f\u00fcr \u00d6 und E der Unterformant 0, f\u00fcr \u00c4 AO, f\u00fcr \u00dc und I U.\nWir bezeichnen aber nicht alle relativen Maxima, die sich in den Resonanzversuchen fanden, als Formanten oder Nebenformanten. Manche, wie die obersten Maxima der dunklen Vokale, sind ohne Einflu\u00df auf den Vokalcharakter als solchen, wie eben die If.-Methode zeigt.\nIf.-Versuche geben nun wertvolle Aufschl\u00fcsse \u00fcber die wichtigste Frage der ganzen Vokaltheorie, die nach der Lage der Hauptformanten. Hierbei m\u00fcssen in 1. Linie die Aufbaureihen zugrunde gelegt werden, weil man bei ihnen f\u00fcr die untere Grenze, f\u00fcr das erste Auftauchen einer Spur des spezifischen Vokalcharakters empfindlicher ist. Es ist daher bei allen Versuchsreihen auch besonders auf diesen Punkt geachtet worden. Er wird als Formantanfang betrachtet. Bei den hellen Vokalen \u00d6 bis I ist gleichwohl damit zu rechnen, da\u00df der Formant in Wirklichkeit schon 1\u20142 T\u00f6ne tiefer beginnt und nur infolge der If.-Breite, die ja nach der H\u00f6he hin zunimmt, nicht eher merklich","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\t2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\nwird. Damit stimmt \u00fcberein, da\u00df regelm\u00e4\u00dfig schon 1\u20142 T\u00f6ne vor jenem Punkt eine gewisse Ver\u00e4nderung eintritt. \u00d6, \u00c4 werden metallischer, \u00dc, E, I eigent\u00fcmlich heiser und schw\u00e4cher. Dann erst wird ein hohes Element f\u00fcr sich bemerkbar und beginnt jener oben geschilderte zwiesp\u00e4ltige Zustand, aus dem das definitive Entwicklungsprodukt hervorgeht. Jene Heiserkeit und Schw\u00e4chung d\u00fcrfte darin ihren Grund haben, da\u00df durch den bereits vorhandenen Formantanfang der Unterformant im Klangganzen geschw\u00e4cht wird, w\u00e4hrend doch der diese Wirkung aus\u00fcbende h\u00f6here Bestandteil infolge der If.-Breite noch verdeckt ist. Sie ist also, wenn diese Erkl\u00e4rung zutrifft, ein Produkt des If.-Verfahrens selbst, wenn auch als Ph\u00e4nomen von allgemeinerem Interesse.\nDie obere Grenze des Formanten ist ihrer Natur nach etwas schwankend. Mancher findet ein A schon gut, wenn es noch nicht die gr\u00f6\u00dfte zul\u00e4ssige Helligkeit erreicht hat usf. Auch hier gilt aber, da\u00df die Grenze mit R\u00fccksicht auf die If.-Breite eher etwas tiefer als h\u00f6her zu legen ist.\nDie Abweichungen bei Wiederholung einer Reihe auf einem bestimmten Grundton sind bei hinreichender \u00dcbung des Beobachters und Einhaltung der vorgeschriebenen Ma\u00dfregeln sehr gering; es kann sich da nur um Schwankungen etwa innerhalb einer kleinen Terz handeln. Diese Abweichungen kommen aber auch nur zum kleineren Teil auf Rechnung des Beobachters, zum Hauptteil sind sie objektiv begr\u00fcndet, da die S\u00e4nger nat\u00fcrlich auch nicht genau gleichm\u00e4\u00dfig vokalisieren. Bei einer nur ganz wenig dunkleren Nuancierung des A z. B. wird an der n\u00e4mlichen Stelle, wo sonst bereits \u201ereines A\u201c geurteilt wird, noch ein Ao angegeben. Mehr als einmal bezeichnete der S\u00e4nger selbst nach Beendigung einer Reihe einen Fall, in dem ihm eine kleine unwillk\u00fcrliche Abweichung in der Nuance begegnet war, und es zeigte sich zugleich im Protokoll des Beobachters eine entsprechende Abweichung.\nPrinzipiell k\u00f6nnte man noch fragen, in welchem Sinne wir eigentlich bei Auf- und Abbauversuchen sagen: \u201ehier beginnt A, hier h\u00f6rt A auf.\u201c Wir schreiben OA mit zwei Buchstaben, aber es erscheint dem nicht theoretisierenden Beobachter ebenso einfach und wohlcharakterisiert wie A oder 0. Was hei\u00dft nun also : \u201ereines A\u201c? Wir werden diese Frage nach der Existenz sog. Grundvokale erst sp\u00e4ter ( 10. Kap. ) besprechen. H ier gen\u00fcgt es, darauf zu verweisen, da\u00df wir die 8 gegenw\u00e4rtig gebr\u00e4uchlichen deutschen Vokale zun\u00e4chst als gegeben hinnehmen und demgem\u00e4\u00df zwar A und 0, nicht aber OA als eine der Kategorien ansehen, auf die ein gegebener","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"Die Formanten.\n65\nEindruck zu beziehen ist. Wir lassen daher A beim Aufbau schon an dem Punkte beginnen, wo 0 zuerst einen schwachen Anklang an A auf weist, und lassen es beim Abbau dort auf h\u00f6ren, wo ein reines 0, ohne jeden Anklang an A, beginnt. Die ideale Aussprache aber ist f\u00fcr uns durch die Forderung maximaler Unterscheidbarkeit bestimmt (o. S. 20).\nAus den folgenden Tafeln lassen wir U hinweg, weil es keinen eigentlichen Formanten oder nur einen beweglichen besitzt. Der Grundton selbst tr\u00e4gt eben U-Charakter.\nVon der Regel, da\u00df der Formant aus mehreren T\u00f6nen besteht, durch deren Hinzukommen der Vokal von der ersten Spur seiner Eigenart bis zur fertigen Form gelangt, gibt es nur wenige Ausnahmen. So ist f\u00fcr 0 bei den Grundt\u00f6nen c1 und g es1 mit dem Auftreten des 2. Teiltons Anfang und Ende des Formanten zugleich gegeben. Jeder weiter hinzukommende Teilton w\u00fcrde hier schon die Region \u00fcberschreiten, die f\u00fcr O-F\u00e4rbungen noch in Betracht kommt. Der 2. Teilton ist aber in diesen F\u00e4llen so kr\u00e4ftig, da\u00df er allein schon im Zusammenwirken mit dem Grundton zur F\u00e4rbung hinreicht.\nWir sprechen in der umstehenden Tabelle von \u201eInterferenz-formanten\u201c wegen der obigen Klausel betreffs der If.-Breite, die (besonders bei den helleren Vokalen) eine Abweichung der realen Formanten nach unten bis zu einer Terz als m\u00f6glich erscheinen l\u00e4\u00dft. Hier\u00fcber werden uns erst die synthetischen Versuche Definitives lehren. Aber die relativen Lagen der Formanten treten doch schon hier deutlich zutage.\nDie eingeklammerten Tonh\u00f6hen bedeuten Abweichungen einzelner Versuchsreihen, wo die untere Grenze etwas tiefer oder die obere etwas h\u00f6her lag.\nDie auffallendste Erscheinung in diesen Tabellen ist das langsame Hinaufr\u00fccken der Formanten mit der H\u00f6he des Grundtons. Sie sind also doch nur relativ fest, n\u00e4mlich im Vergleich mit dem Hinaufr\u00fccken der Grundt\u00f6ne: ihre Bewegung erfolgt in gleicher Richtung, aber weit langsamer, sie umfa\u00dft (abgesehen vom Grundton c2) nur wenige T\u00f6ne. Die Erkl\u00e4rung dieser Erscheinung wird uns erst bei den allgemeineren Betrachtungen (13. Kap.) besch\u00e4ftigen. Da\u00df sie bei den Resonanz versuchen nicht zum Vorschein kam, liegt daran, da\u00df dort nur Grundt\u00f6ne innerhalb eines geringeren Umfangs untersucht wurden. Nur an gewissen Stellen wird man jetzt r\u00fcckblickend auch dort die Tatsache finden (Vokal E auf c1 gegen\u00fcber c, S. 25).\n5\nStumpf, Sprachlaute.","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\n2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\nTafel der Interferenzformanten.\nVokal O\tVokal A\nGrundton\tFormant\tGrundton\tFormant\nG\te1\u2014g1 (c2)\tc\tC2_g2 (g3)\nGes\tges1 \u2014des2\tGes\tdes2\u2014as2\nc\tg1 \u2014c2\tc\te2 \u2014d3\nges\tges1\u2014des2\tges\tdes2 \u2014e3\nc1\tc2\tc1\tg2-e3\nges1\tges2\tges1\tges2\u2014ges3\nc2\tc3\tc2\tc3 \u2014 c4\nVokal \u00d6\t\tVokal \u00c4\t\nGrundton\tFormant\tGrundton\tFormant\nG\tf3\u2014as3\tG\td3 \u2014 des4\nGes\tas3 \u2014 h3\tGes\t63 \u2014 d4\nc\tg3\u2014d1\tc\t\u00c43 (c4) \u2014e4\nges\tas3 \u2014 e1\tges\tc4 \u2014e4\nc1\tg3\u2014d1\tc1\tc4 \u2014e4\nges1\t. &3 \u2014e4\tges1\tdes1 \u2014 as1\nc2\tc4 ( e 4 ) \u2014 6 4\tc2\te1 (g1) \u2014 b1\nVokal \u00dc\t\tVokal E\t\nGrundton\tFormant\tGrundton |\tFormant\nc\tges3\u2014d4\tG\tas3\u2014d4\nGes\t63-d4\tGes\tb3-]1\nc\tW-fis1\tc\th3-g1\nges\tb3\u2014ges1\tges\tc4-/4\nc1\tc4\u2014ges4\tc1\tC4-/is4\nges1\tdes1\u2014as1\tges1\tdes1\u2014as1\nc2\tc4 \u201454\tc2\te1-!)1\n\tVokal I\t\t\n\tGrundton\tFormant\t\n\tG\td3\u2014d4\t\n\tGes\tc4 \u2014 ges4\t\n\tc\tdes4 \u2014d4\t\n\tges\tdes4 \u20146 4\t\n\tc1\td4 \u2014d4\t\n\tges1\te4 \u2014 os4\t\n\tc2\tg4\u2014fe4\t","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"Die Formanten.\n67\nSchon hier aber m\u00fcssen wir uns vergegenw\u00e4rtigen (wie schon a. a. 0.), da\u00df gewisse kleinere Verr\u00fcckungen der unteren Formant-grenze, selbst in umgekehrter Richtung wie die des Grundtons, die notwendige Folge sind, wenn die Vokale nur aus harmonischen Teilt\u00f6nen bestehen1). Beim Grundton ges kann z. B. A nicht schon mit e2 anfangen, sondern fr\u00fchestens mit ges2; ebenso beim Grundton c1 erst mit g2. 0 kann, auf c gesungen, nicht mit c1, sondern erst mit g1 beginnen, auf c1 gesungen erst mit c2. Der betreffende Ton ist eben immer der erste harmonische Teilton innerhalb des Formantbereiches. Da diese Verschiebungen sich nun wirklich ganz regelm\u00e4\u00dfig herausgestellt haben, so liegt darin ein sehr starker Beweis, da\u00df in der Tat nur harmonische Teilt\u00f6ne vorhanden sind. Besonders beweisend aber sind die F\u00e4lle, wo mit hinauf-r\u00fcckendem Grundton der Formantbeginn hin a br\u00fcckt. Wenn z. B. A auf e gesungen wird, beginnt der Formant bei e2, wenn es aber auf ges gesungen wird, schon bei des2. Ganz notwendig, da eben des2 nicht im e-Klang, e2 nicht im ges-Klang enthalten ist. So l\u00f6sen sich scheinbare Anomalien der Tabellen in Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten auf.\nDa\u00df die Formanten f\u00fcr die helleren Vokale nur so wenig (\u00f6fters nur einen Ton oder einen Halbton nach oben oder unten) verschieden sind, k\u00f6nnte wundernehmen. Aber hier ist zu bedenken: 1. da\u00df innerhalb der Formantstrecken Unterschiede in der Intensit\u00e4tsverteilung sein k\u00f6nnen und nach unserer weiteren Untersuchung auch wirklich vorhanden sind, 2. und haupts\u00e4chlich, da\u00df die Formanten erst im Zusammenwirken mit den \u00fcbrigen Bestandteilen, namentlich den (in dieser Tabelle nicht angegebenen) Unterformanten ihre Wirksamkeit erlangen und da\u00df diese charakteristische Verschiedenheiten zeigen. Der des E z. B. ist ein 0, der des I aber ein U.\nAus der Haupttabelle ergeben sich 2 weitere, die die Sachlage noch etwas n\u00e4her erl\u00e4utern. Die 1. gibt den Gesamtumfang der Tonregion, innerhalb deren der Formant eines Vokals bei Grundt\u00f6nen zwischen G und g1 (c2) liegt. Die oberen Grenzen beim Grundton c2 sind aber wegen der hier schon beginnenden Deformation der Vokale in Klammern gesetzt. Diese Gesamtumf\u00e4nge sind darum von Bedeutung, weil innerhalb ihrer auf der Tonlinie die \u201ef\u00e4rbenden\u201c Elemente oder Valenzen liegen m\u00fcssen, die zu dem betreffenden Vokalcharakter besonders beitragen.\nDie 2. Tabelle gibt diejenigen Strecken, die f\u00fcr die Grundt\u00f6ne Ges bis g1 gemeinschaftlich gelten. Zwischen Ges und g1 liegen die\nx) Dies hat auch Schole (S. 14) richtig hervorgehoben.","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\n2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\nnormalen Grundt\u00f6ne des m\u00e4nnlichen und weiblichen Sprechens; daher erscheinen die bez\u00fcglichen Formantstrecken besonders wichtig. Zugleich ist die Formantverschiebung mit der H\u00f6he hier nur gering. Diese gemeinschaftlichen Formantstrecken kann man als \u201eZentralstrecken\u201c bezeichnen. Sie sind aber nicht die vollst\u00e4ndigen Formanten, diese gehen vielmehr, je nach dem Grundton, nach der einen oder anderen Seite dar\u00fcber hinaus.\nBeim 0 ist hier zu erinnern, da\u00df ges2 nur f\u00fcr den Grundton g es1 in Betracht kommt, und da\u00df es den Klang bereits zu einem Oa macht. Ein vollkommenes 0 ist auf dieser Grundtonh\u00f6he schon nicht mehr m\u00f6glich, weil eben der erste Oberton bereits in die Gegend des A-Formanten f\u00e4llt. Deshalb ist diese Note hier eingeklammert.\nVokale\tGesamtumf\u00e4nge der' If.-Formanten f\u00fcr die Grundt\u00f6ne C\u2014ges1 (c2)\tZentralstrecken der If.-For-manten, gemeinschaftlich den Grundt\u00f6nen Ges\u2014ges1\n0\te1\u2014ges2 (c3)\tg1 \u2014c2 (ges-)\nA\tc2\u2014ges3 (c4)\tges'2\u2014d3\n\u00d6\t/3_e4 (fo4)\tb3 -d*\n\u00c4\tb3-as* (b*)\tdes* \u2014es*\n\u00dc\tges3 \u2014 as* (b*)\tdes*\u2014es*\nE\tges3\u2014as* (b*)\tdes*-]*\nI\tc*\u2014as* (b*)\te*\u2014g*\nAu\u00dfer den eben besprochenen Aufbaureihen wurden noch 6 andere f\u00fcr jeden Vokal durchgef\u00fchrt, bei denen die Leitung, um jede Spur des direkten H\u00f6rens auszuschlie\u00dfen und dadurch unwissentliche Versuche zu erm\u00f6glichen, durch 4 W\u00e4nde in ein weit entferntes Zimmer gef\u00fchrt wurde (s. das Schema S. 44 von Sx bis Bj, Zimmer I-\u2014V). Von den 6 Reihen wurden je 2 auf den Grundt\u00f6nen c, ges und c1 ausgef\u00fchrt. Als S\u00e4nger wirkte Dr. Alfred G\u00fcttmann, der eine hervorragende k\u00fcnstlerische Ausbildung besitzt (er kann z. B. 5 deutlich verschiedene U hervorbringen), als Beobachter Dr. Rieffert. Die Versuche wurden mit besonderer Sorgfalt durchgef\u00fchrt. Ein Beispiel einer solchen unwissentlichen Reihe m\u00f6ge zeigen, wie genau erkennbar doch auch hierbei die oben festgestellten Umwandlungen zutage traten. Es handelte sich hier um Querschnittreihen, d. h. es wurden bei jeder Einstellung des R\u00f6hrensystems alle Vokale, aber in imregelm\u00e4\u00dfig wechselnder Anordnung gegeben. Jeder Einzelfall wurde, um dem Urteil m\u00f6glichste Sicherheit und Eindeutigkeit zu geben, mehrere Male wiederholt. Die Abweichungen waren dabei nur ganz gering. In der Tabelle ist nur das dominierende Urteil angegeben, doch sind in zwei besonders interessanten F\u00e4llen, bei dem Bl\u00f6klaut in der Entwicklung des \u00c4, auch Beispiele f\u00fcr die Varianten der Aussage angef\u00fchrt. Eine wirkliche Abweichung gegen\u00fcber den wissentlichen Versuchen fand nur in einem einzigen Falle statt , beim Hinzukommen des 8. Teiltons im Aufbau des \u00c4. Sie ist offenbar zuf\u00e4lliger Art; der hier noch sehr schwache helle Bestandteil war unbeachtet geblieben.","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Die Formanten.\nG9\nUnwissentliche Aufbaureihe auf dem Grundton c1.\nc5\t\t\t\t\t\t\nh*\t\t\t\t\tE\t\n54\t\t\t\t! \u00fc\tE\u00d6\tIu\n\u00e44\t\t\t\t\t\u00d6E\u00f6\tUi, IU\ngi\t\t\t\t\tE\u00d6\t\nfTs4\t\t\t\t\u00d6\t\u00c4\t\u00d6E\t\ne4\t\t\t\tO\u00e42) i \u00dcU\t\u00d6Ou\t\nd4\t\t\t\t\u00d6\u00fc\t\u00c4\u00d61)\t\t\nc4\t\t\t\tAo\t\t\nb2\t\t\t\tA\u00f6\tAO\u00f6\t\t\ng3\t\t\t\tAo\t\t\ne3\t\t\tA\tOa\t\t\nc3\t\t\tAO\tOa\t\t\ng2\t\t\t\tOU\tOU\t\nc2\t\tOll (Oh\t0\to o\tUo\t\nc1\tu\tu\tu\tU I u\tu\tu\tU\nTeilton\tu\t0\tA\t\u00d6\t\u00c4\t\u00fc\tE\t1\nI behielt hier immer, auch beim Hineinschieben aller Seitenr\u00f6hren, etwas Dunkles (zuletzt Iu). Auch O kam meistens nicht \u00fcber ein Ou hinaus.\nBez\u00fcglich der Formanten weichen die unwissentlichen Versuche begreiflicherweise etwas mehr als die wissentlichen untereinander ab, da die Unwissentlichkeit hier eine au\u00dferordentliche Erschwerung bedeutet. Aber die Gesamtumf\u00e4nge der Formanten stimmen doch recht gut mit denen bei kurzer Leitung \u00fcberein. Die Zentralstrecken sind, wenn wir hier noch die Bedingung stellen, da\u00df sie mindestens 4 von den 6 Reihen gemeinschaftlich sein m\u00fcssen, folgende: f\u00fcr O g1 \u2014 c2 (hier wieder mit der Ma\u00dfgabe, da\u00df ein einziger Ton dieser Strecke schon gen\u00fcgen kann, bei g g1, bei c1 c2), f\u00fcr A ges2 \u2014 e3, \u00d6 a3\u2014di, \u00c4 h3 \u2014 e4, \u00dc esi\u2014gi, E esi\u2014gi, I gres4 \u2014 &4. Sollen alle 6 Reihen die gemeinschaftlichen Strecken enthalten, so verengern sich diese noch. Verglichen mit den Zentralstrecken bei kurzer Leitung zeigt sich im allgemeinen auch wieder \u00dcbereinstimmung, doch liegen sie bei den 3 hellsten Vokalen hier um einen Ganzton h\u00f6her. Dies k\u00f6nnte an der kunstvollen Vokalisierung des S\u00e4ngers gelegen haben. Wahrscheinlicher ist es mir aber, da\u00df infolge der Schw\u00e4chung aller Teilt\u00f6ne durch die lange Leitung der untere Abschnitt der Formantzone, der die ersten Spuren des betreffenden Vokals enth\u00e4lt, nicht zur Wirksamkeit kam und erst noch weitere Teilt\u00f6ne des Formanten hinzutreten mu\u00dften, um das Charakteristische merklich zu machen. F\u00fcr ein abnorm feines Ohr w\u00fcrde der Formant vielleicht auch unter diesen Umst\u00e4nden an derselben Stelle liegen wie bei der kurzen Leitung. Immerhin bewog mich diese \u00dcberlegung, wieder zur kurzen Leitung zur\u00fcckzukehren.\n4) Einzelurteile : AOe, Aeo, OeA, \u00c4\u00d6, \u00c4\u00d6.\n2) Einzelurteile: \u00c4O, O\u00e4, O\u00e4, O\u00e4, O\u00c4.","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\n2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\n4. Die Erscheinungen beim Grundton c2.\nGeht man mit dem gesungenen Grundton \u00fcber die Zone c\u2014ges1 nach oben hinaus, so erfolgen immer umfassendere Zerst\u00f6rungen der Vokalstruktur. Es wurde in dieser Hinsicht allerdings nur c2 mit der If.-Methode untersucht; aber die Versuche des n\u00e4chsten Kapitels lassen keinen Zweifel, da\u00df die R\u00fcckbildung von da ab enorm zunimmt und da\u00df von c3 ab die Vokale \u00fcberhaupt nicht mehr voneinander unterschieden werden k\u00f6nnen.\nSchon bei ges1 ist U nicht mehr recht dunkel, etwas nach 0 hin ver\u00e4ndert, ebenso 0 nach A hin. Der O-Formant ist ja auch auf ges2 hinauf ger\u00fcckt, wo zugleich der A-Formant beginnt (siehe Tabelle S. 66). Im \u00fcbrigen ist aber hier noch kaum etwas Abnormes zu finden und sind die Vokale noch deutlich ausgepr\u00e4gt.\nAnders bei c2. Hier verschieben sich fast alle Formanten stark nach oben, sie behalten auch nicht mehr ganz ihre fr\u00fchere relative Lage gegeneinander, und die helleren Vokale werden, soweit \u00fcberhaupt, eigentlich erst mit dem Hineinschieben s\u00e4mtlicher R\u00f6hren fertig. Selbst dann sind sie nicht mehr so vollkommen wie in tieferen Lagen, sondern einander vielfach \u00e4hnlich, namentlich \u00d6 und E dem \u00c4. Auch \u00dc und I lassen an Deutlichkeit zu w\u00fcnschen, sie behalten etwas Dunkles, I n\u00e4hert sich dem E oder \u00dc. Die If.-Versuche sind darum hier viel schwerer. Es scheint hier allerdings auch die R\u00f6hrenleitung mehr als bei tieferen Grundt\u00f6nen alterierend zu wirken. Aber da\u00df sie nicht die Hauptursache ist, lehrten unwissentliche Erkennungsversuche ohne R\u00f6hrenleitung, bei denen der Singende nur durch eine halboffene T\u00fcre vom H\u00f6renden getrennt war: auch da wurde auf c2 z.B. \u00d6 leicht mit \u00c4 verwechselt. Doch lie\u00df sich selbst eine unwissentliche Querschnittreihe mit teilweise sogar klareren Ergebnissen gegen\u00fcber den wissentlichen durchf\u00fchren.\nWas den qualitativen Verlauf der Aufbaureihen betrifft, so sind zun\u00e4chst, solang alle Obert\u00f6ne ausgeschlossen sind, nat\u00fcrlich wieder s\u00e4mtliche Vokale einander gleich, aber man kann zweifelhaft sein, ob man den Laut, den einfachen Ton c2, noch als ein gutes U bezeichnen soll. Immerhin steht er dem Eindruck eines sehr hellen U am n\u00e4chsten.\nDas gesungene U selbst geht dann beim Hinzukommen des 2. Teiltons in einen 0-verwandten Laut \u00fcber und bleibt so bei allen weiteren Einstellungen.\n0 geht in ein OA \u00fcber und bleibt dabei. Der Formant schrumpft hier, wie schon auf dem Grundton ges1, in einen Punkt zusammen, der Vokal ist mit dem Auftreten des Teiltons c3 in der Form","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"L\u00fccken- und Stichversuche.\n71\nda, die er weiterhin beh\u00e4lt. A wird kenntlich mit dem 2., zu einem guten A mit dem 4., zu einem sehr guten mit dem 6. Teilton.\nDie Entwicklung der \u00fcbrigen sei nicht weiter geschildert. Nur soviel, da\u00df die einander benachbarten hellen Vokale auf lange Strecken hin schlecht unterscheidbar bleiben. Allgemein kann man sagen: die dunklen Vokale r\u00fccken gegen die hellen hin und diese r\u00fccken n\u00e4her aneinander.\nDie Versuchsreihen boten infolgedessen den Beobachtern Schwierigkeiten und Verlegenheiten, und die Ergebnisse waren lange nicht so \u00fcbereinstimmend wie sonst. Es traten unverkennbare \u201ePerseverationen\u201c (F\u00e4lle des Beharrens auf einem einmal gef\u00e4llten Urteil auch bei ver\u00e4nderten Umst\u00e4nden) u. dgl. ein. Bezeichnend auch, da\u00df bei den helleren Vokalen fast regelm\u00e4\u00dfig um Wiederholung, auch mehrfache, gebeten wurde. Immerhin blieben die Vokale nach Hineinschieben aller Seitenr\u00f6hren im wesentlichen erkennbar und unterscheidbar.\n5. L\u00fccken- und Stichversuche.\nLassen die Ab- und Aufbaureihen die Vokalstrukturen nach den Grundz\u00fcgen und besonders nach der Lage der Formanten erkennen, so gew\u00e4hren L\u00fcckenversuche, bei denen mitten heraus einzelne Teilt\u00f6ne weggenommen werden, weitere Einblicke.\na) Zuerst sei eine Klasse erw\u00e4hnt, die ich \u201eBr\u00fcckenversuche\u201c nannte. Sie bestehen darin, da\u00df die untersten Teilt\u00f6ne und der If.-Formant erhalten bleiben, dagegen eine dazwischenliegende Strecke (die \u201eBr\u00fccke\u201c) ausgeschaltet wird. Damit die beobachtete Ver\u00e4nderung nicht auf mitausgeschaltete Multipla jenseits des Formanten bezogen werden kann, wird von vornherein der ganze \u00fcber dem Formanten liegende Teil ausgeschaltet. Die Laute werden dadurch, wenn \u00fcberhaupt, nur wenig gesch\u00e4digt, bleiben jedenfalls durchaus kenntlich. Und nun vergleicht man den Eindruck ohne und mit Ausschaltung der Br\u00fccke. Man mu\u00df hier aber die Grundt\u00f6ne und die Vokale selbst so w\u00e4hlen, da\u00df durch Wegnahme der Br\u00fccke nicht auch Formantbestandteile als ungerade Multipla mit weggenommen werden. Es eignen sich dazu besonders die Vokale \u00d6 und \u00c4 auf Grundt\u00f6nen aus der Mitte der kleinen Oktave.\nBei der Deutung der Beobachtungen ist jedoch damit zu rechnen, da\u00df der wirkliche Formant wegen der If.-Breite um 1 \u2014 2 T\u00f6ne tiefer hinabreicht als der If.-Formant. Es k\u00f6nnen daher die tiefsten 1 \u2014 2 T\u00f6ne des realen Formanten als Bestandteile der \u201eBr\u00fccke\u201c mitweggenommen sein.","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\n2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\na) \u00d6 auf ges. Vorhanden die Teilt\u00f6ne 1 \u2014 4 = ges\u2014ges2 und der If.-For-mant as3 \u2014 esi (10\u201414), ausgeschlossen 5 \u20148 = b2\u2014ges3 und die T\u00f6ne \u00fcber es4. Man h\u00f6rt O. Die Br\u00fccke ist also ganz wesentlich.\n\u00df) \u00c4 auf g es. Vorhanden 1 \u2014 5 = ges\u2014b2 und der Formant c4 \u2014e4 (11 \u2014 14), ausgeschlossen das \u00fcbrige. Man h\u00f6rt AO. Wird auch der Formant selbst oder nur dieser ausgeschaltet, nicht wesentlich anders. Die Ausschaltung der Br\u00fccke wirkt also hier ebenso wie die des Formanten, w\u00e4hrend ihr Hinzukommen bei Aufbaureihen den Vokal noch lange nicht fertigmacht.\ny) O auf cts. Vorhanden 1 \u2014 4 = as \u2014as2 und der Formant b3 \u2014 ei (9\u201413), fohlend das \u00fcbrige. Man h\u00f6rt ein gutes O. (Hier war allerdings das weggenommene as3 schon Formantton; ich hatte damals den Formanten h\u00f6her angesetzt.)\nSetzt man hier die aus 4 T\u00f6nen c3\u2014as3 bestehende Br\u00fccke Ton f\u00fcr Ton wieder ein, so erh\u00e4lt man ein sehr merkw\u00fcrdiges Bild: mag man sie in der Folge von unten nach oben oder umgekehrt einf\u00fcgen, immer tritt bei den 3 ersten nur eine geringe Ver\u00e4nderung auf, dagegen erscheint beim Hinzutreten des letzten fast sprunghaft ein gutes \u00d6. Besonders auffallend ist dies bei Einf\u00fcgung von unten herauf, also in der Reihenfolge c3, es3, g es3, cts3. Bei c3 und es3 h\u00f6rt man noch O, bei ges3 wird es metallisch, bei as3 pl\u00f6tzlich ein \u00d6.\nOffenbar ist also Vollst\u00e4ndigkeit und Kontinuit\u00e4t der Teiltonreihe innerhalb einer bestimmten Region erforderlich. Erst in dem Moment, wo sie hergestellt ist, erscheint der ausgesprochene Vokalcharakter. Da\u00df dies bei Einf\u00fcgung von unten nach oben besonders auff\u00e4llt, erkl\u00e4rt sich daraus, da\u00df man sich dabei eben dem Formanten n\u00e4hert oder ihn sogar erreicht. Man kann hier auch einen einfachen Stichversuch ausf\u00fchren, indem man aus der vollst\u00e4ndigen Reihe 1\u201413 nur 8 (as3) herausnimmt: sofort geht der Laut in O \u00fcber.\nAllerdings ist zu bedenken, da\u00df bei Stichversuchen mit Obert\u00f6nen von h\u00f6herer Ordnungszahl, die nahe beisammenliegen, niemals nur ein einziger ausgeschlossen wird, sondern infolge der If.-Breite auch seine n\u00e4chsten Nachbarn, also mit as3 zugleich ges3 und b3. Zum mindesten werden sie bedeutend abgeschw\u00e4cht. Der wirkliche Unterschied vor und nach dem Einstich ist also doch auf eine, wenn auch kleine, Zone zu deuten. Gleichwohl bleibt die Erscheinung lehrreich, zumal da sie auch bei umgekehrter Richtung der Einf\u00fcgungen, wenngleich in geringerem Grade, auftritt.\nb) \u00c4 auf as. Vorhanden 1 \u20144 = as \u2014as2 und der If.-Formant c4 \u2014 /4, fehlend das \u00fcbrige. Man h\u00f6rt ein dunkles, ged\u00e4mpftes A, genau so wie wenn die ausgeschlossenen T\u00f6ne vorhanden sind, der Formant aber fehlt.\nMan kann hier wieder die Br\u00fccke Ton f\u00fcr Ton einf\u00fcgen: dasselbe Ergebnis wie bei j'). Erst mit dem letzten Ton von unten nach oben (b3) erscheint pl\u00f6tzlich \u00c4 (nur etwas dunkel, wegen der fehlenden h\u00f6heren T\u00f6ne, die hier noch etwas beitragen). In umgekehrter Folge wieder nicht so unvermittelt: mit b3 ist es noch Ao, mit as3 schon dunkles \u00c4, das dann noch besser wird. Aber paradox ist doch zun\u00e4chst auch dies, da\u00df der Laut durch Hinzukommen immer tieferer T\u00f6ne immer heller wird. Es versteht sich nur daraus, da\u00df eben der ganze Komplex Zusammenwirken mu\u00df und da\u00df seine Kontinuit\u00e4t auch so erst allm\u00e4hlich hergestellt wird.\nBei U, E, I ist die Wirkung der Br\u00fccken versuche viel weniger auffallend, weil hier unterhalb der Formanten die ausgedehnten \u201etoten Strecken\u201c liegen. Doch ist noch ein Unterschied zu bemerken, wenn man z. B. bei","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"L\u00fccken- und Stichversuche.\n73\ndem I auf as die If. auf die T\u00f6ne ges3, as3, b3 einstellt. Die Strecken scheinen also doch nicht ganz leer an schwachen Teilt\u00f6nen zu sein (vgl. die Resonanz -versuche).\nb) L\u00fcckenversuche \u00fcber die hohen Teilt\u00f6ne des A.\nWenn man bei dem A einer M\u00e4nnerstimme alle Teilt\u00f6ne bis dicht unter c4 ausschaltet, so h\u00f6rt man noch ein eigent\u00fcmliches feines Knistern, Wispern oder Zwitschern, auf welches bereits Koehler (1, II, S. 73) aufmerksam geworden ist. Es kann nur von den hohen Teilt\u00f6nen der 4-gestrichenen Oktave herr\u00fchren, die nicht als Multipla mitausgeschaltet sind (vgl. o. S. 48). Koehler fand es auch bei den dunklen Vokalen. Es verschwindet, sobald man die If. auch auf die 4-gestrichene Oktave erweitert. So f\u00fchrt auch die If.-Methode auf diese hohen Teilt\u00f6ne, die aber keine wesentliche Rolle spielen k\u00f6nnen, da man beim Abbau, wenn die 4-gestrichene Oktave von oben her abgetragen wird, noch keine Alteration dieser Vokale beobachten kann.\nc) Stich- und L\u00fcckenversuche \u00fcber die Wirkung einzelner Teile des A-Formanten.\n<*) Grundton c1. Vorhanden 1 \u2014 7 \u2014 c1\u2014b3; alles H\u00f6here ausgeschlossen. Man h\u00f6rt ein gutes A. Wird nun hier auf den einzelnen Ton g2 If. eingestellt, so ist der Unterschied enorm, A geht in ein helles O oder AO \u00fcber. Kein Stich an einer anderen Stelle des For in ante n hat eine so eingreifende Wirkung. Allerdings ist auch hier nicht zu vergessen, da\u00df gleichzeitig e2 und 52 bedeutend geschw\u00e4cht werden.\n\u00df) Grundton as. Vorhanden 1 \u2014 9 = as \u2014 b3; fehlend alles H\u00f6here. Man h\u00f6rt ein gutes A. Wird If. auf 3 und 4 (es2 und as2) eingestellt, so entsteht ein O\u00f6 (ein Beobachter schreibt \u00d6o -f- \u00fc). Durch den Wegfall dieser beiden T\u00f6ne ist A zerst\u00f6rt, aber in der Mischung machen sich jetzt an Stelle der A-haltigen die angrenzenden O- und \u00d6-haltigen Teilt\u00f6ne, as1 und as3 + b3, geltend. Die Gesamtstruktur entspricht hierbei in der Tat einem dunklen -\u00d6, die L\u00fccke bei es2 \u2014as2 ist die erforderliche tote Strecke.\n7) Grundton a s. Vorhanden 1, 2, 4 \u2014 as, as1, as2. Man h\u00f6rt ein gutes O. Dies ist merkw\u00fcrdig, weil as2 im Formantzentrum des A liegt, das in die Leitung gesungen wird. Aber es zeigt, da\u00df eben ein einzelner Ton der Formantgegend im allgemeinen nicht gen\u00fcgt. Sobald 3 = es2 hinzutritt, entsteht AO, obgleich 1, 2 und 3 allein auch nur ein O, h\u00f6chstens Oa geben. Nat\u00fcrlich sind auch die Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse hier speziell die in einem gesungenen A gegebenen und darf man das Ergebnis nicht dar\u00fcber hinaus verallgemeinern.\n\u00f6) Grundt on ges. Vorhanden 1 \u2014 8 {ges\u2014ges3). GutesA. Werdendes2 und ges2 ausgeschaltet, so entsteht ein eigent\u00fcmlich nasaliertes OA, das ein Beobachter mit dem franz\u00f6sischen ,,en\u201c verglich. Wird noch b2 ausgeschaltet, so wird es zu einem \u201etiefen, gew\u00fcrgten \u00d6\u201c.\ns) Grundton es. Vorhanden 1 \u2014 8 (es \u2014es3). Wird If. auf 3 \u2014 5 (b1\u2014 g2) eingestellt, so entsteht ein etwas bl\u00f6kendes und ged\u00e4mpftes O.\nf) Grundton c. Vorhanden 1 \u2014 3, 7 \u2014 10 (also c, c1, g1, b2, c3, d3, e3). Eigent\u00fcmlich nasal verh\u00fclltes Ae (A mit E-Einschlag). Kein bekannter Vokal, h\u00f6chstens dem schnarrenden A \u00e4hnlich, das man gelegentlich in","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\n2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\nNorddeutschland zu h\u00f6ren bekommt. Wird jetzt g2 eingef\u00fcgt, so wird ein gutes, aber gellendes A daraus. Durch e2 und c2 wird es noch verbessert (\u201eBr\u00fccke\u201c). Die Hauptwirkung \u00fcbt also wieder g2.\nd)\tUmwandlungen des A durch L\u00fcckenversuche.\nHier wurden die \u00fcber dem Formanten liegenden Bestandteile nicht von vornherein ausgeschaltet; es wurden also durch Wegnahme tieferer Teilt\u00f6ne deren ungerade Multipla mitweggenom-men, w\u00e4hrend die \u00fcbrigen h\u00f6heren Teilt\u00f6ne erhalten blieben. In dieser Weise kann man die wunderlichsten Metamorphosen erzielen, z. B. aus einem A ein \u00d61), ja ein E und I machen.\nG run dt on as. If. auf 3 \u20148 (es2 \u2014as3). Man h\u00f6rt zun\u00e4chst ein frappantes E; doch kann man denselben Laut auch als ein O mit sehr aufdringlichen hohen Obert\u00f6nen h\u00f6ren. Dr. Guttmann schrieb ihn O\u00f6. Bei If. auf 2 \u2014 8 (as1\u2014as3) h\u00f6rt man I mit starkem dunklen Grund. Dr. G. schrieb Uo -f- i.\nBerechnet man hier die mitausgeschalteten imgeraden Multipla, so findet sich, da\u00df im 1. Falle doch 7, im 2. 5 T\u00f6ne von c4 bis A4 erhalten blieben. Sind es auch infolge der If.-Breite einige weniger, so bleiben doch jedenfalls mehrere T\u00f6ne dieser Zone \u00fcbrig. Es mu\u00df daher, da der A-Formant weggenommen und dadurch eine tote Strecke gebildet ist, in der Tat ein \u00e4hnlicher Komplex entstehen, wie bei einem E und I. Der Unterschied der beiden F\u00e4lle r\u00fchrt offenbar daher, da\u00df der Untergrund durch Wegfall des 2. Teiltones aus einem O in ein U \u00fcbergeht, das die Grundlage des I-Klanges bildet. So lassen sich selbst diese seltsamen Wandlungen aus dem Vorangegangenen gut begreifen. Sie werden uns sp\u00e4ter noch verst\u00e4ndlicher werden.\nSchaltet man aus dem A auf as die T\u00f6ne es2 und as2 nebst ihren Multiplis aus, so entsteht ein O\u00f6. Nimmt man auch noch as1 heraus, so resultiert ein wunderlich bl\u00f6kender Laut, ,,U -j- etwas Hohem, Undefinierbarem\u201c. H 1er wird der Charakter auch durch den Wegfall der Multipla von as1 (es3, c4) zerst\u00f6rt und im unteren Abschnitt des Klanges der Zusammenhang zerrissen; man h\u00f6rt die beiden Gruppen nebeneinander, der Laut ist gespalten.\nSo kann man aus einem A durch If.-Versuche geradezu alle sog. Hauptvokale sowie Umlaute und allerlei interessante Neubildungen erzeugen. Gelegentlich erh\u00e4lt man mit L\u00fcckenversuchen auch Kl\u00e4nge von instrumentalem, klarinetten- oder fagott\u00e4hnlichem Charakter. Auch aus einem \u00d6 auf ges erhielt ich durch If. auf den Teilt\u00f6nen 2,4 und 6 einen sch\u00f6nen leisen Klarinettenklang. Solche Wirkungen erh\u00e4lt man aber niemals bei den systematischen Auf- und Abbaureihen.\ne)\tStichversuche zur Ermittlung der Formantzentren.\nMan kann, nachdem die Lage der Formanten bekannt ist,\ninnerhalb derselben die einzelne R\u00f6hreneinstellung auf suchen, durch welche die gr\u00f6\u00dfte Ver\u00e4nderung des Vokals erfolgt. Einiges aus dem vorangehenden geh\u00f6rt schon dahin. Der Ausdruck ,,For-mantzentrum\u201c soll aber nicht eigentlich im lokalen, sondern im dynamischen Sinne verstanden werden. Es bleibt denkbar, da\u00df ein Ton, der nicht genau in der Mitte der Formantstrecke liegt, doch\nx) Darauf hat bereits Koehler hingewiesen (1, II, S. 70).","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Isolierversuche zur Bestimmung von Teiltonst\u00e4rken.\ndie entscheidendste Strukturbedeutung bes\u00e4\u00dfe. Im allgemeinen freilich ist anzunehmen, da\u00df es sich um eine mittlere Partie des Formant en handeln wird.\nMan stellt zweckm\u00e4\u00dfig immer 2 Stempel in gleicher L\u00e4nge ein, um der Ausl\u00f6schung sicher zu sein, und zieht bei jedem Einzelversuch den unver\u00e4nderten Vokal durch abwechselndes Heraus -und Hereinschieben der Stempel immer zur Vergleichung heran.\nEine mit einem guten S\u00e4nger clurchgef\u00fchrte Versuchsreihe auf den Grundt\u00f6nen c und c1 ergab f\u00fcr alle 8 Vokale Zentren, die mit den sp\u00e4ter bei den synthetischen Versuchen zu erw\u00e4hnenden \u00fcbereinstimmen. Nur das f\u00fcr A lag hier auf b2\u2014c3, der Vokal mu\u00df ungew\u00f6hnlich hell gegeben worden sein. Nebenbei war interessant, da\u00df beim U auf dem Grundton c, das am meisten durch Herausnahme von c1 gesch\u00e4digt wurde, der Gesamt -klang etwas Hohles, Klarinettenartiges erhielt; ferner da\u00df beim U auf c1 die Wegnahme eines einzelnen Teiltones keine eigentliche Sch\u00e4digung, sondern nur eine Schw\u00e4chung bewirkte. Der Grundton wird eben hier bei objektiver Ausschaltung subjektiv als Differenzton der Obert\u00f6ne erzeugt.\nBei diesen feinsten Stichversuchen kann mm aber der Unterschied in der If.-Wirkung, je nachdem die R\u00f6hre in einem Bauch oder einem Knoten der Welle einsetzt, eine wesentliche Rolle spielen. Gewisse Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten schienen darauf hinzudeuten. Die R\u00f6hren w\u00e4ren daher durchweg nur an B\u00e4uchen der betreffenden Wellen einzuste\u00eflen. Ich habe diese Versuche aber nicht weitergef\u00fchrt, da die synthetische Methode einfachere Mittel zur Bestimmung der Formantzentren bietet.\nG. Isolierversuche zur Bestimmung von Teiltonst\u00e4rken.\nDie relative St\u00e4rke des Grundtons gesungener Vokale ist im allgemeinen gering; aber gewisse Unterschiede sind regelm\u00e4\u00dfig zu bemerken. Insbesondere ist unverkennbar, da\u00df sie in der Vokalreihe U, 0, A, E, I von U bis A ab-, dann wieder bis I zunimmt und bei I etwa ebenso gro\u00df ist wie bei U. Dies entspricht ganz den Befunden bei der Resonanzmethode (S. 27).\nBeispielsweise waren die St\u00e4rkezahlen (hier wieder mit 4 multipliziert) f\u00fcr den Grundton gis (200 Schw.) die folgenden:\nU O A E I 8 7 5 7 8\n\u00d6 hatte die Grundtonst\u00e4rke 7, \u00c4 6, \u00dc 8.\nWurde die St\u00e4rke des Grundtones eines auf g es gesungenen U mit der Grundtonst\u00e4rke einer gleich hohen losen Stimmgabel verglichen, so war von dieser sogar bei starkem Anschlag1) \u00fcber-\nx) Um konstante und wiederherstellbare St\u00e4rkegrade zu erzielen, benutze ich seit langer Zeit Holzst\u00fccke von nebenstehender Form, in welche die Zinken der Gabel eingeklemmt werden. Je nach der Enge der Klammer ist dann der Ton beim Abziehen von verschiedener St\u00e4rke. Sehr starke Schwingungen kann man aber bei Resonanzgabeln nur durch Streichen mit einem Ba\u00dfbogen erzielen.","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\n2. Kap. Analyse gesungener Vokale durch Interferenzr\u00f6hren.\nhaupt nichts aus der Leitung zu h\u00f6ren, der Grundton des. U also viel st\u00e4rker. Wurde dagegen ein U auf c1 gesungen und mit einer aus gleicher Entfernung vor die Leitung gehaltenen kr\u00e4ftig an-gestrichenen Resonanzgabel c1 verglichen, so waren die Grundt\u00f6ne bei Ausschaltung aller Obert\u00f6ne ungef\u00e4hr gleich stark und die beiden Kl\u00e4nge \u00fcberhaupt nicht zu unterscheiden, wenn die Leitung erst nach dem Beginn freigegeben wurde. Erst mit dem 2. und besonders dem 3. Teilton (g2) trat der Unterschied hervor, indem der Vokal als das U einer menschlichen Stimme erkannt wurde, w\u00e4hrend der Gabelklang unver\u00e4ndert blieb.\nAu\u00dfer dem Grundton kann man prinzipiell auch seine Oktaven durch If. isolieren (o. S. 38) und ihre relative St\u00e4rke bestimmen. Praktisch lie\u00df sich dies wenigstens f\u00fcr die beiden ersten Oktaven noch gut ausf\u00fchren; die h\u00f6heren wurden bei Vokalen, in denen sie nur schwach vorhanden sind, durch benachbarte Einstellungen ausgel\u00f6scht. Solche Versuche wurden f\u00fcr alle Vokale auf den Grundt\u00f6nen c, gis, c1, ges1, c2 gemacht. Im ganzen stimmten auch hier die Ergebnisse mit denen der Resonanzversuche. Aber wir verzichten darauf, die Tabellen wiederzugeben, da die Oktaven doch nur Bruchst\u00fccke der ganzen Teiltonreihen sind, und die Synthese auch \u00fcber die St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse genauere Aufschl\u00fcsse gibt.","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"3. Kapitel.\nDas Unkenntlichwerden der Vokale in der h\u00f6heren Sopranlage.\nDiese Tatsache, der wir sowohl bei den Resonanz- wie den Interferenzversuchen begegneten, verdient wegen ihrer theoretischen und praktischen Wichtigkeit eine besondere Untersuchung, die sich aber zun\u00e4chst nur auf die genaue Feststellung und Beschreibung richten soll, w\u00e4hrend die Erkl\u00e4rung uns erst im 13. Kap. besch\u00e4ftigen wird.\nEs gibt S\u00e4ngerinnen, die sich mit Leichtigkeit in der 3-gestriche-nen Oktave bewegen. Aber Komponisten pflegen f\u00fcr Arien in dieser Lage keine Texte, sondern nur Koloraturen auf irgendeiner Silbe vorzuschreiben (K\u00f6nigin der Nacht). Dennoch scheint die Tatsache, da\u00df in hoher Sopranlage die Vokale ununterscheidbar werden, vielen Musikern unbekannt. Selbst einem ber\u00fchmten Musikforscher, der sich auch als Komponist und Dirigent vielfach bet\u00e4tigt hatte, war sie fremd, ja er wollte nicht daran glauben. Gew\u00f6hnlich kennt man eben den Text schon einigerma\u00dfen, wei\u00df wenigstens, um was es sich handelt; auch die Sprache selbst gibt durch die Konsonanten und die Akz\u00eantverteilung Anhaltspunkte, weiteres l\u00e4\u00dft der Zusammenhang erraten, endlich hilft auch der Anblick der wechselnden Mund\u00f6ffnungen und der Geb\u00e4rden mit.\nHelmholtz ist aber unsere Tatsache nicht ganz entgangen. Er folgerte sie f\u00fcr U, 0 und A sogar aus seiner Vokallehre und fand die Deduktion durch Beobachtung best\u00e4tigt1). Hermann hat sie\n0 S. 184: \u201eOberhalb des f1 wird die Charakterisierung des U . . . unvollkommen werden. Solange es aber der einzige unbestimmt klingende Vokal ist und die anderen noch merkliche Verst\u00e4rkung gewisser Regionen ihrer Obertonreihe h\u00f6ren lassen, wird dieser negative Charakter das U auszeichnen. F\u00fcr Soprane wird dagegen in der Gegend des /2 die Unterscheidung des U, O und A undeutlich werden m\u00fcssen, was meiner Erfahrung nach in der Tat der Fall ist.\u201c Von den helleren Vokalen sagt hier H. nichts.","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\t3. Kap. Das Unkenntlichwerden der Vokale in der h\u00f6heren Sopranlage.\ndann zuerst statistisch untersucht1). Wie er richtig bemerkt, ist es nicht zweckm\u00e4\u00dfig, S\u00e4ngerinnen selbst dar\u00fcber zu fragen, da sie sich bewu\u00dft sind, die Vokale richtig zu intendieren. Man l\u00e4uft Gefahr, die K\u00fcnstlerinnen zu kr\u00e4nken, ohne sie zu \u00fcberzeugen. Doch empfehlen nach Hermann manche Gesanglehrer, in der h\u00f6chsten Lage immer nur ein A zu intendieren. Er hat nun an sehr geschulten S\u00e4ngerinnen, darunter 2 ausgezeichneten Operns\u00e4ngerinnen, Beobachtungen angestellt und dazu auch gelegentlich Mitbeobachter herangezogen.\nDie zu singenden T\u00f6ne waren g1, e2, g2, a2. Die Vokale wurden in bunten Reihen zu je 15 unwissentlich dargeboten. Bei 3 S\u00e4ngerinnen sind die Ergebnisse f\u00fcr die 3 letzten Noten tabellarisiert2). Wir geben die Tabellen in der Form wieder, wie wir nachher unsere eigenen darstellen werden, beschr\u00e4nken uns aber auf die 5 \u201eHaupt vokale\u201c, deren jeder in der 15-gliedrigen Reihe in der Regel 2\u20143mal vorkam. A wurde \u00f6fter als die \u00fcbrigen gegeben. Die linke Vertikalreihe gibt die von der S\u00e4ngerin gesungenen bzw. intendierten Vokale, rechts davon stehen die Anzahlen der Urteile, die auf jeden der in der Horizontalreihe stehenden Vokale entfallen. Die Diagonale dieser Zahlen von links oben nach rechts unten gibt die richtigen Urteile, alle \u00fcbrigen sind Verwechslungen. Die Gesamtzahl der Urteile ist jedesmal 123). Die S\u00e4ngerin TV war Sopran, V Mezzosopran, VI Alt.\nTonh\u00f6he e2.\n\tU 0 A E I\tU 0 A E I\tU 0 A E I\nu\t1 1\t1\t1\n\t\\\t\\\t\\\n0\t2\t2\t3\n\t\\\t\\\t\\ .\nA\t2\t3\t4\n\t\\\t\\\t\\\nE\t3\t1 2\t1\n\t\\\t\\\t\\\nI\t2 1\t2 1\t1 2\n\tr\t9 S\u00e4ngerin IV: - =\t7*\t0 S\u00e4ngerin V : - =\tS\u00e4ngerin VI: ^ =\nx) 2)\tBd. 141, S. 11 ff. 1911; vgl. Bd. 91, S. 155ff. \u00dcber den Ausfall bei g1 ist nichts berichtet.\t\t1902. Leider hat H. die ein-\nzelnen Vokale nicht immer gleich oft dargeboten.\n3) Bei g2, S\u00e4ngerin VI, stehen nur 11, weil E 1 mal mit \u00d6 verwechselt wurde, was nicht in unsere Tabellen, aber in die Summenzahl der Urteile aufzunehmen war.","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Unkenntlichwerden der Vokale in der h\u00f6heren Sopranlage.\n79\nTonh\u00f6he g2.\tTonh\u00f6he a2.\n\tU 0 A E I\tU 0 A E I\tU 0 A E I\nu\t0 2\t1 1\t0 1 1\n\t\\\t\\\t\\\n0\t2\t2 0\t1 1\n\t9 1\t\\\t\\\nA\t3\t1 2\t3\n\t\\\t\\\t\\\nE\t2\t1\t2 0\n\t\\\t\\\t\\\nI\t3\t0\t3\t0\t3\t0\nr\t7 S\u00e4ngerin IV: - =\t\tT\t4 S\u00e4ngerin VI : \u2014 = , 0 n 12\tS\u00e4ngerin V : \u00a3 = ^\nDie Verschlechterung von e2 zu g2 und a2 ist bei allen 3 S\u00e4ngerinnen offenbar. Haupts\u00e4chlich handelt sich\u2019s um Verwechslungen zwischen I und E, U und O. Von allen U und I wurden \u00fcberhaupt auf den h\u00f6heren T\u00f6nen nur ein einziges U richtig verstanden. Beim I zeigte sich eine Neigung zur Verwechslung mit E schon auf e2. Bei der S\u00e4ngerin V erschienen auf a2 fast alle Vokale als A. Auch \u00c4 und \u00d6 (hier nicht aufgenommen) wurden als A geh\u00f6rt. Bei IV und VI hingegen wurde niemals ein anderer Vokal mit A verwechselt. Individuelle Unterschiede sind hier ja auch zu erwarten.\nHermann findet die Ergebnisse paradox, und nach seiner Theorie mit Recht. Bei I, das den meisten Verwechslungen ausgesetzt ist, liege der Formant ganz sicher im Anfang der 4-gestrichenen Oktave, k\u00f6nne also theoretisch nicht durch Intonation von e2 oder a2 beeinflu\u00dft werden. Umgekehrt solle man erwarten, da\u00df A in dieser Lage schwer oder gar nicht hervorzubringen w\u00e4re ; denn da bei g2 der Formant mit der Stimmnote Zusammenfalle, m\u00fcsse der Vokal seine Charakteristik fast ganz verlieren. Diese Schwierigkeiten werden f\u00fcr Hermann besonders dadurch unl\u00f6sbar, da\u00df seine Formanten unharmonische Bestandteile des Klanges sind, die nicht wie die harmonischen in Abh\u00e4ngigkeit vom Grundton stehen. Daher sieht man nicht ein, warum z. B. bei c2 der A-Formant g2 nicht ebensogut wie bei jedem anderen Grundton vorhanden sein k\u00f6nnte.\nOhne noch Hermanns Statistik zu kennen, habe ich selbst 1914 solche Studien angestellt und berichte dar\u00fcber im folgenden.\nZun\u00e4chst lie\u00df ich die beiden schon fr\u00fcher erw\u00e4hnten musikalischen Schwestern A. und H. Planck, die hohe, etwas feine Stimmen von sehr, \u00e4hnlicher Klangfarbe. hatten (A. nur etwas","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\t3. Kap. Das Unkenntlichwerden der Vokale in der h\u00f6heren Sopranlage.\nvoller) und rein intonierten, ohne jedoch kunstm\u00e4\u00dfig geschult sein, die 5 T\u00f6ne\nzu\nauf den 5 ,,Hauptvokalen\u201c in verschiedener Ordnung singen. Es waren 6 Folgen zur Verf\u00fcgung gestellt, von denen eine beliebige ohne Wissen des Beobachters gew\u00e4hlt wurde. Der Beobachter, ich selbst, stand nat\u00fcrlich mit dem R\u00fccken gegen die S\u00e4ngerinnen. Es war mir nun nicht m\u00f6glich, unter diesen Umst\u00e4nden irgend etwas \u00fcber die Reihenfolge herauszubekommen. Ein Vokal klang wie der andere, alle ziemlich neutral, allenfalls einem etwas dunklen A \u00e4hnlich. Dasselbe schien mir auch der Fall zu sein, als die Vokale alle auf a 2 gesungen wurden.\nDann wurde die obige Tonphrase um eine gro\u00dfe Terz tiefer gelegt: f2 as2 g2 e2 f2. Hier traten mir nach mehreren Versuchen gewisse Unterschiede in der Klangfarbe entgegen, die ich auf die Vokale deutete, und so erzielte ich zuletzt eine richtige Reihe. Aber in sich selbst war der spezifische Charakter eines jeden sehr unklar. Es war sozusagen nur ein relatives U, A usf.\n12 Reihen, in denen je eine S\u00e4ngerin auf dem konstanten Tone jis2 die 5 Vokale in einer beliebigen, mir unbekannten wechselnden Folge zu singen hatte, wurden in den meisten F\u00e4llen richtig beurteilt, wenn auch nicht ohne Schwierigkeit. U und O, I und E standen sich sehr nahe. Einzeln geh\u00f6rt, w\u00e4ren sie auch in dieser H\u00f6he sicher vielen Verwechslungen ausgesetzt; nur innerhalb der Reihe, von der ich wu\u00dfte, da\u00df sie diese 5 enthielt, konnte ich sie auseinanderhalten.\nMit denselben S\u00e4ngerinnen wurde dann eine l\u00e4ngere systematische Versuchsreihe angestellt, an der als Beobachter gleichzeitig 11\u201412 Herren und Damen aus dem Psychologischen Institut teilnahmen, die ihre Urteile aufzuschreiben hatten. Die S\u00e4ngerinnen hatten, um Erm\u00fcdung zu vermeiden, abwechselnd je einen Vokal auf einem bestimmten Ton zu singen. Sie stellten sich wieder beliebige Reihen aus den 5 Vokalen zusammen, die nur die Bedingung erf\u00fcllten, da\u00df jeder einmal darin vorkam. In jeder Gesamtreihe erschien also jeder 2mal. Die Beobachter wu\u00dften aber davon nichts. Ihnen war nur gesagt, da\u00df es sich um Vokale handle. Auch da\u00df die Umlaute ausgeschlossen waren, war ihnen unbekannt.\nAls Tonh\u00f6hen wurden zuerst a2, dann fis2, dann c2 benutzt. Die Ergebnisse sind (unter Weglassung der wenigen Verwechslungen mit Umlauten) folgende:","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"Unkenntlichwerden der Vokale in der h\u00f6heren Sopranlage. 81\nc2\tfis2\ta2\n\tU 0 A E I\tU 0 A E I\tU 0 A E I\nu\t16 6\t3\t8\t11\t2 8 12\n\t\\\t\\\t\\\n0\t20 2\t1\t7\t14\t1\t10\t9\n\t\\\t\\\t\\\nA\t3 19\t2 19\t22\n\tt stk\t\\ \\\t\\\nE\t19 1\t2 18\t10\t9\n\t\\\t\\\t\\\nI\t10 10\t1 1 12 2\t1\t5 10\t4\nr n\tns 176\u20194%\t49\t. , n0/ \u00eflo * 44,5 /o\tm = 42\u20197%\nMan sieht den starken Abfall von der Mitte der 2-gestrichenen Oktave an. Aber auch schon auf c2 sind nur 3/4 der Urteile richtig. Die Verwechslungen betreffen wieder \u00fcberall besonders U und 0, E und I, und zwar einseitig: U wird sehr h\u00e4ufig f\u00fcr 0, I f\u00fcr E gehalten, aber fast niemals umgekehrt. Die Verwechslungen gehen eben nach der Mitte hin. Vielfach lautete das Urteil auch direkt: ,,U nach 0 verschoben, I nach E verschoben.\u201c Bei allen Vokalen kommen auf fis2 und a2 Verwechslungen mit A vor. Bei a2 f\u00e4llt auf A kein einziges falsches Urteil; es ist offenbar am wenigsten ver\u00e4ndert. Die Beobachter \u00e4u\u00dferten aber, da\u00df es in den h\u00f6heren Lagen mehr ein A-\u00e4hnlicher Laut als ein richtiges A sei. Man nannte es auch wohl ein ,,etwas tr\u00fcbes A\u201c oder ,,nach A hin\u201c.\nMan sieht aber auch, wenn man die Ergebnisse f\u00fcr fis2 mit den vorher erw\u00e4hnten vergleicht, welchen Unterschied es schon macht, je nachdem der H\u00f6rer wei\u00df, da\u00df ausschlie\u00dflich ,,Hauptvokale\u201c Vorkommen und jeder lmal, oder nur wei\u00df, da\u00df Hauptvokale oder Umlaute in irgendwelcher Anzahl Vorkommen.\nDie vorwiegende Richtung der Verwechslungen ergibt sich auch aus den vielen F\u00e4llen, wo notiert wurde: \u201eanfangs 0, dann U\u201c, \u201eanfangs I, dann E\u201c oder: \u201eE mit I-Einsatz\u201c. In diesen F\u00e4llen rechnete ich nur das Schlu\u00dfurteil. Der Einsatz selbst wurde \u00fcbrigens in diesen Versuchsreihen vorwiegend falsch beurteilt, was im Widerspruch mit der gew\u00f6hnlichen Meinung steht, da\u00df man den Vokal am Einsatz besonders deutlich erkenne. Ob dies an individuellen Eigenheiten der S\u00e4ngerinnen lag, kann ich nicht entscheiden. Es w\u00e4re aber denkbar, da\u00df der Einsatz bei so verwandten Vokalen wie U und 0, I und E in kritischen Regionen des Tonreiches den ablenkenden Einfl\u00fcssen leichter als sonst unterl\u00e4ge.\nStumpf, Sprachlaute.\n6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\t3. Kap. Das Unkenntlich werden der Vokale in der h\u00f6heren Sopranlage.\nEndlich wurden Versuche gleicher Art mit der ber\u00fchmten Operns\u00e4ngerin Frau Melanie Kurt angestellt (21. V. 1914), der f\u00fcr ihre freundliche Bereitwilligkeit auch hier bestens gedankt sei. Sie war gebeten, die Vokale besonders deutlich und mit nicht zu starker Tongebung zu singen. Sie ist gewohnt, nur schwachen Glottisschlag anzuwenden, was auch erw\u00fcnscht war. Unter den 9 Beobachtern, die, wie immer, mit dem R\u00fccken gegen die S\u00e4ngerin sa\u00dfen, befand sich auch ihr Gatte, der trotz seiner besonderen Vertrautheit mit ihrer Stimme und Aussprache doch nicht weniger Verwechslungen als die \u00fcbrigen unterlag. Den Beobachtern au\u00dfer mir war wieder nur bekannt, da\u00df es sich um Vokale handle. Die S\u00e4ngerin entwarf jede Reihe so, da\u00df jeder der 5 Vokale 2mal in jeder Reihe vorkam, au\u00dferdem die Umlaute \u00c4 und \u00d6 je 1 mal. Letztere Ma\u00dfregel war ein-gef\u00fchrt, um jede Art von Schlu\u00dffolgerung unm\u00f6glich zu machen, da man sonst etwa aus der 10-Zahl das doppelte Vorkommen jedes Hauptvokals h\u00e4tte erraten k\u00f6nnen. Ich selbst wu\u00dfte von dieser Zusammensetzung, aber nat\u00fcrlich nicht von der Verteilung im einzelnen Falle.\nWie schon fr\u00fcher bemerkt, sind Kunsts\u00e4nger f\u00fcr Vokal versuche nicht in jedem Falle die beste Tonquelle, da es ihnen vor allem auf Klangsch\u00f6nheit ankommt. Auch Frau Kurt scheint manchmal weniger genau vokali-siert zu haben, als es ihr an sich noch m\u00f6glich gewesen w\u00e4re. Im allgemeinen schien eine gewisse Neigung zu dunkler Vokalgebung zu walten. \u00c4 wurde einige Male stark nach E hin ver\u00e4ndert, vielleicht wieder unter dem Einflu\u00df \u00e4sthetischer Motive.\nIn solchen F\u00e4llen zeigte es sich nun, da\u00df Massen versuche neben dem Vorteil, schnell gro\u00dfe Zahlen zu liefern, den Nachteil haben, da\u00df zuf\u00e4llige Abweichungen eben auch sogleich das Urteil aller H\u00f6rer bestimmen. So sind einige Anomalien in die folgenden Tabellen gekommen. Sollten diese Versuche fortgesetzt werden, so w\u00fcrde es sich darum empfehlen, eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl von Kunst- und Naturs\u00e4ngerinnen abwechselnd zu verwenden, wogegen 3 \u2014 4 gute Beobachter gen\u00fcgen w\u00fcrden. Dann w\u00fcrden sich die Zuf\u00e4lligkeiten besser ausgleichen und zugleich individuelle Unterschiede der S\u00e4ngerinnen herausspringen. Doch zeigen unsere Versuche zusammen mit den HERMANNschen schon deutlich, da\u00df und in welcher Rieh tung \u00fcberhaupt Ver\u00e4nderungen der Vokale in dieser Lage stattfinden, und gen\u00fcgen damit f\u00fcr unsere Zwecke.\nDie Versuche wurden angestellt auf den T\u00f6nen c2, e2, gis2, gis1 in dieser Folge der Reihen. Dann noch eine Reihe auf e2, bei der jeder Vokal mitL, und eine, bei der jeder mit T eingeleitet wurde. Dieser Umstand war den Beobachtern bekannt, sie h\u00e4tten ihn ja auch sofort bemerkt.\nWir geben nun die Diagramme in der Reihenfolge von gis1 aufw\u00e4rts. Die Urteile \u00fcber \u00c4 und \u00d6, die nur aus den erw\u00e4hnten methodischen Gr\u00fcnden eingef\u00fcgt waren, sind weggelassen; doch","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Unkenntlich werden der Vokale in der h\u00f6heren Sopranlage. 83\nsei erw\u00e4hnt, da\u00df sie ohne besondere Regelm\u00e4\u00dfigkeit vielfach miteinander und mit E verwechselt wurden1).\nO A E I\nU O A E I\nU O A E I\n14 4\n4 14\n3 15\n9 9\n8 10\n5 11\n4 13\n1 16\ngis2\te2, mit L\te2, mit T\nHiernach sind sogar schon auf gis1 Verwechslungen nicht ganz ausgeschlossen, wenn die Vokale so isoliert gegeben werden. Allerdings sind hier die Zahlen f\u00fcr E eine Anomalie, die durch eine zuf\u00e4llige Verschiebung der Vokalisierung nach I hin in einem einzelnen Falle zustande gekommen sein mu\u00df. Ich zweifle daher nicht, da\u00df sich Versuchsreihen auf gis1 erzielen lassen, die kein einziges falsches Urteil enthalten. Aber Tatsache bleibt doch, da\u00df selbst\n*) Urteile wie \u201ezwischen U und O\u201c u. dgl. habe ich stets in g\u00fcnstigem Sinne gerechnet, also sowohl wenn U als wenn O angegeben war, als richtige. Bei der Schwierigkeit genauer objektiver Abgrenzung und den zuf\u00e4lligen Schwankungen der Lautgebung mu\u00df man wohl eine solche Milde walten lassen. Sonst w\u00fcrden noch viel kleinere Zahlen f\u00fcr richtige Urteile herauskommen.\n6*","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\t3. Kap. Das Unkenntlichwerden der Vokale in der h\u00f6heren Sopranlage.\neine so hervorragende S\u00e4ngerin bei ausdr\u00fccklichem Streben nach genauer Charakteristik der Vokale des Erfolges nicht so sicher ist, wie in bezug auf die genaue Intonation der Tonh\u00f6he, obschon nat\u00fcrlich auch in dieser Hinsicht den besten S\u00e4ngern gelegentlich ein kleines Malheur zusto\u00dfen kann.\nBei c2 findet sich unter E dieselbe Anomalie und sicher aus demselben Grunde. Vielleicht erstrebte die S\u00e4ngerin m\u00f6glichst helle Vokalisierung, um dem \u00c4 desto sicherer aus dem Wege zu gehen. M\u00f6glicherweise wurden aber auch die Urteilenden durch die ungew\u00f6hnlich silberne, d. h. an hohen Obert\u00f6nen reiche Stimme (s. o. S. 28) irregef\u00fchrt, so da\u00df ihnen E wie I vorkam, w\u00e4hrend das E der Schwestern Planck in dieser Lage noch fast ausnahmslos richtig erkannt wurde. Ohne diesen zuf\u00e4lligen Fehler w\u00e4re die absolute Zahl der r bei c2 sicher noch \u00fcber 70% gewesen, aber auch sicher kleiner als bei gis1. Bei e2 zeigt die Tabelle die gleichen, bei gis'2 noch st\u00e4rkeren Abfall. Hier f\u00e4llt auch eine bedeutend gr\u00f6\u00dfere Streuung der Urteile auf. Vorher erstrecken sich die Verwechslungen nur auf die unmittelbar benachbarten (der Helligkeit nach \u00e4hnlichsten) Glieder, jetzt auch auf entferntere.\nEine Bevorzugung des A ist hier weder in seinen r noch bei den Verwechslungen zu erkennen. Die Ver\u00e4hnlichung aller Vokale mit A nach der H\u00f6he hin scheint also nicht bei allen S\u00e4ngerinnen einzutreten. Dagegen ist bei Er,au Kurt auffallend die Zunahme der r f\u00fcr E. Dieses produziert sie auf gis2 weit sicherer und kenntlicher als auf c2 und gis1.\nBemerkenswert ist die Steigerung der richtigen Urteile bei Vorgesetztem Konsonanten, besonders bei dem Explosivlaut T. Man sieht hier schon den Einflu\u00df der sprachlichen Verkn\u00fcpfung, auch selbst bei sinnlosen Silben. Bei Doppelsilben wie Tota, Tite w\u00e4ren wahrscheinlich die r noch weiter gestiegen; der Kontrast h\u00e4tte sowohl die S\u00e4ngerin zur sch\u00e4rfsten Charakterisierung als die H\u00f6rer zur sch\u00e4rfsten Beachtung der vokalen Unterschiede gen\u00f6tigt. Bei isolierten Silben d\u00fcrfte ein Grund der verbesserten Beurteilung darin liegen, da\u00df der Vorgesetzte Konsonant bekanntlich vielfach in Vorausnahme des Vokals modifiziert, diesem angeglichen wird, so da\u00df der H\u00f6rende einen Anhaltspunkt mehr f\u00fcr die Erkennung gewinnt. Die Hauptursache der Verbesserung liegt aber wohl darin, da\u00df der S\u00e4nger (Sprecher) gewisserma\u00dfen einen Anlauf nimmt, durch den ihm die genaue Charakterisierung des Vokals besser gelingt, ebenso wie der Springer mit Anlauf besser \u00fcber den Graben oder das Seil kommt. Besonders beim T scheint diese Analogie \u00fcberredend. Doch handelt es sich nicht so sehr (wie beim Springer) um die physische Vorbereitung, die Ansammlung","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"Unkenntlichwerden der Vokale in der h\u00f6heren Sopranlage. 85\neines hohen Energiebetrages, als um die geistige, die Einstellung auf die besondere Vokalqualit\u00e4t, die mit dieser Hilfe sicherer er folgen mag.\nWie mir Herr Prof. Rupf nach seinen Studien \u00fcber die Technik des Telephonierens mitteilt, w7ird ein in ein Wort eingef\u00fcgter Konsonant, wenn er auch gar nicht dahin geh\u00f6rt, leichter verstanden und weniger verwechselt als im isolierten Zustand. Wenn man z. B. in der f\u00fcr ,,31\u201c gebr\u00e4uchlichen Modifikation ,,einsunddrei\u00dfig\u201c (mit eingef\u00fcgtem s) statt des s einen beliebigen anderen Konsonanten setzt, /, t, l, so werden auch diese, hier ganz sinnlosen, leichter erkannt als im isolierten Zustand. Man wird wohl annehmen m\u00fcssen, da\u00df die Hervorbringung der Sprachlaute in Verbindung miteinander allgemein vollkommener, charakteristischer erfolge. Daneben k\u00f6nnte auch erwogen werden, ob nicht durch den Zusammenhang an sich, selbst den sinnlosen, die Aufmerksamkeit des H\u00f6renden st\u00e4rker angespannt werde, und ob nicht jedes Element eines irgendwie gestalteten Komplexes als solches schon gegen\u00fcber dem isolierten Zustande f\u00fcr das auf fassende Bewu\u00dftsein im Vorteil w\u00e4re. Diese allgemeineren Fragen m\u00f6gen hier auf sich beruhen.\nEinem Jahresberichte v. Hornbostels entnehme ich, da\u00df auch Ste wart 1923 eine hierhergeh\u00f6rige Beobachtung gemacht hat: I, welches durch Ausschaltung aller Teilt\u00f6ne \u00fcber 2400 Schw. unkenntlich geworden w7ar, blieb gleichwohl im Zusammenhang des Wortes ,,meal\u201c kenntlich, v. Hornbostel weist darauf hin, da\u00df schon physikalisch bei dem stetigen \u00dcbergang von einem Laut zum anderen kontinuierliche Umformungen der Wellen entstehen m\u00fcssen, die zum Erkennen beitragen m\u00f6gen, bisher aber nicht n\u00e4her erforscht sind. Er f\u00fcgt aber schlie\u00dflich gleichfalls hinzu: \u201eWahrscheinlich eignet der Gesamtstruktur (eines Wortes) eine Sch\u00e4rfe der Charakteristik, die den einzelnen Lauten schon physikalisch immer fehlt.\u201c","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"4. Kapitel.\nDas stimmhafte Sprechen und dessen Abhau durch das Interferenzverfahren.\n1. Sprache und Sprachmaterial.\nDie menschliche Sprache ist als \u00c4u\u00dferung lebendiger Pers\u00f6nlichkeiten gewisserma\u00dfen selbst etwas Lebendiges und Beseeltes. Das Gesprochene bedeutet etwas, wenn es auch nicht immer der Rede wert ist. Daher ist ein Wort, ja ein grammatisch abgeschlossener Satz in seinem Tonfall und Akzent bis in die Einzelheiten durch den ganzen Zusammenhang und durch die Situation bestimmt. Der n\u00e4mliche lexikalische Wortbestand in der n\u00e4mlichen syntaktischen Ordnung kann dadurch eine akustisch verschiedene Erscheinungsform gewinnen. Au\u00dfer den durch den Sinn der Rede bedingten akustischen Modifikationen gibt es aber auch solche, die in der Mechanik und Technik des zusammenh\u00e4ngenden Sprechens selbst wurzeln. Dahin geh\u00f6ren besonders die Wechselwirkungen, die benachbarte Teile, sowohl Konsonanten als Vokale, aufeinander aus\u00fcben. Der \u201eBer\u00fchrung benachbarter Laute\u201c widmete nach dem Vorg\u00e4nge Wintelers (1876) Sievers ein langes Kapitel seiner Phonetik, und sie wurde auch von sp\u00e4teren Phonetikern geb\u00fchrend ber\u00fccksichtigt. Hier wirkt nicht nur das Vorangehende auf das Folgende, sondern auch umgekehrt, was nat\u00fcrlich nur dadurch m\u00f6glich ist, da\u00df das Folgende bereits vor seinem Eintritt psychisch und physiologisch vorbereitet wird. Spricht man Bu, Bl, so werden die Sprachorgane beim B schon mit R\u00fccksicht auf den folgenden Laut verschieden eingestellt und das B darum verschieden gesprochen. Selbst die sich objektiv nicht ber\u00fchrenden Vokale verschiedener aufeinanderfolgender Silben k\u00f6nnen so auf-einanderwirken (\u201eVokalharmonie\u201c \u00f6stlicher Sprachen).\nAber diese inneren Bez\u00fcge und B\u00e4nder der menschlichen Rede, die gegenseitigen Beeinflussungen ihrer Teile und deren Abh\u00e4ngigkeit vom Ganzen scheiden, so hohes Interesse sie auch dem Psychologen bieten, f\u00fcr unsere Untersuchung ihrer Anlage nach aus. Diese geht nur auf die isolierten Bausteine in ihrer Isolierung.","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"Sprache und Sprachmaterial.\n87\nDoch selbst in bezug auf dieses Material legen wir uns bestimmte Schranken auf: die Diphthongen und alle analogen Gebilde bleiben ausgeschlossen. Als echte Diphthongen bezeichnen wir die mit einem Laut anfangenden, mit einem anderen endigenden, dazwischen aber nicht scharf absetzenden Laute gleicher Gattung (vokalische oder konsonantische), m\u00f6gen sie mit mehreren Zeichen oder nur mit einem (z. B. Z oder das lange 0 des Englischen, wie in note) geschrieben werden. Sie sind insofern zusammengesetzt, als mehrere verschiedene Laute in zeitlicher Folge darin erkennbar sind, w\u00e4hrend z.B. Ng, obgleich mit mehreren Zeichen geschrieben, kein Diphthong ist, da in keinem Augenblick ein N oder G darin erkennbar ist und die Lautbeschaffenheit w\u00e4hrend der ganzen Dauer der Aussprache unver\u00e4ndert bleibt. Es kommt zwar vor, da\u00df beide Buchstaben getrennt ausgesprochen werden, wie in den Fremdw\u00f6rtern Angora, Kongo1), auch gelegentlich auf der B\u00fchne oder bei Dichtern, die \u201eHang\u201c auf \u201esank\u201c reimen: aber hier wird man die Aussprache wie den Reim nicht loben k\u00f6nnen.\nEin zusammengesetzter Laut ist aber auch wieder nicht die blo\u00dfe Summe oder Aufeinanderfolge der beiden Teillaute. Pf, Ps,\nBl sind ebenso wie Ai, Eu (\u2014 AO-\u00dc) eigent\u00fcmliche Einheiten, f\u00fcr die auch der \u00dcbergang zwischen den beiden Teilen wesentlich und charakteristisch ist. Diese die Diphthongen charakterisierenden fl\u00fcchtigen \u00dcbergangserscheinungen bleiben hier ebenso wie alle sonstigen \u00dcberg\u00e4nge zwischen den letzten Bauelementen, die w\u00e4hrend des Sprechens zum Vorschein kommen, unber\u00fccksichtigt. Ihnen ist mit den hier angewandten Mitteln nicht beizukommen. Graphische Methoden m\u00f6gen darin weiterf\u00fchren und lassen schon manches erkennen2) ; aber eine Theorie ist auch darauf noch nicht zu bauen.\nVon sehr zusammengesetzten Erscheinungen geht jede Forschung aus, da die unmittelbare Erfahrung uns eben nicht sofort die letzten Elemente, sondern zun\u00e4chst die verwickeltsten Komplexe darbietet. Wir verkennen auch nicht, da\u00df die Forschung ihres Ausgangspunktes eingedenk bleiben und auf sein Verst\u00e4ndnis zuletzt hinarbeiten mu\u00df. Aber wie sehr man dies betonen mag: zur exakten Beschreibung eines Ganzen mu\u00df doch immer auf die\n1)\tGenauer gesagt folgt hier (und zwar nach fachm\u00e4nnischer Belehrung auch in den Originalsprachen) auf ein leicht nasaliertes ng noch ein besonders artikuliertes g. Es w\u00e4re fehlerhaft, n dabei wie in \u201eankommen\u201c zu sprechen.\n2)\tBeispielsweise vgl. \u00fcber Feinheiten des Einsatzes bei Vokalen und Konsonanten Isserlin II.","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\t4. Kap. Das Sprechen und dessen Abbau durch das If.-Verfahren.\nTeile, ja auf die Teile der Teile zur\u00fcckgegangen werden. Indem wir also unsere Aufgabe in bezug auf die Sprache genau begrenzen, lehnen wir zugleich den Einwand ab, als h\u00e4tte diese Art von Zergliederung mit dem Wesen der Sprache \u00fcberhaupt nichts zu schaffen. Wie weit sie Sprachphilosophen n\u00fctzlich sein kann, bleibt abzuwarten. Da\u00df sie aber m\u00f6glich und nach anderen Richtungen hin n\u00fctzlich ist, soll das Folgende zeigen.\nDa wir bisher nur gesungene Vokale behandelten, soll zun\u00e4chst das Verh\u00e4ltnis des Sprechens zum Singen charakterisiert werden.\n2. Singen und Sprechen1).\nDieser vielverhandelte Unterschied liegt zum Teil auf psychologischem Gebiete, n\u00e4mlich in den Einstellungen, den vorschwebenden Vorstellungen, den leitenden Intentionen, den zugrunde liegenden Gef\u00fchlen und \u00e4hnlichen Imponderabilien. Soweit nur das dabei zur Verwendung kommende Lautmaterial in Frage kommt, liegt er haupts\u00e4chlich darin, da\u00df beim Singen, wie in der Musik \u00fcberhaupt, im Prinzip nur festeTonh\u00f6hen und bestimmte transponierbare Intervalle gebraucht werden, beim Sprechen dagegen auch schwankende Tonh\u00f6hen und Tonabst\u00e4nde.\nDi\u00e8s ist nat\u00fcrlich nicht so zu verstehen, als ob das Singen eines Vokals unter stetiger Tonver\u00e4nderung schon ein Sprechen w\u00e4re: zu diesem geh\u00f6rt von seiten des Materials auch ein viel st\u00e4rkeres Hervortreten der Konsonanten und ein bunter, durch keine \u201eTonleitern\u201c geregelter Wechsel der Tonh\u00f6hen.\nEs ist auch kein Widerspruch gegen diese Abgrenzung, begreift sich vielmehr aus ihr, da\u00df \u00dcberg\u00e4nge und Mischungen Vorkommen (Sprachgesang, singendes Sprechen). Auch in der gew\u00f6hnlichen Sprache fehlt es keineswegs an Tonh\u00f6hen, die f\u00fcr die kurze Dauer einer Silbe festgehalten werden, sowie an mehr oder minder genauen musikalischen Intervallen zwischen aufeinanderfolgenden Silben. Es ist nur die Aufmerksamkeit des H\u00f6renden wie des Sprechenden in der Regel nicht den T\u00f6nen und Tonverbindungen als solchen zugewandt, sondern dem Sinne der Rede. Gerade die stetige Tonbewegung und die unregelm\u00e4\u00dfig wechselnden und ungenauen Intervalle beg\u00fcnstigen diese Richtung der Aufmerksamkeit, ebenso wie sie andererseits durch sie herbeigef\u00fchrt werden; sie verhalten sich dazu sowohl als Ursache wie als Wirkung. \u00dcberdies werden viele Silben so tief, leise und rasch gesprochen, da\u00df ihre Tonh\u00f6he auch bei scharfer Aufmerksamkeit nicht deutlich wird.\nx) Ausf\u00fchrliches hier\u00fcber s. in m. Abh. 13, auch in 2, S. 264ff. und in \u201eAnf\u00e4nge der Musik\u201c S. 14ff. 1911.","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"Singen und Sprechen.\n89\nBeim Singen darf kein Ton, auch der leiseste nicht, so ,,unter den Tisch fallen\u201c, da\u00df seine Tonh\u00f6he undeutlich wird. Aber wer es darauf anlegt, kann auch bei Gesprochenem, wenigstens an akzentuierten Stellen, Tonh\u00f6hen und Intervalle jederzeit fest stellen (Sprachmelodie). Ein prinzipieller und durchgreifender Unterschied in den akustischen Grundeigenschaften als solchen existiert nicht.\nDa\u00df auch in zeitlicher und rhythmischer Hinsicht das gew\u00f6hnliche Prosasprechen sich weniger an feste Formen bindet als das Singen, versch\u00e4rft den Unterschied in den extremen Formen. Doch gibt es auch hierin Ann\u00e4herungen von beiden Seiten her.\nSelbst in der Klangfarbe liegen gewisse Unterschiede. Helmholtz vermutet (S. 183), und wohl mit Recht, da\u00df beim Sprechen durch st\u00e4rkeren Druck der Stimmb\u00e4nder gegeneinander eine knarrende Klangfarbe, d. h. st\u00e4rkere (und h\u00f6here, rasch miteinander schwebende) Obert\u00f6ne als beim Singen gegeben werden. Die Folge hiervon mu\u00df sein, da\u00df auch die Formanten der Vokale kr\u00e4ftiger als beim Singen hervortreten, zugleich aber auch, da\u00df die Vokale au\u00dfer U alle durchschnittlich etwas heller werden. Pipping (4, S. 173) hat dies durch Kurvenaufnahmen bei finnischen Vokalen best\u00e4tigt. Zum Teil beruht der Unterschied der Klangfarbe aber auch auf beigemischten Ger\u00e4uschen, m\u00f6gen sie auf dem von Helmholtz angedeuteten Wege oder sonstwie zustande kommen. Bei vielen Sprechstimmen erreichen diese Ger\u00e4usche eine au\u00dferordentliche St\u00e4rke, die das Singen ganz unm\u00f6glich machen w\u00fcrde, und doch bleiben sie noch verst\u00e4ndlich.\nNeuerdings hat Isserlin auf objektivem Wege, durch Ausz\u00e4hlung der Zacken von Vokalkurven, gezeigt, da\u00df in der lebendigen Sprache mit der Tonh\u00f6he auch die Klangfarbe der Vokale stetigen Ver\u00e4nderungen unterliegt, indem der Formant ein und desselben Lautes w\u00e4hrend des Aussprechens beim Fragesatz steigt, bei der Affirmation sinkt. Nat\u00fcrlich \u00e4ndert sich hierbei mit dem Formanten auch der Vokal selbst; es ist eben, genau gesprochen, nicht mehr dasselbe A oder 0, sondern ein sich stetig erhellendes oder verdunkelndes. Dagegen fanden sich solche gleitenden Ver\u00e4nderungen der Klangfarbe wieder bei gesungenen Vokalen nicht. Also auch in dieser Beziehung der Unterschied der schwankenden, stetig bewegten, von der festen Tongebung. Immerhin wird man die Festigkeit beim Gesang auch nur cum grano salis verstehen d\u00fcrfen.\nWegen des entscheidenden Gewichtes der festen Tonh\u00f6hen und Intervalle spielen beim Singen die Vokale eine weit gr\u00f6\u00dfere Rolle als die Konsonanten. Im Ges\u00e4nge werden Vokale oft lange","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\t4. Kap. Das Sprechen und dessen Abbau durch das If. - Verfahren.\ngleichm\u00e4\u00dfig ausgehalten: Dehnungen, zu welchen auch das affekt-vollste Sprechen keinen Anla\u00df bietet. Einen bemerkenswerten Unterschied ergibt dabei die Behandlung der vokalischen Diphthongen: es ist bei solcher Dehnung unm\u00f6glich, ihre beiden Hauptbestandteile gleichm\u00e4\u00dfig zum Hechte kommen zu lassen, und auch ihr \u00dcbergang ineinander kommt zu kurz. Wenn etwa der M\u00fcllerbursche bei Schubert singt: \u201eDie geliebte M\u00fcllerin ist mein!\u201c und das \u201emein\u201c bei m\u00e4\u00dfiger Geschwindigkeit U/2 Takte lang aush\u00e4lt, so kann er dabei nur den Vokal A singen und wird erst ganz am Schl\u00fcsse mit einem \u00e4u\u00dferst verk\u00fcrzten I zum N \u00fcbergehen. Und so wird \u00fcberhaupt das f\u00fcr das Sprechen so wesentliche \u00dcberschleifen der Sprachlaute ineinander beim Singen zugunsten der einfachen Vokale reduziert. Aber da wir die Diphthongen \u00fcberhaupt au\u00dfer Betracht lassen, brauchen uns auch diese Modifikationen hier nicht zu k\u00fcmmern.\nHermann formuli\u00e8rt das Verh\u00e4ltnis zwischen Singen und Sprechen einmal kurz so (Bd. 58, S. 258): \u201eDer Unterschied zwischen gesungener und gesprochener Artikulation liegt ganz ausschlie\u00dflich darin, da\u00df Notenh\u00f6he, Intensit\u00e4t und Dauer der Silben, genauer der Vokale, beim Gesang durch Melodie und Takt, beim Sprechen durch die Betonungsgesetze des Sinnes und der Konstruktion beherrscht werden.\u201c Bis auf das \u201eganz ausschlie\u00dflich\u201c ist diese Grenzziehung richtig und geht sogar in gewissem Sinne noch tiefer auf das Wesen der Sache. Aber die verschiedenen Gesetzlichkeiten bringen eben den von uns und schon von den alten Griechen1) hervorgehobenen sinnenf\u00e4lligen Unterschied in der Haltung und Ver\u00e4nderungsweise der Kl\u00e4nge mit sich. Voll zustimmen k\u00f6nnen wir Hermann, wenn er fortf\u00e4hrt: \u201eBei einem einzelnen Vokal kann also absolut kein Unterschied zwischen Gesungenem und Gesprochenem gesucht werden. Ein lautes A hat, ob gesungen oder gesprochen, stets irgendeine Notenh\u00f6he, nur mit dem Unterschiede, da\u00df dieselbe im ersteren Falle bestimmt beabsichtigt, im zweiten dem Zufall oder der Gewohnheit \u00fcberlassen wird. Jeder kann sich leicht \u00fcberzeugen, da\u00df er, wie er auch den Vokal A ausgesprochen habe, sofort mit demselben in einer Tonleiter fortfahren kann; d. h. das gesprochene A erweist sich zugleich als gesungenes.\u201c\nx) So von Aristoxenus, Ptolemaeus, Bacchius, Gaudentius. Vgl. Bellermann: Die Gr\u00f6\u00dfe der musikalischen Intervalle, 1873, S. 3ff., und des Verfassers \u201eGeschichte des Konsonanzbegriffes\u201c (Abh. d. bayrischen Akad. d. Wiss. 1897).\nUnter den neueren Phonetikern hat auch Auerbach (4, S. 157) die Unterscheidung in gleichem Sinne besprochen.","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"Das If.-Verfahren bei der gesprochenen Rede.\n91\nAbweichende Anschauungen haben W. Koehler (1, III, S. 103ff.) mid E. R. Jaensch (1, S. 255ff.) ausgesprochen. Danach k\u00e4men gesprochenen Vokalen keine Tonh\u00f6hen im Sinne der \u201emusikalischen Qualit\u00e4ten\u201c zu, nach Jaensch sogar auch keine oder nur undeutliche Tonh\u00f6hen im gew\u00f6hnlichen Sinne1). Hier\u00fcber vgl. m. Abh. 13, S. 17 ff. Hier sei nur hervorgehoben, da\u00df Koehlers These mit seiner negativen Stellungnahme zu den unbemerkten Teilinhalten unserer Sinneserscheinungen zusammenh\u00e4ngt. Er will den Empfindungen nur solche Eigenschaften zusprechen, die wir tats\u00e4chlich im Augenblick bemerken. Da nun die musikalischen Qualit\u00e4ten im gew\u00f6hnlichen Gebrauche des sprachlichen Verkehrs unbemerkt bleiben, so sind sie nach ihm nicht vorhanden. Dasselbe mu\u00df dann freilich auch von den Tonh\u00f6hen im gew\u00f6hnlichen Sinne (Helligkeiten) und allen anderen akustischen Eigenschaften gelten. Wir kommen auf diesen Standpunkt, den ich nicht teilen kann, weiter unten noch einmal zu sprechen.\nVon den Konsonanten ist hier noch nicht die Rede. Aber es liegt auf der Hand, da\u00df auch sie beim Singen und Sprechen identisch sind, jedenfalls nicht verschiedener als auch schon innerhalb des Sprechens, wo ja ein und derselbe Konsonant in verschiedenem Zusammenhang gewissen Modifikationen unterliegt.\nIm folgenden werden wir nun zeigen, da\u00df die If.-Methode auf Gesprochenes in derselben Weise wie auf Gesungenes anwendbar ist und auch zu den n\u00e4mlichen Ergebnissen f\u00fchrt. Wir wollen nicht sagen, da\u00df dies f\u00fcr sich allein bereits ein Beweis daf\u00fcr w\u00e4re, da\u00df musikalische Qualit\u00e4t und Tonh\u00f6he gesprochenen Lauten zukommen. Aber soviel ist sicher, da\u00df sich die zu erw\u00e4hnenden Tatsachen einer Anschauung leichter einf\u00fcgen, die in jeder Beziehung gleiche akustische Grundeigenschaften beiderseits voraussetzt.\n3. Das Interferenz verfahren bei der gesprochenen\nRede.\nSpricht man einen einzelnen Vokal oder eine Silbe oder auch ein mehrsilbiges Wort mit gleichen Vokalen in allen Silben, wie \u201eHandschlag, Abraham, Abradacabra, Mahabharata\u201c, und h\u00e4lt\nx) Wir verstehen hier unter \u201emusikalischer Qualit\u00e4t\u201c die Eigenschaft der T\u00f6ne, welche bei Verdoppelung der Schwingungszahl identisch wiederkehrt und zu der gleichen Buchstabenbezeichnung Anla\u00df gegeben hat. Koehler nennt sie a. a. O. Tonh\u00f6he, v. Hornbostel neuerdings (2) Tonigkeit. Aber den ersten Ausdruck gebrauchen wir f\u00fcr die den Schwingungszahlen einfach parallel ver\u00e4nderliche Eigenschaft ( = Helligkeit), mit dem zweiten d\u00fcrfte passender das bezeichnet werden, was T\u00f6ne von Ger\u00e4uschen unterscheidet (s. Kap. 5). Leider ist \u00fcber die zweckm\u00e4\u00dfigste Bezeichnungsweise in der Ph\u00e4nomenologie des Tongebietes noch keine Einigung erzielt. Das h\u00e4ngt aber auch teilweise an sachlichen Differenzen der Auffassungen.","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\t4. Kap. Das Sprechen und dessen Abbau durch das If .-Verfahren.\nder Sprechende -dabei zun\u00e4chst eine bestimmte Tonh\u00f6he fest, so wird durch die Einstellung der R\u00f6hren auf den Formanten des auf dieser Tonh\u00f6he gesungenen A auch das gesprochene A in ein dunkles 0 verwandelt. Sprechen und Singen ist ja dann objektiv so gut wie identisch. Werden solche Versuche unwissentlich angestellt, so sind die einzelnen Vokale am R\u00f6hrenende durchaus unkenntlich. W\u00f6rter k\u00f6nnen allerdings auch dann oft aus den Konsonanten und dem Rhythmus der Aussprache erraten werden.\nSchwankt sodann die Tonh\u00f6he in der Weise des gew\u00f6hnlichen Sprechens, so braucht man nur die Formantgrenzen ein wenig weiter zu nehmen, indem man die H\u00f6hen der Grundt\u00f6ne, zwischen denen sich der Sprechende bewegt, ber\u00fccksichtigt. Nun d\u00fcrfte sich die europ\u00e4ische M\u00e4nnerstimme bei ruhigem Sprechen durchschnittlich (besonders dunkle oder helle Stimmen ausgenommen) in der Oktave G\u2014g b\u00e8wegen, die Frauenstimme eine Oktave h\u00f6her1). Wenn man daher den Gesamtformanten des A f\u00fcr die Grundt\u00f6ne zwischen G und g1, also d2\u2014g3, ausschaltet, mu\u00df der Vokal\n*) Nach Helmholtz (S. 183) gebrauchen M\u00e4nner in der Regel die obere H\u00e4lfte der gro\u00dfen, Frauen die obere H\u00e4lfte der kleinen Oktave. Er statuiert also beide Male nur die tiefere Abteilung der obigen Zonen. Es scheint mir aber, da\u00df an etwas akzentuierten Stellen gerade die h\u00f6heren Abteilungen, die T\u00f6ne dicht \u00fcber c bzw. c1, benutzt werden. Nach den Untersuchungen von Paulsen und Gutzmann liegt der Stimmton bei M\u00e4nnern durchschnittlich zwischen A und e, bei Frauen und Kindern zwischen a und e1 und ist der Hauptgespr\u00e4chston, gewisserma\u00dfen die Tonika der Sprachmelodie, c bzw. c1. Von da weicht sie nach beiden Richtungen um etwa eine Terz ab (im Affekt nat\u00fcrlich weit mehr). Diese Bestimmungen d\u00fcrften den Tatbestand richtiger als die HELMHOLTZschen wiedergeben. Sie gelten aber auch nur innerhalb unseres Kulturkreises. Bei exotischen V\u00f6lkern finden sich starke Verlagerungen.\nIn Zusammenhang mit der mittleren H\u00f6he der affektlosen Sprechstimme steht der von Merkel so bezeichnete, von Barth, Koehler u. a. n\u00e4her untersuchte \u201ephonische Nullpunkt\u201c, bei dem weder Anspannung noch Entspannung der Stimmlippen stattfindet. Nach dem unmittelbaren Gef\u00fchl wurde er von Koehler zwischen H und dis, bei weiblichen Personen zwischen h und e1 gefunden, am h\u00e4ufigsten in der Mitte dieser engen Zonen. F\u00fcr mich liegt er zwischen A und c, also nur wenig unter der Tonika des affektlosen Sprechens, was sich auch psychologisch leicht begreift. Nach\nR.\tSchilling, der 48 Personen untersuchte (Med. Wochenschr. 1924, 1,\nS.\t631), geht er bei den meisten mit der Helligkeit des gesprochenen Vokals mehr oder weniger in die H\u00f6he, variiert aber auch etwas unter dem Einflu\u00df des (akustischen, motorischen) Vorstellungstypus. M. Giesswein (2) fand auch die Resonanz des \u201eBronchialbaumes\u201c (des reich ver\u00e4stelten R\u00f6hrensystems der Lunge) sowie das Auftreten des \u201ePektoralfremitus\u201c (der Ersch\u00fctterung der Brustwandungen beim Sprechen) in \u00dcbereinstimmung mit dem phonischen Nullpunkt.","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"Das If.-Verfahren bei der gesprochenen Rede.\n93\nwieder unkenntlich werden. Dann kann jemand, Frau, Mann oder Kind, ein \u00fcberraschtes Ah! mit beliebig gro\u00dfen Stimmexkursionen sprechen, es wird immer als st\u00f6hnendes Oh! aus der Leitung kommen. Und erweitert man die ausgeschaltete Strecke noch bis 64, so mu\u00df sich alles Sprechen, es mag noch so affektvoll betont sein, in ein dumpfes Murmeln verwandeln, worin nur noch U und 0 erkennbar bleiben.\nMan mu\u00df jedoch hier, um sicher zu sein, da\u00df alle Obert\u00f6ne, die von beliebigen Grundt\u00f6nen herr\u00fchren k\u00f6nnen, innerhalb einer solchen Strecke vernichtet sind, eine gro\u00dfe Anzahl fein abgestufter Einstellungen aneinanderreihen. Man braucht also mehr R\u00f6hren als bei einem auf einem konstanten Ton gesungenen oder gesprochenen Vokal.\nEndlich lassen sich auch systematische Abbaureihen mit der Sprache \u00fcberhaupt anstellen, indem man von oben herab immer gr\u00f6\u00dfere Strecken des Tonreiches abtr\u00e4gt, auch dies in der eben erw\u00e4hnten Weise durch zahlreiche nur wenig verschiedene Einstellungen. Es gen\u00fcgt aber, mit Einstellungen von 2 cm an zu beginnen und dann mit Differenzen von 0,3 cm, zuletzt von 0,5 cm immer l\u00e4ngere Seitenleitungen hinzuzuf\u00fcgen. Dann sind bis zur v\u00f6lligen Unkenntlichmachung der Sprache etwa 44 R\u00f6hren erforderlich. Zwischen Schall- und Beobachtungszimmer mu\u00df dabei unbedingt ein Zimmer in der Mitte hegen, um jedes direkte Her\u00fcberdringen der Laute zu verhindern. Die Hauptleitung mu\u00df also durch 2 W\u00e4nde gef\u00fchrt werden.\nBei den von mir angestellten Versuchen wurde als Text ein beschreibender Katalog des Berliner Museums f\u00fcr V\u00f6lkerkunde mit vielen ethnologischen, geographischen und technischen Ausdr\u00fccken benutzt. Er verlangte also eine gewisse Spannung der Aufmerksamkeit, bot aber den H\u00f6renden (Dr. v. Allesch, Erl. stud. Eberhardt und mir selbst) an sich keine Schwierigkeiten des Verst\u00e4ndnisses. Bei jeder der unten verzeichneten Einstellungen wurden au\u00dfer dem allgemeinen Sprachverst\u00e4ndnis auch die einzelnen Vokale und die empfindlichsten Konsonanten (S, F, Ch palatale) gepr\u00fcft. Solche Versuchsreihen sind \u00fcbrigens, wenn einmal die \u00e4u\u00dferen Einrichtungen zweckm\u00e4\u00dfig getroffen sind, sehr leicht und schnell zu machen; eine Reihe dauert nur eine Viertelstunde.\nDie Ergebnisse, wie sie hier zusammengestellt sind, sind fast genau dieselben, wenn der Text auf der schwankenden Tonh\u00f6he des nat\u00fcrlichen, ungezwungenen Sprechens und wenn er auf einer der Tonh\u00f6hen c, gis, c1 gesprochen wird. Sie gelten daher f\u00fcr jeden Grundton innerhalb der Sprechzone.","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\t4 Kap. Das Sprechen und dessen Abbau durch das If.-Verfahren.\nVer\u00e4nderungen der stimmhaften Sprache beim Abbau durch Interferenzr\u00f6hren.\nEinstellung in cm von 0,5 bis\tHerabgesetzte obere Tongrenze\t\n3,35\tesi = 2461 Schw.\tSprache noch ganz gut verst\u00e4ndlich. Einzeln : I und \u00dc nach U, E nach 0 hin alteriert.\n4,8\tas3 = 1642 Schw.\tEbenfalls noch alles verst\u00e4ndlich, doch etwas nebelhaft; sch\u00e4rferes Aufmerken erforderlich. Einzeln: I und \u00dc = U, E = 0, \u00d6 fast 0, A fast AO.\n6,7\tes3 = 1230 Schw. !\tVieles unverst\u00e4ndlich, doch \u00f6fters einige Worte nacheinander bei g\u00fcnstigem Zusammenhang verstanden. Einzeln: \u00d6 = 0, \u00c4 == AO.\n9,6\ta2 = 870 Schw.\tNur selten noch ein Wort zu verstehen. Einzeln: A stark verdunkelt.\n13,4\te2 = 652 Schw. ;\tAlles unverst\u00e4ndlich, kein Laut auch nur zu erraten. Dunkles U-artiges Lallen. Einzeln alle Vokale wie U oder dunkles 0.\n\u00dcber die Ver\u00e4nderungen der Konsonanten ist weiter unten (5. Kap.) ausf\u00fchrlich zu berichten.\nBei Frauen und Kindern als Sprechern sind die Stadien und Stellen der Zerst\u00f6rung dieselben wie bei M\u00e4nnern. Doch scheint eine Frauen- oder Kinderstimme bei gleicher Zerst\u00f6rungsstufe (z. B. bei Einstellung bis 6,7 herab) etwas st\u00e4rker alteriert. Dies w\u00fcrde sich leicht daraus begreifen, da\u00df c weit mehr Teilt\u00f6ne innerhalb einer gegebenen Tonstrecke enth\u00e4lt als c1, weshalb ja \u00fcberhaupt bei tieferem Grundton die Vokale deutlicher sind. Dies mu\u00df sich auch bei Zerst\u00f6rungen geltend machen.\nImmer tritt zuerst eine leichte Verdunkelung ein, es legt sich gleichsam ein Nebel \u00fcber die Sprache. Dann ist\u2019s, als h\u00e4tte der Sprecher irgendeinen Sprachfehler. Dann werden einzelne W\u00f6rter unverst\u00e4ndlich, viele nur aus dem Zusammenhang erschlossen; es ist \u00e4hnlich, wie wenn man eine fremde Sprache h\u00f6rte, die man nicht gen\u00fcgend beherrscht ; man mu\u00df sich bem\u00fchen, den Faden festzuhalten. Dann gelingt auch dies nicht mehr, es tauchen bei gr\u00f6\u00dfter Aufmerksamkeit nur wenige verstandene Bruchst\u00fccke auf. Zuletzt ist es ein seltsames dunkles Lallen. Die entscheidendste Wendung f\u00e4llt in die obere Abteilung der 2-gestrichenen Oktave, in die Gegend des A-Formanten. Mit seiner Zerst\u00f6rung ist alles vorbei.\nAu\u00dferordentlich auffallend ist bei solchen Versuchen in jedem Stadium der Zerst\u00f6rung, wie lange doch noch die zusammenh\u00e4ngende sinnvolle Rede verst\u00e4ndlich bleibt, nachdem sehr ma\u00df-","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"Die Bezold sehe \u201eSprachsext\u201c.\n95\ngebende Bestandteile f\u00fcr sich allein bereits stark alteriert, ja unkenntlich geworden sind. Man kann sich diesen, im allgemeinen ja bekannten1) Einflu\u00df des Zusammenhanges auf die richtige Auffassung gar nicht schlagender als durch solche Versuche vergegenw\u00e4rtigen und ist immer wieder davon \u00fcberrascht. Bei der Einstellung 6,7 wurde selbst ein Wort wie ,,still\u201c noch erkannt, obgleich so gut wie alle Bestandteile einzeln unkenntlich waren. Ebenso noch bei Einstellung 9,6 \u201einsbesondere\u201c, wo h\u00f6chstens o und r f\u00fcr sich erkennbar sein konnten. Die Gesamtstruktur, zumal die Akzentverteilung, mag hier beigetragen haben.\nSchon hier sei darauf hingewiesen, da\u00df diese Ver\u00e4nderungen auch ihre praktische Bedeutung haben, sowohl bei pathologischen Affektionen des Geh\u00f6rorganes als auch im gew\u00f6hnlichen Leben bei zunehmender Entfernung der Schallquelle und anderen Schallleitungshindernissen, die die hohen T\u00f6ne mehr als die tiefen sch\u00e4digen.\n4. Die BEZOLDsche \u201eSprachsext\u201c.\nDer verdiente Ohrenarzt und Forscher v. Bezold glaubte aus der Vergleichung zahlreicher F\u00e4lle partieller H\u00f6rdefekte, die er mit Hilfe seiner \u201ekontinuierlichen Tonreihe\u201c untersuchte, schlie\u00dfen zu m\u00fcssen, da\u00df speziell die Sexte b1\u2014g2 von fundamentaler Bedeutung f\u00fcr das Sprachverst\u00e4ndnis sei. Diese Lehre hat betr\u00e4chtlichen Einflu\u00df auf die Praxis erlangt (sie wurde in den bayrischen Taubstummenanstalten zum offiziellen. Gebrauch ein-gef\u00fchrt, indem danach entschieden wurde, welche Kinder mit Geh\u00f6rdefekten noch zur Erlernung der Lautsprache heranzuziehen seien). Man hat sie aber sogar als Grundlage f\u00fcr hirnphysiologische Theorien verwendet2), v. Bezold hatte zwar niemals einen Fall beobachtet, in dem nur diese Sext und zugleich das Sprachverst\u00e4ndnis erhalten war oder nur diese Sext und zugleich das Sprachverst\u00e4ndnis fehlte. Aber den zahlreichen F\u00e4llen von H\u00f6rresten, bei denen Sprachverst\u00e4ndnis noch m\u00f6glich war, war diese Strecke gemeinsam, und den zahlreichen F\u00e4llen partieller Taubheit, bei\n1)\tVgl- bes. H. Gutzmann (3). Die Zahl der nichtverstandenen sinnlosen Silben erwies sich gr\u00f6\u00dfer als die der Verwechslungen bei Schwerh\u00f6rigen.\n2)\tWernicke schlo\u00df daraus, da\u00df die T\u00f6ne &1\u2014g2 in der ersten linken Schl\u00e4fenwindung lokalisiert seien, w\u00e4hrend er die \u00fcbrigen T\u00f6ne auf die sonstige Schl\u00e4fenrinde verteilte; eine Anschauung, die allerdings schon von psychiatrischer und hirnpathologischer Seite (Bonhoeffer, Henschen, Flechsig) zur\u00fcckgewiesen wurde. Ich entnehme dies Henschens Werk \u201eKlinische und anatomische Beitr\u00e4ge zur Pathologie des Gehirns\u201c Teil VII 1922, S. 301.","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\t4. Kap. Das Sprechen und dessen Abbau durch das If.-Verfahren.\ndenen das Sprachverst\u00e4ndnis nicht mehr m\u00f6glich war, war das Fehlen dieser Strecke gemeinsam, wenn auch in den F\u00e4llen der ersten Art immer noch andere Feste und in denen der zweiten Art noch andere L\u00fccken da waren. Allerdings fand er selbst sp\u00e4ter einen Fall, bei dem von der Sprachsext sogar nur eine Quart \u00fcbrig war (au\u00dfer anderen Resten) und doch die Sprache verstanden wurde, h\u00e4tte daher eigentlich jetzt von einer Sprachquarte reden m\u00fcssen. Aber die Schlu\u00dfweise war \u00fcberhaupt logisch nicht ganz einwandfrei. Zudem liegen, w^as v. Bezold nat\u00fcrlich selbst sehr wohl wu\u00dfte, zwischen vollem Verst\u00e4ndnis und vollem Unverst\u00e4ndnis der Sprache zahllose \u00dcberg\u00e4nge.\nWir k\u00f6nnen jetzt aus unseren Feststellungen \u00fcber die Lage der Vokalformanten die St\u00f6rungen, die bei Ausfall dieses Bezirkes entstehen m\u00fcssen, Voraussagen. W\u00e4re nur diese Sext-Zone f\u00fcr einen Patienten unh\u00f6rbar, so m\u00fc\u00dfte 0 f\u00fcr sein Ohr nahezu in U \u00fcbergehen, A in einen Mischlaut aus UO und \u00d6 (vgl. o. S. 73). \u00d6, \u00c4 und E m\u00fc\u00dften durch den Wegfall ihres Unterformanten gleichfalls alteriert sein. Aber das Sprachverst\u00e4ndnis w\u00e4re nicht ganz vernichtet, zumal da die Konsonanten im wesentlichen erhalten blieben.\nEs ist aber auch mit unseren Interferenzeinrichtungen die Probe in der Weise gemacht worden, da\u00df man eben diesen Tonbezirk ausschaltete (Frankfurther und Thiele). Hierbei wurden freilich die ungeraden Multipla mitausgeschaltet, also eine gro\u00dfe Zahl h\u00f6herer T\u00f6ne jenseits /3, deren Wegfall zu der Alteration beitragen mu\u00df. Aber da tats\u00e4chlich nur eine geringe Erschwerung, keineswegs ein Verlust des Sprachverst\u00e4ndnisses beobachtet wurde, so war a fortiori der Beweis gegen die BEZOLDSche Lehre erbracht1).\nIm einzelnen wurden von den beiden Autoren wesentlich nur die Konsonanten untersucht. Ich machte selbst eine Probe mit Vokalen, indem ich aus einem gesungenen c1 die in die Sprachsext fallenden Teilt\u00f6ne c2 und g2 ausschaltete. Es fanden sich O, A, 0, A, E tats\u00e4chlich in dem Sinn alteriert, wie es oben erschlossen wurde (wobei mitausgeschaltete Multipla nur bei den 3 letzten in Betracht kommen) ; U und \u00dc hingegen blieben, wie gleichfalls vorauszusehen, unversehrt. Aber die verbleibenden Reste sowohl der Vokale wie der Konsonanten erm\u00f6glichten eben doch noch ein leidliches Sprachverst\u00e4ndnis bei sinnvoller Rede.\nl) Vielleicht h\u00e4tte das Sprachverst\u00e4ndnis doch etwas mehr gelitten, wenn mehr als 15 Seitenr\u00f6hren gebraucht worden w\u00e4ren (die Einstellungen standen um je eine Halbtonstufe voneinander ab). So m\u00f6gen immerhin die T\u00f6ne der hohen Region nicht vollst\u00e4ndig mit ausgel\u00f6scht worden sein.","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Die BEZOLDsche \u201eSprachsext\u201c.\n97\nExakt l\u00e4\u00dft sich die Pr\u00fcfung mit Hilfe des im 7. Kap. zu beschreibenden synthetischen Verfahrens vornehmen. Man braucht nur einen Vokal aus seinen Teilt\u00f6nen herzustellen und dann die in die \u201eSprachsext\u201c fallenden wieder durch Verstopfung ihrer Leitungen zu beseitigen. Es zeigte sich auch so, da\u00df 0 und A besonders leiden, aber auch \u00c4 und E; die \u00fcbrigen nur wenig oder gar nicht.\nZugeben mu\u00df man v. Bezold, da\u00df die 2-gestrichene Oktave von besonderer Bedeutung ist. Sie ist es, weil sie den A-For-manten enth\u00e4lt, und weil A, der wichtigste aller V okale (princeps vocalium nennt es schon Hell wag), gewisserma\u00dfen als Vokalzentrum gelten kann. Aber wir w\u00fcrden aus diesem Grunde, wenn schon von einer Sprachsext die Rede sein soll, die h\u00f6herliegende Sext e2\u2014c3 daf\u00fcr in Anspruch nehmen, nur nicht im BEZOLDschen, sondern in einem viel eingeschr\u00e4nkteren Sinne. Besonders w\u00e4re nicht zu vergessen, da\u00df auch die Gegend um c4 eine hervorragende Bedeutung besitzt, da sie die Formanten der 3 hellsten Vokale enth\u00e4lt. F\u00fcr das volle Sprachverst\u00e4ndnis aber, bei dem kein einziger Bestandteil der gesprochenen Rede in seinem spezifischen Charakter gesch\u00e4digt sein soll, ist die Unversehrtheit der gesamten Tonregion von c1 bis c5 erforderlich. N\u00e4heres dar\u00fcber im 6. und 9. Kapitel.\nStumpf, Sprachlaute.\n7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"5. Kapitel.\nStruktur der Fliistervokale und Konsonanten.\nZwei Fragen tauchen jetzt f\u00fcr unsere Untersuchung auf: 1. Wenn die stimmhaften Vokale durch Teilt\u00f6ne von fester H\u00f6he charakterisiert sind, was charakterisiert gefl\u00fcsterte Vokale, und was ist ihnen mit den gesungenen gemeinsam ? 2. Was unterscheidet stimmlose Konsonanten von den stimmlosen Vokalen, und was ist ihnen mit den stimmhaften Konsonanten gemeinsam, von denen manche doch wieder den stimmhaften Vokalen so nahe stehen wie das M dem U?\nHier liegen \u00fcberall Paradoxien, die zu etwas tieferem Eindringen in die Ph\u00e4nomenologie der Geh\u00f6rsempfindungen zwingen.\nI. Kl\u00e4nge und Ger\u00e4usche, Yokale und Konsonanten, stimmhafte und stimmlose Sprachlaute.\n1. Kl\u00e4nge und Ger\u00e4usche sind spezifisch verschiedene Geh\u00f6r serscheinungen, die darum rein erscheinungsm\u00e4\u00dfig nicht definiert, sondern nur durch Beispiele erl\u00e4utert werden k\u00f6nnen. Unsere Sinnesempfindungen zerfallen zun\u00e4chst in Gattungen, wie Licht- und Schallempfindungen, innerhalb dieser Gattungen aber wieder in Arten. So haben wir unter den Gesichtsempfindungen die farbtonlose Schwarz-Wei\u00df-Reihe und die get\u00f6nten oder im engeren Sinne farbigen Empfindungen, wie Rot, Blau. Diesem Unterschied entspricht im Geh\u00f6rssinne nach vielen (nicht allen) Seiten hin der von Ger\u00e4uschen und Kl\u00e4ngen. Wie man f\u00fcr den Unterschied der Grauerscheinungen von den farbigen in erster Linie das Auge als Zeugen hat, so f\u00fcr den von Ger\u00e4uschen und Kl\u00e4ngen das Ohr. Aus Anschauungen mu\u00df man sich diese Elementarbegriffe bilden und auf Grund der Anschauung auch wieder die Einzelerscheinung dem Begriffe unterordnen. Die Erfahrung zeigt allerdings auch in den Gesetzlichkeiten der so unterschiedenen Teilgebiete bemerkenswerte Verschiedenheiten, die den wissenschaftlichen Begriff vervollst\u00e4ndigen. Aber Grundlage der Unterscheidung bleibt auch in wissenschaftlicher Hinsicht immer das einfache Geh\u00f6r.","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Kl\u00e4nge und Ger\u00e4usche, Vokale und Konsonanten.\t99\nAuch die Frage nach den physikalischen und physiologischen Ursachen dieser Unterschiede ist scharf von der blo\u00dfen Beschreibung der Erscheinungen zu trennen. Auf diese Frage kommen wir am Schl\u00fcsse (14. Kap.) zur\u00fcck. Die erscheinungsm\u00e4\u00dfigen Feststellungen sind davon durchaus unabh\u00e4ngig1).\nEs d\u00fcrfte keinen eigentlichen \u00dcbergang zwischen Kl\u00e4ngen und Ger\u00e4uschen geben. Aber Mischungen gibt es in F\u00fclle. Und zwar sind Ger\u00e4uschen in der Regel mehr oder weniger T\u00f6ne beigemischt2). Dagegen kommen vollkommen ger\u00e4uschfreie T\u00f6ne h\u00e4ufig vor und ist Wilhelm Bitschs ber\u00fchmter Vers: \u201eMusik wird oft nicht sch\u00f6n gefunden, weil sie stets mit Ger\u00e4usch verbunden\u201c eine poetische \u00dcbertreibung. Nur darin k\u00f6nnte er recht haben, da\u00df f\u00fcr besonders unmusikalische Individuen selbst die reinsten T\u00f6ne stets mit Ger\u00e4uschen verbunden w\u00e4ren und da\u00df darin vielleicht eine der Ursachen dieses auffallenden Typusunterschiedes l\u00e4ge.\n2. Den Unterschied von Vokalen und Konsonanten definieren hei\u00dft : eine sachlich zu rechtfertigende und hinreichend wichtige Unterscheidung unter den Sprachlauten aufzeigen, die sich mit diesen hergebrachten, uns gel\u00e4ufigen Klassen so gut als m\u00f6glich deckt. Ihre Unterscheidung als \u201eSelbstlauter\u201c und \u201eMitlauter\u201c, worauf der Ausdruck \u201eKonsonant\u201c beruht, war offenbar keine vollgen\u00fcgende. Denn man kann Konsonanten auch f\u00fcr sich aussprechen und sogar zu ganzen W\u00f6rtern wie \u201ePst!\u201c, ja zu dem ganzen tschechischen Satze \u201estrc prst skrz krk\u201c (wo r die Funktion eines Vokals \u00fcbernimmt) verbinden. Die Frage ist nur, welche bessere Definition an die Stelle zu setzen w\u00e4re3).\n*) Vgl. Tonpsych. II, S. 497ff. Wenn K. L. Schaefer in seiner sonst trefflichen Darstellung des Geh\u00f6rsinnes (2, S. 583) gegen die spezifische Verschiedenheit der beiden Empfindungsgruppen. einwendet, da\u00df man Ger\u00e4usche aus rasch wechselnden Impulsen von verschiedener Schwingungszahl zusammensetzen k\u00f6nne, so kann ich die Beweiskraft dieses Arguments nicht zugeben. Man mu\u00df eben die deskriptive von der genetischen Frage scheiden. Impulse sind nicht T\u00f6ne, sondern nur deren \u00e4u\u00dfere Ursache.\n2)\tDen Satz, \u201eda\u00df jedem nicht allzu leisen Ger\u00e4usch objektiven Ursprungs T\u00f6ne beigemischt sind\u201c (a. a. O. S. 500), w\u00fcrde ich auch in dieser eingeschr\u00e4nkten Fassung heute nicht mehr aufrechthalten. Das Regenger\u00e4usch z. B. scheint ganz tonfrei zu sein. Man verwechsle nicht die in Ger\u00e4uschen, z. B. in allen Konsonanten, erkennbaren Tonh\u00f6hen mit T\u00f6nen. Diese sog. Tonh\u00f6hen, die ich selbst fr\u00fcher auf beigemischte T\u00f6ne deutete, d\u00fcrften vielmehr reine Ger\u00e4usch h\u00f6hen sein. Vgl. das folgende Kapitel.\n3)\tDie sch\u00e4rfste Kritik an den \u00fcberlieferten Kategorien hat Sievers ge\u00fcbt. Aber seine eigene Einteilung ist mir nicht klar genug geworden, um dazu Stellung zu nehmen. F\u00fcr uns mu\u00df wieder das rein Akustische ma\u00dfgebend sein.\n7*","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\n5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\nNun k\u00f6nnte nian versuchen, den Unterschied einfach durch den von Kl\u00e4ngen und Ger\u00e4uschen zu definieren und zu sagen: \u201eVokale sind Sprachkl\u00e4nge, Konsonanten Sprachger\u00e4usche.\u201c Aber wo blieben dann die gef l\u00fc st er ten Vokale ? Man kann sie doch nur den Ger\u00e4uschen zuz\u00e4hlen. Der Verfasser hat fr\u00fcher die Definition dadurch zu retten versucht, da\u00df er die Vokalit\u00e4t dieser Ger\u00e4usche auf beigemischte leise T\u00f6ne zur\u00fcckf\u00fchrte, die durch das Anblasen der Mundh\u00f6hle auch bei ruhenden Stimmlippen hervorgebracht w\u00fcrden (12, S. 168). Aber mit dieser Anschauung l\u00e4\u00dft sich die Tatsache nicht vereinigen, da\u00df die Tonh\u00f6he der Ger\u00e4usche bei den gefl\u00fcsterten U, 0 und A um eine Oktave h\u00f6her ist als die Formanten der gesungenen Vokale, obgleich die Mundstellung beim Fl\u00fcstern dieselbe ist wie beim Singen (s. 6. Kap.). Die beigemischten T\u00f6ne m\u00fc\u00dften also einen anderen Vokalcharakter bedingen als er tats\u00e4chlich vorhanden ist.\nDaher erscheint mir folgende Definition jetzt als die richtige: \u201eVokale sind sprachlich herstellbare Kl\u00e4nge oder Ger\u00e4usche mit ausgepr\u00e4gter F\u00e4rbung, Konsonanten aber sprachlich herstellbare Ger\u00e4usche ohne ausgepr\u00e4gte F\u00e4rbung.\u201c\nZur Erl\u00e4uterung folgendes. Das, was T\u00f6ne von Ger\u00e4uschen unterscheidet, m\u00f6ge als Grundqualit\u00e4t oder Substanz dieser Empfindungen bezeichnet werden. Sie ist verschieden f\u00fcr beide Klassen, dieselbe f\u00fcr alle Glieder einer Klasse. Jede einzelne Empfindung einer dieser Klassen hat aber gewisse Eigenschaften oder Attribute, durch die sie n\u00e4her charakterisiert werden kann, wie H\u00f6he, St\u00e4rke, Volumen usw. Vergleichen wir in dieser Hinsicht Kl\u00e4nge mit Ger\u00e4uschen, so zeigt sich bei genauer Analyse, da\u00df den Ger\u00e4uschen die n\u00e4mlichen Attribute zukommen wie den Kl\u00e4ngen. Au\u00dfer den zeitlichen und r\u00e4umlichen Eigenschaften besitzen sie offenbar St\u00e4rke-, ebenso auch H\u00f6hen- oder Helligkeitsunterschiede, ja sogar solche der \u201emusikalischen Qualit\u00e4t (\u00fcber diesen Begriff s. o. S. 91). Denn auch Oktaven und andere Intervalle lassen sich in blo\u00dfen Ger\u00e4uschen erkennen und d\u00fcrften nicht blo\u00df auf beigemischten T\u00f6nen beruhen.\nAu\u00dfer diesen Attributen mu\u00df aber auch \u201eFarbigkeit\u201c als gemeinsames Attribut von Kl\u00e4ngen und Ger\u00e4uschen anerkannt werden, wenn anders gefl\u00fcsterte Vokale als echte Vokale zu gelten haben. Aber sie ist bei Ger\u00e4uschen in sehr verschiedenem Ma\u00dfe ausgepr\u00e4gt: ganz deutlich bei denFl\u00fcstervokalen, dagegen nur sehr schwach bei den stimmlosen Konsonanten. Zwar hat ein dunkles breites Sch Verwandtschaft mit U, ein Ch palatale Verwandtschaft mit J, da bei diesen Vokalen sich die Vokalit\u00e4ts- mit Helligkeits-","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"Kl\u00e4nge und Ger\u00e4usche, Vokale und Konsonanten.\n101\nunterschieden decken. Aber Konsonanten mit ausgepr\u00e4gtem 0-, A-, \u00c4-Charakter wird man nicht finden. Die Farbigkeit im engeren Sinne also, das Analogon der get\u00f6nten Farben des Gesichtssinnes, fehlt den Konsonanten im echten, vollen Sinne dieses Begriffes.\nDa\u00df wir uns hier nicht in blo\u00dfen Tautologien bewegen, wird sp\u00e4ter noch klarer werden, wenn von den Vokalit\u00e4ten der einfachen T\u00f6ne zu sprechen sein wird (13. Kap.). Es handelt sich darum, da\u00df das Moment der Farbigkeit ebenso als ein wesentliches Attribut von Geh\u00f6rsempfindungen anerkannt wird, wie das der T\u00f6nung l\u00e4ngst als Attribut von Gesichtsempfindungen anerkannt ist, da\u00df aber dieses Attribut nicht allen Empfindungen desselben Sinnes in gleich ausgepr\u00e4gtem Ma\u00dfe zukommt.\nMit diesem Unterschiede h\u00e4ngt die alte Entgegensetzung von Selbstlautern und Mitlautern, die sich auf die Funktion der beiden Klassen im Zusammenhang des Sprechens bezieht, augenscheinlich zusammen. Man versteht, da\u00df im gro\u00dfen und ganzen die farbigen Laute als die vollwichtigeren gelten, wenn auch in verschiedenen Sprachen sich das Gewicht der beiden Bestandteile verschieden verteilt und gelegentlich echte Konsonanten oder \u201eHalbvokale\u201c vokalische Funktionen \u00fcbernehmen k\u00f6nnen. \u00dcberdies gehen ja tats\u00e4chlich immer F\u00e4rbungen von Vokalen auf begleitende Konsonanten \u00fcber. Man kann daher die Bedeutung der alten Unterscheidung sehr wohl anerkennen, aber nur eben als konsekutive, nicht als konstitutive.\nLegen wir obige Definitionen zugrunde, so ergibt sich ohne weiteres, da\u00df der Unterschied von Vokalen und Konsonanten kein ganz scharfer sein kann, da eben die F\u00e4rbung auch bei manchen im popul\u00e4ren Gebrauche zu den Konsonanten gerechneten Lauten doch so deutlich sein kann, da\u00df sie den Vokalen naher\u00fccken, wenn nicht gar in sie eingeordnet werden m\u00fcssen.\u2019 Tats\u00e4chlich sind denn auch l\u00e4ngst \u201eHalbvokale\u201c als \u00dcbergang dazwischengestellt worden.\nDie Linguisten pflegen sich jetzt zumeist mit genetischen Unterscheidungen zu helfen. Am sch\u00e4rfsten tritt dieser Standpunkt wohl in Techmers Definitionen hervor: \u201eVokale sind Laute mit gr\u00f6\u00dfter oraler Apertur, Konsonanten Laute mit oraler Enge oder oralem Verschlu\u00df.\u201c Zu deutsch: bei den Vokalen macht man den Mund weit auf, bei den Konsonanten weniger oder gar nicht. \u00dcberg\u00e4nge ergeben sich auch f\u00fcr diesen Standpunkt. Wir bestreiten nun nicht, da\u00df sich so oder \u00e4hnlich eine f\u00fcr den Sprachforscher brauchbare und bequeme Scheidung vollziehen l\u00e4\u00dft. Aber der Akustiker wird sofort fragen, ob und worin denn die so hervorgebrachten Laute sich auch als Geh\u00f6rserscheinungen voneinander unterscheiden.\nGleichfalls genetisch, aber nicht physiologisch, sondern rein physikalisch ist die Grenzziehung F. Tiiendelenbubgs (II) : \u201eVokale sind rein periodische Kl\u00e4nge, stimmhafte Konsonanten sind Klanggemische\u201c (von periodischen und unperiodischen Schwingungen, letztere durch das Anblasen der Mund-","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\n5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\nh\u00f6hle zum Stimmton hinzukommend). Die Frage nach dem ph\u00e4nomenalen Unterschiede l\u00e4\u00dft auch diese Abgrenzung offen. Au\u00dferdem entsteht aber auch die Frage, wie sich die Fl\u00fcstervokale ihr einordnen. Vielleicht sind sie wirklich, physikalisch betrachtet, rein periodische Kl\u00e4nge, aber dann jedenfalls so ungeheuer zusammengesetzt, da\u00df ihre Zerlegung in eine begrenzte Zahl von Sinusschwingungen aussichtslos und die reine Periodik schwer nachweisbar w\u00e4re. Sie w\u00fcrden sich von den stimmlosen Konsonanten darin kaum unterscheiden. Wenn ich recht sehe, m\u00fc\u00dfte aber auch ein stimmhafter Vokal durch Beimischung unharmonischer, zum Grundton in keinem rationellen Verh\u00e4ltnis stehender Teilt\u00f6ne ohne weiteres in einen stimmhaften Konsonanten (ein Klanggemisch) \u00fcbergehen. Sofern es sich um blo\u00dfe Definitionen handelt, kann man dem nat\u00fcrlich nicht widersprechen. Aber mit den Ph\u00e4nomenen und dem darauf bez\u00fcglichen allgemeinen Sprachgebrauch w\u00fcrde dies schwerlich stimmen. Vgl. zur Beschreibung der so entstehenden Erscheinungen das 7. Kapitel unter VI.\n3. Der Unterschied der stimmhaften Sprachlaute von den stimmlosen deckt sich akustisch nicht, sondern kreuzt sich mit dem der Vokale und Konsonanten. Bei den Vokalen haben wir bereits in der Definition diesem Unterschiede Rechnung getragen: die stimmhaften Vokale sind Kl\u00e4nge, die stimmlosen Ger\u00e4usche. Bei den Konsonanten aber sind eigentlich nur die stimmlosen wahre Konsonanten, da nur sie reine Ger\u00e4usche sind. Stimmhafte aber, wie. sie im zusammenh\u00e4ngenden Singen und Sprechen best\u00e4ndig Vorkommen, aber auch isoliert erzeugt werden k\u00f6nnen, sind eben nicht reine Konsonanten, sondern mit gesungenen oder gesprochenen Kl\u00e4ngen vermischt, die bei ein und demselben Konsonanten je nach der augenblicklichen Tonh\u00f6he der Stimme sehr verschieden sein k\u00f6nnen. Was konsonantisch darin ist und unabh\u00e4ngig von der augenblicklichen Tonh\u00f6he bei einem bestimmten Konsonanten regelm\u00e4\u00dfig vorhanden ist, das ist ger\u00e4uschiger Art.\nBei den Reibe- oder Zischlauten kommt \u00fcbrigens die stimmhafte Aussprache, obgleich sie f\u00fcr Sch und S an sich m\u00f6glich ist, in der normalen deutschen Sprache kaum vor, und f\u00fcr F und palatales Ch ist sie \u00fcberhaupt nur unvollkommen herzustellen, sie leiden darunter. Stimmhaftes H, dessen Vorkommen bereits Purkinje und Czermak behaupteten, soll nach E. A. Meyer1) nicht blo\u00df in au\u00dfer deutschen (slawischen, finnisch-ugrischen) Sprachen, sondern auch im Deutschen Vorkommen, und zwar regelm\u00e4\u00dfig zwischen stimmhaften Lauten, z. B. in ,,Daheim, Freiheit\u201c. Aber der Beweis wird nur auf graphischem Wege, mit dem Kehltonschreiber gef\u00fchrt und der akustische Standpunkt wird ausdr\u00fccklich abgelehnt2).\n1)\tStimmhaftes H. Zeitschr. \u201eNeuere Sprachen\u201c Bd. 8 (Phonetische Studien, N. F. Bd. 14), 1900.\n2)\tS. 269: \u201eNicht vom Geh\u00f6rseindruck mu\u00df man ausgehen--Was der\neine deutlich h\u00f6rt, ist dem anderen unh\u00f6rbar, und was ein und derselbe heute nicht h\u00f6rt, wird er vielleicht morgen h\u00f6ren.\u201c","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Stimmhafte und stimmlose Sprachlaute.\n103\nIn der Definition: \u201eStimmhaft nenne ich einen Laut, w\u00e4hrend dessen Hervorbringung die Stimmb\u00e4nder Schwingungen von solcher Geschwindigkeit und Regelm\u00e4\u00dfigkeit vollf\u00fchren, da\u00df sie unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden vom menschlichen Ohr als Ton empfunden werden4 4, wird nun freilich das Geh\u00f6r zuletzt doch angerufen ; aber nur unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden soll sein Zeugnis gelten. Wir meinen dagegen, da\u00df es in Fragen der Stimmhaftigkeit durchaus und allein ausschlaggebend sein m\u00fcsse, und m\u00f6chten von diesem Standpunkte das Vorkommen der stimmhaften Form im Deutschen bezweifeln. Freilich wird man niemals ein H finden, das nicht eine gewisse Tonh\u00f6he, richtiger Ger\u00e4uschh\u00f6he, bes\u00e4\u00dfe, und diese ist im Zusammenh\u00e4nge immer bestimmt durch einen angrenzenden Vokal. Aber eine Ger\u00e4uschh\u00f6he hat auch jeder andere stimmlose Konsonant, ohne dadurch zum stimmhaften zu werden1).\nDie Verschlu\u00dflaute vollends k\u00f6nnen, wenn sie rein gesprochen werden sollen, nur stimmlos angegeben werden. Die Vorsetzung eines leisen stimmhaften M oder N vor die Mediae, wodurch bei norddeutscher Aussprache der Anschein eines stimmhaften D, B, G entsteht, ist im Grunde eine akustische Unsitte, da sie aus den einfachen Konsonanten konsonantische Diphthongen macht2). Bei der gew\u00f6hnlichen Aussprache eines isolierten stimmhaften deutschen W wird eine Art U vorausgeschickt, das gleichfalls nicht zum W selbst geh\u00f6rt. Dieses ist, stimmlos und im isolierten Zustand gesprochen, fast unh\u00f6rbar leise.\nEs w\u00e4re verkehrt, zu schlie\u00dfen, da\u00df im Zusammenh\u00e4nge des gew\u00f6hnlichen stimmhaften Sprechens infolge der Einwirkung der umgebenden Vokale auch die Konsonanten durchweg stimmhaft gesprochen w\u00fcrden. Von den sog. \u201eResonanten\u201c (M, N, Ng) und L gilt dies allerdings, aber da ist auch fraglich, ob man sie noch den Konsonanten zurechnen d\u00fcrfe (s. u.). J ist zweifellos ein Vokal. Bei den \u00fcbrigen findet im stimmhaften Sprechen ein kurzer gleiten-\n1)\t\u00dcber die Rolle des stimmhaften H im Slawischen s. Broch S. 19, 66ff., 186. Ein im vollen Wortsinne stimmloses H findet sich hiernach im Slawischen \u00fcberhaupt selten. Andererseits ist beim stimmhaften H keine Vollstimme zu h\u00f6ren, sondern eine \u201eMurmelstimme, wie beim St\u00f6hnen\u201c. In seiner Tonh\u00f6he richtet es sich weniger als das stimmlose nach den Nachbarvokalen. \u00dcbrigens bemerkt auch Broch gegen Meyer, da\u00df man von einem stimmhaften H nur reden d\u00fcrfe, wenn ein geschultes Ohr wirklich den Stimmklang wahrnimmt.\nDer Lektor f\u00fcr slawische Sprachen, Herr Lane, hat mir ein solches vorgesprochen, wie es im Ukrainischen gebr\u00e4uchlich sein soll. Es enthielt in der Tat einen tiefen Stimmton, \u00e4hnelte aber stark einem Ch gutturale.\n2)\tEbenso urteilt Nagel, der hier (mit Bremer) von der Vorsetzung von \u201eBl\u00e4hlauten\u201c spricht.","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\n5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\nder \u00dcbergang zwischen Vokalen und Konsonanten statt und wird die Aussprache des Konsonanten durch den vokalischen Zusammenhang mitbedingt (man spreche z. B. : rusch, rasch, risch, Lust, Last, List, ku, ka, ki, uk, ak, ik); aber sie verlieren dadurch nicht ihren wesentlich ton- und farblosen Charakter.\nII. Analyse der Fl\u00fcstervokale durch Interferenzr\u00f6hren.\nMan kann das Interferenz verfahren bei gefl\u00fcsterten ebenso wie bei gesungenen Vokalen anwenden1). Nur mu\u00df man statt der Einstellung der Seitenr\u00f6hren auf bestimmte Teilt\u00f6ne ganze Regionen des Tongebietes durch zahlreiche R\u00f6hren von fein ab-gestuften Stempell\u00e4ngen ausschlie\u00dfen. Denn Ger\u00e4usche erstrecken sich immer stetig oder in unmerklich kleinen Abst\u00e4nden, wie ein Tonstaub, \u00fcber ziemlich gro\u00dfe Teile des Tonreiches. Bei einigen Versuchsreihen gebrauchte ich zur v\u00f6lligen Vernichtung 59, bei anderen 49 oder 34 Seitenr\u00f6hren ; manchmal reichten bei Beachtung gewisser Ersparnisma\u00dfnahmen 26. Man kann bei Fl\u00fcstervokalen und schwachen Konsonanten allenfalls auch ohne durchbohrte W\u00e4nde auskommen, wenigstens in wissentlichen Versuchen; nur mu\u00df das der Leitung abgewandte Ohr verschlossen werden. Ich habe jedoch nur bei den allerschw\u00e4chsten Lauten, wo m\u00f6glichste K\u00fcrze der Leitung angestrebt werden mu\u00dfte, auf die Zwischenwand verzichtet. Vor Beginn der Einstellungen ist es hier besonders wichtig, festzustellen, ob der Laut unver\u00e4ndert und nat\u00fcrlich, mindestens noch gut erkennbar, aus der Leitung kommt. Eventuell k\u00f6nnen Anweisungen an den Fl\u00fcsternden, Verk\u00fcrzung der Leitung, Vorschaltung eines geeigneten Trichters helfen. Im \u00fcbrigen gilt auch hier, was im 2. Kap. von den Ab- und Aufbaureihen, den L\u00fccken- und Stichversuchen, L\u00e4ngs- und Querschnitten, wissentlichen und unwissentlichen Versuchen gesagt ist.\nGute H\u00f6rsch\u00e4rfe des Beobachters, tadellose Aussprache des Fl\u00fcsterers sind selbstverst\u00e4ndliche Voraussetzungen. Manche unterscheiden z. B. nicht sehr scharf zwischen gefl\u00fcstertem \u00d6 und \u00c4, sowohl wenn sie selbst fl\u00fcstern als wenn sie beobachten (ich glaubte bei \u00d6sterreichern diese Eigent\u00fcmlichkeit zu finden). Im folgenden sind nur Ergebnisse benutzt, denen auch kleinere Abnormit\u00e4ten in dieser Hinsicht nicht anhafteten. Die Zahl der Beobachtungsreihen \u00fcber Fl\u00fcstervokale, deren eine oft mehrere Stunden f\u00fcllte, betrug \u00fcber 150. Mitarbeiter waren die schon o. S. 7 Genannten.\nl) Meine Untersuchungen nach der If.-Methode nahmen sogar von den Fl\u00fcstervokalen und den h\u00f6chstgelegenen Konsonanten (S, F, Ch) ihren Ausgang.","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"Analyse der Fl\u00fcstervokale durch Interferenzr\u00f6hren.\n105\n1. Ab- und Aufbauversuche.\nDas allgemeinste Ergebnis dieser Reihen ist, da\u00df alle Fl\u00fcstervokale innerhalb des Tonbezirkes von c1 bis zur Mitte der 5-gestrichenen Oktave, d. h. von etwa 250 bis 6000 Schw., enthalten sind. Sie f\u00fcllen auf dieser Linie mehr oder minder gro\u00dfe Strecken aus. Der Umfang dieser Strecken w\u00e4chst vom U bis zum I; aber vom \u00d6 an tritt eine Zerrei\u00dfung ein: es liegen zwischen einer ganz schwachen tiefen Abteilung und der Formaritregion Nullstrecken. I enth\u00e4lt die gr\u00f6\u00dfte derartige L\u00fccke. Wir erschlie\u00dfen dies aus dem Umstande, da\u00df beim Abbau, nachdem der Vokal seinen Charakter verloren hat, ein dunkler Rest \u00fcbrigbleibt, der erst erheblich weiter unten verschwindet, und da\u00df ebenso beim Aufbau, nachdem eine dunkle Grundlage entstanden ist, eine l\u00e4ngere Strecke hindurch bis zum Eintritt in die Eormantregion keine wesentliche Ver\u00e4nderung stattfindet. In diesen toten Strecken bleiben denn auch Stichversuche, die sonst bedeutende Ver\u00e4nderungen erzielen k\u00f6nnen, wirkungslos. Sie entsprechen den bei gesungenen Vokalen gefundenen. Sie scheinen bei den Fl\u00fcstervokalen nicht absolut leer zu sein, da beim Aufbau eine kleine Erhellung der Unterlage im Lauf der toten Strecke doch zu bemerken ist. Bei den Resonanzversuchen mit gesungenen Vokalen fanden wir ja gleichfalls in unmittelbarer N\u00e4he der Klangquelle schwache Teilt\u00f6ne in diesen Strecken.\nDie qualitativen Umwandlungen sind die n\u00e4mlichen wie bei gesungenen Vokalen. I geht beim Abbau in U, E in O, \u00c4 in den Bl\u00f6klaut, dann in AO \u00fcber usf. Die Umwandlungen treten im allgemeinen auch in denselben Gegenden auf, nur etwas h\u00f6her, weil die If.-Breite sich bei diesen schwachen Lauten darin geltend macht, da\u00df die Schw\u00e4chungsbreite mit der Vernichtungsbreite zusammenf\u00e4llt.\nDie folgende Tabelle stellt diese Umwandlungen in Analogie zu denen der stimmhaften Vokale \u00fcbersichtlich dar. Die 1. Kolumne bedeutet, da\u00df die If.-R\u00f6hren von der oberen Grenze (0,3 oder 0,5) bis zu der betreffenden Stempell\u00e4nge in m\u00f6glichst kleinen Abst\u00e4nden eingestellt sind. Die 2. gibt an, bis zu welcher Tonh\u00f6he von oben herab die Vernichtung reicht, wenn von der If.-Breite abgesehen wird, also nach der Tabelle S. 471). Die 3. gibt die unter Ber\u00fccksichtigung der If.-Breite (o. S. 43) reduzierten H\u00f6hen, also die Grenze, bis zu welcher herab Vernichtung der leisen Fl\u00fcsterger\u00e4usche anzunehmen ist.\n1) Gegen\u00fcber m. Abh. 11, S. 243 sind hier von der oberen Tongrenze bis herab zu gz die durch Abh. 17 geforderten Korrekturen eingesetzt.","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"Aufbau der Fl\u00fcstervokale mit Interferenzversuchen.\n106\n5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten,\nI gut I deutlich I etwas pelzig Blasen mit \u00dc ; Ui mehr Blasen leises U unh\u00f6rbar\tM\nE gut E 0 +E; E\u00f6 O\u00f6 0 etwas heller 0 1 U - artiges Hauchen derloses Ger\u00e4usch imh\u00f6rbar\tw\nreines U \u00dc gut \u00dc dumpf U\u00fc U etwas bedeckt U blasend U leisestes charal unh\u00f6rbar\t:p\n\u00c4 tadellos \u00c4 Ao\u00c4 Ao\u00e4 Ao AO helleres U unh\u00f6rbar\t\ngutes \u00f6 klares \u00fc ger\u00e4uschiges \u00f6 O\u00f6 O Ou UO hauchend unh\u00f6rbar\to\nA gut A recht gut Ao heller Ao AO leises 0 leises UO h\t >s Ger\u00e4usch\t<d\n0 sehr gut volles 0 Ou UO is Ger\u00e4usc arakterlose\to\nU fertig kr\u00e4ftiges U gutes U U U-\u00e4hnliche leisestes ch\tp\n\u00d6S ^\t\u00d6S\tRe- du- ziert\n\u201cSo \"g\t\"<\u00d6 ^3\t\u2014*00 ^\t\"\u00f6 4\u00bb '\u00a7 4\u00bb\t'\u00f6S 'S\t<\t'\u00f6s \u2022\u00a3.\to\t\u00ab\t1 Un' I redu- | ziert\nIQ\tIQ\tiQ\t\u00bbO\t\u00bbO i\u20141 i\u20141 r\u20141 p\u20141 i\u20141 N\tcm","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Analyse der Fl\u00fcstervokale durch Interferenzr\u00f6hren.\n107\nAuch die Formanten wiederholen sich in analoger Weise. Da kein wechselnder Grundton vorhanden ist, ist ihre feste Lage hier selbstverst\u00e4ndlich. Auch U, das bei gesungenen Vokalen keinen festen Formanten had, sondern mit dem jeweiligen Grundton beginnt, hat hier einen festen Anfang in der Tonreihe. Es\nn\tdb\n8277\tc6\n\thO\n\tgiss\n5853\tfis5\n\tes\n\td5\n5-138\tC*\n\ty\n\tgis9\n2926\tfis\"\n\te**\n\t\u00e0*\n2069\tc*\n\tb3\n\tg/S3\n1963\tfis3\n\te3\n\td3\n1035\tC3\n\tb2\n\tgis2\n732\tfis2\n\te2\n\tdz\n517\tc2\n\ty\n\tgis7\n366\tfis1\nd6\nc6\nb5\ngis5\nf'SS\nes d5 C5 bv gis1* fis< e*+ d\u2018* c* b3\ngis3 f/s: e3 d3\nb2\ngis2 fis2 ez d-2 cz\ny\ngis1\nfis1\nbis\ncm\n0,5\n0,9\n1,9-\n2,0\n\u0437,\t1\n\u0438.\te\n6,8\n3,8\n13,9\n19,7\n\u00f6chw.\nUOA\u00d6 \u00c0 UEI\n\u00c6 K ChgHSch Ng M N L S F Chp\nd1\nif)\nf\nJf-Ein-\nslellung\nAbb. 2. Struktur stimmloser Vokale und Konsonanten.\nwird als U kenntlich, sobald beim Aufbau b1 erreicht ist, also mit Abrechnung der If.-Breite bei etwa g1.\nF\u00fcr die Bestimmung der Formanten gelten die S. 63 auf gestellten Regeln; nur mu\u00df auf die If.-Breite, also die reduzierten H\u00f6hen, R\u00fccksicht genommen werden.\nIn dem vorstehenden graphischen Schema, in das auch die Konsonanten im voraus mitaufgenommen sind, bedeuten die stark ausgezogenen Linien die Formant strecken. An sie schlie\u00dfen","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\t5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\nsich aber hier nach oben hin noch gestrichelte und punktierte an, in deren Bezirk sich die Vokale noch etwas vervollkommnen, ohne da\u00df aber diese Gegenden f\u00fcr den spezifischen Charakter ausschlaggebend w\u00e4ren. Die X-Zeichen bedeuten die sp\u00e4ter zu besprechenden Fl\u00fcsterh\u00f6hen.\nDie Formanten folgen sich von U bis I in derselben Ordnung wie bei den gesungenen Vokalen. Im allgemeinen ist auch ihre absolute Lage dieselbe, speziell wenn man die auf c gesungenen Vokale vergleicht. Doch reicht der des I um eine Quinte h\u00f6her hinauf.\nAu\u00dfer den Formanten gibt es aber auch hier f\u00fcr die hellen Vokale von \u00d6 an Unterformanten, und wieder die n\u00e4mlichen: f\u00fcr \u00d6 und E ein 0, f\u00fcr \u00c4 ein AO, f\u00fcr \u00dc und I ein U. Diese treten beim Abbau hervor, sobald man die Formanten abgetragen hat. Man kann sie aber bei gen\u00fcgender \u00dcbung auch mit blo\u00dfem'Ohr in den unver\u00e4nderten Fl\u00fcsterlauten h\u00f6ren. Sie sind durch die schwachen ausgezogenen Linien dargestellt1 * *).\n\u00dcbrigens darf man nicht glauben, die vollst\u00e4ndige Struktur eines gefl\u00fcsterten Vokals erkannt zu haben, wenn man die Lage seines Formanten und seines Unterformanten kennt. Es m\u00fcssen noch feinere Unterschiede in der St\u00e4rke oder Dichtigkeit der Erregungen in den einzelnen Regionen vorhanden sein, analog denen bei den Teilt\u00f6nen gesungener Vokale. Aber vorl\u00e4ufig ist es nicht m\u00f6glich, sie genauer zu definieren.\n2. L\u00fccken- und Stichversuche.\nNimmt man in der Formantgegend eines Fl\u00fcstervokals ein St\u00fcckchen heraus, so leidet der Laut, und zwar wird er bei Hinwegnahme eines oberen Formantteils im allgemeinen dunkler, bei Wegnahme eines unteren heller. Im E-Formanten kann man so geradezu einen oberen I-Bestandteil, der auf den eigentlichen E-Bestandteil (um d4) noch aufgesetzt ist, erkennen, also den Formanten selbst zerlegen. Ein I-T\u00fcpfelchen geh\u00f6rt hier eben auch zum E. Das ohnedies schwache U geht jedoch durch jeden solchen L\u00fcckenversuch in ein blo\u00dfes Blasen \u00fcber.\ni) Nur die Ganztonstufen der chromatischen Leiter sind in den Notenbuchstaben des Schemas angegeben, die dazwischenliegenden T\u00f6ne aber durch die entsprechenden Horizontallinien angezeigt.\nEinige Differenzen von einer halben oder ganzen Tonstufe zwischen\ndiesem Schema und dem des Aufbaues S. 106 r\u00fchren daher, da\u00df hier die aus den einzelnen Versuchsreihen ersichtlichen \u00e4u\u00dfersten Punkte mit-\nber\u00fccksichtigt sind, w\u00e4hrend dort nur die durchschnittlichen Ergebnisse wiedergegeben wurden.","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"Analyse der Fl\u00fcstervokale durch Interferenzr\u00f6hren.\t109\nBei Herausnahme eines mittleren Formantst\u00fcckes werden alle Fl\u00fcstervokale unkenntlich. Die drei hellsten, \u00dc, E, I, werden gemeinsam zerst\u00f6rt, wenn man auch nur auf 2,4 bis 2,6 cm einstellt, weil zufolge der If.-Breite die Wirkung sich von dem dadurch direkt ausgeschlossenen g4 noch um eine Terz nach beiden Seiten ausdehnt.\nUnter Umst\u00e4nden kann man aber durch L\u00fcckenversuche einen Fl\u00fcstervokal sogar verbessern. So wird U durch Ausschaltung von c3\u2014/3 (Einstellung 6\u20148) versch\u00f6nert. Durch Ausschaltung von /2\u2014/3 wird es schon zu tonal, einem Pfeifton angen\u00e4hert, \u00c4 wird durch Herausnahme von c3\u2014gis3 (Einstellung 5\u20148) gleichfalls verbessert, indem das begleitende Ger\u00e4usch zerst\u00f6rt wird, wobei auch der Wegfall der Multipla mitwirkt.\nAuch die Tonh\u00f6he der Fl\u00fcstervokale unterliegt bei L\u00fcckenversuchen Ver\u00e4nderungen, von denen noch zu reden sein wird.\nDie merkw\u00fcrdigen Metamorphosen gesungener Vokale bei bestimmten L\u00fcckenversuchen wiederholen sich hier. So kann man aus U durch Einstellung 13\u201425 ein dunkles A, durch 8\u201414 ein \u00d6 machen, aus einem A durch 6\u20148 ein Ao\u00c4, durch 6\u201410 \u00c4ao, durch 6\u201414 \u00d6, durch 6\u201416 leises \u00dc. Schon durch Ausschaltung des c3 mit seiner n\u00e4heren Umgebung (Einstellung 7\u20148 oder 7,6 bis 8,6) erh\u00e4lt man ein \u00c4\u00d6. Auch hier k\u00f6nnen wir aber auf Grund des bereits Erkannten zum Verst\u00e4ndnis gelangen. Die im U und A enthaltenen h\u00f6heren Bestandteile aus der 3- und 4-gestrichenen Oktave werden durch die Aussto\u00dfung eines Formantst\u00fcckes gewisserma\u00dfen frei, die Verschmelzung h\u00f6rt auf, man h\u00f6rt die \u00fcber der L\u00fccke liegende Vokalit\u00e4t, die vorher nicht f\u00fcr sich bemerkt worden war, wogegen die schwache dunkle Grundlage jetzt nicht mehr zur Geltung kommt. Beim A d\u00fcrfte die paradoxe Verschiebung zu immer hellerer Vokalit\u00e4t bei Erweiterung der L\u00fccke nach unten hin auf der Vertiefung der durch die L\u00fccke entstehenden Unterformanten beruhen. Es entsteht sukzessive der f\u00fcr \u00c4 = AO, der f\u00fcr \u00d6 = 0, zuletzt der f\u00fcr \u00dc = U. Man sieht hieraus zugleich, wieviel auf die Unterformanten ankommt.\nAuch blo\u00dfe Stichversuche sind wieder lehrreich. Man kann dadurch einen Fl\u00fcstervokal abtasten und die mehr oder weniger sch\u00e4digende Wirkung der Wegnahme einzelner kleinster Abschnitte untersuchen. Dabei mu\u00df man von oben nach unten, von kleineren zu gr\u00f6\u00dferen Einstellungen fortgehen, um bei der Beurteilung der Wirkungen die vorher ermittelte Wirkung der Multipla mit ber\u00fccksichtigen zu k\u00f6nnen. A wird z. B. schon durch eine einzige Einstellung in seiner Formantmitte zu einem \u201esonderbaren Gemisch, etwas \u00d6 enthaltend\u201c. Bei \u00d6 kann man durch Einstich E","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\n5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\nund 0 nebeneinander h\u00f6ren, beide allerdings nur schwach gef\u00e4rbt. \u00dc wird gleichfalls durch Stich in die Formantmitte (3,5 = d4) zu einem Nebeneinander eines dunklen und eines hellen Ger\u00e4usches.\nIII. Analyse von Konsonanten durch Interferenzr\u00f6hren.\nAuch die meisten Konsonanten lassen sich dem If.-Verfahren unterwerfen1). Ich habe zahlreiche Versuchsreihen dar\u00fcber durchgef\u00fchrt bei den Zisch- und Reibelauten Sch, S, F, Ch, den Explosivlauten K, T, P, sowie den stimmlos angegebenen Lauten R, M, N, Ng, L und H. Konsonantische Diphthongen, wie Z, blieben nat\u00fcrlich ausgeschlossen. Obige Laute kommen, mit Ausnahme der 5 letzten, aus einer nicht zu langen und nicht zu engen R\u00f6hrenleitung, solange noch keine seitlichen Interferenzr\u00f6hren eingestellt sind, mindestens so kr\u00e4ftig wie beim Fl\u00fcstern innerhalb eines Zimmers und sind bei zweckm\u00e4\u00dfiger Versuchseinrichtung qualitativ wohlerhalten, wenn auch minimale Ver\u00e4nderungen nicht absolut vermieden werden k\u00f6nnen. Man mu\u00df bedenken, da\u00df auch in der Praxis des gew\u00f6hnlichen Lebens die Umst\u00e4nde, unter denen wir sie h\u00f6ren und verstehen, \u00e4u\u00dferst verschieden sind, und da\u00df beim Fl\u00fcstern aus gr\u00f6\u00dferer Entfernung wahrscheinlich sogar st\u00e4rkere Modifikationen auftreten als bei einer kurzen R\u00f6hrenleitung, ohne da\u00df der Laut unverst\u00e4ndlich zu werden braucht. Auch individuelle Verschiedenheiten der Aussprache in bezug auf Deutlichkeit und Charakter der einzelnen Konsonanten sind, wie bei den Vokalen, selbst unter normal Sprechenden, noch bedeutend genug. Wenn man darauf achtet, wird man immer wieder davon \u00fcberrascht. Bei wissenschaftlichen Versuchen m\u00fcssen manche Individuen, die man im gew\u00f6hnlichen Verkehr ohne jede Schwierigkeit, auch beim Fl\u00fcstern, versteht, f\u00fcr bestimmte Laute geradezu ausgeschieden werden.\nBei M, N, Ng und L, die sich ihrer Schw\u00e4che wegen auf dem Interferenzwege in stimmloser Form nur unvollkommen untersuchen lassen, wurden die stimmhaften Formen zu Hilfe genommen und daraus gewisserma\u00dfen durch Subtraktion des Stimmtones R\u00fcckschl\u00fcsse auf die stimmlosen gezogen, die mit den direkten Ergebnissen verglichen werden konnten. Auch das stimmlose R lie\u00df sich so mit dem stimmhaften vergleichen.\n1) Bereits Hebmann hat dies versucht, aber unbegreiflicherweise keine entschiedene Deformation damit erzielt (Bd. 83, S. 24). Besser gelang es Koehler (1, III, S. 24ff., 74ff.; vgl. Vorl\u00e4uf. Mitt. S. 92ff.). Durchsichtige Ergebnisse sind aber auch hier nur durch ganz systematischen Ab- und Aufbau zu gewinnen.","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Analyse von Konsonanten durch Interferenzr\u00f6hren.\n111\nF\u00fcr die Aussprache galt im allgemeinen, wie bei den Vokalen, die Regel, die Laute so charakteristisch als m\u00f6glich, d. h. m\u00f6glichst verschieden von den benachbarten, verwandten Lauten anzugeben. Jedoch wurde Sch, das sehr dunkel und sehr hell gesprochen werden kann, mittelhell gegeben, S dagegen so scharf als m\u00f6glich (Ss), Ch in zweifacher Form: als vorderes (palatales), m\u00f6glichst hell, fein und d\u00fcnn, wie in ,,Ich\u201c oder \u201eChi\u201c, und als hinteres (gutturales, velares), wie in ,,Ach\u201c. R als gutes Zungen-R. K, das gro\u00dfen Verschiedenheiten je nach dem darauffolgenden Vokal unterliegt, mit der Mundstellung, wie sie der Silbe k\u00f6 (doch nach ka hin verdunkelt) entsprechen w\u00fcrde. Es ist dies wieder, wie bei Sch, eine mittlere Helligkeit. Die Explosivlaute immer hart und kr\u00e4ftig. Ng selbstverst\u00e4ndlich als einfacher Laut, nicht als konsonantischer Diphthong. Alle Laute durften nicht \u00fcbertrieben stark genommen werden, da sonst gewisse Ver\u00e4nderungen eintreten.\nMan kann zur Charakteristik der jeweiligen Nuance eines Konsonanten auch seine im Ger\u00e4usch erkennbare Tonh\u00f6he ben\u00fctzen, wenn das Ohr daf\u00fcr geschult ist. So wurde Sch mit der Tonh\u00f6he fisz gegeben, hinteres Ch mit der H\u00f6he es3, vorderes mit /4, K mit dz.\nBetreffs der \u00e4u\u00dferen Einrichtungen gilt dasselbe wie bei den Fl\u00fcstervokalen. F\u00fcr die tieferen Teile der Konsonanten wurden R\u00f6hren von 21 mm und 18 mm lichter Weite, f\u00fcr die h\u00f6heren und h\u00f6chsten solche von 10 mm und 5 mm verwandt; zu\u00e8rst sogar noch engere. Aber R\u00f6hren von 3 mm und darunter haben den Nachteil, da\u00df sie die h\u00f6chsten Konsonanten f\u00fcr feine Ohren eben merklich abstumpfen. Hier sind also etwas weitere zu benutzen.\nBeim Abbau wurden zun\u00e4chst immer die allerkleinsten Einstellungen ausprobiert, wie 0,3 cm oder 0,5 cm oder die ganze Zone 0,3\u20140,5. Wenn dann solche Einstellungen nicht die geringste Ver\u00e4nderung bewirkten, konnte bei den weiteren Versuchen \u00fcber den betreffenden Laut von diesen Einstellungen abgesehen und der Abbau sogleich etwas tiefer begonnen werden, da man immer auf R\u00f6hrenersparnis bedacht sein mu\u00df.\nDie angegebenen Konsonanten umfassen zusammengenommen den Tonbezirk von etwa c (die meisten beginnen aber erst in der 1- oder 2-gestrichenen Oktave) bis zum Anfang der 6-gestrichenen Oktave. Keiner geht \u00fcber die jetzt gew\u00f6hnlich angenommene H\u00f6rgrenze /7 hinaus1), die meisten bleiben erheblich darunter.\n*) Dies zu bemerken ist nicht \u00fcberfl\u00fcssig, da Koehler einige Konsonanten (Ch, F) diese Grenze weit \u00fcberschreiten l\u00e4\u00dft. Vgl. Anhang I dieses Kapitels.","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\t5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\nNach unten hin k\u00f6nnten sie jedoch noch etwas weiter reichen, da die tiefsten Teile durch die If.-Einstellungen auf die h\u00f6heren etwas geschw\u00e4cht, also, wenn sie ohnedies schwach sind, vernichtet werden k\u00f6nnen (o. S. 40).\nInnerhalb dieses Bezirkes entwickeln sie sich beim Aufbau aus schw\u00e4chsten charakterlosen Ger\u00e4uschen, die der gemeinschaftlichen U-Unterlage der Vokale zu vergleichen sind, und erlangen erst allm\u00e4hlich ihre Bestimmtheit und Unterscheidbarkeit. Der Abschnitt der Tonlinie zwischen dem Punkte, wo die erste Spur des spezifischen Lautcharakters eintritt, und dem, wo er fertig erscheint, m\u00f6ge auch hier der Formant hei\u00dfen. F\u00fcr seine Bestimmung gelten dieselben Regeln wie fr\u00fcher, speziell bei den Fl\u00fcstervokalen. Aber er ist hier nicht so scharf und bestimmt markiert wie dort. L\u00fccken- und Stichversuche dienen wieder zur Kontrolle.\nQualitative Umwandlungen der Laute w\u00e4hrend des Ab- und Aufbaues zeigen sich hier nicht in gleicher Weise wie bei den Vokalen. Die Ver\u00e4nderungen gehen in einer gleichbleibenden Richtung vor sich; das Eigent\u00fcmliche der betreffenden Konsonanten pr\u00e4gt sich nur graduell immer deutlicher aus. Sch, S, F, Ch sind beim Aufbau zun\u00e4chst l\u00e4ngere Zeit identisch. Sie differenzieren sich erst von einem bestimmten Punkte der Tonlinie aus. Macht man Querschnitte, d. h. vergleicht man sie bei einer und derselben Einstellung, so ist dies besonders deutlich. Man tut auch gut, bei L\u00e4ngsschnitten, d. h. beim systematischen Ab- und Aufbau eines einzelnen Lautes, gelegentlich einen solchen Querschnitt einzuschalten. Durch die Verbindung beider Methoden stellt man am genauesten die fortschreitenden Ver\u00e4nderungen und ihre Orte in der Tonlinie fest.\nMit der gleichbleibenden Art der Ver\u00e4nderungen h\u00e4ngen hier auch etwas gr\u00f6\u00dfere Schwankungen und Verschiedenheiten der einzelnen Beobachter zusammen. Rein graduelle Ver\u00e4nderungen gestatten und verlangen eben keine so festen Klassenbegriffe. Ob man z. B. ein S bereits scharf genug findet oder noch etwas sch\u00e4rfer w\u00fcnscht, ist einigerma\u00dfen subjektiv. Doch sind die im folgenden mitgeteilten Ergebnisse auf \u00fcbereinstimmende, regelm\u00e4\u00dfige Aussagen der besten Beobachter gegr\u00fcndet.\nDie Hauptergebnisse in bezug auf die Struktur der untersuchten Konsonanten sind in dem graphischen Schema o. S. 107 zusammengestellt. Die starken ausgezogenen Linien bedeuten wieder die Formanten, die schw\u00e4cheren die Unterformanten, die gestrichelten und punktierten Teile weniger wesentliche Abschnitte des Gesamtumfanges auf der Tonlinie. Die Anordnung der Konsonanten ist,","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"Analyse von Konsonanten durch Interferenzr\u00d6hren.\n118\nwie die der Vokale, bestimmt durch den Beginn ihrer Formant-regionen, bei gleichem Beginn durch die Erstreckung nach oben. Chg bedeutet gutturales (hinteres), Chp palatales (vorderes) Ch. Die Kreuzzeichen auf den Linien bedeuten die Tonh\u00f6hen der Laute, wie sie meinem Ohre bei den hier untersuchten Nuancen erscheinen. Diese sollen uns im folgenden Kapitel n\u00e4her besch\u00e4ftigen. Die If.-Einstellungen sind hier sogleich mit Ber\u00fccksichtigung der If.-Breite angegeben, weichen also von der Tabelle S. 47 um die entsprechenden Betr\u00e4ge ab (f\u00fcr fis1 Einstellung auf a1 usw.).\nBeschr\u00e4nkt man sich auf die Formanten und die Gesamtumf\u00e4nge, so lassen sich diese in Notenbuchstaben so zusammenstellen:\nGefl\u00fcsterte Vokale\tFormanten\tGesamtumf\u00e4nge\tStimmlose Konsonanten\tFormanten\tGesamtumf\u00e4nge\nu\tS'1-/2\tZ1 \u2014es3\tR ling.\ta2 \u2014a3\t(/) \u00f6^-fr4\n0\tal-b2\tZ1\u2014des4\tK (P, T)\tdes3 \u2014es4\t/-S'4\nA\tes2\u2014ges3\tZ1\u2014des4\tCh gutt.\td3\u2014a3\tc \u2014 es4\n\u00d6\te3\u2014hs\ts^-fr4\tH\tes3\u2014des4\tg1\u2014des4\n\u00c4\tas3 \u2014es4\tS'1\u2014d5\tSch\tZ3 \u2014es4\ta1 \u2014 c\u00ae\n\u00dc\ta3-/4\tS'1 \u2014 es5\tNg, M, N\tfr3-Z4\tc2-Z4(c5)\nE\tfr3\u2014S'4\tg1\u2014gis5\tL\tc4-Z4\tc2-S'4\nI\tc4 \u2014 e5\tg x-c6\tS\tdes4 \u2014c5\ta1\u2014d6\n\t\t\tF\tdes41\u2014des5\ta1 \u201465\n\t\t\tCh pal.\tes4\u2014des5\ta1 \u2014&5\nIm einzelnen hat sich folgendes ergeben:\nR linguale1).\nEin stimmloses gutes Zungen-R wird beim Abbau mit Einstellung 3 cm2) eben merklich geschw\u00e4cht, bei 4 deutlich schw\u00e4cher und tiefer; bei 6 n\u00e4hert es sich dem Gaumen-R; bei 8 ist es kaum mehr als R \u00fcberhaupt zu bezeichnen, zeigt aber noch scharfe Intermittenz. Bei 10 eine Art Schnarren oder Gurren, \u00e4hnlich wie beim Streichen \u00fcber eine gerippte Oberfl\u00e4che, nur tiefer. Bei 12 ein gurgelndes Hauchen, das Intermittieren noch deutlich; aber schw\u00e4cher. Bei 20 nur ganz schwaches dunkles Ger\u00e4usch, noch intermittierend. Das tonale Element \u00fcberwiegt jetzt. Weiterhin immer schw\u00e4cher, zuletzt auch nicht mehr intermittierend, nur wie ein Hauch. Verschwindet je nach der St\u00e4rke des Angebens und der H\u00f6rsch\u00e4rfe des Beobachters bei 26 bis etwa 50.\nBeim Aufbau erscheint nach dem Anfangsstadium bei 30 ein ganz dunkles, tiefes, schon etwas rauhes Ger\u00e4usch, bei 22 leises Gurren, bei 16\n1)\tR kann stimmlos, d. h. ohne Innervation der Stimmlippen, aber nicht tonlos hervorgebracht werden, da der tiefe sog. \u201eUnterbrechungston\u201c auch durch periodische Ger\u00e4uschunterbrechungen erzeugt wird.\n2)\t-Wir geben hier \u00fcberall die Einstellungswerte, weil danach die Beob-\nachtungen am einfachsten zu kontrollieren sind. Die zugeh\u00f6rigen Tonh\u00f6hen\nsind aus der Tabelle S. 47 zu ersehen, wobei aber niemals zu vergessen ist,\nda\u00df die Wirkung der If. um das Intervall der If.-Breite tiefer hinabreicht,\nStumpf, Sprachlaute.\tg","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114\t5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\nheller geworden, aber noch kein R, bei 12 und 10 st\u00e4rker intermittierend, aber noch zu tonal, noch ohne das Schnatternde und Zischende des R. Dieses beginnt bei etwa 8. Der Laut ist auch erheblich h\u00f6her geworden. Bei 6 besseres, bei 5 ziemlich gutes, bei 4 gutes R. Dann nur noch etwas heller und zischender.\nDie entscheidende Zone demnach etwa 8 \u2014 4, d. h. die 3-gestr. Oktave, genauer \u00ab2\u2014\u00ab3. Doch ist hier besonders zu beachten, da\u00df die Zonen nicht so bestimmt wie bei den Vokalen abzugrenzen sind.\nDen tiefen \u201eUnterbrechungston\u201c, etwa Fis \u2014 23 Schw., kann man, da er zu dem Charakter auch des stimmlosen R beitr\u00e4gt, als eine Art Unter -formanten ansehen.\nStichversuche ergeben von 2 an geringe Schw\u00e4chung und Verdunkelung, ein Leererwerden, auch gelegentlich Erhellung, wenn man gerade auf den h\u00f6heren der beiden durch den Stich getrennten Bestandteile achtet, aber keine ausgezeichneten Punkte. Die Sch\u00e4digung scheint sich ziemlich gleichm\u00e4\u00dfig von 2 bis 25 zu erstrecken; nur bei Stichen zwischen 12 und 16 (c2\u2014ges2) ist sie etwas st\u00e4rker. Aber es bleibt bei so kleinem Defekt immer ein gutes R. Mehr erreicht man nat\u00fcrlich durch L\u00fccken versuche ; doch wird selbst durch Ausschaltung der ganzen Zone 4 \u2014 8 nur die Helligkeit stark vermindert, kenntlich bleibt der Laut immer noch.\nBeim stimmhaften, tonalen R sind die Verh\u00e4ltnisse ganz dieselben und kommt nur eben der Stimmton selbst (nebst Obert\u00f6nen) noch hinzu.\nK (mittelhell), T, P.\nDie Explosivlaute untersucht man am besten in Verbindung miteinander, um sie auf ihre Unterscheidbarkeit bei den verschiedenen Einstellungen zu pr\u00fcfen (Querschnitte). Aber nur f\u00fcr K lie\u00df sich eine Art Formant-region feststellen; die beiden anderen, namentlich P, sind schon bei der Nullstellung der R\u00f6hren, ohne jede Interferenz, nicht so leicht wie K erkennbar und verlieren beim Abbau^ sehr bald ihre Charakteristik, verwandeln sich in indifferente, nur immer schw\u00e4cher werdende Ger\u00e4usche.\nWegen der bedeutenden St\u00e4rke dieser Laute und ihrer gro\u00dfen Erstreckung in der Tonlinie ist eine zweckm\u00e4\u00dfige Verteilung der R\u00f6hren besonders notwendig, um auszureichen. Ich wandte zuletzt folgende an: von 2 bis 12 cm jeweilige Differenz der Stempell\u00e4ngen 0,3; von 12,4 bis 20 Differenz 0,4; von 20,5 bis 28 Differenz 0,5; weiter bis 32'Differenz 1 bis 2 cm. Noch gr\u00f6\u00dfere Stempell\u00e4ngen schw\u00e4chen wohl den \u00fcbriggebliebenen Rest noch ein wenig; aber er ist bei 32 schon fast Null.\nAbbau : Bei 1 noch kaum eine Sch\u00e4digung. Bei 2 beginnende Schw\u00e4chung und Verdunkelung. Bei 3 wird K den beiden anderen schon wesentlich \u00e4hnlicher, bei 4 in gleicher Richtung erheblich gesch\u00e4digt, bei 5 \u00fcberhaupt nur noch ein trockenes Klopfger\u00e4usch. Die drei Laute sind jetzt nur graduell verschieden, namentlich der St\u00e4rke nach (K am st\u00e4rksten). Unwissentlich werden sie verwechselt; doch wird K noch gelegentlich als \u201ehartes Q bezeichnet. Bei 7 alles nur wie H, ohne Sch\u00e4rfe des Ansatzes und ohne irgend deutlichen Unterschied. Bei 13 ist T recht schwach, P noch schw\u00e4cher. Bei 18 auch K nur ein mattes kurzes Ger\u00e4usch. Bei 30 ist K selbst f\u00fcr v. Alleschs scharfes Ohr \u00e4u\u00dferst schwach, T minimal, P verschwunden. Bei 40 von K nur eine Spur, von den beiden anderen nichts mehr.\nAufbau: Nach den minimalen Anf\u00e4ngen bei 20 eine Art Glucksen, bei 11 schon ein gewisser Impetus des K, aber noch kein eigentlicher Ansatz; alle drei haben etwas Knall\u00e4hnliches. Bei 8 k\u00f6nnte man sie allen-","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"Analyse von Konsonanten durch Interferenzr\u00f6hren.\t115\nfalls wissentlich schon voneinander unterscheiden. Bei etwa 6,5 erste Anf\u00e4nge eines deutlichen K ; T setzt hier weniger scharf an, noch weniger P. Bei 5 K schon ziemlich gut1), bei 4 noch erheblich deutlicher, bei 3 wohl fertig, bei 2,6 vollkommen deutlich. T dagegen k\u00f6nnte hier auch als Pf, P auch als T verstanden werden. Diese beiden werden erst gegen die Nullstellung hin deutlicher.\nHiernach kann man als entscheidende Interferenzregion f\u00fcr K etwa 6,6 \u20142,6 bezeichnen, demnach als Formant des%\u2014esU\nStichversuche: Der erste deutliche Unterschied gegen die Nullstellung ist bei 2,5 oder 3: etwas dunkler und schw\u00e4cher. Der st\u00e4rkste Unterschied bei 5 (Formantmitte) : entschieden heller und schw\u00e4cher, n\u00e4hert sich dem T ; ,,wie ein leises Spucken\u201c. Hier kommen offenbar die hohen, vorher ausgeschlossenen Bestandteile wieder zur Geltung. Da\u00df nicht etwa der Ausschlu\u00df ungerader Multipla an der Ver\u00e4nderung schuld ist, geht daraus hervor, da\u00df deren direkter Ausschlu\u00df (Einstellung auf x/3 oder 1/5 von 5) keine so wesentliche oder gar keine Ver\u00e4nderung bewirkt. Einstellungen \u00fcber 5 hinaus sch\u00e4digen den Laut wieder weniger.\nOh gutturale (hinteres, wie in Ach).\nAbbau : Bei 3 eben merklich schw\u00e4cher, bei 4 etwas weicher und dunkler, bei 5 wesentlich dunkler und schw\u00e4cher. Bei 5,4 ist der Laut um eine gro\u00dfe Sexte tiefer { \u2014 a2). Dieser \u00dcbergang vollzieht sich aber, so scheint es, nicht durch Senkung, sondern so, da\u00df ein h\u00f6herer Bestandteil (von der scheinbaren Tonh\u00f6he es3 \u2014 /3) schw\u00e4cher wird und verschwindet und nun der tiefere hervortritt. Bei 6 wird die Alteration sehr gro\u00df, der Laut ist fast unkenntlich. Bei 7 nur noch ein kurzes dunkles Blasen, bei 8 noch milder und schw\u00e4cher. Bei 9 ist es wieder tun einige T\u00f6ne tiefer geworden und mehr vokalisch, wie ein blasendes O. Bei 13 noch deutliches U-\u00e4hnlich es Hauchen. Bei 27 h\u00f6re ich selbst nichts mehr, junge Mitbeobachter h\u00f6ren noch ein ganz tiefes minimales Ger\u00e4usch. Die letzte Spur lie\u00df sich hier bis 70-verfolgen.\nAufbau : Um 60 erscheint (bei starker Aussprache) die erste Spur eines tiefen Ger\u00e4usches. Bei 10 ganz dunkles U-\u00e4hnliches Keuchen. Bei 8 ist es etwas h\u00f6her und zugleich schnaubender geworden. Bei 7 noch kein Ch. Bei 6 dagegen Ch bereits erkennbar; bei 5 besser, bei 4 schon gut, fast besser als ohne Interferenz, da es ohne solche zwar lauter, aber etwas Sch-haltig erscheint.\nEntscheidende Region hiernach 6 \u2014 4, also Formant cf\u00ee\u2014a3.\nStichversuche: Bei 4 geringer, bei 4,5 aber 'erheblicher Unterschied gegen Null, auch Vertiefung um einen Ganzton. Bei 5 \u2014 6 st\u00e4rkster Unterschied, Vertiefung um eine Sexte (oberer Teil des Formanten). Bei 6,5 wieder weniger alteriert.\nH2).\nBeim H lassen sich Ab- und Aufbauversuche nat\u00fcrlich wieder nur mit k\u00fcrzester Leitung, und auch da nur unvollkommen anstellen. Da es in der gew\u00f6hnlichen Rede nur als Aspiration eines darauffolgenden Vokals\nx) Hier tritt wieder besonders der Unterschied gegen\u00fcber dem Abbau zutage, der nur psychologisch zu verstehen ist (s. o. S. 51).\n2) Durch objektive Methoden zeigte Issebxin (1, S. 77), da\u00df jedem Aussprechen eines (isolierten) Vokals ein kurzes Hauchen des Mundes vorausgeht, auch wenn er nicht ausdr\u00fccklich aspiriert wird. Dies ist der\nSpiritus lenis der Alten, auch wohl das hebr\u00e4ische Aleph. Was hier untersucht wird, ist der Spiritus asper.\n8*","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116\t5.. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\nvorkommt (der Buchstabe als solcher auch als Dehnungszeichen), so mu\u00df es, um m\u00f6glichst rein f\u00fcr sich untersucht zu werden, so ton- und vokallos als eben m\u00f6glich gegeben werden, als reines Hauchen; sonst wird man statt der Ver\u00e4nderungen des H durch Interferenz die des betreffenden Vokals untersuchen. Die Mundstellung etwa wie beim \u00d6, aber ohne da\u00df dieses selbst intendiert und im Laute merklich wird.\nEs l\u00e4\u00dft sich hier nur sagen, da\u00df der Laut beim Abbau mit etwa 3 dunkler und schw\u00e4cher wird, und da\u00df dies stetig weitergeht bis 18, wo nur noch ein ganz schwacher Rest vorhanden ist. Da nun die Tonh\u00f6he eines solchen H, soweit ich urteilen kann, e3 ist, so kann man vielleicht den F ormanten unter der mehrfach erw\u00e4hnten Voraussetzung auf es%\u2014des^ ansetzen. Aber zu viel Gewicht m\u00f6chte ich auf diese Bestimmung nicht legen.\nSch (mittelhell)\nwird beim Abbau schon bei 0,5 eben merklich dunkler; deutlichere Verdunkelung bei 0,8. Dann immer dunkler, tiefer und schw\u00e4cher. Bei 4 schon sehr charakterlos, bei 5 nur noch ein schwaches indifferentes Ger\u00e4usch. An diesem Punkte sind Sch, S, F, Ch pal. beim Querschnitt fast identisch, keiner von ihnen erkennbar. Geht man mit der Abtragung weiter bis 17, so bleibt nur noch ein ganz leises tiefes Hauchen oder nichts mehr.\nBeim Aufbau kann man nach dem anf\u00e4nglichen dunklen, leisen Blasen zuerst bei 5 und 4 ein dem Sch sich n\u00e4herndes Fauchen konstatieren, bei 3 schon ein stumpfes und bei 2,6 ein gutes Sch, das sich aber weiterhin immer noch etwas verbessert.\nDie entscheidende Zone liegt also etwa zwischen 5 und 2,6; woraus sich als Formant /3\u2014es\u00b1 ergibt.\nStichversuche sch\u00e4digen den Laut von 1 an immer etwas im Sinne der Verdunkelung und Schw\u00e4chung, aber ein st\u00e4rkerer Unterschied gegen die Nullstellung (mit der hier immer verglichen werden mu\u00df) tritt erst bei 5 \u25a0und 6 auf: er wird leerer, dem Ch \u00e4hnlicher. Von 9 an wird er kaum mehr beeinflu\u00dft. Maximale Sch\u00e4digung also bei 5 \u2014 6 = fa\u2014asa, an der unteren Grenze des Formanten.\nDie Nasalkonsonanten M, N, Ng.\nDiese drei Laute pflegt man jetzt \u201eResonanten\u201c zu nennen, weil der Luftstrom an die drei Verschlu\u00dfstellen gewisserma\u00dfen anpralle und zur\u00fcckgeworfen werde (H. Gutzm\u00e0nn 5, S. 177). Aber die Bezeichnung erscheint imzweckm\u00e4\u00dfig, da sie verleitet, an Resonanz im gew\u00f6hnlichen Sinne der Akustik zu denken, wovon doch hier nicht die Rede ist, da sie bei diesen Lauten nicht mehr und nicht anders als bei allen \u00fcbrigen in Betracht kommt. Fast m\u00f6chte man sagen: \u201eR\u00e9sonantes a non resonando.\u201c Nagel, der den Namen gleichfalls gebraucht, rechnet die Klasse der Resonanten zu der allgemeineren Gruppe der \u201ekontinuierlichen phonischen Laute (S. 758, 765), wobei er ganz zu \u00fcbersehen scheint, da\u00df sie auch stimmlos, fl\u00fcsternd gesprochen werden k\u00f6nnen, und da\u00df die stimmhafte Aussprache nur eben den Stimmton nebst seinen Obert\u00f6nen zum Geh\u00f6rseindruck hinzuf\u00fcgt. In diesem Stimmklang kann aber, da er immerfort wechselt, das Wesentliche und Charakteristische nicht gefunden werden.\nRichtiger ist die von Gtjtzmann auch angewandte zweite Bezeichnung: Nasallaute. In der Tat sind sie, stimmhaft gesprochen, nichts anderes als mehr oder weniger nasalisiertes U (wenigstens bis in die H\u00f6he des c2); stimmlos aber sind sie die Nasalierung selbst, das N\u00e4seln in Ger\u00e4uschform.","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"Analyse von Konsonanten durch Interferenzr\u00f6hren.\t117\nDie Untersuchung dieser Laute als reiner Fl\u00fcsterkonsonanten mit der Interferenzmethode st\u00f6\u00dft aber auf Schwierigkeiten wegen ihrer geringen St\u00e4rke. Sie sind schon in der N\u00e4he des Sprechenden f\u00fcr sich allein sehr schwach (besonders M) und nicht leicht voneinander zu unterscheiden; um so weniger am Ende einer l\u00e4ngeren R\u00f6hre. Doch h\u00f6rt man sie und kann ihr Verschwinden und Wiederentstehen verfolgen, wenn die Leitung durch Verlegung der ganzen Einrichtung einschlie\u00dflich der Schallgebung in das Beobachtungszimmer aufs \u00e4u\u00dferste Ma\u00df verk\u00fcrzt wird; und es ist, wenn man das nicht besch\u00e4ftigte Ohr zuh\u00e4lt, keine Gefahr, dabei durch das direkte H\u00f6ren gest\u00f6rt zu werden. Beobachter war hier vorzugsweise Dr. v. Allesch. Auch f\u00fcr tadellose Lautgebung mu\u00dfte gesorgt werden, da die Nasallaute, besonders N, von vielen Personen nur schlecht rein fl\u00fcsternd angegeben werden.\nAuf diese Weise war festzustellen, da\u00df von oben herab die erste Sch\u00e4digung f\u00fcr M mit 2,5 oder etwas vorher, f\u00fcr N und Ng etwas tiefer einsetzt, und da\u00df die drei Laute bei 3,5 nicht mehr sicher unterscheidbar sind. Bei 5 nur noch St\u00e4rkeunterschiede, Ng etwas st\u00e4rker als die anderen, aber alle drei nur ein schwaches charakterloses Blasen oder Hauchen. Der Rest erlischt bei 14, also in der Gegend des c2.\nBeim Aufbau differenziert sich das leise Ger\u00e4usch zuerst mit 3,6, wo man den Beginn des M ansetzen kann. Bei 2,8 sind sie ziemlich unterscheidbar, bei 2,4 oder 2 ausgebildet, werden dann wohl noch etwas deutlicher, wenigstens st\u00e4rker, aber nicht mehr wesentlich ver\u00e4ndert. M erfuhr auch bei 1,6 einmal noch eine Besserung. Die charakteristische Zone w\u00e4re hiernach gemeinsam f\u00fcr die drei Laute etwa 3,6 \u2014 2, unddieFormant-region etwa fr'\u2014/4. Aber recht scharfe Bestimmungen lassen sich auf diesem Wege hier nicht gewinnen.\nEinen Schritt weiter f\u00fchren Beobachtungen \u00fcber die geh\u00f6rten Tonh\u00f6hen. Da\u00df die 3 Laute gewisse H\u00f6hendifferenzen haben, erkennt auch der Unge\u00fcbte leicht. Bei wiederholter aufmerksamer Beobachtung in stillen Nachtstunden konnte ich folgende Tonh\u00f6hen feststellen: Gefl\u00fcstertes M = des3\u2014j3 (je nach dem dunkleren oder helleren Charakter), N = as3\u2014h31), Ng = c3\u2014des3. Es mu\u00df also f\u00fcr diese Stellen des Tongebietes auch eine Resonanz durch den betreffenden Laut ausgel\u00f6st werden. Auf die Strukturbedeutung dieser Strecken kommen wir unten zur\u00fcck.\nDer Gesamtumfang der 3 stimmlosen Nasalkonsonanten erstreckt sich etwa von c2 bis f*.\nAusgiebigere, wenn auch weniger direkte, Aufschl\u00fcsse erh\u00e4lt man, wenn man diese Laute als stimmhafte analysiert und sie mit dem gesungenen U, dem sie in dieser Form am n\u00e4chsten stehen, vergleicht. Sie sind in stimmhafter Form in der Tat nichts anderes als ein in verschiedener\nx) Diese Tonh\u00f6hen gelten f\u00fcr das zwanglos gefl\u00fcsterte N. Ich kann hier aber willk\u00fcrlich die Tonh\u00f6he innerhalb der ganzen Oktave des3\u2014des* stetig oder in der Tonleiter auf- und absteigen lassen. Es ist ein leisestes stimmloses Singen durch die oberen Nasenr\u00e4ume. Die Tonh\u00f6hen sind vollkommen klar ausgepr\u00e4gt. Dasselbe ist auch mit geschlossenem Munde, also mit M-Einstellung, m\u00f6glich. Dann kommen besonders die hohen T\u00f6ne, c4, des*, sehr deutlich heraus, die mit der Tonh\u00f6he eines gefl\u00fcsterten E zusammenfallen. Je leiser man in dieser Art fl\u00fcstert, um so besser.","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\t5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\nWeise gen\u00e4seltes U1). Auf diese Art ist daher zugleich die akustische Natur des N\u00e4selns zu studieren.\nMan wolle sich hier nicht daran sto\u00dfen, da\u00df wir die stimmhaften M, N, Ng als Vokale, die stimmlosen Laute mit gleicher Bezeichnung aber als Konsonanten in Anspruch nehmen. Wie man auch den Unterschied zwischen Konsonanten und Vokalen definieren m\u00f6ge, so l\u00e4\u00dft sich doch aus der Tatsache der gleichen Buchstabenbezeichnung nicht ohne weiteres ab-leiten,'- da\u00df das stimmlose M, N, Ng notwendig derselben Klasse von Geh\u00f6rserscheinungen zugeteilt werden m\u00fcsse wie das stimmhafte. Es kann sich auch nur um Verwandtschaft durch Analogie oder durch gleiche Teile handeln. In der Tat bezeichnen wir die stimmlosen M, N, Ng als Konsonanten nur wegen ihrer \u00fcberwiegend farblosen Natur. Durch diese unterscheiden sie sich von den stimmhaften Lauten von identischer Schreibweise. Gleich aber sind sie ihnen durch die farbigen Elemente.\nIch machte, wie bei den gew\u00f6hnlichen Vokalen, zun\u00e4chst Vorversuche nach der Resonanzmethode mit der Besonanzgabel 200 (as) und ihren Multiplis. Der Grundton ergibt f\u00fcr M und Ng kr\u00e4ftige, f\u00fcr N schw\u00e4chere Resonanz. Der 2. Teilton f\u00fcr Ng gleichfalls kr\u00e4ftige, f\u00fcr M und N schw\u00e4chere. Der 4. f\u00fcr Ng nur noch schwache, f\u00fcr die beiden anderen minimale. Der 3. und 5. aber gar keine; und so auch die h\u00f6heren Teilt\u00f6ne. Dies beweist aber nicht, da\u00df \u00fcberhaupt keine solchen Teilt\u00f6ne mehr vorhanden sind; sie k\u00f6nnten nur zu schwach sein, um noch Gabeln zu erregen. Wir werden in der Tat solche auf anderem Wege finden.\nMit U verglichen, zeigen die Nasallaute aber hier schon einen Unterschied: jenes bringt bei tiefen Grundt\u00f6nen die Gabeln auch f\u00fcr den 3. Teilton und die in der Mitte der 2-gestrichenen Oktave liegenden Teilt\u00f6ne (seinen Oberformanten) in Mitschwingung.\nAuch die Interferenzmethode l\u00e4\u00dft sich hier gut verwenden. Verf\u00e4hrt man nach den f\u00fcr die Isolierung und St\u00e4rkesch\u00e4tzung oben gegebenen Anweisungen2), so ergibt sich folgendes: Das freie gesungene U ist gegen\u00fcber den auf gleicher H\u00f6he nasaliert gesungenen U-\u00e4hnlichen Lauten an tiefen Teilt\u00f6nen reicher und f\u00fchrt au\u00dfer diesen einen in der H\u00f6he gleichbleibenden Oberformanten in der Gegend des g- mit sich3). Dagegen kommt\n1)\tNg kann man bekanntlich stimmhaft auch auf anderen Vokalen angeben, besonders gut auf O, AO, \u00d6, \u00c4 ( = franz. on, en, un, in). Wenn es aber \u201evokalfrei\u201c oder ohne n\u00e4here Angabe des Vokals gew\u00fcnscht wird, wird jedermann das U-haltige Ng angeben. M und N k\u00f6nnen in tiefer und mittlerer Lage \u00fcberhaupt nur so angegeben werden.\nIn hoher Stimmlage, von c2 an, wo U immer undeutlicher wird, bleiben diese Laute wohl noch eine Strecke weiter hinauf kenntlich, aber ihre Unterschiede voneinander und von einfachen T\u00f6nen werden doch auch immer kleiner, weil ihre charakteristische Teiltonstruktur sich verliert.\n2)\tN\u00e4heres \u00fcber deren Durchf\u00fchrung in diesem besonderen Fall in der Abhandlung 12, S. 169 ff.\n3)\tMan kann auch ein ungew\u00f6hnlich stark n\u00e4selndes M herstellen; es n\u00e4hert sich dann vokalisch mehr dem O und erh\u00e4lt eine gewisse metallische F\u00e4rbung. Der Laut erscheint im oberen Teil der Nase lokalisiert. Ng kann auf diese Art zu einem f\u00f6rmlichen Schnarren verst\u00e4rkt werden. Zweifellos werden dabei die hohen charakteristischen Obert\u00f6ne zahlreicher und st\u00e4rker.","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"Analyse von Konsonanten durch Interferenzr\u00f6hren.\t119\nbei den Nasalen eine dem reinen U fehlende (bzw. darin nur in der N\u00e4he und minimal vertretene) Schar hoher schwacher Beit\u00f6ne hinzu, die f\u00fcr Ng mit c3, f\u00fcr M und N etwas h\u00f6her beginnt und sich bis in die Mitte der 4-gestrichenen Oktave erstreckt1).\nBest\u00e4tigend m\u00f6ge erw\u00e4hnt sein, da\u00df ich auch beim Fagott, dem typisch n\u00e4selnden Instrument, den Teilton dA als haupts\u00e4chlich beteiligt feststellen konnte (15. Kap.).\nNach diesen Ermittlungen an den stimmhaften M, N, Ng k\u00f6nnen wir nun auch den an ihren stimmlosen Vettern gemachten Beobachtungen eine bestimmtere Deutung geben. Denn diese haben eben doch die Nasalierung mit jenen gemein, werden \u00fcberhaupt als die gleichen Sprachzeichen durchs Geh\u00f6r wieder erkannt, und so kann man nicht zweifeln, da\u00df es sich in beiden F\u00e4llen um eine gro\u00dfenteils analoge Struktur handelt, nur da\u00df im einen Fall eine diskrete Zahl von Teilt\u00f6nen, im anderen Fall jene stetige, wenn auch mehr oder minder dichte oder intensive Ausf\u00fcllung der Tonlinie vorliegt, wie sie f\u00fcr Ger\u00e4usche charakteristisch ist. Die durch Interferenzversuche an den stimmlosen Nasalkonsonanten gefundene Formant-strecke 63\u2014/4 stimmt in der Tat gut \u00fcberein mit dem spezifischen N\u00e4selformanten f\u00fcr das feine, d\u00fcnne N\u00e4seln, wie er durch die Teilt\u00f6ne von c4 \u00a374 bei den gesungenen Nasallauten gegeben ist. Die beobachteten Tonh\u00f6hen der stimmlosen aber (s. o. S. 117) weisen darauf hin, da\u00df der Gesamt-formant doch auch f\u00fcr sie bereits in der 3-gestrichenen Oktave beginnt, und zwar mit den bez\u00fcglichen Tonh\u00f6hen. Dies entspricht einer Regel, die sich f\u00fcr die Tonh\u00f6hen der meisten Konsonanten zu best\u00e4tigen scheint. Da\u00df bei Interferenzversuchen diese untere Formantstrecke sich nicht geltend macht, da\u00df die Laute beim Abbau schon mit 53 unkenntlich sind und beim Aufbau erst mit b3 spurweise auftreten, kann man aus ihrer Schw\u00e4che wohl verstehen.\nMan kann \u00fcbrigens das stimmlose Ng auch so angeben, da\u00df der tiefere Bestandteil deutlich gesondert und kr\u00e4ftig herauskommt. Er tr\u00e4gt den Vokalcharakter des gefl\u00fcsterten AO und hat, wie dieses, die H\u00f6he c3. Die Mund\u00f6ffnung ist auch dieselbe wie beim Aussprechen des AO. In meinen Interferenzversuchen wurde es aber nicht in dieser etwas imnat\u00fcrlichen Weise, sondern m\u00f6glichst hell, d\u00fcnn und tonfarblos, als m\u00f6glichst reiner Nasalkonsonant angegeben.\nVersuchen wir nun, aus allen diesen Einzelheiten ein zusammenfassendes Bild der drei Laute zu entwerfen. F\u00fcr die stimmlosen Laute M, N, Ng liegt der Formant in der 1. H\u00e4lfte der 4-gestrichenenOktave. Au\u00dferdem haben sie einen Unterformanten. Der des Ng beginnt mit etwa c3, der des M mit des3, der des N mit as3. Diese Unterformanten sind bei Ng\n4) Nur in diesem Umstande kann ich eine gewisse Erkl\u00e4rung daf\u00fcr finden, da\u00df W. Koehler, aber auch schon Helmholtz, vom M den Eindruck hatten, als l\u00e4ge sein Zentrum auf der Tonlinie unter dem des U. Das Fehlen des ,,Oberformanten\u201c des U (f2\u2014g2) l\u00e4\u00dft M. milder, dumpfer erscheinen. Aber wie sollte es einen unter c1 liegenden Formanten haben, wenn es auf c1 oder g1 gesungen wird? Man kann nur zugeben, da\u00df das stimmhafte M, d. h. die Stimme bei geschlossenem Munde, relativ dunkler ist als ein auf der n\u00e4mlichen Tonh\u00f6he gesungenes U; aber nicht, da\u00df es absolut dunkler oder tiefer w\u00e4re als U. Selbst in der 2-gestrichenen Oktave, wo U mit steigendem Grundton immer unvollkommener wird, kann M noch deutlich sein, reicht also sogar h\u00f6her hinauf.","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\t5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\nund M von den Formanten durch eine relativ leere Strecke getrennt, die von Ng zu M kleiner wird und bei N verschwindet (vgl. das Schema S. 107).\nBei den gesungenen Lauten M, N, Ng sind gleichfalls die 3- und die 4-gestrichene Oktave entscheidend f\u00fcr ihren Charakter. Die Obert\u00f6ne in der 4-gestrichenen, die hier bis etwa asi reichen, sind auch bei ihnen speziell f\u00fcr die feinen, d\u00fcnnen Elemente des N\u00e4selns verantwortlich. Au\u00dferdem tr\u00e4gt hier die besondere St\u00e4rke des 1. und 2. Teiltones gegen\u00fcber der Schw\u00e4che oder dem Ausfall der ihnen zun\u00e4chst folgenden zu dem Gesamtcharakter bei.\nWir verweisen hier auch auf die oben (S. 73) erw\u00e4hnten L\u00fcckenversuche mit einem auf g es und auf c gesungenen A, aus denen hervorgeht, da\u00df es f\u00fcr die nasale Wirkung g\u00fcnstig ist, wenn die Teilt\u00f6ne der 3-gestrichenen Oktave durch eine leere oder nur schwach ausgef\u00fcllte Strecke von den tieferen getrennt sind.\nNach alledem haben wir uns aber noch zu erinnern, da\u00df diese Nasallaute im gew\u00f6hnlichen Gebrauch unseres europ\u00e4ischen stimmhaften Sprechens und Singens wohl niemals als Selbstlaute, sondern nur als Einleitung oder Abschlu\u00df eines Vokals gebraucht werden, und da\u00df gerade der \u00dcbergang zwischen ihnen und dem Vokal ihnen ein besonders charakteristisches Gepr\u00e4ge gibt. Man kann bekanntlich, wenn man auf irgendeinem Wege k\u00fcnstlich einen A-\u00e4hnlichen Klang erzeugt hat, leicht ein \u201eMama\u201c daraus machen, indem man die \u00d6ffnung, aus der der Klang kommt, mit dem Finger oder dem Daumenballen abwechselnd schlie\u00dft und \u00f6ffnet. Auch bellende Hemde kann man so zum Sprechen bringen. Feinere Unterschiede zwischen M, N, Ng, auch W, sind allerdings kaum so herzustellen, und die genauere Definition des Verhaltens, das durch diese Prozedur dem Vokallaut in Hinsicht seines Ab- und Anschwellens auferlegt wird, d\u00fcrfte auf Schwierigkeiten sto\u00dfen.\nBeim Singen mit Brummstimmenbegleitung, wie es in den M\u00e4nnerch\u00f6ren der \u201eLiedertafeln\u201c zuweilen ausge\u00fcbt wird, haben wir allerdings auch ein selbst\u00e4ndiges Auftreten des gesungenen M, d. h. eines in dieser Weise schwach nasalierten U. Auch der gregorianische Choral kannte eine eigent\u00fcmliche Verzierungsform unter dem Namen der \u201eLiqueszenz\u201c, bei welcher Liquida und Nasalkonsonanten als selbst\u00e4ndige Tr\u00e4ger von T\u00f6nen gebraucht wurden. \u00c4hnliches findet sich in exotischen Ges\u00e4ngen und Sprachen1).\nL2).\nL wird jetzt zumeist als \u201eHalbvokal\u201c bezeichnet. Gutzmann geht noch weiter: \u201eUnser deutsches L geh\u00f6rt \u00fcberhaupt nicht zu den Konsonanten seinem Klange nach ... Wir h\u00f6ren bei dem L in der Tat keine Spur von irgendwelchem Reibeger\u00e4usch und keine Spur von irgendwelchem Ger\u00e4usch \u00fcberhaupt.\u201c Immerhin \u2014 es gibt doch auch ein gefl\u00fcstertes L, und dieses ist unleugbar ein Ger\u00e4usch. Aber es ist ein stark farbiges Ger\u00e4usch, und zwar von analogem Farbcharakter wie das gesungene und\n!) Vgl. R. Lach: \u00dcber die Ges\u00e4nge russischer Kriegsgefangener. Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. 1917, philos.-histor. Kl., Bd. 183, 4. Abhandl., S. 42.\n2) Hier sei noch besonders daran erinnert, da\u00df nur von der deutschen Aussprache die Rede ist. Sievers h\u00e4lt 5 verschiedene L auseinander, unter denen eines das deutsche ist. Doch d\u00fcrften die allgemeineren Thesen des Folgenden auch von den \u00fcbrigen Formen gelten; nur die akustischen Konstanten werden kleine Unterschiede zeigen.","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"Analyse von Konsonanten durch Interferenzr\u00f6hren.\t121\ngesprochene L, deren Vokalnatur ich nicht bezweifle. Subsumiert man daher stimmlose Sprachlaute (Sprachger\u00e4usche) mit stark ausgepr\u00e4gtem Farbcharakter unter die Vokale, so ist in der Tat auch das stimmlose L als Vokal zu bezeichnen.\nDa das stimmlose L nur schwach und nicht ganz unge\u00e4ndert durch die R\u00f6hrenleitung kommt, habe ich nach einigen Vorversuchen hier sogleich das stimmhafte L herangezogen, um erst von da aus auf das stimmlose zur\u00fcckzukommen. Hierbei stellte sich bald heraus, da\u00df wir in diesem interessanten Laut einen leicht n\u00e4selnden Vokal, und zwar wesentlich wieder ein n\u00e4selndes U vor uns haben. Man kann es auch st\u00e4rker n\u00e4seln machen, indem man es etwas schnarrend spricht oder singt. Schon bei dem gew\u00f6hnlichen L n\u00e4hert sich ja auch die Erzeugungsweise der des N. Durch die Anlegung der Zunge an die Z\u00e4hne wird ein Teil der Leitung in die Nase verlegt. Aber wir st\u00fctzen uns hier nicht auf genetische, sondern auf rein akustische Beobachtungen.\nSchon die direkte Beobachtung mit freiem Ohr lehrt, und zwar f\u00fcr ein ge\u00fcbtes Ohr auch bei dem gew\u00f6hnlichen, nicht forcierten L, da\u00df au\u00dfer den ersten Obert\u00f6nen, besonders der Duodezime, h\u00f6here Teilt\u00f6ne vorhanden sind. N\u00e4her konnte ich 2 \u2014 3 unterscheiden : einen in der 3-gestrichenen Oktave ziwschen e3 und h3 (je nach dem Grundton) und einen oder mehrere in der unteren H\u00e4lfte der 4-gestrichenen Oktave. Der aus der 3-gestrichenen bringt etwas \u00dc-artiges in den Laut, die h\u00f6heren bedingen seinen n\u00e4selnden Charakter.\nAuch hier glaube ich aus den Beobachtungen schlie\u00dfen zu d\u00fcrfen, da\u00df es sich nur um harmonische Teilt\u00f6ne handelt. Singe ich z. B. ein L sukzessive auf cis1, h, gis, e, c, H, so h\u00f6re ich in derselben Aufeinanderfolge gis3, h3, gis3, e3, fis3 (11. Teilton des c), fis3 (12. des H); also immer einen harmonischen Teilton, der sich aber in seiner Ordnungszahl der Bedingung f\u00fcgt, in der bestimmten absoluten Tonregion zwischen e3 und h3 zu liegen, wie es Formantenart ist. Bei dem Grundton e glaubte ich auch noch gis3 und h3 oder einen dieser beiden zu h\u00f6ren. Ferner h\u00f6rte ich bei cis1 und h die T\u00f6ne cis1 bzw. dis1. Der Beiton ging hinauf, w\u00e4hrend der Grundton abw\u00e4rts ging: wiederum zur Wahrung der absoluten Lage. Doch sind diese Beobachtungen schwierig und nicht ganz sicher. Auch bleibt zu beachten, da\u00df man bei Teilt\u00f6nen von hoher Ordnungszahl nicht so bestimmt sagen kann, ob ihre Stimmung nicht doch ein wenig von der der harmonischen Teilt\u00f6ne abweicht; ein unharmonischer w\u00fcrde sich von den umliegenden harmonischen nur \u00e4u\u00dferst wenig unterscheiden.\nGenaueres lehrt uns wieder die Interferenzmethode, die auf das gesungene L ganz so wie auf jeden Vokal angewandt werden kann. Ein auf c und c1, sowie auf der dazwischenliegenden Tonh\u00f6he von 200 Schw. gesungenes L wurde auf diesem Wege ab- und aufgebaut. Es geht beim Aufbau aus einem anf\u00e4nglichen U zun\u00e4chst in ein Ou \u00fcber, das immer markiger wird. Die entscheidendste Region liegt zwischen Einstellung 4,8 und 3,7, d. h. zwischen e3 und \u00f631). Hier beim b3 angelangt, ist es schon ein gutes L, wird aber noch immer wesentlich besser bis 2,2, d. h. bis /4. Wir m\u00fcssen daher, wie beim S, eine engere und eine weitere Formant-zone statuieren; zur letzten geh\u00f6rt noch die untere H\u00e4lfte der 4-gestr. Oktave.\n*) Betreffs der H\u00f6henbestimmungen ist immer die Bemerkung S. 113, Anm. 2 zu beachten.","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\n5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\nMan hat bei diesen Ab- und Aufbauversuchen den Eindruck, da\u00df die harmonischen Teilt\u00f6ne des gesungenen L ziemlich l\u00fcckenlos vertreten sein m\u00fcssen, weil fast jedes Hineinschieben einer R\u00f6hre einen Unterschied macht. Dies best\u00e4tigt sich durch das Folgende.\nIch versuchte, auf dem oben S. 38 ff. angegebenen Wege auch hier die einzelnen Teilt\u00f6ne nach M\u00f6glichkeit zu isolieren und ihre relative St\u00e4rke zu bestimmen. Hierbei stellte sich heraus, da\u00df die 4 tiefsten mit m\u00e4\u00dfiger St\u00e4rke vorhanden sind, der 2. st\u00e4rker als die anderen, da\u00df dann eine Ab-schw\u00e4chung eintritt, einige (der 7. und 9.) auch wohl gar nicht vorhanden sind, da\u00df aber in der 3-gestrichenen Oktave und der 1. H\u00e4lfte der 4-ge-strichenen noch immer weitere T\u00f6ne von merklicher St\u00e4rke hinzutreten. Wenn man die untere Abteilung des Lautes bis etwa zur H\u00e4lfte der 3-gestrichenen Oktave ausschlie\u00dft (au\u00dfer soweit ungerade Multipla mit ausgeschlossen w\u00fcrden), so vernimmt man ebenso wie bei den stimmhaften M, N, Ng die Gesamtheit der oberen Bestandteile, die Formantgegend, als ein Wispern, das offenbar (im Zusammenhang mit den tieferen Bestandteilen) dem Ganzen den leicht n\u00e4selnden Charakter verleiht. Und man kann in diesem Wispern auch die einzelnen Bestandteile bis zu einem gewissen Grade isolieren. . So habe ich alle T\u00f6ne von c4 bis <74 gelegentlich f\u00fcr sich h\u00f6ren k\u00f6nnen.\nDie Lage dieses nasalen Elements erweist sich hierbei als unabh\u00e4ngig von der H\u00f6he des Grundtons. Es liegt also wieder ein Nasalformant im strengen Wortsinne vor, und zwar derselbe, den wir bei den nasalen Konsonanten gefunden haben. Das gesungene L ist akustisch ein n\u00e4selnder Vokal.\nDiese Ergebnisse wurden durch Versuche mit Resonanzgabeln best\u00e4tigt. Das auf c1 gesungene L ergab f\u00fcr die aufeinanderfolgenden 6 ersten Teilt\u00f6ne folgende subjektive St\u00e4rken: 1, 2, l1/^ 1, 1/2, l1/2, dann f\u00fcr den 7. (63) bis 12. (g4) je 1/i bis 1/8. Bei dem auf demselben Grundton gesungenen U ist der 3. Teilton g2 viel st\u00e4rker, dagegen alle h\u00f6heren schwach oder = 0. Es ist also sogar auf diesem einfachen Wege die Existenz der nasalen Formantregion beim L nachweisbar. Eine Senkung der L-Kurve zwischen den unteren Teilt\u00f6nen und dieser Region l\u00e4\u00dft sich allerdings auf diesem Wege nicht feststellen; dazu ist die Reaktion der hohen Gabeln schon an sich zu schwach. Aber da\u00df Beimischungen bis zu g4 vorhanden sind und den Unterschied gegen U wesentlich mitbedingen, geht klar daraus hervor.\nNach diesen Ergebnissen versuchte ich mm doch auch das gefl\u00fcsterte L noch auf dem Interferenzwege zu analysieren. Hier ist besonders wichtig, sich vorher einer guten Aussprache zu versichern, da L zu den Lauten geh\u00f6rt, die vielfach nur schlecht gefl\u00fcstert werden (dieser etwa nach dem palatalen Ch hin), ohne da\u00df man es im Zusammenh\u00e4nge bemerkt. M\u00f6glichst kurze Leitung ist nat\u00fcrlich vonn\u00f6ten, doch kann sie durch eine Wand gef\u00fchrt sein. Der Laut wird beim Abbau durch die Einstellung 1,8 (entsprechend dem as4) zuerst leicht ged\u00e4mpft. Etwas Dunkles tritt darin auf. Bei 3,2 (entsprechend dem c4) ist dieses Dunkle herrschend geworden, das Helle ganz geschwunden und damit der L-Charakter zerst\u00f6rt. Bei 4 ist nur ein dunkles Blasen zu h\u00f6ren, das bei 8,5 schon fast unh\u00f6rbar wird. Bei 13 nur noch ein minimaler Rest f\u00fcr scharfe Ohren vorhanden.\nBeim Aufbau tritt die erste Spur des beginnenden L-Charakters mit 3,2 auf. Es erscheint da ganz pl\u00f6tzlich ein hohes Element. Bei 2,0 ein deutliches L. Diese Grenzen sind beiderseits bestimmt markiert und immer","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Analyse von Konsonanten durch Interferenzr\u00f6hren.\t123\nwieder zu beobachten. Hiernach kommt man auf den Formanten c4\u2014/4 (g4), also auf denselben N\u00e4selformanten wie bei den vorher untersuchten Nasalkonsonanten.\nNun beachte man aber auch hier die Tonh\u00f6he des Fl\u00fcster-L, die besonders deutlich ist. Sie ist as3 \u2014 b3, je nach der Helligkeit, mit der es gegeben wird. Daraus l\u00e4\u00dft sich schlie\u00dfen, da\u00df auch beim L unter dem N\u00e4selformanten ein Unterformant liegt, der dicht unter der angegebenen Tonh\u00f6he, also bei etwa g3, beginnt. Er geht nach oben hin, wie beim N, unmittelbar in den N\u00e4selformanten \u00fcber, kann daher ebensogut auch als untere Abteilung des Formanten bezeichnet werden, den man dann von g3 bis g4 zu rechnen hat. Das gesungene L ist beim Aufbau mit Interferenzr\u00f6hren sogar schon mit dieser Unterformant region, mit Erreichung des h3, gut erkennbar; hier ist die entscheidende Gegend. Aber vollkommen wird es doch auch erst durch die darauffolgenden Teilt\u00f6ne1).\nAu\u00dfer diesem Unterformanten kann man aber im gefl\u00fcsterten L ziemlich leicht noch einen zweiten, tieferen Unterformanten h\u00f6ren. Seine Tonh\u00f6he sch\u00e4tzte ich bei meinem eigenen L zun\u00e4chst auf /2\u2014as2. Zur genaueren Bestirpmung der H\u00f6he l\u00e4\u00dft sich das Interferenzverfahren heranziehen. Baut man den Laut damit auf, so erscheinen nacheinander drei verschiedene Tonh\u00f6hen (Ger\u00e4uschh\u00f6hen). Das minimale, nur eben h\u00f6rbare dunkle Unterger\u00e4usch, mit dem der Laut \u00fcberhaupt beginnt, scheint die H\u00f6he es2 zu haben. Dann taucht, wenn man mit dem Hineinschieben der R\u00f6hren bis zur Einstellung 7 gelangt ist, noch eine neue Tonh\u00f6he auf, as2, und man h\u00f6rt zun\u00e4chst eine simultane Ger\u00e4uschquarte. Diese beiden Tonh\u00f6hen scheinen mir den Beginn und Schlu\u00df des tiefen Unterformanten zu bezeichnen, der freilich seiner Schw\u00e4che wegen nur eine sekund\u00e4re Bedeutung f\u00fcr den Charakter des Gesamtlautes haben kann. Weiterhin, bei den Einstellungen 6 und 4, wird es2 schw\u00e4cher, as2 st\u00e4rker. Bei 3 aber (entsprechend der Tonh\u00f6he des4) tritt pl\u00f6tzlich das hohe Element des Lautes auf; auch schon bei 3,5 (entsprechend der Tonh\u00f6he b3) ist es eben merklich. Und zwar hat es die konstant bleibende Tonh\u00f6he b3, die den Beginn der h\u00f6heren Ger\u00e4uschabteilung bezeichnet. Einen weiteren Wechsel der Tonh\u00f6he, etwa zu Beginn des N\u00e4selformanten, habe ich nicht beobachten k\u00f6nnen.\nSo lassen sich alle Beobachtungen zu einem einheitlichen Strukturbilde usammenfassen.\nZugleich zeigt der Laut die st\u00e4rksten Analogien zu den vorher betrachteten Nasalkonsonanten. Wenn wir ihn dennoch vom rein akustischen Standpunkte als n\u00e4selnden Vokal bezeichnen, auch in gefl\u00fcstertem Zustande, so sind daf\u00fcr zwei Gr\u00fcnde ma\u00dfgebend. Erstens tritt die Fl\u00fcsterh\u00f6he a3 bis b3 so klar hervor wie bei den Fl\u00fcstervokalen und steht der Laut dem gefl\u00fcsterten \u00dc, das dieselbe H\u00f6he hat, \u00fcberhaupt sehr nahe, w\u00e4re fast als n\u00e4selndes Fl\u00fcster-\u00dc zu bezeichnen2). Zweitens hat er einen deutlichen tiefen Unterformanten, ebenso wie die hellen Vokale; und sowohl der Formant wie der tiefe Unterformant liegen auch im allgemeinen\nx) Zu dieser und der folgenden Ausf\u00fchrung vgl. das graphische Schema S. 107.\n2) Bereits Wendeleb, und Bremer haben L als Vokal in Anspruch ge-\nnommen. Auch Rousselot fand (II, S. 208), da\u00df das deutsche L dem \u00c4\nam n\u00e4chsten stehe (dessen Fl\u00fcsterh\u00f6he mit der des \u00dc fast ganz \u00fcbereinstimmt).","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\n5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\nin der n\u00e4mlichen Tongegend. Infolge dieser Eigenschaften n\u00e4hert sich tats\u00e4chlich das stimmlose L im Gesamteindruck den stimmlosen Vokalen ebenso wie das stimmhafte L den stimmhaften Vokalen, und wird daher am nat\u00fcrlichsten zu ihnen gerechnet. Aber aller Wortstreit ist vom \u00dcbel, und der Fall zeigt wieder deutlich, da\u00df die Einteilung in Vokale und Konsonanten, wenn auch begrifflich scharf, doch in Wirklichkeit nur flie\u00dfend ist. \u00dcberdies gilt das Gesagte nur eben akustisch. Funktionell, nach seiner Verwendung innerhalb des sprachlichen Zusammenhanges, wird man dem L immer die Rolle eines Konsonanten zuerkennen m\u00fcssen, wenn es als Voroder Nachlaut eines Vokals oder als Verbindungsglied zweier Vokale dient. Aber selbst funktionell \u00fcbernimmt es in slawischen Sprachen (ebenso wie R) imzweifelhaft vokalische Funktion, wenn es von echten Konsonanten umgeben ist, wie im tschechischen ,,vlk\u201c.\nBemerkenswert ist auch, da\u00df Hermanns L-Kurven niemals den Einflu\u00df eines vorhergehenden oder nachfolgenden Vokals auf weisen, wie ein solcher bei Konsonanten die Regel ist. Vgl. Gutzmann 5, S. 126.\nS (Ss).\nObgleich fast alle meine Beobachtungen durch j\u00fcngere Ohren kontrolliert wurden, trug ich doch beim S peinlichste Sorge daf\u00fcr, da\u00df 5 junge Beobachter in besonderen Versuchsreihen eine solche Kontrolle \u00fcbernahmen. Es ergab sich aber eine Differenz auch nur an der \u00e4u\u00dfersten Spitze des Lautes.\nS wird beim Abbau von 0,5 an (also mit R\u00fccksicht auf die Interferenz-breite etwa von c6 an) mit Erweiterung der Einstellungszone immer stumpfer und schw\u00e4cher. Bei 1,5 ist es schon dem Sch \u00e4hnlich, bei 2 wie ein etwas d\u00fcnnes F. Weiterhin eine Strecke lang F-artig blasend, dann leise hauchend oder keuchend. Bei 7 sehr schwach, bei 16 minimaler Hauch.\nBeim Aufbau zeigen sich schon bei 3 die ersten Anf\u00e4nge eines, wenn auch noch sehr stumpfen, S-Charakters. Der Laut ist etwas streichend und d\u00fcnner als Sch bei derselben Einstellung. Bei 2,6 und 2,2 wird schon ein schlechtes, stark lispelndes S daraus, bei 1,4 ist es gut, wird sogar mehrmals als \u201esehr gut, sehr sch\u00f6n\u201c bezeichnet, wird aber doch noch bis 0,5 oder 0,4 (f\u00fcr mich nur bis 0,6) immer besser. Fast jede Stufe dieser letzten Etappe pflegt der Beobachter mit \u201egut, fertig\u201c zu bewerten, und doch erscheint ihm dann die nachfolgende noch besser. Dies kommt wohl daher, da\u00df man das allersch\u00e4rfste Ss, das mit einem gewissen Elan herausgesto\u00dfen werden mu\u00df, im Leben relativ selten zu h\u00f6ren bekommt und so einen etwas dehnbaren Ma\u00dfstab mitbringt. Man beurteilt daher als \u201egutes, scharfes S\u201c eines, das noch recht wohl eine Versch\u00e4rfung zul\u00e4\u00dft.\nAuff\u00e4llig ist hier wieder der Unterschied des Eindruckes bei ein und derselben R\u00f6hrenstellung, je nachdem man sich im Ab- oder Aufbau befindet (S. 51). Dasselbe, was beim Abbau bereits als \u201elispelndes S\u201c erscheint, gilt beim Aufbau schon als \u201egutes S\u201c. Ich habe darum in der Formulierung der Ergebnisse hier zwar den Aufbau zugrunde gelegt, aber diesen Unterschied doch mit ber\u00fccksichtigt, namentlich in der Bestimmung der obersten Abteilungen und der oberen Formantgrenze.\nDie Hauptentwicklung liegt hiernach zwischen 3 und 1,4, woraus sich als engerer Formant des\u00b1\u2014d* ergibt. Man h\u00e4tte eine h\u00f6here Lage daf\u00fcr erwarten k\u00f6nnen, da die aus dem S gelegentlich heraush\u00f6rbaren T\u00f6ne f\u00fcr die direkte Beobachtung nach ihrer Spitzigkeit der 6-gestr. Oktave anzugeh\u00f6ren scheinen. Aber die Versuche, die bei diesem wichtigen Laut in","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Analyse von Konsonanten durch Interferenzr\u00f6hren.\t125\nbesonders gro\u00dfer Zahl und mit vielen verschiedenen Beobachtern angestellt wurden, sind immer wieder in dem genannten Sinn ausgefallen. Verbessert wird der Laut zwar immer noch bis zum Beginn der 6-gestr. Oktave. Aber die entscheidendste Gegend liegt zweifellos vor und bei c5.\nDie Angaben Dr. v. Alleschs wichen bei diesem Laut insofern etwas von denen der \u00fcbrigen Beobachter ab, als er den Beginn beim Aufbau, die \u201eerste Spur von etwas Scharfem\u201c manchmal schon bei 5, ja bei 6,5, andererseits an der oberen Grenze auch noch eine Art sprunghaften \u00dcberganges zur sch\u00e4rfsten Form bei 1,2 fand. Vielleicht h\u00e4ngt dies mit einer au\u00dfergew\u00f6hnlichen Feinh\u00f6rigkeit dieses (\u00fcbrigens unmusikalischen) Beobachters f\u00fcr Helligkeitszuw\u00fcchse zusammen. Aber selbst 1,2 entspricht mit Ber\u00fccksichtigung der Interferenzbreite erst dem d5. Hier ist das S auch f\u00fcr v. Allesch schon ausgezeichnet gut.\nNach W. Koehler ist der Ton c6 (= 8400 Schw.) das \u201ereine, optimale S\u201c (1, III, S. 26ff.). Dies k\u00f6nnte immerhin in dem Sinne richtig sein, da\u00df unter den einfachen T\u00f6nen dieser die relativ gr\u00f6\u00dfte \u00c4hnlichkeit mit S h\u00e4tte. Aber ein nat\u00fcrliches, ohne weiteres \u00fcberzeugendes S kommt doch nur durch ein Ger\u00e4usch zustande, in welchem diese Tonh\u00f6he neben vielen anderen wesentlicheren enthalten sein mag1 *). Auch lie\u00dfe sich nach dem Obigen nicht festhalten, da\u00df die weitere Umgebung des c6 nach oben und unten gleichwertig w\u00e4re: vielmehr liegen die wirkungsvollsten Bestandteile nach unten, und zwar bedeutend tiefer.\nBei Stichversuchen mit S gen\u00fcgt niemals eine einzelne Einstellung, um den Laut unkenntlich zu machen (obgleich doch immer auch die n\u00e4chste Umgebung des ausgeschlossenen Tones mit ausgeschlossen bzw\\ geschw\u00e4cht wird). Immer bleibt er ein zweifelloses S, geht nie durch Ausschaltung eines einzelnen engbegrenzten Tonbezirks etwa in ein Sch \u00fcber. Doch wird er durch Stiche von 0,6 und besonders von 1 an stumpfer und dunkler. Bei Einstellungen \u00fcber 1,8 kann man aber nicht sicher sein, ob nicht die Wirkung auf der Ausschaltung der ungeraden Multipla beruht.\nIch versuchte auch, einzelne Teile des S dadurch zu isolieren, da\u00df nach Einschaltung der R\u00f6hren f\u00fcr die gesamte irgend in Betracht kommende Region, also etwa von 0,5 bis 4 (wobei nur ein Sch geh\u00f6rt wurde) eine einzelne R\u00f6hre oder wenige nebeneinander liegende wieder hereingeschoben, also die bez\u00fcgliche kleine Ger\u00e4uschstrecke eingeschaltet wurde. Aber es gelang nur dann, eine merkliche Wirkung zu erzielen, wenn die eingeschaltete Strecke schon etwa eine halbe Oktave umfa\u00dfte, und in diesem Falle h\u00f6rte man eben ein stumpfes S, aber nicht einen oder mehrere einzelne hohe T\u00f6ne, auch wenn es sich um die charakteristische Region handelte.\nDagegen f\u00fchrte einmal der Zufall die Isolierung eines hohen Tones herbei. Ich hatte, um den Laut m\u00f6glichst kr\u00e4ftig zu bekommen, ausnahmsweise nur weite R\u00f6hren (18 mm lichte Weite) genommen. Die Einstellungen reichten von 0,5 bis 5. Also war die Tonstrecke /3 \u2014c6 ausgeschlossen. Es blieb aber ein einzelner sehr hoher Ton aus der Gegend der 6-gestr.\n1) Koehler selbst hebt S. 33 hervor, da\u00df c6 f\u00fcr sich allein als Nach-\nahmung des gesprochenen S nicht v\u00f6llig befriedige; man k\u00f6nne aber die\nvermi\u00dfte Nuance nach dem \u201eGeschlossenen, Tr\u00fcben\u201c hin dazubringen, wenn man durch 2 Galtonpfeifen zugleich 2 T\u00f6ne dieser Gegend angebe, die weit genug voneinander l\u00e4gen, um nicht mehr deutliche Schwebungen zu geben. Unter diesen Umst\u00e4nden sei f\u00fcr ihn selbst gar kein,Unterschied mehr. Hier w\u00e4ren doch -unwissentliche Versuche w\u00fcnschenswert.","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\t5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\nOktave zu h\u00f6ren, der scharf begrenzt war, wie ein Ton der Galtonpfeife, und sich auch ohne weiteres seiner H\u00f6he nach mit denen der Pfeife vergleichen lie\u00df. Die Unterschiedsempfindlichkeit ist in dieser H\u00f6he allerdings nicht gro\u00df. Aber Prof. v. Hornbostel und ich einigten uns rasch dar\u00fcber, da\u00df der Ton mit dem d6 des Galton zusammenfiel. Ein Ton dieser H\u00f6henlage also war im S zweifellos enthalten. Da die Interferenzr\u00f6hren auf die berechneten (statt auf die korrigierten) L\u00e4ngen eingestellt waren, mochte er nicht mehr in die If.-Breite des h\u00f6chsten ausgeschlossenen Tones fallen und war zuf\u00e4llig auch durch Multiplawirkung tieferer Einstellungen nicht mit ausgel\u00f6scht. Dieser Ton k\u00f6nnte nun wohl besonders stark in dem Gemisch vertreten sein und ihm die letzte Sch\u00e4rfe geben. Aber ich w\u00fcrde nicht einr\u00e4umen, da\u00df der zischende Charakter, der doch vor allem f\u00fcr das S wesentlich ist, auf dem Vorhandensein eines einzelnen Tones dieser H\u00f6he beruhte.\nDiese gegen die 6-gestr. Oktave hin oder schon innerhalb ihrer liegenden Schwingungen werden es auch sein, die eine hohe, d\u00fcnne Gasflamme beim S zusammenzucken lassen, w\u00e4hrend sie beim Ch pal. bedeutend weniger, beim Sch fast gar nicht mehr zuckt1 *).\nIn einer unter R. Wachsmtjths Leitung durchgef\u00fchrten Untersuchung wurde zu speziellen physikalischen Zwecken der Ton 4000 = c5 des Galtonpfeifchens au\u00dferordentlich intensiv angegeben. Daraufhin trat f\u00fcr eine halbe Stunde S-Taubheit ein. Koehler erkl\u00e4rt dies (1, III, S. 34) als Erm\u00fcdungswirkung durch den 2. Teilton c6. Aber vor allem m\u00fc\u00dfte doch Erm\u00fcdung f\u00fcr den Grundton eintreten. Diese h\u00e4tte sich nach Koehlers Vokallehre als I-Taubheit geltend machen m\u00fcssen, wovon aber nichts erw\u00e4hnt wird. Ist dagegen der Formant des S der oben angegebene (des4\u2014c5), so haben wir hier eine Stichprobe im w\u00f6rtlichsten Sinne: der sch\u00e4rfste Teil des Formanten ist herausgestochen. Nat\u00fcrlich wird sich die Sch\u00e4digung nicht haarscharf nur auf c5, sondern auch auf seine n\u00e4chste Umgebung erstrecken. Wenn sie au\u00dferdem, wie Koehler vermutet, auch f\u00fcr den 2. Teilton c6 eintritt, so wird dies die S-zerst\u00f6rende Wirkung noch beg\u00fcnstigen; aber sie nur auf diesem Wege zu erkl\u00e4ren, d\u00fcrfte schwerfallen.\nDas S weist auch noch eine tiefere Beimischung von ausgepr\u00e4gtem H\u00f6hencharakter auf, die nur wrenig variiert : as3 \u2014 b3 (man kann sie innerhalb dieser engen Grenzen leicht willk\u00fcrlich verschieben). Sie d\u00fcrfte der Resonanzh\u00f6he des durch die Lippen vor den Z\u00e4hnen gebildeten Hohlraumes entsprechen. Diese Komponente geh\u00f6rt integrierend mit zu dem Gesamteindruck des S, wenigstens wie es aus der N\u00e4he vernommen wird, liegt aber isoliert unter seinem Formanten. Man kann sie als einen Unterformanten bezeichnen.\nDer Gesamtumfang des S ist etwa a1\u2014d6. Innerhalb dieses Tonbezirkes liegt nach unseren Versuchen zuunterst eine Region mit den allen Konsonanten gemeinsamen schw\u00e4chsten dunklen Ger\u00e4usch-Elementen, dann eine, die dem S mit den \u00fcbrigen Zischlauten gemeinsam ist und den eben erw\u00e4hnten Unterformanten enth\u00e4lt, dann folgt sein Formant des4 \u2014c5 als die Strecke, die dem Laut sein unterscheidendes Gepr\u00e4ge gibt. Dar\u00fcber aber noch in der 5- bis 6-gestr. Oktave versch\u00e4rfende Bestandteile (vielleicht nur eine beschr\u00e4nkte Anzahl diskreter T\u00f6ne), die zur Formantregion im weiteren Sinne zu rechnen sind.\ni) Lindner, R. : Zeitschr. Vox 1914, S. 90. Auf dem Hamburger Pho-\nnetikerkongre\u00df 1914 konnte ich mich von diesem sch\u00f6nen Effekt \u00fcberzeugen.","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Analyse von Konsonanten durch Interferenzr\u00f6hren.\t127\nF.\nDer Laut zeigt im Abbau bei 0,5 merkliche Verdunkelung und Schw\u00e4chung, bei 1,5 schon Ann\u00e4herung an W. Er ist aber insofern reiner geworden, als der im F enthaltene S-Bestandteil verschwunden ist (so alle Beobachter). Bei 2 leiser und dunkler. An dieser Grenze sind F, S und palatales Ch nicht mehr sicher voneinander zu unterscheiden. Bei 3 wie ein dumpfes W, doch allenfalls mit gutem Willen noch als F zu bezeichnen. Bei 4 U-artig, ganz dunkel, kein F mehr. Bei 5 dunkles, keuchendes H. Von 6 an immer leiser, dunkler, tiefer, bei 9 ganz dumpfer Hauch, bei 11 nichts mehr.\nAufbau: Bei 14 dunkles Blasen, bei 5 etwas fauchend, bei 3,5 oder 3 erste Anf\u00e4nge des F, wie mit weiter Lippen\u00f6ffnung. Bei 2,6 leidliches F. Mit 1,6 kommt das Sto\u00dfende hinein. Bei 1,4 oder 1,2 gutes, nicht mehr zu dunkles F, bei 0,8 nur wenig oder nicht mehr anders.\nHiernach ist als wichtigstes Stadium etwa 3\u20141,2 anzusehen, also der Formant etwa des\u00b1\u2014des\u00bb, fast derselbe wie f\u00fcr S.\nStichversuche ergeben gr\u00f6\u00dfere Unterschiede gegen\u00fcber der Nullstellung bei 1,5 und 2. Es ist da zwar noch F, nicht W, hat aber etwas Dunkleres. Tiefer hinunter lassen Stichversuche, wie beim S, keine reine Deutung mehr zu.\nDas Vorstehende habe ich mehrere Jahre nach den Hauptversuchen noch einmal mit Dr. v. Aleesch nachgepr\u00fcft, da mir die Gleichheit der Formanten f\u00fcr so verschiedene Konsonanten wie S und F allzu paradox erschien. Wir machten mit k\u00fcrzester Leitung Ab- und Aufbauversuche, bei denen best\u00e4ndig S und F verglichen wurden. Dieses sehr instruktive Verfahren (in Lautgebung und Beobachtung wechselten wir ab) lieferte gleichwohl wieder fast genau die fr\u00fcheren Ergebnisse. Beim Aufbau begannen mit Einstellung 3 die vorher nur der St\u00e4rke nach verschiedenen Laute (F st\u00e4rker) sich zu differenzieren. Bei 2,6 wurden die ersten Anf\u00e4nge beider Laute merklich, bei 2,2 waren beide erkennbar, bei 1,4 beide gut. Aber sie verbesserten sich noch weiterhin, besonders das S. Bemerkenswert fand v. Allesch auch diesmal das Auftreten eines zischenden, S-artigen Elements im F, wenn es in die gemeinsame Formantgegend eintrat.\nF hat ebenso wie S eine Komponente mit ausgepr\u00e4gtem H\u00f6hen-Charakter in der 3-gestr. Oktave, etwa eine Terz unter der des S: f3\u2014g3. Die beim S dar\u00fcber gemachten Bemerkungen gelten auch hier.\nCh palatale (vorderes, wie in Ich, Chi).\nAbbau: Bei 0,5 und 1 geringe Sch\u00e4digung, schw\u00e4cher, aber ohne Charakterver\u00e4nderung. Bei 1,5 sehr deutliche Abstumpfung, aber noch Ch. 1,8 schon bedenklich, 2 bereits mehr F-\u00e4hnlich. F selbst ist hier erheblich dunkler, voller, Sch noch voller als Ch. Bei 2,5 wie dunkleres F. Bei 3 ebenso, schon gegen W hin.\nAufbau: Der Laut wird nach dem langen Indifferenzstadium bei 3 zun\u00e4chst F-artig, dann etwas sch\u00e4rfer, setzt mit seinem eigent\u00fcmlichen schiebenden, gleitenden Charakter bei 2,6 ein und ist schon bei 2 recht gut, bei 1,5 noch besser, bei 1,2 fertig.\nHieraus folgt als entscheidende Einstellungszone 2,6\u20141,2, als Formant daher es4\u2014des5-\nStichversuche: 0,5 kein deutlicher Unterschied. 0,8 und 1 vielleicht etwas stumpfer. 1,5 und 2 deutlich dunkler, fast \u201eF mit I-Bestandteil\u201c. 2,5 und 3 mehr wie stumpfes S, das Schiebende verschwunden. 3,5 wieder","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\n5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\nbesser, nur wenig -von der Nullstellung verschieden. Gr\u00f6\u00dfte Sch\u00e4digung also zwischen 1,5 und 3, des5 und /4 (e4), den Grenzen der Formantzone, und besonders bei 2,5 bis 3, d. h. zwischen gi und /4 (e4), am unteren Teile der Formantzone, der demnach (wie bei Sch) haupts\u00e4chlich entscheidend sein d\u00fcrfte.\nSo l\u00e4\u00dft sich durch Interferenzversuche in Verbindung mit sonstigen Beobachtungen die Struktur der wichtigsten der gew\u00f6hnlich als Konsonanten bezeichneten Laute einigerma\u00dfen aufkl\u00e4ren. Wie aber bei den Fl\u00fcstervokalen, so sei auch hier betont, da\u00df man nicht glauben darf, mit diesen Umrissen die ganze Struktur eines solchen Lautes zu durchschauen. Vor allem m\u00fcssen mit den Formanten die \u00fcbrigen Teile Zusammenwirken. Aber es m\u00fcssen auch innerhalb der Formanten noch feinere und gleichwohl den Charakter wesentlich mitbestimmende Unterschiede vorhanden sein. Dies ergibt sich schon daraus, da\u00df f\u00fcr manche Konsonanten, z. B. S und F, aber auch vorderes Ch, die Formant-gegenden fast ganz zusammenfallen. Selbst die der Vokale \u00fcberdecken sich vielfach mit denen der Konsonanten, z. B. schlie\u00dft die des I die des vorderen Ch in sich ein. Dem entspricht auch eine gewisse Verwandtschaft der Laute f\u00fcr den unmittelbaren Eindruck. Hermann sagt sogar: ,,Der Konsonant Chi scheint mir v\u00f6llig identisch mit dem gefl\u00fcsterten Vokal I\u201c (Bd. 83, S. 25). Das geht freilich zu weit; aber eine starke Verwandtschaft ist unleugbar. Und was S, F und vorderes Ch betrifft, so ist im F und Ch zweifellos etwas S-\u00e4hnliches enthalten. Aber es m\u00fcssen doch eben feinere Unterschiede bestehen.\nAuch gelegentliche Aussagen meiner Beobachter, da\u00df sie bei gleichm\u00e4\u00dfig fortschreitendem Ab- oder Aufbau, manchmal auch noch innerhalb des Formanten, sprunghafte \u00c4nderungen beobachteten (z. B. v. Aixescji beim S), deuten auf solche feinere Strukturunterschiede. Ferner kann ein ge\u00fcbtes Ohr manchmal in einem Konsonanten, wieder selbst innerhalb seiner Formantzone, ein tieferes und ein h\u00f6heres Element auseinanderhalten, \u00e4hnlich wie man Tongemische durch das blo\u00dfe Ohr analysieren lernt. Nicht selten \u00e4u\u00dferten sich meine Mitbeobachter unaufgefordert in dieser Richtung, so z. B. der akustisch sehr ge\u00fcbte Herr Kreichgatter beim S und Sch. Mir selbst schien beispielsweise bei Stichversuchen am vorderen Ch durch die Einstellung 1,5 ein 8-artiges, durch 2,5 ein Sch-artiges Element gesch\u00e4digt zu werden. Man kann ja auch in sonstigen Ger\u00e4uschen oft mehrere Elemente sondern. Ich vermochte nach geh\u00f6riger \u00dcbung bei gewissen k\u00fcnstlichen Ger\u00e4uschen (s. Anhang I dieses,Kap.) selbst die Tonlage der Bestandteile ann\u00e4hernd nach dem blo\u00dfen Geh\u00f6rseindruck zu bestimmen.\nSchlie\u00dflich darf nicht \u00fcbersehen werden, da\u00df die Unterschiede der Konsonanten \u00fcberhaupt nickt blo\u00df auf ihren im engeren Wortsinn akustischen Bestandteilen beruhen. Die Unterschiede des Einsatzes, des Verlaufes, der Dauer, der St\u00e4rke sind ja bekannt und","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"Ergebnisse graphischer Methoden bei Konsonanten.\n129\nvon jeher in erster Linie zn Klassifikationen ben\u00fctzt worden. Immerhin bleibt die Bestimmung ihrer Lage, Ausdehnung und Verteilung auf der Tonlinie ein theoretisch wie praktisch besonders interessantes Problem.\nIV. Ergebnisse graphischer Methoden bei Konsonanten.\nBei der gro\u00dfen Bedeutung graphischer Methoden wird es nicht \u00fcberfl\u00fcssig sein, da\u00df wir uns mit ihren Ergebnissen in bezug auf die besonders schwierige Konsonantenlehre auseinandersetzen (\u00fcber die bei Vokalen, auch Fl\u00fcstervokalen s. 8. Kap.). Dabei mu\u00df vor allem in acht behalten werden, da\u00df auf diesem Wege zumeist stimmhafte Konsonanten gepr\u00fcft wurden, da\u00df also der gesamte Stimmklang einschlie\u00dflich seiner Obert\u00f6ne mit in den Kurven enthalten sein mu\u00df. Die Bestimmung der als Formanten auf-gefa\u00dften T\u00f6ne geschah teils durch die Fourier-Analyse, teils und meistens durch blo\u00dfe Ausz\u00e4hlung der der Grundperiode \u00fcbergelagerten kleinen Zacken. Aus diesen kann man aber nur entnehmen, da\u00df die T\u00f6ne im Gesamtklang vorhanden sind und irgendeine Rolle spielen, aber nicht, welche. Die Ergebnisse bed\u00fcrfen daher sorgf\u00e4ltiger Diskussion. Ja sie erscheinen zun\u00e4chst nicht einmal ohne weiteres unter sich vereinbar.\nWir geben zuerst eine Zusammenstellung der \u201eKonsonantformanten\u201c Hermanns (Bd. 58 u. 83). Sie liegen zumeist in der 3-gestrichenen Oktave, nur f\u00fcr Ch pal. und W in der 1. H\u00e4lfte der 4-gestrichenen. Als Formanten k\u00f6nnen wir sie freilich nicht anerkennen, schon darum nicht, weil die f\u00fcr den Lautcharakter entscheidendsten Strecken bei Konsonanten noch weniger als bei Vokalen auf eine einzige Tonh\u00f6he beschr\u00e4nkt sind. Sie entsprechen, wie wir im n\u00e4chsten Kapitel h\u00f6ren werden, zu nicht geringem Teile den Tonh\u00f6hen, die man durch das blo\u00dfe Ohr in den Konsonantenger\u00e4uschen wahrnehmen kann, und tragen als regelm\u00e4\u00dfig vorhandene Bestandteile zum Charakter bei, sind aber nicht die entscheidenden Teile. Hermann gibt sie \u00fcbrigens auch nur mit starker Zur\u00fcckhaltung: \u201eAlle diese Bestimmungen selbstverst\u00e4ndlich sehr ungenau.\u201c In einigen F\u00e4llen hat er mit M. Gildemeister auch versucht, einen Konsonanten k\u00fcnstlich nachzubilden und die H\u00f6he an dem k\u00fcnstlichen Laut zu ermitteln.\nF\u00fcr Sch und S hat dann O. Weiss mit seinem \u201ePhonoskop\u201c (Seifenblasen-, sp\u00e4ter Goldblattmembran) Kurven aufgenommen. Er fand durch Zackenausz\u00e4hlung bei Sch Schwingungen zwischen 300 (es1) und 4500 (des5), bei dem scharfen S zwischen 150 (es) und mehr als 6000 (ges5). Die rascheren Frequenzen waren den\nStumpf, Sprachlaute.\n9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\t5- Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\nlangsameren aufgesetzt. Der Gesamtumfang ist hiernach in beiden F\u00e4llen von \u00e4hnlicher Ausdehnung wie nach der If.-Methode, beim Sch etwa 4, beim S \u00fcber 5 Oktaven; und die von uns als Formanten angegebenen Strecken liegen in beiden F\u00e4llen in der oberen H\u00e4lfte dieses Umfanges. Jedenfalls also besteht kein Widerspruch.\nKonsonanten x stimmlos.\t\u201eFormanten\u201c nach Hermann.\nB\t\u00e4hnlich D\nx Ch gutt.\tb2\u2014des3, vielfach auch e3\u2014/3 beigemischt\nx Ch pal.\twenig befriedigend; tiefe und hohe T\u00f6ne, darunter d4, /4. K\u00fcnstliches Ch = /4 \u2014 qx\nD\th3 \u2014 c4\nX F\tP-g\\ a3 \u2014c4\nG\tg3-a3\nK\tP-fis*\nL\t\\ P-g\\\nM N Ng\th^ \u2014 cis*; kein sicherer Unterschied der 3 Laute\nP\ta \u2014 ais, einige Male dx \u2014 e1\nR ling.\th\u20192, sowie obere H\u00e4lfte der 3-gestr. und Anfang der 4-gestr. Oktave\nx S\tgis3\u2014h3, zuweilen auch etwa gx. K\u00fcnstliches S etwa g is3\nx Sch\tais3\u2014h*; meist um h3. K\u00fcnstliches Sch 63 \u2014 c4\nT\tfis3\u2014g3\nW\tcx \u2014 dx, auch fis3\u2014ais3\nS. Garten (1) erhielt mit einer verbesserten Form des Phono-skops f\u00fcr Sch durchschnittlich 3243, f\u00fcr S gleichfalls \u00fcber 6000 Schw.\nF. Trendelenburg fand in Kurven, die mit dem \u201eKondensatormikrophon\u201c erzeugt wurden, f\u00fcr scharfes Sch als mittlere Frequenz 3500 (a4), f\u00fcr sehr scharfes Sch 4500 (des5), f\u00fcr S die n\u00e4mliche, f\u00fcr Ch 4000 (c5). Die Werte f\u00fcr Sch liegen bedeutend \u00fcber den unserigen; aber unser Sch war ein mittleres, w\u00e4hrend jenes offenbar heller, mehr dem S angen\u00e4hert war. Die Werte f\u00fcr Ch und S liegen an der oberen Grenze unserer Formanten. Vielleicht h\u00e4ngt dies mit der Ablesung und Z\u00e4hlung bei den abklingenden Wellenz\u00fcgen dieser Ger\u00e4usche zusammen, wobei die h\u00f6chsten Schwingungen am meisten hervortreten m\u00f6gen.\nF\u00fcr stimmhaftes R ling, fand Trendelenburg als \u201eTonh\u00f6hen der Feinstruktur\u201c T\u00f6ne zwischen 2700 und 4000 Schw. (/4\u2014c5). Diese sind wieder ganz erheblich h\u00f6her als die unserigen ; sie w\u00fcrden den If.-Einstellungen 2,9\u20141,8 entsprechen. Aber bei diesen Einstellungen findet sich immer nur eine eben merkliche Schw\u00e4chung, keine irgend wesentliche Ver\u00e4nderung oder gar Zerst\u00f6rung. Ich vermute daher, da\u00df hierbei nur hohe Teilt\u00f6ne des Stimm -klanges, nicht des Konsonanten als solchen festgestellt sind. In der als Beispiel mitgeteilten Gesamtreihe der Teiltonamplituden","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Ergebnisse graphischer Methoden bei Konsonanten.\n131\nf\u00fcr den Grundton 454 (sie wurde nach Fourier berechnet) kommt jedoch die weitaus gr\u00f6\u00dfte Amplitude auf den Teilton 1816 = ais3, erst die n\u00e4chstgr\u00f6\u00dfte f\u00e4llt auf 3178 = gis* (II S. 12). ais3 w\u00e4re unsere obere Formantgrenze.\nDie stimmhaften Nasalkonsonanten wurden zuerst von Katzenstein (2), dann von Gutzmann (1) graphisch auf genommen. Katzenstein lie\u00df A, E, I, O, U frei und nasaliert auf g singen und analysierte die Kurven bis zum 9. Teilton \u2014 a3. Dies ist aber erst der Anfang des Nasalformanten. Gutzmann, dessen eingehende Untersuchung auch \u00fcber die Geschichte und den damaligen Stand der Anschauungen gut orientiert, hat in F\u00e4llen von Rhinolalie Kurven eines nasalierten \u00dc sowie der stimmhaften M, N, Ng auf*, genommen und durch Fourier-Analyse deren Teilt\u00f6ne (in einigen F\u00e4llen bis zum 19.) ihrer St\u00e4rke nach bestimmt. Er hebt bei dem auf c gesungenen \u00dc hervor (S. 55), da\u00df die tiefen Teilt\u00f6ne un-gemein verst\u00e4rkt seien. Indessen ist der 2. vielmehr sehr geschw\u00e4cht, und dies ist nicht ohne Bedeutung f\u00fcr den Nasalcharakter (s. o.). Nicht minder auffallend erscheint aber in der Tabelle, da\u00df, w\u00e4hrend die sp\u00e4teren Teilt\u00f6ne zun\u00e4chst geschw\u00e4cht werden, unter den 4 letzten, die der 4-gestrichenen Oktave angeh\u00f6ren, 3 wieder st\u00e4rker sind als bei dem nichtnasalierten \u00dc. Gerade mit c4 kehrt sich das Verh\u00e4ltnis pl\u00f6tzlich um. Dies ist bezeichnend f\u00fcr die h\u00f6here N\u00e4selregion. In beiden Beziehungen also eine sch\u00f6ne \u00dcbereinstimmung mit unseren Befunden1).\nAus weiteren Versuchen mit nasalierten U, O, A, E, I schlie\u00dft Gutzmann, da\u00df bei Nasalierung hohe Teilt\u00f6ne zwischen e3 und h3 hinzutreten, die er als Eigent\u00f6ne des suprapalatalen Resonanzraumes betrachtet. Beim E und I fielen daf\u00fcr die ihnen sonst eigent\u00fcmlichen Formanten aus dieser Gegend hinweg, so da\u00df ihre Kurven sich viel mehr vereinfachten. Bei M, N, Ng zeige die Kurvenanalyse bedeutende St\u00e4rke des Grundtones, derart, da\u00df das Klangbild sich mehr oder weniger dem einer Sinuskurve n\u00e4here. Ein charakteristischer Formant sei dabei niemals auf getreten, da eben der Grundton st\u00e4rkster Teilton sei. Diese Definition des Formanten w\u00fcrde ich nun allerdings nicht unterschreiben, sondern als Formant nur die f\u00fcr den unterscheidenden Charakter eines Lautes haupts\u00e4chlich ma\u00dfgebende Zone relativer Verst\u00e4rkung (gegen\u00fcber der Umgebung) bezeichnen. In dieser Beziehung aber stimmt die Verst\u00e4rkung in der 3-gestr. Oktave gut mit unseren Ergebnissen betreffs des unteren Teiles der Formantgegend \u00fcberein.\nx) Interessant ist in diesen Tabellen auch die bedeutende Verst\u00e4rkung des Teiltones b3 gegen\u00fcber seiner Umgebung, sowohl beim nasalierten als beim nichtnasalierten U. Dieser Ton ist in der Tat das Formantzentrum des U.\nDie Analyse der Kurven, die die Nasales bei Verstopfung der Nase ergaben (Gutzmann S. 6Iff.), l\u00e4\u00dft eine Verst\u00e4rkung in der 4-gestr. Oktave im allgemeinen nicht (nur in einzelnen F\u00e4llen) erkennen. Aber hier sind die Obert\u00f6ne \u00fcberhaupt viel schw\u00e4cher.\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\t5..Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\nDa\u00df auch bereits Gr\u00fctzner solche Verst\u00e4rkung hoher Beit\u00f6ne als Folge der Nasenresonanz vermutete, ist von Gtjtzmann hervorgehoben. Auch Helmholtz sprach von einer \u201egr\u00f6\u00dferen Zahl von Teilt\u00f6nen\u201c bei n\u00e4selnden Instrumentalkl\u00e4ngen. Da\u00df dabei die ungeradzahligen eine ausschlaggebende Rolle spielten, kann ich allerdings dem gro\u00dfen Forscher mit Gtjtzmann nicht einr\u00e4umen.\nNeuerdings haben F. Trendelenburg und in Amerika J. B. Crandall L, M, N, Ng mit den Hilfsmitteln der Radiophonie untersucht. Trendelenburgs Befunde stimmen, wie er selbst bemerkt, mit unserem Formantschema recht gut \u00fcberein. Doch gehen M und N in seinen Kurven noch h\u00f6her hinauf, bis etwa 4000 (c5), was nach den If.-Versuchen nur f\u00fcrM, und auch da nicht f\u00fcr den Formanten, sondern nur f\u00fcr den Gesamtumfang zutrifft. Crandall erzielte \u00e4hnliche Ergebnisse. Er findet auch eine bemerkenswerte \u00c4hnlichkeit zwischen L und I und bei allen 4 Lauten eine doppelte Resonanzregion, wodurch sie unter sich und mit den Vokalen vergleichbar (\u201eHalbvokale\u201c) werden. Zuletzt untersuchte Crandall (3) noch 16 Konsonanten, teils.stimmhaft, teils stimmlos, aber immer mit nachfolgendem A verkn\u00fcpft. Unter den Ergebnissen scheint am bemerkenswertesten, da\u00df die Schwingungszahlen beim S bis 7800 (hb) hinaufreichen. Dies ist auch fast genau die Grenze seines Gesamtumfanges nach den Interferenzversuchen; die Formantgrenze freilich liegt eine Oktave tiefer; die dar\u00fcberliegenden Frequenzen tragen nichts Wesentliches mehr zu dem Lautcharakter bei.\nV. tibersicht der Ver\u00e4nderungen stimmloser Sprachlante beim Abbau durch Interferenzr\u00f6hren.\nWir k\u00f6nnen nunmehr als Seitenst\u00fcck zu der Tabelle S. 94 auch die wesentlichsten Ver\u00e4nderungen der stimmlosen Sprache beim Abbau durch If.-R\u00f6hren in einer Tabelle zusammenstellen. Doch ber\u00fccksichtigen wir hier nur die einzelnen Laute, nicht das zusammenh\u00e4ngende Sprechen. Das Verhalten der einzelnen Laute hat besonderes Interesse, weil bei ohren\u00e4rztlichen Geh\u00f6rpr\u00fcfungen mit gefl\u00fcsterten Zahlw\u00f6rtern die darin vorkommenden Vokale und Konsonanten den Unterschied bedingen. Aus dem Zusammenhang als solchem darf dabei nichts erraten werden. \u00dcber den Einflu\u00df des Zusammenhanges w\u00e4ren die S. 94 ff. gemachten Bemerkungen auch nur zu wiederholen.\nDie folgende Tabelle ist mit Querschnittbeobachtungen noch besonders durchgepr\u00fcft. Es sind nur die gr\u00f6\u00dferen Ver\u00e4nderungen aufgenommen. Bei ohren\u00e4rztlichen Pr\u00fcfungen macht es nat\u00fcrlich auch einen Unterschied, wie genau der Patient das Geh\u00f6rte auf-","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Ver\u00e4nderungen der stimmlosen Spraclilaute beim Abbau durch Interferenzr\u00f6hren.\nVer\u00e4nderungen stimmloser Sprachlaute beim Abbau.\t133\nC3 d\n\u2022o m\nb\u00df 0)\n:Q d\nCO CO","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\t5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\nzufassen und wiederzugeben imstande ist. Aber gr\u00f6bere Ver\u00e4nderungen werden sich unabh\u00e4ngig davon geltend machen.\nBei der jeweiligen oberen H\u00f6rgrenze ist ber\u00fccksichtigt, da\u00df die Vernichtung sehr leiser T\u00f6ne um den Betrag der If.-Breite tiefer hinabreicht, als es der Einstellung entspricht, was auch f\u00fcr die Fl\u00fcsterger\u00e4usche anzunehmen ist. Es sind daher in der 2. Abteilung der 2. Kolumne diejenigen Tonh\u00f6hen beigeschrieben, die sich aus den S. 43 aufgestellten Regeln f\u00fcr die If.-Breite ergeben; in der 1. Abteilung aber stehen die den If.-Einstellungen direkt entsprechenden, unreduzierten H\u00f6hen; diese geben die oberen H\u00f6rgrenzen an, wie sie vom Ohrenarzt mit den gebr\u00e4uchlichen Instrumenten (der Galtonpfeife, dem Struyckenschen Monochord) ermittelt werden. Die den Noten entsprechenden Schwingungszahlen sind aus der Tabelle S. 47 abzulesen. Im 9. Kap. werden wir die ohren\u00e4rztlichen und sonstigen Erfahrungen zum Vergleiche heranziehen.\nF\u00fcr die in einer Horizontalzeile nicht angef\u00fchrten Laute gilt das in der vorhergehenden Horizontalzeile Gesagte; es sind \u00fcberall nur die neu hinzukommenden Ver\u00e4nderungen aufgef\u00fchrt. Chp \u2014 Ch palatale, Chg = Ch gutturale.\nVerglichen mit der Tabelle f\u00fcr die stimmhafte Sprache zeigt diese dieselben Ver\u00e4nderungen und im allgemeinen auch an denselben Stellen. Doch reagieren die gefl\u00fcsterten Laute begreiflicherweise noch etwas empfindlicher auf den Abbau. Vielleicht w\u00fcrde es sich lohnen, gemeinschaftliche Querschnitte f\u00fcr beide Gruppen mit genau identischen Einstellungen auszuf\u00fchren. Ein wesentlicher Unterschied ist nat\u00fcrlich der, da\u00df bei den stimmhaften Sprachlauten nach dem Schwinden aller Unterschiede immer noch der gemeinschaftliche Rest des gesungenen oder gesprochenen Klanges in Gestalt des Grundtons und bei tieferen Grundt\u00f6nen auch eines oder mehrerer Obert\u00f6ne \u00fcbrigbleibt. Dieser Rest tr\u00e4gt in der Hauptsache U-Charakter und verschwindet erst bei entsprechend tieferen Einstellungen.\nAnhang.\nI. Zur Analyse sonstiger Ger\u00e4usche.\nEs scheint, da\u00df, prinzipiell gesprochen, geradezu alle Arten von Ger\u00e4uschen durch Interferenz ausgel\u00f6scht werden k\u00f6nnen. Wegen der theoretischen Bedeutung dieser Frage berichten wir im folgenden noch \u00fcber dahin zielende Versuche.\n1. Um eine Vermutung Koehlers nachzupr\u00fcfen, wonach das Ger\u00e4usch eines Galtonpfeifchens die jetzt allgemein angenommene obere H\u00f6r-grenze von ca. 22000 Schw. weit \u00fcberschritte, wurde ein solches Ger\u00e4usch seiner Angabe gem\u00e4\u00df mit Einstellung des Pfeifchens auf Teilstrich 3,5 und","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Analyse sonstiger Ger\u00e4usche.\n135\nMaulweite 2 durch komprimierte Luft aus einer Bombe konstant angeblasen. Dabei war kein Ton mehr, sondern nur ein Ger\u00e4usch zu h\u00f6ren. Wurden dessen tiefere Bestandteile durch If.-Einstellungen ausgeschieden, so blieb ein sehr feiner Bestandteil \u00fcbrig, der durch den Mitausschlu\u00df der ungeraden Multipla nicht betroffen war. Dieser Bestandteil verschwand jedoch gleichfalls, sobald weitere R\u00f6hren auf 0,3 \u20140,5 cm eingestellt wurden. Fing man mit den Einstellungen von 0 an und ging in Millimeterabst\u00e4nden vor, so wurde von den Besitzern der sch\u00e4rfsten und j\u00fcngsten Ohren, Dr. v. Alle sch und Dr. Baley, bei h\u00f6chster Anspannung der Aufmerksamkeit die erste Sch\u00e4digung des Ger\u00e4usches bei 0,3 beobachtet; d. h. das Ger\u00e4usch reichte h\u00f6chstens bis etwa c7 = 16500, mit Ber\u00fccksichtigung der If.-Breite aber sogar nur bis etwa g6 = 12400 Schw.\nAuch mit anderen Pfeifchenstellungen und Maulweiten sowie mit einem anderen Atmosph\u00e4rendruck wurde das Ger\u00e4usch untersucht, aber niemals eine h\u00f6here Grenze gefunden.\n2.\tBereits Hermann und Gildemeister versuchten ein k\u00fcnstliches S herzustellen, um es bequemer als das gesprochene untersuchen zu k\u00f6nnen. Ich habe gleichfalls ein m\u00f6glichst S-artiges, hohes und feines, konstantes Ger\u00e4usch erzielt, indem ich den Luftstrom des elektrischen Ventilators, der zum Anblasen von Pfeifen gebraucht wird, durch eine D\u00fcse mit horizontal stehendem Spalt leitete, hinter welcher zwei kleine Kartons senkrecht \u00fcbereinander so befestigt waren, da\u00df sie nur einen feinen Schlitz zwischen sich lie\u00dfen. Dieses Ger\u00e4usch wurde direkt durch einen Schlauch (nicht erst durch einen Trichter, der es vertieft h\u00e4tte) aufgefangen und ins Beobachtungszimmer geleitet. Dann wurden durch If.-Einstellungen von 15 bis 3,1 cm seine tieferen Bestandteile ausgel\u00f6scht. So blieb nur ein sehr hohes Zischen \u00fcbrig. Es zeigte sich nun, da\u00df dieses S-artige Zischen gleichfalls auszul\u00f6schen war, wenn noch R\u00f6hren auf etwa 2 cm eingestellt wurden. Verl\u00e4ngerte oder verk\u00fcrzte man die Einstellungen bis 2,3 bzw. 1,5,' so kam es wieder. Hiernach entsprach seine H\u00f6he etwa 4000 Schw. Dies ist in der Tat die obere Formantgrenze des S.\nGenau dasselbe ergab sich, als vor dem Spalt der D\u00fcse ein Karton in horizontaler Lage angebracht wurde, so da\u00df der Luftstrom gegen seine Kante schlug. Auch so entstand ein scharfes Ger\u00e4usch, das durch dieselbe Einstellung vernichtet wurde. Prof. v. Hornbostel, der an diesen Beobachtungen teilnahm, variierte selbst unwissentlich die Einstellungen und fand zun\u00e4chst als Grenzen, jenseits deren das Ger\u00e4usch wiederkam, 1,5 und 2,4, also die n\u00e4mlichen wie im vorigen Falle. Aber bei genauester Beobachtung zeigte sich doch noch ein ganz schwacher hoher Bestandteil, gewisserma\u00dfen ein Oberton, in dem Ger\u00e4usch. Wir kamen beide zu dem Ergebnis, da\u00df der Hauptteil etwa 5000, der h\u00f6here aber etwa 10000 Schw. entspreche. Das Ger\u00e4usch hatte nach unserer gemeinschaftlichen Ansicht etwas von S und etwas von F.\n3.\tAuch das Uhrticken und \u00e4hnliche hohe Ger\u00e4usche, wie das Knistern eines Quecksilberkontaktes oder das Knipsen mit den Fingern\u00e4geln, kann man leicht ihrer H\u00f6he nach auf diesem Wege bestimmen. Das kr\u00e4ftige Ticken einer Glash\u00fctter Taschenuhr wurde beim Abbau zuerst bei 1,5 geschw\u00e4cht und verschwand ganz bei 3. Es f\u00fcllte also die Tonstrecke c4-/i4 (unter Ber\u00fccksichtigung der If.-Breite). Das schwache, hohe Ticken einer kleinen Armbanduhr lag fast um eine Oktave h\u00f6her, es f\u00fcllte die Strecke &4-65.\n4.\tEndlich wurden kr\u00e4ftige Knalle, insbesondere der einer Kinderpistole (Luftknallb\u00fcchse) untersucht. Auch solche lassen sich durch eine","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\t5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\ngen\u00fcgende Anzahl von Seitenr\u00f6hren vernichten. Zun\u00e4chst zeigten sich, solange die Einstellungen noch nicht dicht genug waren oder nicht weit genug in die Tiefe reichten, eigent\u00fcmliche Umwandlungen in ein Klatschen, Klirren u. dgl. V\u00f6llige Vernichtung wurde erreicht durch 59 R\u00f6hren von den Stempell\u00e4ngen 4 bis 64 cm, wobei die Differenzen benachbarter Einstellungen von 2,5 mm bis zu 4 cm wuchsen. Das Ger\u00e4usch, wie es aus der Leitung kommt, reicht also in die Tiefe bis etwa zu c \u2014 128 Schw., in die H\u00f6he bis mindestens c4. Schiebt man die obersten R\u00f6hren bis 5 cm hinein, so wird ein leises hohes Ticken vernehmbar, das durch die Multipla der tieferen Einstellungen nicht mit ausgeschlossen ist. Es m\u00fcssen also in der Gegend von c4 noch Ger\u00e4uschelemente dieses Knalles liegen. Baut man dann nach v\u00f6lliger Vernichtung den Knall durch allm\u00e4hliches Hereinschieben der Stempel von den l\u00e4ngsten an wieder auf, so entsteht zun\u00e4chst ein dumpfes, leises Pochen, dann wird es immer st\u00e4rker, besonders zwischen c1 und e3. Hier w\u00e4chst es zu einem starken Glucksen oder Klatschen, wie wenn ein gro\u00dfer Wassertropfen in einen gef\u00fcllten Beh\u00e4lter fiele.\nMan kann bei solchen Knallen auch eine Tonh\u00f6he ohne Schwierigkeit, am besten durch- Vergleichung mit Klaviert\u00f6nen, feststellen. Der Pistolenknall lag je nach der Art des Abschie\u00dfens zwischen g2 und d3. Der Ton entspricht der durch den Stempel und den Pfropfen abgegrenzten Lufts\u00e4ule im Moment des Herausfahrens des Pfropfens. Baut man nun den Klang mit Interferenz ab, so geht die Tonh\u00f6he herunter und liegt jedesmal einige T\u00f6ne unter der tiefsten If.-Einstellung, also am oberen Ende der noch vorhandenen Erregungszone. Der Abstieg der Tonh\u00f6he lie\u00df sich bis a1 verfolgen, dann wurde das Ger\u00e4usch zu schwach. Wir werden dieselbe Gesetzlichkeit bei den Konsonanten im n\u00e4chsten Kapitel wiederfinden. Doch m\u00f6chte ich diese Beobachtungen nur als gelegentliche und nicht abschlie\u00dfende anf\u00fchren. Es ist auch zu beachten, da\u00df sie in einem geschlossenen Raume angestellt sind, wo die Reflexion durch die W\u00e4nde mitwirkt. Auch in der R\u00f6hrenleitung selbst treten Reflexionen auf, und nicht minder kommen, wie S. Garten objektiv gezeigt hat (3, VII, S. 24ff.), durch die Seitenr\u00f6hren Echowirkungen zustande. Die obigen Beobachtungen gelten daher nur f\u00fcr den Knall, wie er aus der Leitung kommt; aber da erscheint er eben doch auch als ein momentanes Ger\u00e4usch von durchaus echtem Knallcharakter, und ein Nachhall ist nicht wahrnehmbar1).\nII. Die obere H\u00f6rgrenze.\n1. Mit der Frage nach der Natur der Konsonanten steht in einem gewissen Zusammenh\u00e4nge die nach der oberen H\u00f6rgrenze des menschlichen Ohres; wie denn Ohren\u00e4rzte seit langer Zeit die pathologische Herabsetzung dieser Grenze an der Perzeption der Fl\u00fcsterlaute und Konsonanten zu\ni) \u00dcber die Tonh\u00f6he der leisen Knalle bei den sehr kurzdauernden Ger\u00e4uschen einer Lochsirene vgl. Abraham, Ann. d. Phys. (4) Bd. 60. 1919. Er fand die H\u00f6he eines \u201eEinlochknalles\u201c abh\u00e4ngig von seiner Dauer, d. h. der L\u00e4nge der einzigen hierbei vorhandenen Knallwelle. Es gelang ihm in solchen F\u00e4llen nicht, den Knall durch Interferenz ganz auszul\u00f6schen. \u00dcber Knalle aus einer Schwingung vgl. auch S. Garten, daselbst (4) Bd. 48. 1915.\nDie vielen Untersuchungen \u00fcber Gescho\u00dfknalle in freier Luft haben noch zu keinen abschlie\u00dfenden Ergebnissen, wohl aber zu der Erkenntnis gef\u00fchrt, da\u00df die Form der Wellen auch hier infolge der Reflexionen in der\nAtmosph\u00e4re und an der Erde nichts weniger als sinusartig ist.","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Die obere H\u00f6rgrenze.\n137\nmessen pflegen. Es ist jetzt fast allgemein angenommen, da\u00df die Grenze f\u00fcr das normale jugendliche H\u00f6rverm\u00f6gen nicht h\u00f6her als etwa 22000 bchw. (/7) hegt. Die Behauptung Edelmanns, des verdienten Herstellers vielgebrauchter Galtonpfeifchen, da\u00df man T\u00f6ne dieses Instrumentes noch h\u00f6re, die mit KuNDTschen Staubfiguren = 50000 Schw. bestimmt worden seien, hat sich als irrig erwiesen. Zwar die Eichung des Pfeifchens auf Schwingungszahlen war richtig. Aber was man h\u00f6rte, waren nicht die so bestimmten T\u00f6ne, sondern \u201eSchneident\u00f6ne\u201c von etwa 11000 Schw., die bei nicht gen\u00fcgend starkem Anblasen herauskommen1).\nGegen diese Communis opinio hat aber Koehler Einsprache erhoben (1, Vorl. Mitt. u. III). Er dehnt die H\u00f6rf\u00e4higkeit noch um mehrere Oktaven h\u00f6her aus, was bei der geometrischen Zunahme der Schwingungszahlen viel hei\u00dfen will. Die These steht in Verbindung mit seiner Lehre, da\u00df die Oktaven des Tones c ausgezeichnete Punkte f\u00fcr bestimmte Sprachlaute seien, und da\u00df \u00fcber dem I, welches sein Zentrum in c5 habe, noch die Zentren f\u00fcr S, F und Ch pal. bei c6, c7 und c8 l\u00e4gen, von denen sich wenigstens die ersten beiden experimentell nachweisen lie\u00dfen. Es sei demnach \u201ewohl mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten, da\u00df n\u00e4here Untersuchungen die H\u00f6rgrenze zwischen 34000 (c8) und 68 000 festlegen w\u00fcrden, falls keine Qualit\u00e4t mehr folgt und das Oktavengesetz hier noch gelten sollte\u201c.\nWir w\u00fcrden hiernach unterscheiden m\u00fcssen zwischen der Tongrenze, wie sie durch die \u00fcblichen Mittel bisher bestimmt wurde, und der H\u00f6r-grenze. Die Ger\u00e4usche w\u00fcrden weit \u00fcber die T\u00f6ne hinausreichen. Wie man sieht, zieht Koehler die Folgerung nur mit Zur\u00fcckhaltung. Er verkennt auch nicht, da\u00df F einen erheblich dunkleren und breiteren Eindruck macht als Ch pal., das doch eine Oktave tiefer liegen soll, h\u00e4lt es aber f\u00fcr m\u00f6glich, da\u00df mit zunehmenden Schwingungszahlen die Geh\u00f6rsempfindungen wieder tiefer, n\u00e4mlich eben dunkler und breiter w\u00fcrden.\nNun kann man zwar rein a priori diese M\u00f6glichkeit wohl kaum leugnen. Bei den Farben findet wirklich eine solche Umkehr statt, indem sie sich mit Erh\u00f6hung der Schwingungszahl wieder dem am anderen Ende des Spektrums stehenden Rot n\u00e4hern. Bekanntlich bildet das im Spektrum nicht vorhandene Purpur den \u00dcbergang. Auch die sog. spezifische Helligkeit der Farben l\u00e4uft nicht einfach parallel ihren Schwingungszahlen, sondern nimmt zuerst zu, dann wieder ab und w\u00fcrde bei R\u00fcckkehr des Farbentons zu Rot vermutlich auch wieder zunehmen. Bei den T\u00f6nen freilich deutet sonst nichts auf eine solche Umkehr hin und ist die Ver\u00e4nderung der H\u00f6he wie des Volumens mit den Schwingungszahlen eine so gleichm\u00e4\u00dfige, da\u00df eine solche Annahme doch \u00e4u\u00dferst schwerfallen w\u00fcrde.\nWas aber die Tatsachen selbst betrifft, so stehen die im vorausgehenden mitgeteilten Untersuchungen zu Koehlers These in unl\u00f6sbarem Wider-\nJ) Schon ehe dies von Ch. Myers und Hegener nachgewiesen wurde, habe ich bei einem Besuch in Edelmanns Laboratorium die \u00dcberzeugung ausgesprochen, da\u00df es sich um tiefere T\u00f6ne handeln m\u00fcsse, und damit Ansto\u00df bei dem Fabrikanten erregt, der eine Anzweiflung seiner Messungen darin erblickte. Es bildet sich nach vielfacher Besch\u00e4ftigung mit so hohen T\u00f6nen eine Art absolutes Tonbewu\u00dftsein daf\u00fcr aus, das . aber nicht wie bei den tieferen auf die \u201emusikalische Qualit\u00e4t\u201c gegr\u00fcndet ist (die den h\u00f6chsten T\u00f6nen fehlt), sondern auf den Helligkeits- oder Spitzigkeitsgrad, und das bei gen\u00fcgender \u00dcbung wohl nicht mehr als eine halbe Oktave fehlgeht.","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\n5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\n^Pruoh W6d ^ noch Ch werden wesentHch beeintr\u00e4chtigt, wenn man die s\u00e4mtlichen \u00fcber c6 hegenden Schwingungen beseitigt, soweit nur \u00fcberhaupt Interferenzen wirksam sind. Selbst f\u00fcr S beginnt beim Abbau von oben her erst mit diesem Punkte eine eben merkliche, ganz leise Sch\u00e4digung-sein Zentrum liegt gleichfalls tiefer. Gerade mit R\u00fccksicht auf jene These sind sehr zahlreiche Versuche mit j\u00fcngeren Beobachtern angestellt worden, die immer wieder zu denselben Ergebnissen f\u00fchrten. Da\u00df auch das Blase-gerausch des Galtonpfeifchens nicht \u00fcber der Tongrenze, sondern tief darunter liegt, ist oben erw\u00e4hnt. Es darf also meines Erachtens als sicher gelten, da\u00df Ger\u00e4usche in der Linie der Schwingungszahlen nicht h\u00f6her hmaufreichen als T\u00f6ne.\nRur eine M\u00f6glichkeit m\u00f6chte ich nicht ausschlie\u00dfen: da\u00df n\u00e4mlich subjektive Ger\u00e4usche sich noch in die 8-gestr. Oktave erstrecken k\u00f6nnten. Ich h\u00f6re bei nerv\u00f6ser Abspannung regelm\u00e4\u00dfig ein im Innern des Kopfes (mehr rechts) lokalisiertes, \u00fcberaus feines, d\u00fcnnes Zischen, dessen H\u00f6he vielleicht noch \u00fcber die h\u00f6chsten objektiven Ger\u00e4usche hinaus liegen k\u00f6nnte. Aber dieses l\u00e4\u00dft sich eben nicht durch Interferenz oder eine andere objektive Methode untersuchen.\nEine theoretische Bemerkung M. Gildemeisters sei hier noch kurz besprochen. Er weist darauf hin (1, S. 188; 2, S. 253ff.), da\u00df, physikalisch gesprochen, ein Resonator nicht nur durch Schwingungen von der H\u00f6he seines Eigentones, sondern durch jede beliebige Schwingung, nur eben entsprechend schw\u00e4cher, erregt werde, da\u00df also unter Voraussetzung der HELMHOLTZschen Theorie des H\u00f6rens bei hinreichender Verst\u00e4rkung des Reizes jeder noch so hohe objektive Ton geh\u00f6rt werden k\u00f6nnte. Das ist gewi\u00df richtig (soweit es das Ohr aushielte); aber es folgt nicht daraus, da\u00df die geh\u00f6rte Tonh\u00f6he entsprechend steigen m\u00fc\u00dfte. Gildemeister hat dies wohl selbst auch nicht gemeint, aber andere k\u00f6nnten seine Ausf\u00fchrungen in diesem Sinne mi\u00dfverstehen, und so m\u00f6chte es nicht \u00fcberfl\u00fcssig sein, die Unzul\u00e4ssigkeit einer solchen Folgerung besonders hervorzulieben. Unsere Empfindungen h\u00e4ngen ja nicht direkt von den Reizen ab, sondern von den durch sie im Zentralorgan ausgel\u00f6sten Prozessen. Wenn nun f\u00fcr diese das Gesetz der \u201espezifischen Energien\u201c als g\u00fcltig angenommen wird, und zwar in der Form, da\u00df die Energien auch innerhalb eines und desselben Sinnes noch weiter spezifiziert sind, ja da\u00df jedem Ton eine besondere spezifische Energie entspricht, so wird die n\u00e4mliche Faser oder Fasergruppe der Basilarmembran, einerlei durch welche objektive Schwingung sie erregt wird, im Gehirn immer dieselbe spezifische Energie, denselben Endproze\u00df, also auch im Bewu\u00dftsein denselben Ton ausl\u00f6sen. Die Zahl der Fasern ist nun aber in allen F\u00e4llen eine begrenzte. Wenn also Schwingungen, die weit \u00fcber die Eigenfrequenz des h\u00f6chsten Resonators der Schnecke hinausgehen, bei gen\u00fcgender Verst\u00e4rkung wirklich noch auf das Ohr wirkten, so w\u00fcrden sie gleichwohl nur eben die kleinsten dort vorhandenen Fasern erregen, und diese w\u00fcrden dem Bewu\u00dftsein keinen h\u00f6heren Ton liefern k\u00f6nnen, als es die ihnen zugeordneten spezifischen Energien in der zentralen H\u00f6rsph\u00e4re zulassen. Die H\u00f6rgrenze in dem Sinne, da\u00df man \u00fcber den Ton von der Spitzigkeit des /7 hinaus immer weitere noch spitzere h\u00f6rte, w\u00fcrde also dabei doch nicht erweitert. Erweitert w\u00fcrde nur die Grenze des H\u00f6rbaren, der auf das Ohr noch wirkenden, es erregenden Schwingungsfrequenzen. Man w\u00fcrde mit zunehmender Reizst\u00e4rke 50000, 100000 Schwingungen h\u00f6ren, aber sie w\u00fcrden als der n\u00e4mliche unver\u00e4nderliche Ton, etwa als /7, geh\u00f6rt werden. Freilich","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Die obere H\u00f6rgrenze.\n139\nkommt es auch darauf an, ob man das Gesetz der spezifischen Energien \u00fcberhaupt und ob man es speziell auch f\u00fcr die Eigenschaft der ,, Spitzig -keit\u201c und noch spezieller f\u00fcr deren \u00e4u\u00dferste Grenzen zugibt.\n2. Man hat vielfach das Sinken der oberen H\u00f6rgrenze mit dem Alter untersucht. Meldes Klangplatten, Koenigs Klangst\u00e4be und besonders die Galtonpfeife, nach zuverl\u00e4ssigen Methoden geeicht und richtig gehandhabt1), sowie Struyckens Monochord, neuerdings endlich elektrische Schwingungen bieten sichere Bestimmungsmittel.\nAuf dem letzteren Wege hat Gildemeister (a. a. O.) die H\u00f6rgrenze bei 51 Personen von 6y2 bis 471/2 Jahren, auch bei einigen h\u00f6heren Alters, bestimmt. Es ergab sich eine Kurve, die bis zum 47. Jahre von 20000 Schw. (es7) bis etwa 13000 {gis6) herabsinkt, allerdings mit erheblicher Streuung, d. h. betr\u00e4chtlichen individuellen Unterschieden. Ein 77 er h\u00f6rte nur bis 9000 (d6).\nIn diese Kurve ordnen sich Beobachtungen gut ein, die ich 1899 gelegentlich mit der sicher richtig bestimmten KoENiGschen Gabel c7 und mit Meldes Stimmplatte f\u00fcr denselben Ton anstellte. Der Ton war nicht blo\u00df f\u00fcr mich (damals 51 Jahre) und den Physiker Kohlrausch (59 Jahre) unh\u00f6rbar, ^sondern auch f\u00fcr 2 etwa 40 j\u00e4hrige Teilnehmer meiner \u00dcbungen, w\u00e4hrend alle \u00fcbrigen 17 Teilnehmer, Studierende im Alter zwischen 20 und 30 Jahren, ihn noch h\u00f6ren konnten (4, S. 115).\nVermutlich w\u00fcrde sich aber bei weiterer Vermehrung des Beobachtungsmaterials, namentlich an \u00e4lteren Personen, die Du rchschnittskurve Gilde-Meisters doch weniger senken. F\u00e4lle, wie der des 44j\u00e4hrigen Schneiders, der noch \u00fcber 18000 Schw. (e\u00fc7) h\u00f6rte, d\u00fcrften nach dem folgenden nicht gar selten sein. Jedenfalls mu\u00df die Kurve f\u00fcr das sp\u00e4tere Alter nicht mehr geradlinig, sondern langsamer abfallen. Wenn auch die Angaben fr\u00fcherer Forscher zumeist unter der Unzuverl\u00e4ssigkeit der damaligen physikalischen H\u00f6henbestimmungen leiden, so m\u00fcssen einige darunter doch als exakt anerkannt werden.\nSo benutzte Koenig die bei richtiger Anwendung durchaus sichere2) Differenztonmethode, die er virtuos handhabte, F. A. Schulze eine mit konstantem Druck angeblasene und nach 6 verschiedenen Methoden \u00fcbereinstimmend geeichte Galtonpfeife. Koenig berichtet nun \u00fcber sich selbst, da\u00df er mit 48 Jahren noch /7 = 21846 Schw., mit 58 Jahren noch d? = 18 204 Schw. geh\u00f6rt habe3 * *). Mit 67 J. war auch dieses verschwunden,\n1)\tDes \u00f6fteren wurden Eichungen zur Pr\u00fcfung der von den Verfertigern beigegebenen Tabellen vorgenommen und diese bei den neueren Pfeifchen recht genau gefunden, sobald der gen\u00fcgende Druck und eine konstante Anblasevorrichtung angewandt werden (Stumpf und Meyer, Schwendt, F. A. Schultze, Koehler, Hegener, Schaefer u. a.). Um die richtige Anwendung des Pfeifchens hat sich besonders K. L. Schaefer verdient gemacht (vgl. Passows u. Schaefers Beitr\u00e4ge z. Anat. usw. d. Ohres usw., bes. Bd. 20 u. 21).\n2)\tVgl. m. Abh. 4. Da\u00df die von F. Krueger behaupteten Abweichungen der Differenzt\u00f6ne von ihren berechneten H\u00f6hen auf Irrt\u00fcmern beruhen, ist von mir zahlenm\u00e4\u00dfig nachgewiesen. Die Differenzt\u00f6ne stimmen auf das genaueste mit der Berechnung \u00fcberein (7, S. 69ff.).\n3)\tAnn. d. Phys. (3) Bd. 69. 1899. S. 636. Eine KoENiGsche /7-Gabel\nwurde auch bei einigen Versuchen Schwendts (Verhandl. d. Baseler Naturf.\nGes. Bd. 12, S. 23) von Normalh\u00f6renden noch geh\u00f6rt. Das Alter ist\nnicht angegeben, aber die Tatsache wird wohl richtig sein. Dagegen mu\u00df","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\n5. Kap. Struktur der Fl\u00fcstervokale und Konsonanten.\ndagegen (wie aus dem Zusammenhang zu erschlie\u00dfen) c7 = 16 284) noch erhalten. Dies mag ungew\u00f6hnlich sein. Dennoch ist kaum anzunehmen, da\u00df der hochbegabte Akustiker gerade auch im Punkte der oberen H\u00f6r-grenze eine einzigartige Begabung besessen haben sollte1).\nF. A. Schulze war, als er die H\u00f6rgrenze an sich selbst = 20000 bis 21000 Schw. bestimmte (Ann. d. Phys. (4) Bd. 24, S. 785ff. 1907), 35 Jahre alt. Mit 47 Jahren bestimmte er sie nach brieflicher Mitteilung aufs neue mit einer ganz \u00e4hnlichen Methode, wie sie Gildemeister gebrauchte, dessen Arbeiten er noch nicht kannte, und erhielt 14000\u201415000 Schw., was in Gildemeisters Durchschnittskurve etwa 33 Jahren entsprechen w\u00fcrde. Hegener fand an sich selbst mit 38 Jahren 18000, mit 50 Jahren 16000 als Grenze (brief 1. Mitt.). 18000 w\u00fcrde bei Gildemeister 20 Jahren, 16000 28 Jahren entsprechen.\nEs sei noch erw\u00e4hnt, da\u00df auch einige meiner j\u00fcngeren Mitarbeiter bei den vorliegenden Untersuchungen von Gildemeister gepr\u00fcft wurden und da\u00df sie fast alle, auch der damals 42j\u00e4hrige Prof. v. Hornbostel, c7 = 17 200 Schw. noch gut h\u00f6ren konnten. Auch diese Befunde liegen \u00fcber den entsprechenden Punkten der GiLDEMEiSTERschen Kurve. \u00dcbrigens hatte Gildemeister bei allen seinen Pr\u00fcfungen absichtlich nur eine mittlere St\u00e4rke angewandt, um des einohrigen H\u00f6rens sicher zu sein. Er bemerkt, da\u00df man bei 25 f\u00e2cher Intensit\u00e4t um einen Halbton h\u00f6her komme, was in diesen H\u00f6hen gegen 1000 Schw. ausmacht.\nIch selbst h\u00f6rte mit 46 Jahren bis gegen das Ende der 6-gestr. Oktave, also etwa 15000 Schw., mit 72-Jahren noch bis gG = 12200, und dies war selbst bei der letzten Pr\u00fcfung mit 76 Jahren, die die Herren Prof. K. L. Schaefer und Dr. Claus Vornahmen, noch der Fall, g6 war auf beiden Ohren eben noch h\u00f6rbar, wenn das genau geeichte Galtonpfeifchen mit 8 cm Quecksilberdruck (= 100 cm Wasserdruck) angeblasen wurde. F\u00fcr den schw\u00e4cheren Ton des StruyCKENschen Monochords lag die Grenze bei e6 = 10200 (also bewirkte Verst\u00e4rkung hier Erh\u00f6hung um eine kleine Terz oder 2000 Schw.).\nSoviel l\u00e4\u00dft sich nach alledem jedenfalls sagen, da\u00df das normale Ohr in der Jugend bis e7, h\u00f6chstens f1 h\u00f6rt, da\u00df vom 40. Lebensjahr an die Grenze unter c7, im Greisenalter bis g6 herabsinkt und da stehenbleibt. Dies stimmt recht sch\u00f6n mit Zwaardemakers ,,Senilit\u00e4tsgesetz\u201c \u00fcberein, der mit KoENiGschen Klangst\u00e4ben folgende Grenzen fand: Kindesalter e7 (/7), Jugendliche noch ebenso, 32 J. es1, 40 J. d1, 43 J. eis1, 51 J. c7, 54 J. 56, Greisenalter etwas oberhalb oder unterhalb g6. Wenigstens f\u00fcr die h\u00f6chst -h\u00f6renden Individuen d\u00fcrften diese Grenzen bei m\u00e4\u00dfig starker Tongebung\ndie Angabe, da\u00df sogar das a1 einer EDELMANNSchen Galtonpfeife geh\u00f6rt wurde, stark bezweifelt werden. Da\u00df etwas geh\u00f6rt wurde, bezweifeln wir nicht, aber es wird ein tiefer liegender \u201eSchneidenton\u201c gewesen sein (s. o.), an den man damals noch nicht dachte.\n0 Da\u00df musikalische Menschen h\u00f6her hinauf h\u00f6ren k\u00f6nnten als unmusikalische, ist bis jetzt unerwiesen. Wenn auch unter den 16 k\u00fcrzlich von Pratt (Americ. Journ. of Psychol. Bd. 31, S. 403) untersuchten Individuen die 3 H\u00f6chsth\u00f6renden zugleich die musikalisch Begabtesten waren, so hat doch prinzipiell das gute Geh\u00f6r im musikalischen Sinne mit den h\u00f6chsten T\u00f6nen, die f\u00fcr die Musik ganz gleichg\u00fcltig sind, nichts zu tun. Die Hochh\u00f6rigkeit k\u00f6nnte nur etwa als h\u00e4ufiger Nebeneffekt musikalischer Anlage oder als korrelative Eigenschaft im Sinne einer blo\u00dfen Begleiterscheinung auftreten. Hier\u00fcber fehlt es noch an Material.","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Die obere H\u00f6rgrenze.\n141\ngelten1). Auch die von Struycken aufgenommene Statistik (Passows u. Schaefers Beitr\u00e4ge Bd. 6, S. 289ff.) zeigt bei starken individuellen Verschiedenheiten doch einen im allgemeinen regelm\u00e4\u00dfigen Abfall in diesem Sinne zwischen 10 und 80 Jahren. Die Grenzen liegen auch hier wohl durchg\u00e4ngig etwas h\u00f6her als hei Gildemeister. Ebenso fand Gradenigo (1) bei Pr\u00fcfung vieler Personen zwischen 10 und 85, ja 90 Jahren eine Senkung von g7 (/7?) bis d6.\nEs geht also normalerweise nur eine Sexte, h\u00f6chstens eine Oktave, verloren, und wenn nicht noch eine allgemeine Geh\u00f6rsschw\u00e4chung dazu tritt, so ist f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis der Sprache damit fast nichts, f\u00fcr die Musik \u00fcberhaupt nichts verloren. Aber freilich d\u00fcrfte in den meisten F\u00e4llen eine solche mehr oder minder hinzutreten.\nDas Verh\u00e4ltnis zwischen der allgemeinen H\u00f6rsch\u00e4rfe und der oberen H\u00f6rgrenze ist nicht einfache Parallelit\u00e4t. Bei einer 74 j\u00e4hrigen Dame, deren eines Ohr geradezu schwerh\u00f6rig ist, so da\u00df leises Sprechen in der N\u00e4he ihr auf dieser Seite unverst\u00e4ndlich bleibt, fand sich die H\u00f6rgrenze bei Pr\u00fcfung mit dem Monochord durch die Herren Schaefer und Claus auf beiden Ohren noch in der Gegend von c6, auf dem schwerh\u00f6rigen sogar einen halben Ton h\u00f6her. Hieraus scheint hervorzugehen \u2014 was auch Struycken betont hat \u2014, da\u00df man die obere H\u00f6rgrenze im gew\u00f6hnlichen Sinne nicht ohne weiteres als Ma\u00df der H\u00f6rf\u00e4higkeit benutzen kann. Das Geh\u00f6r kann f\u00fcr Fl\u00fcstervokale und Konsonanten oder ferne T\u00f6ne schon \u00f6fters versagen, wenn die H\u00f6rgrenze f\u00fcr starke T\u00f6ne in der N\u00e4he noch recht hoch liegt 2).\nAuf pathologische Herabsetzungen der oberen H\u00f6rgrenze und des Verst\u00e4ndnisses der Sprachlaute werden wir im 9. Kapitel n\u00e4her eingehen.\n*) Mit sehr starken, durch Kondensatoren erzeugten T\u00f6nen fand C. E. Lane (Physical Rev. (2) Bd. 19. 1922) zuweilen bei Kindern unter 15 J. 25000 = g1 als Grenze. Solche Ausnahmen m\u00f6gen Vorkommen; aber f\u00fcr die gew\u00f6hnlichen St\u00e4rkegrade und das durchschnittliche normale Ohr d\u00fcrfte /7 das \u00c4u\u00dferste sein.\n2) Auffallend bleibt, da\u00df viele Personen die Feldgrille nicht h\u00f6ren, deren Zirpen nach den zuverl\u00e4ssigen Messungen phonographisch aufgenommener Proben durch Kreidl und Regen (Sitzungsber. d. Wiener Akad. 1905) um c5 = 4200 Schw. liegt und in Hinsicht der H\u00f6he bei den untersuchten Exemplaren nur ganz wenig variierte. Vermutlich sind da Geh\u00f6rsschw\u00e4chungen, vielleicht solche partieller Art gerade in dieser Gegend, mit im Spiele. Ich selbst h\u00f6re es noch, aber auch nicht immer, wahrscheinlich nur bei starker Tongebung. Noch k\u00fcrzlich h\u00f6rte ich eine auf gA singen; der Ton war leicht durch das blo\u00dfe Geh\u00f6r zu bestimmen. Sollte es nicht doch Ba\u00df-und Diskantgrillen geben?","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"6. Kapitel.\nDie subjektiven Tonh\u00f6hen der stimmlosen Sprachlaute.\n1. Tonh\u00f6hen von Kl\u00e4ngen und Ger\u00e4uschen.\nWenn der Musiker die Tonh\u00f6he eines gegebenen Klanges als e2 bestimmt, so benennt er den Klang seiner \u201emusikalischen Qualit\u00e4t\u201c nach als ein dieses aber seiner H\u00f6henlage nach als ein 2-gestriche-nes. Er unterscheidet die Eigenschaft, die sich oktavenweise wiederholt und mit einem bestimmten Buchstaben bezeichnet wird, von der Eigenschaft, die mit den Schwingungszahlen einfach parallel l\u00e4uft und durch die Zahlenindizes sowie durch den Unterschied der gro\u00dfen und kleinen Buchstaben, am genauesten durch die Schwingungszahlen selbst ausgedr\u00fcckt wird. Die H\u00f6he in diesem engeren Sinne kann man auch Helligkeit nennen; H\u00f6he in weiterem Sinn ist Helligkeit und musikalische Qualit\u00e4t zusammengenommen.\nNun ist, was gew\u00f6hnlich Ton genannt wird, im akustischen Sinne vielmehr ein Tonkomplex oder Klang. Darin hat jeder Teilton seine besondere H\u00f6he1) ; gleichwohl schreiben wir auch dem Klang als Ganzem eine H\u00f6he zu, n\u00e4mlich die des st\u00e4rksten oder wenigstens f\u00fcr unsere Auffassung ma\u00dfgebendsten 1. Teiltons. Genau gesprochen haben wir es hier mit einer \u201eKomplexhelligkeit\u201c zu tun. Aber Kl\u00e4nge von analoger oder mit der Schwingungszahl des Grundtones nur langsam ver\u00e4nderlicher Zusammensetzung lassen sich eben ihrer Komplexhelligkeit nach gleichfalls in eine Reihe ordnen, die mit den Schwingungszahlen der Grundt\u00f6ne parallel l\u00e4uft. Die Einordnung der seltener geh\u00f6rten einfachen oder nahezu einfachen T\u00f6ne in diese uns gewohnte Reihe der Kl\u00e4nge, also die Bestimmung der absoluten H\u00f6he einfacher T\u00f6ne ist nicht immer leicht. Aber das Geh\u00f6r korrigiert sich bei genauerer Vergleichung selbst, und man kann zuletzt doch einen Klang und einen Ton in Hinsicht ihrer H\u00f6he einander zuordnen,\n*) Denkt man sich den Teilton f\u00fcr die Empfindung erst durch das Heraush\u00f6ren selbst entstehend, so w\u00e4chst ihm eben auch seine H\u00f6he erst durch diesen Akt zu.","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Tonh\u00f6hen der Fl\u00fcster vokale.\n143\nGer\u00e4usche, wie es die Fl\u00fcstervokale und stimmlosen Konsonanten sind, haben unstreitig gleichfalls Helligkeits-, also H\u00f6henunterschiede ; aber die H\u00f6hen lassen sich meist noch weniger leicht als die der einfachen T\u00f6ne den gewohnten Klangh\u00f6hen zuordnen. Sie sind meist weniger ausgepr\u00e4gt und haben etwas Diffuses, wenn das Ger\u00e4usch, wie z. B. das des Regnens, sich ann\u00e4hernd gleichm\u00e4\u00dfig \u00fcber eine gr\u00f6\u00dfere Schwingungszone erstreckt. Aber vielfach treten doch markiertere Stellen in Ger\u00e4uschen hervor, die von st\u00e4rkerer oder dichterer Erf\u00fcllung kleiner Teile der Tonlinie mit Schwingungen herr\u00fchren m\u00f6gen und genauere Tonh\u00f6henbestimmungen durch das blo\u00dfe Ohr zulassen.\nGer\u00e4usche haben aber auch, wie schon bemerkt, musikalische Qualit\u00e4ten. Nicht blo\u00df bei den tonhaltigen, sondern auch bei den reinen Ger\u00e4uschen sind Intervalle erkennbar, durch welche auch die Bestimmung der absoluten Tonh\u00f6he au\u00dferordentlich erleichtert wird. Freilich kommen auch da, wie bei den T\u00f6nen, Oktavent\u00e4uschungen vor, bei denen die musikalische Qualit\u00e4t richtig, die absolute H\u00f6henlage aber falsch bestimmt wird: ein deutlicher Beweis, da\u00df auch Ger\u00e4uschen eine von der blo\u00dfen H\u00f6he noch zu unterscheidende musikalische Qualit\u00e4t zukommt.\nDie in den Sprachger\u00e4uschen beobachtbaren H\u00f6hen, die als gleich mit bestimmten Tonh\u00f6hen erkannt werden, wollen wir im folgenden kurz als die Tonh\u00f6hen dieser Ger\u00e4usche bezeichnen. Wir bestimmen sie rein nach dem Geh\u00f6r, ohne Zuhilfenahme graphischer Messungen, f\u00fcgen aber auch Beobachtungen hinzu, die sich bei den If.-Versuchen \u00fcber die dabei auftretenden Ver\u00e4nderungen der Tonh\u00f6hen stimmloser Sprachlaute machen lie\u00dfen.\n2. Tonh\u00f6hen der Fl\u00fcstervokale.\nHier\u00fcber liegen zahlreiche Beobachtungen vor, da man in den beobachteten H\u00f6hen zugleich die Formanth\u00f6hen der Vokale, auch der gesungenen und gesprochenen, zu finden glaubte. Sind doch die Fl\u00fcstervokale geradezu als \u201eVokale in Reinkultur\u201c bezeichnet worden, weil hier die Formanten allein ohne die variablen Stimmt\u00f6ne zu beobachten seien. Die Beobachtungen selbst zeigen leider noch nicht die w\u00fcnschenswerte \u00dcbereinstimmung. Sie erfordern eben \u00dcbung und vielfache Wiederholung, wenn man zur Sicherheit kommen will1). Der Verfasser hat sich seit Jahren m Augenblicken der Mu\u00dfe immer wieder damit besch\u00e4ftigt und\nb G\u00fctzmann sagt (5, S. 73), die H\u00f6hen seien durch ein ge\u00fcbtes Ohr leicht zu bestimmen, Nagel dagegen (S. 751), im Fl\u00fcsterger\u00e4usch sei \u00fcberhaupt keine bestimmte Tonh\u00f6he zu erkennen. Die Wahrheit lieet in der Mitte.\t6","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\t6- Kap. Die subjektiven Tonh\u00f6hen der stimmlosen Sprachlaute.\nglaubt die folgenden Angaben in der Zuversicht machen zu k\u00f6nnen, da\u00df andere, die sich in \u00e4hnlichem Ma\u00dfe darein vertiefen, unter gleichen Beobachtungsumst\u00e4nden im wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen gelangen werden.\nUm konstante Werte zu bekommen, mu\u00df man nat\u00fcrlich einen Vokal immer in der gleichen Nuance fl\u00fcstern. Aber auch die St\u00e4rke darf nicht zu sehr variieren, jedenfalls nicht zu gro\u00df sein, da sonst das Fl\u00fcstern in ein Blasen oder Fauchen \u00fcbergeht und sich die H\u00f6he etwas verschiebt. Manche finden es vorteilhaft, den Vokalen Konsonanten vorauszuschicken (\u201ewo, pi\u201c usw.). \u00c4u\u00dferste Stille der Umgebung ist n\u00f6tig, besonders empfehlenswert die Nachtzeit. Vergleichung mit Klaviert\u00f6nen hilft trotz der Verschiedenheit der Klangfarbe au\u00dferordentlich, auch solchen, die mit absolutem Geh\u00f6r begabt sind, besonders zur Feststellung der Oktavenlage. Steht ein Fl\u00f6tenpfeifenregister zur Verf\u00fcgung, das mindestens die Region c2\u2014g4 umfa\u00dft, so dient es nat\u00fcrlich noch besser. Hat man z. B. erkannt, da\u00df es sich um ein \u00a9 handelt, so probiere man g2, g3, gx zur Vergleichung. Einer dieser T\u00f6ne deckt sich genauer als die \u00fcbrigen mit dem Vokal und wird bei gleichzeitigem Angeben mit ihm zu einer unanalysierbaren Einheit. Man .sch\u00e4tzt Fl\u00fcstervokale, wie Ger\u00e4usche \u00fcberhaupt, bei nicht sehr vorgeschrittener \u00dcbung zun\u00e4chst regelm\u00e4\u00dfig um 1, ja 2 Oktaven zu tief.\nMit Normalstimmgabeln oder Stimmpfeifchen k\u00f6nnen solche, die kein absolutes Geh\u00f6r, wohl aber ein gutes Intervallurteil haben, die musikalische Qualit\u00e4t des Fl\u00fcstertones feststellen, aber nicht die Oktavenlage. Auch kommt es vor, da\u00df man in Hinsicht der musikalischen Qualit\u00e4t einer Autosuggestion bzw. Assimilation unterliegt: hat man das <F-Pfeifchen vorher oder zwischendurch angegeben, so h\u00f6rt man leicht die 31- Qualit\u00e4t auch in den Fl\u00fcsterton hinein. Man mu\u00df also ein Instrument haben, bei dem man rasch und bequem alle m\u00f6glichen T\u00f6ne nacheinander angeben kann.\nHie musikalischen Qualit\u00e4ten der Fl\u00fcsterlaute springen auch ohne Vergleich mit Instrumentalt\u00f6nen leichter hervor, wenn man mehrere verschiedene Vokale nacheinander angibt, \u00e4hnlich wie man bei dem bekannten Versuch mit hingeworfenen oder beklopften Holzst\u00fccken leichter die Melodie heraush\u00f6rt als einen einzelnen Ton. Man kann mit Fl\u00fcstervokalen leicht Intervalle, gebrochene Akkorde und kleine melodische Phrasen bilden.\nMan kann aber nicht auf ein und demselben Vokal eine Melodie fl\u00fcstern. Dies ist schon \u00f6fters bemerkt worden (so von Grabow und Nagel) und ist wichtig. Denn gerade daran","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"Tonh\u00f6hen der Fl\u00fcstervokale.\n145\nzeigt sich, da\u00df f\u00fcr jeden Fl\u00fcstervokal von bestimmter Nuance nur eine bestimmte charakteristische Tonh\u00f6he existiert. Selbst eine kleine Ver\u00e4nderung der Tonh\u00f6he ist nur m\u00f6glich, wenn zugleich der Vokal anders nuanciert, z. B. ein A heller oder dunkler, mehr nach \u00c4 oder nach 0 hin, ausgesprochen wird. Versucht man gleichwohl die Nuancierung beizubehalten, so geht es nicht ohne Gewaltsamkeit und nur in engen Grenzen. Ich kann z. B. auf as3 statt \u00d6 auch \u00c4 fl\u00fcstern, aber es ist weniger klangvoll als \u00d6 auf dieser H\u00f6he und als \u00c4 auf seiner normalen H\u00f6he (<z3). Nur insofern greifen die H\u00f6henzonen ineinander \u00fcber, als, namentlich bei den hellen Vokalen, die hellste Nuance des tieferen sich mit der dunkelsten oder einer mittleren des h\u00f6heren in der Tonh\u00f6he deckt. So kann man auf b3 ein gutes \u00dc, aber auch ein helles \u00c4 und ein unnat\u00fcrlich helles \u00d6 fl\u00fcstern.\nIm folgenden sind die Tonh\u00f6hen, wie sie sich meiner Beobachtung darstellen, in das HELLWAGsche Vokalschema eingetragen,\n8v.a\n\n\n,OA AO AO\u00e4 . .\n\u00a3\n8va\nbo l*a.\\\t^\n-t?o\n\u25a0Hr- r t \\ r\n\u00d6 . . . \u00d6e E . . .\no:\n\u00a3L\ngva\nI\nU___\nU___\nTT\nda man daran zugleich die m\u00f6glichen \u00dcberg\u00e4nge anschaulich vor sich hat (\u00fcber das Schema selbst vgl. 10. Kap.). Bei den rechts stehenden helleren Vokalen sind au\u00dfer den Hauptt\u00f6nen noch leise Untert\u00f6ne bemerklich, deren H\u00f6he aber gegen E und I hin immer schwerer erkennbar wird, da sie immer schw\u00e4cher werden. Sie sind mit Viertelnoten bezeichnet. S\u00e4mtliche T\u00f6ne sind aber um eine Oktave h\u00f6her, als es den Noten im Violinschl\u00fcssel entspricht.\nDie absolute H\u00f6he des U ist am leichtesten zu bestimmen, da es mit ganz geringf\u00fcgiger \u00c4nderung der Mundstellung auch gepfiffen werden kann, und f\u00fcr Pfeift\u00f6ne die richtige H\u00f6he am\nStumpf, Sprachlaute.\tin","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\t6- Kap. Die subjektiven Tonh\u00f6hen der stimmlosen Sprachlaute.\nKlavier oder an Labialpfeifen, auch mit Schwebungen und anderen objektiven Methoden sicher festgestellt werden kann. Von da aus kann man sich dann schrittweise auch von der richtigen Oktavenlage der \u00fcbrigen T\u00f6ne \u00fcberzeugen, zu denen stetige \u00dcberg\u00e4nge hinf\u00fchren.\nSolche \u00dcberg\u00e4nge f\u00fchren zun\u00e4chst von U \u00fcber 0, OA und AO nach A, dann \u00fcber \u00c4 und E nach I, wobei die Tonh\u00f6he stetig hinaufr\u00fcckt. Man kann aber auch in horizontaler Richtung von einem Grenzpunkt zum anderen gehen. Der streng stetige \u00dcbergang von 0 nach \u00d6 f\u00e4llt allerdings etwas schwer und der von U nach \u00dc noch schwerer, weil auf diesen Strecken uns ungewohnte, wenn auch m\u00f6gliche, Laute liegen1). So kann man wohl auch von A aus senkrecht zur U-I-Linie kommen, indem man von dem Bl\u00f6k-laut AO\u00e4 statt nach \u00c4 nach einem \u00d6-\u00e4hnlichen, auf der Linie 0\u2014E liegenden Laut und von da zu einem dunklen \u00dc gelangt. Und so d\u00fcrften \u00fcberhaupt zwischen allen Punkten in horizontaler und vertikaler Richtung \u00dcberg\u00e4nge m\u00f6glich sein, die zugleich H\u00f6hen\u00fcberg\u00e4nge sind.\nF\u00fcr jeden Vokal gibt es eine gewisse Zone der Tonh\u00f6hen, in der er trotz \u00c4nderung seiner Nuance erkennbar bleibt, weil der Begriff des U oder des A selbst diese Nuancen zul\u00e4\u00dft und einschlie\u00dft. Diese H\u00f6hen- und Vokalit\u00e4tsbreiten sind durch die beigef\u00fcgten Punkte und die dar\u00fcber stehenden Noten angezeigt. So entspricht z. B. dem dunkelsten zul\u00e4ssigen A e2, dem hellsten g2 2). Ein U mit der Tonh\u00f6he c1 ist nur \u00e4u\u00dferst schwer und schwach zu fl\u00fcstern, es ist mehr ein Hauchen. Das gew\u00f6hnliche hat die H\u00f6he /2, ist aber keineswegs ein ideales U, sondern stark dem 0 gen\u00e4hert. Umgekehrt ist I von Erwachsenen nur schwer oder gar nicht in der Helligkeit herzustellen, die es unserer Intention nach haben m\u00fc\u00dfte. Kinder fl\u00fcstern es leichter und besser.\nVerzichtet man auf die Darstellung aller m\u00f6glichen Extreme, \u00dcberg\u00e4nge und Zwischenstufen, sowie auf die Untert\u00f6ne, so l\u00e4\u00dft\nx) In den skandinavischen Sprachen sind sie gebr\u00e4uchlich. Storm unterscheidet (S. 131) von dem deutschen U das \u201egemischte U\u201c im norwegischen Hus (Haus), das Ausl\u00e4ndern wie ein Zwischenlaut von U und Y vorkomme. Das schwedische U in Hus, Sju (sieben) liege dem Y noch n\u00e4her.\n2) Bremer gibt an (S. 153), da\u00df das gefl\u00fcsterte \u00dc in: \u201eL\u00fcgst du?\u201c\n(drohend) und: \u201eDu l\u00fcgst\u201c (strafend) verschiedene Tonh\u00f6hen habe. Im ersten Falle k\u00f6nne sein Eigenton bis /3 herunter-, im zweiten bis dl hinauf-gehen. Die Beobachtungen k\u00f6nnen richtig sein, nur mu\u00df dann das intendierte \u00dc in E (I) bzw. \u00d6\u00c4 \u00fcbergehen. Den Einflu\u00df des sprachlichen Zusammenhanges, besonders der umgebenden Konsonanten, auf die Fliister-h\u00f6hen hat Thomson (2, S. 563ff.) eingehend untersucht.","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Tonh\u00f6hen der Fl\u00fcstervokale.\n147\nsich die durch Fl\u00fcstervokale herzustellende Tonreihe \u00fcbersichtlicher so schreiben:\n8v_a\"\n$\nVr- b\u00bb ^\nfei\n'\u00e8\u00ea\u00e0\u00e0\nm\n5 A\u00d6 A\nO A U E I\nZur Kontrolle der angegebenen H\u00f6hen mag man au\u00dfer der Beobachtung der einzelnen Laute etwa folgende Intervalle, gebrochene Akkorde und melodische Phrasen ben\u00fctzen. Dabei ist derselbe Vokal in den verschiedenen Beispielen entsprechend dem verschiedenen Noten wert verschieden anzugeben, z. B. U in Nr. 5 heller als in 1 ; sonst kommt A nicht als reine Oktave heraus oder man mu\u00df ein besonders dunkles A nehmen. \u00dcberall aber bleiben die Vokale kenntlich. Vielleicht gew\u00e4hrt das Auf suchen solcher Tonfolgen, bei denen Text und Melodie sich gegenseitig beinahe eindeutig festlegen, manchem Leser eine Unterhaltung.\nDurchweg h\u00f6here Oktave\nOA Ao \u00d6 \u00c4 E\nDer Verfasser hat, au\u00dfer an sich selbst, auch an anderen Individuen \u2014 8 M\u00e4nnern, 5 Frauen und 2 Kindern \u2014 die Fl\u00fcsterh\u00f6hen untersucht. Die F\u00e4higkeit zu deutlichem Fl\u00fcstern ist, wie schon erw\u00e4hnt, verschieden, sowohl \u00fcberhaupt als betreffs einzelner Vokale. Aber die Tonh\u00f6hen zeigen nur geringe Verschiedenheiten. So kommt es vor, da\u00df \u00dc und \u00c4 ihre Tonh\u00f6hen vertauschen. Daraus geht schon hervor, da\u00df ihr Vokalcharakter nicht ausschlie\u00dflich durch diese Tonh\u00f6hen bestimmt sein kann, denn sie bleiben dabei gut kenntlich. U und 0 \u00fcberschreiten zuweilen nach oben hin etwas die angegebenen Grenzen. Kinder fl\u00fcstern einU noch auf g2, ebenso wie sie mit dem I um einige T\u00f6ne h\u00f6her gehen. Auch bei Frauen fand ich U immer h\u00f6her als bei M\u00e4nnern, etwa = g2. Aber immer findet sich dann auch die Farbe etwas ge\u00e4ndert, obschon sie kenntlich bleibt. 0 ist in solchen F\u00e4llen nur ganz wenig h\u00f6her als U, aber der Farbe nach gen\u00fcgend verschieden. Erheblichere Differenzen in\n10*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\t6- Kap. Die subjektiven Tonh\u00f6hen der stimmlosen Sprachlaute.\nder Tonh\u00f6he zeigt A, das ja auch sonst am verschiedensten gesprochen wird. Hiervon weiter unten.\n3. Fr\u00fchere Beobachtungen.\nEs w\u00fcrde zu weit f\u00fchren, s\u00e4mtliche fr\u00fcheren Beobachtungen mit denen des Verfassers zu vergleichen. Man wird es diesem zugute halten, wenn er abweichenden Angaben nicht immer dasselbe Gewicht beilegt. In manchen F\u00e4llen handelt es sich aber auch nur um Oktavent\u00e4uschungen, in anderen um Modifikationen der Aussprache, die teils in dialektischen Gewohnheiten, teils in individuellen Verh\u00e4ltnissen der Mundh\u00f6hle wurzeln. An einer kurzen \u00dcbersicht seien indessen sowohl \u00dcbereinstimmungen als Abweichungen erl\u00e4utert. Die Ergebnisse objektiver Methoden m\u00fcssen aber hier, wo es sich nur um die geh\u00f6rten Tonh\u00f6hen als solche handelt, vorerst beiseite bleiben.\nIn dem von veralteter Gelehrsamkeit strotzenden Buche des Kieler Professors Samuel Reyher : \u201eMathesis Mosaica\u201c 1679 finden sich S. 432ff. gewi\u00df zuerst die Fl\u00fcsterh\u00f6hen in Notenbuchstaben und Noten verzeichnet. Er f\u00fchrt sie als eine nebens\u00e4chliche Kuriosit\u00e4t an, scheint aber, abgesehen von der Tieferlegung um 2 Oktaven, vollkommen richtig beobachtet zu haben. Er notiert so (nur die Schl\u00fcssel und die Anordnung sind hier ge\u00e4ndert):\nUOaAA AAA franc. \u00c4 \u00d6 E \u00dc I\nA in verschiedener Gr\u00f6\u00dfe deutet augenscheinlich die wachsende Mundweite an, mit der es vom dunkelsten bis zum hellsten gesprochen wird. In der Beschreibung nennt R. das erste \u201elon-gissimum sive obscurissimum\u201c, das letzte \u201ebrevissimum sive claris-simum\u201c, wobei \u201elang und kurz\u201c Unterschiede der Dauer bedeuten m\u00fcssen. Aus diesen Fl\u00fcsterh\u00f6hen l\u00e4\u00dft sich schlie\u00dfen, da\u00df das lange holsteinische A damals, wie heute noch, viel dunkler als das hochdeutsche gesprochen wurde, bis in die O-Gegend hineinreichend1). Unter dem \u201eA franconicum\u201c ist aber sicherlich nicht das A des heutigen Franken verstanden, das damals ebenso wie heute sehr dunkel gesprochen wurde (Hans Sachs reimt sogar a auf o), sondern aller Wahrscheinlichkeit nach das sehr helle rhein-fr\u00e4nkische, n\u00e4her \u201emittelfr\u00e4nkische\u201c, wie es etwa heute in K\u00f6ln gesprochen wird. Dem an dunklere Nuancen gew\u00f6hnten Ohr Reyhers mochte dieses schon als dem \u00c4 gen\u00e4hert erscheinen.\nl) Reyhee stammte aus Th\u00fcringen, lebte aber seit 14 Jahren in Kiel.","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"Fr\u00fchere Beobachtungen.\n149\nEr gibt ihm dieselbe Fl\u00fcsterh\u00f6he, wie wir sie unserem hochdeutschen A zuschreiben. In den Erl\u00e4uterungen rechnet er es zu den ,,vocales mixtae\u201c und f\u00fchrt neben ihm als 2. Beispiel noch das hebr\u00e4ische Saegol an. Die Umlautnatur deutet er durch ein dar\u00fcbergesetztes Zeichen an, das in dem mir vorliegenden alten Druck zwar ebensowohl als o wie als e aufgefa\u00dft werden kann, sicherlich aber e sein soll1).\nE ist bei Reyher in der Tonh\u00f6he gleich unserem \u00c4, wurde also ganz ,,offen\u201c gesprochen, wie heute noch im holst. Del (Diele), Hek (Hecht)2).\nAuch f\u00fcr einige Diphthongen: ou, au, ei, eu gibt Reyher Noten an, wobei er die H\u00f6hen der darin enthaltenen Vokale zugrunde legt. Daraus ist zu ersehen, da\u00df diese Diphthongenjlamals ebenso wie heute ausgesprochen wurden, z. B. eu = AO\u2014\u00dc.\nEs d\u00fcrfte f\u00fcr die Sprachforschung nicht ohne Belang sein, da\u00df man auf solche Art durch akustische Feststellungen Kriterien schaffen kann, die auch in sp\u00e4teren Jahrhunderten noch Aufschlu\u00df \u00fcber die Aussprache geschriebener Lautbuchstaben geben. Dabei sind allerdings auch Unterschiede der musikalischen Stimmung zu ber\u00fccksichtigen. Diese war im 17. Jahrh. h\u00f6her. Aber die Orgel in dem holsteinischen St\u00e4dtchen Gl\u00fcckstadt hatte nach A. Ellis (History of Musical Pitch) im J. 1645 doch nur ein a1 = 453 Schw., also nur um einen kleinen Halbton h\u00f6her als das unsrige. Setzt man Reyhers Noter# soviel h\u00f6her, so wird die \u00dcbereinstimmung mit den unsrigen fast noch besser.\nHell wag (1781) stimmt Reyhers Aufstellungen im allgemeinen zu, gibt aber seinerseits keine Notierungen.\nIn neuerer Zeit hat Donders aus den Fl\u00fcsterh\u00f6hen auf die Formantt\u00f6ne geschlossen, ja sogar den vokalischen Charakter der gesungenen und stimmhaft gesprochenen Vokale aus den beigemischten Fl\u00fcsterger\u00e4uschen hergeleitet und diese darum aufmerksam beobachtet. Aber seine Angaben enthalten auffallende Inkongruit \u00e4ten. Wie weit die holl\u00e4ndische Aussprache daran beteiligt ist (Helmholtz), kann ich nicht beurteilen. Er setzt\nx) Meine anf\u00e4ngliche Vermutung, da\u00df das franz\u00f6sische A in madame gemeint sei, l\u00e4\u00dft sich nach den Aussagen fachm\u00e4nnischer Berater (Prof. J. Petersen, Dr. Hochstetter) nicht mit dem damaligen Sprachgebrauch vereinigen. Franconia bedeutet niemals Frankreich, sondern immer das deutsche Franken, zu dem aber das Rheinland gerechnet wird. Du Cange: \u201eFranconia, Francia Germaniae, unde franconicus. \u201c Reyher selbst hat einen nachgelassenen Thesaurus linguae latinae seines Vaters herausgegeben, worin das n\u00e4mliche steht. Zwar \u201efraneiscus\u201c findet sich f\u00fcr \u201efranz\u00f6sisch\u201c wie f\u00fcr \u201efr\u00e4nkisch\u201c (K\u00f6rtings lat.-rom. W\u00f6rterbuch 1907), \u201efranconicus\u201c aber allem Anscheine nach nur f\u00fcr das letztere.\n2) Vgl. M\u00f6llenhoffs Glossar zu Kl. Groths \u201eQuickborn\u201c.","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\t6. Kap. Die subjektiven Tonh\u00f6hen der stimmlosen Sprachlaute.\nV = f1, 0 = es1 (tiefer als U!), A = b1, \u00dc = a2, E = c3 + einem tieferen Ton, I = e31). \u00dcberall also zu tiefe Oktaven, aber auch sonst Merkw\u00fcrdiges; doch die 3 letzten mit unseren Angaben \u00fcbereinstimmend.\nHelmholtz setzt Donders\u2019 Beobachtungen die seinigen wie folgt gegen\u00fcber: IT = /, 0 = b1, A = b2, \u00d6 = cis3, \u00dc = g3 bis as3, E = b3, I = d4. Die 3 letzten stimmen ziemlich gut zu unseren Angaben, die \u00fcbrigen freilich weichen sowohl von denen seines Vorg\u00e4ngers wie von den unsrigen ab, U ist sogar um 2 Oktaven zu tief, wie bei Reyher2).\nMerkel (1866) und v. Zahn (1871), der au\u00dfer sich selbst 45 Personen beiderlei Geschlechts untersuchte, geben die T\u00f6ne aller 8 Vokale wieder 2 Oktaven zu tief, sonst nur bei A und \u00d6 mit erheblicheren Abweichungen, m\u00f6glicherweise infolge der s\u00e4chsischen Aussprache.\nEngels fragmentarische Angaben (1869) f\u00fcr U, A, \u00dc, I treffen mit den unserigen zusammen, nur sind sie wieder um 1 Oktave zu tief, obgleich er f\u00fcr U und \u00dc die \u00dcberf\u00fchrung in Pfeift\u00f6ne ben\u00fctzte und dabei einen Irrtum f\u00fcr unm\u00f6glich hielt (2, S. 316). Er ist eben auch beim Pfeifen, trotz seines ausgezeichneten Geh\u00f6rs, der Oktavent\u00e4uschung unterlegen. Auch Kr\u00f6nigs Angaben (1876) sind durchweg 1 Oktave zu tief, sonst in leidlichem Einklang mit den unsrigen: IT = c1\u2014gis1, bei weiterer Erh\u00f6hung in \u00dc \u00fcbergehend, O = dx\u2014a1 (A nicht angegeben). ,,Auf cis3 kann man ziemlich bequem die 4 Vokale \u00c4, E, \u00d6, \u00dc fl\u00fcstern.\u201c\nGrabows Notierungen (1879) stimmen gut zu den meinigen, auch in der Oktave (da\u00df die h\u00f6here Oktave aller notierten T\u00f6ne gemeint ist, geht aus erl\u00e4uternden Bemerkungen hervor). Nur bez\u00fcglich der beiden mittleren Vokale, A und \u00d6, ist wieder eine Differenz : sie sind eine kleine Terz tiefer angegeben.\nVorz\u00fcglich harmonieren die Notenwerte des Anglisten Trautmann (1884), der Hunderte von Personen untersuchte, mit unseren : U = g2, 0 = h2 (diese beiden nur wenig h\u00f6her), A = /3\u2014g3, E = h3\u2014d4, I = /4. Er erkennt darin einen Septimenakkord3).\n1)\tDonders gibt keine Notenbezeichnungen, sondern nennt die Intervalle, welche die verschiedenen Vokale mit der Normalstimmgabel bilden. Die Wiedergabe seiner Bestimmungen bei Helmholtz ist nicht ganz identisch mit der obigen.\n2)\tNach Auerbach (1878, bei Nagel S. 774) bekannte sich Helmholtz sp\u00e4ter zu Donders\u2019 U. In der noch von ihm selbst herausgegebenen 4. Aufl. der ,,Tonempfindungen\u201c 1877 steht noch die erste Notierung.\n3)\tAuch Helmholtz zieht einen Akkord zur Erl\u00e4uterung heran : er h\u00f6rt\nscharfes A, \u00c4, E, I als Quartsextakkord d3 g3 b3 d4. Ich w\u00fcrde diesen Noten die Vokale OA, A, \u00dc, I unterlegen.","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Fr\u00fchere Beobachtungen.\n151\nAuch was Bremer (1893) an Tonh\u00f6hen angibt, k\u00f6nnen wir nur durchweg best\u00e4tigen. Gleiches gilt von Heinrich (1905), der beispielsweise \u00c4 = gis3\u2014b3, E = c4 setzt.\nLloyd (1890 ff.), als Theoretiker bedenklich, als Beobachter aber sehr beachtenswert, gibt an (vgl. besonders 3, S. 241): U = d1 bis e1, offenes 0 \u2014gis2, hinteres A (father) \u2014 c3, vorderes (man) = /3, offenes E (\u00c4) = fis3, geschlossenes = c4, I = dis4\u2014/4 : alles bis auf die Oktavent\u00e4uschung bei U zutreffend;,,father'4 mu\u00df dabei allerdings sehr dunkel, mehr nach OA, gesprochen worden sein (vgl. das schottische father von derselben H\u00f6he sogleich bei Storm).\nAuch der Norweger Storm (1892) hat die Fl\u00fcsterh\u00f6hen aufmerksam beobachtet, und was sich von seinen Angaben (S. 98) nach den Beispielen eindeutig auf die deutsche Aussprache beziehen oder \u00fcbertragen l\u00e4\u00dft, stimmt, wenn man es 2 Oktaven h\u00f6her legt, bis auf das II sehr gut mit den unsrigen \u00fcberein: U (wie in Du) = a, 0 (wie in So) \u2014 /\u2014a, A = d1\u2014fis1 (in franz\u00f6sischen Beispielen: l\u00e2che bis madame, w\u00e4hrend das breite A im Schwedischen und im schottischen father \u2014 das gew\u00f6hnlichen englischen Ohren nach S. 129 wie fawther klingt \u2014 sogar bis c1 hinuntergehe), \u00d6 = a\\ \u00c4 = 61, \u00dc = b1\u2014h1, E = h1\u2014c2, I = cis*\u2014d2. Seltsam ist aber die Bestimmung des U. Der ausgezeichnete Sprachforscher behauptet es ebenso wie die deutschen Gelehrten auszusprechen, vermutet aber, da\u00df er es auf andere Weise bilde. Es g\u00e4be eben einen \u201ePolymorphismus44, demzufolge derselbe Vokal ohne wesentliche \u00c4nderung seiner Qualit\u00e4t verschiedene H\u00f6hen haben k\u00f6nne ; \u00fcbrigens h\u00e4tten auch der D\u00e4ne Thomsen, der Schwede Wulff und der Engl\u00e4nder Sweet h\u00f6here T\u00f6ne f\u00fcr U als f\u00fcr 0 bekommen. Wir h\u00f6rten das n\u00e4mliche soeben von dem Holl\u00e4nder Donders. Aber hier mu\u00df doch unbedingt eine wesentliche akustische Verschiedenheit der Aussprache obwalten, und es d\u00fcnkt mich \u00e4u\u00dferst unwahrscheinlich, da\u00df es Skandinaviern und Holl\u00e4ndern physisch unm\u00f6glich sein sollte, ein dunkleres U herzustellen, dessen Tonh\u00f6he unter die des 0 hinabginge. Da\u00df das A bei Storm weiter in die Tiefe reicht, als wir es zul\u00e4ssig fanden (ebenso wie Lloyds \u201ehinteres A44), gr\u00fcndet nat\u00fcrlich auch in Verschiedenheiten der Aussprache. Mit Recht sagt Storm: \u201eEs gibt keinen Laut, der einen gr\u00f6\u00dferen Spielraum h\u00e4tte, als gerade A oder was als A gilt.44\nF\u00fcr die 15 franz\u00f6sischen Vokale gibt Monoyer (C. R. 1898, 1, S. 1637) Tonh\u00f6hen, aber ohne alle methodischen Erl\u00e4uterungen und Garantien, was das Gewicht seiner Behauptungen betr\u00e4chtlich vermindert. U (franz. ou), \u00dc, I sollen in Oktaven \u00fcbereinander-liegen: b1, b2, b3. F\u00fcr \u00dc stimmt S3 genau, wenn es 1 Oktave h\u00f6her","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\t6. Kap. Die subjektiven Tonh\u00f6hen der stimmlosen Sprachlaute.\nnotiert wird. Unter derselben Bedingung k\u00f6nnte vielleicht ein extrem spitzes I hergestellt werden, also auf 64. Ein U aber scheint mir weder auf b1 noch auf b2 m\u00f6glich, auf b1 wenigstens nur als \u00e4u\u00dferst schwacher Pfeifton, wie er rein fl\u00fcsternd nicht mehr gebildet werden kann. Unter den \u00fcbrigen Vokalen stimmt nur A = /2\u2014fis2 unter der Bedingung der Oktaventransposition mit unserem Befunde. Aber auch auf die \u00dcbereinstimmungen k\u00f6nnen wir bei so dogmatisch vorgetragenen Beobachtungen nur wenig Wert legen.\nSorgf\u00e4ltig hat Rousselot (1901 ff.) in Verbindung mit Thomson die H\u00f6hen der franz\u00f6sischen El\u00fcstervokale und dann Thomson selbst (1906 ff.) die der russischen untersucht. Die Angaben beider Forscher stimmen unter Ber\u00fccksichtigung der Aussprache-Verschiedenheiten vollkommen mit den unsrigen. Rousselot setzt U je nach der F\u00e4rbung = d2\u2014gis2, 0 = h2\u2014d3, A = dis3 (bras) bis- a3 (quart), \u00d6 = ,g3 (peur), gis3 (feu), a3 (queue), \u00c4 (t\u00eate) = b3, \u00dc = h3\u2014c4, E == #, I = d4\u2014g4. Thomson setzt U = es2\u2014g2, O = gis2\u2014h2, A = e3\u2014g3, \u00c4 (\u201epalatales A\u201c) = g3\u2014gis3, offenes E \u25a0= gis3\u2014ais3, geschlossenes E = h3\u2014as4, I = c?4\u2014dis^ (nur selten c4 oder e4). Diese H\u00f6hen erleiden nach Thomsons eingehenden Beobachtungen kleine Modifikationen durch den Zusammenhang, insbesondere gehen sie vor palatalisierten Konsonanten etwas hinauf, in unbetonten Silben einen Halbton herunter. Au\u00dferdem fand er kleine individuelle Unterschiede1).\nDie Angaben Abrahams (1916) weichen in einigen Punkten von allen zuletzt genannten wie von den unsrigen um eine Terz bis Quarte ab: 0 = e2\u2014/2, AO \u2014 f2\u2014g2, A = c3\u2014d3, I = gis*\u2014a4 (die \u00fcbrigen \u00fcbereinstimmend).\nBei dem Gewicht, das ich den Angaben dieses Beobachters beilege, m\u00f6chte ich dazu folgendes bemerken. Beim I kommt eine solche H\u00f6he gew\u00f6hnlich nur vor, wenn es sehr leise und mit Vorsetzung eines Ch pal. gegeben wird. Ich selbst kann so ein I auf fi\u2014gi erzeugen.\nEin A mit der Tonh\u00f6he c3\u2014d3 fanden wir schon bei Storm und Lloyd. Ich kann ein solches erzeugen, wenn ich den Luftstrom mehr auf den weichen Gaumen hin lenke und ein wenig nasaliere (Lloyds \u201ehinteres A\u201c). Leite ich ihn aber, wie gew\u00f6hnlich, nach vorn, haupts\u00e4chlich gegen den Oberkiefer, so entsteht unweigerlich /3 oder fis3. Thomson berichtet (2, S. 569), da\u00df er zuerst sein eigenes A bei lautem Vortrag und weiter Mund\u00f6ffnung = cis3 gefunden, sp\u00e4ter aber das A der gew\u00f6hnlichen Fl\u00fcster-Sprache an sich selbst wie an anderen = e3\u2014g3 erkennt habe. Im \u00fcbrigen mu\u00df zugegeben werden, da\u00df beim A wegen der weiten Mund\u00f6ffnung keine\nq Obige Angaben haupts\u00e4chlich in der lehrreichen Abh. 2, S. 568ff. Wie mir gesagt wird, stehen sie auch in seinem russisch geschriebenen Buche \u201eAllgemeine Sprachwissenschaft\u201c 1906, S. 183 und hat Thomson auch in seinen Arbeiten \u00fcber russische Dialekte das Hilfsmittel der Tonh\u00f6henbestimmungen vielfach verwendet.","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Fr\u00fchere Beobachtungen.\n153\nso scharfe Resonanz vorhanden ist wie bei den \u00fcbrigen Vokalen. Eine ganze Zone des Tongebietes wird diffus auf einmal verst\u00e4rkt, innerhalb deren bei einzelnen mit einer' gewissen Konstanz andere T\u00f6ne als f3 g3 hervortreten. An mir selbst h\u00f6rte ich gelegentlich bei besonders lautem Fl\u00fcstern (auf der Stra\u00dfe) c3. Bei zwei Damen mit sehr \u00fcberzeugendem Fl\u00fcster-A fanden sich sowohl c3 als g3 gleichzeitig vertreten. Bei Dr. v. Allesch, der ein ungew\u00f6hnlich helles A fl\u00fcstert, macht sich au\u00dfer fis3 sogar noch eine h\u00f6here Tonpartie, c4\u2014d4, geltend, dieselbe, die bei den Resonanzversuchen mit gesungenen Vokalen ein zweites Maximum darstellt.\nDiese Umst\u00e4nde machen die einhellige Bestimmung der Fl\u00fcsterh\u00f6hen beim A schwieriger als sonst. Die beste Hilfe ist wieder Vergleichung benachbarter Vokale und Beobachtung der so entstehenden Intervalle, z. B. zwischen \u00d6 und A oder O und A. A ist im 1. Fall um 1 \u2014 2 T\u00f6ne tiefer, im 2. um eine Quinte bis Sexte h\u00f6her. Unm\u00f6glich kann ich in dem \u00dcbergang von A zu E eine Oktave erkennen, wie man es nach der Abra-HAMschen Bestimmung erwarten sollte, sondern nur eine Quinte oder Quarte. Ebenso urteilten Dr. Sch\u00f6nem ann und andere dar\u00fcber befragte hochmusikalische Personen.\nDennoch ist nicht zu zweifeln, da\u00df Abraham seine eigenen Fl\u00fcsterh\u00f6hen richtig beobachtet hat. Diese weichen nur eben von den gew\u00f6hnlichen f\u00fcr O, OA und A erheblich ab. Es bleibt aber noch die Paradoxie, da\u00df er diese Laute besonders hell fl\u00fcstert, w\u00e4hrend seine Tonh\u00f6hen tiefer als sonst im Hochdeutschen hegen. Dar\u00fcber werden wir weiter unten bei den genetischen Betrachtungen eine wahrscheinliche Vermutung \u00e4u\u00dfern. In anatomisch-physiologischer Hinsicht w\u00e4re es wohl denkbar, da\u00df der Unterschied von Brachy- und Dolichokephalie hier von Einflu\u00df w\u00fcrde (v. Hornbostel, an dem er \u00e4hnliche Tonh\u00f6hen festgestellt hat, ist zwar dolichokephal, geh\u00f6rt aber \u2014 das gereicht ihm keineswegs zur Un-ehre \u2014 \u00fcberhaupt nicht zu den guten Fl\u00fcsterern).\nZuletzt hat R. Paget (1922) vollst\u00e4ndige Tabellen der Fl\u00fcsterh\u00f6hen ver\u00f6ffentlicht1), die er, wie Donders, Tr altmanist, Lloyd u. a. als Grundlage der ganzen Vokallehre zu betrachten scheint. Er schreibt jedem Vokal, auch U, 0, A, zwei durch eine L\u00fccke getrennte T\u00f6ne zu, einen tieferen ,,Resonatorton\u201c und einen h\u00f6heren \u201ePfeifton\u201c, die den beiden durch die Lage der Zunge im Munde gebildeten Hohlr\u00e4umen entsprechen2). Der obere steigt von U bisl in die H\u00f6he, der untere r\u00fcckt zun\u00e4chst in die H\u00f6he, dann wieder herunter (vgl. unsere Tafel S. 145). Der 1. liegt zwischen dis2, und e4, der 2. zwischen dis1 und ais2. Paget findet sie ebenso bei gesungenen Vokalen ; jeder Vokal habe aber eine gewisse Variationsbreite seiner T\u00f6ne.\nx) Die mir bekanntgewordenen Artikel (1) sind \u00e4u\u00dferst knapp gehalten und gestatten keinen n\u00e4heren Einblick in die Einzelheiten der Methode und Ergebnisse. Haupts\u00e4chlich hat P. mit dem blo\u00dfen Ohr gearbeitet, verlangt aber mit Recht f\u00fcr die Bestimmung der Fl\u00fcsterh\u00f6hen ein hervorragend gutes musikalisches Geh\u00f6r; sp\u00e4ter benutzte er auch (f\u00fcr gesungene Vokale) den ,,Kehltonschreiber \u2018 \u2018.\n2) Dieselbe Behauptung findet sich schon bei Lloyd (3), der aber die\ntieferen Resonanzen nicht n\u00e4her angibt.","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\t6. Kap. Die subjektiven Tonh\u00f6hen der stimmlosen Sprachlaute.\nDie oberen Komponenten Pagets decken sich gut mit den von uns angegebenen H\u00f6hen (soweit der Unterschied der Aussprache eine Vergleichung gestattet). Auch in der Oktavenlage ist kein Unterschied. Dagegen ist es mir nicht m\u00f6glich, aus den gefl\u00fcsterten U, O, A noch je 2 T\u00f6ne herauszuh\u00f6ren und im U einen Ton zu erkennen, der unterhalb b1 l\u00e4ge. Bei gesungenen Vokalen liegen die Verh\u00e4ltnisse anders: da hat U einen Oberformanten und lassen sich auch in einem starken 0 und A in unmittelbarer N\u00e4he noch mehrere Verst\u00e4rkungszonen unterscheiden (1. Kap.). Aber man darf nicht ohne weiteres f\u00fcr gefl\u00fcsterte und gesungene Vokale dieselben Strukturen verlangen, wenn auch gewisse wesentliche Z\u00fcge gemeinschaftlich sein m\u00fcssen. Und in beiden Gebieten ist mit den sich dem Ohr auf dr\u00e4ngenden T\u00f6nen noch bei weitem nicht die Ge samt Struktur gegeben.\nIm ganzen lehrt dieser \u00dcberblick doch, da\u00df die Beobachter seit mehr als einem Vierteljahrhundert fast ausnahmslos \u00fcbereinstimmen, die Fehler in Hinsicht der Oktavenlage ganz verschwunden sind und die \u00fcbrigbleibenden Verschiedenheiten wesentlich auf verschiedener Nuancierung desselben Vokals beruhen, wodurch sie den Zusammenhang der Fl\u00fcsterh\u00f6hen mit der Vokalit\u00e4t nur aufs neue best\u00e4tigen.\n4. Hauch- und Pfeift\u00f6ne.\nUnter Hauch t\u00f6nen verstehe ich die mit Aspiration gefl\u00fcsterten Vokale, wobei also keine Sprengung des Kehldeckels stattfindet, sondern die Luft durch die offene Glottis durchgesandt wird; wie in Hu, Ha. Die Hauchvokale bleiben gewisserma\u00dfen vom Ger\u00e4usch des H durchzogen. Man kann dabei gr\u00f6\u00dfere St\u00e4rke anwenden (Ha! gegen\u00fcber A), und dadurch wird auch die Tonh\u00f6he etwas ver\u00e4ndert. Im ganzen ist sie nat\u00fcrlich dieselbe.\nU kann man noch gut und kr\u00e4ftig auf c2 hauchen, wobei allerdings das Hauchen in ein Pfeifen m\u00fcndet. Auch nach oben kann seine Grenze noch gut bis g3 erweitert werden, ohne da\u00df 0 entst\u00e4nde. Die O-Zone selbst ist hier e2\u2014c3, die A-Zone e3\u2014a3. a3 kommt bei starkem Hauchen mit a2 zusammen heraus, so da\u00df die T\u00e4uschung entstehen kann, als h\u00e4tten hier 0 und A dieselbe H\u00f6he. Aber auch in diesem Falle scheint mir j3 vorhanden und wesentlich. \u00c4 kann man bis c4 treiben. E reicht in seinen Nuancen von b3 bis d4, I von c4 bis d4, dieses also etwas weniger hoch als beim reinen Fl\u00fcstern.\nAus dem Hauchen wird ein Pfeifen, sobald die Lippen einen so engen Kanal bilden, da\u00df ein Labialpfeifenton entsteht, der nebenher von Ger\u00e4uschen begleitet ist. Bei U und \u00dc ist dazu nur","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Hauch- und Pfeif t\u00f6ne.\n155\neine geringf\u00fcgige Ver\u00e4nderung erforderlich, eine etwas gr\u00f6\u00dfere bei I. Daher kommt es, da\u00df die entstehenden Pfeift\u00f6ne eine unverkennbare \u00c4hnlichkeit mit den genannten Vokalen haben. In ganz auff\u00e4lliger Weise gilt dies von \u00dc und dem Pfeift on \u00f63. Man kann direkt die Aufforderung stellen, ein \u00dc zu pfeifen, und wird fast unfehlbar von einigerma\u00dfen ge\u00fcbten Pfeifern b3 bekommen1). Dieser Ton ist eben im gefl\u00fcsterten \u00dc (wie im stimmhaften und gesungenen) als Hauptbestandteil enthalten.\nBei den \u00fcbrigen Vokalen ist die erforderliche Mundstellung eine f\u00fcr das Pfeifen ganz ungeeignete. Pfeift man aber die zwischen U = c2\u2014/2 und \u00dc = b3 liegenden T\u00f6ne selbst, so stehen sie ihrer Vokal\u00e4hnlichkeit nach jenen Nuancen am n\u00e4chsten, die durch Pl\u00fcstern beim stetigen \u00dcbergang von U nach I entstehen. Dies ist in Anbetracht der Einfachheit der Pfeift\u00f6ne (s. u.) f\u00fcr die allgemeine Theorie der Vokalit\u00e4t von Bedeutung.\nDer Umfang des menschlichen Pfeif registers deckt sich ziemlich genau mit dem des Fl\u00fcsterns, doch \u00fcberschreitet es die Grenzen des deutlichen und bequemen Fl\u00fcsterns nach beiden Seiten um 1\u20142 T\u00f6ne. Barth gibt an c2\u2014c5, Auerbach a1\u2014c4, Abraham \u2022eis2\u2014a4; bei mir ist er, wenn ich mich auf die \u00e4u\u00dfersten Grenzen ein\u00fcbe, a1\u2014/is4, bequem aber c2\u2014c4, bei einem daraufhin gepr\u00fcften S\u00e4nger gleichfalls c2\u2014c4, bei einer Kunstpfeiferin bis a4. Bei Kindern scheint das ganze Register etwas nach der H\u00f6he verschoben. In der H\u00f6he macht indessen die \u00dcbung betr\u00e4chtliche Unterschiede. Auf der Stra\u00dfe h\u00f6rt man pfeifende Kinder, auch gelegentlich Erwachsene, die sich noch in der oberen H\u00e4lfte der 4-gestrichenen Oktave mit Leichtigkeit bewegen; selbst ein d5 ist mir begegnet. Es ist \u00fcbrigens begreiflich, da\u00df man bei der Intensit\u00e4t der hohen Pfeift\u00f6ne (sie geh\u00f6ren zu den das Ohr am st\u00e4rksten angreifenden Lauten) die H\u00f6he weitertreiben kann als beim Fl\u00fcster-I.\nPfeif t\u00f6ne sind allem Anscheine nach v\u00f6llig einfache T\u00f6ne. Wenn man mit Interferenzr\u00f6hren den Grundton ausschaltet, bleibt nichts als das Blasen \u00fcbrig. Nun k\u00f6nnten zwar ungerade Teilt\u00f6ne vorhanden gewesen sein, die mit dem Grundton zusammen ausgeschlossen w\u00fcrden. Aber f\u00fcr solche sind schwebende Hilfsgabeln\n1) So auch Nagel. Man kann sogar \u2014 ein nicht unbekannter Scherz \u2014\nheim Aussprechen des Wortes \u201eh\u00fcbsch\u201c den Vokal pfeifen und trifft regel-\nm\u00e4\u00dfig die N\u00e4he von &3. Die Franzosen sollen es ebenso machen mit der\nFrage: \u201e Aimez-vous les confitures?\u201c\nAuerbach sagt von den Pfeift\u00f6nen \u00fcberhaupt (S. 690): \u201eDie n\u00e4chste Verwandtschaft unter den Vokalen ist die mit dem \u00dc.\u201c Dies geht aber zu weit.","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\t6. Kap. Die subjektiven Tonh\u00f6hen der stimmlosen Sprachlaute.\nvon ann\u00e4hernd gleicher H\u00f6he ein Pr\u00fcfungsmittel von idealer Feinheit: und sie zeigen nichts davon. Wahrscheinlich h\u00e4ngt die au\u00dferordentliche St\u00e4rke und die angreifende Wirkung hoher Pfeift\u00f6ne gerade mit ihrer Einfachheit zusammen, indem sich die ganze Energie der Schwingungen auf diesen einzigen Punkt der Tonlinie, also des aufnehmenden nerv\u00f6sen Endgebildes, konzentriert.\nHier liegt nun ein weiterer Grund, warum man U, \u00dc und I pfeifen kann, aber nicht A. Denn die Reihe der einfachen T\u00f6ne tr\u00e4gt, wie wir noch n\u00e4her ausf\u00fchren werden (13. Kap.), von den tiefsten bis in die N\u00e4he der unteren Pfeif tongrenze U-Charakter, in der 63-Gegend \u00dc- und weiter hinauf I-Charakter, w\u00e4hrend andere Vokalit\u00e4ten in ihr nur mit fern anklingenden \u00c4hnlichkeiten vertreten sind. Aus der v\u00f6lligen Einfachheit erkl\u00e4rt sich ferner zum gr\u00f6\u00dften Teil auch die bekannte Oktavent\u00e4uschung bei den tieferen Pfeift\u00f6nen. Im Grunde ist es verkehrt, zu sagen, da\u00df ein Pfeifton um 1\u20142 Oktaven zu tief gesch\u00e4tzt w\u00fcrde : wir m\u00fc\u00dften sagen, da\u00df gew\u00f6hnliche Kl\u00e4nge um soviel zu hoch erscheinen. Unser Urteil \u00fcber solche bezieht sich auf den Grundton; diesen meinen wir zu h\u00f6ren, er erscheint aber infolge der Obert\u00f6ne weit heller als es seiner Beschaffenheit an sich entspricht. Da nun die Kl\u00e4nge der Musik durchweg obertonhaltig sind, so hat sich unsere Vorstellung von den Tonlagen, dem 1-, 2-gestrichenen c usf. an ihnen gebildet, und wir messen nach ihnen die einfachen T\u00f6ne.\nEtwas d\u00fcrfte wohl auch der Umstand mitwirken, da\u00df bei allen durch unsere angeborenen Tonwerkzeuge hergestellten T\u00f6nen die jeweilige untere Grenze des betreffenden Registers uns wie eine absolute Tongrenze anmutet und daher die ihr nahe kommenden, auch nur mit einer einzigen Anstrengung zu erzeugenden T\u00f6ne einen absolut \u201etiefen\"1 Charakter annehmen. Da\u00df aber dieses Motiv nicht das entscheidende ist, geht daraus hervor, da\u00df auch durch Interferenzr\u00f6hren von ihren Obert\u00f6nen befreite T\u00f6ne leicht zu tief erscheinen. So hielt einer der gewiegtesten Instrumentenkenner, Prof. C. Sachs, ein solches c1 f\u00fcr c und einen nicht einmal ganz obertonfreien, nur besonders weichen c-Klang f\u00fcr C1).\n1) Auch der Kuckucksruf, der seiner Klangfarbe nach gleichfalls aus ganz oder nahezu einfachen T\u00f6nen bestehen mu\u00df, wird in der Regel eine\nOktave zu tief gesch\u00e4tzt. Selbst Baldamus (Das Leben der europ\u00e4ischen Kuckucke, 1892) notiert ihn e1 \u2014 c1 statt e2 \u2014 c2. Mit Recht findet er die\nT\u00f6ne U-\u00e4hnlich, worauf ja auch schon der Name des Vogels hindeutet; die Tonlage ist genau die eines tiefen Fl\u00fcster-U. Aber mit Unrecht meint er, man k\u00f6nne ihn nicht mit Instrumenten nachbilden: man braucht ihn nur in derselben H\u00f6he (also die tiefstm\u00f6gliche Terz) zu pfeifen, so glaubt man den Vogel zu h\u00f6ren.","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Tonh\u00f6hen der stimmlosen Konsonanten.\n157\nDas Zutieferscheinen gilt aber auch nur f\u00fcr die untere Gegend des Pfeifregisters. Sobald man gegen die 4-gestrichene Oktave kommt, h\u00f6rt die T\u00e4uschung auf, weil eben in dieser Gegend auch die gew\u00f6hnlichen Kl\u00e4nge schon weit weniger obertonhaltig sind und alle Klangarten einander \u00e4hnlich werden. Infolge dieses verschiedenen Eindruckes der tiefen und hohen Pfeift\u00f6ne erscheint uns der Umfang des Pfeif registers, der Abstand der h\u00f6chsten von den tiefsten T\u00f6nen weit gr\u00f6\u00dfer als 2 Oktaven zu sein. Es ist dieselbe Sache auch bei den subjektiven T\u00f6nen des Ohrenklingens, \u00fcber die ich (5) zahlreiche Beobachtungen machen konnte. Da sie um eine Oktave tiefer als die Pfeif- und Fl\u00fcstert\u00f6ne hinab-reichen, so nimmt der absolute Tiefeneindruck hier noch bedeutend zu. Die um c1 oder noch darunter liegenden erscheinen sozusagen unendlich tief. Es tritt da allerdings noch eine besondere T\u00e4uschungsquelle auf: die merkw\u00fcrdige Zerflossenheit in r\u00e4umlicher Hinsicht. Sie haben gegen\u00fcber den hohen, scharf umrissenen etwas Nebul\u00f6ses, \u00e4hnlich wie die T\u00f6ne gegen die wirkliche untere Tongrenze hin. Auch die Lokalisation im rechten und linken Ohr, die bei den h\u00f6heren subjektiven T\u00f6nen ganz unzweideutig und unfehlbar ist, nimmt hier an Sch\u00e4rfe ab.\nAuf die Tiefersch\u00e4tzung der Fl\u00fcstervokale bei fr\u00fcheren Beobachtern k\u00f6nnen aber diese Erkl\u00e4rungsgr\u00fcnde nicht wohl Anwendung finden. Sie erstreckt sich ja auch auf die helleren Vokale. Es scheint hier vielmehr eine allgemeine Eigent\u00fcmlichkeit der Ger\u00e4usche von Einflu\u00df. Auch wenn man \u00fcber die \u00d6ffnung des Resonanzkastens einer Gabel hin bl\u00e4st, hat man den Eindruck einer tieferen Oktave des Stimmgabeltones.\n5. Tonh\u00f6hen der stimmlosen Konsonanten.\nObgleich diese einen noch weniger tonal\u00e9n Charakter tragen als die Fl\u00fcstervokale, lassen sich doch auch bei ihnen durchweg gewisse Tonh\u00f6hen erkennen, und es sind auch bereits Angaben ver\u00f6ffentlicht, unter denen die neueren recht gut miteinander stimmen1). Ein gutes Mittel, sich dar\u00fcber klar zu werden, ist oft, bei unver\u00e4nderter Mundstellung den dieser Stellung entsprechenden\n1) Da\u00df die von Oskar Wolf fr\u00fcher angegebenen Tonh\u00f6hen der Konsonanten nicht nur von v. Bezold, sondern auch noch von Urbantschitsch (Lehrb. d. Ohrenheilkunde) u. a. zugrunde gelegt wurden, war ganz ungerechtfertigt. Der AppuNNsche Obertonapparat, mit dem Wolf die Konsonantenger\u00e4usche verglich, eine Metallzungenserie, war ein gar zu ungeeignetes Hilfsmittel; das schlechteste Klavier h\u00e4tte bessere Dienste getan. Auch Merkels Notierungen der Konsonanten sind sehr unzuverl\u00e4ssig.","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\t6- Kap. Die subjektiven Tonh\u00f6hen der stimmlosen Sprachlaute.\nVokal zu fl\u00fcstern. Die H\u00f6he des Vokals ist dann auch die des Konsonanten. Dieser m\u00fcndet eben in den ganz leise und kurz angeh\u00e4ngten Vokal. Doch ist nat\u00fcrlich hier Vorsicht in der Ausf\u00fchrung n\u00f6tig.\nDas folgende Verzeichnis enth\u00e4lt die von mir beim eigenen stimmlosen Aussprechen beobachteten Tonh\u00f6hen der wichtigsten Konsonanten in alphabetischer Ordnung. . Von vornherein sei aber betont, da\u00df die H\u00f6hen je nach der Aussprache innerhalb gewisser Grenzen variieren. Namentlich bei K, Sch und Ch gutt., aber auch selbst bei S kann dies leicht eine Quinte und mehr ausmachen. Daher sind auch individuelle Unterschiede nur zu erwarten. Die angegebenen H\u00f6hen sind die meinigen bei bequemer mittelheller Aussprache.\nKonsonanten\tTonh\u00f6hen\tKonsonanten\tTonh\u00f6hen\nB\te3 \u2014 fis3\tM\tdes3\u2014f3\nCh insgesamt\tc1-^4\tN\tas3 \u2014h3\nCh gutt. a) dunkelstes\tes2\tNg\tc3\u2014des3\nb) wie in Ach\tb'2 \u2014es3\tP\tcis3\u2014a3 (f3)\nCh pal.\tdi-gi\tR ling.\tFisv e2 \u2014 f3 (c3)\nD F\tg3 P-g3\tS\tg3 \u2014b3\nG\ta3\tSch\tg'2\u2014c4 (fis3)\nH\te3\t\t\nK\te2\u2014a3 (d3)\tT\tg3\u2014a3\nL\t/2 \u2014a2, as3 \u2014b3\tW\td3\nDas \u00dcberwiegen der 3-gestrichenen Oktave, und namentlich deren mittlerer Gegend, ist auffallend. Bei mehreren Konsonanten mit sehr weiten Grenzen der m\u00f6glichen Tonh\u00f6hen ist in Klammern die mittlere H\u00f6he beigef\u00fcgt, wie man sie beim bequemen stimmlosen Aussprechen zu w\u00e4hlen pflegt. Genau betrachtet, beruhen die Variationen darauf, da\u00df diese Konsonanten, auch wenn man sie so isoliert als m\u00f6glich gibt, doch immer in einen, wenn auch nur kurz angedeuteten Fl\u00fcstervokal auslaufen. Die mittlere H\u00f6he entspricht eben einem mittelhellen Vokal. Schickt man den Vokal voraus, so ist die Wirkung dieselbe. Desgleichen macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die Konsonanten mit stimmhaften oder mit gefl\u00fcsterten Vokalen verbunden werden. Deshalb gilt unsere Tabelle in der Hauptsache auch f\u00fcr Konsonanten im Zusammenh\u00e4nge des gew\u00f6hnlichen Sprechens. Nat\u00fcrlich kommt hier auch noch die angenblickliche H\u00f6he des Stimmtones hinzu.","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber einzelne Konsonanten.\n159\n6. Bemerkungen \u00fcber einzelne Konsonanten.\nCh hat die gr\u00f6\u00dfte Variationsbreite. Vom dumpfsten \u201eUch\u201c bis zum spitzigsten \u201eIch\u201c umfassen seine Tonh\u00f6hen den Gesamt -bereich der Fl\u00fcstervokalh\u00f6hen, ja sie reichen noch \u00fcber die des isolierten Fl\u00fcster-I hinaus. Die beiden im vorigen Abschnitt untersuchten Formen, Ch gutturale und Ch palatale, sind noch besonders aufgef\u00fchrt. Bei dem gew\u00f6hnlichen Ch gutt. sind 2 gleichzeitige T\u00f6ne, neben dem h\u00f6heren Hauptton ein tieferer Unterton, bemerkbar.\nF\u00fcr H ist die H\u00f6he angegeben, die es bei m\u00f6glichst vokalfreier Aussprache hat. Freilich ist es nie ganz vokalfrei. Schon Purkinje hat (nach Br\u00fccke) bemerkt, da\u00df in das H die qualitativen Verschiedenheiten der s\u00e4mtlichen Vokale und aller \u00fcbrigen Laute eingehen.\nVon den Explosivlauten hat K die gr\u00f6\u00dfte Variationsbreite. Die des P d\u00fcrfte eine Sexte, die des T einen Ganz ton nicht viel \u00fcberschreiten (man fl\u00fcstere z. B. ut\u2014et). Allerdings m\u00f6gen hier, wie auch sonst bei den Konsonanten, individuelle Verschiedenheiten eine Bolle spielen. Doch gilt wohl allgemein, da\u00df P und besonders T mehr als K gegen\u00fcber den damit verbundenen Vokalen ihre Selbst\u00e4ndigkeit bewahren.\nL, das wir akustisch richtiger den Vokalen zurechnen zu m\u00fcssen glauben, hat neben dem haupts\u00e4chlich hervortretenden as3\u2014b3 einen leisen Unterton /2\u2014a2, \u00e4hnlich den Untert\u00f6nen der hellen Fl\u00fcstervokale und identisch mit dem Ton eines gefl\u00fcsterten 0.\nZur H\u00f6henbestimmung der Nasalkonsonanten vergleiche man sie nicht nur untereinander, sondern auch mit Fl\u00fcstervokalen, z. B. N mit \u00c4, dann mit 0 : im 1. Falle sind die Tonh\u00f6hen identisch, im 2. gibt N die h\u00f6here Oktave von 0. Ng, M, N kann man als aufgel\u00f6sten Dreiklang c3, es3 (e3), g3 fl\u00fcstern.\nDie stark ver\u00e4nderliche Tonh\u00f6he des stimmlosen Zungen-R. ist nicht leicht zu erkennen. Man findet sie besser, wenn man ohne sonstige Ver\u00e4nderung der Mundh\u00f6hle ein Sch nachschickt. In der Tat ist im R ein leises Sch von seiner Tonh\u00f6he enthalten. Zu dieser Ger\u00e4uschh\u00f6he kommt nun der tiefe Brummton Fis1 hinzu, der vom Wechsel des hohen Tones unber\u00fchrt bleibt. Er ist augenscheinlich ein Oberton des durch die Zungenschwingung direkt erzeugten, an sich unh\u00f6rbaren Grundtons. Da die Zahl der Unterbrechungen nach Hermanns und sp\u00e4teren Messungen bei einem guten Zungen-R 20\u201425 betr\u00e4gt, also der Grundton zwischen E2 und Gis2 liegen mu\u00df, so stimmt die geh\u00f6rte H\u00f6he gut mit dieser Deutung \u00fcberein. \u00dcbrigens k\u00f6nnte der Ton auch Fis sein, w\u00e4re dann also","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\t6. Kap. Die subjektiven Tonh\u00f6hen der stimmlosen Sprachlaute.\nerst der 4. Teilton. Ihn als \u201eUnterbrechungston\u201c zu bezeichnen, scheint mir nicht korrekt, auch abgesehen davon, da\u00df die sog. Unterbrechungst\u00f6ne nach den Untersuchungen von Schaefer und Abraham sowie von F. A. Schulze als objektive T\u00f6ne anzusehen sind. Jedenfalls wird hier nicht ein Klang unterbrochen, sondern durch die Zungenschwingungen ein Klang erzeugt, wie von einer schwingenden Metallzunge oder dem Propeller eines Luftschiffes. Zu dem Gesamtcharakter des Lautes tr\u00e4gt dieser tiefe Ton entschieden bei, indem er etwas U-artiges hineinbringt.\nIm S sind au\u00dfer den klar erkennbaren Ger\u00e4uschh\u00f6hen der 3-gestrichenen Oktave auch noch gelegentlich, besonders bei ganz leisem Fl\u00fcstern, einzelne T\u00f6ne der 6-gestrichenen Oktave zu h\u00f6ren. In einem besonderen Falle konnten wir einen solchen als J6 bestimmen (s. S. 125ff.). Aber unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden versagt in dieser H\u00f6he nicht nur das absolute Tonbewu\u00dftsein, sondern auch die Vergleichung mit tieferen T\u00f6nen zur Intervallbestimmung. Innerhalb des eigentlichen Zischger\u00e4usches, des die 4-gestrichene Oktave ausf\u00fcllenden Formanten, sind f\u00fcr mein Ohr weder einzelne T\u00f6ne noch Ger\u00e4uschteile von deutlich ausgesprochener H\u00f6he erkennbar. Nur unter besonderen experimentellen Umst\u00e4nden scheint die wahrnehmbare Ger\u00e4uschh\u00f6he von az noch bis gr4 oder d5 zu steigen.\nAuch hier seien zur Vergleichung noch die Angaben anderer Beobachter beigef\u00fcgt, die stimmlose Konsonanten nach dem unmittelbaren subjektiven Geh\u00f6rseindruck untersuchten. Sie ber\u00fccksichtigten aber fast nur die Reibelaute. Wo mittlere Werte angegeben wurden, sind sie wieder in Klammern beigef\u00fcgt.\n\tMichaelis (1)\tTrautmann\tLloyd (3)\nCh insgesamt Ch gutt.\t-\t\tc2\u2014jis^\ndunkelstes helleres\tes2 \u2014e2 \u00d6T2-^2\tJ d3-/3\tfis3\nCh pal.\t&4-ft4\t94\tes4\nF\t/4\t/3\t/2-/4 (/3)\nH\t\u2014\t\u2014\td3-/4 (e3)\nR ling.\t\u2014\t/3 + a3\t\u2014\nS Sch\tai \u2014 bi d4 \u2014es4\ta3 (mittleres) a3 + d4\ti s\nW\t\u2014\te3 + g3 (engl. =U=<72)\t\u2014\nDie Angaben stimmen mit denen des Verfassers im ganzen recht gut \u00fcberein. In einigen F\u00e4llen m\u00f6gen Oktavent\u00e4uschungen","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber einzelne Konsonanten.\n161\nnach der H\u00f6he zu vorliegen, so bei der Notierung des F, S, Sch durch Michaelis und des Ch durch Lloyd1).\nNeuerdings hat Paget (2), wie von Fl\u00fcstervokalen, auch von stimmlosen Konsonanten auf Grund direkten H\u00f6rens \u201eResonanzh\u00f6hen\u201c angegeben, um sie dann mit Hilfe darauf abgestimmter komplizierter Hohlr\u00e4ume k\u00fcnstlich nachzubilden. Er glaubt \u00fcberall eine Mehrzahl von Tonh\u00f6hen zu beobachten. So bei L: b\u2014as1, f2, as3\u2014h3 (nach den von ihm angegebenen Schwingungszahlen der chromatischen Leiter mit C = 64); bei Ng: as\u2014b, cis2\u2014fis2, c3\u2014fis3; bei S: a\u2014as1, b2, cis3\u2014d1, fis5\u2014a5. Auch hier finden sich zumeist, erfreulich genaue Koinzidenzen mit unseren Angaben: so bei L die 2. und 3., bei Ng und S die 3. der angegebenen H\u00f6hen. Aber die tiefsten Resonanzen in der kleinen bis 1-gestrichenen Oktave (\u201ethroatresonances\u201c) erscheinen mir sehr zweifelhaft. Einigerma\u00dfen kr\u00e4ftige Ger\u00e4uschteile von dieser tiefen Lage sind nach den Interferenzversuchen in diesen Konsonanten nicht enthalten ; schlie\u00dft man alles dar\u00fcber Liegende aus, so h\u00f6rt man \u00fcberhaupt nichts mehr. Nun w\u00e4re zwar denkbar, da\u00df sehr schwache tiefe Ger\u00e4uschteile durch R\u00f6hreneinstellungen auf h\u00f6here vernichtet w\u00fcrden. Aber wenn sie so schwach sind, wird eben die Feststellung ihrer Tonh\u00f6hen innerhalb des Gesamtger\u00e4usches durch direktes Heraush\u00f6ren kaum m\u00f6glich sein. Man vermi\u00dft hier wie bei den Vokalen Aufkl\u00e4rungen \u00fcber das methodische Vorgehen und die Kontrollma\u00dfregeln. Schlie\u00dflich k\u00f6nnte aber auch die englische Aussprache hier Unterschiede bedingen.\nWeitere Vergleichungspunkte bietet die Tabelle der Hermann-schen \u201eFormanten\u201c (o. S. 130), insbesondere f\u00fcr die in stimmloser Form gepr\u00fcften: Ch. F, S, Sch. An diesen zeigt sich, da\u00df die von Hermann gefundenen Maxima mit den subjektiven Tonh\u00f6hen unserer Tabelle im wesentlichen zusammenfal-len. Bei den stimm-\nx) Lloyd fand die Bestimmung der Oktavenlage durch das blo\u00dfe Ohr \u00fcberhaupt unm\u00f6glich und benutzte einen physikalischen Umweg : Messung der L\u00e4nge einer R\u00f6hre, die beim Dar\u00fcberblasen ein m\u00f6glichst gleich hohes Ger\u00e4usch gibt. Aber bei der Vergleichung der beiden Ger\u00e4usche kann man auch fehlgehen. Ich habe es nicht zu schwer gefunden, die Oktavenlage hier wie bei den Vokalen durch die Verschmelzung mit Klaviert\u00f6nen zu kontrollieren.\nEigent\u00fcmlich ist es, da\u00df die Oktavent\u00e4uschungen, wenn es sich in den obigen F\u00e4llen um solche handelt, bei Konsonanten nach oben gehen, bei Vokalen aber regelm\u00e4\u00dfig nach unten. Der Unterschied k\u00f6nnte mit der verschiedenen absoluten H\u00f6he Zusammenh\u00e4ngen: die Vokale sind im ganzen tiefer, erscheinen auch volumin\u00f6ser, besonders die dunkleren und zumeist das U, wo die T\u00e4uschung am st\u00e4rksten ist. Aber zun\u00e4chst liegen zu wenig sichere F\u00e4lle von Oktavent\u00e4uschung bei Konsonanten vor, um sich dar\u00fcber Gedanken zu machen.\nStumpf, Sprachlaute.\tii","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\t6. Kap. Die subjektiven Tonh\u00f6hen der stimmlosen Sprachlaute.\nhaften Lauten freilich sind nach dem dort Bemerkten Abweichungen verst\u00e4ndlich.\nNach den mitgeteilten H\u00f6hen der stimmlosen Vokale und Konsonanten k\u00f6nnte man nun versuchen, die \u201eFl\u00fcstermelodieC\u00a3 eines ganzen Wortes, ja Satzes, in Noten aufzuschreiben, die hier schon durch den Text festgelegt ist. Aber wenn Notierungen lautgesprochener S\u00e4tze noch einen gewissen Zweck haben k\u00f6nnen : hier w\u00e4ren sie ganz nutz- und sinnlos, da diese Tonh\u00f6hen so schwach ausgepr\u00e4gt sind, da\u00df man sie bei dem Vor\u00fcberhuschen in der lebendigen Rede unm\u00f6glich im Zusammenh\u00e4nge wahrnehmen kann. So w\u00fcrde ein solches Notenbild uns nur den Wesensunterschied von Ger\u00e4uschen und T\u00f6nen aufs neue zum Bewu\u00dftsein bringen. Au\u00dferdem sind ohne Zweifel auch beim Fl\u00fcstern die relativen Ruhepunkte der Sprachmelodie unter sich durch stetige \u00dcberg\u00e4nge verbunden. Die einzelnen Laute, Konsonanten wie Vokale, schwanken w\u00e4hrend ihrer kurzen Dauer in der Nuance, daher auch in der H\u00f6he, wenngleich wohl in geringerem Ma\u00dfe als beim stimmhaften Sprechen. Diese Fluktuationen lassen sich aber in unseren Noten nicht wiedergeben, man m\u00fc\u00dfte denn noch viele besondere Zeichen einf\u00fchren, wof\u00fcr es dann doch wieder an Anwendungsm\u00f6glichkeiten fehlen w\u00fcrde.\n7. Verschiebung der Tonh\u00f6hen stimmloser Laute bei Interferenz versuchen.\nBei Ab- und Aufbaureihen zeigen sich in Verbindung mit den Umwandlungen der Ger\u00e4uschlaute selbst auch Ver\u00e4nderungen ihrer H\u00f6he, die einem bestimmten Gesetze zu folgen scheinen. Diese Frage habe ich nicht systematisch untersucht, aber \u00f6fters von den Beobachtern Angaben erhalten, aus denen hervorzugehen scheint, da\u00df die Klangh\u00f6he der Ger\u00e4usche beim Aufbau (wo also zun\u00e4chst nur ein unterer Teil vorhanden, die ganze dar\u00fcberliegende Strecke aber abgeschnitten ist) in der Regel nahe an der oberen Grenze der jeweilig vorhandenen Ger\u00e4uschmasse liegt. Ist aber ein bestimmter kritischer Punkt erreicht, n\u00e4mlich die in dem betreffenden Laut (Vokal oder Konsonant) beim interferenzfreien H\u00f6ren wahrnehmbare H\u00f6he, so bleibt er darauf liegen, auch wenn er sich durch Freigabe weiterer Strecken noch etwas vervollkommnet oder verst\u00e4rkt. Doch scheint auch schon vorher die Tonh\u00f6he nicht durchweg stetig zu steigen, sondern \u00f6fters sprungweise, indem sie etwa in einem Unterformanten eine Weile liegenbleibt (s. die Beobachtungen beim L, S). Bis zum kritischen Punkte liegt die Tonh\u00f6he zun\u00e4chst etwa 1 Ton unterhalb der der","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Verschiebung der Tonh\u00f6hen stimmloser Laute bei If.-Versuchen. 103\nEinstellungsgrenze entsprechenden Tonh\u00f6he, dann steigt diese Differenz bis zu einer Quarte (infolge der wachsenden If.-Breite). Beim Abbau ist es nat\u00fcrlich umgekehrt: die Ver\u00e4nderung der Tonh\u00f6he beginnt erst, wenn der kritische Punkt nach unten hin \u00fcberschritten ist.\nBeispielsweise war die Tonh\u00f6he f\u00fcr U, O und A bei Einstellung bis 18 cm (wobei also das Tonbereich etwa von a1 aufw\u00e4rts abgeschnitten war) gemeinschaftlich a1, bei Einstellung bis 12 es2. Die H\u00f6he eines hellen Sch reichte f\u00fcr den Beobachter Abraham, der infolge seines hervorragenden absoluten Geh\u00f6rs \u00f6fters von selbst Veranlassung nahm, sich dar\u00fcber zu \u00e4u\u00dfern, beim Aufbau bis h3 oder c4 (f\u00fcr mich lag sie immer etwas unter den von ihm angegebenen H\u00f6hen und blieb zuletzt auf b3 liegen). Beim Aufbau eines scharfen S war die Tonh\u00f6he f\u00fcr Dr. Abraham bei Einstellung (immer von oben herab) bis 4,6 g3, bis 2,6 gr4 und schien auf d5 liegenzubleiben, wo freilich auch f\u00fcr das beste musikalische Geh\u00f6r das H\u00f6henurteil unter so schwierigen Umst\u00e4nden unsicher wird. Ch pal. hatte bei Einstellung bis 13 die H\u00f6he &1, r\u00fcckte dann bis fisA hinauf und blieb dort liegen. Bei einer Einstellung bis 5 war die Tonh\u00f6he f\u00fcr Sch, S, F, Ch gleichm\u00e4\u00dfig d3 usf.\nDiese Beobachtungen f\u00fcgen sich, wenn man die Tabelle S. 158 zum Vergleich heranzieht, der obigen Hegel, ausgenommen die beim S, dessen Tonh\u00f6he im unversehrten Zustand danach gr4, ja d5 sein m\u00fc\u00dfte. Wenn nicht zuf\u00e4llig bei diesem Versuch ein \u00fcberscharfes S gegeben wurde, k\u00f6nnte die Erkl\u00e4rung darin liegen, da\u00df das unversehrte S mehrere Ger\u00e4uschh\u00f6hen bes\u00e4\u00dfe, eine bei g3 \u2014 b3, eine bei gi\u2014db, wo das eigentlich Zischende zustande kommt, und da\u00df f\u00fcr manche Beobachter die tiefere, f\u00fcr andere die h\u00f6here hervortr\u00e4te; \u00e4hnlich wie es beim gefl\u00fcsterten A zu sein scheint. Bei Aufbauversuchen, wo die Aufmerksamkeit auf das neu Hinzukommende gerichtet ist, w\u00e4re es m\u00f6glich, da\u00df die h\u00f6chsten Ger\u00e4uschlagen, deren Tonh\u00f6he sich sonst f\u00fcr die meisten nicht gesondert abhebt, bemerkbar werden.\nBei Stichversuchen mit Fl\u00fcstervokalen wurden ebenfalls gelegentlich nicht uninteressante Tonh\u00f6hen\u00e4nderungen beobachtet. So r\u00fcckte die H\u00f6he eines sehr dunkel gefl\u00fcsterten U, wenn man mit Stichen von Einstellung 13 allm\u00e4hlich bis zu 20 \u00fcberging, von d2 bis g2 und a2 hinauf, ging dann aber von 22 ab wieder auf f2 und d2 zur\u00fcck. Dies ist wohl so zu deuten, da\u00df zun\u00e4chst durch Herausnahme eines tieferen Ger\u00e4uschteils aus dem Formanten eine Erh\u00f6hung eintritt, dann aber, nachdem die untere Formantgrenze nach unten \u00fcberschritten ist und somit Stichversuche zun\u00e4chst keine Ver\u00e4nderung mehr bewirken k\u00f6nnen, die Tonh\u00f6he wieder auf den urspr\u00fcnglichen Stand des unversehrten U zur\u00fcckkehrt.\nStellt man auf die einem Fl\u00fcstervokal zugeh\u00f6rige Tonh\u00f6he selbst ein, so wird er keineswegs vernichtet, wie man erwarten m\u00fc\u00dfte, wenn die Tonh\u00f6hen (gem\u00e4\u00df der seit Donders herrschenden Anschauung) mit den Formanten oder Formantzentren identisch w\u00e4ren. Der Vokal wird nur ganz wenig ver\u00e4ndert. Dies leitet uns zur n\u00e4chsten Frage:\n11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\t6- Kap. Die subjektiven Tonh\u00f6hen der stimmlosen Sprachlaute.\n8. Deutung der gefundenen Tonh\u00f6hen.\nSchon ein Blick auf das Schema S. 107, worin die Tonh\u00f6hen der mit Interferenz untersuchten stimmlosen Laute durch Kreuze bezeichnet sind, l\u00e4\u00dft die auff\u00e4llige Tatsache erkennen, da\u00df sie sich in einem verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig engen Bezirk, zwischen /2 und /4, zusammendr\u00e4ngen, und da\u00df weitaus die meisten, besonders die der Konsonanten, der 3-gestrichenen Oktave angeh\u00f6ren. In der Tabelle S. 158, die noch mehr Konsonanten umfa\u00dft, tritt dies noch umfassender zutage. Viele Konsonanten k\u00f6nnen danach \u00fcberhaupt in gleicher H\u00f6he gesprochen werden. Ja es k\u00f6nnen auch Konsonanten mit Vokalen (wie N, L, S mit A) dieselbe H\u00f6he haben. Unm\u00f6glich also, in diesen Tonh\u00f6hen die Formanten zu erblicken. Stehen sie nun ganz au\u00dfer Beziehung zu diesen, und welches ist ihre positive Bedeutung?\na) Wir betrachten zuerst die Vokal h\u00f6hen im Anschlu\u00df an das Schema S. 107. Die H\u00f6hen liegen f\u00fcr U, O, A an ihren oberen For-mantgrenzen, f\u00fcr \u00d6 in seiner Formantmitte, f\u00fcr \u00c4 bis I dicht an ihrer unteren Formantgrenze. Die Erkl\u00e4rung dieser anscheinend gesetzlosen Lagen ergibt sich, wenn ich recht sehe, aus den Formant-zentren der gesungenen Vokale in Verbindung mit einer zun\u00e4chst vielleicht gewagt erscheinenden Hypothese1). Die Formant-zentren der gesungenen U, O, A liegen ziemlich genau eine Oktave tiefer als die T\u00f6ne der gefl\u00fcsterten. Denn das gesungene U hat sein (bewegliches) Formantzentrum von g1 abw\u00e4rts, 0 das seinige bei g1\u2014c2, A um g2, die Fl\u00fcsterh\u00f6hen aber sind bzw. bx\u2014/2, g2\u2014b2, f3\u2014g3. Da nun, wovon sich jeder leicht \u00fcberzeugen kann2), die Mundh\u00f6hle beim Singen und Fl\u00fcstern eines Vokals genau in gleicher Weise eingestellt ist, also dieselbe Resonanz gibt, so m\u00fcssen eben die Fl\u00fcstert\u00f6ne von U, O, A die ersten Obert\u00f6ne, also sozusagen \u00dcber-blasungsger\u00e4usche der jeweiligen Mundh\u00f6hlenger\u00e4usche sein. Wir wissen, da\u00df bei vielen Instrumenten nur \u00dcberblasungst\u00f6ne zum Vorschein kommen. Wenn es nun auch zuerst seltsam klingt, beim Fl\u00fcstern von \u00dcberblasung zu reden, so wird die Mundh\u00f6hle beim Fl\u00fcstern doch wohl immer noch st\u00e4rker angeblasen als beim Singen und sind wir \u00fcber die Bedingungen des \u00dcberblasens unter diesen besonderen Umst\u00e4nden noch zu sehr im unklaren, als da\u00df ein Ein wand daraus hergeleitet werden k\u00f6nnte.\nVon hier aus ergibt sich auch eine wahrscheinliche Erkl\u00e4rung f\u00fcr die von O. Abraham beobachteten Fl\u00fcsterh\u00f6hen des O, AO und A, f\u00fcr die\n1)\tDie Frage, warum die Formanten der tiefen Fl\u00fcstervokale gegen\u00fcber denen der gesungenen etwas nach oben verschoben sind, kann hier beiseite bleiben. Wir behandeln sie im 13. Kapitel.\n2)\tVgl. auch Garten 3, VIII, S. 18.","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Deutung der gefundenen Tonh\u00f6hen.\n165\nman, da er diese Vokale heller als die meisten meiner Versuchspersonen gibt, h\u00f6here T\u00f6ne erwarten m\u00fc\u00dfte, w\u00e4hrend er tiefere an sich beobachtet hat. Wahrscheinlich kommt es daher, da\u00df er eben nicht \u00fcberbl\u00e4st, sondern das Grundger\u00e4usch seiner Vokale fl\u00fcstert. Seine T\u00f6ne sind in der Tat einfach die Formanten, nicht deren h\u00f6here Oktaven. Und so d\u00fcrfte auch bei v. Hornbostel dasselbe der Fall sein.\nZugleich wird aber jetzt besonders deutlich, warum man die Formanten der stimmhaften Vokale nicht prim\u00e4r aus den Fl\u00fcsterh\u00f6hen ableiten darf. Der Verfasser selbst geriet infolge dieser Annahme lange Zeit in ein peinigendes Dilemma, da das gesungene A ein Resonanzmaximum bei g2 aufwies, w\u00e4hrend die Fl\u00fcsterh\u00f6he eine Oktave h\u00f6her lag. Seltsamerweise scheint diese Paradoxie bisher niemand aufgefallen zu sein, obgleich die beiden Tatsachen vielen bekannt waren.\nBei den \u00fcbrigen Vokalen, vom \u00d6 an, decken sich die beobachteten H\u00f6hen ohne weiteres mit den Formantzentren der gesungenen Vokale. Hier handelt es sich also um die Grundschwingungen der durch das Fl\u00fcstern angeblasenen Mundh\u00f6hle. F\u00fcr die hellsten Vokale, \u00c4, \u00dc, E, I, ergibt sich so dieselbe Regel wie f\u00fcr die meisten musikalischen Kl\u00e4nge : wie dort der Grundton die wahrgenommene Tonh\u00f6he bestimmt, so hier der unterste Teil des Ger\u00e4uschformanten. Wahrscheinlich besitzt diese Stelle der Ger\u00e4uschschwingungen eine besondere St\u00e4rke oder Dichtigkeit.\nIch habe auch versucht, Resonanzgabeln durch Fl\u00fcstervokale zum Mitschwingen zu bringen, nicht (wie bei den gesungenen) zum Zwecke der Analyse, sondern nur, um die Ergebnisse der Formant- und Tonh\u00f6hebestimmungen dadurch zu kontrollieren. Gefl\u00fcstertes U brachte fis1, ein sehr dunkles c2, dis2, e2 schwach zum Mitschwingen. Hier entspricht fis1 wahrscheinlich direkt der Mundresonanz, die h\u00f6heren T\u00f6ne aber ihrer jeweiligen Oktave, wie sie in den Fl\u00fcsterh\u00f6hen geh\u00f6rt wird. Auf O reso-nierte a1, aber auch g2 und sogar (bei hellerem O) h2 ; was ebenso zu deuten sein wird. Auf offenes O (Oa) resonierte am st\u00e4rksten /2, auf Ao h2. Auf A schwangen alle Gabeln von f2 bis /3, aber alle recht schwach. Wurde besonders stark gefl\u00fcstert, mehr gehaucht oder gefaucht, so resonierte am st\u00e4rksten h2 (st\u00e4rker allerdings auf Ao als auf ein helles A). Hier zeigt sich jene diffuse Resonanz, von der wir oben sprachen, wie sie auch dem unmittelbaren Eindruck entspricht; und zwar ist sie \u00fcber die ganze Formantregion ausgedehnt, nicht blo\u00df auf einen Grundton und seine Oktave. Bei \u00d6 resonieren schwach a3 und b3: die Fl\u00fcsterh\u00f6hen in ihrer wirklichen Lage.\nMan kann aus diesen Versuchen auch schlie\u00dfen, da\u00df beim Fl\u00fcstern der dunklen Vokale der der Mundresonanz entsprechende Grundton im Luftr\u00e4ume stark genug vorhanden ist, um noch eine sehr empfindliche Gabel anzuregen, aber nicht stark genug, um selbst noch aus dem Ger\u00e4usch als ma\u00dfgebende Tonh\u00f6he herausgeh\u00f6rt zu werden. Auch beim A macht sich dies noch insofern geltend, als die f\u00fcr das Ohr (wenigstens das des Verfassers) ma\u00dfgebende Tonh\u00f6he eine Oktave \u00fcber dem untersten Ton des Resonanzbereiches liegt, h2 als Resonanzton eines Ao bleibt allerdings dabei etwas befremdlich.\nIm \u00fcbrigen ist mit Resonanz versuchen bei den Fl\u00fcster vokalen begreiflicherweise nicht viel zu erreichen.","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\t6- Kap. Die subjektiven Tonh\u00f6hen der stimmlosen Sprachlaute.\nb) Bei den Konsonanten, soweit sie hier untersucht wurden, liegen die beobachteten Tonh\u00f6hen zum Teil wieder am unteren Ende ihrer Formanten. Es gilt also insoweit dieselbe Regel und Deutung wie bei den hellen Fl\u00fcstervokalen. Bei anderen dagegen, n\u00e4mlich den nasalierten und den Zischlauten F und S, liegen die f\u00fcr mich deutlich bemerkbaren Tonh\u00f6hen mehr oder weniger tief unter dem Formanten. Bei S und F d\u00fcrfte es sich um ,,Schneiden -t\u00f6ne\u201c handeln, die durch das Vorbeistreichen der Luft an den Z\u00e4hnen entstehen, \u00e4hnlich wie solche bei zu schwachem Anblasen der Galtonpfeife auftreten. Bei den nasalierten Konsonanten d\u00fcrfte der geh\u00f6rte Ton durch Anblasen der Nasenh\u00f6hle, bei L durch Anblasen des infolge Vorlegung der Zunge gebildeten Hohlraums zustande kommen.\nDas beschriebene Emporsteigen der geh\u00f6rten Tonh\u00f6hen beim Aufbau der stimmlosen Laute versteht sich im allgemeinen, wenn man annimmt, da\u00df die Tonh\u00f6he durch das jeweilig h\u00f6chstliegende in dem Ger\u00e4usch vorhandene relative Maximum bestimmt wird. Mit der Erreichung des Formanten ist zugleich das letzte Maximum erreicht, und so wird die Tonh\u00f6he da liegenbleiben.\nR\u00fcckblickend sehen wir, da\u00df die subjektiven Tonh\u00f6hen der stimmlosen Laute zwar nicht als prim\u00e4re Kennzeichen f\u00fcr die Formanten dienen k\u00f6nnen, von denen sie in verschiedenen F\u00e4llen bedeutend abweichen, da\u00df sie aber zumeist in verst\u00e4ndlichen Beziehungen zu den Formanten stehen und wahrscheinlich auch Stellen besonderer St\u00e4rke (Dichtigkeit) des Gesamtger\u00e4usches entsprechen . Ist demnach ihre methodische und theoretische Bedeutung nicht eine so grundlegende, wie viele Forscher glaubten, so verdienen sie doch nach der praktischen Seite die Beachtung der Sprachforscher: denn sie erm\u00f6glichen es, die verschiedenen Nuancen des n\u00e4mlichen Vokals oder Konsonanten kurz und eindeutig (wenn auch nicht ersch\u00f6pfend) zu definieren. Darauf ist denn auch von Phonetikern und Linguisten bereits mehrfach (Lloyd, Bremer, Trautmann, Thomson u. a.) hingewiesen worden. F\u00fcr die allgemeine Theorie der Formanten scheint aus den Betrachtungen dieses Kapitels hervorzugehen, da\u00df die f\u00fcr den Charakter eines Sprachlautes entscheidendste Stelle nicht notwendig mit dem absoluten Maximum der physikalischen Amplitude oder Intensit\u00e4t zusammenzufallen braucht. Immer wird nat\u00fcrlich der Formant eine Strecke sein, die ein relatives Maximum enth\u00e4lt; aber daneben k\u00f6nnen andere Strecken in der Schwingungsmasse vorhanden sein, die gleichfalls relative Maxima, vielleicht sogar das absolute Maximum, enthalten, aber weniger bedeuten, we\u00fc ihre Tonlage nicht die ausschlaggebende ist.","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"7. Kapitel.\nSynthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\nI. Historisches.\nVollkommen durchsichtig und endg\u00fcltig l\u00e4\u00dft sich die Struktur gesungener (und daher auch stimmhaft gesprochener) Vokale nur feststellen durch k\u00fcnstliche Zusammensetzung aus ihren letzten Elementen, den einfachen T\u00f6nen. Diesen Weg hat bereits Helmholtz beschritten, indem er die Vokale durch 8 (sp\u00e4ter 12, bis b3 reichende) elektromagnetisch erregte Stimmgabeln, deren St\u00e4rke durch Vorgesetzte Resonatoren von ver\u00e4nderlichem Abstande ab-gestuft werden konnte, nachbildete. Aber die Einrichtung, deren Bestandteile jetzt im Deutschen Museum zu M\u00fcnchen auf bewahrt werden, lieferte nach Helmholtz\u2019 eigenen Bemerkungen sowie Berichten von Ohrenzeugen doch nur Ann\u00e4herungen, besonders hinsichtlich der helleren Vokale. \u00dcberdies sind die Kl\u00e4nge elektrischer Gabeln keine ganz einfachen T\u00f6ne, auch wenn Resonatoren vorgeschaltet werden1).\nHerr Prof. F. Auerbach, der noch selbst mit Helmholtz ens Einrichtung gearbeitet hat, schreibt mir dar\u00fcber: \u201eDie Vokale kamen im allgemeinen nicht sehr \u00fcberzeugend heraus; nur wenn man alle Faktoren ganz minuti\u00f6s variierte, tauchte ganz pl\u00f6tzlich einmal der betreffende Vokalklang verbl\u00fcffend auf, ohne da\u00df es indessen gelungen w\u00e4re', ihn exakt zu fixieren und sp\u00e4ter wieder aufzufinden.\u201c \u00c4hnlich lautete ein m\u00fcndlicher Bericht Prof. H\u00e4gens.\nHelmholtz ens Originalgabeln standen mir vor etwa 30 Jahren zur Verf\u00fcgung, aber ohne die gro\u00dfe Unterbrechungsgabel; weshalb ich sie zu anderen Studien verwandte (s. 12. Kap.). 1922 sah ich eine Nachbildung mit dem Grundton c durch eine Berliner Firma; aber die Gabeln reichten nur bis e3, so da\u00df bestenfalls nur U, O, A zu erzielen waren, die St\u00e4rkeregulierung war schlecht, kein ppo zu erzielen, und die Gabeln hatten zahlreiche Obert\u00f6ne (die c-Gabel mindestens 5), die teils mit blo\u00dfem Ohr, teils durch Schwebungen von Hilfsgabeln konstatierbar waren. Bei c1 war, wenn es stark erklang, die Oktave sogar st\u00e4rker als der Grundton. Mit einem solchen Apparat ist nat\u00fcrlich keine gute Synthese m\u00f6glich.\nx) Wie ich 1896 zeigte (3, S. 673), enthalten Klangquellen, die f\u00fcr einfach galten, wie Resonanzgabeln, elektromagnetische Gabeln, Koenigs Wellensirene, noch mehr oder minder zahlreiche Obert\u00f6ne.","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\t7. Kap. Synthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\nVermutlich hat Zahm, der (nach Miller S. 246) Helmholtz\u2019 Synthese nachmachte und sie f\u00fcr mehr oder weniger \u201efanciful\u201c erkl\u00e4rte, einen derartigen Apparat benutzt. Denn immerhin : ein Helmholtz l\u00e4\u00dft sich nicht durch blo\u00dfe Phantasien bet\u00f6ren. Es ist kein Zweifel, da\u00df seine Einrichtung in seiner Hand gute, zur Bekr\u00e4ftigung seiner Theorie hinreichende Ann\u00e4herungen ergab, ebensowenig wie da\u00df er selbst sich \u00fcbe*r die noch verbleibenden M\u00e4ngel keiner T\u00e4uschung hingab. Nach Auerbachs Beschreibung scheint es wesentlich an der Verschmelzung zu einer Klangeinheit gefehlt zu haben, die oft durch winzige Verschiebungen der St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse bedingt ist. (Vgl. 11. Kap., woselbst auch \u00fcber Jaenschs Kritik der Helmholtz sehen Synthesen.)\n1880 hat Dwelshaitvers eine \u00e4hnliche Einrichtung noch einige T\u00f6ne h\u00f6her hinauf gef\u00fchrt. Merkw\u00fcrdigerweise ist dann aber \u00fcber ein halbes Jahrhundert lang kein wesentlicher Fortschritt erzielt worden. 1885 kombinierte Lahr einige gestrichene Resonanz -gabeln (eine h\u00f6chst unvollkommene Methode), 1909 machte v. Wesendonk ausgedehntere Versuche mit angeblasenen Flaschen, aber ohne Ausschlu\u00df der Obert\u00f6ne und ohne gen\u00fcgende St\u00e4rkeregulierung. Doch erhielt er mehrfach bemerkenswerte Ergebnisse. Hermann versuchte es einmal mit Pfeifen, fand aber die Synthese unausf\u00fchrbar. Desgleichen der Musikprofessor Volbach, der aus seinem Mi\u00dferfolg sogar auf die Unrichtigkeit der Helmholtz sehen Vokal- und Klangfarbenlehre zur\u00fcckschlo\u00df. Endlich erkl\u00e4rte auch Jaensch 1914 auf Grund eigener Versuche, da\u00df zwar eine Synthese mit Gabeln m\u00f6glich sei, eine solche mit Pfeifen aber ,,im allgemeinen zu einem v\u00f6lligen Mi\u00dferfolge f\u00fchre, indem sie ein rein musikalisches Schallph\u00e4nomen hervorbringe\u201c. Wenn es sich in beiden F\u00e4llen um einfache T\u00f6ne handelt, ist freilich irgendein Grund f\u00fcr diese prinzipielle Gegen\u00fcberstellung nicht zu entdecken.\nMan mu\u00df sehr wohl unterscheiden zwischen Synthese und blo\u00dfer Nachahmung. Seit Kratzenstein (1780) und Kemrelen (1791) sind zahlreiche Mittel ersonnen, um Vokale mehr oder weniger t\u00e4uschend nachzuahmen. Aber solche Apparate haben im allgemeinen mit Synthese nichts zu tun. Nagel verkennt die Bedeutung des Helmholtz sehen Unternehmens, wenn er es in eine Reihe damit stellt. Ebenso mu\u00df ich S. Garten widersprechen, wenn er neben der Synthese aus einfachen T\u00f6nen noch andere Wege f\u00fcr m\u00f6glich h\u00e4lt. Eine Synthese hat nur Sinn und Beweiskraft, wenn sie auf einfache T\u00f6ne (Sinusschwingungen) zur\u00fcckgeht. Erst dann sind die Ergebnisse durchsichtig. Wenn Willis eine Feder von ver\u00e4nderlicher L\u00e4nge an einem laufenden Zahnrad schleifen lie\u00df, wobei von diesem der Grundton, von der Feder die Vokalit\u00e4t bestimmt wurde, oder wenn Hermann (1890) eine Art von A erzeugte durch Verbindung zweier Kl\u00e4nge der Helmholtz sehen Doppelsirene, deren 1. Differenzton dem gesungenen","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Historisches.\n169\nGrundton entsprach, so liegen hier hochzusammengesetzte Tonkomplexe vor und w\u00e4re nun erst zu untersuchen, welche von allen diesen T\u00f6nen an dem Vokaleindruck beteiligt sind1). \u00c4hnliches gilt von seinen Versuchen mit der sinnreich konstruierten Telephonsirene (1902), die \u201egenau so A sagte wie eine nat\u00fcrliche M\u00e4nnerstimme\u201c : denn auch sie mu\u00dfte obertonreiche Kl\u00e4nge geben. Reiner war schon sein einfacher Versuch (1911) mit 2 Stimmgabeln, e2 -f- u2 oder /2 + a2, an Stelle der Doppelsirene; diese ergeben wieder einen Differenzton, der als Grund- oder Stimmton geh\u00f6rt wird, w\u00e4hrend die Gabelt\u00f6ne den Formanten bilden. Aber dies war schlie\u00dflich doch nur eine sehr verk\u00fcrzte Neuausgabe der Helmholtz sehen Stimmgabelsynthese. In seinen letzten \u201esynthetischen\u201c Versuchen (1911) blies Hermann durch eine Lochsirene intermittierend einen Resonator an, der den A-Formanten g2 gab; die Sirene selbst gab den wechselnden Grundton. \u201eDie Vokalit\u00e4t war so eindringlich, da\u00df ganz Unbefangene sie ohne Befragen erkannten.\u201c Diese letzten Versuche, durch die Hermann seine Theorie bewiesen glaubt, sind in mancher Beziehung wertvoll (s. u. S. 194), aber den wahren Weg der Synthese weisen sie nicht. Der eigentliche akustische Tatbestand bleibt so lang unklar, als nicht die nebenher erzeugten Teilt\u00f6ne festgestellt sind. Hermann selbst betont des \u00f6fteren, da\u00df die Formanten allein keineswegs zur Charakteristik der Vokale hinreichen (so Bd. 91, S. 161). In der Tat lassen sich aus seinen Synthesen nicht einmal die so wichtigen Unterformanten erschlie\u00dfen.\nGerade auch die Frage, auf die es Hermann und seiner Schule besonders ankommt : ob neben harmonischen auch ebenso wirksam oder gar allein entscheidend unharmonische Teilt\u00f6ne beteiligt sein k\u00f6nnen, l\u00e4\u00dft sich vollst\u00e4ndig nur durch entsprechende Kombination einfacher T\u00f6ne von bekannter H\u00f6he entscheiden. Nach den Ergebnissen unserer Analysen werden wir allerdings zun\u00e4chst harmonische T\u00f6ne verwenden; aber nichts steht entgegen, auch unharmonische in den Komplex einzuf\u00fcgen und die Wirkung zu beobachten. Und so lassen sich \u00fcberhaupt alle prinzipiellen Fragen \u00fcber Klangfarben, auch instrumentale, erst auf diesem Wege zur vollen L\u00f6sung bringen.\nSchon kurz nach dem Beginne meiner Vokalstudien, im September 1913, versuchte ich mit Labialpfeifen (die ich der Billig-\n!) Wir werden im 8. Kap. durch Analyse dieses Versuches als eines Beispiels zeigen, welche Bestandteile dabei zu einem Vokaleindruck Zusammenwirken konnten. Die Berichte Hermanns \u00fcber seine wiederholten sog. Synthesen siehe in Bd. 47, S. 385ff. 1890; Bd. 48, S. 574ff. 1890; Bd. 56, S. 467ff. 1894; Bd. 91, S. 135ff. 1902; Bd. 141, S. 33ff. 1911.","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\t7. Kap. Synthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\nkeit und leichten Handhabung wegen w\u00e4hlte, obgleich die Reinhaltung ihrer Stimmung viel M\u00fche macht) eine synthetische Einrichtung aufzubauen und hatte sie im Laufe des Jahres 1914 so weit fertiggestellt, da\u00df ich von dem vollen Gelingen \u00fcberzeugt sein durfte. Aber infolge mehrfacher Motordefekte und der w\u00e4hrend des Krieges immerfort wachsenden Schwierigkeiten der Reparatur wesentlicher Teile war erst im Herbst 1917 die systematische Durchf\u00fchrung s\u00e4mtlicher Versuche m\u00f6glich. Im November berichtete ich der Berliner Akademie dar\u00fcber und ver\u00f6ffentlichte das Wesentlichste in den Sitzungsberichten vom 4. IV. 1918.\nInzwischen hatte 1916 der amerikanische Physiker D. C. Miller nach Vortr\u00e4gen, die er 1914 am Lowell-Institute gehalten, das schon oben (Einleitung) erw\u00e4hnte Werk ver\u00f6ffentlicht, worin sowohl physikalische Analysen als auch ausgedehnte synthetische Versuche mit Pfeifen beschrieben sind1). E\u00fcr jeden Vokal baute Miller eine besondere Zusammenstellung von Pfeifen, eine Art Orgelmixtur. Er hat aber keine Ma\u00dfregeln ergriffen, um die Pfeifent\u00f6ne von ihren Obert\u00f6nen zu befreien. Er gibt an, da\u00df seine gedackten Pfeifen nur minimale Obert\u00f6ne enthalten h\u00e4tten ; bei geringem Winddruck seien auf den Grundton 99% der Gesamtintensit\u00e4t entfallen. Dies ist ein Punkt, in dem ich Zweifel nicht unterdr\u00fccken kann. Mir ist noch keine Pfeife vorgekommen, auch bei den mildesten Orgelregistern, die nicht merkliche Obert\u00f6ne enthalten h\u00e4tte (s. 15. Kap.). Ein A, das ich nach Millers Verfahren mit gedackten Pfeifen ohne Ausschaltung ihrer Obert\u00f6ne, aber mit den entsprechenden St\u00e4rkeabstufungen der einzelnen Pfeifen herstellte, besa\u00df auch lange nicht die vollkommene Naturtreue, wie sie mit einfachen T\u00f6nen erreicht werden kann. Aber ich vermag \u00fcber Millers Einrichtungen nicht aus der Ferne zu urteilen und zolle der.TJmsicht und Sorgfalt seiner physikalischen Methodik gr\u00f6\u00dfte Bewunderung.\nMiller erw\u00e4hnt gelegentlich auch ein neues, in Amerika gebautes Instrument \u201eChoralcelo\u201c, das nahezu einfache T\u00f6ne gebe (mit elektromagnetisch erregten Saiten) und sich zu Synthesen eigne. Ohne Zweifel sind Pfeifen nicht die einzige oder auch nur beste Tonquelle zu diesem Zweck. Gute elektromagnetische Stimmgabeln in der erforderlichen Anzahl und H\u00f6he (wenn sich so hohe herstellen lassen), besonders aber die durch elektrische Schwingungen vermittelten T\u00f6ne, die zu beliebiger H\u00f6he gef\u00fchrt werden k\u00f6nnen, w\u00e4ren an sich wohl vorzuziehen. Aber immer m\u00fcssen zuerst die Obert\u00f6ne durch ausl\u00f6schende Vorrichtungen beseitigt werden.\ni) Eine Besprechung dieses Buches durch v. Wesendonk in den Berichten der Deutschen physikalischen Gesellschaft vom 30. VI. 1917 kam mir am Tage meines Akademievortrages (1. XI. 1917) zu Gesichte, das Buch selbst erst im Sommer 1918.","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Die synthetische Einrichtung.\n171\nII. Die synthetische Einrichtung.\nDas Schema S. 44 gibt die Grundz\u00fcge der Einrichtung wieder, wie sie im Psychologischen Institut der Universit\u00e4t Berlin aufgebaut wurde1). Die Abteilung Sx\u2014Bx kommt aber hier nicht in Betracht; sie ist a. a. 0. erl\u00e4utert.\nDas Klangmaterial lieferten 28 Lippenpfeifen, welche die ersten 22 harmonischen Teilt\u00f6ne des Grundtones c l\u00fcckenlos und weiterhin die Teilt\u00f6ne 24, 26, 28, 32, 40, 48 (g4, \u00e44, c5, e5, g'5) angaben. Von c bis c3 sind sie gedackt, die folgenden offen. Mit diesem Vorrat kann man nicht nur Kl\u00e4nge auf dem Grundton c, sondern auch auf c1, g1, c2, g2 herstellen, wie man leicht aus den erforderlichen Ordnungszahlen erkennt2).\nDiese Pfeifen werden durch einen elektromotorischen Ventilator angeblasen. Der intermittierende Luftstrom geht zun\u00e4chst in ein Magazin, von wo aus er unter konstantem Druck den einzelnen Pfeifen zugef\u00fchrt wird. Der Motor (M) steht im Zimmer IV, die Pfeifen (P) im Zimmer II, so da\u00df das Motorger\u00e4usch sich nicht dem Klange beimischt. Die Pfeifen sind mit einziger Ausnahme der tiefsten (c) gegeneinander m\u00f6glichst isoliert, indem jede in einen Kasten eingef\u00fcgt ist, der von einem zweiten Kasten umschlossen ist. Zwischen den beiden K\u00e4sten liegt Watte. Die K\u00e4sten haben nur \u00d6ffnungen f\u00fcr die Zu- und Abf\u00fchrung der Luft. Jede Pfeife ist innerhalb des Kastens mit einem entsprechenden Resonator zur Tonverst\u00e4rkung verbunden. Von diesem aus wird jeder Ton in einer besonderen R\u00f6hre durch die Wand zum Zimmer IV geleitet. Hier sind in die s\u00e4mtlichen Leitungen Interferenzr\u00f6hren eingeschaltet, die auf die Obert\u00f6ne der Pfeifen (bei den tieferen von c1 an auf die Oktave und Duodezime, bei den h\u00f6chsten nur auf die Oktave) eingestellt sind. Auch in dem darauffolgenden Zimmer mu\u00dften noch If.-R\u00f6hren angef\u00fcgt werden, um jede Spur auszul\u00f6schen. Bei der tiefsten Pfeife c waren 5 Obert\u00f6ne, darunter die\nx) Da das Institut im Herbst 1919 in das ehemals K\u00f6nigliche Schlo\u00df \u00fcbersiedelte, mu\u00dfte die Einrichtung abgebrochen und in Anpassung an die neuen R\u00e4ume wieder aufgebaut werden. Daher trifft das Schema gegenw\u00e4rtig nicht mehr genau zu; auch die Auswahl der Pfeifen ist etwas ge\u00e4ndert. Aber die Beschreibung erfolgt hier nach der alten Hinrichtung, mit der die Versuche gemacht wurden.\n2) In der gegenw\u00e4rtigen Einrichtung sind die Teilt\u00f6ne des c nur bis zum\n16. l\u00fcckenlos, dann folgen die geradzahligen vollst\u00e4ndig bis zum 32., dann noch 40 und 48. Die T\u00f6ne 17, 19, 21 hatten sich als unn\u00f6tig erwiesen,\ndagegen war 30 {h*} f\u00fcr die Grundt\u00f6ne g, g1, g2 erw\u00fcnscht. Au\u00dferdem wurden 2 Leitungen leer gelassen, um beliebige andere T\u00f6ne, seien es harmo-\nnische oder unharmonische, auch etwa Ger\u00e4usche einzuf\u00fcgen.","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\t7. Kap. Synthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\nbei gedackten \u2018 Pfeifen sehr starke Duodezime, durch zahlreiche Seitenr\u00f6hren in III und V (wo sie am wirksamsten sind) zu vernichten. Die Kontrolle \u00fcber das Vorhandensein von Obert\u00f6nen erfolgte durch schwebende Hilfsgabeln, bei der Oktave durch Ausl\u00f6schung des jeweiligen Grundtones (s. o. S. 48). Auf diesen Punkt wurde die allergr\u00f6\u00dfte Sorgfalt verwandt, so da\u00df mit Sicherheit nur einfache T\u00f6ne im Zimmer V aus den Leitungen kamen.\nFerner wurde die reine Stimmung immer von Zeit zu Zeit kontrolliert und wiederhergestellt. Bei den Pfeifen bis zum Ende der 3-gestrichenen Oktave ist dies unbedingt n\u00f6tig, bei den tiefsten am n\u00f6tigsten, w\u00e4hrend sich bei den h\u00f6chsten kleine Abweichungen sp\u00e4ter als unsch\u00e4dlich erwiesen.\nNun war noch eine zweite, nicht minder wesentliche Bedingung zu erf\u00fcllen: eine bequeme und ausgiebige St\u00e4rkeregulierung. Da bei Lippenpfeifen mit den \u00c4nderungen der Anblasest\u00e4rke zugleich H\u00f6hen\u00e4nderungen eintreten, mu\u00df eben die Regulierung erst erfolgen, nachdem der Ton die Pfeife schon verlassen hat und auch schon von seinen Obert\u00f6nen gereinigt ist (damit nicht bei Verst\u00e4rkung diese etwa wieder hervorkommen), also am Ende der ganzen Leitung, im Zimmer V bei R. Hier sind die Zinnblechr\u00f6hren, aus denen die Leitung bis dahin haupts\u00e4chlich besteht (in Schl\u00e4uchen findet weit gr\u00f6\u00dferer Energieverlust statt), auf eine kurze Strecke durch Schlauchst\u00fccke ersetzt, die durch Schrauben, an denen kleine Metallpl\u00e4ttchen sitzen, so zusammengedr\u00fcckt werden k\u00f6nnen, da\u00df der Ton von voller St\u00e4rke bis zum v\u00f6lligen Verschwinden abgeschw\u00e4cht werden kann. Die Schlauchst\u00fccke m\u00fcssen von Zeit zu Zeit erneuert werden. Die Schrauben, f\u00fcr jeden Ton eine, sind in einen gemeinsamen viereckigen Rahmen eingef\u00fcgt.\nDie Anblasest\u00e4rke bleibt also hierbei vollkommen konstant, und jede H\u00f6hen\u00e4nderung der Pfeifent\u00f6ne ist vermieden1).\nSchlie\u00dflich werden alle Leitungen in einem Gipsverband eng zusammengedr\u00e4ngt und durch einen trichterf\u00f6rmigen abhebbaren Ansatz (T) in eine gemeinschaftliche M\u00fcndung \u00fcbergef\u00fchrt, aus der der resultierende Klang abgeh\u00f6rt werden kann. Wird der Ansatz abgenommen, so hat man die M\u00fcndungen aller Einzelleitungen vor sich und kann hier durch kleine Kork- oder Gummist\u00f6psel auch einzelne, oder ganze Gruppen davon, verstopfen und so nach\nq Miller hat sich dadurch geholfen, da\u00df er f\u00fcr jeden Vokal ein besonderes Pfeifensystem baute, bei dem jede Pfeife ein f\u00fcr allemal nur Wind von bestimmter St\u00e4rke bekam. Damit ist aber das Ausprobieren aller m\u00f6glichen Kombinationen und St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse, worauf es bei solchen Untersuchungen in erster Linie ankommt, ausgeschlossen; man erh\u00e4lt nur Demonstrationsapparate.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"173\nDie synthetische Einrichtung.\nBelieben L\u00fccken- und Stichversuche anstellen, um die Wirkung jedes einzelnen Teiltones auf den Vokalklang zu erkennen. Doch l\u00e4\u00dft sich nat\u00fcrlich auch schon im Schallzimmer (II) jeder einzelne Ton ausschalten, auch sind Ventile f\u00fcr ganze Gruppen vorhanden1). Man kann ferner mit Hilfe eines in die einzelnen Leitungsm\u00fcndungen eingef\u00fchrten R\u00f6hrchens sich von der augenblicklichen St\u00e4rke eines Teiltons an dieser Stelle \u00fcberzeugen.\nDie Versuche wurden aber fast immer so eingerichtet, da\u00df der vereinigte Klang aus dem Trichter zun\u00e4chst noch durch einen Schlauch zu einem Zweiwegehahn (H) und von diesem erst durch einen weiteren Schlauch in das Ohr des Beobachters (B2) geleitet wurde. Der Hahn konnte durch Drehen um 180\u00b0 so umgestellt werden, da\u00df eine andere Leitung statt der vorigen ge\u00f6ffnet wurde, durch die ein nat\u00fcrlicher, gesungener Vokal zum Ohr gelangte. Der S\u00e4nger stand im Zimmer III bei S3, erhielt ein elektrisches Klingelzeichen, und seine Stimme kam durch eine sehr weite R\u00f6hrenleitung (Ofenrohr) zum Beobachter her\u00fcber. Dieses Verfahren wurde aus sogleich anzugebenden Gr\u00fcnden zumeist dem direkten Angeben des Lautes im Beobachtungszimmer vorgezogen. So lie\u00df sich der k\u00fcnstliche best\u00e4ndig mit dem nat\u00fcrlichen Vokal vergleichen und so lange verbessern, bis die Gleichheit erreicht war. Die durch die Analyse gewonnenen Kenntnisse \u00fcber die Vokalstrukturen dienten dabei als Leitfaden, sonst w\u00e4re des Probierens kein Ende gewesen. Durch rechtzeitige Drehung des Hahnes konnte man auch den Stimmeinsatz des S\u00e4ngers, der sich durch den Apparat nicht nachbilden l\u00e4\u00dft, abschneiden und nur den zu vergleichenden Klangk\u00f6rper selbst zu Geh\u00f6r bringen.\nEs ist bei solchen Vergleichungen, aber auch bei der isolierten Darbietung eines k\u00fcnstlichen Vokals, von gro\u00dfem Vorteil, die Laute nur kurz, nicht l\u00e4nger als etwa eine Sekunde, anzugeben, indem man den Hahn oder die Schlauchleitung abwechselnd \u00f6ffnet und schlie\u00dft2). Bei l\u00e4ngerer Dauer macht sich die starre Konstanz der k\u00fcnstlichen Laute gegen\u00fcber den kleinen Schwankungen, denen selbst gut ausgehaltene gesungene Vokale in ihrer St\u00e4rke, H\u00f6he,\n1)\tDie Isolierung der T\u00f6ne vor ihrer Vereinigung im H\u00f6rschlauche wird \u00f6fters etwas durch den Gipsverband beeintr\u00e4chtigt, insofern starke T\u00f6ne, auch wenn ihre L\u00f6cher verstopft sind, durch den Gipsverband und die Trichterw\u00e4nde in den Schlauch dringen k\u00f6nnen. Daher mu\u00df man, wenn es sich um sichere und vollst\u00e4ndige Ausschaltung starker Teilt\u00f6ne handelt, die bez\u00fcglichen Pfeifen selbst im Schallzimmer abstellen.\n2)\tDies hat auch schon Hermann (Bd. 141, S. 36) und haben wohl alle bemerkt, die \u00e4hnliche Versuche machten. Man h\u00f6rt dann auch leicht bei einem A ,,Pa\u2014pa\u201c oder \u201eMa-ma\u201c, je nach der Raschheit des Schlie\u00dfens und \u00d6ffnens.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\t7. Kap. Synthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\nFarbe unterworfen sind, doch geltend. Es ist eben der Unterschied des Lebendigen vom Toten. Man k\u00f6nnte ja auch versuchen, dem k\u00fcnstlichen Laut Leben und Seele durch Nachahmung des Vibrando einzuhauchen. Aber dieser Kunstgriff der Orgelbauer w\u00e4re hier, wo es nur auf die Klangfarbe, die Vokalit\u00e4t als solche ankommt, zwecklos. Daher ist es das Richtige, die Laute nur ganz kurz anzugeben, wobei sowohl die Gleichheit wie die Unterschiede in dieser besonderen Richtung klar hervortreten.\nEs gelang nun in der Tat, mit dieser Einrichtung innerhalb einiger Wochen alle 8 Vokale der deutschen Sprache naturgetreu nachzubilden. In nicht wenigen F\u00e4llen urteilten die beigezogenen Beobachter, da\u00df der k\u00fcnstliche den nat\u00fcrlichen Vokal sogar an Charakteristik und Reinheit \u00fcbertreffe. Dies war besonders der Fall beim I, das von M\u00e4nnerstimmen nur selten scharf und hell genug intoniert wird und meist eine starke \u00c4hnlichkeit nach E hin hat. Auch die Unterschiede der Vokale auf c2 kann man oft besser, deutlicher hervorbringen, als es der menschlichen Stimme m\u00f6glich ist, die ihrem Resonanzapparat eben nicht jede beliebige Einstellung erteilen kann.\nF\u00fcr die St\u00e4rkebestimmung der einzelnen in einen Vokal eingehenden Teilt\u00f6ne bediente ich mich der schon bei den Resonanz -versuchen angegebenen subjektiven Kategorien. An sich w\u00e4re auch eine physikalische Messung sehr erw\u00fcnscht und wird hoffentlich sp\u00e4ter nachgeholt. Aber vorl\u00e4ufig sind die damit verbundenen Schwierigkeiten noch au\u00dferordentlich gro\u00df, auch standen mir die technischen Hilfsmittel nicht zu Gebote. Die Lewin sehe Methode (o. S. 17) erfordert f\u00fcr jeden Ton eine besondere Membran, was zu den gr\u00f6\u00dften Weitl\u00e4ufigkeiten f\u00fchren w\u00fcrde, und dann w\u00e4re immer noch die Frage, ob die Ergebnisse f\u00fcr die verschiedenen T\u00f6ne vergleichbar w\u00e4ren. Indessen erwies sich f\u00fcr die Zwecke der Synthese die unmittelbare Sch\u00e4tzung nach dem Geh\u00f6r als durchaus gen\u00fcgend, da man bei einiger \u00dcbung imstande ist, nach den so gewonnenen St\u00e4rketabellen einen Vokal in wenigen Minuten wiederherzu-stellen. In den folgenden Tabellen sind aber die St\u00e4rken nicht so angegeben, wie sie sich am Ende der Zinkr\u00f6hrenleitung bei T mit eingef\u00fchrtem Sondierungsr\u00f6hrchen zeigen, sondern wie sie bei B2 aus der Schlauchleitung ins Ohr gelangen, also da, wo der Vokal mit dem gesungenen verglichen und als ihm gleich erkannt wurde. Zu diesen Bestimmungen wurde jeder Teilton bei unver\u00e4ndertem Stande der Regulierschrauben einzeln angegeben und auf seine St\u00e4rke gesch\u00e4tzt. Die absolute St\u00e4rke des Gesamtklanges wie seiner Teilt\u00f6ne ist an dieser Stelle bedeutend geringer als bei T (weshalb in den Tabellen nirgends hohe St\u00e4rkegrade Vorkommen); wahr-","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Ergebnisse.\n175\nscheinlich sind sogar gewisse kleinere Verschiebungen der St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse damit verbunden (die Regulierungsschrauben m\u00fcssen f\u00fcr ein gutes A zuweilen etwas anders eingestellt werden, wenn es bei T als wenn es bei B2 abgeh\u00f6rt wird). Die folgenden Zahlen geben also diejenigen subjektiven St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse wieder, wie sie einem guten 0, A, \u00dc usf. an dieser Stelle B2 zukommen.\nZur Vergleichung sei an einem Beispiel erl\u00e4utert, welche Teiltonst\u00e4rken genommen werden m\u00fcssen, wenn der Vokal bei T unmittelbar am Trichter beobachtet und die erforderlichen Teiltonst\u00e4rken hier bestimmt werden. Ein gutes \u00c4 auf c1 ergab da folgende St\u00e4rken (mit 4 multipliziert): c1 4, c2 10, g2 12, c3 12, e3 4, gz 4. b3 8, c4 12, d4 12, e4 8, /is4 8, g4 8. Die absoluten Zahlen sind \u00fcberall gr\u00f6\u00dfer als bei dem \u00c4 auf dem gleichen Grundton in der unten folgenden Tabelle, aber ihr Steigen und Fallen befolgt dieselbe Regel. Die kleine Nullstrecke dort ist hier durch einen sehr schwachen Ton (e3) besetzt. Dies stimmt damit \u00fcberein, da\u00df in der unmittelbaren N\u00e4he des Singenden nach dem Zeugnis der Resonanz versuche auf dem Grundton c1 selbst bei E und I keine Nullstrecken vorhanden sind1).\nIII. Ergebnisse.\nWir geben nun die Tabellen f\u00fcr 4 verschiedene Grundt\u00f6ne (die St\u00e4rkezahlen durchweg mit 4 multipliziert). Innerhalb gewisser Grenzen sind nat\u00fcrlich in diesen Zusammensetzungen noch Variationen m\u00f6glich, da man einen Vokal eben recht verschieden aussprechen kann, da ferner die absolute St\u00e4rke der Tongebung, die Entfernung der H\u00f6renden und die Art der \u00dcberleitung (durch freie Luft oder R\u00f6hren) Modifikationen auch der nat\u00fcrlichen Stimme bewirken. Aber keine St\u00e4rke Ver\u00e4nderung eines Teiltons in den entscheidenden Regionen l\u00e4\u00dft den Vokal ganz unge\u00e4ndert, und jeder kleinsten Ver\u00e4nderung des Vokals entspricht eine Verschiebung in den Teilt\u00f6nen. Nur in den Zwischenregionen, z. B. auf den toten Strecken des \u00dc, E, I kann man statt der St\u00e4rke 0 auch die St\u00e4rke 1 (hier also 4) einsetzen, ohne da\u00df die Wirkung merklich ge\u00e4ndert wird. Ebenso k\u00f6nnen beim A auf c und c1 \u00fcber\n1) In den St\u00e4rketabellen f\u00fcr die Vokale bei den unwissentlichen Ver-\nsuchen u. S. 184, hat \u00c4 auf c1 gleichfalls keine Nullstrecke und auch\nsonst teilweise h\u00f6here St\u00e4rkezahlen, obgleich es am entferntesten Punkte der Leitung, im Raume VI bei Vp beobachtet wurde. Dies kommt daher, da\u00df, um m\u00f6glichste Gesamtst\u00e4rke des Klanges und namentlich des als Differenzton auftretenden Grundtones zu bekommen, die h\u00f6heren T\u00f6ne alle so stark genommen wurden, als es irgend mit einer guten Charakteristik\ndes Vokales vertr\u00e4glich war.","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\t7. Kap. Synthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\nC\nc1\n95\t\t\t\t\t\t\t\t1\ne5\t\t\t\t\t\t\t\t1\nc5\t\t\t\t\t\t\t\t1\n&4\t\t\t\t\t\t\t\t4\n\u00f64\t\t\t\t\t\t\t2\t4\n\t\t\ti\t\t2\t\t2\t3\nfis4\t\t\t4\t\t3\t\t4\t4\ne4\t\t\t4\t\t3\t\t6\t4\nd4\t\t\t4\t\t5\t3\t7\t2\nc4\t\t\t\t4\t5\t3\t0\t0\n63\t\t\t\t4\t5\t4\t0\t0\nS'3\t\t\t5\t7\t1\t3\t0\t0\ne3\t\t4\t6\t5\t0\t2\t0\t0\nc3\t\t4\t7\t0\t4\t2\t2\t0\nS'2\t8\t5\t10\t0\t6\t0\t4\t3\nc2\t4\t6\t4\t7\t6\t0\t10\t3\nc1\t7\t4\t0\t2\t3\t8\t5\t4\n\tU\t0\tA\t\u00d6\t\u00c4\t\u00dc\tE\tI\nc2\ng5\t1\ne5\t1\nc5\t1\n64\t2\n<7*\t2\ne4\t5\t3\t1\nc4\t4\t6\t3\t2\t0\n93\t5\t8\t6\t4\t4\t0\nc3\t45868242\nc2\t88775 10\t88\n\tU OAOAUE I\n) F\u00fcr das fehlende h* konnte hier ohne Schaden bA oder c5 eingesetzt werden.","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Ergebnisse.\n177\ndem Formanten noch die in den Tabellen durch kleingedruckte St\u00e4rkeziffern angedeuteten T\u00f6ne in diesen geringen Intensit\u00e4ten beigef\u00fcgt werden. Sie w\u00fcrden dem in den Resonanztabellen gefundenen und dort so ausgepr\u00e4gten 2. Maximum entsprechen. Aber n\u00f6tig sind sie nicht und ver\u00e4ndern den Vokal kaum merklich. Daher sprechen wir hier nicht von einem Oberformanten.\nVorstehende Tabellen sind unter vielen Synthesen als die besten, besonders typischen ausgew\u00e4hlt1).\nMan sieht aus den Tabellen, wie mit steigender H\u00f6he des Grundtones die Zahl der Teilt\u00f6ne immer mehr abnimmt, wie f\u00fcr den n\u00e4mlichen Grundton die Intensit\u00e4tskurven der Vokale sich charakteristisch voneinander unterscheiden, wie die dunkleren Vokale durch tiefere, die helleren durch h\u00f6here Teilt\u00f6ne ausgezeichnet sind, wie bei den helleren vom \u00d6 an zwei St\u00e4rke-maxima durch ein Minimum oder eine Nullstrecke getrennt sind, wie ferner die Maxima f\u00fcr verschiedene Vokale sich verschieden verteilen, aber f\u00fcr denselben Vokal auf verschiedenen Grundt\u00f6nen ihre absolute H\u00f6he beibehalten, wie fast niemals ein einzelner Ton allein formierend wirkt, sondern immer eine Gruppe, innerhalb deren allerdings 1 oder 2 T\u00f6ne besonders stark sind \u2014 kurz, wie alle jene Z\u00fcge, die im allgemeinen schon durch die Analyse gefunden waren, nun in bestimmterer Gestalt sich darstellen.\nDie Unabh\u00e4ngigkeit der Formanten vom Grundton zeigt sich eklatant darin, da\u00df man, um aus einer Einstellung auf c die Einstellung f\u00fcr denselben Vokal auf c1 zu gewinnen, oft fast nichts zu tun braucht, als die ungeradzahligen Teilt\u00f6ne zu entfernen. Man mu\u00df nur noch den jetzt zum Grundton gewordenen Ton c1 und allenfalls auch c2 * * S etwas ver\u00e4ndern (meist verst\u00e4rken). Die Forman tregion dagegen kann bleiben, wie sie war. Dies entspricht ja auch der Tatsache, da\u00df man die Mundstellung nicht wesentlich \u00e4ndert, wenn man etwa ein A zuerst auf c, dann auf c1 singt.\nDie Lage der Formanten und Nebenformanten (des Oberformanten beim U, der Unterformanten bei \u00d6 bis I) ist aus der Bewegung der Zahlen in den Kolumnen zu ersehen. U hat keinen oder nur einen mit dem Grundton beweglichen Hauptformanten (N\u00e4heres dar\u00fcber im 13. Kap.). Bei den helleren Vokalen von 0 an haben wir wieder au\u00dfer den Formanten die uns aus den Interferenz-Versuchen bekannten und schon in den Resonanzversuchen als erste Maxima gefundenen Unterformanten.\n1) hi der Abh. 9, wo diese Tabellen zuerst ver\u00f6ffentlicht wurden, sind\nversehentlich dem A auf g* die n\u00e4mlichen St\u00e4rkeziffern zugeschrieben wie\ndem \u00c4. Ich bitte die Besitzer jener Abhandlung, die Zahlen nach der\ngegenw\u00e4rtigen Tabelle zu berichtigen.\nS t u m pl, Sprachlaute.\t\u25a0. n","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\t7. Kap. Synthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\nDie wesentliche Funktion der Unterf ormanten wird auch durch die Synthese best\u00e4tigt. Sie stellen gleichsam Untermalungen dar, ja sie k\u00f6nnten mit den chemischen Radikalen verglichen werden. Man braucht nur zu bedenken, da\u00df \u00c4 und \u00dc den gleichen Formanten haben ; den Ausschlag gibt hier der Unterformant, nebenbei allerdings auch noch die sonstige Struktur. Schon eine ganz geringf\u00fcgige \u00c4nderung in der St\u00e4rke oder Lage des Unterformanten bedingt eine wesentliche \u00c4nderung in der Klangwirkung. Gibt man z. B. dem \u00c4 statt eines OA ein 0 als Unterformanten, so kann es nicht gelingen.\nAber auch auf den 1. und 2. Teilton kommt au\u00dferordentlich viel an; die kleinsten Verschiebungen hierin k\u00f6nnen den Charakter des Vokals bedeutend \u00e4ndern, ja vernichten. So darf beim A auf c1 auch c2 nur schwach sein, wenn es sich nicht dem 0 n\u00e4hern soll. Ein zu dunkles \u00c4 kann man durch Schw\u00e4chung oder Vernichtung des Grundtons sofort hell und scharf machen, ohne am Formanten etwas zu \u00e4ndern, usw.\nBemerkenswert ist, da\u00df die Teilt\u00f6ne von hoher Ordnungszahl, wie sie f\u00fcr die Grundt\u00f6ne von c bis c2 in der 4-gestrichenen Oktave und dar\u00fcber liegen, nicht l\u00fcckenlos im Klange vorhanden sein d\u00fcrfen; wie dies schon v. Wesendonk bei seinen Synthesen beobachtete. Sie liegen zu nah aneinander und geben dem Klange zu viel Sch\u00e4rfe, namentlich auch durch die Schwebungsrauhigkeit (in dieser H\u00f6he werden Schwebungen noch bis \u00fcber 300 in der Sekunde als Rauhigkeit empfunden). Daher sind die in der ersten Einrichtung noch gebrauchten T\u00f6ne 17, 19, 21 sp\u00e4ter als unn\u00f6tig fortgelassen worden1).\nBei den Vokalen auf c2 ist es auch f\u00fcr die Synthese oft schwer, die Unterschiede herauszubringen, z. B. zwischen Uund O. Und doch gelingt es zuweilen sogar besser als bei der nat\u00fcrlichen. Erzeugung. So f\u00fcgt man einem 0 den 3. Teilton, gz, der im nat\u00fcrlichen 0 auf c2 enthalten ist, besser nicht bei. Es entsteht sonst ein OA, wie es das auf c2 gesungene in der Tat ist (vgl. die Tabelle S. 59).\nDas langsame Hinaufr\u00fccken der Formanten mit steigendem Grundton, wie es die If.-Versuche ergaben, zeigt sich hier nur spurenweise (vgl. z. B. 0 auf c und auf c1, A auf g1 uud auf c2). Dies h\u00e4ngt teils mit dem viel geringeren Spielraum f\u00fcr die Wahl der Grundt\u00f6ne infolge der disponiblen Pfeifen, teils mit gewissen Kompensationen zusammen, die bei der Synthese m\u00f6glich sind.\n!) Auch schon das A auf c wird fast besser, reiner, wenn man den 7. und 9. Teilton (&2 und d3) herausnimmt. Die umliegenden gen\u00fcgen zur Herstellung der Vokalit\u00e4t.","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Ergebnisse.\n179\nDas folgende Schema veranschaulicht am einfachsten die Lage der Formanten f\u00fcr Grundt\u00f6ne der mittleren Oktaven, wie sie sich aus den synthetischen Versuchen in \u00dcbereinstimmung mit den analytischen ergeben. Diese Gegenden m\u00fcssen bei der Synthese in erster Linie vertreten sein, wenn der betreffende Vokal herauskommen soll. Die Formantzentren sind durch 2 Sterne, die Neben-formantzentren durch 1 Stern angezeigt. Die Sterne mit darunterstehendem Pfeil bedeuten den nach unten beweglichen U-Formanten, der zugleich Unterformant f\u00fcr \u00dc und I ist.\nFormantzentren\n64\t\t\t\t\t\t1\t\t\t**\ne4 d4 c4\t\t\t\t1\t\t\t\t**\t*\n63\t\t\t\t\t**\t**\t\t\t\ng3\t\t\t\t**\t\t\t\t\t\nc3\t\t\t\t\t\t\t\t\t\ng2 f2 e2 c2\t*\t\t**\t\t*\t\t\t\t\ng1\t>jojc 1\t** i\t\t*\t\u2022\t>\tk\t*\t*\nc1\tY\t\t\t\t\t>\tr\t\tY\n\tU\to 1\tA 1\t\u00d6\t\u00c4\t\u00dc\t\tE\ti\nHierzu wie zu allen \u00e4hnlichen \u00dcbersichten ist aber zu erinnern, da\u00df das Formantzentrum eines Vokals sich innerhalb einer gewissen Zone verschieben kann und mu\u00df. Es klingt paradox und leuchtet doch, wenn anders die Formanten nur aus harmonischen Teilt\u00f6nen bestehen, ohne weiteres ein, da\u00df die Verlegung des Grundtons um eine ganze Oktave den Formanten unge\u00e4ndert lassen kann, da\u00df er sich aber mit dem Steigen der Stimme um\n12*","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\t7. Kap. Synthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\neinen halben oder ganzen Ton verschieben mu\u00df. Bei v\u00f6llig starren Formanten w\u00fcrde man, da ein bestimmter Ton nicht zu beliebigen Grundt\u00f6nen harmonisch sein kann, einen Vokal \u00fcberhaupt nur auf bestimmten Grundt\u00f6nen singen k\u00f6nnen, auf dicht danebenliegenden nicht. Also mu\u00df gerade f\u00fcr nur wenig verschiedene Grundt\u00f6ne Beweglichkeit der Formantzentren innerhalb einer engen Zone, sei es auch nur einer kleinen Terz, zugestanden werden. H\u00e4tten wir statt c als Ausgangspunkt und Grundlage der Synthese d gew\u00e4hlt, so h\u00e4tte f\u00fcr den Vokal A statt g2 eben a 2 st\u00e4rkster Teilton sein m\u00fcssen. Und wenn Helmholtz b2 angibt, so trifft auch dies f\u00fcr den Fall zu, da\u00df der Vokal auf b, b1, es, es1 gesungen wird. Eine geringe Erhellung mu\u00df freilich damit verbunden sein; aber innerhalb der gesamten Verschiebung der Klangfarbe, wie sie mit jeder \u00c4nderung der Klangh\u00f6he verbunden ist, pflegt sie nicht bemerkt zu werden.\nWollte man die Formantzentren bis auf die Schwingungszahl genau definieren, so m\u00fc\u00dfte man ja auch verschiedene Notenwerte je nach der gew\u00e4hlten Stimmung angeben. Derselben Schw.-Zahl 800 entspricht f\u00fcr die \u201ephysikalische\u201c Stimmung (a1 = 4262/s) gis2, f\u00fcr die \u00e4ltere musikalische (a1 = 440) g2, f\u00fcr die heutige (a1 \u2014 435) eine dazwischenliegende Note.\nAuffallen k\u00f6nnte es, da\u00df der bewegliche Hauptformant des U f\u00fcr den Fall, da\u00df es auf g1 gesungen wird, zusammenf\u00e4llt mit dem festen Hauptformanten des 0. Tats\u00e4chlich ist es aber so: das n\u00e4mliche g1, das den Grundton und Hauptformanten eines U bildet, aber auch schon als einfacher Ton deutlichen U-Charakter hat, macht als Oberton eines tieferen Grundtons, z. B. des g, den Klang sofort zu einem O. Es wirkt vokalisch verschieden als Grundton und als Oberton. Wir werden auf diese und \u00e4hnliche theoretisch bedeutsame Tatsachen in allgemeinerem Zusammenhang zur\u00fcckkommen.\nBeim I ist in dem Schema nahe dem Hauptformanten noch ein zweiter Unterformant (Zwischenformant) eingef\u00fcgt. Dies gr\u00fcndet sich auf die Ergebnisse von Stichversuchen, wie man sie auch mit dem synthetischen Apparat leicht (und ohne R\u00fccksicht auf Nebenwirkungen wie If.-Breite und Mitausschaltung von Multiplis) ausf\u00fchren kann. In den Zahlentabellen S. 176 tritt es kaum hervor.\nIV. Unwissentliche Versuche zur Pr\u00fcfung der Naturtreue.\nDa bei synthetischen Versuchen leicht eine gewisse Neigung entsteht, die Naturtreue bereits als erreicht anzusehen, wenn auch nur eine Ann\u00e4herung erzielt ist, so habe ich nicht nur best\u00e4ndig","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Unwissentliche Versuche zur Pr\u00fcfung der Naturtreue.\n181\nandere Beobachter herangezogen1), sondern auch systematisch unwissentliche Versuche angestellt und eine Statistik dar\u00fcber auf genommen. Zu diesem Zwecke wurde die Leitung noch in ein weiteres, durch eine t\u00fcrlose Wand getrenntes und gegen den gemeinsamen Korridor durch eine gepolsterte Doppelt\u00fcr schalldicht abgeschlossenes Zimmer (VI) verl\u00e4ngert und hier dem Beobachter (Vp) immer abwechselnd ein nat\u00fcrlicher und ein k\u00fcnstlicher Vokal gleicher Art zugef\u00fchrt, jeder nur eine Sekunde lang, aus dem S. 173 angegebenen Grunde. Der Stimmeinsatz des nat\u00fcrlichen Vokals wurde stets dadurch abgeschnitten, da\u00df der Hahn erst aufgedreht wurde, wenn jener bereits intoniert war (was der Versuchsleiter im Zimmer V durch eine in der Zeichnung angegebene Zweigleitung kontrollierte).\nZu jedem Vokal wurden 5 verschiedene Beobachter benutzt, deren jeder 20 Urteile abzugeben hatte. Sie hatten zu urteilen, welchen Vokal sie bei jedem Versuche h\u00f6rten, ob er vollkommen sei und was ihnen etwa daran mangelhaft erschiene, hatten aber keine Ahnung von der ganzen Einrichtung und ihrem Zwecke. Nur dies eine war ihnen gesagt, da\u00df sie Vokale h\u00f6ren w\u00fcrden. Denn ein so kurzer Klang ohne das Kennzeichen des Einsatzes ist so\nx) Oft ist auch die Einrichtung Physikern, Medizinern, Sprachforschern demonstriert worden ; und hierbei waren mir nicht nur die zustimmenden, sondern auch gelegentliche kritische Bemerkungen wertvoll. Als z. B. ein I etwas \u00d6-haltig befunden wurde, ergab eine Nachpr\u00fcfung, da\u00df zuf\u00e4llig die Pfeife f\u00fcr g3 nicht ganz abgestellt war : g3 ist aber das Formantzentrum f\u00fcr \u00d6. Ein anderes Mal wurde das I auf c nicht recht einheitlich befunden, es lie\u00df sich sowohl als U wie als I fassen. Hier war das St\u00e4rkeverh\u00e4ltnis des Unterformanten zum Formanten nicht genau getroffen; es war jenes duale Stadium, das wir schon von den If.-Versuchen her kennen.\nDer gew\u00f6hnlichste Demonstrationsversuch f\u00fcr fl\u00fcchtige Besucher bestand in der Herstellung des A auf c1 durch die Kombination c1 = 0, c2 = 2, 92 = 5, c3 = 3, e3 = 2 (so bei Untersuchung an der Stelle T mit dem H\u00f6rr\u00f6hrchen. An der Schlauch\u00f6ffnung bei B2, wo die Vokale geh\u00f6rt wurden, sind dann die St\u00e4rken etwa 1, 3, 2,1). Der Grundton c kommt als Differenzton hinzu. Hierbei war es immer frappant, wie das helle A durch eine leichte Drehung der Regulierschraube f\u00fcr c2, wodurch dieses nur wenig st\u00e4rker wurde, sogleich in AO, Oa \u00fcberging. Dagegen spielt e3 nur eine geringe Rolle, kann sogar \u00fcberhaupt ohne erhebliche Sch\u00e4digung wegbleiben.\n\u00dcbrigens kann man selbst im Schallzimmer, wto die Pfeifen noch nicht von ihren Obert\u00f6nen befreit, aber durch den Einschlu\u00df in die K\u00e4sten und die Anf\u00fcgung der Resonatoren schon reiner geworden sind, bei zuf\u00e4llig g\u00fcnstigen St\u00e4rkeverh\u00e4ltnissen \u00fcberraschende Vokalbildungen h\u00f6ren. So ist A in obiger Zusammensetzung auch hier recht gut. Doch ist absolute Reinstimmung hier noch wesentlicher als im Beobachtungszimmer, weil die Obert\u00f6ne der Pfeifen bei kleinen Abweichungen sofort scharfe Dissonanzen geben. Der Versuch l\u00e4\u00dft sich hier einer gr\u00f6\u00dferen Anzahl von Personen zugleich zeigen, ebenso wie es bei Millers Pfeifensystemen der Fall ist.","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\t7. Kap. Synthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\nmehrdeutig, da\u00df eine derartige Einstellung vorausgesetzt wird, wenn \u00fcberhaupt eine Deutung m\u00f6glich sein soll. Im gew\u00f6hnlichen Leben ist sie beim Sprechen und Singen von vornherein im H\u00f6renden vorhanden, und es ist genugsam bekannt, da\u00df sogar noch viel speziellere Einstellungen das Verst\u00e4ndnis fortw\u00e4hrend unterst\u00fctzen und da\u00df ihr Wegfall sofort das wunderlichste Verh\u00f6ren herbeif\u00fchren kann. Um auch eine \u00dcbertragung des Urteils von dem nat\u00fcrlichen auf den k\u00fcnstlichen Vokal auszuschlie\u00dfen, wurde in jeder Versuchsreihe regelm\u00e4\u00dfig der k\u00fcnstliche zuerst gegeben. Die Anordnung war selbstverst\u00e4ndlich im \u00fcbrigen eine durchaus unregelm\u00e4\u00dfige.\nDas Ergebnis war:\n1.\tDer k\u00fcnstliche Vokal wurde fast immer sofort richtig erkannt.\n2.\tUnter den 400 Doppelversuchen wurden in 109 F\u00e4llen beide als gleich vollkommen, in 43 F\u00e4llen beide als gleich unvollkommen, in 58 F\u00e4llen der nat\u00fcrliche als besser, in 190 F\u00e4llen der k\u00fcnstliche als besser beurteilt.\nMan kann also sagen : in 3 Vierteln s\u00e4mtlicher F\u00e4lle erschien der k\u00fcnstliche entweder gleich gut oder besser als der nat\u00fcrliche. Das letztere kann darum nicht so sehr wundernehmen, weil der nat\u00fcrliche doch durch die lange Leitung etwas leiden mu\u00df, wenn er auch erkennbar bleibt, w\u00e4hrend man den k\u00fcnstlichen eben so her stellen kann, da\u00df er gerade am Ende der Leitung gut herauskommt.\nHiermit ist nun wohl der objektive Beweis geliefert, da\u00df die synthetischen Vokale als naturgetreu bezeichnet werden d\u00fcrfen.\nEinige n\u00e4here Angaben \u00fcber diese Versuche sind vielleicht in allgemeinerer Beziehung, besonders in Hinsicht auf die Modalit\u00e4ten des Erkennens von Vokalen, von Interesse.\nEiner Aufforderung in meiner Psychologievorlesung, sich als Beobachter bei Vokal versuchen zu beteiligen, folgten 30 Damen und Herren. Sie wurden zun\u00e4chst durch Unterscheidungs- und Erkennungsversuche bei so kurzdauernden nat\u00fcrlichen Vokalen auf ihre Beobachtungsf\u00e4higkeit gepr\u00fcft. Dabei zeigte sich, da\u00df nicht weniger als 12 ausgeschieden werden mu\u00dften, da sie nicht imstande waren, sicher und fehlerfrei zu urteilen. Manche beurteilten z. B. I als \u00c4 oder \u00d6 oder konnten \u00fcberhaupt kein bestimmtes Urteil gewinnen. Wieder ein Beweis, wie wenig man ohne weiteres der Beobachtungsf\u00e4higkeit sonst intelligenter Personen vertrauen darf (vgl. o. S. 51). Bei l\u00e4nger dauernden oder st\u00e4rkeren Eindr\u00fccken w\u00fcrden sie wahrscheinlich keine besondere Schwierigkeit gefunden haben. Die \u00fcbrigen 18 aber erkannten sofort alle aus der Leitung S3 kommenden Vokale richtig; nur selten kam, was ja bei den besten Beobachtern unvermeidlich ist, ein zuf\u00e4lliger Fehlgriff vor.\nDie Tonh\u00f6he war durchg\u00e4ngig c1. Jedem Vokal wurden 5 Versuchsreihen gewidmet, jede davon aus 10 Doppelurteilen (\u00fcber die nat\u00fcrliche und die k\u00fcnstliche Form) bestehend. An diesen 5 Reihen beteiligten sich immer 5 verschiedene Beobachter, die aus den obigen 18 in verschiedener Kombination ausgew\u00e4hlt wurden, um individuelle Eigent\u00fcmlichkeiten auszuschalten. Die Zeitfolge des nat\u00fcrlichen (n) und des k\u00fcnstlichen (k)","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Unwissentliche Versuche zur Pr\u00fcfung der Naturtreue.\n183\nVokals wechselte unregelm\u00e4\u00dfig zwischen 2 Schematismen, innerhalb deren die Verteilung wieder unregelm\u00e4\u00dfig war, n\u00e4mlich: ,,kn, nk, nk, kn, kn, nk, nk, kn, kn, nk\u201c und \u201ekn, nk, nk, kn, nk, kn, kn, nk, kn, nk.\u201c Die Instruktion lautete: \u201eSie werden Vokale von sehr kurzer Dauer h\u00f6ren. Beim ersten fragen Sie sich, was f\u00fcr ein Vokal es ist und ob er gut oder mangelhaft ist, und in welcher Beziehung letzteres; z. B. ,E zu sehr nach \u00c4\u2018. Beim 2. fragen Sie sich, ob es derselbe, und wenn ja, ob er jetzt gleich gut, besser oder schlechter als vorher war und in welcher Beziehung. Dann folgen immer 2 unmittelbar aufeinander, die unter sich zu vergleichen sind. Alles irgend Bemerkenswerte ist aufzuschreiben.\u201c (Der 2. Teil der Instruktion wurde Neulingen immer erst nach Absolvierung des ersten Vokalpaares gegeben.)\nDiese Instruktion sollte die Aufgabe erleichtern, indem sie darauf hinwies, da\u00df man je 2 sich unmittelbar folgende Eindr\u00fccke miteinander zu vergleichen hatte. Aber in weitaus den meisten F\u00e4llen wurde dies nicht beachtet, sondern jeder Eindruck f\u00fcr sich beurteilt, wogegen ich nichts einzuwenden hatte, da auch so die Protokolle in gleichem Sinne zu verwerten waren und die Aufmerksamkeit durch die Aufeinanderfolge der 20 einander sehr \u00e4hnlichen Eindr\u00fccke doch immerzu auf die Beachtung ihrer Nuancen konzentriert blieb. \u00d6fters \u00e4u\u00dferten sich die Vpn. am Schl\u00fcsse einer Reihe deprimiert, da\u00df sie fast gar keine deutlichen Unterschiede h\u00e4tten finden k\u00f6nnen, da\u00df sie immer nur denselben Vokal geh\u00f6rt h\u00e4tten; was ich nicht ohne heimliches Vergn\u00fcgen zur Kenntnis nahm. Aus allen \u00c4u\u00dferungen ging hervor, da\u00df auch w\u00e4hrend der Versuche keiner Vp eine Ahnung davon aufging, da\u00df ein k\u00fcnstlicher mit einem gleichartigen nat\u00fcrlichen Vokal abwechselnd dargeboten wurde.\nDa der gesungene Vokal durch die R\u00f6hrenleitung alteriert werden konnte, wurde vorher sorgf\u00e4ltig ausprobiert, auf welche Weise er m\u00f6glichst gut her\u00fcberkam, namentlich wurden Trichter vorgeschaltet, bei den hellen Vokalen kleine, bei O ein gro\u00dfer, bei U ein m\u00e4chtiger Grammophontrichter, bis sie bei Erkennungsversuchen sicher zu identifizieren waren. Auch \u00fcberwachte ich die Vokalisierung best\u00e4ndig durch den Nebenschlauch.\nBei der Zusammenstellung der Ergebnisse bezeichnen wir als \u201ekv\u201c die F\u00e4lle, wo innerhalb eines Versuchspaares der k\u00fcnstliche Vokal als vollkommener beurteilt wurde (sei es durch Vergleichung mit dem vorausgehenden oder nachfolgenden nat\u00fcrlichen, sei es durch absolute Pr\u00e4dikate, wenn z. B. beide Male ein \u00dc als solches erkannt, aber k als tadellos, n als etwas zu hell, oder wenn k als \u00dc, n aber als I bezeichnet wurde). Im gegenteiligen Falle wird \u201env\u201c geschrieben. Mit gv (gleich vollkommen) bezeichne ich die F\u00e4lle, wo beide als der betreffende Vokal erkannt und als gut oder nur wenig alteriert beurteilt wurden (z. B. k als \u201e\u00dc nach E hin\u201c, n als ,,U nach I hin\u201c). Als gu (gleich unvollkommen) endlich die F\u00e4lle, wo beide mit Nachbarvokalen oder gar (ein seltener Fall) mit entfernteren Vokalen verwechselt wurden.\nIndividuelle Urteilsneigungen zeigten sich auch hier. So schien einer Vp ein gutes klares A, das n wie das k, durchgeh ends nicht hell genug. Gerade in bezug auf A sind ja die Anforderungen verschieden. Eine andere Vp h\u00f6rte das nat\u00fcrliche E immer etwas nach \u00c4 hin, was \u00fcbrigens vielleicht objektiv nicht ganz grundlos sein mochte, da E von m\u00e4nnlichen S\u00e4ngern leicht zu \u201eoffen\u201c angegeben wird. Eben wegen solcher kleinen individuellen Divergenzen wurde eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl von Vp herangezogen.\nDie folgende Tabelle zeigt mm die Verteilung der Aussagen auf die 4 unterschiedenen Klassen. Sie schwankt freilich von Vokal zu Vokal. Viel-","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\t7. Kap. Synthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\nleicht waren die k bei einigen Vokalen doch nicht so \u00fcberzeugend wie sonst oder die n st\u00e4rker als sonst alteriert, oder es spielten Zuf\u00e4lligkeiten mit. Immerhin l\u00e4\u00dft sich sagen, da\u00df die n nirgends gegen die k \u00fcberwiegen, sondern ihnen nur einmal \u2014 beim \u00dc \u2014 gleichstehen, bei den \u00fcbrigen Vokalen dagegen mehr oder weniger hinter den k Zur\u00fcckbleiben, beim U, E und I sogar auf Null oder fast Null sinken. Es kann also, auch wenn man\nnicht summieren will, kein Zweifel obwalten, da\u00df der k\u00fcnstliche Vokal im allgemeinen weitaus den Vorrang hat.\nIch habe auch die St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse der Teilt\u00f6ne, wie sie bei diesen Versuchen in den k\u00fcnstlichen Vokalen obwalteten, noch besonders festgestellt, und zwrar am Ende der Leitung, wo der Vokal von den Vp geh\u00f6rt wurde. Da einzelne Vokale auf mehrere Versuchsreihen verteilt waren, f\u00fcr die sie immer neu aufgebaut wurden, ist ihre Zusammensetzung mehrfach angegeben. Dabei wurde auch gelegentlich ein anderer S\u00e4nger oder ein anderer Trichter ben\u00fctzt, so da\u00df der k\u00fcnstliche Laut, um dem nat\u00fcrlichen zu gleichen, in seiner Zusammensetzung etwas ver\u00e4ndert werden mu\u00dfte. Das zweite O und das zweite A gefielen besonders.\n\tgV\tkv\tnv\tgu\nu\t20\t25\t1\t4\n0\t24\t10 i\t6 i\t10\nA\t14\t21 i\t15\t0\n\u00d6\t10\t25\t10\t5\n\u00c4\t13\t24\t9\t4\n\u00fc\t17\t14\t14\t5\nE\t5\t42\t0\t3\nI\t6\t29\t3\t12\n\t109\t190\t58\t! 43\n\t400\t\t\t\nTonh\u00f6he c1.\ng'\u00b0\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t1\ne5\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t1/ / 2\nc5\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t1\n64\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t6\na4\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t4\ngi\t\t\t\t\t\t\t1\t\t\t\t1/z I\t2\nfis4\t\t\t\t\t\t\t2\t3\t\t\t2\t4\ne4\t\t\t\t\t\t3\t4\t! 4\t\t\t3\t4\ncZ4\t\t\t\t\t\t2\t6\t5\t\t4\t5\t1\nc4\t\t\t\t\t\t3\t6\t5\t4\t6 :\t5\t2\nb3\t\t\t\t\t\t5\t6\t7\t8 1\t6\tV2 ;\t0\ng3\t\t\t\t1\t4\t8\t4\t6\t4\t5\t2\t0\n\u00df3\t\t\t\t4\t8\t4\t8\t6\t3\t0\t1\t3\nC3\t\t4\t5 j\t6 !\t8\t5\t8\t8\t2\t0 ;\t3 !\t3\ng2\t6\t8\t6\t10\t10\t2\t9\t8\t3\tv. ;\t3\t4\nc2\t4\t10\t10\t4\t3\t6\t6\t! 6\t3\t! 0\t8 !\t3\nc1\t8\t3\t2\t0\t0\t1 5\ti 0\t! 3\t6\t7\t5 I\t6\n\tU\t0\t0\tA\tA\t\u00d6\t\u00c4\t\u00c4\t1 \u00fc\t\u00dc\tE\tI\nVerglichen mit der Tabelle S. 176 f\u00fcr den Grundton c1 l\u00e4\u00dft diese im allgemeinen dieselbe Struktur der Vokale erkennen. Ein v\u00f6lliges Zusammenfallen ist nat\u00fcrlich angesichts der kleinen Schwankungen der Vokalisierung wie der subjektiven St\u00e4rkesch\u00e4tzung nicht zu erwarten. Auffallend ist nur der Mangel einer toten Strecke beim E. M\u00f6glicherweise ist es gerade dadurch gegen\u00fcber dem aus der Leitung kommenden nat\u00fcrlichen E so","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Der Grundton als Differenzton.\t185\nverbessert worden, da\u00df damit das unbedingte \u00dcbergewicht der k \u00fcber die n (42 gegen 0) zusammenh\u00e4ngt.\nDas von einem guten S\u00e4nger gesungene U habe ich auch durch Resonanzversuche analysiert, mit folgendem Ergebnis: c1 10, c2 3, g2 6 \u2014 8, c3 1 \u2014 2.\nV. Der Grundton als Differenzton.\nSchon mehrfach ist darauf hingewiesen, da\u00df der Grundton als subjektiver Differenzton (D. T.) aller benachbarten harmonischen Teilt\u00f6ne zustande kommen oder wenigstens verst\u00e4rkt werden kann ; und so ist auch bei unseren Synthesen seine objektive St\u00e4rke h\u00e4ufig nahezu oder ganz = 0, w\u00e4hrend er dem H\u00f6rer kr\u00e4ftig vorhanden zu sein scheint. Dennoch sind mir zuweilen Zweifel gekommen, ob er auch nur subjektiv, im Ohre, real vorhanden war. Es lie\u00dfe sich denken, da\u00df dem Klange, sagen wir dem A-Klange aus den reellen T\u00f6nen c2 g2 c3 e3, nur die H\u00f6he des c1 in der Auffassung des H\u00f6renden irgendwie zuw\u00fcchse, ohne da\u00df der Grundton c1 auch nur im Ohre dazu tr\u00e4te1). Man k\u00f6nnte versuchen, eine Entscheidung dadurch herbeizuf\u00fchren, da\u00df man mit einer etwas verstimmten cd-Gabel auf Schwebungen pr\u00fcfte. Aber gerade durch die Hilfsgabel kann in Verbindung mit dem vorhandenen c2 ein auf c1 schwebender D. T. entstehen, au\u00dferdem kann auch der in der Gabel vorhandene schwache Oberton c2 mit dem vorhandenen c2 schweben (worauf hindeutet, da\u00df die Schwebungen bei starkem Anschlag der Gabel geh\u00f6rt werden). Es m\u00fc\u00dften also Vorsichtsma\u00dfregeln getroffen werden, um Fehlschl\u00fcsse zu vermeiden2). Ein anderes Pr\u00fcfungsmittel w\u00e4re die Untersuchung der Schwingungskurven des Trommelfells, wie sie Koehler durchgef\u00fchrt hat. Denn das Trommelfell ist sicherlich der Hauptentstehungsort der subjektiven D. T. (nebenbei wohl auch das ovale Fenster). Aber die Koehler sehen Kurven reichen dazu nicht aus3), und eine Wiederholung wird so schnell nicht stattfinden.\n1)\tAn eine solche psychologische Erkl\u00e4rung denkt auch Pipping (2 gegen den Schlu\u00df).\n2)\tVgl. m. Abh. 7, S. 19ff.\n3)\tEine Stelle in Koehlers Beschreibungen (1, I) scheint daf\u00fcr zu sprechen, da\u00df auch hier objektiv kein oder nur ein sehr schwacher Grundton auf trat, wenn der Vokal in tiefer Lage gesungen wurde: \u201eAufnahmen des O von einer Ba\u00dfstimme, die noch tiefer hinab in der Skala die erforderliche St\u00e4rke besa\u00df, zeigten, da\u00df, je tiefer der Vokal gesungen wurde, sein Wellenbild immer verwickelter ward, und da\u00df Teilt\u00f6ne, die an demselben in hoher Lage gar nicht zu bemerken waren, tiefer unten mit starken Zacken die Periode fast allein ausf\u00fcllten.\u201c","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\t7. Kap. Synthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\nSchlie\u00dflich -scheint mir doch die direkte Beobachtung f\u00fcr das reale Vorhandensein im Ohr in den meisten F\u00e4llen zu sprechen1). Wenn man in der obenerw\u00e4hnten A-Kombination das g2 abwechselnd wegnimmt und wieder hinzuf\u00fcgt, so kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, da\u00df eine wirkliche Ver\u00e4nderung in dem tieferen Klangbestande, im Tr\u00e4ger der Tonh\u00f6he, nicht blo\u00df in der Tonh\u00f6he des Klanges als solchen, Platz greift.\nAu\u00dferordentlich lehrreich ist es \u00fcbrigens bei diesem Versuch, die 3 Erscheinungen: c1 f\u00fcr sich allein als einfachen Ton, dann den A-Vokal auf dem D. T. c1, endlich c2 wieder f\u00fcr sich allein, miteinander in Hinsicht ihrer Helligkeit zu vergleichen. Her A-Vokal auf c1 ist weder so dunkel wie c1 noch so hell wie c2, liegt also gewisserma\u00dfen dazwischen, aber nicht so wie etwa fis1 in der Mitte l\u00e4ge. Er hat eben eine Komplexhelligkeit, die nicht ohne weiteres in die Reihe der einfachen Helligkeiten eingeordnet werden kann. Genau kann sie nur eingereiht werden in eine Reihe von Komplexhelligkeiten gleicher oder verwandter Art, wie ein Klavierklang in die Reihe der Klavierkl\u00e4nge eingeordnet wird. So kann unsere Einrichtung auch f\u00fcr das Studium dieser prinzipiellen Fragen gute Dienste leisten.\nMan kann die Frage aufwerfen, wie viele der tieferen harmonischen Teilt\u00f6ne einem Klange fehlen k\u00f6nnen, ohne da\u00df sich der Grundton f\u00fcr unser Geh\u00f6r ver\u00e4ndert, d. h. ohne da\u00df er aufh\u00f6rt, als subjektiver D. T. hinzuzutreten. Nat\u00fcrlich h\u00e4ngt dies sehr von der Intensit\u00e4tsverteilung innerhalb der Teiltonreihe ab. F\u00fcr die Entstehung von D. T. ist am wirksamsten gleiche St\u00e4rke der beiden erzeugenden Prim\u00e4rt\u00f6ne. Diese ist aber im allgemeinen bei den Teilt\u00f6nen eines Vokals, auch bei den Instrumentalkl\u00e4ngen, nicht vorhanden. Wird sie k\u00fcnstlich hergestellt, und hat der Klang zugleich in allen Teilen eine gen\u00fcgende absolute St\u00e4rke, so kann man \u00fcberhaupt s\u00e4mtliche Teilt\u00f6ne bis auf 2 beliebige einander benachbarte wegnehmen: immer wird ein D. T. von der Verh\u00e4ltniszahl 1 entstehen. Also z. B. wenn nur der 15. und 16. Teilton \u00fcbrig sind; denn das Intervall 15 :16 liefert, etwa mit Stimmgabeln oder Pfeifen angegeben, den deutlichen Differenzton 1.\nK\u00fcrzlich hat nun H. Fletcher (3) dieser Frage unter Anwendung von elektrischen Schwingungen und Filtern, wie sie in der Radiotechnik jetzt \u00fcblich sind, eine experimentelle Untersuchung gewidmet und angegeben, da\u00df man aus einem beliebigen Vokaloder Instrumentalklang den Grundton und die 5\u20147 ersten\n2) \u00dcber einen Ausnahmefall vgl. u. S. 193.","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Der Grundton als Differenzton.\n187\nObert\u00f6ne ansschalten k\u00f6nne, ohne da\u00df sich die Klangh\u00f6he \u00e4ndere. ISlur die Klangfarbe erleide eine Ver\u00e4nderung. So auch bei einem auf d = 145 Schw. gesungenen \u201eah\u201c. Hier waren die s\u00e4mtlichen Teilt\u00f6ne von d\u2014d3 ausgeschaltet, und dennoch h\u00f6rte man den Vokal auf der H\u00f6he des d. Wurden auch der 8. und 9. Oberton, also der 9. und 10. Teilton, noch weggenommen, so wurde die Tonh\u00f6he ungewi\u00df, die Klangfarbe aber zum Ger\u00e4usch. Die Urteile wurden von 3 musikalischen Personen in \u00dcbereinstimmung miteinander abgegeben. Es wurden dann auch Synthesen mit 10 R\u00f6hrensender-Oszillatoren ausgef\u00fchrt, welche T\u00f6ne von 100\u20141000 Schw. mit je 100 Schw. Differenz lieferten. Hier waren je 3 benachbarte T\u00f6ne gen\u00fcgend, um den Ton 100 im Ohre hervorzurufen.\nDas letztere ist nun ohne weiteres verst\u00e4ndlich, da es sich in diesem Falle, wie anzunehmen ist, um ungef\u00e4hr gleich starke Prim\u00e4rt\u00f6ne handelte. Dagegen stehe ich der Behauptung in Hinsicht der 8 (mit dem Grundton) ausgel\u00f6schten Teilt\u00f6ne ganz ungl\u00e4ubig gegen\u00fcber und m\u00f6chte sie, Genauigkeit der Einrichtung vorausgesetzt, als Ausflu\u00df weitgehender \u201ePerseveration\u201c bei den 3 urteilenden Personen auffassen. Der Grundton eines guten A verschwindet nach meinen Beobachtungen schon bei Wegnahme der 2 oder 3 untersten Teilt\u00f6ne; z. B. geben die 3 T\u00f6ne c3 e3 gz in der St\u00e4rkeverteilung der Tabelle f\u00fcr c1 S. 167 kein A auf c1 mehr.\nEs k\u00f6nnten aber auch Fehler der benutzten Apparatur mitwirken. Solche m\u00fcssen ohne allen Zweifel angenommen werden, wenn behauptet wird, da\u00df die Zusammenf\u00fcgung der T\u00f6ne 100, 300, 500, 700, 900 zwar den D. T. 200, aber keinenKlang von bestimmter H\u00f6he und Klangfarbe, sondern nur eine Art Ger\u00e4usch (like a noise) ergebe. Dasselbe sei der Fall, wenn die T\u00f6ne um je 300 oder 400 Schw. voneinander abst\u00e4nden. Dies ist f\u00fcr jeden, der einmal die auf dieselben Schwingungszahlen abgestimmten Resonanzgabeln unseres Psychologischen Instituts hat zusammenklingen h\u00f6ren, ganz und gar unbegreiflich. Da man das normale Ohr der amerikanischen Beobachter nicht bezweifeln kann, mu\u00df es an der Einrichtung gelegen haben.\nAuch was \u00fcber die Klangver\u00e4nderungen durch Filter bei den musikalischen Instrumenten berichtet wird (bei der Orgel wird das Register, auf das hier doch alles ankommt, nicht genannt), deutet auf solche M\u00e4ngel hin. Die Tonh\u00f6he soll bei Instrumenten durch solche Ausschaltungen nicht ge\u00e4ndert werden, solange der filtrierte Klang \u00fcberhaupt noch als ein musikalischer erkannt werde (S. 432). Warum aber sollen hohe T\u00f6ne, wie sie in vielen Instrumenten vorhanden sind, beim Wegfall der tieferen nicht immer noch als T\u00f6ne erkannt werden? Dies widerspricht aller Erfahrung. Es m\u00fcssen also wohl durch die Apparatur Ger\u00e4usche in den Klang hineingekommen sein, die die hohen feinen T\u00f6ne zuletzt unterdr\u00fcckten.\nZur Analyse der Kurven bediente sich Fletcher, wie Miller, statt des umst\u00e4ndlichen Fourierverfahrens, eines \u201eharmonischen Analysators\u201c, der in 5 Minuten die Bestandteile einer Kurve, das \u201eTonspektrum\u201c, auf","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\t7- Kap. Synthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\neiner photographischen Platte auseinanderlegte. Auffallend ist, da\u00df hier bei einem auf 2 verschiedenen Tonh\u00f6hen gesungenen A gerade der Grundton die gr\u00f6\u00dfte Amplitude erh\u00e4lt (ebenso bei der Klarinette, wo versehentlich, wie aus den Abszissen hervorgeht, c statt c1 als Grundton angegeben ist).\nVI. Unharmonische Teilt\u00f6ne.\nNunmehr kann auch die Streitfrage \u00fcber das Vorhandensein und die Bedeutung unharmonischer Teilt\u00f6ne in den Vokalen allseitig gepr\u00fcft werden. Man braucht a priori gar kein Vorurteil gegen solche zu haben, etwa pythagoreischen Zahlenspekulationen oder dem naturphilosophischen Prinzip der Einfachheit zuliebe. Es w\u00e4re ganz wohl m\u00f6glich, da\u00df in dem vielgliedrigen Mechanismus der Sprachwerkzeuge an irgendeiner Stelle dergleichen in den Klang hineink\u00e4me. Nur rein tats\u00e4chlich haben wir in der Analyse nirgends etwas gefunden, was auf das Vorhandensein unharmonischer Beit\u00f6ne in unseren gew\u00f6hnlichen Vokalen in den entscheidenden Gegenden deutete.\nMit dem synthetischen Verfahren l\u00e4\u00dft sich, wie ich glaube, eine definitive Aufkl\u00e4rung erzielen. Man kann z. B. durch blo\u00dfe Erh\u00f6hung oder Vertiefung des Grundtons die s\u00e4mtlichen \u00fcbrigen Teilt\u00f6ne zu unharmonischen machen, oder man kann nur eine oder einige h\u00f6here Pfeifen verstimmen oder ne\u00fce einf\u00fcgen. Bei der neueren Einrichtung (von 1919), die 2 Leitungen frei l\u00e4\u00dft, habe ich in diese gelegentlich 2 Pfeifen mit verschiebbaren Stempeln eingesetzt, mit denen man jede Tonh\u00f6he zwischen g1 und c3, auch 2 unharmonische T\u00f6ne dieser Gegend gleichzeitig, dem Klange beimischen, ja auch eine stetige Tonbewegung innerhalb des sonst konstanten Klanges erzeugen kann. Aber schon vor diesen besonders darauf zielenden Versuchen hatten zuf\u00e4llige Verstimmungen einzelner Pfeifen mehr als genug Gelegenheit geboten, die Wirkungen unharmonischer Teilt\u00f6ne zu erproben. Ebenso ist bereits bei den obigen Synthesen f\u00fcr den Grundton g1 ein unharmonischer Beiton 64 statt h4 benutzt (s. die Tabellen).\nWie man schon aus diesem Beispiel sieht, tut der unharmonische Eindringling unter Umst\u00e4nden dieselben Dienste wie der fehlende harmonische Ton, wenn er nur der betreffenden Tonlage angeh\u00f6rt und nicht zu schrille Schwebungen mit den Nachbart\u00f6nen gibt. \u00dcberhaupt aber kommt es in dieser hohen Lage, in der 4-gestrichenen Oktave und dar\u00fcber, nicht darauf an, ob der Ton zu der ganzzahligen Obertonreihe geh\u00f6rt. Es d\u00fcrfen nur nicht zu viele und zu dicht benachbarte T\u00f6ne eingef\u00fcgt werden, m\u00f6gen sie harmonisch sein oder nicht.","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Unharmonische Teilt\u00f6ne.\n189\nVerh\u00e4ngnisvoller wird die Einf\u00fcgung tieferer, d. h. zwischen den harmonischen Teilt\u00f6nen von niedrigen Ordnungszahlen liegender, unharmonischer Beit\u00f6ne. Hier m\u00fcssen aber zun\u00e4chst gewisse F\u00e4lle ausgeschieden werden, in denen es sich nur scheinbar um unharmonische Beit\u00f6ne handelt. Wenn man in den k\u00fcnstlichen Vokal A auf c1 die T\u00f6ne g1 oder e2 oder beide einf\u00fcgt, die in dessen Obertonreihe nicht enthalten, also zu c1 unharmonisch sind, so ist die Wirkung einfach die, da\u00df der Grundton um eine Oktave hinabspringt : man h\u00f6rt wieder ein gutes A, aber auf c. Denn dieser Ton wird jetzt als subjektiver Differenzton gebildet. Zu ihm aber sind die neuen Teilt\u00f6ne harmonisch; wir haben jetzt die Reihe c, c1, g1, c2, e2, g2, c3 usf. Solche F\u00e4lle also m\u00fcssen hier ausscheiden1).\nF\u00fcgt man nun beliebige andere unharmonische Teilt\u00f6ne ein, so k\u00f6nnen Sch\u00e4digungen in mehrfacher Richtung entstehen, und es ist kein Fall denkbar, wo nicht eine oder mehrere davon eintreten m\u00fcssen:\n1.\tWenn der unharmonische in der N\u00e4he von reell vorhandenen harmonischen liegt, so schwebt er mit diesen und bringt dadurch eine Unebenheit oder Rauhigkeit in den Klang, wie sie den nat\u00fcrlichen Vokalen bei normaler Stimmbeschaffenheit nicht eigen zu sein pflegt.\n2.\tIn allen F\u00e4llen entsteht ein mehr oder minder ausgepr\u00e4gter \u00dcbelklang, der von der Rauhigkeit der Schwebungen noch zu unterscheiden ist und sich namentlich dem musikalischen H\u00f6rer f\u00fchlbar macht, auch ohne da\u00df er den Klang analysiert. Beobachtungen haben gelehrt2), da\u00df dem Dur-Dreiklang und seinen Derivaten (Um- und Weitlagerungen) auch f\u00fcr Unmusikalische oder in homophoner Musik Aufgewachsene (Asiaten, Naturv\u00f6lker) ein gewisser Reiz innewohnt, der ihn vor allen anderen Zusammenkl\u00e4ngen auszeichnet. Die Zusammensetzung aus harmonischen Teilt\u00f6nen, von denen die ersten 6 den reinen Dur-Dreiklang nebst tieferen Oktaven des Grundtons und der Dominante geben, erteilt daher den Vokalen auch im unanalysierten Zustande einen Vorzug, an den wir zwar gew\u00f6hnt sind, dessen Wegfall wir aber unliebsam empfinden w\u00fcrden. Nat\u00fcrlich bleibt ein Unterschied gegen\u00fcber einem Akkord (\u201eKonkord\u201c), bei dem in der Regel die\nx) An diesem Fehler leiden die schon von v. Wesendonk versuchten Kombinationen unharmonischer Teilt\u00f6ne. Wenn man in seinen Beispielen, welche alle ein A geben sollen (/1 f2 b2 /3; fis2 a2 d3 fis3; a2 d3 a3; a2 fis3 a3), die Differenzt\u00f6ne h \u2014 t und 2 t\u2014h berechnet, die stark herauskommen m\u00fcssen, so ergeben sich regelrechte durchweg harmonische Teiltonreihen auf den Grundt\u00f6nen B, d und d1. Es ist also nichts damit zu beweisen.\n2) Vgl. z. B. Tonpsych. II, S. 264 und \u201eMusik der Siamesen\u201c in m. \u201eBeitr. z. Akust. u. Musikwiss.\u201c, Heft 3, S. 106. 1901.","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\t7. Kap. Synthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\neinzelnen T\u00f6\u00fce gleiche St\u00e4rke haben. Aber etwas von der rein physiologischen Wirkung des Durklanges scheint doch auf die Sprachkl\u00e4nge, namentlich auf 0 und A, bei denen die St\u00e4rkeverteilung am g\u00fcnstigsten ist, \u00fcbergegangen zu sein1).\nMan darf aber diese harmonische Zusammensetzung nicht als einen wunderbaren Zufall oder als eine exzeptionelle Einrichtung ansehen, die besonderer Erkl\u00e4rungsgr\u00fcnde bed\u00fcrfte. Die Polsterpfeife des menschlichen Kehlkopfs hat darin nichts vor den meisten \u00fcbrigen Pfeifen und vor den schwingenden Zungen und Saiten voraus. Instrumente mit unharmonischen Obert\u00f6nen bilden Ausnahmen. Nun sind freilich alle musikalischen Instrumente mehr oder weniger Kunstprodukte und insofern teleologische Einrichtungen. Aber auch jeder Organismus ist eine solche. Und da\u00df unser angeborenes Instrument nicht besondere Gesetzlichkeiten f\u00fcr sich verlangt, kann der Theorie nur willkommen sein.\nDer S. 170 erw\u00e4hnte Demonstrationsapparat, an dem die Obert\u00f6ne nicht ausgeschaltet waren, gab bei der geringsten Verstimmung f\u00fcr mein Ohr statt eines Vokals einen abscheulichen Mi\u00dfklang, woran die mitverstimmten Ober- und Differenzt\u00f6ne nebst ihren Schwebungen Schuld waren \u2014 auch ein Grund, warum nur ganz einfache T\u00f6ne zu Synthesen taugen. Bei diesen ist die \u00fcble Wirkung kleiner Verstimmungen weit geringer, noch geringer die der regelrechten Dissonanzen, wie solche ja auch unter den h\u00f6heren harmonischen Teilt\u00f6nen Vorkommen. Aber wenn statt der tieferen, stark konsonierenden Teilt\u00f6ne oder zwischen sie hinein stark dissonierende gesetzt werden, wird doch auch bei ganz einfachen T\u00f6nen die sinnliche Annehmlichkeit des Zusammenklanges vermindert.\n3.\tleidet die Einheitlichkeit, die f\u00fcr den Vokaleindruck unentbehrlich ist. Die harmonischen Teilt\u00f6ne bis zum 6. verschmelzen in hohem Grade zu einer Klangeinheit (vgl. 11. Kap.). Tritt ein dissonanter Ton zwischen sie oder an die Stelle eines von ihnen, so h\u00f6rt die Einheitlichkeit und damit der Vokaleindruck entweder ganz auf oder der Klang wird (so bei sehr unmusikalischen, zur Analyse unf\u00e4higen Personen) wenigstens als fremdartig, weniger rund und voll empfunden.\n4.\tDer Grundton wird, wenn der unharmonische Teilton an die Stelle eines ausfallenden harmonischen tritt, nicht mehr gen\u00fcgend durch Differenztonbildung verst\u00e4rkt. Dies wirkt besonders sch\u00e4dlich in den F\u00e4llen, wo er, wie beim A und \u00c4, fast\nx) Vgl. Helmholtz, S. 120: \u201eWenn wir die Reihe der 6 ersten Partialt\u00f6ne eines zusammengesetzten Klanges \u00fcberblicken, so k\u00f6nnen wir letzteren in musikalischer Beziehung als einen Durakkord mit \u00fcberwiegend starkem Grundton betrachten, und wirklich hat auch ein solcher Klang, z. B. ein sch\u00f6ner Gesangston, neben einem einfachen Tone ganz deutlich etwas von der angenehmen Wirkung eines harmonischen Akkordes.\u201c In diesem Sinne verteidigte auch Hensen (3) die \u201eHarmonie in den Vokalen\u201c.","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Unharmonische Teilt\u00f6ne.\n191\nnur auf diesem Wege zustande kommt. Au\u00dferdem entstehen unharmonische Differenzt\u00f6ne, die, wenn sie auch nicht f\u00fcr sich h\u00f6rbar sind, die unter 1\u20143 genannten \u00dcbelst\u00e4nde vergr\u00f6\u00dfern k\u00f6nnen.\nWird der Grundton selbst verstimmt oder durch einen anderen ersetzt, so m\u00fcssen \u00e4hnliche Wirkungen auftreten: \u00dcbelklang, mangelnde Einheitlichkeit, unter Umst\u00e4nden Schwebungen mit dem aus der unverstimmten Teiltonreihe resultierenden Differenz -ton.\nDie Reihe der ganzzahligen Multipla eines Grundtones ist eben dadurch, da\u00df der Grundton zugleich Differenzton aller unmittelbar aufeinanderfolgenden Obert\u00f6ne, der 2. Teilton zugleich Differenzton aller um 2 Einheiten differierenden Obert\u00f6ne ist usf., ein ganz einzigartiges, in sich geschlossenes akustisches Gebilde, ein Organismus, der sich gegen jeden Eindringling wehrt und durch ihn in seinen Funktionen sofort gesch\u00e4digt wird, gleich einem Staate, der in sich uneins, von Parteien zerrissen ist. Das sagen wir nicht aus apriorischen Theorien, sondern aus den Beobachtungen heraus. Die synthetischen Vokale wurden immer nur dann den nat\u00fcrlichen gleich, wenn (abgesehen von den h\u00f6chsten Obert\u00f6nen) harmonische Teilt\u00f6ne, und zwar in ganz reiner Stimmung, verwendet wurden, entfernten sich dagegen bei Einf\u00fcgung unharmonischer in den angegebenen Richtungen von diesem Ziele, wenigstens f\u00fcr feinerh\u00f6rende Ohren. Damit ist, meine ich, der definitive Beweis geliefert, da\u00df in den nat\u00fcrlichen Vokalen, mindestens unter ihren tieferen Bestandteilen, keine unharmonischen Bestandteile vorhanden sind. Speziell die Formanten des A und 0, die in den Diskussionen \u00fcber Hermanns Theorie der Vokalbildung eine entscheidende Rolle spielen, enthalten sicher nichts von solchen. Wenn unter den h\u00f6chsten Obert\u00f6nen sich- noch irgendwelche schwache Bestandteile dieser Art gelegentlich oder selbst regelm\u00e4\u00dfig einmischen sollten \u2014 vielleicht bei den nasalierten Lauten \u2014, so w\u00fcrde es sich kaum lohnen, dar\u00fcber lebhaft zu streiten, da sie keine weitergreifende theoretische Bedeutung h\u00e4tten.\nIn einem Punkt w\u00e4re es allerdings f\u00fcr die Deutlichkeit der Vokalisierung n\u00fctzlich, wenn der Sachverhalt der von Hermann behauptete w\u00e4re: die Formanten haben nach ihm mit dem Stimmton gar nichts zu schaffen, es w\u00e4re also die Identifikation eines Vokals auf verschiedenen Tonh\u00f6hen aufs einfachste gew\u00e4hrleistet. Ferner w\u00fcrde bei dem zwei- und mehrstimmigen Gesang auf demselben Text der Formant jedes Vokals durch die verschiedenen Stimmen verst\u00e4rkt, der Vokal also noch kenntlicher werden, w\u00e4hrend nach uns gewisse Kollisionen eintreten m\u00fcssen, wenn z. B. A auf","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\t7. Kap. Synthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\nder Simultanterz c + e gesungen wird, indem die Formantt\u00f6ne g2 und gis2, sowie b2 und h2 miteinander schweben m\u00fcssen.\nAber es ist nun einmal tats\u00e4chlich anders, als es sich Hermann vorstellte. Er selbst hat bereits zugegeben, da\u00df das Unkenntlichwerden der Vokale von c2 an nicht mit seiner These stimmt, und seine Sch\u00fcler sind auf das langsame Ansteigen der Formanten mit der H\u00f6he aufmerksam geworden. \u00dcbrigens w\u00e4ren unharmonische Teilt\u00f6ne auch nicht eo ipso unver\u00e4nderliche Teilt\u00f6ne: die unharmonische, falsche Duodezime der Stimmgabel z. B. steigt ebenso mit dem Grundton wie die harmonische reine Oktave. Die Unver\u00e4nderlichkeit flie\u00dft also nur aus Hermanns physiologischer Hypothese \u00fcber den Mechanismus der Vokalisierung, und diese Hypothese ist in sich selbst nicht einmal so klar, da\u00df die Konsequenz zweifellos einleuchtete.\nDie Sicherheit des Wiedererkennens aber wird in Wirklichkeit dadurch gew\u00e4hrleistet, da\u00df das \u201ereine\u201c A, 0 etc. immer noch eine gewisse Breite hat, innerhalb deren die kleinen, durch die Verschiebung des Formantenzentrums bedingten \u00c4nderungen der Klangfarbe liegen, da\u00df ferner bei dem gleitenden Tonfall des gew\u00f6hnlichen Sprechens diese Zone best\u00e4ndig gewisserma\u00dfen abgestreift wird, und da\u00df bei mehrstimmigem Gesang auf gleichem Texte die Obert\u00f6ne der einzelnen Stimmen sich erg\u00e4nzen, so da\u00df der Formant durch mehrere davon gleichzeitig vertreten ist1). Ihre Kollisionen aber m\u00fcssen zwar den Gesamtklang unstreitig etwas rauher machen \u2014 eine in allen F\u00e4llen unvermeidliche Wirkung der Mehrstimmigkeit \u2014, d\u00fcrften aber die Vokalwirkung der nahe zusammenfallenden Formantzentren nicht beeintr\u00e4chtigen, sondern doch auch nur verst\u00e4rken2). In welchem Sinne und welchem Grade tats\u00e4chlich die Deutlichkeit des Vokaleindrucks durch Mehrstimmigkeit beeinflu\u00dft wird, ist meines Wissens noch nicht untersucht.\nEs verh\u00e4lt sich mit den Nachteilen der harmonischen Teilt\u00f6ne f\u00fcr das Sprachverst\u00e4ndnis \u00e4hnlich wie mit den Nachteilen der optischen Konstruktion des Auges. Dieses hat bekanntlich, als optisches Instrument angesehen, eine ganze Anzahl von Fehlern, aber sie sind nach seiner Entstehungsweise und seinen Ern\u00e4hrungsbedingungen unvermeidlich und halten sich, wie Helmholtz gegen-\n1)\tSo liegen im A-Formanten beim Singen der Terz a1 + c2 die T\u00f6ne a2, c3, e3, beim Singen der Quinte g + d1 die T\u00f6ne g2, a2, ln2, d3 (dieser doppelt).\n2)\tBeispielsweise haben in Handels \u201eHalleluja\u201c die 4 Stimmen bei\nihrem Forte-Einsatz in D-Dur auf dem \u201eHa\u201c folgende Teilt\u00f6ne innerhalb des A-Formanten: fis2 doppelt, a2 doppelt, c3, cisz, d3, e3. Der Formant ist also ausgezeichnet stark vertreten. F\u00fcr die englische Aussprache liegt es freilich wieder anders, aber doch wohl \u00e4hnlich.","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Unharmonische Teilt\u00f6ne.\n193\n\u00fcber Karl Vogt betont hat, beim normalen Auge in solchen Grenzen, wie es die Lebensbed\u00fcrfnisse des Organismus verlangen.\nWegen der Wichtigkeit der Sache soll das Gesagte noch durch die Beschreibung und Analyse einiger Versuche erl\u00e4utert werden. Bei der Analyse mu\u00df allerdings einiges zum 13. Abschnitt Geh\u00f6rige (\u00fcber \u201eVokalit\u00e4ten\u201c) vorweggenommen werden.\n1.\tEinfachste Anordnung: c2 (schw\u00e4cher) + c3 (st\u00e4rker) gibt schon ein deutliches A, wenn man auf Vokale im allgemeinen eingestellt ist. Nun werde gis2 eingef\u00fcgt. Ich h\u00f6re dann zun\u00e4chst einen Mehrklang aus den 3 T\u00f6nen, aber keinen Vokal. Der Institutsgehilfe Kaumann, der ganz unmusikalisch ist und nicht zur Analyse neigt, aber eben darum oft um seine Meinung gefragt wird und sich ein sehr sicheres Vokalurteil erworben hat -\u2014 ich nenne ihn hier gern als Mitarbeiter \u2014 h\u00f6rt Ao. Ebenso, wenn statt gis2 fis2 genommen wird. Mit einiger M\u00fche gelingt es auch mir, in beiden F\u00e4llen eine dem A nahekommende Vokalit\u00e4t, ein verdunkeltes A, wahrzunehmen. Aber woher diese Verdunkelung ? Vermutlich stammt sie von den Differenzt\u00f6nen h\u2014t und 2 t\u2014h (h der h\u00f6here, t der tiefere von je 2 T\u00f6nen), die der kleinen und 1-gestrichenen Oktave angeh\u00f6ren1).\nEigent\u00fcmlich ist auch, da\u00df mir bei nicht absolut scharfer Aufmerksamkeit die Tonh\u00f6he des Ganzen als c1 erschien, obgleich dieses hier nicht als D. T. auftreten kann. Wahrscheinlich sind hieran kleine Rauhigkeiten des Zusammenklanges schuld, die auf kollidierenden D. T. beruhen (bei c2 + gis2 + c3 entsteht eine solche Kollision auf dis1, bei c2 -f fis2 + c3 auf gis). Da diese D. T. nicht selbst bemerkbar werden, so veranla\u00dft die Rauhigkeit nur eine Oktavent\u00e4uschung bez\u00fcglich c2.\nF\u00fcr mich macht sich au\u00dferdem (wenn nicht etwa statt gis2 as2 oder statt fis2 das halbkonsonante fis2 \u2014 c2 \u2022 7/5 gesetzt wird) hier schon das Gef\u00fchl des Mi\u00dfklanges geltend.\n2.\tWird mit dem zwischen c2 und c3 eingeschalteten Ton auf f2 -herunter-gegangen, so findet Kaumann schon etwas U-artiges darin; was wieder auf den D. T. / und f1 beruhen mag. Wird f2 durch e2 ersetzt, so h\u00f6rt K. ein sch\u00f6nes helles A. Er h\u00f6rt n\u00e4mlich jetzt doch das hohe c3 heraus, das er auch f\u00fcr sich allein schon als A bezeichnet.\n3- g1 + g2 + d3 in entsprechenden St\u00e4rkeverh\u00e4ltnissen (1:2:1) gibt ein gutes A. Ersetze ich mm g2 durch fis2, so kann ich den Klang nicht recht einheitlich bekommen, doch scheint er mir * wesentlich nach O zu liegen. K. h\u00f6rt OU. Wird g1 auf die St\u00e4rke 1/2 reduziert, so geht die Vokalit\u00e4t f\u00fcr uns beide nach OA.\nAuch hier d\u00fcrften D. T. schuld sein. Bei dem urspr\u00fcnglichen Dreiklang wird nur g1 als D. T. verst\u00e4rkt. Er wird zum Tr\u00e4ger der durch die Obert\u00f6ne bewirkten Vokaleigenschaften, wobei, wie immer, seine eigene Vokalit\u00e4t nicht zur Geltung kommt. Bei dem ver\u00e4nderten Dreiklang entstehen durch fis2 + d3 die D. T. d1 und a1 (durch g1 + fis2 auch ein sehr schwaches, wohl wirkungsloses f1), welche die Ann\u00e4herung an O hineinbringen. Da\u00df bei Schw\u00e4chung des g1 sogar OU geh\u00f6rt wurde, k\u00f6nnte (wenn nicht eine Zuf\u00e4lligkeit des Urteils vorlag) darauf beruhen, da\u00df dadurch die Schwebungen von g1 mit den nahen D. T. a1 und f1 merklicher wurden (Schwebungen sind bei St\u00e4rkegleichheit am merklichsten). Freilich sind diese Deutungen etwas hypothetisch.\nx) Diese beiden Differenzt\u00f6ne sind bei Intervallen innerhalb der Oktave immer, und zwar mit ann\u00e4hernd gleicher St\u00e4rke vorhanden. Vgl. m. Abh. 7. Stumpf, Sprachlaute.\t1 q","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\t7. Kap. Synthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\n4.\tg1, c2, e2, g2, c3, e3 gibt in richtigen St\u00e4rkeverh\u00e4ltnissen ein gutes A auf dem D. T. c. Ersetzen wir g2 durch as2, so ist mir zun\u00e4chst das Auff\u00e4lligste der b\u00f6sartige Mi\u00dfklang. Bem\u00fche ich mich, einheitlich zu h\u00f6ren, so erscheint mir als Vokalcharakter etwa O\u00e4. K. findet ein \u201eunreines 0. mit A versetzt\u201c. Durch die zerst\u00f6rte Einheit scheint die O-Vokalit\u00e4t des tiefen und die A- oder \u00c4-Vokalit\u00e4t der hohen Elemente frei geworden zu sein, wie die Atome eines aufgel\u00f6sten Molek\u00fcls.\nF\u00fcge ich g2 und as2 zugleich in den Komplex ein, so entsteht f\u00fcr mich ein unertr\u00e4glicher Mi\u00dfklang. K. findet den Vokal \u201eetwas mehr nach A liegend\u201c. Doch sei \u201enoch etwas dazwischen\u201c.\n5.\tc1 g1 c2 e2 g2 62 c3 e3 in der n\u00f6tigen St\u00e4rkeverteilung ist wieder ein gutes A auf c. Wird g2 durch gis2 ersetzt, ist es f\u00fcr mich auch so noch ein A, aber abscheulich unrein und ziemlich rauh, auch nicht mehr so einheitlich. Wird dann 52 ausgeschaltet, ist es nicht mehr so rauh (da die Schwebungen zwischen b2 und gis2 wegfallen), aber noch weniger einheitlich.\nSolche Mi\u00dfkl\u00e4nge unanalysierter Tonkomplexe waren f\u00fcr den Verfasser, der von Jugend auf Akkorde als Tonmehrheiten h\u00f6rt und bei Unreinheiten sich stets den Sitz der Verstimmung vergegenw\u00e4rtigt, etwas Neues und theoretisch Bemerkenswertes. F\u00fcr solche, die nicht oder weniger analysierend zu h\u00f6ren pflegen, m\u00f6gen sie gewohnte Erlebnisse sein. Doch d\u00fcrfte ein mi\u00dfklingender Vokal auch anderen noch nicht oft vorgekommen sein.\n6.\tVer\u00e4nderung des Grundtons bei unver\u00e4nderten Obert\u00f6nen: c2 g2 c3 es in entsprechenden St\u00e4rkeverh\u00e4ltnissen gibt ein A auf D. T. c1. Setzt man nun b oder cis1 oder d1 als realen Grundton dazu, so h\u00f6re ich einfach einen Mi\u00dfklang, und der Grundton hebt sich viel zu scharf von dem dar\u00fcber-liegenden Tonkomplex ab. ' K. h\u00f6rt in diesem Fall ein AO, ohne durch den imharmonischen Grundton bzw. die unharmonischen Obert\u00f6ne gest\u00f6rt zu werden. Der Grundton f\u00fcr sich allein klingt ihm mehr wie U.\nDie Zusammenstellung c1 gx c2 e2 g2 b2 c3 e3 g3 in den n\u00f6tigen St\u00e4rkeverh\u00e4ltnissen h\u00f6rt er wieder als ein gutes A. F\u00fcgt man nun noch es hinzu, wodurch s\u00e4mtliche T\u00f6ne unharmonisch zu diesem Grundton werden, so fehlt dem Klange f\u00fcr mich wieder die n\u00f6tige Einheit. K. h\u00f6rt ihn dagegen ,,0-artig\u201c.\nF\u00fcr einen Unmusikalischen wird also der Vokalcharakter beide Male infolge des hinzukommenden tiefen Tones (der st\u00e4rker als der Differenzton sein mag) verdunkelt, aber nicht vernichtet. Es k\u00f6nnen also sogar s\u00e4mtliche Obert\u00f6ne unharmonisch sein. Sie sind es nur tats\u00e4chlich in der wirklichen Menschenstimme nicht,' und das ist g\u00fcnstig, da es dem Klang auch f\u00fcr Ohren, die mehr an das Analysieren gew\u00f6hnt sind, erst die n\u00f6tige Einheit sichert.\nIn diesen F\u00e4llen waren nun freilich die Obert\u00f6ne wenigstens unter sich harmonisch. Setzt man einen komplizierten Klang ganz aus Teilt\u00f6nen zusammen, unter denen nirgends einfache Zahlen Verh\u00e4ltnisse bestehen, so mu\u00df die Sache schlimm werden. Aber es schien nicht erforderlich, \u00fcber solche Kunstgebilde besondere Versuche anzustellen.\nNach alledem k\u00f6nnen wir nun auch Hermanns synthetischen Versuch, auf den er das entscheidendste Gewicht f\u00fcr seine Auffassung der Vokale legt, w\u00fcrdigen. Es gelang ihm, einen Resonator f\u00fcr g2 durch eine Lochsirene intermittierend anzublasen, und er erhielt so einen tiefen Sirenenton, der zwischen 60 und 200 Schwingungen variieren konnte, und den konstanten Resonatorton. Sie ergaben zusammen ein gutes A, wenn keiner der beiden sich vorwiegend aufdr\u00e4ngte, sondern das Ganze als Einheit","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Vokale aus nur 2 T\u00f6nen. \u2014 Besondere Vokaltypen.\n195\ngeh\u00f6rt wurde (Bd. 141, S. 52). Dabei war g2 im allgemeinen unharmonisch zum Grundton. Der Versuch war zwar nicht rein genug, sofern keine gen\u00fcgende Garantie f\u00fcr die Einfachheit der verwendeten T\u00f6ne gegeben war. Aber wir haben keinen Grund, an dem Erfolg selbst zu zweifeln, und es bleibt eines von Hermanns Verdiensten, zuerst die Verwendbarkeit unharmonischer Komponenten erwiesen zu haben. Nur w\u00fcrden wir nicht die Folgerung ziehen, da\u00df damit seine Theorie \u00fcber die Entstehung und das Wesen der Vokale bewiesen w\u00e4re.\nYIL Yokale aus nur 2 T\u00f6nen.\nVon theoretischer Bedeutung ist die M\u00f6glichkeit, einen guten Vokal unter Umst\u00e4nden aus nur 2 einfachen objektiven T\u00f6nen herzustellen. So kann man 0 durch c1 c2, A durch g1 -{- g2 oder c2 -f c3 unter entsprechender genauer Regulierung des St\u00e4rke Verh\u00e4ltnisses darstellen (z. B. f\u00fcr A: c2 = 21/2, c3 = 3)1), oder etwas dunkleres A: g1 = l1/2, g2 = 3). Aber der H\u00f6rer mu\u00df dabei auf einheitliches und vokalisches H\u00f6ren eingestellt sein. Unter dieser Bedingung kann sogar die Quinte c2 + g2 ein A (auf dem Differenzton c1) geben. Bei Unmusikalischen wird dies leichter Vorkommen. Aber auch dem Verfasser gelang es einmal, nachdem ein vollst\u00e4ndigeres A unmittelbar vorausgegangen war. Bald freilich dr\u00e4ngten sich wieder die einzelnen T\u00f6ne auf, und es war auch der D. T. c1 daneben h\u00f6rbar, zun\u00e4chst noch mit der Vokalfarbe des A, aber nicht mehr so \u00fcberzeugend, dann ohne diese F\u00e4rbung : lehrreiche Erfahrungen f\u00fcr den Einflu\u00df des einheitlichen H\u00f6rens auf den Vokaleindruck. Wir werden aber auch in anderen Beziehungen noch auf diese bin\u00e4ren Verbindungen zur\u00fcckkommen (13. Kap.).\nAuch Beobachtungen aus den If.-Versuchen k\u00f6nnen hier angezogen werden: wenn bei L\u00fcckenversuchen aus einem auf as gesungenen A alle Teilt\u00f6ne au\u00dfer as und as2 oder c3 ausgeschaltet waren, also sogar 2 Oktaven zwischen beiden T\u00f6nen lagen, konnte gelegentlich noch ein A geh\u00f6rt werden, allerdings nicht mehr einheitlich genug und \u201ewie aus der Ferne\u201c.\nYIIL Besondere Yokaltypen.\nLeicht lassen sich durch die synthetische Einrichtung die nationalen und dialektischen Unterschiede in der Aussprache der Lautbuchstaben wiedergeben; so z. B. in bezug auf den wichtigsten und zugleich ver\u00e4nderungsf\u00e4higsten Vokal, das A. Die obigen Struk-\n*) Der St\u00e4rkeunterschied mu\u00df hier gr\u00f6\u00dfer sein als in der obigen Tabelle f\u00fcr den Grundton c2, weil dort durch den 3. Teilton g3 noch eine Erhellung bedingt ist, die hier durch gr\u00f6\u00dfere relative St\u00e4rke des c3 hervorgebracht werden mu\u00df.\n13*","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\t7* Kap. Synthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\nturen d\u00fcrften'dem durchschnittlichen hochdeutschen A entsprechen, W\u00fcnscht man es aber heller (wie etwa das italienische), so braucht man f\u00fcr den Grundton c nur c3 von gleicher St\u00e4rke wie g2 zu nehmen. Nur st\u00e4rker darf es nicht sein. Ebenso l\u00e4\u00dft sich da\u00e4 schwedische A = AO, das etwas n\u00e4selnde, schneidige, dem \u00c4 nahestehende A, oder jenes bl\u00f6kende \u00c4ao oder \u00c4\u00d6ao, von dem schon bei den If.-Versuchen die Rede war, erzeugen. Dieses wird dadurch hergestellt, da\u00df von einem synthetischen \u00c4 die \u00fcber c4 liegende Partie abgeschnitten und die zun\u00e4chst darunterliegenden Teilt\u00f6ne etwas geschw\u00e4cht werden, in der Weise, wie es bei If .-Versuchen mit \u00c4 durch die Einstellungen oberhalb c4 infolge der If.-Breite der Fall ist. Das helle skandinavische U (s. o. S. 151) w\u00e4re vielleicht durch Erh\u00f6hung des Oberformanten zu gewinnen. Usf.\nEine kleine Studie wurde dem russischen Y (Jeri, h) gewidmet, dessen phonetische Eigent\u00fcmlichkeit auch die Linguisten vielfach besch\u00e4ftigt hat. Der Laut soll aus einem urslawischen U hervorgegangen sein, wird in den verschiedenen slawischen Sprachen ungleich gesprochen und scheint im Begriffe, sich dem I zu n\u00e4hern1). Nach dem blo\u00dfen Geh\u00f6r erschien er mir in der Aussprache gebildeter Russen beiderlei Geschlechts aus Petersburg, Moskau, Kasan, Sibirien, Litauen im wesentlichen als ein zwischen \u00d6 und \u00dc liegender Laut mit starkem, dunklem Unterformanten, in unserer Schreibweise etwa = U\u00d6\u00fc. So aber nur als ganz kurzer, trockener Laut (was russische Phonetiker, glaube ich, einen \u201eirrationalen Vokal\u201c nennen), wie in my (= wir). Dagegen als langer Vokal wie in byt\u2019 (bytj = sein) klang er wie U\u00f6\u00fc-i, also diphthongisch, wobei i nur \u00e4u\u00dferst kurz dem Hauptlaut angeh\u00e4ngt wird2). Von dem Assistenten des Moskauer\n4) Vgl. u. a. Broch S. 150ff., 163, 173, besonders aber Thomson in seinen Abhandlungen 1 \u2014 3 und in 2 Monographien, die 1926 in der Zeitschr. f. slawische Philologie erscheinen werden und mir durch den Herausgeber, Prof. Vasmer, freundlichst im Manuskript mitgeteilt wurden. Unter den physiologischen Phonetikern hat sich Gr\u00fctzner S. 165 mit diesem Laut besch\u00e4ftigt. Er wird gebildet, indem man die Lippen auf I, die Zunge nach oben gew\u00f6lbt auf UO einstellt.\n2) Diese diphthongische Natur betont namentlich Thomson f\u00fcr das Gro\u00dfrussische und findet sie um so klarer, je l\u00e4nger die Silbe. Im Kleinrussischen dagegen f\u00e4llt nach ihm der Laut mit I zusammen. Auf die diphthongische Natur deutet er auch die aus dem Kirchenslawischen stammende Schreibung bi und die altb\u00f6hmische ui (wie in buistrice). Er hat auch die Fl\u00fcsterh\u00f6hen des Y an sich und anderen bestimmt. Die des Diphthongen ist = gis3 (a3) mit auslautendem h3 (c4), individuell auch wohl\ni/2 Ton tiefer. Die des einfachen Lautes = ais3 (h3). Diese H\u00f6hen stimmen\ngut mit den Formanten unserer obigen Synthesen, ebenso wie sie sich in das Schema unserer Fl\u00fcsterh\u00f6hen o. S. 145 einf\u00fcgen.","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Stimmf\u00e4rbungen.\n197\nPsychologischen Instituts, Herrn Luria, gesungen \u2014 wobei nat\u00fcrlich nicht die diphthongische Form, sondern die des kurzen Lautes oder der Hauptbestandteil des Diphthongen zur Anwendung kam \u2014-, trug er auf c mehr \u00d6-, auf c1 mehr \u00dc-Charakter. Ebenso bei dem aus Ru\u00dfland stammenden Lektor der slawischen Sprachen, Herrn Lane, der eine sch\u00f6ne metallreiche Stimme besitzt. Bei Luria war auf beiden Grundt\u00f6nen e4 mit blo\u00dfem Ohr herauszuh\u00f6ren. Der Laut lie\u00df sich zur Befriedigung der S\u00e4nger durch\nfolgende Zusammensetzungen k\u00fcnstlich hersteilen:\t\t\t\t\t\n\t\tRussisches Y auf c:\t\t\t\n\tc c1 g1\tc2\te2 g2 b2 c3\te3\tfis2 g3 a3 b3 c4 e4\nLuria\t0\t4\t4\t3\t0 0 0 0\t0\t7\t7\t7\t4\t4\t2\nLane\t0\t6\t4\t3\t0 0 0 0\t0\t6\t8\t4\t0\t0\t0\n\t\t\tRussisches Y auf\tc1:\t\n\tc1\tc2\t92\tc3\te3\tg3\tb3\tc4\tei\tg4\nLuria\t2 1/2\t0\t0\t4\t6\t4\t4\t3\t0\nLane\t6\t4\t2\t0 6 8\t4\t4\t4\t2\nAuch Nasallaute, wie die franz\u00f6sischen on, en, un, in lassen sich erzeugen. So wird aus einem guten \u00c4 auf c1 ein franz\u00f6sisches in, wenn man die Teilt\u00f6ne g2 und c3 herausnimmt, dagegen noch hohe T\u00f6ne bis zu c5 hinzuf\u00fcgt; wie dies den Analysen S. 116ff entspricht. (Bei dieser Gelegenheit war auch zu bemerken, da\u00df die Nasalierung eines zum Vergleich gesungenen Lautes undeutlich wird, wenn er durch eine R\u00f6hrenleitung oder hinter einer geschlossenen T\u00fcre gesungen wird. Die f\u00fcr die Nasalierung wesentlichen leisen hohen Teilt\u00f6ne werden eben dann verschluckt.)\nEndlich sind Umwandlungen der Vokale ineinander, ja auch von Vokal- in Instrumentalkl\u00e4nge und umgekehrt, mit dieser Einrichtung leicht auszuf\u00fchren. \u00dcberall zeigt sich dabei, wie der Klangcharakter ganz und gar von den Verschiebungen in den St\u00e4rke Verh\u00e4ltnissen der Teilt\u00f6ne bedingt ist. Aber es er\u00fcbrigt sich, auf diese Einzelheiten weiter einzugehen.\nIX. Stimmf\u00e4rbungen.\nDie Teiltonstruktur eines Stimmklanges ist nicht nur die Grundlage seiner Vokaleigenschaften, sondern auch die Hauptursache der individuellen Stimmqualit\u00e4t: der d\u00fcnnen oder vollen (pastosen), der massiven oder \u00e4therischen, der weichen oder metallischen, ja scharfen, schneidenden, der herben und s\u00fc\u00dfen, und wie man sie sonst im Leben, in der Gesangstechnik und Konzertkritik charakterisieren h\u00f6rt. Allerdings nur die Haupt Ursache : denn vieles wirkt hier zusammen. Wenn z. B. eine Sprechstimme melodisch,","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\t7. Kap. Synthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\nmusikalisch genannt wird, so tr\u00e4gt oft schon eine besonders hohe Lage und ein reicher Wechsel zwischen hohen und tiefen T\u00f6nen, auch das Zur\u00fccktreten der Ger\u00e4usche dazu bei. Bei Gesangsstimmen macht auch die durchschnittliche St\u00e4rke der Stimmgebung etwas aus. Dies alles mu\u00df zun\u00e4chst ausgeschieden werden, wenn nach den ma\u00dfgebenden Struktureigent\u00fcmlichkeiten gefragt wird. Die St\u00e4rke kommt besonders insoweit in Betracht, als der Obertonreichtum und die Verschiebung der Intensit\u00e4ten nach oben damit Zusammenh\u00e4ngen.\nNun fragt es sich aber: kann man einem gegebenen Vokal ohne jede \u00c4nderung seiner Vokalit\u00e4t \u00fcberhaupt noch eine ver\u00e4nderte Zusammensetzung erteilen ?\nV ill man Haare spalten, so m\u00fc\u00dfte man dies vielleicht in der Tat f\u00fcr unm\u00f6glich erkl\u00e4ren. Aber wie die Dinge praktisch liegen, gibt es Unterschiede, die den Stimmklang beeinflussen k\u00f6nnen, ohne die Vokalit\u00e4t zu alterieren. Wir erw\u00e4hnten solche schon im 1. Kap. Und die Synthese best\u00e4tigt, da\u00df man an 2 Stellen die Teiltonreihe durch schwache Obert\u00f6ne in diesem Sinne erg\u00e4nzen kann: jenseits der Formanten aller Vokale und in den leeren Strek-ken der hellen Vokale. In ersterer Beziehung kann man namentlich beim A die 1. H\u00e4lfte der 4-gestrichenen Oktave noch mit Teilt\u00f6nen von der St\u00e4rke 1 (4) ausf\u00fcllen, ohne da\u00df es etwa in \u00c4 \u00fcbergeht. In den unangenehm scharfen Stimmen sind sogar st\u00e4rkere hohe Beit\u00f6ne vorhanden, die ein ge\u00fcbtes Ohr heraush\u00f6ren kann, und sie m\u00f6gen auch wohl teilweise unharmonisch zum Grundton sein.\nMit der synthetischen Einrichtung ist auch die Klangverschiedenheit der Register, namentlich der Unterschied von Falsett- und Bruststimme, ebenso der von Frauen- und M\u00e4nner- bzw. Knabenstimme n\u00e4her zu untersuchen.\nIn der vielverhandelten Registertheorie ist schon die Definition des Grundbegriffes strittig. Ich w\u00fcrde unter Register eine Methode der Stimmgebung verstehen, durch die ein S\u00e4nger eine von mehreren auf demselben Tone m\u00f6glichen Klangfarbengattungen erzeugt. Da\u00df das Falsett im allgemeinen oberton\u00e4rmer ist als die Bruststimme, ist bekannt, und die Resonanz versuche haben es im einzelnen erwiesen (o. S. 31). Dasselbe lehrt nun die Synthese, bei der mir der n\u00e4mliche S\u00e4nger, Dr. Abraham, behilflich war, indem er g1 auf den 5 ,.Hauptvokalen\u201c als Mustern f\u00fcr die Nachbildung falsettierte. Sie konnten durch folgende Zusammenstellungen nachgebildet werden1) :\n1) Der Ton /Vs4 ist hier statt des in der neuen Einrichtung fehlenden /4\neingef\u00fcgt, aber in dieser H\u00f6he tim unharmonische Teilt\u00f6ne dieselben Dienste.","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Stimmf\u00e4rbungen.\n199\nZur Vergleichung ist wieder das A des Heldentenors in Brust -stimme auf demselben Ton in synthetischer Nachbildung daneben gesetzt. Es erreichte freilich nicht die St\u00e4rke des Originals, selbst wenn dieses mit m\u00e4\u00dfiger Kraft in gro\u00dfer Entfernung angegeben wurde; aber die Qualit\u00e4t schien mir gut getroffen.\nAm interessantesten ist, da\u00df im Falsett alle 3 dunklen Vokale nur Grundton und Oktave in verschiedenen St\u00e4rkeverh\u00e4ltnissen erfordern. Da\u00df 0 dem U n\u00e4her r\u00fcckt, ist schon a. a. 0. erw\u00e4hnt; aber hier geh\u00f6rt auch A zu derselben Gruppe, wie es denn in der Tat gegen\u00fcber dem A der Bruststimme, auch der von Frauen, dunkler klingt. In letzterem mu\u00df auf g1 \u00fcberall mindestens noch d3 enthalten sein. Aber auch verglichen mit der Besonanztabelle des falsettierten /1 ist die gegenw\u00e4rtige wieder bedeutend vereinfacht, weil es sich dort um die Vokale in unmittelbarer Nachbarschaft, hier um entfernter gesungene handelt.\nFrauen- und M\u00e4nnerstimmen sind, wenn sie den gleichen Ton singen, wenigstens im Chorgesange an der Klangfarbe schwerlich zu unterscheiden. Dies ist mir in Oratorien auf gef allen, wenn sich die Tenor- und die Altstimme \u00fcberschneiden, z. B. in Handels \u201eIsrael in \u00c4gypten\u201c Nr. 8: \u201eein Dunkel, da\u00df niemand sah\u201c (ppo); und so oft. Wirklich zeigt selbst das A des Heldentenors in der synthetischen Nachbildung keinen wesentlichen Strukturunterschied gegen die Frauenstimme auf g1 S. 176, nur gr\u00f6\u00dfere absolute St\u00e4rken.\nDagegen besteht nach den Erfahrungen der musikalischen Praxis, insbesondere des Chorgesanges, ein durchschnittlicher Unterschied zwischen Frauen- und Knabenstimmen. Ich habe darum die S. 30 erw\u00e4hnten Knabenstimmen, besonders die des N\u201e auch synthetisch nachzubilden versucht und noch w\u00e4hrend des Druckes zwei mir durch den Dirigenten empfohlene Knaben des Berliner Domchores gepr\u00fcft. Schon bei der direkten Vergleichung, wenn der n\u00e4mliche Vokal auf der n\u00e4mlichen Tonh\u00f6he abwechselnd von einer guten Frauen- und von einer guten Knabenstimme gesungen wurde, lie\u00df sich leicht erkennen, da\u00df er im 2. Falle schw\u00e4cher, aber auch weicher und doch zugleich magerer klang. Vergleichende Proben mit der Resonanzmethode ergaben, da\u00df die h\u00f6chsten Teilt\u00f6ne der Frauenstimme in der Knabenstimme schw\u00e4cher waren oder fehlten. Der Grundton hingegen war st\u00e4rker.\n\tg1 Falsett\t1 g1 Bruststimme\n\u00c44\t2\t\n_\u00a34\t4\t\nfis4\t6\t4\t\nds\t3\t8\t4\nhz\t8 0\t4\ngs\t0 0\t4\nd3\t0 0\t6\ng2\t8\t12\t14\t4\t8\t! 10\ng1\t12 12 8 12 12\ti 4\nU O A E I A","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\t7. Kap. Synthetische Darstellung der stimmhaften Vokale.\nBeim A auf f1 war c3 auch diesmal auffallend schwach. Die synthetische Nachbildung eines A auf c2 gelang am besten mit folgenden Teiltonst\u00e4rken1) :\nc2\tc3\tg3\tc4\nFrauenstimme :\t6\t8\t6\t4\nKnabenstimme:\t10\t8\t4\t0\n\u00c4hnliches ergab sich f\u00fcr A auf der Tonh\u00f6he gx\\\ng1 g\u00b0 d3 g3 h3 Frauenstimme :\t3\t8\t6\t4\t4\nKnabenstimme: 6 10 5 4 0\nNun sind freilich Knabenstimmen unter sich recht verschieden und Frauenstimmen noch mehr. Es w\u00fcrde sich also fragen, inwieweit diese individuellen Stimmen als typische gelten k\u00f6nnen. Soweit ich aus dem durchschnittlichen Erfahrungseindruck urteilen kann, m\u00f6chte ich die Frage bejahen. Aber zu bestimmteren Aussagen w\u00e4ren nat\u00fcrlich umfassende Vergleichungen erforderlich. Die Schw\u00e4che der einzelnen Knabenstimmen, mit welcher auch die Intensit\u00e4tsverschiebungen der Teilt\u00f6ne Zusammenh\u00e4ngen d\u00fcrften, wird im Chorgesange durch die Menge ausgeglichen, aber der Klangfarbenunterschied bleibt. Im \u00fcbrigen ist in der ganzen Frage auch nicht zu \u00fcbersehen, da\u00df Knabench\u00f6re in den bekanntesten F\u00e4llen auch r\u00e4umlich weit gesondert auf gestellt werden, was zu der eigenartigen Wirkung nicht wenig beitr\u00e4gt.\nM\u00e4dchen gleichen Alters pflegen von den Dirigenten nicht zu den beabsichtigten Wirkungen (z. B. f\u00fcr den Choral im Eingangs -chor der Matth\u00e4uspassion oder in der Abendmahlsszene des Parsifal) herangezogen zu werden. Ich versuchte daher, um dem Unterschied auf den Grund zu kommen, die Methoden auch auf solche anzuwenden. Nach dem direkten Eindruck scheinen sie im allgemeinen noch etwas schw\u00e4cher als die Knabenstimmen. Reso-nanzproben ergaben nur schwache Reaktionen. Die Synthese des A auf c2 lieferte bei einer angenehmen M\u00e4dchenstimme die St\u00e4rken 7, 9, 4, 2; auf g1 8, 7, 6, 4 (\u201esch\u00f6nes helles A\u201c). Aber allgemeinere Schl\u00fcsse lassen sich hier noch weniger ziehen, und es bleibt mir zweifelhaft, ob von weiteren Vergleichungen ein deutlicher Unterschied mit einer gewissen Regelm\u00e4\u00dfigkeit zu erwarten w\u00e4re, es sei denn in der durchschnittlichen St\u00e4rke. Es w\u00e4ren hier zun\u00e4chst Erkennungsversuche anzustellen, um zu erproben, ob von guten und musikerfahrenen H\u00f6rern die Knaben- von der M\u00e4dchenstimme bei gleicher St\u00e4rke \u00fcberhaupt mit einiger Sicherheit unter-\n4) Die gr\u00f6\u00dfere Gesamtst\u00e4rke der Frauenstimme tritt hier nicht zutage, weil die Dame in gr\u00f6\u00dferer Entfernung singen mu\u00dfte, um den St\u00e4rkeunterschied zu tilgen und nur den qualitativen hervortreten zu lassen.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Stimmf\u00e4rbungen.\n201\nschieden werden kann, was beim Vergleich der obigen Frauen- und einer guten Knabenstimme entschieden der Fall war. Hier aber, beim Unterschied der Knaben- und M\u00e4dchenstimme, bin ich nicht dazu gekommen, da der durchschnittliche Unterschied so gering ist, da\u00df man vielf\u00e4ltige Wiederholungen machen m\u00fc\u00dfte, um einigerma\u00dfen beweiskr\u00e4ftige Zahlen zu bekommen.\nAuch ob die Unterschiede der individuellen Stimmlage innerhalb desselben Geschlechts, wie zwischen Ba\u00df, Bariton und Tenor oder Alt, Mezzosopran und Sopran, sich in der Klangstruktur in einer regelm\u00e4\u00dfigen Weise geltend machen, scheint mir noch ungewi\u00df. Man mu\u00df dazu nat\u00fcrlich den n\u00e4mlichen Grundton w\u00e4hlen. Denn derselbe Vokal, auf G und auf g1 gesungen, mu\u00df unvermeidlich der Klangfarbe nach verschieden sein, auch wenn die Zahl und das St\u00e4rke Verh\u00e4ltnis der Teilt\u00f6ne gleich sind (vgl. 15. Kap.). Es kann also nur gefragt werden, ob sich regelm\u00e4\u00dfige Struktur unterschiede zeigen, wenn ein Bassist und ein Tenorist den gleichen Vokal auf dem gleichen Ton, etwa g oder c1, singen. Vielleicht sind bei einer ausgepr\u00e4gten Ba\u00dfstimme die tieferen Teilt\u00f6ne, bei einem typischen Tenor die h\u00f6heren relativ kr\u00e4ftiger und diese auch zahlreicher, unbeschadet gleicher St\u00e4rke innerhalb des Formanten. Ganz identisch k\u00f6nnte allerdings die Vokalit\u00e4t des A dann nicht sein, aber der daran gew\u00f6hnte H\u00f6rer w\u00fcrde die etwas dunklere, breitere F\u00e4rbung bei dem Bassisten doch der Stimme und nicht dem Vokal zurechnen. Nun sind aber schon die individuellen Unterschiede innerhalb derselben Stimmgattung gro\u00df (Helden- und lyrischer Tenor). Darum bed\u00fcrfte es wieder einer bedeutenden Zahl von Vergleichungen, um \u00fcber diese an sich nicht sehr wichtige Frage etwas Triftiges zu sagen.\nIn einer G\u00f6ttinger Dissertation von O. Intrau \u201eExperimentell-statistische Singstimmenuntersuchungen\u201c (1924) ist sie behandelt, aber nicht in einwandfreier Weise. Abgesehen von technischen M\u00e4ngeln des die Kurven aufnehmenden Apparates (zu tiefen Eigentons der Membran), wurde nicht konstant der n\u00e4mliche Ton, sondern wurden \u201eT\u00f6ne von / aufw\u00e4rts und abw\u00e4rts\u201c gesungen; wie es scheint, bald dieser, bald jener. Seine Ergebnisse spricht der Verfasser so aus: \u201eDie dunklere Klangf\u00e4rbung der Ba\u00dfstimme ist dadurch bedingt, da\u00df nur wenige Obert\u00f6ne, die der Bildung des Vokals dienen, in erheblichem Ma\u00dfe hervortreten; das Hinzuf\u00fcgen eines oberen Verst\u00e4rkungsgebietes verursacht die hellere Klangfarbe, die dem Bariton eigen ist, w\u00e4hrend die gleichzeitige erhebliche Verst\u00e4rkung auch der dem Grundton benachbarten Obert\u00f6ne die noch sch\u00e4rfere und vollere, metallreichere Klangfarbe des Tenors bewirkt\u201c. Ich kann diesen Ergebnissen aus obigen Gr\u00fcnden kein Gewicht beimessen.","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"8. Kapitel\nDie Entwicklung der Vokalforschungen und die Konvergenz ihrer Ergebnisse.\nNachdem unsere Analysen durch die Synthesen best\u00e4tigt sind, wird es sich lohnen, die fr\u00fcheren Ergebnisse, deren rein statistische \u00dcbersicht im 1. Kap. einen fast entmutigenden Anblick bot, noch einmal und etwas n\u00e4her ins Auge zu fassen. Denn selbstverst\u00e4ndlich mu\u00df in so vielen und vielfach ausgezeichneten Untersuchungen auch eine F\u00fclle von Tatsachen stecken. Wirklich zeigt sich, da\u00df die scheinbar so divergierenden Angaben zumeist doch nur Teile eines umfassenderen Sachverhaltes darstellen und da\u00df die neueren Beitr\u00e4ge mehr und mehr, die neuesten so gut wie ganz unter sich zusammenstimmen. Wir gehen teils nach methodologischen Gesichtspunkten, teils (innerhalb derselben) chronologisch vor. Vollst\u00e4ndigkeit ist nicht beabsichtigt, da uns nur sachliche, nicht historische Interessen leiten. Auf Ber\u00fchrungen im einzelnen ist auch im vorausgehenden \u00f6fters hingewiesen. Unter II. soll dann an mehreren Untersuchungen, die sich auf einen prinzipiell abweichenden Standpunkt stellen, gezeigt werden, da\u00df sich alles Tats\u00e4chliche darin gleichfalls in den gemeinsamen Rahmen ein-f\u00fcgt und da\u00df auch so nur wieder die einzige wirklich durchf\u00fchrbare Anschauung, d. i. im wesentlichen die Helmholtz sehe, best\u00e4tigt wird.\nI. Hauptergebnisse der Vokalforschung seit Willis.\n1. Resonanz- und Interferenzmethode.\nSubjektive Analyse.\nDen Anfang der heutigen experimentellen Vokalforschung bilden die praktischen Bestrebungen Kratzensteins und v. Kempelens, die sich unabh\u00e4ngig voneinander seit etwa 1770 um eine Nachbildung der Vokale durch Apparate bem\u00fchten. Besonders n\u00e4herte sich Kempelen dem nat\u00fcrlichen Vorgang, in dem er \u00fcber einer schwingenden Zunge eine konische R\u00f6hre anbrachte, die verschieden abgestimmt werden konnte. Der eigentliche Vater der","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Resonanz- und Interferenzmethode. Subjektive Analyse.\n203\ngegenw\u00e4rtigen Forschungs weise aber und zugleich der erste Vertreter der \u201eAbsolut-Theorie\u201c war R. Willis (1829). Ankn\u00fcpfend an v. Kempelen baute er eine aus 2 \u00fcbereinandergeschobenen Zylindern bestehende ausziehbare \u201eVokalr\u00f6hre\u201c, mit der er einer schwingenden Zunge von gleichbleibender Tonh\u00f6he verschiedenen Vokalcharakter erteilen konnte. Er beobachtete ferner, da\u00df Pfeifen von bestimmter H\u00f6he auch schon allein einen gewissen Vokalcharakter hatten. Die H\u00f6hen, die er angibt, weichen nicht allzuviel von unseren Formantzentren ab, alle liegen aber etwas h\u00f6her, und diese Abweichung w\u00e4chst nach den helleren Vokalen hin. Nur U ist auch ihm unbestimmt ; 0 c2, Ao es2\u2014g2, A im engl. \u201ePart\u201c des3. in \u201ePad\u201c /3, E in \u201ePay\u201c d4, E nach I (in \u201ePet\u201c) c5, I g5. Auf rein physikalische Gr\u00fcnde dieser Abweichungen hat bereits Helmholtz (S. 190) hingewiesen. Erstaunlich bleibt, da\u00df Willis \u00fcberhaupt auf diesem Wege den wahren Werten so nahegekommen ist. Er hebt auch bereits hervor, da\u00df S\u00e4ngerinnen in der H\u00f6he kein richtiges U und 0 mehr erzeugen k\u00f6nnen. Auch seine psychologischen Beobachtungen sind nicht ohne Wert. Besonders betont er den Einflu\u00df des Kontrastes beim Sprechen: sobald man einen Vokal lang aushalte, werde er unkenntlich.\nCharles Wheatstone, der 1837 \u00fcber diese Versuche berichtete1), schlo\u00df daraus, da\u00df die Vokaleigenschaft eines Stimmtones auf einem ihn begleitenden h\u00f6heren Tone beruhe, der infolge des Mitschwingens der im Mund eingeschlossenen Luft zustande komme, wenn ihr Eigenton ein Vielfaches des an sich einfachen Stimmtones darstelle. Da\u00df hier ein theoretischer Irrtum des gro\u00dfen Physikers vorlag, ist bereits S. 10 erw\u00e4hnt. Nur dann tritt Mitschwingung ein, wenn in dem erregenden Klang ein entsprechender Oberton real vorhanden ist (d. h. wenn die Welle eine solche Gestalt besitzt, wie sie durch \u00dcbereinanderlagerung mehrerer Sinusschwingungen von entsprechenden L\u00e4ngen- und H\u00f6henverh\u00e4ltnissen entsteht2)),\n1)\tDa das mit C. W. Unterzeichnete Referat in \u201eLondon and Westminster Review\u201c allgemein, auch von Helmholtz, Wheatstone zugeschrieben wird, nehme ich die Echtheit an, obgleich darin mehrmals in der dritten Person auf Wheatstone Bezug genommen wird (S. 35 bei Erw\u00e4hnung der multiplen Resonanz \u2014 ,,a subject first investigated by Professor Wheatstone\u201c \u2014 und S. 39, wo eine Sprechmaschine erw\u00e4hnt ist, die Prof. Wheatstone nach dem Vorbilde der KEMPELENschen mit einigen Verbesserungen gebaut habe und die in der Instrumentensammlung des Kings College in London stehe (wo Wh. damals lehrte).\n2)\tDie in Klammern stehende Erl\u00e4uterung ist veranla\u00dft durch eine\nBemerkung Koehlebs (1, II, S. 75), der Mi\u00dfverst\u00e4ndnisse f\u00fcrchtet, wenn\nman von einem zusammengesetzten Klange rede, der Obert\u00f6ne als reale\nTeile enthalte.","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\t8. Kap. Die Entwicklung der Vokalforschungen.\nund dann ist es eben Erregung durch einen gleichgestimmten Ton, was Wheatstone ausdr\u00fccklich in Abrede stellt. Da\u00df nicht jeder Klang f\u00fcr multiple Resonanz gleich geeignet sei, hat er schon bemerkt (S. 36), aber nicht, da\u00df dieser Unterschied von der ungleichen Anzahl der Teilt\u00f6ne herr\u00fchrt. Erst auf Grund der Ohm-Helmholtz sehen Vorstellungsweise \u00fcber die Zusammensetzung der Kl\u00e4nge aus Sinusschwingungen war volle Klarheit auch \u00fcber die Resonanzfunktion der Mundh\u00f6hle zu gewinnen1). Wheatstones Verdienst liegt nicht in diesem theoretischen Unterbau zu Willis\u2019 Versuchen, sondern in seinen eigenen Beobachtungen \u00fcber die Resonanz der Mundh\u00f6hle auf vorgehaltene Stimmgabeln, wodurch er die Resonanztheorie der Vokale vorbereitete.\nDonders erkannte 1857 gleichfalls die Einstellung der Mundh\u00f6hle als ma\u00dfgebend und zog zur Ermittelung der entsprechenden Tonh\u00f6hen Beobachtungen \u00fcber Fl\u00fcstervokale heran, \u00fcber die schon im 6. Kap. gesprochen wurde. Der hochverdiente Physiolog hat hier nicht ganz den richtigen Weg beschritten, da die Fl\u00fcstert\u00f6ne als solche nicht einmal \u00fcber das Wesen der gefl\u00fcsterten, noch weniger \u00fcber das der stimmhaften Vokale direkten Aufschlu\u00df geben k\u00f6nnen. Seine Beobachtungen selbst konnten wir nur teilweise anerkennen. Sp\u00e4ter (1864) nahm er Kurven f\u00fcr 14 verschiedene Vokale auf, welche die prinzipielle Richtigkeit der (von Helmholtz damals bereits verfochtenen) Absoluttheorie best\u00e4tigten und, wenn sie auch nat\u00fcrlich noch an Vollkommenheit zu w\u00fcnschen \u00fcbriglie\u00dfen, doch als erste systematische Anwendungen der graphischen Methodik auf Vokale einen wesentlichen Fortschritt bedeuteten.\nAuf Helmholtz\u2019 Leistung kann man nur mit immer erneuter Bewunderung zur\u00fcckblicken. Indem er die Klangfarbenunterschiede auf die Zusammensetzung aus Teilt\u00f6nen zur\u00fcckf\u00fchrt, die Vokale unter die Klangfarben ordnet, ihre Eigent\u00fcmlichkeiten und Unterschiede in den \u201echarakteristischen T\u00f6nen\u201c findet, diese selbst mit Resonanzmethoden viel eingehender und sicherer als seine Vorg\u00e4nger bestimmt, auch zum 1. Male bei den hellen Vokalen die unteren Maxima feststellt und eine F\u00fclle feiner Einzelbeobachtungen \u00fcber die menschliche Stimme einflicht, endlich durch seine geniale Synthese der Vokale aus wenigstens ann\u00e4hernd einfachen T\u00f6nen die Analyse best\u00e4tigt, stellt er die ganze Vokallehre\n*) Vor Ohm und Helmholtz verstand man unter \u201eeinfachen T\u00f6nen\u201c Einzelkl\u00e4nge gegen\u00fcber Zusammenkl\u00e4ngen, also z. B. den Klang einer Pfeife gegen\u00fcber dem dreier Pfeifen. Dieser Sprachgebrauch ist auch bei den Abhandlungen von Willis und Wheatstone im Auge zu behalten. Da\u00df auch der Einzelklang Obert\u00f6ne mit sich f\u00fchrt, war zwar nicht imbekannt, aber man zog nicht die Folgerung, da\u00df die Teilt\u00f6ne \u00fcberhaupt den Klang ausmachen.","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Resonanz- und Interferenzmethode. Subjektive Analyse. 205\nauf die Grundlage, von der sie sich nur zu ihrem Schaden zeitweilig wieder entfernt hat. Nur beachtete er zu wenig, da\u00df fast durchweg nicht ein einzelner Ton, sondern eine Mehrheit gleichzeitiger Teilt\u00f6ne formierend wirkt, und da\u00df auch das Formantzentrum notwendig Verschiebungen innerhalb einer gewissen Zone erleidet.\nDa\u00df die Resonanzbreite der Mundh\u00f6hle mindestens eine Quinte betr\u00e4gt, hebt er S. 183ff. hervor und leitet daraus die M\u00f6glichkeit ab, die Vokale zu unterscheiden, auch wenn der \u201echarakteristische Ton\u201c selbst nicht zu den harmonischen Teilt\u00f6nen des Stimmtones geh\u00f6rt. Aber er scheint den gleichzeitig mitresonierenden Teilt\u00f6nen in der Nachbarschaft des charakteristischen keine Bedeutung f\u00fcr die Charakteristik des Vokals zugeschrieben, sondern diese ausschlie\u00dflich auf den einzelnen Ton bzw. den diesem zun\u00e4chstliegenden Teilton zur\u00fcckgef\u00fchrt zu haben. So best\u00e4tigt es mir sein Sch\u00fcler Max Planck. Doch ist anzunehmen, da\u00df Helmholtz einer These, die eigentlich in der Konsequenz der seinigen liegt, ohne weiteres zugestimmt haben w\u00fcrde.\nH. Grassmann beobachtete die Teilt\u00f6ne mit unbewaffnetem Ohre. Schon 1854 gab er an, da\u00df ein aufmerksames Ohr leicht beim \u00dcbergange von U durch \u00dc zu I eine Reihe leiser, harmonischer Nebent\u00f6ne h\u00f6re, die von c2 * bis c5 fortschreiten. Beim A k\u00f6nne man die Reihe noch bis zur 4-gestrichenen Oktave verfolgen. Bei den Konsonanten beobachtete er in den \u201eHalbvokalen\u201c auch eine Menge unharmonischer, schwer voneinander unterscheidbarer T\u00f6ne und in den Zischlauten ganz hohe T\u00f6ne, wie sie keinem Vokal mehr angeh\u00f6rten. Er mu\u00df ein au\u00dferordentliches Geh\u00f6r besessen haben1). 1877 \u2014nach Helmholtz\u2014 sagt er im Vertrauen darauf sogar allzu k\u00fchn: \u201eDas Ohr \u00fcbertrifft bis jetzt alle k\u00fcnstlichen Hilfsapparate.\u201c Auch in dieser eingehenderen Studie konstatierte er eine mit der Helligkeit wachsende Reihe von harmonischen Teilt\u00f6nen, kam aber dadurch f\u00e4lschlich zu einer Relativ-Theorie, wenigstens f\u00fcr die mittleren Vokale.\nF. Auerbachs Ergebnisse nach der Resonatoren- und Klopf-m\u00e9thode (s. 1. Kap.), die ihn gleichfalls zu Zugest\u00e4ndnissen an die Relativtheorie f\u00fchrten, scheinen in der Tat zun\u00e4chst stark von den unsrigen abzuweichen. Aber genauer betrachtet zeigen sich sehr wesentliche \u00dcbereinstimmungen und ist die Diskrepanz \u00f6fters nur scheinbar. So ergaben die Resonanzversuche (1) eine von U bis A wachsende Zahl der Teilt\u00f6ne und eine feste Lage des maximal starken Teiltons beim Hinauf r\u00fccken des Grundtones; z. B. beim hellen A ist es f\u00fcr den Grundton c der 6., f\u00fcr g der 4., f\u00fcr c1 der 3., f\u00fcr g1 der 2., mithin jedesmal g2. In den Klopf versuchen (2) findet er: U f1, 0 a1, volles A /2, scharfes Ag2\u2014b2. Dies k\u00f6nnen wir\n1) Auch Auerbach erw\u00e4hnt \u00fcbrigens gelegentlich (4, S. 150), da\u00df er\nin zahllosen F\u00e4llen die verschiedensten Obert\u00f6ne mit Leichtigkeit aus\nVokalen herausgeh\u00f6rt habe, niemals aber unharmonische.","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\t8. Kap. Die Entwicklung der Vokalforschungen.\nunterschreiben, nur w\u00fcrden wir f1 als einen speziellen Fall des an sich beweglichen U-Formanten betrachten. Wenn dann f\u00fcr \u00d6 gis1\u2014a1, f\u00fcr \u00c4 c2\u2014d2, f\u00fcr \u00dc e1\u2014f1, f\u00fcr E g1\u2014a1, f\u00fcr I /1 an-, gegeben werden, so ist klar, da\u00df hier einfach statt der Formanten die Unterf ormanten gefunden sind, diese wieder mit bemerkenswerter Genauigkeit.\nAuch bei einigen sp\u00e4teren Untersuchungen sind f\u00fcr die helleren Vokale infolge der angewandten Methoden nur die Unterformanten herausgekommen. So gibt Katzenstein bei der Analyse graphisch aufgenommener Kurven f\u00fcr E als Maximum g1; ebenso sagt Rubens von der Reaktion seiner ,,Flammenr\u00f6hre\u201c auf E, sie sei der eines O zum Verwechseln \u00e4hnlich. Ferner vgl. Kaisers oszillographische E- und I-Kurvenbei Gutzmann (5) S. 97unddie unten folgenden Ergebnisse von Benjamins mit Kundt sehen Staubfiguren.\nIn Auerbachs Gesamtdarstellungen treten die obigen Befunde leider vor manchen starken Unrichtigkeiten zur\u00fcck, und die \u00dcbersicht von \u201eDurchschnittswerten\u201c der Formanten in seinen \u201eGrundlagen der Musik\u201c (1911, S. 132) ist durchweg-recht weit von der Wirklichkeit entfernt.\nHier seien sogleich die viel sp\u00e4ter (1916), aber gleichfalls nach der Klopfmethode erfolgten Beobachtungen 0. Abrahams angeschlossen. Sie ergaben durch Beklopfen des Stirnbeins, der Backe und durch Plessimeterbeklopfen vor dem Munde an verschiedenen m\u00e4nnlichen und weiblichen Personen bei Einstellung auf Vokale \u00fcberall Resonanzt\u00f6ne, die in unsere Formantzonen fallen, allerdings mit gewissen Modifikationen. F\u00fcr U = /1\u2014a1 gilt das schon Gesagte. 0 = c2\u2014d2 deutet auf eine besonders helle Aussprache (Oa). Ebenso A = h2\u2014dz. Die Resonanzt\u00f6ne der helleren Vokale stimmen ohne weiteres. \u00dcber die von Abraham beobachteten Fl\u00fcsterh\u00f6hen ist bereits S. 152 ff. gesprochen.\nDie Ergebnisse der lf.-Versuche von Gr\u00fctzner (1891) und Sauberschwarz (1895) verstehen sich leicht aus den im 2. Kap. beschriebenen Erscheinungen, wenn man nur immer ber\u00fccksichtigt, da\u00df bei ihren L\u00fccken- und Stichversuchen die ungeraden Multipla der direkt ausgeschalteten T\u00f6ne mitwegfielen. Auch das \u00dcbergehen in nasalierte Formen durch solche k\u00fcnstliche L\u00fccken, namentlich beim 0 und A, und das \u00dcbergehen aller hellen Vokale in ein tiefes, unbestimmtes Brummen bei Ausdehnung der If. bedarf keiner weiteren Erl\u00e4uterung. Ebenso, da\u00df die Wegnahme des Grundtons und seiner Oktaven (nebst deren ungeraden Vielfachen) alle Vokale in einfache, nur durch die St\u00e4rke unterschiedene \u201ePfiffe\u201c verwandelte. Was dabei Pfiffe genannt wird, sind wohl einzelne schwache hohe Teilt\u00f6ne, die durch diese Einstellungen nicht hinreichend mitausgeschlossen wurden1).\nl) Vgl. o. S. 48. Rein rechnerisch mu\u00dften eigentlich alle harmonischen Teilt\u00f6ne auf diese Art vernichtet werden; wenn man auch nur die T\u00f6ne 1,\n2, 4, 8, 16 ausschlie\u00dft, m\u00fc\u00dften damit schon s\u00e4mtliche Teilt\u00f6ne bis zum","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Graphische Methoden.\n207\nDie If.-Versuche Koehlers und Scholes s. unter 5.\nSystematische Ab- und Aufbauversuche nach dem Vorbilde der von mir (11) beschriebenen hat 1922 R. Papale an den italienischen Fl\u00fcstervokalen U, O, A, E, I angestellt und fast genau dieselben Formanten gefunden. Doch beginnt E beim Aufbau erheblich tiefer, und zwar als \u00d6e an derselben Stelle, an der nach unserer Tabelle \u00d6 beginnt, w\u00e4hrend die obere Grenze wieder mit unserer E-Grenze zusammenf\u00e4llt. Als Unterformant des E erscheint statt 0 ein Ao, der Unterformant des deutschen \u00c4. Diese Modifikationen d\u00fcrften, wie auch Papale hervorhebt, auf einer verschiedenen Aussprache des E im Italienischen beruhen. I wird beim Aufbau um eine kleine Terz h\u00f6her \u201egut\u201c (bei fiss), \u201evollkommen\u201c aber erst bei c7. Eine Art von Vervollkommnung bis fast zur Tongrenze fand sich bei den Fl\u00fcstervokalen auch in meinen Versuchen bei den helleren Vokalen h\u00e4ufig; aber ich rechnete diese letzte Strecke nicht mehr zum Formanten, da sich der Vokalcharakter selbst nicht mehr merklich ver\u00e4nderte und der Laut nur an St\u00e4rke und Klarheit noch zunahm. Auch \u201efreier\u201c und namentlich \u201en\u00e4her\u201c waren h\u00e4ufige Bezeichnungen in solchen F\u00e4llen1).\nPapale findet Unterschiede auch bei U, 0 und A, sofern sie beim Aufbau an h\u00f6heren Stellen der Tonreihe beg\u00e4nnen und h\u00f6here Formanten h\u00e4tten als unsere deutschen Fl\u00fcstervokale. Dies w\u00e4re gewi\u00df m\u00f6glich und w\u00fcrde einen neuen Beitrag zur akustischen Festlegung von Aussprache-Verschiedenheiten liefern. Doch kann ich es in seiner Tabelle nicht deutlich best\u00e4tigt finden ; seine Formanten fallen auch hier so gut wie vollst\u00e4ndig mit den meinigen zusammen.\n2. Graphische Methoden.\nDiese sind seit dem Scott-Koenigsehen \u201ePhonautographen\u201c (1859) au\u00dferordentlich vervollkommnet worden. Bei der gro\u00dfen Zahl und Ausdehnung dieser Untersuchungen k\u00f6nnen wir nur an\n31. vernichtet sein. Aber in Wirklichkeit k\u00f6nnen aus den fr\u00fcher angegebenen Gr\u00fcnden einige h\u00f6here Multipla, z. B. etwa die ungeraden Teiit\u00f6ne vom 17. ab, \u00fcbrigbleiben, und diese schwachen, unanalysierten Komplexe hat wohl Sauberschwauz als \u201ePfiffe\u201c bezeichnet. Da\u00df sie bei den helleren Vokalen st\u00e4rker sind als bei den dunkleren, ist selbstverst\u00e4ndlich. Ich w\u00fcrde allerdings statt von Pfeifen eher von Knistern oder Wispern reden.\n2) Mit R\u00fccksicht auf diese letzten geringf\u00fcgigen Vervollkommnungen sind im Schema o. S. 107 noch punktierte Zonen oberhalb der Formanten f\u00fcr \u00d6 \u2014I eingetragen, die in den Abhandlungen 11 und 12 fehlen, obgleich die Erscheinungen selbst auch dort (11, S. 244, 246) erw\u00e4hnt sind. Die Punktierungen sind jetzt bis zu den \u00e4u\u00dfersten Grenzen gef\u00fchrt, die sich aus den Versuchsprotokollen ergeben.","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\t8. Kap. Die Entwicklung der Vokalforschungen.\neinigen den Grad ihrer \u00dcbereinstimmung unter sich und mit unseren Ergebnissen auf zeigen.\nHermann, dessen unerm\u00fcdlicher Sorgfalt die Phonophotographie in erster Linie ihre Ausbildung verdankt, gab 2 Reihen von Formantbestimmungen, eine 1890, eine 2. 1905 (diese f\u00fcr lange Vokale). Die 1. ergab: U == c2\u2014d2, 0 = d2\u2014e2, A = e2\u2014gis2, E = ln3\u2014e4, I = d4\u2014gx. Die 2.: U = Anfang der 1. und der 2. Oktave, O = Anfang der 2. Okt., A = Mitte der 2. Okt. (/2\u2014a2), E \u2014 Anfang der 2. und Ende der 3. Okt., I = Mitte der 4. Okt. Diese letzten Angaben erscheinen, obwohl unbestimmter, doch richtiger. Beim U ist zu dem fr\u00fcher allein angegebenen (etwas tiefen) Oberformanten der Formant hinzugetreten, 0 mu\u00df wieder beide Male sehr hell angegeben sein, beim E ist das 2. Mal der Unterformant hinzugetreten, beim I fehlt er auch diesmal. Zuletzt (1911) setzt. Hermann f\u00fcr A \u201emindestens eine Quart, von e2 bis a2\", ja, wenn man die undeutlicheren A-Laute mit gelten lasse, sogar eine Sext, des2 bis ais2; f\u00fcr E mindestens eine kleine Terz, c4 bis dis4. Er betont hier (und schon vorher mehrfach), da\u00df der Formant innerhalb dieser Grenzen variieren k\u00f6nne, ohne da\u00df der Vokal wesentlich leide. Dies ist eine wichtige Erkenntnis. Aber ein gleichzeitiges Zusammenwirken mehrerer Formantt\u00f6ne statuiert auch er nicht; es wT\u00fcrde sich seiner Anschauung auch viel weniger leicht einf\u00fcgen als der von Helmholtz. Er behauptet ausdr\u00fccklich, da\u00df f\u00fcr ein auf c gesungenes A nur 2 Schwingungszahlen, die des Stimmtones = c und die des Mundtones = etwa g2, wesentlich und zur Charakteristik hinreichend seien (Bd. 48 S. 566). Wir fanden doch zu einer vollbefriedigenden Synthese hier ein Dutzend Teilt\u00f6ne vonn\u00f6ten; 2 k\u00f6nnen nur ausnahmsweise unter entgegenkommender psychischer Einstellung gen\u00fcgen.\nWenn man die (bei Gutzmann 5, S. 104 abgedruckte) Tabelle der A-Formanten, wie sie von Hermann nach der \u201eSchwerpunktsmethode\u201c1 f\u00fcr die Grundt\u00f6ne der diatonischen Leiter zwischen G und d1 ausgerechnet wurden, durchsieht, so ist trotz mancher Schwankungen eine leichte Erh\u00f6hung des Formanten mit steigendem Grundton nicht zu verkennen; aber sie betr\u00e4gt nur einen halben, h\u00f6chstens ganzen, Ton. Diese geringe Erh\u00f6hung d\u00fcrfen wir wohl auch nach den Er\u00f6rterungen o. S. 65 ff. als Ausdruck der Tatsachen betrachten1).\nL Boeke, ein Anh\u00e4nger der Hebmann sehen Theorie, zog denn auch 1891 aus mikroskopischen Messungen an Phonographenglyphen dieFolgerung, da\u00df der A-Formant, wenn die Stimme von c bis d1 stieg, mit in die H\u00f6he ging, und zwar ergab sich ihm bei einer bestimmten Berechnungsweise ein Steigen von 865 bis 1182 Schw., d. h. von a2 bis d3. Das w\u00e4re sehr viel.","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Graphische Methoden.\n209\nIst es gestattet, einen Durchschnittswert zu berechnen, so w\u00e4re er 772,5 Schw. = g2. Diesen Ton betrachtet man in der Tat meistens als den \u201eHermann sehen A-Formanten\u201c, f\u00fcr welchen auch Gtjtz-mann eintritt. Er ist auch in unseren Versuchen immer als besonders ausschlaggebend hervorgetreten.\nSehr sch\u00f6ne \u00dcbereinstimmung mit den Ergebnissen unserer A-Synthesen zeigt die Tafel der Amplitudenverh\u00e4ltnisse f\u00fcr ein auf c1 gesungenes A1) :\nc1 = 0, c2 = 0,41, g* = 0,54, c3 \u2014 0,40, e3 = 0,11.\nDies ist dasselbe Bild wie bei dem von mir ganz unabh\u00e4ngig davon immer wieder ausprobierten synthetischen A auf c1.\nDa\u00df Hermann die Eormanten im allgemeinen unharmonisch zum Grundton sein l\u00e4\u00dft, ist ein Irrtum, tut aber dem Werte seiner experimentellen Bestimmungen keinen Eintrag. Von gro\u00dfem Interesse sind die starken Verschiedenheiten der Kurvenformen, die der n\u00e4mliche Vokal bei aufeinanderfolgenden T\u00f6nen der Leiter ergibt2). Solche m\u00fcssen herauskommen, wenn der Formant eine feste Lage hat, einerlei ob er harmonisch oder unharmonisch zum Grundton ist. Sie sind daf\u00fcr ein sch\u00f6ner Beleg, aber nicht f\u00fcr die Hermann sehe Lehre.\nEs ist unbegreiflich, wie Hermann die \u00c4hnlichkeit der Vokalkurven mit Schwebungskurven als St\u00fctze daf\u00fcr ansehen konnte. Kurven mit regelm\u00e4\u00dfig wechselnden Maximis und Minimis m\u00fcssen bei jeder Kombination zweier oder mehrerer T\u00f6ne entstehen, sowohl wenn sie einander in der Tonreihe dicht benachbart sind, wie bei den schwebenden T\u00f6nen, als auch bei weiteren Intervallen. Physikalisch ist hier gar kein wesentlicher Unterschied3). Da\u00df wir im 1. Falle Diskontinuit\u00e4ten und Rauhigkeiten h\u00f6ren, hat physiologische Gr\u00fcnde (infolge der Resonanzbreite werden durch benachbarte T\u00f6ne zwischenliegende Fasergruppen gemeinschaftlich erregt). Bei weiteren Intervallen fallen diese Gr\u00fcnde weg. Aber physikalisch m\u00fcssen auch sie ganz ebenso als ein Auf und Ab der Wellengipfel erscheinen. Pipping, Auerbach, Koehler u. a.\nAber die Berechnungsweise und mehr noch die (auch vorher von Jenking und Ewing, nachher von Stevani benutzte) mikroskopische Messungsmethode sind Einw\u00e4nden ausgesetzt ; weshalb sie in neuerer Zeit auf gegeben bzw. durch Vergr\u00f6\u00dferungen auf mechanischem Wege (Scripture, Lioret) ersetzt wurden, die aber auch wieder zum Teil ihr Bedenkliches haben.\nx) Bd. 47 ; abgedruckt von Nagel S. 781 (der diese 1. Untersuchung als \u201eklassische\u201c bezeichnet) und von Gutzmann 5, S. 103.\n2)\tVgl. z. B. die bei Auerbach 5, S. 697 abgebildeten U-Kurven auf den T\u00f6nen der diatonischen Leiter.\n3)\tVgl. s\u00e4mtliche Kurven in m. Abh. 6.\nStumpf, Sprachlaute.\ti \\","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\t8. Kap. Die Entwicklung der Vokalforschungen.\nhaben dies bereits gen\u00fcgend hervorgehoben1). Die sch\u00f6nen A Kurven, von denen Hermann sagt (Bd. 61, S. 175): \u201eDeutlicher kann die Selbst\u00e4ndigkeit des Formanten gegen\u00fcber der alten Lehre von der Verst\u00e4rkung harmonischer Teilt\u00f6ne gewi\u00df nicht bewiesen werden\u201c, sind also nichts weniger als beweisend.\nOhne Kenntnis von Hermanns Arbeiten hat der Amerikaner Be vier 1900 ff. mit einer phonophotographischen Einrichtung Vokale auf Grundt\u00f6nen von B bis d2 aufgenommen und durchgerechnet. Wenn man die amerikanische Aussprache ber\u00fccksichtigt, d\u00fcrften seine Werte ziemlich den Tatsachen entsprechen. Das A-Maximum gibt er wesentlich h\u00f6her an (ungef\u00e4hr 1150 Schw. == d3), bemerkt aber selbst, da\u00df dieses A, wie in \u201efather, papa , zwar mit dem italienischen, aber keineswegs mit dem deutschen Zusammenfalle. Damit stimmt, da\u00df er auch noch ein unteres Maximum f\u00fcr A bei 675 = /2 fand, welches der Lnterformant des \u00c4 ist, w\u00e4hrend unser A keinen Unterformanten besitzt.\nSamojloff, der Hermanns Untersuchungen fortsetzte, fand: U = c*\u2014gx, c2\u2014e2; 0 = h1\u2014des2; A = g2\u2014a2; E = h1\u2014des2, hs\u2014 des*; I = c1\u2014g1, c2\u2014e2, d4\u2014e4. Alles in guter \u00dcbereinstimmung mit unseren Befunden, ausgenommen den Zwischenformanten c2\u2014e2 beim I, der auf einer Zuf\u00e4lligkeit der Artikulation beruhen mu\u00df (Samojloff selbst versieht ihn ebenso wie die Unterformanten f\u00fcr E und I mit einem Fragezeichen ; die letzteren sind aber zweifellos richtig bestimmt). Nicht unm\u00f6glich w\u00e4re hier ein Einflu\u00df des slawischen Y (o. S. 196).\nS. glaubte, wie Boeke, aus seinen Tabellen schlie\u00dfen zu k\u00f6nnen, da\u00df im allgemeinen mit steigendem Grundton auch der Formant langsam steige, was ja gleichfalls richtig ist. Aber in der mitgeteilten Tabelle f\u00fcr A auf den T\u00f6nen der diatonischen Leiter von G bis c1 steigt er nur von 758 bis 845 Schw., d. h. von g2 bis a2. Bemerkenswert ist, da\u00df selbst diese kleine Steigung durch ein Fallen unterbrochen ist: w\u00e4hrend die Stimme von H nach c geht, f\u00e4llt der Formant von 804 auf 755 Sclrw. und steigt dann wieder langsam. Dies ist begreiflich, wenn es sich um einen harmonischen Teilton handelt (s. o. S. 67), aber nicht bei einem Formanten in Her\u00bb manns Sinne. Es w\u00fcrde sich wohl sogar zahlenm\u00e4\u00dfig ableiten lassen, wenn genaue Bestimmungen f\u00fcr die H\u00f6he der Grundt\u00f6ne gegeben w\u00e4ren. Aber diese wurden nur nach dem Geh\u00f6r gesch\u00e4tzt.\n1) Auerbach S. 699: \u201eSchwebungskurven entstehen auch bei Konso-\nnanzen, z. B. bei der Kombination eines Tones mit seiner Duodezime, und man k\u00f6nnte hier erkl\u00e4ren: das ist gar kein Akkord, sondern das ist die im\nTempo des Grundtones an- und abschwellende Duodezime; da\u00df man den\nGrundton zu h\u00f6ren glaubt, ist eine T\u00e4uschung. Niemand wird bezweifeln, da\u00df diese Auffassung des konsonanten Akkords keinen Fortschritt, sondern einen R\u00fcckschritt bedeuten w\u00fcrde.\u201c","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"Graphische Methoden.\n211\nPipping (Helsingfors), der Helmholtz\u2019 Auffassung gegen Hermann verteidigte, kam bei seinen zahlreichen sorgf\u00e4ltigen Versuchen mit Hensens Sprachzeichner zu gleichen oder nur wenig abweichenden Verst\u00e4rkungsgebieten. Er w\u00e4hlte, wie seine Vorg\u00e4nger, verschiedene Grundt\u00f6ne aus der kleinen und 1-gestrichenen Oktave, wobei die Formantzentren notwendig innerhalb gewisser Grenzen wechseln m\u00fcssen. Die Kurven analysierte er nach Fourier bis zum 15. Teilton. In manchen F\u00e4llen enthalten seine Tabellen aber nur die Unterformanten. Au\u00dfer den Amplituden berechnete er auch die Intensit\u00e4ten (a2*^2)1) und erhielt dadurch, namentlich bei den h\u00f6heren Teilt\u00f6nen, viel st\u00e4rkere Ausschl\u00e4ge, zuweilen sogar betr\u00e4chtliche Verschiebungen der Maxima. Im einzelnen bleiben manche Inkongruenzen in seinen Tabellen, die zum Teil auf Eigent\u00f6nen der ben\u00fctzten Membran beruhen m\u00f6gen (so liegt beim U auf c1 wiederholt ein ungeheures Maximum auf e3); aber im allgemeinen f\u00fcgen auch sie sich in den nunmehr feststehenden Rahmen. Es sei von Einzelheiten nur angef\u00fchrt, da\u00df das A-Maximum in seinen ersten Versuchsreihen (Grundt\u00f6ne 190, 224, 393, 557 \u2014 g, ais, g1, des2) immer in der Gegend des3\u2014d3 liegt, in den sp\u00e4teren Reihen (Grundt\u00f6ne c und c1) bei c3 bzw. e3. Doch nehmen die Teiltonst\u00e4rken \u00fcberall schon von g2 an zu. Wir haben es offenbar wieder mit einem besonders hellen A zu tun2). Ob etwa finnische Einfl\u00fcsse hier und beim U mitspielen, kann ich nicht beurteilen. In einer sp\u00e4teren Arbeit (3, S. 30 ff.) zeigen die Tabellen bei Erh\u00f6hung des Grundtons von 128 bis 412 Schw. ein nicht von Pipping hervorgehobenes, aber deutliches Ansteigen des Maximums von a2 (h2) bis c3, ja dis3.\nO. Weiss und S. Garten, deren Ergebnisse f\u00fcr die Konsonanten S und Sch wir S. 129ff. erw\u00e4hnten, untersuchten mit dem ,,Phono-skop\u201c auch gesungene und besonders gefl\u00fcsterte Vokale. Aus den erhaltenen Kurven bestimmten sie durch Ausz\u00e4hlung der den l\u00e4ngeren Wellen aufgesetzten Schwingungszacken die H\u00f6hen der Fl\u00fcstert\u00f6ne. Weiss erhielt folgende Werte:\n0 In den sp\u00e4teren Abhandlungen gibt P. nur die Amplituden, findet aber (4, S. 159) beide Formeln nicht voll geeignet zum Ausdruck der geh\u00f6rten St\u00e4rken, da die tieferen Teilt\u00f6ne in Amplituden zu stark, in Intensit\u00e4ten zu schwach herausk\u00e4men, und h\u00e4lt es mit Lloyd f\u00fcr m\u00f6glich, da\u00df n \u2022 a die Verh\u00e4ltnisse am besten wiederg\u00e4be. Diesen Ausdruck legte schon Ohm zugrunde. Vgl. m. Tonpsych. I, S. 370.\n2) Pipping selbst statuiert (2, S. 558f.) f\u00fcr A ein zweigipfliges Verst\u00e4rkungsgebiet mit gis2\u2014a2 und cis3 als Gipfeln. Doch finde ich in den\nTabellen des A auf c und cauch in der 2. Abhandlung nur wieder c3 als Maximum innerhalb der breiteren Verst\u00e4rkungszone g2\u2014c3. P. hat wohl noch andere Tabellen im Auge.\n14*","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\n8. Kap. Die Entwicklung der Vokalforschungen.\n\tSchwing. I\tNoten\tMittel\tNoten\nu\t400-600 |\tg'-d*\t450\tb1\n0\t550-710\tdes2\u2014ges2\t610\tes2\nA\t700-840\tf2\u2014as2\t760\tg2\nE\t2200 \u2014 2600\tdesi\u2014ei\t2500\tes4\nI\t2500-3160\tes4-g4\t2900\tgesi\nSowohl die Mittelwerte als die Gesamtzonen liegen durchg\u00e4ngig innerhalb unserer nach der If.-Methode bestimmten Fl\u00fcsterformanten, die nur mehr oder weniger nach beiden Seiten dar\u00fcber hinausgehen. S. Garten best\u00e4tigte im wesentlichen diese Ergebnisse. F\u00fcr das Fl\u00fcster-A sch\u00e4tzt er den Formanten = 981\u20141000 (h2), etwas h\u00f6her als Weiss. Bei den gesungenen Vokalen erhielt er fast genau gleiche Kurven wie Hermann. Auch er fand (1915), da\u00df die Formant Schwingungen des A sich mit steigendem Grundton etwas erh\u00f6hen.\nWeitere Untersuchungen stellten Garten und Kleinknecht mit einem kugelf\u00f6rmigen Resonator an, dessen Gr\u00f6\u00dfe in weniger als einer Sekunde soweit verkleinert werden konnte, da\u00df sein Resonanzton gleichm\u00e4\u00dfig um 3 Oktaven oder mehr anstieg. Der Innenraum des Resonators war mit einem Schallschreiber verbunden, der die jeweilige St\u00e4rke des Mitschwingens automatisch registrierte. Der Mund des Singenden war etwa 6 cm von der Resonator\u00f6ffnung entfernt. Nur U, O und A wurden so untersucht, weil die Einrichtung nicht auf Teilt\u00f6ne \u00fcber hz reagierte. Der Grundton erwies sich st\u00e4rker als bei anderen graphischen Registrierungen, nahm aber von U nach A ab. In einer Versuchsreihe, die auch E und I enthielt, nahm er gegen I wieder stark zu, ganz entsprechend unseren Befunden (o. S. 27, 75). Die h\u00f6chsten noch betr\u00e4chtlich verst\u00e4rkten Teilt\u00f6ne lagen f\u00fcr U um etwa 600 (d2 = Oberformant), f\u00fcr O um 780 (g2), f\u00fcr A um oder \u00fcber 1000 Schw. (c3).\nAber die beiden Forscher glauben auf diesem Wege auch unharmonische Teilt\u00f6ne nachgewiesen oder wenigstens wahrscheinlich gemacht zu haben. So trat bei einem A auf tiefem Grundton eine resonatorisch verst\u00e4rkte Schwingung auf, bei der 91/2 Teilschwingungen auf eine Grundtonperiode kamen (S. 39, vgl. 24, 27, 34). Die Verfasser geben aber zu (S. 28), da\u00df f\u00fcr strikte Anh\u00e4nger der Helmholtz sehen Theorie ihre bisherigen Versuche vielleicht noch nicht hinreichend \u00fcberzeugend seien. Wir haben uns, ohne irgendeiner Theorie von vornherein anzuh\u00e4ngen, von den Tatsachen \u00fcberzeugen lassen, da\u00df jedenfalls die Vokalf\u00e4rbungen nur von harmonischen Teilt\u00f6nen herr\u00fchren. Wie aber die unharmo-","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"Bestimmung des energetisch st\u00e4rksten Teiltones.\n213\nnischen im vorliegenden Falle hineingekommen sind, kann man begreiflicherweise, ohne mit dem Apparat selbst gearbeitet zu haben, nicht sagen. \u00dcber einen anderen Versuch Gartens in der gleichen Angelegenheit ist schon oben S. 55 berichtet.\nVor kurzem sind durch Ferd. Trendelenburg im Berliner Siemenslaboratorium die Hilfsmittel der Radiotechnik in erfolgreicher Weise f\u00fcr die graphische Methode herangezogen worden. Durch ein Kondensator-Mikrophon wurden die akustischen Schwingungen in Frequenzmodulationen einer elektrischen Hochfrequenz -welle verwandelt, diese vergr\u00f6\u00dfert und durch eine Verst\u00e4rkerschaltung zum Steuern einer hochabgestimmten Oszillatorschleife ben\u00fctzt. Verzerrungen werden dabei so gut wie v\u00f6llig vermieden. Aus den Klangbildern der 5 \u201eHauptvokale\u201c und der Zischlaute wurden die wichtigsten Schwingungszahlen durch Abz\u00e4hlung der Zacken erschlossen. Die Ergebnisse stimmen mit den unsrigen \u00fcberein (Vgl. auch o. S. 26, 130).\n\u00c4hnlicher Art sind die gleichzeitigen Untersuchungen von Crandall und Sacia. Sie lieferten wieder die charakteristischen Maxima (wobei die Teiltonst\u00e4rken ausgedr\u00fcckt werden durch Multiplikation der Amplitude mit der Empfindlichkeit f\u00fcr die betreffende Tonh\u00f6he).\nDie Versuche von Raps (Ann. d. Phys. 1893) und Gehlhoef (Zeitschr. f. Phys. 1920), die Luftschwingungen ohne Vermittlung eines auf Eigent\u00f6ne abgestimmten Zwischengliedes zu photographieren, sind leider in den Anf\u00e4ngen stecken geblieben. Doch hat Raps einige Formanten angegeben, von denen wenigstens der des A (f2\u2014a2) mit den zuverl\u00e4ssigsten sonstigen Ergebnissen \u00fcbereinstimmt.\n3. Bestimmung des energetisch st\u00e4rksten Teiltones.\nMit der von H. Rubens konstruierten \u201eFlammenr\u00f6hre\u201c (einer Manometerr\u00f6hre mit Seitenl\u00f6chern), wodurch nur der st\u00e4rkste Bestandteil eines Klanges festzustellen war, fanden Rubens und Krig AR-Menzel, da\u00df sie bei allen Vokalen auf den Grundton reagierte, wenn dieser in der 2-gestrichenen Oktave oder h\u00f6her lag, ferner f\u00fcr 0 und E auf Grundt\u00f6ne oberhalb e1, endlich f\u00fcr U, \u00dc, I in allen Tonlagen. Dies entspricht ganz unseren Befunden, wenn man im Auge beh\u00e4lt (was auch die beiden Forscher selbst betonen), da\u00df es bei E, \u00dc und I nur die unteren Maxima sind, die auf diese Art herauskommen. Beim A zeigte die Flamme je nach der dunkleren oder helleren Vokalisierung f2 bis b2, einmal sogar dz. Im allgemeinen lag der wirksamste Teilton des A zwischen gis2 und c3, am h\u00e4ufigsten um b2. F\u00fcr 0, \u00d6 und E lag er bei g1 (f\u00fcr \u00d6 und E wieder Unterformant).","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\t8. Kap. Die Entwicklung der Vokalforschungen.\nAuf dem Hamburger Phonetiker-Kongre\u00df 1914 berichtete Zwaardemaker, \u00fcber Untersuchungen, bei denen ein auf c1 gesungener Vokal zu 5 auf seine ersten 5 Teilt\u00f6ne abgestimmten Resonatoren und weiter zu einem Rayleigh sehen Scheibchen geleitet wurde, das nur bei dem energetisch st\u00e4rksten Ton erzitterte. Beim U auf c1 war dies der 1., beim 0 der 2., beim A der 3., beim I wieder der 1. Teilton. Die Ergebnisse (kurz ber\u00fchrt auch in 3, S. 11) stimmen genau mit den Resonanz-tabellen o. S. 25.\nC. E. Benjamins, der den energetisch st\u00e4rksten Ton (\u201eHauptton\u201c) von Vokalen auf den Grundt\u00f6nen g bis g1 durch KuNDTSche Staubfiguren auf suchte, erhielt f\u00fcr die helleren Vokale wieder ihre Unterformanten, ohne jedoch deren Funktion zu erkennen. Im allgemeinen fand er, da\u00df mit steigendem Grundton der Stimme der Hauptton seiner Ordnungszahl nach sinkt (was notwendig ist), aber doch seiner absoluten H\u00f6he nach bei gleichem Vokal nicht fest bleibt (was gleichfalls innerhalb gewisser Grenzen aus der Ab-solut-Theorie folgt). Er schlie\u00dft, da\u00df der energetisch st\u00e4rkste Teilton nicht zugleich der charakteristische Ton des Vokals zu sein brauche. Auch diese Folgerung kann zutreffen. Vor allem k\u00f6nnten die Unterformanten recht wohl physikalisch st\u00e4rker sein als die Formanten: die physiologischen St\u00e4rken k\u00f6nnten sich dabei gleichwohl umgekehrt verhalten. Aber selbst wenn sie den physikalischen genau parallel gingen, w\u00e4re es nicht notwendig, da\u00df der st\u00e4rkste Teilton zugleich die st\u00e4rkste f\u00e4rbende Kraft (Vokalvalenz) bes\u00e4\u00dfe. Gegen die Helmholtz sehe Lehre w\u00fcrde daraus kein Einwand erwachsen; sie enth\u00e4lt keine Bestimmungen \u00fcber die letzten Fragen der Gehirnmechanik.\n4. Synthesen.\nDieser Weg ist, wie erw\u00e4hnt, nach Helmholtz au\u00dfer von Miller und dem Verfasser nur von wenigen und nur bruchst\u00fcckweise betreten worden, aber auch die so erzielten Ergebnisse lassen sich von den jetzt gewonnenen aus gut verstehen.\nLahr, der Resonanzgabeln verwendete, erhielt U am reinsten durch eine einzige Gabel, wenn sie nicht zu hoch war; 0 durch c -j- c1, noch besser durch die 4 Gabeln c, c1, g1, c2. Bei Hinzuf\u00fcgung des g2 \u00e4nderte sich der Klang nach A hin, und mit der Gabel 1000 (nahe c3) wurde dieses besser. Sobald man aber nur eine dieser Gabeln f\u00fcr sich anschlug, sei es auch die h\u00f6chste, ging der Laut in U \u00fcber. Dies ist alles richtig beobachtet, wenn auch das extrem helle U der Gabel mit 1000 Schw. kaum mehr diese Bezeichnung verdient. Da\u00df eine so primitive Methode doch Ergebnisse lieferte,","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Verkn\u00fcpfung mehrerer Methoden.\n215\ndie so gut mit den Tatsachen stimmen, ist wohl nur einem f\u00fcr Vokalit\u00e4ten besonders feinen Ohr des Beobachters zu verdanken.\nv. Wesendonk fand mit Flaschent\u00f6nen, da\u00df beim I ein tiefer Ton oder mehrere beteiligt sein und da\u00df diese mit den hohen verschmelzen m\u00fcssen, ferner da\u00df es f\u00fcr ein gutes A nicht gen\u00fcge, den Formantton b2 allein zum Grundton hinzuzuf\u00fcgen, da\u00df Teilt\u00f6ne, die f\u00fcr sich allein wie U klingen, z. B. d1 und d2, in ihrer Verbindung ein 0 geben k\u00f6nnen, und andere wesentliche Tatsachen.\nK\u00fcrzlich hat Strtjyckeh (4) wieder Synthesen mit Stimmgabeln, aber in exakterer Durchf\u00fchrung als Lahr, f\u00fcr LT, O, A ver\u00f6ffentlicht. Die St\u00e4rken sind dabei nach subjektiver Sch\u00e4tzung in den ganzen Zahlen 1\u20143 angegeben. Da die Gabeln aber nur bis 860 Schw. (a2) reichten, begreift sich, da\u00df in den Tabellen nur einmal ein reines A (mit hohem Maximun auf e2) vorkommt, und dieses d\u00fcrfte auch mehr dem Kontrast zu noch dunkleren F\u00e4rbungen seine Bezeichnung verdanken1).\nAuch unter Ben\u00fctzung elektrischer Schwingungen sind bereits Synthesen versucht worden. So hat J. Q. Stewart 1922 durch Unterbrechungen eines elektrischen Stromes im Rhythmus des Stimmtones und Einschaltung zweier auf den Formanten und Unterformanten abgestimmten Schwingungskreise Vokale hergestellt, die trotz der von Stewart selbst hervorgehobenen Unvollkommenheit der Einrichtung doch in 50% der F\u00e4lle erkennbar waren. Die Formanth\u00f6hen waren die schon bekannten, f\u00fcr A in father 500 -f- 1000. \u00c4hnliches berichtet Paget (1) von Dr. Eccles 1922. Freilich werden hierbei niemals, solange die elektrischen Schwingungen durch Telephone oder Lautsprecher in T\u00f6ne \u00fcbersetzt werden, rein sinusf\u00f6rmige Schwingungen kombiniert. Andererseits sind wieder zu wenig T\u00f6ne beteiligt. Diese Synthesen geh\u00f6ren daher zun\u00e4chst mehr in die Klasse der blo\u00dfen \u201eNachahmungen\u201c und k\u00f6nnen zur Formulierung der theoretischen Grundtatsachen vorl\u00e4ufig kaum etwas hinzuf\u00fcgen.\n5. Verkn\u00fcpfung mehrerer Methoden.\nKoehler ging von den o. S. 5 erw\u00e4hnten graphischen Aufnahmen am Trommelfell, an denen zun\u00e4chst mehr die M\u00f6glichkeit des Unternehmens \u00fcberhaupt als das Detail der Kurven von Inter-\nx) Struycken hat sich auch um die graphische Methode durch seinen vorz\u00fcglichen Aufnahmeapparat verdient gemacht und mir freundlichst Proben seiner Ergebnisse mitgeteilt, die gut zu den unserigen stimmen. Er ist brieflich (1919) auch auf die allgemeinsten, im 11. bis 13. Kap. zu behandelnden Fragen eingegangen, aber leider bisher nicht zur Ver\u00f6ffentlichung seiner Forschungen dar\u00fcber gekommen.","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\t8. Kap. Die Entwicklung der Vokalforschungen.\nesse war, zu If.-Versuchen \u00fcber, beschritt dann aber einen fast neuen Weg mit Beobachtungen \u00fcber den Vokalcharakter einfacher T\u00f6ne, die ihn zuletzt auch zu elementaren synthetischen Versuchen f\u00fchrten. Seine If.-Versuche dienten, soweit sie Vokale betrafen, haupts\u00e4chlich der Entscheidung \u00fcber das Vorhandensein unharmonischer Teilt\u00f6ne (o. S. 37). Auf seine Lehre von der Vokalit\u00e4t einfacher T\u00f6ne wird uns die Schlu\u00dfbetrachtung (13. Kap.) zur\u00fcckf\u00fchren. In synthetischer Beziehung hebt Koehler mehrfach hervor, da\u00df die von ihm als A, E, I bezeichneten einfachen T\u00f6ne den wirklichen Vokalen \u00e4hnlicher werden, wenn leise tiefe T\u00f6ne hinzutreten. Die tiefen Besonanzt\u00f6ne des E und I hat er auch bereits richtig mit O und U identifiziert. Sp\u00e4ter bemerkte er, da\u00df alle Teilt\u00f6ne, die eine A-Valenz besitzen, wozu alle zwischen c2 und c4 geh\u00f6ren sollen, f\u00fcr die A-F\u00e4rbung mitverantwortlich seien. Darin liegt, da\u00df die gleichzeitig gegebenen Vokalvalenzen innerhalb der Formantzone Zusammenwirken, wenn auch diese selbst zu weit gezogen ist. Aus der Verbindung zweier einfachen T\u00f6ne l\u00e4\u00dft Koehler eine Vokalfarbe entstehen, die in dieser Deutlichkeit an keinem von beiden zu bemerken ist; wenn z. B. durch ein fis1 und ein fis2 (bei bestimmtem St\u00e4rkeverh\u00e4ltnis) ein gutes 0 entstehe, w\u00e4hrend keiner der Komponenten f\u00fcr sich ein reines 0 darstelle. Insoweit k\u00f6nnen wir \u00fcberall nur beistimmen.\nIn der trefflich durchgef\u00fchrten Dissertation H.oScholes (1917, mir seit 1921 bekannt) sind nur die Vokale U, O, A, A, A (unser A\u00e4), diese aber auf mehreren Wegen untersucht: teils durch subjektive Beobachtung der durch die Mundstellung verst\u00e4rkten Teilt\u00f6ne, teils objektiv durch Verkn\u00fcpfung der Marbesehen Ru\u00dfmethode (graphischer Aufnahmen ru\u00dfender Flammenbilder) und strobokopischer Analyse von Flammenbildern, zugleich immer mit Hinzuziehung des If.-Verfahrens1). Die Arbeit erh\u00e4lt besonderes Gewicht dadurch, da\u00df der Verfasser urspr\u00fcnglich (auf Grund einer vorhergehenden Arbeit Wittmanns, die auf ungenauer Auslegung von Ru\u00dfbildern beruhte) f\u00fcr die Hermann sehe Lehre eingenommen war, aber durch die zwingenden Ergebnisse seiner eigenen Untersuchung zu Helmholtz zur\u00fcckgef\u00fchrt wurde. Er fand ausschlie\u00dflich harmonische Teilt\u00f6ne. F\u00fcr U war ein starker Grundton\ni) Die Handhabung der If.-Methode ist im ganzen korrekt, insbesondere ist auf die Mitausschaltung der ungeraden Multipla geachtet. Doch scheint\n\u00fcbersehen zu sein, da\u00df in einem A noch h\u00f6here Teilt\u00f6ne als e3 vorhanden\nsein k\u00f6nnen und da\u00df diese durch Vernichtung gewisser tieferer mitweg-fallen m\u00fcssen. So ist in dem S. 40 erw\u00e4hnten Falle mit dem 3. auch der 9., mit dem 2. der 10. Teilton vernichtet, also fis3 und gis3, die bei einem so\nhellen A nicht ganz einflu\u00dflos sind.","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"Die Analysen und Synthesen D. CH. MILLERS.\t217\nerforderlich, au\u00dferdem T\u00f6ne zwischen b1 und <22 (Oberformant). F\u00fcr 0 mu\u00dften Teilt\u00f6ne zwischen b1 und d2 stark sein, sekund\u00e4r spielten noch Resonanzt\u00f6ne bis gis2 mit. F\u00fcr A ergab sich die kurze Strecke b2\u2014cis3 als entscheidend. Hier mu\u00df es sich wieder um ein sehr helles A gehandelt haben. Auch 0 scheint besonders hell gegeben zu sein. Schole nennt sein A ein norddeutsches. Immerhin bezeichnen auch norddeutsche Forscher wie Hermann, Gtttzmann u. a. ein A mit dem Formantzentrum g2, h\u00f6chstens aber b2, als das beste d. h. von 0 und \u00c4 gleich weit entfernte1).\n6. Die Analysen und Synthesen D. Ch. Millers.\nDie ausgiebigste Best\u00e4tigung finden unsere Ergebnisse durch die 1916 ver\u00f6ffentlichten umfassenden Analysen und Synthesen D. Ch. Millers, \u00fcber die hier eingehender berichtet werden soll, da das Buch in Deutschland wenig bekannt ist. Miller registrierte die Schallkurven durch seinen \u201ePhonodeik\u201c, eine verfeinerte phonophotographische Einrichtung nach Hermannschem Prinzip. Die erhaltenen Kurven wurden an Stelle der m\u00fchsamen Messung und Ausrechnung durch einen verbesserten mechanischen Analysator, wie solche mehrfach konstruiert sind2), in ihre sinusf\u00f6rmigen Elementarschwingungen zerlegt. Diese konnten durch einen weiteren komplizierten Apparat (\u201eSynthesizer\u201c) auch wieder zusammengesetzt und dadurch die Probe auf die Analyse gemacht werden, die sehr befriedigend ausfiel. Insoweit war das Geh\u00f6r \u00fcberhaupt nicht beteiligt.\nNun wurde die geh\u00f6rte Tonst\u00e4rke als proportional mit a2 \u2022 n2 angenommen und 61 Pfeifen zwischen 129 und 4138 Sclrw. nacheinander so angeblasen, da\u00df sie gleichlaute T\u00f6ne ergaben. Es zeigte sich, da\u00df die Phonodeikkurven starker Korrektionen bedurften, um mit den Aussagen des Geh\u00f6rs zu stimmen (infolge der Eigen-\n1)\tNicht verst\u00e4ndlich ist mir die Angabe (S. 45), da\u00df bei einem auf c1 gesungenen A (A\u00e4), wenn c3 und e3 herausgenommen wurden und nur c1, c2, g2 (wahrscheinlich doch auch g3) \u00fcbrigblieben, U geh\u00f6rt wurde. Auch wenn c2, g2 (und g3) nur schwach in dem Klang enthalten waren, konnten sie doch nicht so ohne Einflu\u00df bleiben. So w\u00fcrde ich bei einigen Angaben die Genauigkeit der Beschreibung anzweifeln. Aber weitaus die meisten entsprechen sicher der Wirklichkeit.\n2)\tAuf die \u00e4lteren Einrichtungen dieser Art darf man nicht zu viel Vertrauen setzen. Wenn z. B. Garten (2, S. 290) mit dem MADERschen Analysator von 1909 in einem Stimmgabelklang 9 Teilt\u00f6ne fand, meist freilich sehr schwach und schon in das Gebiet der Messungsfehler fallend, den 7. aber doch so stark wie den 2., so m\u00fcssen hier wohl Fehler vorliegen. Eine gew\u00f6hnliche Stimmgabel enth\u00e4lt, auch wenn sie stark gestrichen wird, au\u00dfer dem bekannten unharmonischen Beiton nur eine deutlich ausgepr\u00e4gte\nOktave und eine minimale Duodezime.","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218\t8. Kap. Die Entwicklung der Vokalforschungen.\nt\u00f6ne des Trichters, der Membran usf.) Diese Korrektionen wurden ein f\u00fcr allemal ausgerechnet und danach die wirklichen physikalischen Energien der ermittelten Teilschwingungen in jedem Einzelfalle bestimmt.\nMit 32 gedackten Pfeifen, deren St\u00e4rke durch die Anblasevorrichtung reguliert wurde, bildete sodann Miller die analysierten Kl\u00e4nge auch synthetisch nach.\nDas allgemeinste Ergebnis seiner Untersuchungen ist, da\u00df die Vokale aus harmonischen Teilt\u00f6nen mit bestimmten Verst\u00e4rkungsgebieten von fester absoluter Lage bestehen. Diese sind in folgender Tabelle angegeben (worin neben Millers Wortbeispielen, durch die er die englische, bzw. amerikanische Aussprache festlegt, unsere Schreibweise beigesetzt ist).\nFormanten nach Miller.\n\tVokal\tSchwing.\tNoten\n1. moo, gloom\tu\t3261)\te1\nmow, no\t0\t461\tb1\nmaw, raw\tAo\t732\tfis1\nma, father\tA\t9222)\tb2\n2. mat, pat\tA\u00e4\t800, 1840\tgis'2, b3\nmet, pet\t\u00c4e j\t691, 1953\tf2, h3\nmate, they\tE\t468, 2461\th\\ C\u00dc54\nmeet, bee\tI\t308, 3100\tdis1, g4\nFormanten wie Unterformanten decken sich mit unseren Befunden so gut als man nur w\u00fcnschen kann. Unser \u00d6 und \u00dc hat Miller nicht in seine Forschungen auf genommen.\nVon besonderem Interesse sind wieder die Ergebnisse \u00fcber das von verschiedenen Stimmen auf verschiedenen H\u00f6hen gesungene A. Der verst\u00e4rkte Ton liegt immer zwischen /2 und dz, meistens ist er 62, also der Helmholtz sehe A-Formant3). Bei einem von einer Sopranstimme auf c2 gesungenen A ist neben dem ziemlich starken\n4) Hierf\u00fcr steht S. 225 362 (= fis1), was auf einem Druckfehler beruhen d\u00fcrfte. Freilich stimmen die Angaben S. 225, 237, 259 \u00fcberhaupt nicht genau miteinander; vielleicht liegen verschiedene Versuchsreihen zugrunde.\n2)\tAn einigen Stellen steht statt des A in father = 922 ein anderes, das durch die Beispiele ma und pat erl\u00e4utert und durch 1050 (c3), 950 (h'2), 1240 (dis3) definiert wird. Vgl. die Noten S. 260. Aber ma gilt auch als Parallelbeispiel zu father. Die Darstellung S. 225 \u2014 230 ist mir in dieser Hinsicht nicht ganz klar geworden.\n3)\tIn v. Wesendonks o. S. WO erw\u00e4hntem Bericht ist eine Zusammenstellung gegeben. Nat\u00fcrlich ist aber nicht anzunehmen, da\u00df in allen diesen F\u00e4llen genau dasselbe A (in derselben Helligkeitsnuance) gesungen wurde.\nDa\u00df meistens gerade b2 verst\u00e4rkt war, darf also nicht zu sehr urgiert werden ;","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"Die Analysen und Synthesen D. Ch. Millers.\n219\nGrundton eine Verst\u00e4rkung bei c3, aber auch noch bei g3 deutlich bemerkbar, \u00fcbereinstimmend mit unseren Angaben. Bei einem auf fis gesungenen A war fis2 am st\u00e4rksten; woran man sieht, da\u00df ein geringes Aufsteigen des Formanten doch auch in Millers Ergebnissen liegt, obgleich er es nicht erw\u00e4hnt.\nMiller hat richtig erkannt, da\u00df nicht ein einzelner Teilton den Vokal charakterisiert, sondern da\u00df (im allgemeinen) ein ganzes Verst\u00e4rkungsgebiet vorhanden sein mu\u00df, innerhalb dessen das Maximum liegt. In diese Region f\u00e4llt nach seinen Intensit\u00e4tskurven fast die ganze physikalische Energie des Klanges (oft etwa 90% nach S. 226). Zuweilen verteilt sie sich auf eine ziemlich weite Strecke, z. B. bei dem auf / gesungenen A auf c2 bis /3. Aber zu beiden Seiten dieser Strecke ist die physikalische Klangst\u00e4rke beim A fast Null. Auch dies findet in unseren Synthesen seine Best\u00e4tigung und weist darauf hin, da\u00df die tieferen T\u00f6ne durch Differenztonbildung subjektiv ersetzt oder verst\u00e4rkt werden.\nAuch von gefl\u00fcsterten Vokalen hat Miller mit dem Phono-deik 45 Kurven aufgenommen, die durch Ausz\u00e4hlung der Wellengipfel im wesentlichen dieselben Formanten lieferten wie die gesungenen, nur ein wenig erh\u00f6ht (S. 235). Auch dies entspricht unseren Beobachtungen, wenn wir bei den dunklen Fl\u00fcstervokalen die geh\u00f6rten T\u00f6ne als \u00dcberblasungst\u00f6ne ansehen (o. S. 164).\nWie weit die Naturtreue seiner Synthesen reicht, kann man, da unwissentliche Versuche fehlen, nicht beurteilen. Ein Mangel der Einrichtung war neben der nicht v\u00f6lligen Einfachheit der Komponenten die unzweckm\u00e4\u00dfige St\u00e4rkeregulierung durch die Windzufuhr wegen der unausbleiblichen Verstimmungen. Da\u00df die Intensit\u00e4ten in physikalischen Ma\u00dfen angegeben sind, ist auf der einen Seite ein Vorteil gegen\u00fcber blo\u00df subjektiver Sch\u00e4tzung; auf der anderen Seite aber kommen wir durch diese den physiologischen St\u00e4rken, auf die es zuletzt ankommt, sicherlich n\u00e4her1). Die Tatsache, da\u00df von c2 an eine Alteration der Vokale eintritt, scheint Miller nicht, jedenfalls nicht in ihrem vollen Umfange, bekannt. Aber es liegt mir fern, an der mit bewunderungsw\u00fcrdiger Exakt-\nund inn etwa auf das durchschnittliche amerikanisch-englische A daraus zu schlie\u00dfen, w\u00e4ren die F\u00e4lle wieder zu wenig zahlreich. \u00dcbrigens sind hierzu auch Beviers Angaben (o. S. 210) zu vergleichen, dessen A in \u201efather\u201c an der Grenze steht, wo mit dem Formanten d3 zugleich die Abspaltung eines Unterformanten beginnt.\n*) Bei dem Korrektionsverfahren mit den 61 Pfeifen waren subjektive St\u00e4rkevergleichungen doch unentbehrlich. Dabei ist auch wohl noch die Frage, ob nicht ein konstanter Fehler schon bei der Vergleichung je zweier unmittelbar benachbarter T\u00f6ne mitwirken k\u00f6nnte, der sich von Paar zu Paar summierte.","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\t8. Kap. Die Entwicklung der Vokalforschungen.\nheit und Geduld durchgef\u00fchrten Untersuchung m\u00e4keln zu wollen. Nicht h\u00e4ufig d\u00fcrften ganz unabh\u00e4ngig voneinander und mit v\u00f6llig verschiedenen Methoden ausgef\u00fchrte Untersuchungen eines verwickelten Problemgebietes zu solcher Harmonie der Ergebnisse gelangt sein. Und man darf wohl daraus schlie\u00dfen, da\u00df die Frage nach der akustischen Natur der Vokale als im wesentlichen gel\u00f6st zu gelten hat.\nII. Kritik einiger pseudo-synthetischen Versuche der neueren Zeit.\nDie meisten der nach v. Kempelen immer wieder versuchten, mehr oder minder erfolgreichen Vokalnachahmungen, die nur mit Unrecht als Synthesen bezeichnet werden, \u00fcbergehen wir hier. Nur auf 3 darunter soll eingegangen werden, die mit dem Anspruch auf treten, als experimentelle Beweise bestimmter theoretischer Grundanschauungen angesehen zu werden.\n1. Hermanns Versuch mit der Doppelsirene.\nAn dieser von Helmholtz konstruierten Lochsirene lassen sich 2 gleichzeitige T\u00f6ne in beliebigem Intervall zueinander angeben. Hermann gab nun z. B. e2 und g2 und h\u00f6rte dann ein A auf dem Grundton c, der als Differenzton auftritt. Aber der Klangbestand ist hier nur sehr unvollst\u00e4ndig angegeben. Nach unserer Kenntnis der Sirenenkl\u00e4nge und der Differenztonbildung (vgl. m. Abh. 7, S. 133) m\u00fcssen eine gro\u00dfe Menge von T\u00f6nen auftreten, unter denen als besonders stark folgende in Betracht kommen: 1. die Prim\u00e4rt\u00f6ne selbst, 2. c und c2 als 1. und 2. Differenzton, 3. e3 und g3 als erste Obert\u00f6ne, 4. c1 und c3 als deren Differenzt\u00f6ne. Man hat also mindestens (abgesehen von h\u00f6heren Obert\u00f6nen) mit dem Komplex c, c1, c2, e2, g2, c3, e3, g3 zu rechnen. Das sind aber so ziemlich alle Teilt\u00f6ne, die zu einem guten A auf c geh\u00f6ren (vgl. unsere Tabelle o. S. 176), zwar nicht genau in der n\u00f6tigen St\u00e4rkeabstufung, doch wenigstens mit Bevorzugung der Formantregion.\nOb man nun in solchen F\u00e4llen, bei immerhin verschobenen St\u00e4rkeverh\u00e4ltnissen, wirklich ein A h\u00f6rt oder nur einen Mehrklang, das h\u00e4ngt sehr von der Einstellung und den musikalisch-akustischen Gewohnheiten des Beobachters ab. F\u00fcr Unmusikalische ist die Wirkung jedenfalls leichter zu erzielen, weil diese von vornherein an einheitliches H\u00f6ren gew\u00f6hnt sind. Ich habe mit mehreren meiner jungen Freunde diesen Versuch mit der Doppelsirene wiederholt; wir h\u00f6rten aber bei der ihnen wie mir nat\u00fcrlichen Einstellung (doch ohne absichtliche Analyse) zun\u00e4chst nur eben die beiden","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"JAENSCH\u2019 Versuche mit Selensirene.\n221\nschreienden Prim\u00e4rt\u00f6ne und den brummenden 1. Differenzton, aber keine Spur von Vokalit\u00e4t.\nNimmt man eine Dissonanz, wie /2 -f 92 (8 \u2022 9), so resultieren (wenn wieder nur die beiden ersten Obert\u00f6ne ber\u00fccksichtigt werden) die T\u00f6ne 1, 2, 7, 8, 9,16,18 = F, /, es2, /2, g2, /3 * * * *, g3, also eine zwar auch harmonische, aber stark l\u00fcckenhafte Teiltonreihe. Doch mag auch dann f\u00fcr Unmusikalische, zumal wenn sie auf Vokale vorbereitet sind, etwas A-\u00c4hnliches entstehen; vermutlich wird es stark nach \u00c4 hin liegen. Jedenfalls mu\u00df es infolge der raschen Schwebungen (87 p. Sek.), die auf den tiefen Grundton F \u00fcbertragen werden, wie von einer rauhen Bierba\u00dfstimme klingen.\nWas also an Vokal\u00e4hnlichkeit bei dem Doppelsirenenversuch herauskommt, ist leicht aus Helmholtz\u2019 Lehre herzuleiten.\n2. Jaensch\u2019 Versuche mit der Selensirene.\nNachE. R. Jaensch, der, von Hermann sehen Voraussetzungen ausgehend, eine besondere Theorie aufgestellt hat, ist ein Vokal dann gegeben, wenn sinusf\u00f6rmige Einzelschwingungen von etwas verschiedenen, aber um einen Mittelwert schwankenden L\u00e4ngen aufeinanderfolgen1). Da nun unser Geh\u00f6r auf unperiodische Schwingungen durch Ger\u00e4uschempfindungen reagiere, so seien die Vokale eben Ger\u00e4usche, und zwar \u2014 nach der urspr\u00fcnglichen Fassung der Theorie \u2014 sogar die eigentlichen Qualit\u00e4ten des Ger\u00e4uschsinnes2). Die Besonderheit des einzelnen Vokals h\u00e4nge ab von der-mittleren L\u00e4nge, um welche herum die Wellenl\u00e4ngen schwanken. Liege diese z. B. in der Gegend des b1, so h\u00f6re man ein O, liege sie bei c3, ein A. (In dieser Lehre von den Vokalit\u00e4ten der einfachen T\u00f6ne schlie\u00dft sich Jaensch an Koehler an.) Die verschiedene H\u00f6he des Grundtons (Stimmtons) aber entstehe dadurch, da\u00df solche \u201egemischte Sinuskurven\u201c auf reine Sinuskurven von der L\u00e4nge des Grundtones aufgesetzt seien.\n1)\tAuch wenn nur Amplituden- oder selbst blo\u00dfe Phasenverschiedenheiten sich regelm\u00e4\u00dfig wiederholen, sollen Vokale auftreten, am besten, wenn mehrere dieser \u201eSt\u00f6rungsfaktoren\u201c sich verbinden. Wir halten uns hier der Einfachheit halber an die Wellenl\u00e4ngen.\n2)\tHier lag freilich eine innere Unklarheit. Denn danach m\u00fc\u00dften die\nVokale um so deutlicher und eindringlicher auftreten, je ausgepr\u00e4gter der Ger\u00e4uschcharakter einer Geh\u00f6rsempfindung ist, w\u00e4hrend Jaensch selbst \u00f6fters hervorhebt, da\u00df der Vokalcharakter durch gewisse Versuchs-\n\u00e4nderungen in demselben Ma\u00dfe abnehme, in welchem der Ger\u00e4uschcharakter\nzunimmt. Neuerdings hat er denn auch diese Formulierung zur\u00fcckgezogen\n(3) und sich der von Fr\u00f6bes hypothetisch vorgeschlagenen angeschlossen,\nwonach die Vokale einem dritten Sinn neben Ton- und Ger\u00e4uschsinn an-\ngeh\u00f6rten. Da\u00df auch diese Fassung paradox genug ist, wird man zugeben.","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\t8. Kap. Die Entwicklung der Vokalforschungen.\nMan sieht, da\u00df hier von Obert\u00f6nen, wenigstens harmonischen, nicht mehr die Rede ist. Jaensch stellt sich, wie Hermann, au\u00dferhalb der ganzen Ohm-Helmholtz sehen H\u00f6rtheorie.\nDen experimentellen Nachweis glaubte er durch eine, bereits von O. Weiss f\u00fcr andere Zwecke eingef\u00fchrte Einrichtung zu f\u00fchren. Eine Selenzelle wird in dem gew\u00fcnschten Rhythmus belichtet. Sie steht in einem Stromkreis, in den auch ein Telephon eingeschaltet ist. Die durch den Belichtungswechsel erzeugten Widerstandsschwankungen werden im Telephon als Ton (bzw. Ger\u00e4usch) vernommen. Um den gew\u00fcnschten Rhythmus herzustellen, schaltete Jaensch zwischen der Lichtquelle und der Selenzelle rotierende Kreisscheiben ein, auf deren \u00e4u\u00dferen Teilen Sinuskurven ausgeschnitten waren. Waren die Wellenl\u00e4ngen untereinander gleich, und zwar = 24\u00b0, also 15 auf jede Umdrehung, so h\u00f6rte er einen reinen Ton (Kurve I), standen sie aber in den obenerw\u00e4hnten Beziehungen, so da\u00df z. B. Sinuswellen von 20, 24, 22, 28, 26 usf. Bogenl\u00e4nge periodisch auf einanderfolgten (\u201egemischte Sinuskurven\u201c), so h\u00f6rte er bei 65\u201470 Umdrehungen der ganzen Scheibe p. Sekunde ein \u201egutes A\u201c (Kurve III). Bei noch ungleicheren Wellenl\u00e4ngen verwandelte sich die Empfindung in ein blo\u00dfes Ger\u00e4usch.\nDa\u00df nun auch bei \u201egemischten Sinuskurven\u201c, die sich in gleichen Verh\u00e4ltnissen periodisch wiederholen, die Fourier-Analyse eine Anzahl harmonischer Teilt\u00f6ne liefern mu\u00df, ist sicher. Aber auch abgesehen davon darf man nicht schlie\u00dfen, da\u00df bei dieser verwickelten Einrichtung die auf den Scheiben ausgeschnittenen Kurven unver\u00e4ndert zum Ohre gelangen1). Schon in Anbetracht der Tr\u00e4gheit der Selenzelle ist anzunehmen, da\u00df aufeinanderfolgende Wellen sich superponieren. Vor allem aber liefert das Telephon niemals Sinusschwingungen einfach weiter, sondern f\u00fcgt Obert\u00f6ne hinzu. Eine Stimmgabel, die direkt geh\u00f6rt nur die Oktave und allenfalls eine minimale schwache Duodezime erkennen l\u00e4\u00dft, h\u00f6rt sich durchs Telephon fast wie eine Klarinette. Bei der Resonanzgabel 250 h\u00f6rte ich Teilt\u00f6ne bis zum 6., v. Hornbostel bis zum 12., bei der Gabel 512 bis zum 5. Diese Obert\u00f6ne geben auch Schwebungen mit entsprechenden Hilfsgabeln.\nx) Es w\u00e4re der n\u00e4mliche Fehlschlu\u00df, dem Koenig mit seiner \u201eWellen -sirene\u201c und Hermann bei Versuchen mit derselben (Bd. 48) unterlagen. Hermann setzte seine phonographische A-Kurve darauf und erhielt ein \u201eausgezeichnetes A\u201c. Der Beweis f\u00fcr die Genauigkeit der Kurve (die ich an sich nicht bestreite) war aber damit nicht geliefert, weil die Wellensirene, wie ich 2, S. 177 nachwies, schon bei Aufsetzung einer reinen Sinuskurve dem Tone 4 Obert\u00f6ne hinzuf\u00fcgt; was bei der Diskontinuit\u00e4t der Luftst\u00f6\u00dfe auch begreiflich ist.","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"JAENSCH\u2019 Versuche mit Selensirene.\n223\nIn der Tat \u00fcberzeugte mich eine experimentelle Nachpr\u00fcfung mit den mir freundlichst \u00fcbersandten, sorgf\u00e4ltig hergestellten Originalscheiben, da\u00df auf diesem Wege hochzusammengesetzte Kl\u00e4nge herauskommen, die unter Umst\u00e4nden einem Vokal \u00e4hnlich sein k\u00f6nnen, aber nur dann und darum, wenn und weil die Zusammensetzung aus Teilt\u00f6nen, wie sie die alte Theorie verlangt, gegeben ist.\nDie Versuche wurden im Berliner Physikalischen Institut mit Unterst\u00fctzung der Herren Dr. Westphal und Dr. v. Allesch angestellt. Die wichtigsten Beobachtungen, die das Vorhandensein zahlreicher Teilt\u00f6ne betrafen, wurden auch durch die Herren Dr. Abraham und Dr. v. Hornbostel best\u00e4tigt. Der die Scheiben drehende Motor wurde so reguliert, da\u00df er etwa 70 Umdrehungen pro Sekunde machte. Das Telephon war von vorz\u00fcglicher Beschaffenheit. Der erzeugte Klang wurde in einen vom Appa-ratenzimmer durch einen Zwischenraum getrennten Beobachtungsraum geleitet. Von den Beobachtungen sei folgendes erw\u00e4hnt:\na)\tBei einer reinen, ununterbrochenen Sinuskurve auf der Scheibe wurde nicht ein \u201ereiner Ton\u201c vernommen, sondern ein ziemlich zusammengesetzter Klang, worin allerdings der der Frequenz 15 \u2022 70 entsprechende Ton c3 besonders stark vertreten war, au\u00dferdem aber d3, g3 und noch eine Anzahl leiser T\u00f6ne der 3-gestrichenen Oktave. Woher diese T\u00f6ne, wage ich nicht bestimmt zu sagen. Vor allem kommt das Telephon in Betracht. Aber auch der Motorton und seine Obert\u00f6ne, soweit sie ins Telephon gelangen, oder der damit zusammenfallende sog. Scheibenton, der durch die blo\u00dfe Umdrehung der Scheibe entsteht und ebenfalls Obert\u00f6ne hat (Schaefer und Abraham Pfl\u00fcgers Arch. Bd. 88, S. 475). Ferner war ein feines rasselndes Ger\u00e4usch bemerklich, an das auch ein Ton, c2, gekn\u00fcpft schien, und das irgendwie mit dem Strom zusammenhing, der auch bei Ausschaltung der Lampe immer durch das Telephon der Selenzelle geht.\nb)\tBei der Kurve III konnten wir von der behaupteten Vokal\u00e4hnlichkeit nichts finden. Aber hierbei mag eine subjektive Einstellung Unterschiede machen. Die Analyse durch das blo\u00dfe Ohr ergab eine Menge von Teilt\u00f6nen: c2 stark, aber auch g2, b2 hervortretend; c3 bis c4 schwach. Es war der Eindruck einer harmonischen Obertonreihe, deren Grundton c oder C sein w\u00fcrde. G w\u00fcrde der Schwingungszahl 65 entsprechen, die sich wahrscheinlich mit der Umdrehungszahl der Scheibe deckte. Auch an \u201eVariationst\u00f6ne\u201c lie\u00dfe sich denken, die gleichfalls Obert\u00f6ne haben (Schaefer und Abraham). Jedenfalls waren die T\u00f6ne vorhanden und war die Klangstruktur eine g\u00e4nzlich andere als Jaensch sie voraussetzt.\nVor allem aber fragt es sich, welche Teilt\u00f6ne schon durch die Zerlegung der \u201egemischten Sinuskurve\u201c entstehen m\u00fcssen, wenn Helmholtzens Voraussetzung richtig ist, da\u00df das Ohr die Fourieranalyse ausf\u00fchre. Auf meinen Wunsch hat sich Herr stud. math. Philipps in dankenswerter Weise der langwierigen Arbeit unterzogen, rein analytisch (ohne die weniger sichere Ordinatenausmessung) die Amplituden der darin enthaltenen harmonischen Teilt\u00f6ne zu berechnen. Zur Vereinfachung der Berechnung wurde aber angenommen, da\u00df die oben angegebenen ersten 5 Wellenl\u00e4ngen der Kurve III auf dem Gesamtumfang der Scheibe noch 2 mal in der n\u00e4mlichen Aufeinanderfolge wiederkehren (w\u00e4hrend in Wirklichkeit ihre Anordnung das 2. und 3. Mal eine andere und nur die Durchschnittsl\u00e4nge dieselbe ist). Dies kann","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\n8. Kap. Die Entwicklung der Vokalforschungen.\naber wesentliche Unterschiede nicht zur Folge haben. Es ergaben sich f\u00fcr die ersten 10 Teilt\u00f6ne folgende Amplituden Verh\u00e4ltnisse in der Kosinus-und Sinusreihe, wenn die Gesamtl\u00e4nge der Periode = 100 gesetzt wTird: (Kos.)\u20142,7; \u20140,1; \u201411,1; -23,4; +67,4; -14,1; + 0,4; -7,3; -2.2; -2,3. (Sin.) +0,6; +4,3; - 8,1; +12,5; +60,1; +25,2; +4,2; +3,5; \u2014 l'o; -0+.\nEs liegt also ein Maximum beim 5. Teilton; aber auch seine Nachbarn nehmen noch etwas daran teil. Da nun die Umdrehung der Scheibe 65 bis 70 mal pro Sekunde erfolgte, so mu\u00df die durch die 5 verschiedenen Sinuswellen gebildete Gesamtperiode, die 3mal bei jeder Umdrehung auftritt, 195 \u2014210 mal pro Sekunde wiederkehren. Der Grundton mu\u00df also as sein. Zu diesem Grundton geh\u00f6ren als 4., 5., 6. Teilton: as2, c3, es3. Dieses Maximum mit seinem Zentrum in c3 ist aber nichts anderes als der Formant eines sehr hellen A. Ja selbst das obere Maximum in der 4-gestr. Oktave, das einem hellen A in der N\u00e4he eigen zu sein pflegt, d\u00fcrft\u00e8 in der Kurve stecken, da sich nach Herrn Philipps aus dem Verhalten der Gleichungen auf eine weitere Verst\u00e4rkung in der Gegend des 15. Teiltons, also des gi, schlie\u00dfen l\u00e4\u00dft.\nWenn also ein \u201egutes A\u201c von Jaensch geh\u00f6rt wurde, so l\u00e4\u00dft sich eine solche Wirkung unter den Helmholtz sehen Voraussetzungen von dieser \u201egemischten Sinuskurve\u201c nur erwarten. Nim ist sie allerdings nicht ganz identisch mit der jAENSCHschen, bei welcher die Periode erst nach einer ganzen Umdrehung genau wiederkehrt und daher der Grundton C sein mu\u00df. \u00dcber diese Kurve kann man nach einer brieflichen Mitteilung Herrn Dr. F. Trendelenbtjrgs vom Standpunkte der Theorie auch ohne Berechnung sagen, da\u00df die Amplitude des Grundtons nur schwach ausgepr\u00e4gt, dagegen der 15. Teilton und die ihm benachbarten T\u00f6ne sehr kr\u00e4ftig vertreten sein m\u00fcssen. \u201eEine solche Annahme stellt die von Ihnen beschriebene Kurvenform schon so gut dar, da\u00df die n\u00e4chsth\u00f6heren Teilt\u00f6ne sicher nur noch mit kleinen Amplituden vertreten sind. Erst in noch viel h\u00f6heren Gebieten werden neue Teilt\u00f6ne auftreten.\u201c Nun ist der 15. Teilton von G h2, also wieder das Formantzentrum eines hellen A, und die Teilt\u00f6ne in den viel h\u00f6heren Gebieten werden wahrscheinlich wieder das obere Maximum darstellen. Wir kommen somit auch f\u00fcr die Kurve III in ihrer Originalgestalt zu derselben Folgerung.\nDas einzige, wor\u00fcber man sich wundern k\u00f6nnte, w\u00e4re, da\u00df der Vokal bei unserer Nachpr\u00fcfung nicht ebensogut zum Vorschein kam. Aber ein ganz nat\u00fcrliches A ist ja auch nicht zu erwarten, da zu einem solchen doch sehr genau abgemessene St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse vom Grundton bis zur oberen Formantgrenze geh\u00f6ren, wie sie bei dieser Einrichtung nur durch einen ganz unwahrscheinlichen Zufall entstehen k\u00f6nnten. Im \u00fcbrigen mag auch eine mehr analysierende psychische Einstellung ung\u00fcnstig gewesen sein.\nc)\tJaensch hat auch die A-Kurve aus Hermanns photophonographischen Aufnahmen auf einer Scheibe ausgeschnitten. Mit dieser h\u00f6rten wir als Grundton es. Das w\u00fcrde die Oktave des Motor- und Scheibentons sein, wenn der Motor 75,5 Umdrehungen machte, k\u00f6nnte hier aber auch allenfalls mit den 2 Maximis der ebensooft wiederholten A-Kurve Zusammenh\u00e4ngen. Daneben war aber eine ganze Reihe von Teilt\u00f6nen bemerklich, die harmonische Obert\u00f6ne jenes Grundtones zu sein schienen: es1, b1, g2, 62 und h\u00f6here sehr leise T\u00f6ne. Der Gesamteindruck konnte, wenn nicht analysiert wurde, als A-\u00e4hnlich passieren. Die Erkl\u00e4rung ist einfach.\nd)\tDie 3 Kurven Kx K2 K3 waren so ausgeschnitten, da\u00df auf eine periodische Welle, die 9 mal bei jeder Umdrehimg wiederkehrte, bei 1+ eine","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"Jae\u00efvSCHs Versuche mit der Selensirene.\n225\nperiodische, bei K2 und K3 eine unperiodische Oberschwingung von der mittleren Periodenl\u00e4nge 8\u00b0 aufgesetzt war. Von diesen zackigen Kurven erhielt J. bei Kx einen Klang ohne Vokalcharakter, bei K2 und K3 einen mit Vokalcharakter. Wir h\u00f6rten bei Kx einen sch\u00f6nen, sehr naturtreuen Klarinettenklang mit zahlreichen kr\u00e4ftigen Obert\u00f6nen (besonders bei Tonh\u00f6he c2), konnten aber bei K2 und K3 keine wesentlichen Unterschiede bemerken, obgleich wir durch wechselnde Regulierung des Motors Grundt\u00f6ne verschiedener H\u00f6he (c1, c2, /2) erzeugten. Nur etwas Ger\u00e4usch mischte sich bei, aber kein Vokalcharakter.\n\u00dcberall also, wo etwas von Vokaleindr\u00fccken entstand, waren die dazu n\u00f6tigen Obert\u00f6ne vorhanden. Sonach kann ich die Theorie der \u201egemischten Sinuskurven\u201c nur als g\u00e4nzlich mi\u00dfgl\u00fcckt ansehen. Wie gegen\u00fcber Hermann, bleibt auch gegen\u00fcber seinem Nachfolger die OHM-HELMHOLTZsche Betrachtungsweise aufrecht, die alle Kl\u00e4nge als Komplexe gleichzeitiger, \u00fcbereinandergelagerter Sinusschwingungen auf fa\u00dft, welche vom Ohre wieder in ihre Komponenten zerlegt werden.\nAber auch das methodische Prinzip, das Jaensch dem bisherigen entgegenstellt: da\u00df man von der Ver\u00e4nderung der Reize ausgehen und Zusehen m\u00fcsse, welche Empfindungsver\u00e4nderungen den verschie -denen M\u00f6glichkeiten der Reiz ver\u00e4nderung entsprechen, kann ich nicht unterschreiben. Es stellt die Sache nicht erst auf die Beine, sondern vielmehr auf den Kopf. In der gesamten Sinnespsychologie mu\u00df als oberster methodischer Grundsatz gelten, von der Analyse der Erscheinungen selbst auszugehen und die Ver\u00e4nderungen der Reize, ohne die es nat\u00fcrlich keine experimentelle Sinnesforschung gibt, prinzipiell nicht auf Grund der blo\u00df physikalischen M\u00f6glichkeiten, sondern nach Anleitung der an den Erscheinungen beobachtbaren Eigenschaften und Ver\u00e4nderungen vorzunehmen. So wenigstens prinzipiell. Im einzelnen Fall wird jeder Experimentator nach Bedarf mit Ver\u00e4nderungen auf der einen und anderen Seite Vorgehen.\nIn Erwiderung auf einige 1914 von mir (8) erhobene Ein w\u00e4nde hat Jaensch gewisse f\u00fcr den Vokaleindruck g\u00fcnstige Modifikationen seines Verfahrens empfohlen, auch einige von den fr\u00fcheren abweichende Angaben gemacht. Unsere Schlu\u00dffolgerungen werden aber davon nicht ber\u00fchrt. Sp\u00e4ter hat sein Sch\u00fcler H. Lachmund die Methode noch weiter ausgebildet, indem er auf dem Umkreis einer Scheibe 3 unter sich gleiche Serien \u201egemischter Sinuskurven\u201c anbrachte (also dieselbe Anordnung wie bei der von Herrn Philipps berechneten Kurve). Dadurch entstand bei der Drehung ein deutlich h\u00f6rbarer tiefer \u201ePeriodenton\u201c, der auch als Stimmton, als Tr\u00e4ger der durch den h\u00f6heren \u201eFrequenzton\u201c erzeugten Vokalit\u00e4t, auf gef a\u00dft wurde. Ein solcher Stimmton war \u00fcbrigens jetzt auch bei Jaenschs A-Kurven f\u00fcr die meisten Versuchspersonen h\u00f6rbar, w\u00e4hrend ihn Jaensch nicht geh\u00f6rt und nicht erwartet hatte. Lachmund legt nun das gr\u00f6\u00dfte Gewicht darauf, da\u00df diesem Ton die Aufmerksamkeit zugewandt sein m\u00fcsse. Erst wenn der \u201eFrequenzton\u201c in sich unbeachtet bleibe; \u00fcbertrage er seine Formanteigenschaft auf den'Stimmton (S. 15 \u2014 20, 46, 80ff.).\nStumpf, Sprachlaute.\t15","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\t8. Kap. Die Entwicklung der Vokalforschungen.\nMit dieser Wendung, die f\u00fcr die Beobachtungsf\u00e4higkeit des Verfassers ein gutes Zeugnis ablegt, n\u00e4hert er sich ganz wesentlich der richtigen Erkenntnis des Sachverhaltes. Nicht der Formant f\u00fcr sich, sondern sein Zusammenwirken mit tieferen T\u00f6nen und einem Grundton schafft die Vokalit\u00e4t. Ihr Tr\u00e4ger ist das Klangganze bzw. der Grundton, auf dessen H\u00f6he die des Klangganzen bezogen wird. Wir kommen aber dann eben auf die hier vertretene Auffassung zur\u00fcck. Die ganze Methode ist nur eine Scheinsynthese, eine sehr k\u00fcnstliche, unter den bisherigen die k\u00fcnstlichste, Art von Nachahmung der Vokale, deren Wesen dadurch mehr verh\u00fcllt als aufgehellt wird. Da\u00df bei einer so komplizierten Schallerzeugung auch unharmonische Teilt\u00f6ne herauskommen, ist gewi\u00df nicht unm\u00f6glich. Aber wir haben ja hervorgehoben, da\u00df einzelne T\u00f6ne dieser Art unter den h\u00f6heren Klangbestandteilen die Vokalit\u00e4t nicht notwendig beeintr\u00e4chtigen, unter Umst\u00e4nden sogar dazu mitwirken. Nur die Hauptmasse des Klanges und besonders die tieferen Teilt\u00f6ne m\u00fcssen bei einem vollkommenen Vokal harmonisch sein.\n3. ter Kuiles Versuche.\nObgleich die von ter Kuile auf h\u00f6chst einfache Weise hergestellten k\u00fcnstlichen Vokale ungleich n\u00e4her als die Jaenschs an die nat\u00fcrlichen herankommen, k\u00f6nnen wir dar\u00fcber nicht anders urteilen. Er erzeugte sie dadurch, da\u00df er an eine Schachtel von der Gr\u00f6\u00dfe, wie sie zur Aufbewahrung von Visiten- oder Brief karten dienen, ein Korkst\u00fcckchen anleimte und dieses durch eine schwingende Stimmgabel ber\u00fchrte. Ich erhielt auf diese Art mit einer elektrisch angetriebenen Gabel von 200 Schw. durch passende Auswahl der Kartons, auch mit den von Herrn ter Ktjile bereitwilligst \u00fcbersandten K\u00e4sten, ein deutliches nasaliertes \u00c4, ein nasaliertes OA und ein ziemlich gutes A. Man kann so, wie ter Kuile selbst bemerkt, auch eine heisere Stimme mit fast komischer Naturtreue nachahmen, wrenn die Gabel dem Karton zu nahe gebracht wird1). Die Einrichtung geh\u00f6rt zu den zweckm\u00e4\u00dfigsten, wenn sie keine theoretische Bedeutung beansprucht. Aber ter Kuile gr\u00fcndet gerade darauf eine Theorie, die wieder von Hermanns Grundannahmen ausgeht und die Vokale auch wieder unter die Ger\u00e4usche einreiht.\nIn diesem Falle habe ich (mit den Herren Abraham, v. Allesch, Baley, v. Hornbostel als Mitbeobachtern) das If.-Verfahren angewandt, vor allem f\u00fcr das A auf dem Grundton 200 = gis. Der Vokal l\u00e4\u00dft sich nat\u00fcrlich wie ein gesungener ab- und aufbauen, auch mit L\u00fcckenversuchen pr\u00fcfen. Es fand sich, da\u00df er im wesent-\n!) Ein \u00e4hnlicher Versuch ist schon in m. Tonps. II, 535 beschrieben: ,.Wenn man eine angeschlagene cd-Gabel auf ein den Tisch nur lose bedeckendes oder sich wulstf\u00f6rmig dar\u00fcber erhebendes Blatt Papier aufsetzt, so wird der Ton n\u00e4selnd, leicht schnarrend, und n\u00e4hert sich dem einer Oboe oder eines gew\u00f6hnlichen Zungenstimmpfeifchens. Man kann auch einen Anflug von Heiserkeit darin finden.\u201c","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"ter Kuiles Versuche.\n227\nliehen aus den 7 ersten harmonischen Teilt\u00f6nen des Tones 200 bestand. Der Grundton selbst ist \u00e4u\u00dferst schwach. Doch l\u00e4\u00dft er sich aus der Leitung bei Abtragung aller h\u00f6heren T\u00f6ne noch h\u00f6ren. Er erscheint wieder als sch\u00f6ner einfacher Ton. Mit dem Hinzukommen der Oktave wird er st\u00e4rker und etwas nach O hin ver\u00e4ndert, mit dem 3. Teilton OA-\u00e4hnlich, aber etwas instrumental. Mit dem 4., der besonders stark ist {gis2), n\u00e4hert er sich dem A, noch mehr mit dem 5. (his2 = c3). Die folgenden machen ihn noch heller und dr\u00f6hnender, aber nicht mehr wesentlich anders. Bei einem anderen Karton, der ein sehr starkes nasaliertes \u00c4 (franz. in) gab, wieder sehr schwacher Grundton, beim 2. Teilton ein fagottartiger Klang, beim 3. wie eine ferne Trompete oder Posaune, beim 4. A-\u00e4hnlich, noch mehr beim 5. und 6., mit dem 7. schon zu scharf, der Oboe angen\u00e4hert; usw. bis zum 12., ja 20.\nMan sieht aus diesen Beispielen, da\u00df es sich wieder um stark zusammengesetzte Kl\u00e4nge handelt, und da\u00df deren Zusammensetzung in demselben Ma\u00dfe, wie sich die Kl\u00e4nge den nat\u00fcrlichen Vokalen n\u00e4hern, auch den dort gefundenen Strukturen entsprechen. Allerdings sind hier noch Ger\u00e4uschbeimischungen vorhanden, die bei gut gesungenen Vokalen viel weniger merklich sind. Aber sie haben mit der Vokalcharakteristik nichts zu tun, jedenfalls nichts im g\u00fcnstigen Sinne. \u00dcbrigens hat ter Ktjile selbst durch resonierende Gabeln bei seinem k\u00fcnstlichen A maximale Resonanz f\u00fcr a2 (aber auch starke f\u00fcr die ganze Zone /2\u2014cis3) und bei einem ungew\u00f6hnlich hellen, \u201egleichsam kindlichen\u201c A Resonanz f\u00fcr c3\u2014/3, bei einem O f\u00fcr g1\u2014c2, bei einem AO f\u00fcr es2 (Unterformant) festgestellt \u2014 alles Ergebnisse, die mit den Formanten der alten Theorie ganz vortrefflich \u00fcbereinstimmen. So liefern auch diese Versuche nur wieder neue eklatante Best\u00e4tigungen daf\u00fcr.\nEs war eben ein verh\u00e4ngnisvoller Fehlgriff Hermanns und seiner Nachfolger, die OHMsche Definition des \u201eeinfachen Tones\u201c, durch die allein Helmholtz erst Klarheit in die ganze Klanglehre brachte und durch die allein auch die Begriffe \u201eAnalyse und Synthese von Kl\u00e4ngen\u201c ihre scharf definierte objektive Bedeutung erhalten, preiszugeben. Es handelt sich dabei aber nicht etwa blo\u00df um eine physikalische Definition. Vielmehr ist gerade das Wesentliche die immer wieder zu best\u00e4tigende Tatsache, da\u00df \u00fcberall da, wo die physikalischmathematische Analyse noch eine Mehrheit gleichzeitiger Sinusschwingungen zeigt, auch das geschulte Ohr noch Teilt\u00f6ne wahrnehmen kann (allzu schwache nat\u00fcrlich ausgenommen), und da\u00df \u00fcberall, wo reine Sinusschwingungen vorliegen, auch dem Ohr jede weitere Zerlegung unm\u00f6glich ist. An dieser Grundtatsache kann keine akustische Theorie mehr r\u00fctteln, ohne selbst in Tr\u00fcmmer zu gehen.\n15*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"9. Kapitel.\nPhonographisclie, telephonische und ohren\u00e4rztliche Beobachtungen.\nI. Die Ver\u00e4nderungen der Vokale bei ver\u00e4nderter Umdrehungsgeschwindigkeit der Phonographenwalze.\nSchon bald nach der Erfindung des Phonographen wurde der Apparat zur Pr\u00fcfung der Vokaltheorien herangezogen. Sind die Vokale durch Formanten von fester absoluter Tonh\u00f6he charakterisiert, so m\u00fcssen die auf einer Walze auf genommenen Vokale bei ver\u00e4nderter Umlaufsgeschwindigkeit ihren Charakter ver\u00e4ndern, m\u00f6gen \u00fcbrigens die Formanten harmonisch oder unharmonisch zum Grundton sein. Ist aber die relative H\u00f6he bzw. die Ordnungszahl der charakteristischen Teilt\u00f6ne entscheidend, so m\u00fcssen die Vokale im wesentlichen unver\u00e4ndert bleiben. Also nicht zwischen Helmholtz und Hermann, wohl aber zwischen der Absolut- und der Relativtheorie kann so entschieden werden. In der Zeit der ersten, unvollkommenen Stanniolaufnahmen wurde noch gelegentlich behauptet, da\u00df die Tatsachen im letzteren Sinne spr\u00e4chen1). Bei geringen Ver\u00e4nderungen der Geschwindigkeit k\u00f6nnte man auch heute noch so denken. Aber bei gr\u00f6\u00dferen liegt die Entstellung so klar vor, da\u00df seit Hermanns letzter Abhandlung dar\u00fcber (1911) entgegenstehende Behauptungen nur ganz sporadisch noch aufgetaucht sind (so 1916 bei Flowers, den Stefanini sofort korrigierte). Da\u00df sich s\u00e4mtliche beobachtete Ver\u00e4nderungen aus einer Absolut-Theorie m\u00fcssen ableiten oder Voraussagen lassen, kann man allerdings nicht erwarten. Vielmehr m\u00f6gen bei einer stark beschleunigten oder verlangsamten Drehung rein physikalische Faktoren ins Spiel treten, die die Alteration der aus dem Phonographen kommenden Schallwellen mitbedingen. Auch wird in Betracht kommen, da\u00df der Phonograph \u00fcberhaupt nur auf eine mittlere Zone von Tonh\u00f6hen merk-\nx) So von Jenking und Ewing, Nature Bd. 17, 1878; wogegen alsbald Cross, das. Bd. 18, 1879.","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Phonographische Beobachtungen.\n229\nlieh reagiert. Voraussagen kann man nur: 1. da\u00df im allgemeinen die Vokale bei verlangsamter Reproduktion in dunklere, bei beschleunigter in hellere \u00fcbergehen werden; 2. da\u00df die zweiteiligen, aus Formant und Unterformant zusammengesetzten Vokale, eine Verzerrung ihrer Struktur erfahren m\u00fcssen, die \u00fcberhaupt keinem der gebr\u00e4uchlichen Vokale mehr entspricht. Denn wird I verlangsamt, so geht zwar der I-Formant in den E-Formanten \u00fcber, zugleich sinkt aber der Unterformant mit, w\u00e4hrend er f\u00fcr E h\u00f6her gehen m\u00fc\u00dfte. Und wenn wir E beschleunigen, ist in beiden Beziehungen das Umgekehrte der Fall. Auf diesen Umstand hat bereits Miller mit Recht aufmerksam gemacht. Wieweit und in welcher Art sich diese zu erwartenden Neubildungen in der Beobachtung geltend machen werden, l\u00e4\u00dft sich wieder nicht Voraussagen. \u00dcberblicken wir nun die Beobachtungen selbst.\nSchon mit dem Stanniolphonographen bemerkten Gr\u00fctzner, Lahr und andere Forscher bedeutende Ver\u00e4nderungen, besonders bei verlangsamter Drehung. Ein eigent\u00fcmliches Bl\u00f6ken fiel Gr\u00fctzner dabei auf. Am l\u00e4ngsten hielt sich der A-Laut. Lahrs Angaben stimmen vollkommen mit dem zu Erwartenden : bei Beschleunigung (Lahr gibt nicht an, um wieviel) gingen U in \u00dc und I, 0 in \u00d6 und E \u00fcber, A blieb A. Bei Verlangsamung blieb U U, O ging in Ou \u00fcber, A in Ao, \u00dc in U.\nGr\u00fcndlicher hat dann Hermann die Erscheinungen untersucht (Bd. 139, 1911). Er probierte bestimmte Geschwindigkeitsgrade bis zum doppelten bzw. halben gegen\u00fcber der Aufnahmegeschwindigkeit. Auch ihm fiel es auf, da\u00df die Verlangsamung st\u00e4rker entstellt als die Beschleunigung und da\u00df dabei vielfach eigent\u00fcmliche Bl\u00f6klaute auf treten. Im \u00fcbrigen sind die beobachteten Ver\u00e4nderungen wieder die zu erwartenden. Wenn E, \u00dc und I durch starke Beschleunigung oft in O und U \u00fcbergingen, so ist klar, da\u00df hierbei nur die Unterformanten geh\u00f6rt wurden, indem die Hauptformanten die H\u00f6hengrenze der Phonographen \u00fcberschritten. Auch Hermann bemerkt, da\u00df A sich besonders lange h\u00e4lt. Er bringt dies wohl richtig damit in Zusammenhang, da\u00df die Formantregion des A eine besonders gro\u00dfe Ausdehnung hat (des2\u2014b2, wir w\u00fcrden sogar sagen: c*\u2014g3, wenn die \u00e4u\u00dfersten Grenzen ber\u00fccksichtigt werden, die aus dem Auf- und Abbauverfahren zu erschlie\u00dfen sind). Es gibt eben auch besonders viele noch als A geltende Modifikationen vom dunkelsten bis zum hellsten, und in diese wird der Vokal bei beschleunigter oder verlangsamter Reproduktion zun\u00e4chst \u00fcbergehen. Aus demselben Umstande versteht man, da\u00df andere alterierte Vokale gern als A bezeichnet werden, indem eben ihre Verst\u00e4rkungsmaxima in","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230 9. Kap. Phonographische, telephonische, ohren\u00e4rztliche Beobachtungen.\ndiese breite Region \u00fcbertreten. Auch da\u00df eine geringe Verlangsamung im allgemeinen sch\u00e4dlicher ist als eine gleich gro\u00dfe Beschleunigung, d\u00fcrfte Hermann richtig daraus hergeleitet haben, da\u00df bei der gew\u00f6hnlichen Aufnahme in Phonographen der Formant sich mehr in der N\u00e4he seiner unteren Grenze h\u00e4lt, so da\u00df er bei der Verlangsamung leichter au\u00a7 dem Bereich herausf\u00e4llt, in welchem der Vokal noch richtig erkannt wird. Es w\u00e4re auch darauf hinzuweisen, da\u00df der Aufnahmetrichter nicht resonanz-frei ist. Er d\u00fcrfte meistens das 0 vor anderen Lauten verst\u00e4rken. Im \u00fcbrigen bleiben einige Resterscheinungen, die wir auch heute noch nicht zu deuten wissen ; so der bl\u00f6kende oder nasale Charakter bei Verlangsamung. Doch kommen bei sehr langsamer Drehung zun\u00e4chst hohe T\u00f6ne, schlie\u00dflich stark schnarrende Ger\u00e4usche hinein. Zuletzt wird der Klang intermittierend.\nIch habe auch selbst 1914 und 1916 mit den Herren Abraham, v. Hornbostel, v. Allesch, Kreichgauer und Wertheimer ausf\u00fchrliche Versuche \u00fcber diese Umwandlungen angestellt. 5 Versuchsreihen mit zunehmender Ber\u00fccksichtigung der m\u00f6glichen Variationen wurden gemacht. Von der 2. an wurden au\u00dfer den Vokalen auf c und c1 auch Instrumentalkl\u00e4nge zur Vergleichung herangezogen, und zwar das c einer gedackten Pfeife, c1, c2, c3, c4, c5 von Stimmgabeln, f1, /2 von Zungen und eine Vokalr\u00f6hre nach Willis. Dabei zeigte sich, da\u00df der Phonograph T\u00f6ne von c1 abw\u00e4rts \u00fcberhaupt nicht wiedergibt, ausgenommen, wenn die Reproduktion mit bedeutend gr\u00f6\u00dferer Geschwindigkeit erfolgt. In diesem Falle wird z. B. eine c1-Gabel bei l1/2- bzw. 2f\u00e2cher Geschwindigkeit der Reproduktion als g1 bzw. c2 geh\u00f6rt. Au\u00dferdem h\u00f6rt man nur die den Ton begleitenden Ger\u00e4usche oder Obert\u00f6ne. Umgekehrt verschwindet eine c5-Gabel in solchen F\u00e4llen, wo sie also g5 oder c6 geben m\u00fc\u00dfte, weil T\u00f6ne von der Mitte der 5-gestrichenen Oktave ab gleichfalls nicht wiedergegeben werden. Innerhalb dieser Grenzen werden bei Ann\u00e4herung daran nat\u00fcrlich auch schon Abschw\u00e4chungen ein-treten, die auf die Vokale nicht ohne Einflu\u00df bleiben k\u00f6nnen: die hellsten m\u00fcssen bei gleicher Reproduktionsgeschwindigkeit etwas verdunkelt, die dunkelsten etwas erhellt erscheinen.\nMan kann die Geschwindigkeit des von uns ben\u00fctzten Phonographen von einer unteren Grenze aus um das Dreifache steigern Das Verh\u00e4ltnis zweier Geschwindigkeiten kann jederzeit auf die einfachste und sicherste Weise aus dem Intervall der T\u00f6ne erschlossen werden, die ein und derselbe aufgenommene objektive Ton dabei ergibt. Da z. B. ein Ton, der bei geringster Wiedergabegeschwindigkeit c2 ist, bei gr\u00f6\u00dfter zu gz wird, so ergibt sich","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"Phonographische Beobachtungen.\n231\ndaraus die ebengenannte Verh\u00e4ltnisbestimmung 1:3. Und so haben wir jederzeit die gew\u00fcnschten Verh\u00e4ltnisse der Wiedergabegeschwindigkeiten leicht hersteilen k\u00f6nnen.\nHermann verfuhr so, da\u00df er bei der Aufnahme ein und dieselbe Walze in ihrem 1. Drittel mit der Tourenzahl 75, im 2. mit 1121/2, im 3. mit 150 laufen lie\u00df. Erfolgte nun die Wiedergabe der ganzen Walze einmal mit 75, einmal mit 1121/2, einmal mit 150, so konnten mit derselben Walze 3 Grade der Beschleunigung und 3 der Verlangsamung erzielt werden. Dieses Verfahren ist scharfsinnig und sparsam, aber wohl nicht ganz einwandfrei. Denn da die Aufnahmen bei geringster und bei gr\u00f6\u00dfter Geschwindigkeit schon nicht genau die gleichen Vokale liefern, so sind die Erscheinungen bei den verschiedenen Beschleunigungen und Verlangsamungen, obschon deren arithmetische Verh\u00e4ltnisse sich einfach berechnen lassen, doch wegen der verschiedenen Ausgangspunkte nicht recht kommensurabel, und man darf nicht von einer Beschleunigung um 4/3, 3/2, 2 schlechtweg reden, sondern immer nur inbezug auf eine bestimmte Aufnahmegeschwindigkeit .\nIch halte auch das unwissentliche Verfahren, das Hermann hier bevorzugte, weder f\u00fcr notwendig noch auch f\u00fcr unbedingt n\u00fctzlich. Es lenkt die Aufmerksamkeit auf das Erkennen oder Erraten eines Vokals; man ist zufrieden, wenn man ihn benennen kann, w\u00e4hrend man vielleicht nicht so sehr auf die Feinheiten seiner Ver\u00e4nderung achtet wie beim wissentlichen Verfahren. Freilich hat Hermann recht, wenn er auf die besondere Autosuggestionsgefahr bei Vokalen hin weist. Aber bei geschulten Beobachtern ist diese nicht zu f\u00fcrchten.\nDie Aufnahmen erfolgten bei gr\u00f6\u00dfter, kleinster und mehreren mittleren Geschwindigkeiten. Die extremen Geschwindigkeiten erweisen sich als ung\u00fcnstig f\u00fcr die Reproduktion; auch mit den gleichen Geschwindigkeiten reproduziert, liefern sie gewisse Entstellungen, weshalb man ja auch f\u00fcr phonographische Aufnahmen eine mittlere Geschwindigkeit zu ben\u00fctzen pflegt. Hier aber galt es, gerade auch die extremen F\u00e4lle zu untersuchen. Die Wiedergabe erfolgte dann jedesmal sowohl in der gleichen als in mehreren anderen Geschwindigkeiten. Die Ergebnisse k\u00f6nnen hier aus r\u00e4umlichen R\u00fccksichten nur ganz summarisch mitgeteilt werden.\n1. Aufnahme mit gr\u00f6\u00dfter Geschwindigkeit.\na)\tWiedergabe mit gleicher Geschw. : Die Instrumente recht gut, doch die Gabeln c2, c3 etwas klarinettenartig, auch wohl leicht bl\u00f6kend. Vokale im ganzen gut, doch stark gesungenes A trompetenartig; U merklich erhellt.\nb)\tmit mittlerer (3/4) Geschw. : Instrumente noch leidlich treu. Vokale auf c1 (jetzt g) ziemlich gut; bei denen auf c (jetzt G) die \u00e4u\u00dferen gegen die mittleren verschoben, I nach E, die anderen fast alle nach O hin (A = AO, E und \u00c4 = \u00d6, \u00d6 = O, U = Uo).\nc)\tmit sehr geringer Geschw.: Bei 5/9 starke Ver\u00e4nderungen, Gabelt\u00f6ne mehr fl\u00f6tenartig, st\u00e4rkere trompetenartig, Zunge bl\u00f6kend. Vokale auf beiden (jetzt in d und D verwandelten) Grundt\u00f6nen in derselben Richtung","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232 9. Kap. Phonographische, telephonische, ohren\u00e4rztliche Boebachtungen.\nwie vorher bis zur Unkenntlichkeit ver\u00e4ndert, zugleich aber rasselnd, schnarrend, die Umlaute nasaliert, z. B. \u00dc = franz. en; Uhu wie \u00d6h\u00f6, Kuckuck ganz seltsam = Tretre.\nBei 4/9 klingen Zungen wie Labialpfeifen, Vokale wie dunkles tonloses Rattern. Auf c1 (jetzt B) noch etwas nach \u00d6 oder 0 klingend, auf c (jetzt -Bj) ohne Vokalcharakter.\n2.\tAufnahme mit 8/9 der h\u00f6chsten Geschwindigkeit (dies ist wohl ungef\u00e4hr die bei phonographischen Aufnahmen gebr\u00e4uchliche.)\na)\tWiedergabe mit gleicher Geschw. : Gabeln etwas metallisch, sonst alles gut.\nb)\tmit gr\u00f6\u00dfter Geschw. : Gabeln im ganzen gut, Zungen scharf wie Oboen; Vokale alle etwas heller, doch in der Aufeinanderfolge noch kenntlich.\nc)\tmit nahezu geringster Geschw. (Dezime unter der Aufnahme): G abein schwer beschreiblich, unkenntlich, Zungen fagott\u00e4hnlich, bl\u00f6kend ; Vokale mir tiefes Schnarren. (Erfolgt die Wiedergabe nur eine kleine Terz unter der Aufnahme, also mit 5/6 Geschw., so sind die Gabeln, auch die Vokale, noch leidlich erkennbar.)\n3.\tAufnahme mit 2/3 der h\u00f6chsten Geschwindigkeit.\na)\tWiedergabe mit gleicher Geschw. : Alles sehr gut. Weitaus die treueste Reproduktion.\nb)\tmit gr\u00f6\u00dferer und gr\u00f6\u00dfter Geschw. : bei 6/5 der Aufnahmegeschw. etwas nasaliert, Vokale teilweise bedeutend erhellt, doch im allgemeinen kenntlich. Bei 7/5 in gleicher Richtung weiter ge\u00e4ndert.\nc)\tmit kleinerer und kleinster Geschw. : bei 2/3 Gabeln gut, Zungen wie Englischhorn, Vokale alle merklich verdunkelt, nur U = O. Bei 1/2 Geschw. Gabeln noch gut, Vokale unkenntlich und sehr schwach, mehr oder weniger starkes tiefes Schnarren.\n4.\tAufnahme mit 1/2 der h\u00f6chsten Geschwindigkeit.\na)\tWiedergabe mit gleicher Geschw. : Gabeln gut, Vokale sehr gut.\nb)\tmit gr\u00f6\u00dfter Geschw. : Gabel c5 (angeschlagen) nur trockener Schlag. Bei den Vokalen auf c im ganzen die dunklen erhellt, die hellen verdunkelt (z. B. U = franz. un, O = A, \u00d6 und \u00c4 = A, I = E). Das n\u00e4mliche noch mehr auf c1.\n5.\tAufnahme mit geringster Geschwindigkeit.\na)\tWiedergabe mit gleicher Geschw. : Gabeln gut, wenn sie nicht zu stark angegeben waren. Pfeife c1 wie Trompete. Vokale gut, nur U = Uo.\nb)\tmit gr\u00f6\u00dfter Geschw.: Gabel c1 (jetzt g2) wird h\u00f6rbar, Gabel c5 dagegen nur trockenes Klopfen. Vokale wie bei 4 b), vielfach nasaliert, qu\u00e4kend.\nAu\u00dfer dieser Versuchsreihe wurde auch eine mit Vokalen auf dem Grundton A und geringster Aufnahmegeschw. gemacht. Wurde diese Geschw. bei der Wiedergabe allm\u00e4hlich bis zur gr\u00f6\u00dften erh\u00f6ht, so blieben die Vokale bis d ( = 4/3) Geschw. so gut wie unver\u00e4ndert. Dann begannen U heller, I imd E dunkler zu werden; zuletzt (auf d1 = 8/3 der Aufnahmegeschw.) wrar U = A\u00d6, O = AO, A = scharfes \u00c4, E = O, I = UO (Unterformanten, nachdem die Hauptformanten verschwunden). Also \u00e4hnlicher Befund wie bei Hermann.\nF\u00fcr alle diese Beobachtungen gilt das oben Gesagte: zum gr\u00f6\u00dften Teil sind sie aus den Formantverschiebungen verst\u00e4ndlich,","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Phonographische Beobachtungen.\n235\nindem die ganze Tonmasse eines Klanges mit den relativen Intensit\u00e4ten ihrer Teilt\u00f6ne nach oben oder nnten verschoben wird, die Maxima daher in verschiedene Formantgegenden kommen. Zu einem anderen Teil beruhen sie aber auf Intensit\u00e4tsverschiebungen innerhalb des Klanges, indem sich die unteren oder oberen Teile den Grenzen der Wiedergabef\u00e4higkeit des Phonographen n\u00e4hern oder sie \u00fcberschreiten (vgl. z. B. das Verschwinden des c5 bei 4b, 5b). Zum 3. Teil endlich sind physikalische St\u00f6rungen im Spiele, die sich bei sehr geringen oder sehr gro\u00dfen Geschwindigkeiten geltend machen. Diese sind noch nicht n\u00e4her untersucht, aber ihr Vorhandensein l\u00e4\u00dft sich deutlich erschlie\u00dfen. Wenn z. B. bei Aufnahmen mit sehr hoher Geschwindigkeit die Klangfarben von Instrumenten sch\u00e4rfer werden, Gabeln trompeten-artig klingen usw., auch wenn mit gleicher Geschwindigkeit reproduziert wird (la, 2a), so ist klar, da\u00df Obert\u00f6ne hinzugekommen oder verst\u00e4rkt sein m\u00fcssen. Bei Reproduktion mit sehr geringer Geschwindigkeit nehmen diese Entstellungen noch zu (lc, 2d). Ver\u00e4nderungen in gleicher Richtung erfolgen aber auch bei mittleren Aufnahmegeschwindigkeiten, wenn mit \u00fcbertriebener Geschwindigkeit reproduziert wird (3b).\nSoweit nur Faktoren der 1. Klasse in Betracht kommen, sind die Ver\u00e4nderungen der Vokale auch in ihren Einzelheiten gut verst\u00e4ndlich. So begreift sich leicht, da\u00df bei lb durch Tieferlegung der ganzen Klangmasse um eine Quarte I nach E, A nach AO, E und \u00c4 nach \u00d6 hin ver\u00e4ndert werden: denn die Formant-zentren der neuen Vokale liegen ungef\u00e4hr eine Quarte unter denen der alten. Und so vielfach. Da\u00df \u00d6 zu O wird, beruht auf dem Wegfall des Hauptformanten, der durch die Verlangsamung zu schwach wird. Dagegen ist es wieder nur aus physikalischen Einfl\u00fcssen zu verstehen, wenn bei Tieferlegung um 5/9, d. h. um eine kleine Septime, aus Uhu \u00d6h\u00f6 oder gar aus Kuckuck Tretre wird (das r h\u00e4ngt jedenfalls mit den oben erw\u00e4hnten Intermissionen zusammen).\nZusammenfassend k\u00f6nnen wir also sagen: Obgleich diese Tatsachen sich nicht durchg\u00e4ngig aus der Lehre von den festen Formanten ableiten lassen, f\u00fcgen sie sich ihr doch zwanglos ein und tragen zu ihrer Bekr\u00e4ftigung bei, w\u00e4hrend sie mit einer Relativtheorie in unaufl\u00f6slichem Widerspruche stehen.\nWas die Konsonanten betrifft, so bleiben auch sie durch phonographische Aufnahmen nicht immer ganz unver\u00e4ndert und leiden ebenfalls durch ver\u00e4nderte Reproduktionsgeschwindigkeit (vgl. Kuckuck). Doch ist darauf bisher meines Wissens nicht n\u00e4her geachtet worden.","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234 9. Kap. Phonographische, telephonische, ohren\u00e4rztliche Beobachtungen.\nII. Erfahrungen und Versuche in der Telephonie.\nNachdem Du Bois-Reymond, H. Fr. Weber und Helmholtz mathematisch gezeigt hatten, da\u00df bei der telephonischen \u00dcbertragung nicht blo\u00df Phasen-, sondern auch Amplitudenverschiebungen eintreten m\u00fcssen, hat Hermann 1891 (Bd. 48) diese Schl\u00fcsse weiter verfolgt und mit Beobachtungen verglichen. Die letzteren fa\u00dft er dahin zusammen, da\u00df tats\u00e4chlich wesentliche Ver\u00e4nderungen der musikalischen Klangfarbe eintreten, die Sprache aber unver\u00e4ndert bleibe. Also, schlo\u00df er, ist das Amplitudenverh\u00e4ltnis der Teilt\u00f6ne ohne jede Bedeutung f\u00fcr den Vokalcharakter. ,,Jede Theorie, welche . . . auf Verst\u00e4rkungsgebiete in den Obert\u00f6nen des Stimmklanges u. dgl. gro\u00dfen Wert legt, scheint mir mit den Erfahrungen am Telephon und Mikrophon unvereinbar.\u201c\nGenauer betrachtet, lassen aber seine eigenen Beobachtungen diese \u201eUnzerst\u00f6rbarkeit der Sprach 1 aute\u201c, die auch Jaensch noch 1913 behauptete, in etwas bedenklichem Licht erscheinen. \u201eAm sichersten unter allen Vokalen erkennbar ist A. Die Vokale E, I, \u00c4, \u00d6, \u00dc werden sehr leicht miteinander verwechselt, dagegen fast niemals mit A, 0 oder U. 0 wird mit U leicht verwechselt, fast nie einer dieser Vokale mit A\u201c (S. 558). Hermann scheint f\u00fcr diese Verwechselungen nur die geringe absolute Intensit\u00e4t haftbar zu machen (,,A verschwindet als offenbar lautester Vokal zuletzt\u201c). Aber zun\u00e4chst wird man doch gerade an die Verschiebung der Amplitudenverh\u00e4ltnisse denken. Jedenfalls sprechen seine eigenen Beobachtungen eher gegen als f\u00fcr seine Schlu\u00dffolgerung.\nAuch Max Wien kam 1905, in Anbetracht der Intensit\u00e4tsverschiebungen von Teilt\u00f6nen (Beg\u00fcnstigung der h\u00f6heren T\u00f6ne durch die Telephonmembran, auch bei gr\u00f6\u00dferer Entfernung vom Ohre oder bei elektrischer Beeinflussung der Telephonstr\u00f6me), die gleichwohl die Verst\u00e4ndlichkeit der Sprache nicht aufheben, zu dem Schlu\u00df, da\u00df die Teiltontheorie der Vokale durchaus unzul\u00e4nglich sei. Andere noch nicht hinreichend erforschte Dinge, f\u00fcr die das Ohr eine erstaunliche Empfindlichkeit besitze, m\u00fc\u00dften wesentlicher sein als die Teiltonintensit\u00e4ten. Aber hier d\u00fcrfte die au\u00dferordentliche Interpretationskunst des erwachsenen Menschen gegen\u00fcber sinnvoll zusammenh\u00e4ngender Rede seiner Muttersprache \u00fcbersehen sein. Zu Versuchen dieser Art eignen sich daher nur einzelne Sprachlaute oder sinnlose Silben. Aber selbst bei diesen kommt in Betracht, da\u00df ein Sprachlaut nicht ein v\u00f6llig scharf definiertes Ph\u00e4nomen, sondern einen Typus darstellt, innerhalb dessen gewisse, oft recht betr\u00e4chtliche Verschiebungen","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"Erfahrungen und Versuche in der Telephonie.\n235\nm\u00f6glich sind, ehe er in einen benachbarten Typus \u00fcbergeht (man denke an A oder das so wichtige S). In \u00e4hnlicher Weise wird selbst ein musikalisches Intervall, obgleich der Physiker daf\u00fcr seine mathematische Definition hat, in Wirklichkeit selbst bei erheblicher Verstimmung noch als Quarte, gro\u00dfe Terz usw., oder eine schlecht gezeichnete Ellipse innerhalb gewisser Grenzen noch als Ellipse anerkannt. Mit solchen \u201eVerzerrungen\u201c hat auch die allgemeine Theorie der Vokale zu rechnen.\nUntersucht man die Verst\u00e4ndlichkeit einzelner Sprachlaute in unserem gegenw\u00e4rtigen Stadttelephon, so findet sich S nahezu gleich dem F, dieses selbst merklich abgestumpft, auch Ch pal. sehr viel stumpfer, dem Sch \u00e4hnlich, gefl\u00fcstertes E und I nicht unterscheidbar und sehr schwach, \u00dc etwas blasend, gesprochenes I und \u00dc au\u00dferordentlich schwach, auch E bedeutend schw\u00e4cher als die dunkleren Vokale. Nach Miller wird I telephonisch h\u00e4ufig als U geh\u00f6rt, d. h. man h\u00f6rt nur den Unterformanten. Sonst wird alles gut wiedergegeben. Der Fall liegt so, wie wenn die obere H\u00f6rgrenze auf etwa e4 = 2600 Schw. herabgesetzt w\u00e4re (vgl. unsere Tabelle S. 94). Aber dies bildet kein Hindernis f\u00fcr das Verstehen der sinnvollen Sprache. Die Amplitudenverschiebungen, die theoretisch abgeleitet wurden, halten sich also praktisch in solchen Grenzen, da\u00df sie innerhalb des f\u00fcr die Sprache entschei-densten Gebietes ohne Wirkung bleiben.\nMan kann die Grenzen der im Telephon bzw. Mikrophon vorkommenden Schwingungen auch leicht durch Telephonieren von Stimmgabelt\u00f6nen nachpr\u00fcfen. Die Gabeln der E\u00fcELMANNschen kontinuierlichen Tonreihe sind bis etwas unter c (128 Schw.) h\u00f6rbar, freilich zuletzt sehr schwach1). In der 2- und 3-gestrichenen Oktave sind sie besonders gut, nur in der Klangfarbe gegen die Klarinette hin ver\u00e4ndert; es m\u00fcssen also Obert\u00f6ne (vermutlich besonders im Mikrophon) hinzukommen. Weiter nach oben ist p4 noch gut, c5 (4096) aber schon sehr geschw\u00e4cht.\nUntersucht man obertonreiche Kl\u00e4nge wie die der menschlichen Stimme oder der Streichinstrumente, so kann man allerdings nach der Tiefe zu auch noch Kl\u00e4nge der gro\u00dfen Oktave durchaus gut telephonieren. So kam das von einem Bassisten gesungene E = 80 Schw. noch kr\u00e4ftig heraus; aber die Stimme wurde nach der Tiefe hin immer metallischer, instrumenten\u00e4hnlicher, offenbar infolge der Intensit\u00e4tsverschiebung zugunsten der Obert\u00f6ne. Das G des Cello kam gleichfalls heraus, sogar noch tiefere, durch\n1) Hr. Kbeichgatjeb, teilt mir mit, da\u00df er auch oszillographisch die Heaktion eines guten Mikrophons auf die Gabel 100 feststellen konnte.","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236 9- Kap. Phonographische, telephonische, ohren\u00e4rztliche Beobachtungen.\nHerabstimmung der Saite erzeugte T\u00f6ne, aber mit deutlich st\u00e4rkerer Oktave und schwachem Grundton. Es ist daher anzunehmen,, da\u00df bei so tiefen Kl\u00e4ngen der Grundton im Telephon wesentlich nur als Differenz ton der Obert\u00f6ne hinzukommt.\nNat\u00fcrlich hat auch die Telephontechnik sich l\u00e4ngst mit der Bestimmung der f\u00fcr das Sprachverst\u00e4ndnis unentbehrlichen Frequenzen befa\u00dft. Bereits 1901 fand M. Wien die gr\u00f6\u00dfte Empfindlichkeit des Telephons zwischen 500 und 3000 Schw. Versuche im Kaiserlichen Telegraphenversuchsamt zu Berlin 1906 ergaben als wichtigste mittlere Frequenz der telephonischen Wechselstr\u00f6me 800 Schw. und als f\u00fcr die Sprache unentbehrliche Gegend 600\u20141200. Devaux-Charbonnel bezeichnet 1000 Schw. als entscheidendste Gegend und 800-1200 als unentbehrliche Frequenzen. Die Grenzbestimmungen wechselten inzwischen einigerma\u00dfen, wobei aber auch die Anforderungen an Deutlichkeit verschieden sein mochten. Neuerdings bestimmte der Telegraphendirektor Ulfilas Meyer die Region 500 (h1) bis 2100 (c4) als \u201enotwendig und hinreichend'4, vermutete aber, da\u00df jenseits c4 noch gewisse Frequenzen in der Sprache vork\u00e4men, die f\u00fcr ihre Deutlichkeit nicht mehr wesentlich seien. Als untere Grenze der im Telephon \u00fcberhaupt vorkommenden Frequenzen bezeichnet er 360 (as1)1). Nach Broemser (1919) gibt das Telephon alle Frequenzen unterhalb 1200 richtig wieder, schw\u00e4cher die h\u00f6heren, das Mikrophon alle unter 800 verst\u00e4rkt, die \u00fcber 800 schw\u00e4cher. Er h\u00e4lt es f\u00fcr gen\u00fcgend, wenn Schwingungen bis 2000 unverzerrt wiedergegeben werden. Unterdr\u00fcckung der Schwingungen unter 400 ver\u00e4nderte die Klangfarbe der Sprache merklich, beeintr\u00e4chtigte aber nicht wesentlich ihre Verst\u00e4ndlichkeit.\nDiese Bestimmungen stehen unter sich und mit unseren Ermittelungen in befriedigendem Einklang2 *). Die zeitweilig angenommene Region 600\u20141200 war allerdings zu eng gegriffen, doch ist auch daran so viel richtig, da\u00df von 1200 abw\u00e4rts die empfindlichste Gegend beginnt, bei deren Ausschaltung das Sprachverst\u00e4ndnis v\u00f6llig vernichtet wird. Und wenn sich immer wieder 800 als die \u00fcberhaupt wirksamste Frequenz erwiesen hat, so ist dies ohne weiteres daraus verst\u00e4ndlich, da\u00df hier das Formantzentrum des\nb Die in den telephontechnischen Schriften angegebenen Werte \u0153 (Kreisfrequenzen) ergeben, durch 2 n dividiert, die obigen Schwingungszahlen. F\u00fcr \u201eSchwingungen\u201c pflegt man dort den Ausdruck \u201eHertz\u201c zu gebrauchen.\n2) Nach Mitteilungen K. W. Wagners (2, 3, vgl. \u201eDas Fernsprech-\nwesen im Weltverkehr\u201c. Aus d. Reichspostministerium Nov. 1923) haben\nsich die seit 1915 ver\u00f6ffentlichten Arbeiten des Verfassers f\u00fcr das Fernsprech wesen bereits in erfreulichem Ma\u00dfe n\u00fctzlich erwiesen.","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"Erfahrungen und Versuche in der Telephonie.\t237\nA liegt, das man als den wichtigsten aller Vokale zu betrachten hat {vgl. S. 97, auch 81, 229, 241, sowie Kap. 10 u. 13). Immerhin ist dies nur theoretisch zu verstehen, und sicher w\u00e4re es verkehrt, beim Bau von Mikrophonen auf \u00fcberwiegende Verst\u00e4rkung dieser (ohnehin schon durch die beim A erzielbare gr\u00f6\u00dfere Energie der Lautgebung bevorzugte) Gegend Gewicht zu legen und dagegen die obere und untere Grenzregion der Sprachlaute zu vernachl\u00e4ssigen. Eine Sprache blo\u00df mit U, 0, E, I als Vokalen w\u00e4re immer noch weit leistungsf\u00e4higer als eine blo\u00df mit A-Vokalen. Sie w\u00e4re zwar ebenso unsch\u00f6n, aber gerade durch ihre Kontraste zu vielerlei verschiedenen ausdrucksvollen Kombinationen bef\u00e4higt.\nMan kann, wie K. W. Wagner (1) gezeigt hat, durch Einschaltung von Kondensatoren und Drosselspulen (\u201eSiebketten\u201c) in die Telephonleitung auch Ab - und Aufbau - sowie L\u00fcckenversuche machen, wie bei unserer Interferenzeinrichtung. Die Drosselspulen d\u00e4mpfen die Schwingung\u00e8n proportional, die Kondensatoren umgekehrt proportional der Frequenz. Durch diese kann also die untere, durch jene die obere Region des Klanges abgeschnitten werden. Hierbei ist es ein Vorteil gegen\u00fcber der Interferenz-methode, da\u00df man nicht Multipla zugleich mit ausschlie\u00dft. Doch schienen mir die Abbauprodukte bei Vorf\u00fchrungen zun\u00e4chst weniger fein differenzierbar und \u00fcberzeugend als die des Interferenzverfahrens .\nIn Amerika, wo gleichzeitig \u00e4hnliche Einrichtungen auf kamen (Campbell), wurden sie in den letzten Jahren von H. Fletcher zu systematischen Abbau versuchen ben\u00fctzt, bei denen die Vokale und Konsonanten der englischen Sprache, sowohl f\u00fcr sich allein als innerhalb ganzer Silben, auf ihre Verst\u00e4ndlichkeit gepr\u00fcft wurden, wenn die Frequenzen von der unteren oder oberen Grenze her bis zu beliebigen mittleren Punkten durch elektrische Filter aus Kondensatoren und Spulen ausgeschlossen wurden. Jedesmal wurde die Prozentzahl der F\u00e4lle des richtigen Verst\u00e4ndnisses festgestellt. Aus solchen Reihen wurden Deutlichkeitskurven abgeleitet, die die Abnahme des Sprachverst\u00e4ndnisses mit Vergr\u00f6\u00dferung des weggenommenen Tonbezirkes veranschaulichen, eine f\u00fcr den Abbau von unten und eine f\u00fcr den von oben her. Auch die Verluste an der physikalischen Gesamtenergie wurden jeweilig ermittelt und besondere Kurven daf\u00fcr abgeleitet.\nDabei trat u. a. die relativ geringe Bedeutung der tieferen Teilt\u00f6ne f\u00fcr die Verst\u00e4ndlichkeit hervor (woraus man aber nicht schlie\u00dfen darf, da\u00df die Vokale unver\u00e4ndert blieben). Wurden alle T\u00f6ne unter 500 ausgeschlossen, so betrug die Verst\u00e4ndlichkeit immer noch 98%, obgleich dabei die physikalische Gesamtenergie","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238 9. Kap. Phonographische, telephonische, ohren\u00e4rztliche Beobachtungen -\nauf 40% reduziert war. Die Schwingungszahl 1550 (g3) war dadurch ausgezeichnet, da\u00df die Verst\u00e4ndlichkeit um den gleichen Betrag, n\u00e4mlich bis auf 65%, reduziert wurde, wenn die darunter -und wenn die dar\u00fcber liegenden T\u00f6ne abgeschnitten wurden.\nUnter den einzelnen Lauten hebt Fletcher 3 Typen hervor: der 1., aus langen hellen Vokalen bestehend, darunter I wie in team, liefert immer noch mehr als 97% richtige F\u00e4lle, wenn alle Frequenzen unter oder \u00fcber der Gegend 1000\u20141500 abgeschnitten werden. Der 2., wozu die kurzen Vokale U, 0 und E (wie in ten) geh\u00f6ren, hat wichtige Bestandteile unterhalb 1000. Wurden alle Schwingungen unter dieser Grenze ausgeschlossen, so ergaben sich mehr als 20% Irrt\u00fcmer. Der 3. Typus umfa\u00dft die Reibungskonsonanten S, Z, engl. Th. Sie werden stark mitgenommen, wenn die Schwingungen \u00fcber 5000 ausgeschlossen werden, nicht aber durch Wegnahme der unter 1500 liegenden Zone. Auf ihre Rechnung kommt es haupts\u00e4chlich, wenn ganze Silben durch Ausschlu\u00df der \u00fcber 2500 liegenden Schwingungen gesch\u00e4digt werden.\nAllgemein schlie\u00dft Fletcher, da\u00df Schwingungen von 100 bis \u00fcber 5000 tadellos \u00fcbertragen werden m\u00fcssen, wenn die Sprache gut wiedergegeben werden soll, und da\u00df zwar die unter 1000 den gr\u00f6\u00dften Teil der Energie beitragen, das Charakteristische aber zumeist durch die \u00fcber dieser Grenze liegenden T\u00f6ne gegeben werde. Die Konsonanten seien im allgemeinen schwerer verst\u00e4ndlich als die Vokale (mit wenigen Ausnahmen beiderseits), am schwersten aber engl. Th, F und V, welche die H\u00e4lfte aller Mi\u00dfverst\u00e4ndnisse verschuldeten.\nDie Ergebnisse dieser verdienstvollen Untersuchungen schlie\u00dfen sich gut an die unserigen an. Nur im einzelnen bleibt einiges paradox. So ist unbegreiflich, da\u00df I bei Ausschlu\u00df aller T\u00f6ne \u00fcber g es3 oder gar \u00fcber c3 noch verst\u00e4ndlich sein soll.\nEine merkw\u00fcrdige Eigent\u00fcmlichkeit zeigt auch das Verhalten der S-Kurve. Wenn die \u00fcber 5000 (es5) hegenden T\u00f6ne ausgeschlossen wurden, war S noch gut verst\u00e4ndlich (88%). Wurde die ausgeschlossene Region nach unten erweitert, so war es schwerer zu verstehen und erreichte bei 3000 (ges4) 50%, war also unverst\u00e4ndlich. Soweit ist alles nur zu erwarten, denn g es4 ist -unsere Formantmitte f\u00fcr S. Wurde nun aber die ausgeschlossene Region noch weiter bis zu 1800 (63) ausgedehnt, so hob sich die Verst\u00e4ndlichkeit wieder auf 60%, um dann bei weiterer Vergr\u00f6\u00dferung bis 1200 (es3) wieder auf 50% zur\u00fcckzusinken. Hier ist die vor\u00fcbergehende Hebung auffallend. Man k\u00f6nnte daran denken, da\u00df die im S enthaltene Tonh\u00f6he \u00ab3, die mit zu seinem Charakter beitr\u00e4gt, durch den Ausschlu\u00df der dicht dar\u00fcberhegenden Ger\u00e4uschregion deutlicher w\u00fcrde. Aber diese Tonh\u00f6he ist ja keineswegs f\u00fcr S allein charakteristisch. Und so mag diese geringf\u00fcgige Hebung zuf\u00e4lligen Ursachen entsprungen sein.","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"Ohren\u00e4rztliche Erfahrungen.\n239\nIII. Ohren\u00e4rztliche Erfahrungen.\nS. 139ff. besprachen wir die Verschiebung der oberen H\u00f6rgrenze mit dem Alter. Bei normalen Ohren bleiben diese bis zum 70. Lebensjahr ohne Schaden f\u00fcr das Sprachverst\u00e4ndnis. Die winzige Abstufung des S, die man durch Interferenz versuche mit Abschneidung der T\u00f6ne oberhalb c6 nachbilden kann, macht sich im Leben nicht geltend.\nDie Grenze des Normalen gegen das Pathologische ist nun aber auch hier eine flie\u00dfende, und pathologische Beobachtungen selbst bieten ausgiebige Gelegenheiten zur Vergleichung mit den experimentellen Ergebnissen. Bei Labyrintherkrankungen z. B. schreitet meistens die Taubheit von der normalen oberen H\u00f6rgrenze nach unten hin fort (was man nach Helmholtz\u2019 H\u00f6rtheorie so deuten kann, da\u00df die Fasern an der Schneckenbasis, die der Perzeption der h\u00f6chsten T\u00f6ne dienen, sch\u00e4digenden Einfl\u00fcssen am meisten ausgesetzt sind). Auch bei pathologischen Ver\u00e4nderungen der Geh\u00f6rkn\u00f6chelchen scheinen die funktionellen Hemmungen vielfach zuerst die obere Tongegend zu treffen. Es kommt aber auch vor, da\u00df die tiefe Region zuerst gesch\u00e4digt wird, oder da\u00df Tonl\u00fccken in der mittleren Gegend auf treten. Zur Vergleichung des Sprachverst\u00e4ndnisses bei den von oben nach unten fortschreitenden Ver\u00e4nderungen bieten sich unsere Tabellen S. 94 und 133, f\u00fcr feinere Differenzen auch die Abbautabellen der stimmhaften und stimmlosen Laute, f\u00fcr die F\u00e4lle von Tonl\u00fccken die Formantentafeln und das, was \u00fcber die Erscheinungen bei L\u00fccken- und Stichversuchen oben S. 7Iff., 108ff. berichtet wurde.\nNehmen wir nun beispielsweise an, bei einem Patienten mit abw\u00e4rts fortschreitender Ertaubung sei die obere H\u00f6rgrenze f\u00fcr T\u00f6ne bei gis* gefunden worden, so wird er schon mit dem Verst\u00e4ndnis des gefl\u00fcsterten \u201esieben\u201c Schwierigkeiten haben. Ist die H\u00f6rgrenze f\u00fcr T\u00f6ne bis es2 gesunken, so mu\u00df nach der Tabelle S. 133 auch \u201eacht\u201c ihm unverst\u00e4ndlich sein. Den umgekehrten Schlu\u00df darf man aber nat\u00fcrlich nur dann ziehen, wenn die Voraussetzung einer von oben nach unten fortschreitenden Ertaubung schon nach anderen Kennzeichen gerechtfertigt erscheint. Da\u00df man, wie v. Bezold meinte, aus dem Nichtverst\u00e4ndnis bestimmter Fl\u00fcsterlaute sogar auf den Sitz der Krankheit schlie\u00dfen k\u00f6nnte (so sollte z. B. ein nichtverstandenes \u201e5\u201c charakteristisch sein f\u00fcr akute Mittelohrentz\u00fcndung, ein \u201e7\u201c, aber auch \u201e6, 2, 20\u201c f\u00fcr Labyrintherkrankung, \u201e9\u201c f\u00fcr Tubenverschlu\u00df), d\u00fcrfte sich nicht halten lassen. Aber daf\u00fcr hat der Ohrenarzt ja andere Kriterien.\nExakte Angaben aus der ohren\u00e4rztlichen Literatur, die sich zur Vergleichung eignen, sind leider bisher nur in geringer Zahl","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"\"240 9- Kap. Phonographische, telephonische, ohren\u00e4rztliche Beobachtungen.\nvorhanden* 1). Es fehlte fr\u00fcher an einwandfreien Apparaten zur Bestimmung der oberen H\u00f6rgrenze; auch hat sich erst infolge der neueren phonetischen Untersuchungen das Interesse wissenschaftlich eingestellter Ohren\u00e4rzte solchen exakteren Bestimmungen zugewandt, v. Bezold war einer der Pioniere, aber seine ,,Sprach -sexte hat sich als verfr\u00fchte und unhaltbare Verallgemeinerung erwiesen (oben S. 95ff.). Aus neuerer Zeit liegt eine Angabe des holl\u00e4ndischen Ohrenarztes und Phonetikers Struycken vor, dessen Monochord f\u00fcr die Bestimmung der oberen H\u00f6rgrenze sich neben der Galtonpfeife bei Ohren\u00e4rzten eingeb\u00fcrgert hat; sowie besonders eine Untersuchung von O. Claus an 26 Patienten, die durch unsere Tabellen (Abh. 12) veranla\u00dft ist, und die italienischen Arbeiten von Gkadenigo und Papale, von denen das n\u00e4mliche gilt. Die \u00dcbereinstimmung kann als durchaus befriedigend bezeichnet werden. Insbesondere entsprach die Reihenfolge der Sch\u00e4digungen des Sprachverst\u00e4ndnisses beim Herabr\u00fccken der H\u00f6rgrenze der Reihenfolge in unseren Tabellen. Aber auch die absolute Lage der herabgesetzten oberen H\u00f6rgrenze, die bei bestimmten Defekten zu erwarten war, fand sich best\u00e4tigt. Papale, dessen If.-Studien \u00fcber Fl\u00fcstervokale o. S. 207 erw\u00e4hnt sind, konstruierte daraufhin neue Reihen italienischer Fl\u00fcsterw\u00f6rter zu Pr\u00fcfungszwecken (2). Dasselbe ist f\u00fcr das Deutsche und Englische auf Grund unserer Ergebnisse durch H. Lampert geschehen.\nStruycken berichtet \u00fcber F\u00e4lle von Vernichtung der Geh\u00f6rkn\u00f6chelchenleitung: \u201eBei Einschr\u00e4nkung bis auf 7000 Schw. (a5) wird.schon die Unterscheidung zwischen manchen Konsonanten schwierig. Sinkt die obere H\u00f6rgrenze weiter bis auf 5000 Schw. (es5), dann wird auch das tonlose Ss tmd Ff nicht mehr erkannt (wie beim Telephon, wo auch diese Schwingungen nicht \u00fcbertragen werden). Auch die Unterscheidung zwischen I und E f\u00e4llt dann schwer.\u201c\nClaus, der ausschlie\u00dflich F\u00e4lle von Labyrintherkrankung zur Untersuchung heranzog, hebt 2 F\u00e4lle als Beispiele hervor: \u201eBei einem Patienten war die obere Tongrenze bis auf g5 eingeschr\u00e4nkt; dieser h\u00f6rte alle gefl\u00fcsterten Vokale sehr gut bis auf das O, das er angeblich nur sehr undeutlich tmd verschwommen vernahm\u201c (hier k\u00f6nnte etwa neben der Herabsetzung der oberen H\u00f6rgrenze auch noch eine H\u00f6rl\u00fccke zwischen g1 tmd c2 * * bestanden haben); \u201edie Konsonanten wurden s\u00e4mtlich gut perzipiert, mit Ausnahme des Ch palatale. Ein anderer Patient h\u00f6rte nur noch die T\u00f6ne von dh abw\u00e4rts; er perzipierte I, Ch pal. tmd S nicht, alle \u00fcbrigen Vokale und Konsonanten wurden m\u00fchelos verstanden.\u201c\n]) Was bis 1883 \u00fcber partielle Geh\u00f6rausf\u00e4lle zu finden war, habe ich\n1, I, S. 402 ff. zusammengestellt. Daraus l\u00e4\u00dft sich f\u00fcr unseren Zweck trotz\nbemerkenswerter Einzelheiten im ganzen doch nur entnehmen, da\u00df die\n\u201ehohe Region\u201c f\u00fcr das Sprachverst\u00e4ndnis besonders wichtig ist. Fa\u00dft\nman diesen Begriff im musikalischen Sinne, wie er von den Autoren damals\nwohl in der Regel verstanden wurde, so w\u00e4re es etwa a2 \u2014c5, in \u00dcbereinstimmung mit den phonetischen Ergebnissen.","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"Ohren\u00e4rztliche Erfahrungen.\n241\nZun\u00e4chst schien allerdings sowohl in den Stru yckensehen als den 'CiiAUSschen F\u00e4llen die obere H\u00f6rgrenze regelm\u00e4\u00dfig um einige T\u00f6ne h\u00f6her zu liegen, als nach unserer Tabelle zu erwarten war ; aber es standen damals in dieser Tabelle unpraktischerweise nur die unter Ber\u00fccksichtigung der If.-Breite reduzierten oberen H\u00f6rgrenzen f\u00fcr Fl\u00fcsterger\u00e4usche. Achtet man auf die den If.-Einstellungen direkt entsprechenden oberen Grenzen f\u00fcr T\u00f6ne, die in die gegenw\u00e4rtige Form der Tabelle mit aufgenommen sind, so verschwinden diese Abweichungen. Ein Patient, der die \u00fcber einer bestimmten Grenze liegenden Teile der Fl\u00fcsterger\u00e4usche nicht mehr vernimmt, mag doch immerhin auf so starke Einwirkungen, wie es die durchdringenden Longitudinalt\u00f6ne des STRUYCKENschen Monochords und die Pfiffe der Galtonpfeife zwischen 5000 und 7000 Schw. sind, noch um einige Tonstufen h\u00f6her hinauf reagieren. Die letztere mu\u00df bekanntlich \u00fcberhaupt stark, rasch und kr\u00e4ftig angeblasen werden, wenn nicht irref\u00fchrende tiefere \u201e,Schneident\u00f6ne\u201c entstehen sollen.\nDas Herabr\u00fccken der oberen Tongrenze geht nach Claus (S. 298) nicht unbedingt und einfach parallel mit dem Verschwinden der Perzeptionsf\u00e4higkeit f\u00fcr Fl\u00fcsterlaute. Dies d\u00fcrfte, soweit nicht Tonl\u00fccken in Betracht kommen, teils mit einer allgemeinen Geh\u00f6rsschw\u00e4chung, teils damit Zusammenh\u00e4ngen, da\u00df beim Verst\u00e4ndnis der Fl\u00fcstersprache noch so manche psychische Bedingungen und Unterschiede mitspielen, die auf die Ton-wahrnehmung nicht oder weniger von Einflu\u00df sind. Doch wurde von den Claus sehen Patienten die Fl\u00fcstersprache allgemein nicht mehr verstanden, sobald die Tongrenze unter c4 herabgesunken war; was mit unserer Tabelle ;S. 13:3 vollkommen stimmt.\n\u00dcber die Pr\u00fcfung mit stimmhaften Sprachlauten berichtet Claus: .\u201eWar die obere Tongrenze bis auf c4 eingeschr\u00e4nkt, so wurden alle Vokale mit Ausnahme des I geh\u00f6rt; sank sie jedoch bis auf g3, so wurden I und E nicht mehr vernommen [verstanden]. Ging sie noch weiter herunter, etwa bis /2, dann war gew\u00f6hnliche Konversationssprache nicht mehr verst\u00e4ndlich.\u201c Dies ist nur zu erwarten. Abweichungen d\u00fcrften hier haupts\u00e4chlich dadurch entstehen, da\u00df nicht blo\u00df Geh\u00f6rverlust f\u00fcr die hohe Region, sondern zugleich eine allgemeine Geh\u00f6rsschw\u00e4chung vorzuliegen pflegt, wenn zur Pr\u00fcfung mit stimmhafter Sprache geschritten wird. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied gegen\u00fcber den Bedingungen unserer Versuche, wo unterhalb der jeweilig ausgeschlossenen h\u00f6heren Klangteile alles unversehrt blieb oder wenigstens die Schw\u00e4chung nur minimal war.\nBemerkenswert ist noch, da\u00df sowohl bei der gefl\u00fcsterten wie der stimm -haften Sprache in den ClAussehen F\u00e4llen das A auch bei weit herabger\u00fcckter Tongrenze, wenn selbst O und U nicht mehr verstanden wurden, noch erkennbar blieb. Wieder ein Zeichen jener merkw\u00fcrdigen Widerstandsf\u00e4higkeit dieses Lautes, von der wir schon mehrfach h\u00f6rten. Hier d\u00fcrfte besonders die gr\u00f6\u00dfere Schallkraft1) den Ausschlag gegeben haben. Aber es m\u00fcssen\n4) A wird nach Claus unter den Fl\u00fcstervokalen am weitesten geh\u00f6rt. Bei meinen If.-Versuchen bemerkte ich vielfach, da\u00df starkes Fl\u00fcster-A und Sch durch die Wand geh\u00f6rt wurden, weshalb hier leisere Schallgebung oder Verl\u00e4ngerung der Leitung bis ins \u00fcbern\u00e4chste Zimmer erforderlich war. Dies entspricht auch den bekannten Beobachtungen von O. Wolf (Sprache und Ohr, 1871) \u00fcber die H\u00f6rweite der Sprachlaute, wonach unter den Vokalen A, unter den Konsonanten Sch am weitesten geh\u00f6rt wird. Damit stimmen auch Versuche von H, Ruedeeee (\u00dcb. d. Wahrnehmung des gespr. Wortes, Diss. M\u00fcnchen. 1916, S. 20) \u00fcberein.\nStump fSprachl aute.\n16","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242 9- Kap. Phonographische, telephonische, ohren\u00e4rztliche Beobachtungen.\ndie unter c3 liegenden T\u00f6ne und Ger\u00e4uschteile hier doch noch einigerma\u00dfen erhalten geblieben sein und mu\u00df nur eine Schw\u00e4chung stattgefunden haben, die die an sich schw\u00e4cheren O und U vernichtete, w\u00e4hrend A vernehmbar blieb. Bei den If.-Versuchen w\u00e4re es ganz unm\u00f6glich, da\u00df A noch erhalten bliebe, wenn O und U schon (von oben her) vernichtet sind1).\nIn einem von Claus als besonders instruktiv b\u00e8zeichneten Fall eines sehr intelligenten Patienten konnte dieser rechts die Monochordt\u00f6ne um g5 noch h\u00f6ren und vernahm alle gefl\u00fcsterten Vokale und Konsonanten gut mit Ausnahme von I, Ch pal. und F. Hier folgt aus unserer Tabelle, da\u00df die Sch\u00e4digung mindestens bis 64 hinabreichen mu\u00dfte. Aber die relativ starken T\u00f6ne des Monochords h\u00f6rte er noch bis zu einer Sext h\u00f6her hinauf. Auf dem linken Ohre war die obere Tongrenze g3. Hier vernahm er \u00fcberhaupt keine Fl\u00fcsterlaute mehr; dagegen verstand er die in Konversationssprache vorgesagten Vokale gut bis auf I und E. Diese verstand er entweder gar nicht oder h\u00f6rte I als U, E als O. Hier ist die \u00dcbereinstimmung mit der Tabelle S. 94 ohne weiteres klar. (Da\u00df von Schwerh\u00f6rigen I oft mit U verwechselt wird, ist \u00fcberhaupt eine alte Erfahrung, die uns nun aber erst durch die Tatsache der Unterformanten verst\u00e4ndlich wird.)\nMit einem der CLAUSschen Patienten machten wir folgenden lehrreichen Versuch an der synthetischen Einrichtung. Der Patient h\u00f6rte hier aus dem Trichter T (o. S. 44), wo die T\u00f6ne st\u00e4rker herauskommen als an dem gew\u00f6hnlich benutzten Schlauchende, die einzeln angegebenen einfachen T\u00f6ne bis zu h* als oberer Grenze. Wurde mm aber ein E aus den erforderlichen Teilt\u00f6nen zusammengesetzt, in welchem also T\u00f6ne der 4-gestrichenen Oktave als Formantt\u00f6ne enthalten waren, so h\u00f6rte er O statt E. Die Formantt\u00f6ne waren also bei diesem Patienten zwar isoliert vorhanden, wurden aber im E-Klange durch die tieferen Teile des Vokals unterdr\u00fcckt, und so kam nur dessen Unterformant O zur Geltung. Wenn ich den Fall f\u00fcr meine Ohren nachbilde, indem ich die hohen T\u00f6ne so schw\u00e4che, da\u00df sie zwar f\u00fcr sich allein noch zu h\u00f6ren, aber aus dem Gesamtklang auch bei angestrengter Aufmerksamkeit nicht mehr herauszuh\u00f6ren sind, dann geht dieser auch f\u00fcr mich in O \u00fcber \u2014 ein interessanter Fall der Unterdr\u00fcckung h\u00f6herer T\u00f6ne durch tiefere.\nBez\u00fcglich der h\u00f6chstliegenden Konsonanten fand Claus einen Unterschied in der H\u00f6rsch\u00e4rfe erst, wenn die obere Tongrenze bis auf c6 herunterger\u00fcckt war. Dies entspricht in der Tat der h\u00f6chsten Grenze, bis zu der die Konsonanten hinaufreichen ; aber die Sch\u00e4digung kann hier nur ganz minimal sein2).\n4) P. v. Liebermann berichtet (Biol. Zentralbl. 1912, S. 746) von einem Arzt, der die T\u00f6ne oberhalb c2 nicht mehr h\u00f6ren konnte, aber ein auf c gesungenes A ausnahmslos richtig erkannte. Richtig kann er es aber nicht geh\u00f6rt haben, sondern nur als ein OA, das ihm das helle A ersetzen mochte, ebenso wie der partiell Farbenblinde im gew\u00f6hnlichen Leben mit seinen ver\u00e4nderten Farben zurechtkommt, oft ohne auch nur davon zu wissen. Revesz meint, es sei von dem vernichteten c3 dessen abstrakte \u201eA-Vokalit\u00e4t\u201c doch \u00fcbriggeblieben. Aber der Mann h\u00f6rte ja nach dem Bericht die c3-Gabel \u00fcberhaupt nicht, mu\u00df also auch f\u00fcr ihre Vokalit\u00e4t taub gewesen sein.\n2) Koehler erw\u00e4hnt (1, Bd. 64, S. 94), da\u00df in s\u00e4mtlichen F\u00e4llen von\nLabyrintherkrankungen und Neuritis acustica, die in der Frankfurter\nOhrenklinik in dieser Richtung untersucht worden waren, entweder v\u00f6lliger\nAusfall des S, F, Ch oder Schwerh\u00f6rigkeit f\u00fcr diese Laute konstatiert wurde,","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"Ohren\u00e4rztliche Erfahrungen.\n243\nGkadenigo unterschied (1923) 3 Kategorien typischer partieller Geh\u00f6r-verluste in den hohen Regionen:\n1.\tVollst\u00e4ndiger Verlust von g2 aufw\u00e4rts. Hier sind alle Vokale au\u00dfer U und die Konsonanten au\u00dfer R unverst\u00e4ndlich; \u201esette\u201c und \u201eotto\u201c ununterscheidbar.\n2.\tVollst\u00e4ndiger Verlust vongr5 aufw\u00e4rts. Alle Vokale klingen aspiriert, E dem O, I dem U gen\u00e4hert. S ist abgestumpft. Bei Zerst\u00f6rung schon von e4 aufw\u00e4rts sind E und I stimmhaft noch unterscheidbar, gefl\u00fcstert aber nicht.\n3.\tNur die 2 Oktaven g^\u2014g^ verloren. Auch hier \u201ewunderbare \u00dcbereinstimmung\u201c der klinischen Erfahrung mit If.-Versuchen.\nAls Ursache der Erkrankung vermutet er in allen diesen F\u00e4llen sklerotische Prozesse im Labyrinth. In einer besonderen Klasse von F\u00e4llen, \u00fcber die er fr\u00fcher berichtete (Su particolarit\u00e0 funzionale di una forma di nevro-labirintite de sifilide congenita, Giorn. d. R. Accad. di Medic, di Torino 1914) ist alles bis ds oder dis3 hinauf unversehrt (nur ein wenig geschw\u00e4cht), alles Dar\u00fcberliegende zerst\u00f6rt, nur sehr starke T\u00f6ne sind noch eine Oktave \u00fcber diss hinaus h\u00f6rbar. Das Sprachverst\u00e4ndnis ist gesch\u00e4digt, besonders f\u00fcr S ; N\u00e4heres leider nicht angegeben.\nMan darf im allgemeinen nicht erwarten, da\u00df ohren\u00e4rztliche Befunde so einfache und durchsichtige Gesetzlichkeiten aufweisen wie die der experimentellen Phonetik, wo wir die Bedingungen selbst setzen und daher relativ gut \u00fcberschauen k\u00f6nnen, obgleich auch da oft genug ma\u00dfgebende Faktoren \u00fcbersehen werden. Der Krankheitsfall kann Komplikationen darbieten, wie solche im vorangehenden erw\u00e4hnt sind. Au\u00dferdem aber kommen bei den Pr\u00fcfungen durch das Sprachverst\u00e4ndnis die Intelligenz und Beobachtungsf\u00e4higkeit des Patienten, die passende Wahl der nachzusprechenden Silben, die Modalit\u00e4ten der Aussprache, der St\u00e4rke und Entfernung, des Pr\u00fcfungsraumes usw. in Betracht : Schwierigkeiten, die den Ohren\u00e4rzten auch sehr wohl bekannt und von Claus, Lampert u. a. nachdr\u00fccklich hervorgehoben sind.\nSprachliche Pr\u00fcfungen haben f\u00fcr den Ohrenarzt den gro\u00dfen Vorteil, da\u00df die richtige Wiederholung von seiten des Patienten ohne weiteres den Beweis des richtigen H\u00f6rens liefert, soweit nicht etwa blo\u00dfes Erraten oder Erschlie\u00dfen mit wir kt; und die Fl\u00fcstersprache hat gegen\u00fcber der stimmhaften als Pr\u00fcfungsmittel den dreifachen Vorzug, da\u00df sie eine gr\u00f6\u00dfere Konstanz der Laut-st\u00e4rke besitzt, da\u00df sie leicht in kleinen R\u00e4umen und bei geringer Herabsetzung der H\u00f6rsch\u00e4rfe zu verwenden ist, und besonders, da\u00df sich jedes Ohr f\u00fcr sich allein damit pr\u00fcfen l\u00e4\u00dft. Dennoch wird man bei gr\u00fcndlicherer Pr\u00fcfung auch die stimmhafte Sprache\nwenn die obere H\u00f6rgrenze \u201eschon unter c7 herabgesetzt war\u201c. Hat man dies dahin zu verstehen, da\u00df sie nur wenig unter c7 herabgesetzt war, so w\u00fcrde hierin allerdings ein starker Widerspruch gegen unsere Versuchsergebnisse und Tabellen liegen; aber ich w\u00fcrde dann die Zuverl\u00e4ssigkeit der ohren\u00e4rztlichen Beobachtungen ganz entschieden bestreiten. Vgl. das im Text Folgende.\n16*","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244 9- Kap. Phonographische, telephonische, ohren\u00e4rztliche Beobachtungen.\nheranziehen und selbstverst\u00e4ndlich die Tongrenzen und Tonl\u00fccken feststellen. F\u00fcr die obere Tongrenze scheinen die jetzt gebr\u00e4uchlichen Hilfsmittel gen\u00fcgend, f\u00fcr die untere, sowie f\u00fcr Tonl\u00fccken in der mittleren Gegend m\u00fc\u00dften aber durchaus einfache T\u00f6ne benutzt werden, also entweder die Pfeift\u00f6ne des Mundes oder Kl\u00e4nge, die durch If.-Vorrichtungen von ihren Obert\u00f6nen befreit sind. Auch bei den Gabeln der Bezold-Edelmann sehen \u201ekontinuierlichen Tonreihe\u201c w\u00e4re dies erforderlich, um nicht in Fehlschl\u00fcsse zu verfallen, da sie wenigstens die Oktave merklich enthalten.\nEs w\u00e4re \u00fcberhaupt sehr zu empfehlen, da\u00df in allen Kliniken, die \u00fcber gr\u00f6\u00dfere R\u00e4ume verf\u00fcgen, If.-Einrichtungen geschaffen w\u00fcrden, sowohl um einfache T\u00f6ne herzustellen als um H\u00f6rdefekte und besonders ihre fortschreitende Ausdehnung von oben nach unten nachzubilden1). Dabei hat auch die If.-Breite sicherlich ihr Analogon in dem jeweiligen Zustande des Organs: wie dort unter der Grenze v\u00f6lliger Vernichtung noch eine kleine Zone der Schw\u00e4chung liegt, so erstreckt sich ohne Zweifel auch im erkrankten Geh\u00f6rorgan \u00fcber die Grenze der funktionell vernichteten Region hinaus noch eine Zone abnehmender Sch\u00e4digung.\nIn mancher Beziehung w\u00fcrden allerdings die elektrophonischen Methoden die genannten Zwecke f\u00fcr den Ohrenarzt noch besser erf\u00fcllen. In der Neuen Welt haben sich mehrfach Physiker mit Ohren\u00e4rzten verbunden, um von deren Patienten mit \u201eAudion-Oszillatoren\u201c \u201eAudiogramme\u201c aufzunehmen, d. h. ihre Schallempfindlichkeit von den tiefsten bis zu den h\u00f6chsten T\u00f6nen zu pr\u00fcfen und in Kurvenform darzustellen, sodann diese Audiogramme mit denen von normalen Ohren und mit den ohren\u00e4rztlichen Befunden zu vergleichen2). Der gr\u00f6\u00dfte Vorzug dieser Methode ist die genaue Me\u00dfbarkeit und Regulierbarkeit der objektiven Tonst\u00e4rken. Sie gestattet aber auch, wie schon erw\u00e4hnt, Abbau- und L\u00fcckenversuche ; w\u00e4hrend Synthesen sich damit bisher nur in unvollkommener Weise erzielen lie\u00dfen. Ob Ohren\u00e4rzte sie in den Kliniken selbst verwendbar finden werden, d\u00fcrfte besonders vom Kostenpunkt abh\u00e4ngen.\n*) F\u00fcr die Pr\u00fcfung der H\u00f6rsch\u00e4rfe hat Gradenigo schon 1916 (Arch, ital. di Otol. Bd. 28, 1918) nach dem Vorg\u00e4nge von Wabtzmann (Zeitschr. f. Ohrenheilk. 1911) eine If.-Einrichtung empfohlen. Aber zu den obigen Zwecken wurde sie damals meines Wissens noch nicht gebraucht.\n2) Au\u00dfer den Arbeiten von Fletcher, Wegel und Lane (s. Lit.-Verz.), worin diese Anwendungen eingehend ber\u00fccksichtigt wurden, vgl. besonders Fowler und Wegel, Audiometrie Methods and their Application, Western Electric Comp. Eng. Dep. Oct. 1922. J. P. Minton, Proc. Nat. Acad. Sc. Bd. 7, S. 22Iff. (1921). Bd. 8, S. 274ff. (1922), Bd. 9, S. 269ff (1923, mit J. G. Wilson); Phys. Rev. Bd. 19, S. 80ff. (1922), Bd. 22, S. 506ff. (1923).","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"10. Kapitel.\nSystematik der Sprachlaute vom akustischen Standpunkte.\nIm 5. Kapitel wurden die Grundeinteilungen der Sprachlaute in Vokale und Konsonanten und in stimmhafte und stimmlose erl\u00e4utert. Es fragt sich nun, ob auf Grund der inzwischen dargelegten Tatsachen auch \u00fcber die Sachgem\u00e4\u00dfesten Untereinteilungen dieser Grundklassen oder \u00fcber sich damit kreuzende Gesichtspunkte N\u00e4heres gesagt werden kann. Es gen\u00fcgt, wenn wir bei den Vokalen nur die stimmhaften, bei den Konsonanten nur die stimmlosen Formen ins Auge fassen, da f\u00fcr die Parallelklassen fast durchweg die gleichen Untereinteilungen gelten. Dabei ist f\u00fcr uns auch hier der akustische Standpunkt ma\u00dfgebend. Es mu\u00df der Klarheit halber versucht werden, ihn so rein und konsequent als m\u00f6glich durchzuf\u00fchren, obschon wir nicht leugnen, da\u00df sich f\u00fcr andere Zwecke auch andere Einteilungsgr\u00fcnde empfehlen. Unter den akustischen Tatsachen, die wir der Einteilung zugrunde legen, sollen hier aber nur solche ber\u00fccksichtigt werden, die auch der unmittelbaren Geh\u00f6rswahrnehmung nicht ganz verborgen bleiben. Denn nur dann wird sich die Einteilung zu allgemeinerem Gebrauch eignen. Die Ergebnisse der experimentellen Forschung werden zur n\u00e4heren Erl\u00e4uterung und tieferen Begr\u00fcndung des unmittelbar Wahrzunehmenden dienen.\nAu\u00dfer den folgenden Einteilungen finden sich bei Sprachforschern noch viele andere, die sich aber zum Teil nur im Ausdruck davon unterscheiden, zu einem anderen Teil genetischer (artikulatoriseher) Art sind. So z.B. \u201eschwere\u2014leichte, harte\u2014weiche, weite\u2014enge, kurze\u2014lange, tenues\u2014 mediae, vordere\u2014hintere, schlaffe\u2014gespannte, gerundete\u201c usf. Auf die 3 zuerst genannten wird das Gesetz der \u201eVokalharmonie\u201c bezogen, wonach in den t\u00fcrktatarischen, jakutischen, mongolischen, finnisch-ugrischen Sprachen Stammsilbe und Affixum zu derselben Klasse geh\u00f6ren (vgl. B\u00f6htlingk, Sprache der Jakuten, 1851; Radloff, Phonetik der n\u00f6rdl. T\u00fcrksprachen, 1882; Winkler, Das Ural-Altaische, 1885). Es handelt sich dabei wesentlich um enge und weite Mund\u00f6ffnung. So geh\u00f6ren O, A, \u00d6, \u00c4 zu den weiten oder schweren, \u00dc, I, russ. Y zu den engen oder leichten Vokalen. Rein akustisch w\u00fc\u00dfte ich diese Gruppierung kaum zu definieren. Aber organo-genetisch ist ganz wohl zu begreifen, wie sich in der Praxis","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\t10. Kap. Systematik der Sprachlaute vom akustischen Standpunkte.\ndes Sprechens eine solche Neigung zur \u201eAngleichung\u201c, n\u00e4mlich der Mundstellungen, herausbilden kann.\nEinen interessanten geschichtlichen \u00dcberblick der Vokalsysteme gibt Michaelis (2), f\u00fcr das Franz\u00f6sische Rousselot (2). Unsere deutschen 8 Vokale sind wohl zuerst so aufgez\u00e4hlt bei Reyhee (1679), dann \u00f6fters im 18. Jahrh., auch bei A. v. Haller (1778), der sogar meint, es g\u00e4be wohl \u00fcberhaupt, selbst in fremden Sprachen, keine anderen. In England herrscht seit Wallis (1643) der organogenetische Standpunkt, der auch noch von Bell und Sweet ausschlie\u00dflich durchgef\u00fchrt wird. W\u00e4hrend die akustische Richtung sich immer mehr auf das Vokaldreieck einigt, f\u00fchrte die genetische zu viereckigen, aber immer komplizierteren Konstruktionen.\nI. Vokale.\n1.\tSukzessiv ein- und mehrteilige (Monophthongen, Diphthongen, Triphthongen).\nDa der (auch auf Konsonanten anwendbare) Begriff der Diphthongen schon im 4. Kapitel erl\u00e4utert wurde, ist die Unterscheidung hier nur der Vollst\u00e4ndigkeit halber anzuf\u00fchren. F\u00fcr Diphthongen ist au\u00dfer den darin enthaltenen Teillauten das Hin\u00fcberschleifen des 1. in den 2. Bestandteil charakteristisch. Auch m\u00f6gen die Bestandteile selbst gegen\u00fcber ihrer isolierten Aussprache oft etwas ver\u00e4ndert sein. Au\u00dfer den offiziellen Diphthongen des Hochdeutschen kommen im wirklichen und besonders im dialektischen Sprechen noch allerlei derartige Gebilde vor (z. B. im Oberbayerischen: ,,oans, guet\u201c). In den gew\u00f6hnlichen vokalischen Diphthongen hat der 1. Teil den Akzent und die l\u00e4ngere Dauer, und dieses Merkmal wird auch gelegentlich in die Definition aufgenommen. Doch ist im Grunde das \u201eJa\u201c und die 1. Silbe in \u201eJubel\u201c, wenn J rein gesprochen und nicht mit einem Ch oder gar Tch eingeleitet wird, nichts anderes als ein vokalischer Diphthong aus I und A (U), nur mit dem Akzent auf dem 2. Bestandteil. Ebenso das U\u2014O im italienischen Uomo. Daher w\u00e4re es wohl konsequent, den Begriff der Diphthongie auch auf solche F\u00e4lle auszudehnen. Wenn allerdings nach s\u00fcddeutscher Art in \u201eTheater\u201c das E in A ohne neue Artikulation hin\u00fcbergezogen wird, so darf der Begriff nicht auch auf solche Sprachgewohnheiten \u00fcbertragen werden, wenn er nicht seine feste Begrenzung zuletzt einb\u00fc\u00dfen soll.\nBei den weiteren Einteilungen sind hier nat\u00fcrlich nur die Monophthongen ber\u00fccksichtigt.\n2.\tSimultan ein- und mehrteilige.\nAlle stimmhaften Vokale der wirklichen Rede sind Kl\u00e4nge, bestehend aus einer Mehrzahl einfacher T\u00f6ne. In dieser Hinsicht kann man jedoch eine Unterscheidung machen, die sich ebenso","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"Die 5 sog. Hauptvokale.\n247\nD. C. Miller wie dem Verfasser auf gedr\u00e4ngt hat, aber auch schon in Helmholtz\u2019 Vokalnotierungen enthalten und von ihm (S. 179ff.) ausdr\u00fccklich auf gestellt ist : in einteilige und zweiteilige oder in Vokale ohne einen und mit einem Unterformanten. Die hellen Vokale von \u00d6 bis I bestehen aus 2 durch eine leere oder nur ganz schwach ausgef\u00fcllte Strecke getrennten Tonkomplexen, und die L\u00fccke zwischen diesen w\u00e4chst mit der Helligkeit des Vokals. Die dunkleren hingegen, U, O, A, haben keine solche L\u00fccke, wenigstens nicht unterhalb des Formanten (U nur zwischen Formant und Ober-formant).\nIn unmittelbarer N\u00e4he tritt nach den Resonanzergebnissen auch bei 0 und A ein sekund\u00e4res Maximum auf; aber dieses hat f\u00fcr den Vokalcharakter so gut wie keine Bedeutung.\nMit dem Unterschied der Ein- und Zweiteiligkeit h\u00e4ngen mancherlei Folgeerscheinungen zusammen, wie z. B. der \u00dcbergang von E in 0, von I in U bei Schw\u00e4chung oder Wegfall des h\u00f6heren Bestandteils durch \u00e4u\u00dfere oder innere Hindernisse des H\u00f6rens; vielleicht auch Erscheinungen der Sprachgeschichte. Immerhin m\u00f6chte ich die Bedeutung dieser Disjunktion nicht zu hoch anschlagen. Denn f\u00fcr die unmittelbare Wahrnehmung ist die simultane Zweiteiligkeit kein hervortretendes Merkmal. Man kann die Unterformanten nur bei erh\u00f6hter Aufmerksamkeit und \u00dcbung direkt wahrnehmen, und genauer sind sie \u00fcberhaupt nur durch experimentelle Analyse festzustellen.\n3. Die 5 sog. Hauptvokale.\nVielfach wird ein Rangunterschied gemacht zwischen Haupt-und Neben- oder urspr\u00fcnglichen und abgeleiteten Vokalen. Vor allem begegnet uns hier die \u00fcberlieferte Lehre von den 5 Hauptvokalen A E I 0 U. Diese kommen zwar in. der Reinheit, wie sie Phonetikern vorschweben, bei weitem nicht in allen Sprachen vor; in manchen, wie der englischen, sind sie stark in der Minderheit. Aber man denkt sie sich gern als Ideale, von denen die Laute der einzelnen Sprachen nur mehr oder minder unvollkommene irdische Erscheinungsformen seien1). Sie gelten, in\nT) Selbst mancherlei Metaphysik und Mystik hat sich daran gekn\u00fcpft. So erschien nach Zeitungsberichten unter den Extravaganzen moderner Kunst ein \u201eUrkunstdrama\u201c eines jungen Holl\u00e4nders: \u201eDas Weltgericht, eine Trag\u00f6die der uralten AEIOU\u201c, wo alles nur in Geb\u00e4rden und Vokalen vor sich geht. In den alten Zauberpapyri waren es die 7 Vokale des griechischen Alphabets, die solcher Mystik als Unterlage dienten.\nGanz anders steht es mit psychologischen Ausdeutungen der Sprachlaute, wie sie sich auf ihre onomatopoetische Funktion und ihre tats\u00e4chliche Verwendung im Sprachgebrauche gr\u00fcnden lassen, obschon auch da seit dem","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\t10. Kap. Systematik der Sprachlaute vom akustischen Standpunkte.\neinem freilich noch n\u00e4her zu definierendem Sinn, als Urvokale, als Ausgangspunkte und Ma\u00dfst\u00e4be aller \u00fcbrigen. Auch die ersten 5 Solmisationssilben enthalten diese Vokale. Im Franz\u00f6sischen wird allerdings, gem\u00e4\u00df der Aussprache des U, \u00dc im popul\u00e4ren Gebrauche zu den 5 Hauptvokalen gerechnet, da es nun einmal im Alphabet so vorkommt* 1). Die franz\u00f6sischen Phonetiker aber schreiben bei der Aufz\u00e4hlung Ou f\u00fcr U, damit der dunkelste Laut in der Liste nicht fehle.\nWorin k\u00f6nnte nun rein empirisch der Vorrang dieser 5 bestehen? Etwa in ihrer Einfachheit f\u00fcr das Geh\u00f6r? Aber \u00d6, \u00c4 und \u00dc sind f\u00fcr das direkte Geh\u00f6r nicht minder einheitliche Laute wie E und I, wenn auch mit 2 Buchstaben oder mit gleichbedeutenden Strichen oder Punkten auf dem Kopfe geschrieben werden2). Ja, sogar der Bl\u00f6klaut AO\u00c4\u00d6 ist ein einheitlicher Laut, ob-schon er mit 4 (oder 6) Buchstaben geschrieben wird. Wenn man \u00d6 und \u00dc als \u201eUmlaute\u201c den Hauptvokalen gegen\u00fcberstellt und \u00c4 als offenes E definiert, so hat dies sprachgeschichtliche Gr\u00fcnde, die f\u00fcr die rein ph\u00e4nomenologische Betrachtungsweise nicht ma\u00dfgebend sein k\u00f6nnen. Denken wir, es w\u00e4re statt des mitteldeutschen Dialektes eine Aussprache wie die gegenw\u00e4rtige braunschweigische zur hochdeutschen geworden, so h\u00e4tten wir alle Veranlassung, statt des \u201ereinen A\u201c ein A in dieser Form systematisch zu untersuchen, und man kann es in der Tat ebenso-\nplatonischen Kratylus manches Allzuk\u00fchne gesagt worden ist (wie wenn W. v. Humboldt in der Lautgruppe St regelm\u00e4\u00dfig den Eindruck des Best\u00e4ndigen oder J. Grimm im K etwas Fragendes findet oder A. B\u00f6ckh die Konsonanten als das materielle, t\u00e4tige, m\u00e4nnliche Prinzip den Vokalen als dem formellen, passiven, weiblichen gegen\u00fcberstellt). Sch\u00f6ne, anregende Betrachtungen dieser Art, die einem die Muttersprache noch lieber machen k\u00f6nnen, in Grabows \u201eMusik in der deutschen Sprache\u201c.\nAbstufungen der \u201eEuphonie\u201c unter den Vokalen und Konsonanten hat Ziehen (Vorlesungen \u00fcber \u00c4sthetik, Bd. 1, 1923, S. 208ff.) auf statistischem Wege festzustellen versucht, aber auch ihre malende Verwendung in Dichtwerken an interessanten Beispielen erl\u00e4utert. Da\u00df A und O allen anderen Lauten vorgezogen wurden, l\u00e4\u00dft sich wohl aus unseren Bemerkungen oben S. 189ff. verstehen. Im \u00fcbrigen handelt es sich, wie Ziehen selbst hervorhebt, meistens um versteckte, dem Urteilenden selbst entgehende Nachwirkungen von Zusammenh\u00e4ngen, in denen die Laute in der individuellen Erfahrung Vorkommen.\n1)\tSo h\u00f6rte ich in einem Gefangenenlager 1917 ein s\u00fcdfranz\u00f6sisches Volkslied mit dem humoristischen Refrain A E I O \u00dc (sic). Auch in einem BALZACschen Roman erinnere ich mich die 5 Vokale mit U = \u00dc zitiert gefunden zu haben.\n2)\tAuch Sievers ist geneigt, \u00dc und \u00d6 als gleichberechtigt neben die \u00fcbrigen zu stellen (S. 92), obschon er sie mit Winteler nur als \u201eVermittlungsvokale\u201c in das System einreiht.","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Das Helligkeitsprinzip.\n249\ngut als Gegenstand von Ab- und Aufbauversuchen durch Interferenz w\u00e4hlen, seine Formanten bestimmen und es synthetisch aus einfachen T\u00f6nen darstellen.\nAuch die gew\u00f6hnliche Reihenfolge A E I O U l\u00e4\u00dft sich akustisch nicht rechtfertigen. Sie wurzelt offenbar in der Folge, in der sie im Alphabet auftreten, und hat darum nur historische Berechtigung. Akustisch w\u00fcrden wir sie ihrer Helligkeit nach ordnen und dann die Folge \u00dcOAEI erhalten1).\n4. Das Helligkeitsprinzip.\nWie nun? M\u00fcssen wir etwa diese ganze Lehre \u00e4hnlich der von den ,,5 Sinnen\u201c zum alten Eisen werfen? Sind alle monophthongischen Vokale untereinander vollkommen gleichwertig und alle Rangordnungen willk\u00fcrlich?\nSo weit darf man doch nicht gehen. Vielmehr l\u00e4\u00dft sich eine Systematik auf stellen, in der diese 5 eine ausgezeichnete Rolle spielen und aus der sie gewisserma\u00dfen deduziert werden k\u00f6nnen; freilich nur als Durchgang von einer noch urspr\u00fcnglicheren Drei-zahl zu noch reicheren Systemen.\nJeder Vokal hat, wie schon mehrfach erw\u00e4hnt, als Gesamteindruck eine gewisse Helligkeit. Diese Gesamt- oder Komplexhelligkeit, die Klanghelligkeit im pr\u00e4gnanten Sinne, ist von der Tonhelligkeit, durch welche die H\u00f6henordnung der T\u00f6ne (sowie der Kl\u00e4nge mit vorherrschendem Grundton) bestimmt wird, wohl zu unterscheiden. Auf der n\u00e4mlichen Tonh\u00f6he bauen sich Vokale von verschiedener Klanghelligkeit auf, und diese Vokalhelligkeiten k\u00f6nnen sich auch im umgekehrten Sinne wie die Tonhelligkeiten bewegen. Singt man:\nU E I U O A\nso geht die Tonh\u00f6henbewegung immer entgegen der Vokalhellig-keitsbewegung : w\u00e4hrend jene steigt, sinkt diese und umgekehrt. Herrscht zwischen der Vokalverteilung und den Tonh\u00f6hen an akzentuierten Stellen ein allzu starker Gegensatz, so wird er immer-\n*) Diese Anordnung findet sich schon bei Olearius, Deutsche Sprachkunst 1630 (\u201eDiese Ordnung weiset uns die Natur\u201c). Neuerdings ist sie besonders von Koenig und Koehler betont worden, und zwar auf Grund ihrer Lehre von der Vokalit\u00e4t einfacher T\u00f6ne, durch welche zugleich den 5 Hauptvokalen ihre Stellung als solche aufs neue vindiziert und akustisch begr\u00fcndet werden soll. Auf diese Lehre kommen wir erst im 13. Kap. zu sprechen. Hier besch\u00e4ftigen uns nur die Vokale im gew\u00f6hnlichen Wort-sinne, die Gebrauchsvokale, die niemals einfache T\u00f6ne sind.","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\t10. Kap. Systematik der Sprachlaute vom akustischen Standpunkte.\nhin als \u00e4sthetische Unstimmigkeit empfunden, ja, es k\u00f6nnen Unbequemlichkeiten f\u00fcr den S\u00e4nger entstehen.\nSo z. B. in Beethovens \u201eB\u00fc\u00dflied\u201c bei \u201eFluch\u201c, in Schuberts \u201eOde an den Unendlichen\u201c auf \u201eJubel\u201c. Auch in \u201eAllmacht\u201c kommen hervorstechende hohe T\u00f6ne just auf \u201eSturm\u201c, \u201eRuf\u201c, \u201eFlug\u201c. Obgleich in diesem herrlichen Liede kein Ton anders sein d\u00fcrfte, sind diese Stellen f\u00fcr den S\u00e4nger etwas mi\u00dflich. Ebenso in Brahms\u2019 Zigeunerliedern in Nr. 9 das stark und hoch einsetzende \u201eNur\u201c. In L\u00f6wes Ballade \u201ePrinz Eugen\u201c gehen bei .er-da-Rufe die Ton- und Vokalhelligkeiten genau in umgekehrter Richtung. L\u00f6we benutzt \u00fcbrigens in demselben St\u00fcck diesen Widerspruch mit Bewu\u00dftsein zu einer komischen Wirkung, indem er bei \u201etat den Schnurrbart streichen die Stimme auf \u201eSchnurr\u201c um eine Oktave in die H\u00f6he springen l\u00e4\u00dft.\nHervorragende S\u00e4nger und Chordirigenten \u00e4ndern \u00f6fters den Text mit R\u00fccksicht auf solche Diskrepanzen. Man findet aber auch nicht selten, so z. B. gerade in den Zigeunerliedern, wie an pr\u00e4gnanten Stellen U tief, I und E hoch gelegt sind. Eines der sch\u00f6nsten Beispiele ist das \u201eUnd es ward Licht\u201c in Haydns unsterblicher \u201eSch\u00f6pfung\u201c; weniger allerdings im englischen Text. In Schumanns \u201eParadies und Peri\u201c schlie\u00dft die Peri ihren Triumphgesang mit den mehrmals wiederholten Worten: \u201eWie selig, wie selig bin ich!\u201c, indem sie von /2 bis c3 in Terzen hinauf steigt und auf a2 und c3 je 6 Takte liegenbleibt, w\u00e4hrend zugleich das Orchester m\u00e4chtig in die H\u00f6he geht. Die Wirkung wird durch die ausschlie\u00dfliche Verwendung der beiden hellsten Vokale im Text bedeutend unterst\u00fctzt. Auch im Leben \u00fcbrigens wird einer, der den andern gruseln machen will, sein \u201eHub!\u201c nicht in hoher Tonlage, und einer, der \u201eLiebliches\u201c oder \u201eWinziges\u201c auch im Tonfall recht anschaulich machen will, nicht in tiefer Stimmlage sprechen. Uhlands schalkhaftes \u201eTeelied\u201c, zumal die Strophe: \u201eIn Indiens mythischem Gebiete, Wo Fr\u00fchling ewig sich erneut, O Tee, Du selber eine Mythe, Verlebst Du Deine Bl\u00fctezeit\u201c, wo fast nur die 3 hellsten Vokale Vorkommen, wird jeder unwillk\u00fcrlich mit hoher Stimme deklamieren.\nDie Gesamthelligkeit gr\u00fcndet sich auf die Aussagen des unbefangenen, auch theoretisch unbeeinflu\u00dften Geh\u00f6rs. Wie dessen Urteil zustande kommt, ist zun\u00e4chst gleichg\u00fcltig. Doch l\u00e4\u00dft sich leicht erkennen, da\u00df es in unserem Falle wesentlich abh\u00e4ngig ist von den Tonhelligkeiten (H\u00f6hen) der Formanten. Je nachdem der Hauptformant im unteren oder oberen Teile der f\u00fcr die Vokalcharaktere \u00fcberhaupt ma\u00dfgebenden Tonregion liegt, sprechen wir von dunklen oder hellen Vokalen (Rotjsselot nennt sie direkt tiefe und hohe). Allerdings haben auch die Unterformanten ihren Anteil daran. Man kann z. B. im Zweifel sein, ob \u00c4 nicht heller sei als \u00dc. Dies kommt daher, da\u00df zwar sein Formantzentrum etwas tiefer, aber sein Unterformant erheblich h\u00f6her ist. Aber bei den 5 \u201eHauptvokalen\u201c k\u00f6nnen Zweifel nicht bestehen. Obschon auch hier E einen h\u00f6heren Unterformanten als I hat, schl\u00e4gt der h\u00f6here I-Formant in der Gesamthelligkeit durch.\nDie Gesamthelligkeit entsteht nicht etwTa durch Summation, ebensowenig aber durch Mischung oder Durchschnittsbildung aus","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"Das Helligkeitsprinzip.\n251\nden Teilhelligkeiten. Man kann nicht sagen, da\u00df das I durch seinen \u00fcnterformanten in der Helligkeitsskala der einfachen T\u00f6ne herab-r\u00fccke, sowenig als sich aus dem Zusammenklang von c und g ein e bildet. Es handelt sich vielmehr um eine ganz andere Gattung von Helligkeiten, wof\u00fcr eher der Ausdruck \u201eHelldunkel\u201c am Platze w\u00e4re.\nWill man nun ein System von Vokalen nach der Helligkeit auf stellen, so ergeben sich zun\u00e4chst als ausgezeichnete Punkte der \u00fcberhaupt dunkelste und der \u00fcberhaupt hellste, U und I. Fragt man dann nach einem Vokal von mittlerer Helligkeit zwischen diesen Extremen, gleich weit von dem einen und anderen, so ist zweifellos ein helles A ein solcher Vokal. Soll weiter zwischen A und den beiden Grenzpunkten je ein Glied eingeschaltet werden, so liegt O zwischen U und A, E zwischen A und I. Versinnlicht man sich diese Verh\u00e4ltnisse in r\u00e4umlicher Form, so w\u00fcrden sie sich bis dahin innerhalb einer geraden Linie darstellen lassen:\nu\t0\tA\tE\tJ\nAbb. 3. Schema der 5 \u201eHauptvokale'\u2018.\nDie Bogen deuten hier die zu den hellen Vokalen als Unterformanten geh\u00f6rigen dunklen an, und so w\u00e4re dies schon ein \u00fcbersichtliches und akustisch interessantes Schema und zugleich eine Art Deduktion der 5 \u201eHauptvokale\u201c.\nDie gleichen Abst\u00e4nde in der Zeichnung w\u00fcrden aber der Tatsache nicht gerecht werden, da\u00df der Unterschied von U und 0, E und I uns geringer erscheint als der von 0 und A, A und E1). Dies f\u00fchrt zun\u00e4chst dazu, zwischen 0 und A ein 0 A (AO), zwischen A und E ein \u00c4 einzuschalten. Diese beiden w\u00e4ren auch wieder durch Bogen zu verbinden, da OA (AO) Unterformant f\u00fcr \u00c4 ist. Und wir h\u00e4tten nun 7 Glieder, also eine besonders heilige Zahl2).\n1)\tSo sagt auch der Gesanglehrer G. Engel (2): \u201eWir k\u00f6nnen weit mehr Vokalnuancen von O zu A als von U zu O hervorbringen.\u201c\n2)\tM. Thausing legt in seinem viele gute Beobachtungen enthaltenden, aber der akustischen Grundlage entbehrenden \u201eNat\u00fcrlichen Lautsystem der menschlichen Sprache\u201c (S. 40) im Ernst Gewicht darauf, da\u00df die 7 Stufen, die er auf jeder seiner 3 Hauptrichtungen unterscheidet, eine heilige Zahl darstellen, die \u201ef\u00fcr die Evidenz des Systems nicht ganz gleichg\u00fcltig\u201c sei. Auf diese Art von Evidenz m\u00f6chten wir lieber verzichten, zumal da bei der Methode der symmetrischen Zwischenglieder innerhalb einer Geraden jedesmal eine imgerade Zahl herauskommen mu\u00df und alle ungeraden Zahlen bis 9 (im K\u00f6lner Fasching sogar 11) da und dort, dann und wann als heilig gelten.","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252\t10. Kap. Systematik der Sprachlaute vom akustischen Standpunkte.\nAber \u00d6 und \u00dc, die auf dieser Linie zwischen A und E, auch gelegentlich mit einem davon zusammenfallend (helligkeitsgleich), unterzubringen w\u00e4ren, w\u00fcrden die Symmetrie doch wieder st\u00f6ren ; desgleichen w\u00fcrden die Bogen ihrer Unterformanten die der Unterformanten anderer Vokale schneiden.\nAu\u00dferdem w\u00fcrde es sich hier doch in Wahrheit nicht um eine eigentliche Deduktion handeln, sondern nur um eine m\u00f6glichst rationelle Anordnung der in der Erfahrung gegebenen, in unserer Sprache nun einmal gebr\u00e4uchlichen Vokale. Unter diesen hat A eine mittlere Helligkeit. An sich w\u00fcrde man, w\u00e4re A nicht tats\u00e4chlich gegeben, zwischen U und I vielmehr nur ein mittleres \u00dc (in \u00f6sterreichischen Landen Ui geschrieben) einf\u00fcgen. A ist eben nicht eine blo\u00dfe Zwischenhelligkeit, sondern seinem ganzen Charakter, seiner Qualit\u00e4t nach von den beiden Ausgangspunkten verschieden.\n5. Das Vokaldreieck.\nSo kommt man auf die Darstellung in einem Dreieck, an dessen Eckpunkten U, A, I stehen, so wie es bereits 1781 der junge Mediziner Hellwag angegeben hat1). Auf diese Konstruktion ist man\nin Deutschland seitdem zumeist wieder zur\u00fcckgekommen, auch ohne von Hell-wag zu wissen, und dem Verfasser ist es ebenso gegangen. Aber auch Miller hat sich darauf gef\u00fchrt gesehen. Wir haben davon bereits bei der Darstellung der Fl\u00fcsterh\u00f6hen (o. S. 145) Gebrauch gemacht, auch dort durch den inneren Zwang der Sache dazu gef\u00fchrt. Dieses Schema gibt die m\u00f6glichen Nuancen, \u00dcberg\u00e4nge und Verh\u00e4ltnisse in \u00fcberraschender Vollst\u00e4ndigkeit wieder und ist allen anderen weitaus vorzuziehen.\nWie viele Zwischenstufen man auf jeder Dreieckseite auftr\u00e4gt, ist zun\u00e4chst willk\u00fcrlich, da stetige \u00dcberg\u00e4nge von einem Eck-\nZI\nOAf-ft\nAbb. 4. Das Vokaldreieck.\nl) Bekannt wurde das Schema besonders durch Chladni, dem es Hellwag mitteilte (Trautmann, S. 58), der aber seinen Vorg\u00e4nger nicht nennt.","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"Das Vokaldreieck.\n253\npunkt zum anderen f\u00fchren. Am zweckm\u00e4\u00dfigsten scheint es, je 2 Durchgangspunkte auszuzeichnen, wie auf der Abbildung geschehen ist. Auf der U\u2014I-Linie liegt offenbar \u00dc, n\u00e4her an I als an U. Setzt man symmetrisch dazu auf die linke Seite ein TJ\u00dc, welches sehr wohl herstellbar ist (vgl. oben S. 146), so hat man ein geschlossenes System von 9 Vokalen, unter denen allerdings unser \u00d6 noch fehlt. Will man nur je 1 Zwischenstation auf jeder Linie unterscheiden, so erscheinen 6 Grundlaute. Je nach Bed\u00fcrfnis kann man aber auch 3 Zwischenstufen (wie Br\u00fccke) oder 4 (wie Stockhausen in seiner \u201eGesangstechnik\u201c) oder noch mehr, insbesondere auf den seitlichen Dreiecklinien, unterscheiden.\nWir k\u00f6nnen nun aber auch in das Innere des Dreiecks gehen und finden da auf der Verbindungslinie von 0 und E unser \u00d6, dem links ein O\u00d6 entsprechen w\u00fcrde, und auf der Linie von OA nach \u00c4, die die Linie von A nach den \u00d6-Lauten hin schneidet, Bl\u00f6klaute vom Typus OA\u00c4\u00d6 (worauf schon Hellwag hinwies). Unterscheidet man auf dieser Horizontalen wieder 2 Zwischenvokale, \u00dfx und \u00df2, die in unserer Schreibweise am besten mit AO\u00e4\u00f6 und \u00c4\u00f6ao (dunkler und heller Bl\u00f6klaut) auszudr\u00fccken w\u00e4ren, so entstehen 13 Vokale, die s\u00e4mtlich, ebenso wie alle \u00fcbrigen hier nicht n\u00e4her bezeichneten \u00fcberhaupt m\u00f6glichen Zwischenstufen, von A ausstrahlen. Will man aber auf der obersten Horizontalen nur 1 Zwischenstufe in der Mitte unterscheiden, so entsteht ein Dreieck im Dreieck (so bei Br\u00fccke), und wir erhalten gerade ein Dutzend. Ich w\u00fcrde die erste Form, wie sie in unserer Zeichnung angegeben ist, trotz der Ungl\u00fcckszahl 13 vorziehen. Jedenfalls aber haben wir hier ein geschlossenes und \u00fcbersichtlich geordnetes System. Suchen wir z. B. das kurze \u201erussische Y\u201c, so liegt es auf der Verbindungslinie von O\u00d6 und U\u00dc, bald den einen, bald dem anderen n\u00e4her. Schon Hell wag bemerkt in den von Vi\u00ebtor herausgegebenen Aufzeichnungen vom Jahre 1780: \u201eZwischen diesen Reihen und Stufen k\u00f6nnte man noch unendlich viele andere einschalten, welche V\u00f6lker von verschiedenen Sprachen und Mundarten im Sprechen gebrauchen: so lie\u00dfen sich vielleicht alle Vokale und alle Diphthongen, welche je ein Mensch ausgesprochen hat, gleichsam mathematisch durch Stufen bestimmt angeben.\u201c\nDie nasalierten Vokale allerdings lassen sich nur so in dem Dreieck unterbringen, da\u00df man sie durch einen Index (Ow, \u00c4\u201e usw.) den entsprechenden freien Vokalen zuordnet. Diese Unterscheidung folgt eben einem anderen Einteilungsgrund, der sich mit dem gegenw\u00e4rtigen kreuzt (s. unten).","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254\t10. Kap. Systematik der Sprachlaute vom akustischen Standpunkte.\nAn dem Vokaldreieck lassen sich nun auch die Grundeigenschaften der Vokale in einfacher und anschaulicher Weise aufzeigen :\na)\tMan kann sagen, A besitze die gr\u00f6\u00dfte vokale S\u00e4ttigung, es entferne sich am weitesten von der Linie der blo\u00dfen Helligkeiten. Und man kann \u00fcberhaupt die H\u00f6he der auf die U\u2014I-Linie von einem Vokal aus gezogenen Senkrechten als Ma\u00df seiner vokalen S\u00e4ttigung betrachten.\nb)\tDie Lage des Endpunktes dieser Senkrechten auf der Grundlinie gibt ferner die Stellung des Vokals in der Helligkeitsreihe. Rechts von der Mittellinie liegen die hellen Vokale, die auch Unterformanten besitzen, links davon die dunklen, die keine Unterformanten (bzw. statt derselben Oberformanten) besitzen.\nc)\tDie Unterformanten selbst findet man \u00fcberall, wenn man der Horizontallinie in der Richtung nach links bis zur linken Dreieckseite folgt. Die L\u00e4nge dieser Strecke w\u00e4chst wie die der \u201etoten Strecken\u201c zwischen Unterformant und Formant.\nd)\tSelbst in Hinsicht der Klang st\u00e4rke gibt das Dreieck gewisse Anzeigen: U und I sind die schw\u00e4chsten, A ist der st\u00e4rkste Vokal, d. h. man kann ihm die gr\u00f6\u00dfte St\u00e4rke verleihen. So stellt es auch in dieser Hinsicht den Gipfel des Dreiecks dar. Doch m\u00f6chte ich diesen Gesichtspunkt nicht so wie die \u00fcbrigen ins einzelne durchf\u00fchren.\ne)\tDurch die Senkrechte zur Grundlinie d\u00fcrfte auch die objektive St\u00e4rke des Grundtons angezeigt werden, indem diese der H\u00f6he der Senkrechten reziprok gesetzt werden kann. Wir h\u00f6rten, da\u00df von U zu A die St\u00e4rke des Grundtons ab-, dann nach E und I hin wieder zunimmt. Doch l\u00e4\u00dft sich auch diese Regel, die sich besonders bei den Resonanzversuchen an den 5 \u201eHaupt-vokalen\u201c deutlich herausstellte, zun\u00e4chst nur im gro\u00dfen und ganzen als allgemeines Verhalten in Anspruch nehmen. F\u00fcr die auf dem Dreiecksumfang liegenden Vokale d\u00fcrfte sie aber ohne weiteres gelten.\nf)\tDa\u00df die beobachteten Tonh\u00f6hen der Fl\u00fcstervokale und deren \u00dcberg\u00e4nge ineinander sich am vollst\u00e4ndigsten im Vokaldreieck darstellen lassen, ist bereits im 6. Kapitel gezeigt.\ng)\tAuch in hirnphysiologischer Richtung wird uns im 13. Kapitel das Vokaldreieck noch als Ausgangspunkt von Hypothesen dienstbar werden.\nSo m\u00f6chten wir diese Anordnung als das \u201enat\u00fcrliche System\u201c' der Vokale in Anspruch nehmen. Denn ein nat\u00fcrliches System ist auf wesentliche Merkmale im Sinne J. St. Mills gegr\u00fcndet, d. h. auf solche, an die sich viele andere ankn\u00fcpfen. Es umschlie\u00dft","page":254},{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"Das Vokaldreieck.\n255\nauch die zahllosen historischen Systeme, deren jedes f\u00fcr die betreffende Nation und Zeit besondere Stellen des Vokaldreiecks vor anderen auszeichnet, \u00e4hnlich wie bestimmte instrumentale Klangfarben und wie die besonderen Intervalle der verschiedenen gebr\u00e4uchlichen Leitern, ja auch gewisse absolute Tonh\u00f6hen f\u00fcr das Geh\u00f6r der bez\u00fcglichen Nation oder Zeit ausgezeichnet sind, oder auch wie die Stimmen der Haustiere sich f\u00fcr die Landbewohner von allen \u00fcbrigen Kl\u00e4ngen abheben. Aber diese Auszeichnungen sind im allgemeinen akustisch zuf\u00e4llig und bedeutungslos, wenn auch wohl m\u00f6glicherweise in einer Sprache mehr die dunklen, in einer anderen die hellen Vokale oder eine sonstige besondere Gegend des Vokaldreiecks hervortreten, also ein gewisser akustischer Grundzug herrschend sein kann.\nDa\u00df aber auch in sprachgeschichtlicher Hinsicht wenigstens die 3 Eckpunkte unseres Schemas eine Rolle spielen, ist bekannt. Sie sind die indogermanischen Urvokale. Auch auf volkst\u00fcmliche Zusammenf\u00fcgungen in der Gegenwart, wie ,,piff paff puff\u201c, ,,bim bam bum\u201c, ,,lirum larum\u201c, kann man hin weisen.\nUm die idealen Eckpunkte des Dreiecks, das vollkommenste U, A, I, genau festzulegen, k\u00f6nnte man die Teiltonstrukturen heranziehen. Bez\u00fcglich des A hat bereits Rotjsselot vorgeschlagen, seine besonders vielfachen und ausgepr\u00e4gten Nuancen durch die Lage oder Schwingungszahl des Formantzentrums zu definieren, \u00e4hnlich wie man eine homogene Farbe durch ihre Wellenl\u00e4nge definiert. Aber es m\u00fc\u00dften dann unbedingt auch die \u00fcbrigen wesentlichen Teilt\u00f6ne und die relativen St\u00e4rken aller angegeben werden, da ja durch eine geringe Verst\u00e4rkung des unter dem Formanten liegenden c2 oder h1 schon eine betr\u00e4chtliche Verdunkelung entsteht. Zun\u00e4chst gen\u00fcgen indessen hier wie bei U und I aus direkter Beobachtung gesch\u00f6pfte Momente zur Bestimmung.\nU ist am vollkommensten bei einer M\u00e4nnerstimme in der unteren H\u00e4lfte der kleinen Oktave, die ja auch die Grundt\u00f6ne der gew\u00f6hnlichen M\u00e4nnersprache enth\u00e4lt (\u00fcber die Gr\u00fcnde s. 13. Kap. unter 2). I pflegen Frauen und Kinder am vollkommensten hervorzubringen, weil st\u00e4rkere Teilt\u00f6ne ihrer Stimme bis zur \u00f6-gestrichenen Oktave reichen. \u00dcber das \u201ean sich beste\u201c A wird man nat\u00fcrlich streiten. Deduktiv lie\u00dfe sich sagen, es m\u00fcsse so hell sein, da\u00df es zwischen den einteiligen und zweiteiligen Lauten gerade in der Mitte steht, d. h., experimentell gesprochen, da\u00df der Ge\u00fcbte bei aufmerksamster direkter Beobachtung zweifelhaft bleibt, ob schon Spaltung in eine obere und untere Abteilung stattfindet oder nicht. Dazu eignet sich vorz\u00fcglich das Fl\u00fcster-A.","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256\t10- Kap. Systematik der Sprachlaute vom akustischen Standpunkte.\nBei dem entsprechenden gesungenen wird dann die Analyse \u2014 einerlei auf welchem Wege \u2014 bereits eine Ausbuchtung in den Teiltonst\u00e4rken auf weisen, die aber noch nicht gro\u00df genug ist, um zweifelsfrei bemerkt zu werden. Das amerikanische A in \u201efather\u201c scheint an dieser Grenze zu stehen, da es bei Analysen bald als einteilig, bald als zweiteilig angegeben wird. Darin verraten sich zwar wirkliche kleine Unterschiede der Aussprache; aber diese Schwankungen w\u00fcrden eben nicht so leicht \u00fcber die Grenze f\u00fchren, wenn nicht der Laut im allgemeinen an der Grenze l\u00e4ge. Das italienische A scheint ihm gleich zu sein. Dieser Laut w\u00e4re also an die Dreieckspitze zu setzen. Unser deutsches A, wie wir es durch die Bedingung m\u00f6glichst gleicher Entfernung vom O und \u00c4 charakterisierten und den Versuchen zugrunde legten, hat seinen Platz wohl ein wenig links davon.\nHiernach w\u00fcrde man, wenn Sprachforscher es erw\u00fcnscht finden sollten, auch die entsprechenden idealen Teiltonstrukturen an-geben k\u00f6nnen. Inzwischen sind unsere Strukturtabellen, und zwar f\u00fcr das vollkommenste deutsche A die auf dem Grundton c1 (wo g2 am st\u00e4rksten herauskommt), f\u00fcr das vollkommenste U die auf c, f\u00fcr das vollkommenste I die auf g1 und c2 zu vergleichen.\nEine theoretisch nicht uninteressante Frage hat k\u00fcrzlich K. Huber aufgeworfen: ob man recht habe, den \u00dcbergang von dunklen zu hellen Vokalen (U\u2014\u00dc, 0 \u2014\u00d6, A\u2014\u00c4) als einen stetigen anzunehmen. Er verneint diese Frage. Nur die \u00dcberg\u00e4nge zwischen U, 0 und A, ebenso zwischen \u00c4, E und I seien streng stetig, die obigen dagegen schl\u00f6ssen rein erscheinungsm\u00e4\u00dfig jedesmal eine Diskontinuit\u00e4t ein, und zwar l\u00e4gen die Punkte, wo der Sprung eintrete, in einer Senkrechten, die etwas rechts von A durch das Dreieck zu legen sei.\nMit unserer Anordnung w\u00fcrde dies nicht ganz stimmen, da O\u00d6, U\u00dc dort links von der Mittellinie liegen. Aber dies w\u00e4re ein sekund\u00e4rer Unterschied, der sich beseitigen lie\u00dfe; die Hauptfrage wird dadurch nicht ber\u00fchrt. In bezug auf diese selbst wird man zugeben m\u00fcssen, da\u00df der \u00dcbergang von 1- zu 2-teiligen Lauten, rein abstrakt genommen, einen Sprung bedeutet. Aber schon physikalisch kann sich das Minimum, wie schon erw\u00e4hnt, stetig vorbereiten, und so kann auch f\u00fcr das H\u00f6ren, sowohl das analysierende als das nichtanalvsierende, der \u00dcbergang stetig sein; f\u00fcr das erste insofern, als der H\u00f6rende im Zweifel sein kann, an welchem genauen Punkte der helle Bestandteil zuerst auftaucht (s. die If.-Versuche, wo die Aufmerksamkeit speziell auf diese Frage gerichtet war), f\u00fcr das nichtanalysierende H\u00f6ren insofern, als offenbar eine, sei es auch kleine, Zone innerhalb der Strecke A\u2014\u00c4 existiert,","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"Freie und n\u00e4selnde Vokale.\n257\nin der man schwanken kann, wohin man einen gegebenen Laut rechnen soll. Und diese Zone ist nach beiden Seiten auch selbst nicht mathematisch scharf abgegrenzt, sondern ihre Begrenzung kann auch wieder zweifelhaft sein.\nFerner erscheint mir der \u00dcbergang von A nach \u00c4 mit dem von A nach U nicht blo\u00df kommensurabel, sondern sogar deutlich als kleiner erkennbar. Man m\u00fc\u00dfte daher fragen, worin eigentlich noch das Kriterium der Unstetigkeit liegen und durch welche experimentelle Fragestellung dar\u00fcber entschieden werden soll. Sagen wir: ,,Beim \u00dcbergang A\u2014\u00c4 wird eben das erste Auftreten einer \u00c4-F\u00e4rbung als etwras Neues, Eigenartiges empfunden\u201c, so gilt dies doch ebenso beim \u00dcbergang O\u2014A. Ich finde daher vorl\u00e4ufig keinen zwingenden Grund zu obiger These.\nManche werden sich versucht f\u00fchlen, das Vokaldreieck mit dem Young-Helmholtz sehen Farbendreieck oder dem Hering sehen Farben Viereck zu vergleichen. Das Farbendreieck ist aber aus den Tatsachen der physiologischen Farbenmischung abgeleitet, die von denen der Tonverkn\u00fcpfung ganz prinzipiell verschieden sind. Das Farbenviereck ist zwar in 1. Linie auf rein ph\u00e4nomenologische Erw\u00e4gungen gest\u00fctzt; aber schon der Umstand, da\u00df man dort nicht ins Innere gehen kann, bedingt (neben anderem) eine grundwesentliche Verschiedenheit. Derselbe Umstand lehrt zugleich, da\u00df man mit geometrischen Deduktionen aus solchen Veranschaulichungen vorsichtig sein mu\u00df, denn ein Viereck, in welchem gegen\u00fcberliegende Seiten nicht durch Linien verbunden werden k\u00f6nnen, das \u00fcberhaupt kein Inneres hat, gibt es in der Geometrie nicht. Das Vokaldreieck ist in dieser Hinsicht ein richtiges Dreieck; aber auch daraus darf man nichts Neues mit mathematischer Evidenz ableiten wollen, sondern kann ihm nur etwa Winke f\u00fcr neue Beobachtungen entnehmen. In der Hauptsache hat es seinen Wert als nachtr\u00e4gliche anschauliche Zusammenfassung der bereits vorliegenden. \u2022\n6. Freie und n\u00e4selnde Vokale.\nDiese Unterscheidung ist f\u00fcr die normale deutsche Aussprache von geringem Belang. Die n\u00e4selnde Klangfarbe mancher Stimmen und pathologische F\u00e4lle haben gleichwohl zu Untersuchungen Anla\u00df gegeben. Auch bei normalem Sprechen kommen Ann\u00e4herungen an das N\u00e4seln in bestimmten Zusammenh\u00e4ngen vor, wie bei den Vokalen in \u201eAngst, eng, Enkel\u201c, infolge der voraus wirkenden Einstellung auf den Nasalkonsonanten. Aber zu einer besonderen Einteilung der Vokale w\u00fcrden uns diese Umst\u00e4nde nicht veranlassen; sie ist hier nur mit R\u00fccksicht auf ihre wesentliche Be-\nStumpf, Sprachlaute.\n17","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258\t10- Kap. Systematik der Spraehlaute vom akustischen Standpunkte.\ndeutung in anderen Sprachen eingef\u00fcgt. Experimentell hat sich uns ergeben, da\u00df das Charakteristische der Nasallaute in gewissen L\u00fccken unter ihren tieferen Teilt\u00f6nen und in der Beimischung von Teilt\u00f6nen aus der 4-gestrichenen Oktave liegt. Diese Z\u00fcge bleiben aber auch der unmittelbaren Wahrnehmung bei gesch\u00e4rfter Aufmerksamkeit nicht ganz verborgen. Man braucht nicht lange zu suchen, um in n\u00e4selnden Kl\u00e4ngen etwas Hohes, D\u00fcnnes und selbst eine Art Hohlheit zu entdecken, worauf denn auch schon Helmholtz hingewiesen hat.\n7. Offenes und gedecktes Singen und offene und geschlossene Aussprache.\nDiese beiden miteinander verwandten, aber auf ganz verschie denen Motiven und Vorg\u00e4ngen beruhenden Unterscheidungen1} sollen wegen ihrer praktischen Bedeutung hier noch besprochen werden, obschon sie in Wahrheit nicht weitere akustische Unter schiede von Vokalen betreffen, sondern nur die Zuordnung ver schiedener Vokale zu gleichen Buchstabensymbolen.\na) Die erste Unterscheidung h\u00e4ngt mit den Erfordernissen der Gesangstechnik und der Klangsch\u00f6nheit zusammen. Wird I von einer M\u00e4nnerstimme im Brustregister auf T\u00f6nen h\u00f6herer Lage, etwa e1, kr\u00e4ftig gesungen, so n\u00e4hert es sich, wenn nicht besondere Kunstgriffe angewandt werden, dem E und zuletzt sogar dem \u00c4. Um dies zu vermeiden, gebraucht der Kunsts\u00e4nger statt der \u201eoffenen\u201c die \u201egedeckte\u201c Stimmgebung (deren Mechanismus nach Pielkes laryngoskopischen, Mttseholds stroboskopischen und Schillings R\u00f6ntgenuntersuchungen wesentlich auf Unterschieden in der Stellung des Kehlkopfes und des Kehldeckels beruht, wodurch Verteilung der Arbeit auf die verschiedenen Muskelgruppen, Verl\u00e4ngerung des Ansatzrohres und Verschiebung der Resonanz -Verh\u00e4ltnisse bewirkt wird). Dann bleibt es in der I-Sph\u00e4re, wird aber nicht so kr\u00e4ftig und schmetternd. Bei gr\u00f6\u00dferer Kraftentfaltung wird daher doch wieder gelegentlich die offene Stimmgebung auch in der H\u00f6he herangezogen. Schilling hebt neuerdings hervor, da\u00df f\u00fcr Kunsts\u00e4nger immerhin die M\u00f6glichkeit bestehe, durch kompensatorische Mundeinstellungen der Alteration der Vokale auch bei offener Stimmgebung entgegenzuwirken. Aber ohne solche besondere Ma\u00dfregeln, die wohl nur wenige beherrschen, wird man ihnen unterliegen.\n1) Zur Vermeidung von-Mi\u00dfverst\u00e4ndnissen schl\u00e4gt Schilling vor, die offene Stimmgebung \u201eungedeckt\u201c zu nennen, was sich in der Tat namentlich f\u00fcr Gesangsp\u00e4dagogen empfehlen d\u00fcrfte. Wir bleiben hier zun\u00e4chst bei dem \u00fcberlieferten Sprachgebrauch.","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"Offenes und gedecktes Singen und offene und geschlossene Aussprache. 259\nDiese spontanen Umwandlungen beim offenen Singen beginnen mit auf steigender Tonh\u00f6he an verschiedenen Punkten: f\u00fcr U, \u00dc und I schon bei fis\u2014g (wenigstens auf gedehnten Silben), dann folgen die \u00fcbrigen, zuletzt A, das ebenso wie \u00c4 in beiden Formen wesentlich unver\u00e4ndert in bezug auf seinen Vokalcharakter, wenn auch nicht in bezug auf Klangsch\u00f6nheit, bis in die h\u00f6chste Lage der M\u00e4nnerstimme gesungen werden kann. In diese beiden Vokale verwandeln sich beim offenen Singen zuletzt alle anderen. Aber die Klangfarbe gleicht dann mehr der eines schreienden Instruments als einer guten Menschenstimme1). Also eine Vernichtung der Vokalunterschiede, wie bei der Frauenstimme von c2 aufw\u00e4rts, aber aus verschiedenen Ursachen. Denn dort handelt sichs um fortschreitende Verarmung an Obert\u00f6nen der entsprechenden Regionen, hier aber vermutlich umgekehrt um ein Reicher- und St\u00e4rkerwerden der Obert\u00f6ne, besonders in der 2- und 3-gestrichenen Oktave, wodurch die Unterschiede gleichfalls verschwinden m\u00fcssen. Man kann diese akustischen Umwandlungen auch, wie dort, in die einfache Regel fassen, da\u00df die Vokale sich nach der Mitte des Vokaldreiecks hin verschieben.\nDiesen Ver\u00e4nderungen wirkt also die Deckung entgegen und bewirkt, da\u00df die Vokale den vorgestellten, intendierten, nahebleiben. Ob dies v\u00f6llig gelingt, ist die Frage. Schilling ist geneigt, sie zu bejahen: nicht die Vokalisierung, sondern nur die Klangfarbe der Stimme werde durch die Deckung beeinflu\u00dft. In Ermangelung eigener Erfahrungen und Beobachtungen nach dieser Richtung glaube ich doch aus seinen Versuchsergebnissen entnehmen zu k\u00f6nnen, da\u00df kleinere Verschiebungen auch in der Vokalnuance nicht ganz dabei vermieden werden, wenngleich der Vokal innerhalb seiner Sph\u00e4re verbleibt. Pielke hat mit Gutzmann die Ver\u00e4nderungen bei den 5 Hauptvokalen durch Aufnahme von Schallkurven untersucht, aus denen Gutzmann die Amplituden der Teilt\u00f6ne nach dem Fourier-Verfahren berechnete. Die Diagramme zeigen bei den offenen Vokalen Verst\u00e4rkung des 2., Schw\u00e4chung des 1. Teiltons. Bei U, 0, A ist uns dies ohne weiteres verst\u00e4ndlich, bei E und I betrifft die festgestellte Ver\u00e4nderung offenbar die Unterformanten, die sich ja beim \u00dcbergang von I zu E von U nach 0, bei dem von E zu \u00c4 von O nach AO wandeln, also wieder beidemal in die H\u00f6he gehen.\nx) Pielke, der zuerst diesen Vorgang eingehend untersuchte, bringt erg\u00f6tzliche Beispiele aus der Praxis von Opernten\u00f6ren, wie \u201eGl\u00f6ck\u201c statt Gl\u00fcck, \u201ewannevoll\u201c statt wonnevoll, bemerkt \u00fcbrigens, da\u00df auch beim scharf akzentuierten Sprechen \u00e4hnliche Umwandlungen (Fretz statt Fritz u. dgl.) Vorkommen.\n17*","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260\t10- Kap. Systematik der Sprachlaute vom akustischen Standpunkte.\nAuffallend ist aber in Gutzmanns Diagrammen (bei Pielke 1), da\u00df die Formanten bei A, E, I au\u00dferordentlich schwach herauskommen. Im Verh\u00e4ltnis dazu sind die Amplituden der beiden ersten Teilt\u00f6ne oder des einen von ihnen ganz enorm, was allen sonstigen Kurvenaufnahmen wie auch unseren Befunden widerspricht. Der Gegensatz der hohen und tiefen Teil t\u00f6ne w\u00e4chst noch, wenn man statt der Amplituden Intensit\u00e4ten (a2 n2) setzt. Bei dem gedeckten A auf cs1 z. B. verh\u00e4lt sich die Amplitude des Grundtons zu der des Formantzentrums b2 wie 59,6:3, die Intensit\u00e4t sogar wie 320:7,3. Dieses verd\u00e4chtige Ergebnis d\u00fcrfte in der Membran des Apparates seinen Grund haben. Infolge dieser Erw\u00e4gungen ist wohl auch der Unterschied zwischen dem Verh\u00e4ltnis des 1. und 2. Teiltons bei offenem und gedecktem Singen nicht so gro\u00df anzunehmen, wie er in den Diagrammen erscheint; doch d\u00fcrfte es im allgemeinen damit seine Richtigkeit haben.\nIn den Lehrb\u00fcchern der Gesangskunst konnte ich, soweit sie mir bekannt wurden, nirgends eine akustische Definition des Unterschiedes finden, auch nicht in J. Stockhausens \u201eGesangstechnik\u201c, \u2014 \u00fcberall nur Beispiele. Nur der alte M. Gahcia, der die heutigen technischen Ausdr\u00fccke daf\u00fcr noch nicht gebraucht, bezeichnet den Unterschied als den einer hellen und einer dunklen Klangfarbe (timbre clair\u2014sombre). Freilich hebt auch er nicht hervor, da\u00df damit eben die Vokalit\u00e4t selbst sich \u00e4ndere. Es schweben ihm mehr \u00e4sthetische Kategorien vor: die helle Stimmform werde jenseits fis1 imangenehm kreischend, w\u00e4hrend die dunkle einen runden, edlen, lieblichen Ton erzeuge.\n\u00dcbrigens gibt es in der ganzen phonetischen Literatur kein Kapitel, worin die Definitionen und der Sprachgebrauch so durcheinander gehen wie bez\u00fcglich der Unterschiede der Stimmgebung und der Stimmregister. Am meisten schwankt der Ausdruck \u201eKopfstimme\u201c, den manche, wie selbst der verdiente Gesangsprofessor G. Engel sehr unsachgem\u00e4\u00df mit \u201eFalsett\u201c Zusammenlegen. Vgl. Nadolecznys \u00dcbersicht S. 642.\nBei der Frauenstimme kommt eine Art Deckung nur f\u00fcr die tiefere Lage, bis gegen die Mitte der 1-gestrichenen Oktave vor. F\u00fcr die in hohen Lagen angewandte \u201eKopfstimme\u201c, die eine gewisse Analogie zur Deckung bietet, fand Sokolowsky schw\u00e4chere Obert\u00f6ne als bei der Bruststimme. Garten gibt an (3, VIII., S. 20), dabei h\u00f6here Formanten gefunden zu haben ; was bedeuten w\u00fcrde, da\u00df die Vokale (wahrscheinlich handelte es sich nur um U, O, A) heller gegeben wurden. Aber hier treten ohnedies unvermeidliche Ver\u00e4nderungen der Vokale ein, gegen die auch kein Registerwechsel mehr helfen kann.\nDas Ganze ist sonach nur eine Angelegenheit der Stimmtechnik, nicht eigentlich der Vokaltheorie. Den Vokalen wird dadurch keine neue Dimension und keine neue Klasse hinzugef\u00fcgt, wie es etwa bei den nasalierten Vokalen der Fall ist. Gesangstheoretisch bleibt es bemerkenswert, da\u00df die vom S\u00e4nger tats\u00e4chlich hervorgebrachten Vokale in der H\u00f6he nur durch besondere Ma\u00dfregeln mit den vom Text vorgeschriebenen und vom S\u00e4nger selbst intendierten in \u00dcbereinstimmung gebracht werden und Ruch mit diesen Ma\u00dfregeln noch kleineren Abweichungen aus-","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"Offenes und gedecktes Singen und offene und geschlossene Aussprache. 261\ngesetzt sind. Aber mit der Klassifikation der Vokale selbst hat dies nichts zu tun.\nb) Wenn in der Theorie und Geschichte der Sprache von dem Unterschiede offener und geschlossener Vokale die Rede ist, so handelt sich\u2019s nicht um Erfordernisse und Bed\u00fcrfnisse der Stimmgebung oder Lautsch\u00f6nheit, sondern um gewisse historisch in Gebrauch gekommene Unterschiede in der Aussprache eines Buchstabenzeichens. Linguisten pflegen akustische Erl\u00e4uterungen dar\u00fcber ebensowenig wie Gesangslehrer \u00fcber die vorangehende zu geben; auch sie verweisen nur auf die verschiedene Hervorbringungs-weise. Den akustischen Unterschied mu\u00df man aus den Beispielen erschlie\u00dfen. Hiernach verstehen auch die Linguisten durchg\u00e4ngig-unter einem geschlossenen U, O, A ein in unserem Sinne dunkleres, unter einem offenen ein helleres (nach 0, A, \u00c4 neigendes); unter einem gedeckten \u00d6, \u00c4, \u00dc, E, I aber umgekehrt ein helleres, unter einem offenen ein dunkleres, nach den in der Helligkeits-ordnung vorausgehenden Vokalen hinneigendes oder ganz in sie \u00fcbergehendes. Sie pflegen \u00c4 \u00fcberhaupt nur als eine offene Form des E zu bezeichnen. Dies hat seine Grundlage in der Sprachgeschichte, die zu verschiedenem Aussprechen ein und desselben Buchstabenzeichens gef\u00fchrt hat. Man schreibt \u201eHerr, fett, hell\u201c, spricht aber ,,H\u00e4rr, f\u00e4tt, h\u00e4ll\u201c, wenn auch das \u00c4 etwas heller ist als etwa in \u201eM\u00e4hren\u201c. \u00c4hnliches im Italienischen. Solche Mehrdeutigkeiten geh\u00f6ren eben zu dem ererbten Bestand aller historischen Sprachen. Immerhin ist die deutsche Sprache darin \u00e4rmer als viele andere; schon das Franz\u00f6sische kennt ja au\u00dfer dem E = E und dem E = \u00c4 noch ein E = \u00d6 (dem sich unser tonloses E nur n\u00e4hert).\nZwar da\u00df jedes Buchstabensymbol eine gewisse Breite seiner akustischen Bedeutung haben mu\u00df (ebenso wie jeder Ton- und Earbenname, wenn sie nicht durch Schwingungszahlen oder Wellenl\u00e4ngen definiert werden), ist \u00fcberhaupt selbstverst\u00e4ndlich. Aber wenn man einmal die im Deutschen gebr\u00e4uchlichen, wohlunterschiedenen und in der Regel auch durch besondere Zeichen ausgedr\u00fcckten 8 Klassen auseinanderh\u00e4lt, so w\u00e4re vom rein logischen Standpunkt doch zu w\u00fcnschen, da\u00df sie sich wenigstens nicht \u00fcberschneiden m\u00f6chten. Das \u201eoffene E\u201c ist eben akustisch kein E mehr; es ist nicht \u201edieselbe Farbe in anderer couleur\u201c, sondern eine andere Farbe. Akustisch ist \u00c4 sowenig ein E, wie 0 ein U. Sagen wir : K\u00e4se, so sind die beiden Vokale ebenso verschieden wie die in Juno oder R\u00fctli. Vergleiche ich Brummb\u00e4ren mit Brombeeren, so sind die ersten Vokale nicht verschiedener als die zweiten.","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"\u2018262\t16- Kap. .Systematik der Sprachlaute vom akustischen Standpunkte.\nMan k\u00f6nnte vielleicht zur rationellen Rechtfertigung der Mehrdeutigkeit auf die verschiedenen Schl\u00fcssel hin weisen, durch die in der Notenschrift ein und dieselbe Note grundverschiedene \u2014 bis zu mehr als Oktavenweite abstehende \u2014 Tonbedeutungen erh\u00e4lt. So seien auch in der Buchstabenschrift den Zeichen je nach dem einzelnen Falle gleichsam unsichtbare Schl\u00fcssel vorgesetzt, im Franz\u00f6sischen sogar in den verschiedenen Akzenten sichtbare. Die Praxis unserer Umgangssprache zeige aber, da\u00df solche im Deutschen nicht vonn\u00f6ten seien. Der Vergleich k\u00f6nnte bis zu einem gewissen Grade stimmen, wenn er auch naturgem\u00e4\u00df hinkt. Indessen lebt sich auch so ja das heranwachsende, Schreiben und Lesen lernende Geschlecht in den Sprachgebrauch ein, und wir denken nicht an Abschaffung.\nAber die Theorie darf sich nicht dadurch beirren und zu Wendungen verleiten lassen, als l\u00e4ge hier eine doppelte Form des Vokallautes selbst vor, als bedeuteten \u201eoffen und geschlossen4' eine besondere Dimension des akustischen Eindruckes, nach der sich ein Vokal be.i unver\u00e4nderter Stellung im Vokaldreieck noch wandeln k\u00f6nnte. Die Einteilung kreuzt sich nicht mit der der Helligkeiten und der mit diesen variierenden Vokalcharaktere, sondern ist darin schon enthalten1). Der offene Vokal liegt stets mehr nach der Dreiecksmitte zu als der geschlossene von gleicher Buchstabenbezeichnung.\nF\u00fcr die lebendige Sprache, ihre Geschichte und Theorie, ist die akustisch verschiedene Wiedergabe ein und desselben Buchstabenzeichens im Sinne offener und geschlossener Aussprache namentlich dadurch von Bedeutung, da\u00df sie eng mit der von kurzen und langen Silben verkn\u00fcpft ist und damit offenbar auch kausal zusammenh\u00e4ngt2). Vi\u00ebtor verbindet beide geradezu in der Definition als \u201elange und geschlossene, kurze und offene Vokale4 \u00a3. Es scheinen tats\u00e4chlich ausnahmslos die offenen Vokale kurz, die geschlossenen gedehnt zu sein (wie \u201efett \u2014 Seele44, \u201eMord \u2014 Wohl44)3). Doch ist nicht umgekehrt jedes kurze E zugleich ein offenes, vgl. Bett, Vetter, Rettung, Gesell, Elle. Ebenso kommen lange E vor, die mehr offen gesprochen werden. So scheint mir das E in \u201eWer?44 auch bei Dehnung n\u00e4her an \u00c4 als an E zu liegen.\nAber sogar noch ein dritter Unterschied kommt hinzu : die offen und kurz gesprochenen Vokale werden vielfach zugleich\n1)\tSelbst ein so vortreffliches Werk wie Viktors Phonetik scheint mix von diesem, dem Sprachforscher allerdings naheliegenden, Mi\u00dfverst\u00e4ndnis nicht ganz frei zu sein.\n2)\tSievers, der die geschlossenen und offenen Formen mit Winteler durch u1 \u2014 u2, o1 \u2014 o2 usf. bezeichnet, versucht f\u00fcr das Zusammentreffen mit L\u00e4nge und K\u00fcrze eine psychologische Erkl\u00e4rung (S. 230), die auf dei richtigen F\u00e4hrte sein d\u00fcrfte.\n3)\tAuch in den Beispieltabellen der Gesangschulen, bei Stockhausen Friedl\u00e4nder, No\u00eb und Moser usf. f\u00e4llt offen \u2014 geschlossen durchweg mit kurz \u2014 lang zusammen.","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"Multiple Vokale.\n263\nst\u00e4rker hervorgesto\u00dfen, was ja auch psychologisch einigerma\u00dfen naheliegt. Auch heim Ges\u00e4nge geh\u00f6rt Kultur der Stimme dazu, um beim Forte in der H\u00f6he geschlossen zu vokalisieren1).\nAber um so deutlicher ist auch, da\u00df ein Einteilungsgrund, der sich aus 2 oder 3 verschiedenen Attributen (Helligkeit, Zeitdauer, St\u00e4rke) zusammensetzt, deren Ver\u00e4nderungen nicht notwendig und immer parallel laufen, als Fundament einer Klassifikation sein Mi\u00dfliches hat.\nSelbst individuelle und provinzielle Eigenheiten wirken gelegentlich mit, um diese Angelegenheit zu verwirren. Wenn z. B. Br\u00fccke das E in ^ehrlich\u201c als Analogon des franz\u00f6sischen \u00e8 anf\u00fchrt, so kann man sich des Gedankens nicht erwehren, da\u00df die langj\u00e4hrige Wiener Umgebung ihn dabei beeinflu\u00dfte, obschon er ein geborener Berliner war. Wenn ferner Vi\u00ebtor \u201ePferd, Erz, Wert\u201c als Beispiele des geschlossenen E benutzt, so scheinen mir diese auch nicht besonders gl\u00fccklich gew\u00e4hlt. Soviel ich h\u00f6ren kann, ist die hochdeutsche Aussprache dabei in der Regel nicht so \u00c4-frei, wie etwa in \u201eRede, See\u201c. Ein nachfolgendes R scheint verdunkelnd (\u00f6ffnend) auf das E zu wirken. Zugleich zeigen die Beispiele wieder, da\u00df lange Vokale nicht immer zugleich im vollen Sinne geschlossen zu sein brauchen, so wenig wie kurze immer offen sein m\u00fcssen.\nDa\u00df \u00fcberhaupt Zwischenstufen Vorkommen, bei denen sich die individuelle Variabilit\u00e4t besonders geltend machen wird, liegt in der Natur der Sache und geh\u00f6rt mit zu den Unterschieden gegen\u00fcber dem Falle der musikalischen Schl\u00fcssel. So wird man in \u201eFehlen, Leben\u201c die 1. Silbe bald mehr geschlossen, bald mehr offen gesprochen h\u00f6ren; dem Verfasser w\u00fcrde die genaue Mitte zwischen E und \u00c4 am angemessensten erscheinen. \u201eLerche\u201c steht schon wieder n\u00e4her am reinen \u00c4, f\u00e4llt aber auch noch keineswegs damit zusammen. Spricht man \u201eHehr, Heer, Herd, Herr, H\u00e4hne\u201c, so werden wohl die meisten diese Reihenfolge der allm\u00e4hlichen Verdunkelung (\u00d6ffnung) approbieren.\nBr\u00fccke hat derartige \u00dcbergangsstufen feinh\u00f6rig in Klassenform festgelegt. Aber sie d\u00fcrften in der Praxis eine stetige Reihe zahlloser Nuancen bilden. Ein einfaches und sicheres Mittel zur Verst\u00e4ndigung \u00fcber Helligkeitsgrade bildet die Angabe der Tonh\u00f6he beim Fl\u00fcstern. So gibt der Gesangsp\u00e4dagoge Tr. Heinrich sein \u00c4 in \u201eV\u00e4ter\u201c mit einem etwas erh\u00f6hten b3, sein E in \u201eErde\u201c mit gis3 an; beiden'Notierungen k\u00f6nnte ich nur zustimmen. Die Tonh\u00f6hen des E in den soeben erw\u00e4hnten 5 W\u00f6rtern sind in meiner Aussprache : c4, b3, a3, as3, g3. Um einen halben Ton k\u00f6nnen sie immerhin je nach der St\u00e4rke und dem Affekt, mit denen gefl\u00fcstert wird, schwanken, aber kaum mehr.\n8. Multiple Vokale.\nObgleich die Vokale im gew\u00f6hnlichen Sinne, als farbige Laute individueller menschlicher Stimmen, ein in sich geschlossenes System bilden, ist es doch von entscheidender Wichtigkeit, da\u00df dieses System selbst nur einen Ausschnitt aus den zahllosen f\u00fcr das menschliche Ohr wahrnehmbaren Klangfarben darstellt und\n4) \u201eMan wird finden\u201c \u2014 sagt Stockhausen \u2014, \u201eda\u00df die offenen Vokale den st\u00e4rkeren, die geschlossenen den schw\u00e4cheren Ton beg\u00fcnstigen.\u201c","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264\t10- Kap. Systematik der Sprachlaute vom akustischen Standpunkte.\nstetig in seine Nachbarn \u00fcbergeht. Zun\u00e4chst k\u00f6nnen schon durch die menschliche Stimme selbst vokalartige Kl\u00e4nge hervorgebracht werden, die im Wortschatz keiner Sprache enthalten sind: indem n\u00e4mlich mehrere Personen gleichzeitig verschiedene Vokale auf demselben Grundton singen oder sprechen. Diese wollen wir hier multiple Vokale nennen. Sie w\u00fcrden an sich, soweit ihre Teile noch einigerma\u00dfen unterscheidbar bleiben, unter die simultan mehrteiligen geh\u00f6ren, von denen unter 2. die Rede war, sind aber dadurch unterschieden, da\u00df sie in der normalen Sprache nicht Vorkommen.\nZur genauen Herstellung von Doppelvokalen mu\u00df man die Einzelvokale in verschiedene Leitungen sprechen lassen, die sich vor dem Ohre des in einem anderen Raume befindlichen Beobachters vereinigen, und mu\u00df durch einen drehbaren Hahn oder eine \u00e4hnliche Vorrichtung f\u00fcr genau gleichzeitigen Beginn und Schlu\u00df des Geh\u00f6rseindruckes sorgen. Nat\u00fcrlich kann man in analoger Weise auch 3 und mehr, ja, alle unsere 8 Vokale vereinigen. Ich habe solche Versuche nur probeweise mit je zweien angestellt. Manche Vokale geben ohne weiteres einheitliche Mischprodukte, wie A und E, andere mischen sich nicht, wenigstens nicht f\u00fcr unsere Auffassungsgewohnheiten ; doch w\u00e4re es wohl m\u00f6glich, da\u00df bei h\u00e4ufiger Darbietung in entsprechenden St\u00e4rkeverh\u00e4ltnissen auch da einheitlichere Eindr\u00fccke zustande k\u00e4men. A und \u00d6 verschmelzen noch ziemlich gut, schwerer dagegen A und I. Solche Unterschiede gibt es ja aber auch unter unseren gew\u00f6hnlichen Vokalen, insofern die Vokale mit leeren Strecken weniger verschmelzen bzw. leichter durch das blo\u00dfe Geh\u00f6r zerlegt werden k\u00f6nnen als die aus einem St\u00fcck bestehenden, wie O oder A.\nSehr eingehend hat sich in den letzten Jahren K. Huber mit solchen \u201eVokalmischungen\u201c besch\u00e4ftigt. Die Versuche (weit \u00fcber 600) waren unwissentlich, d. h. die Urteilenden hatten keine Kenntnis der jeweiligen Komponenten und konnten sie nur in 7% der F\u00e4lle richtig erschlie\u00dfen. Die 8 Vokale wurden in allen m\u00f6glichen Kombinationen zu je zweien gemischt. Sie erschienen in sehr ungleichem Ma\u00dfe zur Einheit verschmolzen (4 Stufen). Die qualitativen Ergebnisse sind noch nicht ausf\u00fchrlicher ver\u00f6ffentlicht. Doch wird betont, da\u00df die Resultante keineswegs immer der \u00c4hnlichkeit nach zwischen den Komponenten lag, da\u00df A durch keine einzige Kombination zustande kam, dagegen alle \u00fcbrigen Qualit\u00e4ten des Vokaldreiecks durch Mischungen von U, A, I in verschiedenen Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnissen darzustellen waren. Es wurden aber auch Versuchsreihen mit Verteilung der beiden Eindr\u00fccke an beide Ohren (\u201edichotischer\u201c Zuleitung) gemacht1). Dieselben Verschmelzungsstufen traten dabei auf, nur modifiziert\n*) Versuche in dieser Form schon bei v. Hornbostel (1, S. 75ff). Er verkn\u00fcpfte so auch Vokal- mit Instrumentalkl\u00e4ngen (Versuch 13) und hebt nicht mit Unrecht die Bedeutung solcher Beobachtungen f\u00fcr die physiologische H\u00f6rtheorie hervor.","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"Multiple Vokale.\n265\ndurch die r\u00e4umlichen Eigenheiten des dichotischen H\u00f6rens. Qualitativ aber ergaben sich hier immer Zwischenvokale; z. B. mischten sich A und I zu einem in ihrer Verbindungslinie auf dem Vokaldreieck liegenden Vokal, also \u00c4 oder E. Doch gelang die Mischung von O und E zu \u00d6 nur schwer und unvollkommen, die von U und I zu \u00dc \u00fcberhaupt nicht mehr.\nEs finden sich in Hubers Ergebnissen, soweit sie mitgeteilt sind, neben v\u00f6llig durchsichtigen und lehrreichen auch einige Paradoxien, die ich nicht aufzul\u00f6sen w\u00fc\u00dfte. Eine Nachpr\u00fcfung der Einrichtungen, die er freundlichst gestattete, f\u00fchrte nicht zur Einigung, lehrte aber wenigstens, da\u00df es hier ganz besonders auf vollkommen genaue Nuancierung der Vokale in jedem Einzelfalle, sowie auf unver\u00e4nderte Hin\u00fcberleitung in den Beobachtungsraum (bei imwissentlichen Versuchen ist lange Leitung erforderlich) ankommt.\nIn theoretischer Hinsicht kann ich der Vokalmischung nicht die grundlegende Bedeutung zuerkennen, wie sie der Farbenmischung zukommt. Dort werden Spektralfarben oder wenigstens nahezu einfache Farben von bestimmten Wellenl\u00e4ngen zur Deckung auf der Netzhaut gebracht. Hier hingegen handelt es sich schon um hoch zusammengesetzte Schwingungen. Auch haben die Mischungsvorg\u00e4nge in der Netzhaut und im Sehzentrum kein Analogon im Ohr und im H\u00f6rzentrum, wo niemals aus 2 gen\u00fcgend verschiedenen T\u00f6nen ein mittlerer oder ein Ger\u00e4usch (analog dem durch Rot und Gr\u00fcn erzeugten Wei\u00df) entsteht. Ich glaube daher nicht, da\u00df man \u00fcber das Wesen der Vokale auf diesem Wege prinzipielle Aufschl\u00fcsse erwarten darf. Aber zur Anwendung und Bew\u00e4hrung bereits gewonnener Strukturerkenntnisse, als Probe auf das Exempel werden sorgf\u00e4ltige Untersuchungen wie die HuBERsche immer wertvoll bleiben.\nWie die Teiltontabellen der kombinierten Vokale bei mono-tischer bzw. amphotischer Zuleitung aussehen m\u00fcssen, l\u00e4\u00dft sich bei gleicher St\u00e4rke der Einzelvokale aus unseren Teiltontafeln ungef\u00e4hr Voraussagen, und danach k\u00f6nnte man auch ihre direkte Synthese aus einfachen T\u00f6nen bewirken. Zu ber\u00fccksichtigen ist nat\u00fcrlich, da\u00df die Grundt\u00f6ne und die zusammenfallenden Teilt\u00f6ne sich verst\u00e4rken und infolgedessen auch die Wechselwirkungen unter den Teilt\u00f6nen hinsichtlich ihrer physiologischen Intensit\u00e4t (12. Kapitel) Verschiebungen erleiden m\u00fcssen. So kann z. B. bei U -j- I der I-Formant infolge Verst\u00e4rkung des Grundtons (evtl, auch seiner Oktave) ganz unterdr\u00fcckt und einfach ein U geh\u00f6rt werden. \u00dcberhaupt wird durchschnittlich der Mischvokal wegen der Verst\u00e4rkung des Grundtons etwas dunkler ausfallen als jeder der Einzelvokale.\nNiemals kann, wenigstens bei monotischer Zuleitung, aus U + I irgendein anderer Vokal als einer dieser beiden, auch nicht ein \u00dc, herauskommen; ebensowenig aus O + E ein \u00d6. Dies ist so unm\u00f6glich, wie da\u00df aus dem Zusammenklang c + g ein e entst\u00e4nde, ja, es ist sogar derselbe Fall: denn die Formanten von 0 und E und der dazwischen liegende Formant des \u00d6 sind ja eben T\u00f6ne von bestimmter H\u00f6he. Die Wirkung von U + I, O + E kann","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266\t10- Kap. Systematik der Sprachlaute vom akustischen Standpunkte.\nnur die sein, da\u00df der Formant des I bzw. E gegen\u00fcber seinem Unterformanten geschw\u00e4cht, unter Umst\u00e4nden unterdr\u00fcckt wird. H\u00f6chstens k\u00f6nnten h\u00f6here, an sich unwesentliche Teilt\u00f6ne des U und 0 sich mit solchen des I und E zu einer etwas ver\u00e4nderten Nuance der tiefen Vokale verbinden.\nAuch A + I kann monotisch nicht einen auf der entsprechenden Dreieckslinie liegenden Vokal, \u00c4 oder E, geben. Hier mu\u00df ein neuer Vokal entstehen, ein durch einen viel breiteren oder gespaltenen Unterformanten entstelltes I, wenn anders dessen Formant \u00fcberhaupt gen\u00fcgend zur Geltung kommt. Wie freilich dichotisch zugeleitete Vokale sich anh\u00f6ren werden, kann man, da es sich dabei nicht um blo\u00df physikalische Addition der Schwingungen, sondern um physiologische Prozesse handelt, nicht so einfach aus den Einzeltabellen Voraussagen.\nAuch die Mischvokale m\u00fcssen ex constructione ihre Formanten haben, die fest bleiben, wenn die beiden Einzelvokale zu einer anderen Tonh\u00f6he \u00fcbergehen. Ihrer Komplexqualit\u00e4t nach w\u00fcrden sie sich, soweit sie einheitlich, also auch in einheitlicher Helligkeit erscheinen, entweder im Vokaldreieck anordnen oder in einer sonstigen geschlossenen Figur mit geradliniger Basis, in welcher unser Vokaldreieck enthalten w\u00e4re. An die Stelle der seitlichen, in der A-Spitze zusammentreffenden Geraden w\u00fcrde vielleicht eine einzige gekr\u00fcmmte Linie treten. Aber es lohnt sich nicht, hier\u00fcber zu spekulieren. Das Interesse, das solche F\u00e4lle bieten, d\u00fcrfte sich darauf beschr\u00e4nken, da\u00df sie Beispiele liefern f\u00fcr die selbst innerhalb der menschlichen Stimme noch m\u00f6glichen Vokalfarben und Material f\u00fcr Studien \u00fcber einheitliches und mehrheitliches, evtl, monotisches und dichotisches H\u00f6ren.\nWenn man die M\u00fche nicht scheut, k\u00f6nnte man auch noch weitere Komplikationen dadurch erzielen, da\u00df die verschiedenen Personen ihre verschiedenen Vokale auf verschiedenen Grundt\u00f6nen singen. Ja, man kann auch Vokale mit anderen Kl\u00e4ngen mischen und dabei durch Intensit\u00e4tsverschiebungen selbst stetige \u00dcberg\u00e4nge aus dem einen in das andere Gebiet herbeif\u00fchren. Tats\u00e4chlich h\u00f6ren wir solche Mischungen immer bei begleiteten Ges\u00e4ngen, in denen auch alle m\u00f6glichen Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse Vorkommen. Multiple Vokale im allgemeinen h\u00f6ren wir in der musikalischen Praxis immer, wenn mehrere S\u00e4nger oder Ch\u00f6re gleichzeitig auf verschiedenen Texten singen, sei es in identischen oder in verschiedenen Tonfolgen. In der Opernmusik ist dies ja nicht selten der Fall. Allerdings treffen dabei die S\u00e4nger, wenn sie nicht unisono singen, nur gelegentlich und zuf\u00e4llig auf denselben T\u00f6nen zusammen. Aber auch bei verschiedener Tonh\u00f6he m\u00fcssen","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"Vokali t\u00e4ten au\u00dferhalb der menschlichen Stimme.\t267\nMisch vokale herauskommen, wenn jeder seinen eigenen Text singt, nur noch kompliziertere. Wissenschaftliche Beobachtungen lassen sich dabei nicht machen, da es sich fast immer um eine Art Parlando in raschem Tempo handelt. Der Zweck dieser Singweise ist aber auch keineswegs, einheitliche neue Vokalfarben zu erzeugen; im Gegenteil soll der H\u00f6rer die Texte nach M\u00f6glichkeit auseinanderhalten, was ihm freilich auch nur sehr unvollkommen und \u2014 wenn er es \u00fcberhaupt f\u00fcr der M\u00fche wert h\u00e4lt \u2014 nur mit Hilfe des Textbuches oder des Erratens aus der Situation heraus gelingt. Praktisch k\u00f6nnen daher diese hybriden Vokalbildungen nicht die Bedeutung in Anspruch nehmen, wie sie den durch Schallhindernisse entstehenden und durch k\u00fcnstlichen Abbau nachzuahmenden defekten Bildungen zukommt. In der Instrumentalmusik verh\u00e4lt es sich anders : da sind multiple Klangfarben von gr\u00f6\u00dfter Wichtigkeit (s. 15. Kap. unter 9).\n9. Vokalit\u00e4ten au\u00dferhalb der menschlichen Stimme.\nDie multiplen Vokale bilden einen \u00dcbergang zu den zahllosen vokal\u00e4hnlichen Klangfarben, die in der Kunst wie in der Natur Vorkommen und f\u00fcr das menschliche Ohr vernehmbar sind. Schon wenn man mit unserer synthetischen Einrichtung den Formanten des I mit dem Unterformanten des E verbindet, entsteht ein Gebilde, das man mit der Stimme selbst kaum wird erzeugen k\u00f6nnen. Ebenso bei Phonographenversuchen (oben S. 229). Auch bei musikalischen Instrumenten finden sich Ann\u00e4herungen an Vokalisches, auf die wir noch n\u00e4her zur\u00fcckkommen werden. Nimmt man noch Tierstimmen dazu, das Tirili der Lerche (anscheinend ein Ultra-I ohne Unterformanten), das Uhu der Eule, das M\u00e4h des Lammes usf.1), sowie mehr oder minder vokal\u00e4hnliche Kl\u00e4nge der unbeseelten Natur, so mu\u00df man sicher zugeben, da\u00df zwischen den menschlichen Vokalen und den \u00fcbrigen Klangfarben scharfe Grenzen nicht bestehen. Auch das Merkmal der festen Formanten ist nicht an die Sprachlaute allein gebunden, sondern mu\u00df sich \u00fcberall finden, wo durch eine feste Resonanz bei wechselndem Grundton Teilt\u00f6ne von gleichbleibender absoluter H\u00f6he verst\u00e4rkt werden. Auch bei Instrumenten scheint dergleichen bis zu einem gewissen Grade vorzukommen (s. 15. Kapitel). Ein\nx) Sokolowsky hat sogar bei einem \u201esprechenden Hunde\u201c, aus dessen Bellen man \u201eHunger, Kuchen, Ruhe\u201c heraush\u00f6ren wollte, eine U-Kurve auf genommen und daraus regelrecht nach Fourier 10 Teilt\u00f6ne auf dem Grundton dis1 berechnet, unter denen dis2 der st\u00e4rkste war (Katzensteins Arch. f. exp. Phonetik B. 1, 1913). Das gebellte U mu\u00df doch stark nach O hin geklungen haben.","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"268\t10. Kap. Systematik der Sprachlaute vom akustischen Standpunkte.\nInstrument freilich, dessen Resonanz man so bequem und fein umstellen kann wie bei der menschlichen Stimme, gibt es bisher nicht.\nAus diesen Betrachtungen geht aufs neue hervor, wie wenig berechtigt es ist, f\u00fcr die Vokale der menschlichen Sprache ein ganz singul\u00e4res, unvergleichliches Wesen in Anspruch zu nehmen. Wie die Vokale einer einzelnen historischen Sprache nur ein Ausschnitt aus den f\u00fcr individuelle menschliche Sprachwerkzeuge \u00fcberhaupt m\u00f6glichen sind, so sind diese selbst wieder nur ein Ausschnitt aus der Gesamtheit der m\u00f6glichen Klangfarben und h\u00e4ngen durch stetige \u00dcberg\u00e4nge mit den \u00fcbrigen zusammen.\nWas sie von diesen unterscheidet, ist nur jener Vertrautheitscharakter, wie er im h\u00f6chsten Grade den Lauten der Muttersprache, in geringerem aber allen durch ein menschliches Sprach-organ erzeugbaren Kl\u00e4ngen zukommt. Er verleiht ihnen den Anschein der Unvergleichbarkeit. Aber er hat nichts mit einzigartigen Eigenschaften des Klangmaterials zu tun, sondern wurzelt nur in dem seelischen Verhalten der dem Menschengeschlecht und einer besonderen Nation angeh\u00f6rigen individuellen H\u00f6rer. Dadurch sind f\u00fcr jeden von uns Typen, Kategorien entstanden, auf die er alle anderen Laute bezieht. Aber \u00e4hnlich verh\u00e4lt es sich doch auch mit den heimischen Instrumenten gegen\u00fcber der Menge der m\u00f6glichen instrumentalen Klangfarben. Es ist nicht einmal wahrscheinlich, da\u00df den Lauten der Muttersprache in bezug auf die Leichtigkeit der Hervorbringung oder der Auffassung und des Wiedererkennens ein besonderer Vorzug f\u00fcr das sprechenlernende Individuum innewohnte.\nII. Konsonanten.\nF\u00fcr die Klassifikation der Konsonanten wird seit alter Zeit von den Linguisten die Erzeugungsweise in den Vordergrund gestellt, von ihrem Standpunkte mit Recht, insofern organogenetische Beschreibungen zur Nachbildung anleiten sollen. Doch hatte man nat\u00fcrlich auch die akustischen Verschiedenheiten mit im Sinne,, auf deren Erzeugung es ankommt; und kein Einsichtiger konnte jemals leugnen, da\u00df das Ohr hier letzte richterliche Instanz sein mu\u00df. Uns kommt es nach dem Plane unserer Arbeit auf diese Verschiedenheiten allein an. Aber im Endergebnis m\u00fcssen beide Einteilungen sich decken, da die Intention des Sprechenden bei der Einstellung seiner Sprachwerkzeuge eben auf die Hervorbringung akustisch verschiedener Eindr\u00fccke f\u00fcr den H\u00f6rer gerichtet ist. Wir werden finden, da\u00df sich f\u00fcr die Grundeinteilung akustische*","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"Konsonanten.\n269\nf\u00fcr die Untereinteilungen genetische Gesichtspunkte in erster Linie empfehlen.\nWie schon erw\u00e4hnt, d\u00fcrfte auch f\u00fcr die Konsonanten die Grundeinteilung in Mono- und Diphthongen (Triphthongen) in Betracht kommen, obschon sie hier bisher nicht gebr\u00e4uchlich ist. Warum sollte man nicht die schon anerkannten Gruppen der Aspiraten (wie Kh, Th)1) und der Affrikaten (wie Pf, Ts = Z, Ks = X) mit anderen, etwa dem slawischen C, einem T mit auslautendem \u00e4u\u00dferst weichem, kurzem und hellem sch, unter den gemeinsamen Begriff konsonantischer Diphthongen fassen? Es verh\u00e4lt sich anders mit Zusammenf\u00fcgungen wie Pt, die nicht mit einheitlicher Artikulation gesprochen werden und nicht durch einen stetigen \u00dcbergang akustisch verbunden sind.\nJa, es lie\u00dfe sich daran denken, auch von Diphthongen zu reden, die aus Vokalen und Konsonanten gemischt w\u00e4ren, \u00fcberall da n\u00e4mlich, wo ein gleitender \u00dcbergang zwischen ihnen stattfindet, durch den sie zu einer artikulatorischen wie akustischen Einheit verschmelzen, wie bei den aspirierten Vokalen (Ha, Hu) oder den afrikanischen Schnalzlauten, in denen ein Explosivkonsonant in einen hellen oder dunklen Vokal m\u00fcndet. Freilich w\u00fcrden diese \u201egemischten Diphthongen\u201c zuletzt in den lebendigen Strom der Bede \u00fcberf\u00fchren und die scharfe Abgrenzung des Begriffes gef\u00e4hrden. Es mu\u00df den Sprachforschern \u00fcberlassen bleiben, bis zu welcher Grenze sie solche Erweiterungen ratsam finden.\nDie weitere Einteilung h\u00e4lt sich auch hier an die Monophthongen. Und zwar ist es bei den Konsonanten vom akustischen Standpunkte dasBichtige, sogleich die Hauptgruppen der Ger\u00e4usche \u00fcberhaupt zu unterscheiden, und die Konsonanten in diese Gruppen einzuf\u00fcgen2). Damit ist von vornherein das erreicht, was bei den Vokalen zuletzt betont wurde, die Eingliederung in die Gesamtheit der verwandten Geh\u00f6rseindr\u00fccke3). Zun\u00e4chst sei an die allgemeine Ph\u00e4nomenologie der Ger\u00e4usche (5. Kapitel) erinnert und einiges Erl\u00e4uternde hinzugef\u00fcgt. Wir unterscheiden sie spezifisch von den T\u00f6nen und Kl\u00e4ngen. Die allgemeine Ger\u00e4uschqualit\u00e4t ist nicht\nx) Im Norddeutschen werden die Tenues \u00fcberhaupt mit angeh\u00e4ngtem leichten h gesprochen, und es ist auch kaum m\u00f6glich, sie ohne jede Spur eines nachfolgenden h kr\u00e4ftig auszusprechen. Im S\u00fcddeutschen werden sie bekanntlich von den Mediae fast nicht unterschieden.\n2)\tSo verf\u00e4hrt auch Nagel und kommt im wesentlichen zu denselben 3 Grundklassen, wie sie im folgenden unterschieden werden.\n3)\tZum \u00dcberflu\u00df k\u00f6nnte man auch hier als \u00dcbergang multiple Konsonanten auf dieselbe Weise herstellen, wie sie oben f\u00fcr multiple Vokale beschrieben ist, und so die merkw\u00fcrdigsten Bildungen erzeugen, die zum Teil dem Fauchen w\u00fctender Katzen nicht un\u00e4hnlich sein d\u00fcrften.","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270\t10. Kap. Systematik der Sprachlaute vom akustischen Standpunkte.\nweiter definierbar, weist aber analoge Modifikationen oder Ver\u00e4nderungsrichtungen auf wie die der T\u00f6ne: St\u00e4rke, Helligkeit (H\u00f6he), Volumen, musikalische Qualit\u00e4t, mehr oder minder ausgepr\u00e4gte Farbigkeit, r\u00e4umliche und zeitliche Eigenschaften. Die Fl\u00fcstervokale sind ausgepr\u00e4gt farbige, die stimmlosen Konsonanten wesentlich farblose Ger\u00e4usche. Die meisten Geh\u00f6rserscheinungen sind aber Mischungen von T\u00f6nen und Ger\u00e4uschen. Die stimmhaften Konsonanten sind solche Mischungen.\nManche Erscheinungen werden \u00fcberhaupt mit Unrecht den Ger\u00e4uschen zugewiesen. So ist das Donnern eine ausgesprochen tonale Erscheinung (\u201etonat\u201c), wenn auch seine Tonh\u00f6he wegen ihrer Tiefe und Ver\u00e4nderlichkeit schwer erkennbar ist. Es wird durch die Pauke oder eine Blechscheibe von tiefer Abstimmung deutlich nachgeahmt. Solche verkehrte Zuordnungen r\u00fchren daher, da\u00df man sich \u00fcber die wesentlichen Merkmale nicht klar ist. Nennt man Ger\u00e4usch jede Geh\u00f6rserscheinung, die hinsichtlich ihrer H\u00f6he oder sonstiger Eigenschaften schwer oder gar nicht mit dem blo\u00dfen Ohre bestimmbar ist, dann geh\u00f6rt freilich der Donner in den meisten F\u00e4llen darunter. Dann geh\u00f6ren aber auch die T\u00f6ne der 6- und 7-gestr. Oktave dazu, und sie sind tats\u00e4chlich auch mehrfach darunter subsumiert worden. Aber ich w\u00fcrde das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen T\u00f6nen und Ger\u00e4uschen eben nicht in diesem Nebenumstande finden, bei dem es ja auch sehr auf die akustische Anlage und \u00dcbung des H\u00f6renden ankommt, sondern in der Natur ihrer Grundqualit\u00e4t.\nDie Mannigfaltigkeit der Ger\u00e4usche ist ungeheuer1). Aber 3 Hauptklassen lassen sich akustisch unterscheiden, wobei aller-\nx) Auerbach z\u00e4hlt (5, S. 276, vgl. 113) nicht weniger als 92 Ger\u00e4uschnamen auf, denen sich noch manche (z. B. Krachen) hinzuf\u00fcgen lie\u00dfen. Auffallend ist dabei die au\u00dferordentlich hohe Zahl der sprachlichen Ono-matop\u00f6ien. Freilich w\u00fcrden wir einige der aufgez\u00e4hlten Ger\u00e4usche nicht als solche gelten lassen, so: Bl\u00f6ken, Kr\u00e4hen, Lachen, Miauen. Dies sind unzweifelhafte Kl\u00e4nge, sogar mit deutlichen Tonh\u00f6hen und Vokalcharakteren. Die Melodie eines Hahnenrufs kann h\u00e4ufig exakt in Noten wiedergegeben werden. Musikalische Werturteile m\u00fcssen hier nat\u00fcrlich ausgeschlossen bleiben. Wenn uns die Klangfarbe der Tierstimmen musikalisch oft mi\u00dffallen mag, so gilt dasselbe von vielen exotischen Menschenstimmen und Instrumenten.\nF\u00fcr die Theorie des H\u00f6rens ist es nicht ohne Bedeutung, da\u00df auch Ger\u00e4usche bis zu einem gewissen Grade durch das blo\u00dfe Geh\u00f6r analysiert werden k\u00f6nnen. Vgl. o. S. 135. Ein sch\u00f6nes Beispiel gibt die Analyse des Meeresbrausens in Strindbergs Erz\u00e4hlung \u201eAm offenen Meere\u201c S. 143, wo ein Brausen, Zischen, Schraben, Hasseln, Sausen, Rollen unterschieden werden, die, verschiedenen Ursachen entstammend, sich bald zeitlich folgen, bald aber auch zugleich auftreten.","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Konsonanten.\n271\ndings nicht die qualitative, sondern die zeitliche Beschaffenheit, ein etwas \u00e4u\u00dferliches akustisches Merkmal, als Einteilungsprinzip dient :\na) Dauerger\u00e4usche, d. h. solche, die in gleichbleibender oder stetig ver\u00e4nderlicher Beschaffenheit l\u00e4ngere Zeit verharren (bzw. ihrer Natur nach verharren k\u00f6nnen), wie das des Regnens, des Rauschens \u00fcberhaupt, auch alle Ger\u00e4usche durch Streichen \u00fcber eine nahezu glatte Unterlage. Dies sind die Ger\u00e4usche par excellence (\u201eGer\u00e4usch\u201c von \u201eRauschen\u201c). Zu ihnen, und n\u00e4her zur Gruppe der farblosen Dauerger\u00e4usche, geh\u00f6ren die meisten Konsonanten; so die Reibelaute Sch, S, F, Ch, H und die Nasalkonsonanten M, N, Ng. L glauben wir akustisch richtiger zu den Vokalen rechnen, und zwar als nasale Modifikationen des U (stimmhaftes L) \u00dc oder \u00d6 (stimmloses L) fassen zu m\u00fcssen1). Funktionell mag es dabei immer zu den Konsonanten gez\u00e4hlt werden, da es wie andere einen Vokal einleitet oder abschlie\u00dft und zwei Vokale trennt oder verbindet.\nDie genannten Unterklassen zeigen nicht nur genetisch, sondern auch akustisch verschiedene Charaktere. Aber kaum wird es gelingen, sie in dieser Hinsicht durch bestimmte Merkmale zu definieren. Wir k\u00f6nnen nur sagen, welchen Kombinationen \u00e4u\u00dferer Reize die Eindr\u00fccke entsprechen und da\u00df dabei die Geh\u00f6rsnervenendigungen in Zonen von bestimmter Breite, Tonlage usw. erregt werden. Aber das Ph\u00e4nomen selbst ist immer ein nahezu einfaches, nur in sehr geringem Grade durch das Geh\u00f6r analysierbar.\nDie Reibelaute lassen sich noch in die 3 Unterklassen der Zischlaute (Sch, S), Schiebelaute (Ch) und Blaselaute (F, H) zerlegen, die sich zwar haupts\u00e4chlich genetisch, au\u00dferdem aber doch auch erscheinungsm\u00e4\u00dfig gen\u00fcgend voneinander abheben.\nBemerkenswert sind vom ph\u00e4nomenologischen Standpunkte die Reihenbildungen unter den Reibelauten. Sie sind der U\u2014 I-Reihe unter den Vokalen analog. So bilden die Zischlaute vom dunkelsten und breitesten Sch bis zum hellsten, d\u00fcnnsten, sch\u00e4rfsten S, ebenso die Schiebelaute vom dunkelsten, breitesten Ch gutt. bis zum feinsten, hellsten Ch pal. oder alv., nicht minder die Blaselaute unter sich eindimensionale Reihen. Diese Reihen lassen sich aber nach beiden Seiten noch verl\u00e4ngert denken, und es kommen in der Natur dunkle und helle, scharfe und weiche Ger\u00e4usche aller Arten vor, die \u00fcber die sprachlich erzeugbaren hinausreichen. Jenes ultrahelle subjektive Zischen, von dem oben S. 138 die Rede war, l\u00e4\u00dft sich ebenso als Endglied einer Ch- wie einer\n1) \u00c4hnlich Bremer S. 132 und andere; vgl. o. S. 120ff.","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"*272\t10- Kap. Systematik der Sprachlaute vom akustischen Standpunkte.\nSch\u2014S-Reihe fassen. Wir selbst k\u00f6nnen aber auch noch Extreme hervorbringen, die nicht mehr sprachlich verwendbar sind: so das Ger\u00e4usch beim Blasen durch den von den Lippen ohne Beteiligung der Z\u00e4hne gebildeten Kanal, wie man auf eine hei\u00dfe Suppe bl\u00e4st. Dieses so gut wie g\u00e4nzlich tonfreie, extrem-weiche Ger\u00e4usch ist wohl zu schwach, um in der Sprache Verwendung zu finden.\nWie das Rauschen der Zentraltypus der Ger\u00e4usche \u00fcberhaupt, so sind die Zischlaute der Zentraltypus der Sprachger\u00e4usche. (Das Sch und Z in den Worten \u201eRauschen\u201c und \u201eZischen\u201c sind ohne Zweifel auch wieder nachahmender Natur.)\nb) Unterbrechungsger\u00e4usche1), vom sch\u00e4rfsten Rattern, z. B. eines schlechten Motorrades, bis zu der nur eben merklichen Rauhigkeit beim Verschieben des Fingernagels \u00fcber eine fein gerippte Fl\u00e4che. Unter den Konsonanten geh\u00f6rt hierher das R in seinen verschiedenen Formen. Nach der St\u00e4rke und Sch\u00e4rfe des Intermittierens kann man eine stetige Reihe von der sch\u00e4rfsten bis zur eben merklichen Rauhigkeit herstellen, aber es unterliegt noch Unterschieden je nach der Beschaffenheit des unterbrochenen Ger\u00e4usches, das meist auch mit T\u00f6nen vermischt ist. Auch ein sehr intensives, freilich auch sehr unsch\u00f6nes Nasen-R l\u00e4\u00dft sich erzeugen, sowie ein intermittierendes stimmhaftes Ng, das ebenfalls in der Nase seinen Hauptsitz hat, aber wohl in keiner Sprache ben\u00fctzt wird.\nKoehler bemerkt mit Recht, da\u00df es verkehrt w\u00e4re, R als eine Summe aufeinanderfolgender Knalle oder St\u00f6\u00dfe zu definieren. Es ist ein einheitlicher Eindruck. Aber ebenso verkehrt w\u00e4re es, zu leugnen, da\u00df dieses Ganze zeitliche Teile hat, die immer wieder neu ansetzend rasch aufeinander -folgen, und da\u00df dieser Charakter bei darauf gerichteter Aufmerksamkeit leicht wahrgenommen werden kann. Komplexqualit\u00e4ten mit solchen zeitlich und intensiv differenzierten Teilen gibt es auch sonst genug. Wird \u00abin Ton mit abnehmender St\u00e4rke angegeben, sei es, da\u00df wir ihn dabei stetig aushalten oder in kurzen Zeitabst\u00e4nden wiederholen, so konstatieren wir auch nicht eine blo\u00dfe Summe schw\u00e4cher werdender T\u00f6ne, sondern ein \u201eDiminuendo\u201c, das als solches, als Ganzes aufgefa\u00dft wird. Erzeugen wir langsame Schwebungen, die durch stetige Erh\u00f6hung des einen Tones immer schneller werden, so unterliegen die Intensit\u00e4tsschwankimgen selbst wieder einer Ver\u00e4nderung h\u00f6herer Ordnung. Dabei erscheinen sie allerdings von einer gewissen Schnelligkeit an nicht mehr als Intensit\u00e4tsschwankimgen.\ni) Der Logiker sto\u00dfe sich nicht daran, da\u00df zwischen dauernden und Augenblicksger\u00e4uschen eigentlich kein Drittes denkbar ist und die Unterbrechungsger\u00e4usche vielmehr nur ein besonderer Fall der Dauerger\u00e4usche sind. Wer will, kann die Einteilung leicht danach umformen, indem er die Dauerger\u00e4usche in zeitlich gleichf\u00f6rmige und intermittierende zerlegt. Denken wir das 1. Merkmal zu \u201eDauerger\u00e4uschen\u201c immer hinzu, so ist von vornherein auch logisch alles in Ordnung.","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"Konsonanten.\n273\nsondern als ein Rollen, Schwirren usw., wie es auch das R ist, weil eben der \u00dcbergang zwischen den einzelnen Maximis unmerklich wird und diese unverbunden, diskret auf einanderfolgen. Wahrscheinlich k\u00f6nnten wir uns keine von diesen Erscheinungen vorstellen, wenn wir immer nur einzelne T\u00f6ne als solche wahrgenommen h\u00e4tten. Insofern sind sie also neue Qualit\u00e4ten. Aber nicht in dem Sinne neu, wie die Empfindungen eines neuen Sinnes es w\u00e4ren, sondern nur eben als Komplexqualit\u00e4ten innerhalb des Tonsinnes, und zwar als solche, die durch blo\u00dfe zeitliche und St\u00e4rke-Ver\u00e4nderungen unterscheidbarer Bestandteile bedingt sind. Wie das Ganze nicht \u00fcber den Teilen, so d\u00fcrfen auch die Teile nicht \u00fcber dem Ganzen in der Beschreibung vergessen werden.\nVom deutschen R in seiner doppelten, lingualen und gutturalen, Form unterscheidet sich stark das englische \u201eumgekehrte R\u201c (j), wie in \u201eriee\u201c ; das Intermittieren tritt darin au\u00dferordentlich zur\u00fcck (noch mehr wohl im amerikanischen), dagegen ein vokalisches, etwa O-\u00e4hnliches Element mehr hervor1). Das englische Schlu\u00df-R, wie in \u201eher\u201c, ist \u00fcberhaupt fast unh\u00f6rbar und mehr eine bestimmte vokalische Abschlu\u00dfform des vorhergehenden Vokales als ein besonderer Laut2).\nc) Augenblicksger\u00e4usche, die wieder in allen Intensit\u00e4tsstufen Vorkommen, vom furchtbarsten Krach bis zum leisesten Ticken oder dem \u201eEinlochknall\u201c 0. Abrahams (oben S. 136 Anm.). Ein Ton kann durch extreme Zeitverk\u00fcrzung in ein solches Ger\u00e4usch \u00fcbergehen. Richtiger w\u00fcrde man hier allerdings sagen, er gehe in einen seiner Qualit\u00e4t nach undeutlichen Eindruck \u00fcber, den man ebensowohl den Ger\u00e4uschen wie den T\u00f6nen beiz\u00e4hlen kann; \u00e4hnlich wie sogar extrem schwache Temperatur- und Ber\u00fchrungsempfindungen nach Wtjnderlis Versuchen verwechselt werden k\u00f6nnen. Manche kurze Ger\u00e4usche, bei denen die Zeitverk\u00fcrzung nicht so weit getrieben ist, sind als eigentliche T\u00f6ne anzusprechen, wie z. B. ein Paukenschlag. Bei weniger sonorem Material werden Mischerscheinungen auf treten, die man je nach dem vorwiegenden Best\u00e4nde da- und dorthin rechnen kann. Aber es gibt auch reine und unzweifelhafte Augenblicksger\u00e4usche.\nSo sind nun auch Augenblickskonsonanten als Hauptklasse zu statuieren. Unter ihnen bilden die Verschlu\u00df-, allgemeiner Explosivlaute, die wichtigste Gruppe. Die Unterklassen, Tenues und Mediae, d\u00fcrften sich akustisch wesentlich nur durch ihre St\u00e4rke unterscheiden. Unseren Analysen (6. Kapitel) sind nur die Tenues zugrunde gelegt, weil sie sich f\u00fcr Interferenzversuche besser eignen; aber das Wesentliche wird auch f\u00fcr die Mediae gelten.\n1)\tPaget und Crandall haben es mit ihren Methoden akustisch untersucht.\n2)\tNach Sweet (Handb. of Phonetics) wird es nach einem langen A oder \u00d6e, wie in bar, her, heard, \u00fcberhaupt von diesen absorbiert.\nStumpf, Sprachlaute.\t18","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274\t10. Kap. Systematik der Sprachlaute vom akustischen Standpunkte.\nEinigerma\u00dfen stark angegeben, sind die Explosivkonsonanten stets mit schwachen (evtl, gefl\u00fcsterten) Vokalen verquickt, \u00e4hnlich wie die durch \u00e4u\u00dfere Mittel erzeugten kr\u00e4ftigeren Augenblicksger\u00e4usche durch die beigemischten T\u00f6ne zugleich einen gewissen Vokalcharakter tragen (man kann ein A, E, O klatschen). Je reiner aber das Ger\u00e4usch ist, wie bei den stimmlosen Mediae, um so weniger ist ein solcher erkennbar.\nBesondere Bemerkungen erfordern J und W. Das erste f\u00e4llt, wenn es rein gesprochen wird (nicht Tja f\u00fcr Ja oder Herrcheses f\u00fcr Herr Jesus) zumeist mit einem sehr kurzen I zusammen; dieses bildet mit dem darauffolgenden Vokal einen vokalischen Diphthongen mit Betonung des 2. Bestandteils.. Nur nach einem T nimmt es unvermeidlich den Charakter eines ganz schwachen Reibelautes an, wie in dem plattdeutschen L\u00fcttj, L\u00fcttjmann.\nDas deutsche W ist, als stimmloser Laut isoliert ausgesprochen, von \u00e4u\u00dferster Schwachheit, wie das H, und von diesem und einem stumpfen F nicht sehr verschieden. Im Zusammenh\u00e4nge des stimmlosen Sprechens ist es nur eine besondere Einsatzform eines Fl\u00fcstervokals, verschieden von dem H-Einsatz (der Aspiration), aber ebenso unselbst\u00e4ndig. Diese Einsatzverschiedenheiten lie\u00dfen sich nach dem blo\u00dfen Geh\u00f6r, besser noch mit Unterst\u00fctzung graphischer Methoden n\u00e4her beschreiben. Die Lippenbewegungen sind jedenfalls deutlich verschieden. Stimmhaft aber erscheint mir das W als ein ebenso einsetzendes U, das aber sehr rasch in einen anderen Vokal \u00fcbergeht. Folgt ihm ein U selbst, wie in \u201eWunde\u201c, so geht der Einsatz direkt in dieses \u00fcber; die ganze Silbe \u201eWu\u201c ist dann eben nur ein eigent\u00fcmlich einsetzendes U1).\nIm englischen W tritt die vokalische Seite noch st\u00e4rker in die Erscheinung. Im Schweizerdeutschen geh\u00f6rt nach Winteler W neben L und J \u00fcberhaupt zu den Vokalen, den \u201erein t\u00f6nenden, niemals weichen Lauten\u201c.\nIn dieser Weise also ordnen sich die als Konsonanten bezeich-neten Laute in die F\u00fclle der akustischen Erscheinungen. Es bleibt nur hinzuzuf\u00fcgen, da\u00df die durch die menschlichen Sprachwerk-zeuge herstellbaren Konsonantenger\u00e4usche, und besonders die der Muttersprache, ebenso wie die Vokale jenen Vertrautheits-\n1) Nach Michaelis (1, S. 29) ist die vokalische Auffassung des J und W auch von Rra\u00fcter (Saargem\u00fcnd) vertreten worden. Michaelis selbst findet einen leisen Reibelaut in beiden, vermutet aber hier einen Unterschied zwischen S\u00fcd- und Norddeutschen. Vgl. auch Nadoleczny S. 670: \u201eBei den Lippenlauten ist zu bemerken, da\u00df das W im S\u00fcddeutschen zwischen den Lippen, im Norddeutschen zwischen Unterlippe und Oberz\u00e4hnen gebildet wird.\u201c","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Konsonanten.\n275\nCharakter angenommen haben, der sie psychologisch von allen \u00fcbrigen Lauten unterscheidet, aber nicht akustischer Art ist.\nEin Unterschied gegen\u00fcber den Vokalen d\u00fcrfte darin liegen, da\u00df die sprachlich herstellbaren Vokale sich in einem geschlossenen System darstellen lassen, und da\u00df wohl alle in diesem System m\u00f6glichen Nuancen in irgendwelchen Sprachen oder Dialekten Verwendung finden, w\u00e4hrend wir noch mancherlei farblose Ger\u00e4usche durch die Sprachwerkzeuge hervorbringen k\u00f6nnen, die doch in keiner Sprache als Konsonanten gebraucht werden, wie das vorerw\u00e4hnte Blasen oder das Grunzen mit geschlossenem Munde.\nUnter den \u00e4lteren Schematismen der Sprachlaute findet sich auch eine geistreiche Anordnung des gro\u00dfen Philologen August B\u00f6ckh, worin die Konsonanten mit den Vokalen zusammen in einem gemeinschaftlichen Bilde vereinigt werden (\u201eVom \u00dcberg\u00e4nge der Buchstaben ineinander\u201c 1808, eine Jugendarbeit, die er aber sp\u00e4ter in seine \u201eGesammelten Werke\u201c einreihte). Ausgehend von dem an die damalige Naturphilosophie anklingenden Gedanken, das Alphabet als Organismus m\u00fcsse sich in der f\u00fcr alle Organismen g\u00fcltigen Form einer in sich zur\u00fccklaufenden Linie darstellen lassen, ordnet er die Buchstaben in eine Kreislinie. Die Anordnung der 5 \u201eHauptvokale\u201c ist dieselbe wie im Vokaldreieck: U und I stehen an den Endpunkten des horizontalen Durchmessers, A am unteren Ende des vertikalen (auch Hell-wag hatte seinem Dreieck diese umgekehrte Form gegeben). An U und I schlie\u00dfen sich dann nach oben hin die n\u00e4chstverwandten Konsonanten W und J an. Dies l\u00e4\u00dft sich noch ganz wohl rechtfertigen. Aber gegen\u00fcber A steht am obersten Punkte des Kreises \u2014 C, ein Buchstabe, dem nachger\u00fchmt wird, da\u00df er in zweifacher Form (als K und Ts) ausgesprochen werde und sich daher als Mitte eigne. Wenn die Buchstaben nach den dadurch bezeichneten Lauten eingeteilt werden sollen, wie es doch hier der Fall ist, durfte dieser \u00fcberhaupt nicht besonders aufgef\u00fchrt werden. Die Konsonanten werden in folgender Anordnung eingef\u00fcgt: W, P, T, K, C, S, R, L, N, M, J. Man erkennt an diesem Versuch, namentlich an der Einreihung des R, nur wieder, da\u00df es unm\u00f6glich ist, die Konsonanten ebenso wie die Vokale auf einen gemeinsamen Nenne\u00ef (Helligkeit ) zu bringen, sondern da\u00df sie nur durch mehrere Einteilungsgr\u00fcnde umspannt werden k\u00f6nnen.\n18*","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"11. Kapitel.\nEinheitliches und mehrheitliches H\u00f6ren.\n1.\tAllgemeinere Fragestellungen.\nIn den vorangehenden Teilen dieses Buches suchten wir die objektiven Komponenten der Sprachlaute rein empirisch festzustellen, ohne uns darum zu k\u00fcmmern, wie es kommt, da\u00df diese Beize in ihrem Zusammenwirken gerade diese und keine anderen Laute f\u00fcr unsere Wahrnehmung hervorbringen. Diese prinzipielleren und tiefergreifenden theoretischen Fragen, die den Psychologen und Gehirnphysiologen am meisten an der ganzen Sache interessieren m\u00fcssen, sollen uns jetzt noch besch\u00e4ftigen. Aber wir werden sie nicht restlos l\u00f6sen k\u00f6nnen, sondern uns zum gro\u00dfen Teil nur auf Anf\u00e4nge experimenteller Forschung und auf Hypothesen beschr\u00e4nken m\u00fcssen.\nHaupts\u00e4chlich 3 Fragen sind zu beantworten:\n1.\tUnter welchen Bedingungen h\u00f6rt man die objektiv gegebene Summe der Komponenten subjektiv als eine Einheit, wie dies bei den Sprachlauten der Fall ist?\n2.\tIn welcher Weise beeinflussen sich gleichzeitige T\u00f6ne gegenseitig in Hinsicht ihrer subjektiven St\u00e4rke, und wie verh\u00e4lt sich die Gesamtst\u00e4rke zur St\u00e4rke der einzelnen heraush\u00f6rbaren T\u00f6ne?\n3.\tWir verh\u00e4lt sich die spezifische Qualit\u00e4t eines Vokals zu den Eigenschaften der Teilt\u00f6ne, aus denen er besteht?\nAnaloge Fragen tauchen auch f\u00fcr die Konsonanten auf. Doch ist da die F\u00fclle der Spezialprobleme wie der verf\u00fcgbaren Tatsachen weit geringer.\nZu Versuchen in diesen 3 Bichtungen sind einfache T\u00f6ne wieder das beste, in den meisten Beziehungen sogar das einzig zuverl\u00e4ssige Material; weshalb unser von allen Obert\u00f6nen gereinigtes Pfeifensystem auch hierf\u00fcr gute Dienste tut.\nWir beginnen mit der ersten dieser Fragen, f\u00fcr die noch am meisten Erfahrungen vorliegen, schicken aber einige allgemeinere Bemerkungen voraus, um die Grundbegriffe und deren Bezeichnungen festzulegen.","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Komplex- und Gestalteigenschaften.\n277\n2. Komplex- und Gestalteigenschaften.\nWir sprechen in der Beschreibung der Erscheinungen von einem Komplex \u00fcberall da, wo ein Ganzes von absoluten Inhalten gegeben ist, w\u00e4hrend von einer Gestalt im weitesten Sinne gesprochen wird, wo ein Ganzes von Verh\u00e4ltnissen vorliegt. Das Gesichtsfeld in einem bestimmten Augenblick, ein individueller Klang oder Mehrklang das Ganze der augenblicklich \u00fcberhaupt einem Individuum gegebenen Empfindungen aller Sinne (K\u00f6rpergef\u00fchl, Gemeingef\u00fchl) sind Beispiele von Komplexen. Melodien, Akkorde, Rhythmen aller Sinne, Raumformen sind Beispiele von Gestalten. Sowohl Komplexe als Gestalten k\u00f6nnen gegliedert oder ungegliedert wahrgenommen werden, d. h. mit oder ohne Unterscheidung der Teile. So wird ein Dreiklang von dem einen H\u00f6rer gegliedert, von dem anderen ungegliedert erfa\u00dft. Jeder gegliederte Komplex hat eine wahrnehmbare Gestalt, d. h. es bestehen zwischen seinen Teilen bestimmte Verh\u00e4ltnisse, die ein Ganzes bilden. Gestalten haben die Eigent\u00fcmlichkeit, auf Komplexe aus anderen absoluten Inhalten gleicher Gattung \u00fcbertragbar zu sein. Verh\u00e4ltnisse sind eben nicht an bestimmte absolute Inhalte gebunden, und so gilt dies auch f\u00fcr Verh\u00e4ltnisganze. So k\u00f6nnen Melodien, Akkorde transponiert, geometrische Gestalten in beliebigen Gr\u00f6\u00dfen vorgestellt werden. Dagegen wird ein Komplex als solcher durch jede Ver\u00e4nderung auch nur eines seiner Teile mehr oder minder ver\u00e4ndert. Der Klarinettenklang oder der Vokal 0 ist ein anderer auf c und auf cis, wenn wir sie auch infolge bestimmter gleichbleibender Eigenschaften beide Male unter dieselbe Klangspezies ordnen. Auch der Mehrklang ceg ist als Klang ein anderer als d fis a, obgleich sie mit R\u00fccksicht auf bestimmte sinnliche Wirkungen, im Falle des gegliederten Vorstellens auch infolge gleicher Gestalt, als ein identischer Akkord (Durdreiklang) bezeichnet werden.\nJedem .unzergliederten Komplex kommen als solchem gewisse Eigenschaften zu: Komplexeigenschaften. So ist ein Klang weich, hart, rauh, voll, leer, ein Vokal dunkel, hell. Alle Grundeigenschaften, durch die wir die letzten Elemente der Erscheinungen, in die ein Komplex aufgel\u00f6st werden kann, charakterisieren, z. B. Qualit\u00e4t, St\u00e4rke, Helligkeit, finden sich auch in den Komplexen wieder, aber sie bed\u00fcrfen hier besonderer Feststellungen.\nEbenso haben aber auch unzergliedert wahrgenommene Gestalten bestimmte Eigenschaften: Gestalteigenschaften. Ein Rechteck kann schmal oder breit, schlank oder plump, eine Melodie von verschiedenem Tonumfang (Ambitus), raschbewegt oder schwerf\u00e4llig sein.","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\t11- Kap. Einheitliches und mehrheitliches H\u00f6ren.\nDa\u00df niemals zwei Erscheinungen oder Funktionen im normalen Bewu\u00dftsein zusammen gegeben sind, ohne durch irgendeine, sei es auch nur sehr lose, Beziehung zu einem Ganzen verkn\u00fcpft zu sein, und da\u00df dieses Ganze nicht identisch ist mit der blo\u00dfen Summe seiner Teile, ist eine alte Erkenntnis. Aber seit den letzten Dezennien sind die Eigenschaften, die einem Ganzen als solchem zukommen, immer mehr beachtet und diskutiert worden. F. Krueger hat wohl zuerst den Ausdruck \u201eKomplexqualit\u00e4t\u201c eingef\u00fchrt (Wundts Psychol. Studien Bd. 2, S. 221. 1906), v. Ehreneels den Ausdruck \u201eGestaltqualit\u00e4t\u201c (Vierteljahrsschr. f. wiss. Philosophie Bd. 14, S. 249. 1890). Beide Forscher kn\u00fcpften daran Betrachtungen, von denen namentlich die \u00fcber Gestaltqualit\u00e4ten folgenreich geworden sind. Die im Text vorgetragene Abgrenzung zwischen dem Begriff des Komplexes und dem der Gestalt ist in dieser Form bisher meines Wissens nicht vorgenommen worden, scheint mir aber im Interesse der Klarheit notwendig zu sein. Ich w\u00fcrde daher beispielsweise Klangfarben nicht (mit v. Ehrenfels und Cornelius) als Gestaltqualit\u00e4ten, ebensowenig (mit Krueger) Konsonanz und Dissonanz als Komplexqualit\u00e4ten definieren. Wir setzen ferner f\u00fcr \u201eQualit\u00e4ten\u201c hier den allgemeineren und farbloseren Ausdruck \u201eEigenschaften\u201c, da unter den Eigenschaften eines Klanges, auch denen eines Vokals, doch wieder seine Qualit\u00e4t als eine neben anderen Eigenschaften unterschieden werden mu\u00df. In die stark angeschwollene sachliche Diskussion treten wir hier nur insoweit ein, als es die vorliegende Angelegenheit erfordert.\nViele Bemerkungen \u00fcber Komplexeigenschaften (Gesamthelligkeit, Gesamtst\u00e4rke) findet man neuerdings bei Werner.\nVokale, wie \u00fcberhaupt Kl\u00e4nge mit Obert\u00f6nen, sind klassische Beispiele ungegliederter Komplexe im gew\u00f6hnlichen Wahrnehmungsleben, Klangfarben klassische Beispiele von Komplexeigenschaften. Denn wenn durch eine Summe objektiv gegebener T\u00f6ne ein Vokal f\u00fcr das Geh\u00f6r entstehen soll, so ist eine Voraussetzung daf\u00fcr, da\u00df die Komponenten nicht als einzelne T\u00f6ne f\u00fcr sich bemerkt, sondern nur als ein undifferenziertes Ganzes geh\u00f6rt werden. Sobald ich auch nur einen einzigen Ton heraush\u00f6re, ist der Gesamteindruck als solcher alteriert. Man h\u00f6rt das Ganze zwar neben dem Teilton fortklingen, und wenn dieser nur ein schwacher und unwesentlicher Klangteil ist, so wird die Klangfarbe auch nicht erheblich ver\u00e4ndert. Ist es aber ein st\u00e4rkerer, oder sind es gar mehrere starke T\u00f6ne, so ist die Klangfarbe als solche zerst\u00f6rt. Auch die Formantt\u00f6ne der Vokale entfalten ihre volle Wirkung nur unter der Bedingung, da\u00df sie nicht f\u00fcr sich wahrgenommen werden, und nur solange dies der Fall ist1). Er-\n1) Koehler sagt allerdings (1, Vorl. Mitt. S. 101): Durch Heraush\u00f6ren der Formantt\u00f6ne \u201ever\u00e4ndert sich der nebenbei geh\u00f6rte Gesamtklang des gesungenen Vokals gar nicht sehr deutlich; sondern neben oder \u00fcber ihm, gewisserma\u00dfen heraustauchend,, erklingt nur auch noch der betreffende Teilton\u201c. Aber dies d\u00fcrfte nur f\u00fcr den ersten Augenblick zutreffen. Bei l\u00e4ngerer Dauer der Beobachtung und konzentriertem Beachten der Teilt\u00f6ne wird der Vokal f\u00fcr mich alteriert oder ganz zerst\u00f6rt. (Vgl. Tonpsych. II, S. 529 und Mach, daselbst.)","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Komplex- und Gestalteigenschaften.\n279\nstaunlich bleibt es immer, da\u00df die objektive Tonsumme c2 + g2 _j_ c3 _|_ e3 in einem bestimmten St\u00e4rkeverh\u00e4ltnis ihrer Glieder als Vokal A geh\u00f6rt wird und da\u00df objektiv hierbei wirklich nichts weiter als eben diese Summe gegeben ist. Sie wird ja auch tats\u00e4chlich nicht immer als A geh\u00f6rt, sondern unter Umst\u00e4nden als ein harmonischer Akkord (Konkord) aus ungleich starken T\u00f6nen. Wann also ist das eine, wann das andere der Fall? Mit der Beantwortung dieser Frage ist zwar das R\u00e4tsel noch keineswegs gel\u00f6st, aber es sind wenigstens die Bedingungen, unter denen erfahrungsgem\u00e4\u00df die Erscheinung auf tritt, n\u00e4her beschrieben.\nWir lassen dabei die Frage auf sich beruhen, ob beim einheitlichen (ungegliederten) H\u00f6ren einer objektiven Tonmehrheit die Sinnesempfindung selbst eine ungeteilte Einheit ist, oder ob sie nur der Auffassung als Einheit erscheint. Die Unterscheidung der Empfindung von ihrer Auffassung, der Perzeption von der Apperzeption, die ich mit Helmholtz teile, gilt manchen Neueren als \u00fcberfl\u00fcssig und verkehrt. Wir brauchen hier nicht darauf einzugehen. Wenn wir vom ungegliederten, einheitlichen H\u00f6ren sprechen, mag es von jedem nach seinem allgemeinen psychologischen Standpunkt ausgelegt werden.\nMan k\u00f6nnte vielleicht einwenden, schon unsere Fragestellung sei \u00fcberfl\u00fcssig und das ganze Problem nur scheinbar: denn auch objektiv liege keine blo\u00dfe Summe vor, da die Sinusschwingungen nicht nebeneinander verliefen, sondern in Wirklichkeit eine einheitliche nicht-sinusf\u00f6rmige Welle bildeten, aus der sie nur als Kunstprodukte der mathematischen Analyse erschlossen w\u00fcrden. Aber in unserer synthetischen Einrichtung sind sie doch tats\u00e4chlich und real voneinander getrennt. Im Trichter oder im Geh\u00f6rgang werden sie zwar auch hier zu einer Gesamtwelle vereinigt, in der Schnecke aber nach Helmholtz doch wieder gesondert; ebenso wie die nat\u00fcrlichen Vokale, die vom Mimde bis dahin unzerlegt verlaufen, hier zerlegt werden. Und wenn man auch Helmholtz\u2019 Theorie nur als Hypothese oder als Bild gelten lassen will: da\u00df irgendwo und irgendwie eine physiologische Zerlegung des akustischen Prozesses stattfinden mu\u00df, ist ein nicht zu umgehendes Postulat. Man kann also sagen, da\u00df der letzte Zustand auf der physischen Seite, von dem wir bisher einigerma\u00dfen eine erfahrungsm\u00e4\u00dfige Kenntnis haben, der des getrennten Verlaufes sei.\nWie ist es aber auf dem psychologischen (ph\u00e4nomenalen) bzw. gehirn-physiologischen Gebiete? Hier ist nicht etwa erfahrungsgem\u00e4\u00df die mehrheitliche, gegliederte Auffassung des Geh\u00f6rten das Urspr\u00fcngliche in der individuellen Entwicklung, sondern ohne Zweifel die einheitliche. Es w\u00e4re eine verkehrte und l\u00e4ngst veraltete Ansicht von dem seelischen Entwicklungsg\u00e4nge, wollte man voraussetzen, da\u00df die Teilempfindungen, z. B. die den Sinusschwingungen entsprechenden einfachen T\u00f6ne, zuerst alle ato-mistisch, als diskrete Einheiten, nebeneinander dem Bewu\u00dftsein vorschwebten und erst allm\u00e4hlich zu Ganzheiten zusammenw\u00fcchsen. Das Gegenteil ist offenbar: Erfahrung, \u00dcbung, Aufmerksamkeit bewirken in erster Linie zunehmende Gliederung der Eindr\u00fccke. Erst sp\u00e4ter unterliegt .auch die Zusammenfassung und Vereinheitlichung psychischen Einfl\u00fcssen","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\t11- Kap. Einheitliches und mehrheitliches H\u00f6ren.\n(vgl. Tonps. II, S. 69ff.). Auch gelangt das mehrheitliche H\u00f6ren niemals dazu, s\u00e4mtliche Bestandteile oder auch nur alle st\u00e4rkeren und unter sich gleich starken Bestandteile eines hochzusammengesetzten Klanges gleich deutlich nebeneinander zu h\u00f6ren. Es treten immer nur einzelne oder wenige Teile in solcher Weise auf einmal hervor. Selbst von extrem musikalischen Menschen werden kaum mehr als 4 T\u00f6ne, beim H\u00f6ren von Obert\u00f6nen nur 1 \u2014 2, in streng gleichzeitiger Sonderung aufgefa\u00dft, derart also, da\u00df die Aufmerksamkeit allen zugleich zugewandt ist. Aber ein sehr rascher Wechsel der Aufmerksamkeit zwischen den verschiedenen Stimmen und ein leichtes und sicheres Erfassen jeder beliebigen Stimme ist damit verbunden und f\u00fcr das im h\u00f6heren Sinne musikalische H\u00f6ren charakteristisch.\nAlle diese Einschr\u00e4nkungen und Vorbehalte lassen die Tatsache unber\u00fchrt, da\u00df der erwachsene Mensch, sei er musikalisch oder nicht, den gleichen objektiv gegebenen Bestand an sinusf\u00f6rmigen Komponenten einmal einheitlich, einmal mehrheitlich h\u00f6rt. Gerade unsere synthetischen Versuche stellten diesen Unterschied immer wieder vor Augen. Jeder Beobachter ist \u00fcberrascht, wenn er den k\u00fcnstlichen Vokal geh\u00f6rt hat und nun durch Einstecken eines H\u00f6rr\u00f6hrchens in die einzelnen Leitungen sich \u00fcberzeugt, da\u00df eine Anzahl von T\u00f6nen daran beteiligt und da\u00df nichts weiter erforderlich ist, als sie wieder zu vereinigen. Aber schon der Umstand, da\u00df langes Ausprobieren der Mischungen und St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse meinerseits vorausgehen mu\u00dfte, bis einheitliche Eindr\u00fccke zustande kamen, beweist, da\u00df hier ganz besondere Bedingungen Zusammenkommen m\u00fcssen. Namentlich bei den hellen Vokalen, die aus zwei durch eine L\u00fccke getrennten Klangmassen bestehen, kommt es darauf an, diese Dualit\u00e4t unmerklich zu machen. Sonst h\u00f6rt man z. B. beim I ein U + I oder einen Klang, den man sowohl (mit Ignorierung des I) als U wie auch ebensogut (mit Ignorierung des U) als I deuten kann.\nDie obige Frage verlangt also zweifellos eine Beantwortung.\n3. G\u00fcnstige Bedingungen f\u00fcr das einheitliche H\u00f6ren.\nIn des Verfassers \u201eTonpsychologie\u201c sind ausf\u00fchrlich die Bedingungen besprochen, von denen die Wahrnehmung der Teile in einem Tonganzen abh\u00e4ngt1). Hier sollen nur die besonderen Umst\u00e4nde erw\u00e4hnt werden, die die Analyse beeintr\u00e4chtigen und das synthetische H\u00f6ren beg\u00fcnstigen, wenn ein Klang aus har-\nx) Bd. II, \u00a721 \u2014 23. Einzelne der dort erw\u00e4hnten Bedingungen wurden sp\u00e4ter ausf\u00fchrlicher untersucht, so der Einflu\u00df der Zeitdauer (Zeitschr. f. Psych. Bd. 17, Beitr. z. Akust. Heft 4) und die Verteilung an beide Ohren (das. Bd. 70, Beitr. z. Ak. H. 8).\nNicht ohne Interesse war es mir bei den synthetischen Vokalversuchen, als ich die h\u00f6chsten Pfeifen auf ihre Obert\u00f6ne untersuchte, um diese durch Interferenz auszuschlie\u00dfen, da\u00df ich sogar in diesen Kl\u00e4ngen der 4- und 5-gestrichenen Oktave noch Grundton und Oktave deutlich durch das blo\u00dfe Ohr auseinanderzuhalten lernte. Dies ist vielleicht der schwierigste Fall der Analyse eines Zweiklanges durch das blo\u00dfe Ohr.\n\u00dcber den Unterschied des Geh\u00f6rsinnes vom Gesichtsinn in Hinsicht des analysierenden Verhaltens vgl. meine Darlegungen Zeitschr. f. Psych. Bd. 75, S. 330ff. 1916, Beitr. z. Ak. H. 9, S. 17ff. und \u201eDie Attribute der Gesichtsempfindungen\u201c, Abh. d. Berliner Akademie v. J. 1917, S. 50ff.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"G\u00fcnstige Bedingungen f\u00fcr das einheitliche H\u00f6ren.\n281\nmonischen Teilt\u00f6nen (ganzzahligen Multiplis des Grundtones) vorliegt, wie es bei den Vokalen und den gew\u00f6hnlichen Instrumentalkl\u00e4ngen der Fall ist. Hier tragen zur Einheitlichkeit des Gesamtklanges besonders bei:\na) Die Verschmelzung der konsonierenden, besonders der 6 tiefsten, Teilt\u00f6ne.\nEs ist bekannt, da\u00df die T\u00f6ne einer Oktave im Zusammenklang sich dem Eindruck eines einzigen Tones n\u00e4hern. Von Unmusikalischen werden sie darum tats\u00e4chlich in den meisten F\u00e4llen mit einem wirklichen Einklang verwechselt; aber auch in der Musik gilt das Singen und Spielen in Oktaveng\u00e4ngen noch als \u201eUnisono\u201c. Diese Erscheinung kann nicht aus dem Zusammenfallen des h\u00f6heren Tones mit dem 1. Oberton des tieferen erkl\u00e4rt werden, schon darum nicht, weil sie auch bei v\u00f6llig einfachen T\u00f6nen auftritt; sie mu\u00df vielmehr auf noch unbekannten physiologischen Gesetzlichkeiten beruhen. Sie findet sich aber, wenngleich in abnehmendem Grade, auch bei Quinten, Quarten und \u00fcberhaupt allen konsonanten Intervallen. Aber auch Intervalle wie 4:7, 5:7 machen noch einen merklich einheitlichen Eindruck. Bei den Oktavenerweiterungen der einzelnen Intervalle kehren \u00e4hnliche Unterschiede wieder: die Duodezime verh\u00e4lt sich ihrer Verschmelzung nach zur Dezime wie die Quinte zur Terz usw.\nIch habe die Tatsachen der Verschmelzung eingehender verfolgt und glaubte darin das Wesen der musikalischen Konsonanz zu finden. Es scheint mir jetzt, da\u00df sie nicht das eigentlich definierende Merkmal bilden, sondern nur ein \u201eProprium\u201c im Sinne der alten Logik, d. h. ein die Konsonanz regelm\u00e4\u00dfig begleitendes, auch in den graduellen Abstufungen (wenigstens innerhalb der n\u00e4mlichen Oktave) damit parallel laufendes Merkmal. Aber diese Frage kann hier auf sich beruhen.\nIn einem Klang aus harmonischen Teilt\u00f6nen sind nun bis zum 6. oder 8. die s\u00e4mtlichen Verschmelzungsstufen gleichzeitig verwirklicht, und auch unter den h\u00f6heren Teilt\u00f6nen finden sich vielfach Oktaven, Quinten, Terzen usw. wieder. Sogleich die st\u00e4rkste Verschmelzung findet zwischen den zwei ersten Teilt\u00f6nen statt, dann folgen die \u00fcbrigen1 Stufen, teils zwischen unmittelbar benachbarten, teils zwischen entfernteren Gliedern. Freilich kommen bei den hellen Vokalen h\u00f6here Teilt\u00f6ne und darunter auch dissonante hinzu, weshalb denn auch namentlich bei E und I Unter- und Oberformant nicht so schwer wie etwa die Bestandteile des A durch das blo\u00dfe Geh\u00f6r auseinanderzuhalten sind. Doch kommen bei obigen Vokalen andere Faktoren der Vereinheitlichung zu Hilfe (vgl. unten S. 288), so da\u00df im gew\u00f6hnlichen Leben die Zwiesp\u00e4ltigkeit nicht auff\u00e4llt.","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282\t11- Kap. Einheitliches und mehrheitliches H\u00f6ren.\nSo beruht die Einheitlichung eines Vokals in erster Linie auf dieser seiner Zusammensetzung aus harmonischen, insbesondere konsonierenden Teilt\u00f6nen.\nb)\tDie reine Stimmung aller harmonischen Teilt\u00f6ne. Verschmelzung tritt auch bei nur ann\u00e4hernd reiner Stimmung der bez\u00fcglichen Intervalle auf. Aber die vollkommen reine Stimmung aller harmonischen Teilt\u00f6ne eines Klanges hat noch besonders vereinheitlichende Wirkungen. Wie schon hervorgehoben wurde, fallen hier die Differenzt\u00f6ne stets mit tieferliegenden Gliedern der Reihe zusammen oder rufen solche, wenn sie objektiv fehlen, subjektiv hervor. Die Folge ist eine st\u00e4rkere Vereinheitlichung des Ganzen gegen\u00fcber einer Reihe mit unharmonischen Gliedern, in welcher nur weitere nicht verschmelzende Glieder hinzukommen1). Zugleich werden die Schwebungen, die etwa ein mittelbares Mehrheitsurteil hervorrufen k\u00f6nnten, auf das geringste m\u00f6gliche Ma\u00df reduziert.\nc)\tDie identische \u00d6rtlichkeit, aus der die Teilt\u00f6ne kommen und in der sie dem H\u00f6renden erscheinen.\nSopran und Alt, 1. und 2. Geige des Orchesters heben sich infolge ihrer r\u00e4umlichen Verteilung auf dem Podium auch f\u00fcr das Geh\u00f6r deutlicher voneinander ab und werden auch von Unmusikalischen leichter auseinandergehalten, als wenn die S\u00e4nger und Spieler alle bunt durcheinandergemischt w\u00e4ren2). Und so ist \u00fcberhaupt r\u00e4umliche Verteilung der Klangquellen dem analytischen, r\u00e4umliche Identit\u00e4t dem synthetischen Verhalten g\u00fcnstig. Vielleicht hilft schon die Mitwirkung des Gesichtseindruckes; doch liegt ja in solchen F\u00e4llen auch immer in gewissem Ma\u00dfe eine ungleiche Verteilung auf beide Ohren vor, wobei physikalisch sowohl Phasen-, als Intensit\u00e4ts-, als Zeitdifferenzen auf-treten. Welche von diesen f\u00fcr die Lokalisation ma\u00dfgebend ist, war lange strittig, ist aber jetzt meines Erachtens zugunsten der Zeitdifferenz entschieden3). Doch wirken diese minimalen Zeitunterschiede des Eintreffens in beiden Ohren, die bis zu 0,015 Sek.\n1)\tIch machte bereits 1, Bd. II, S. 330 auf die anscheinende Paradoxie aufmerksam, da\u00df durch Vermehrung der T\u00f6ne eines Zusammenklanges unter Umst\u00e4nden der einheitliche Eindruck erh\u00f6ht werden kann: wenn n\u00e4mlich st\u00e4rker verschmelzende T\u00f6ne, besonders tiefere Oktaven, hinzutreten. Dies ist der Fall bei den Differenzt\u00f6nen harmonischer Teilt\u00f6ne.\n2)\tExtrem Unmusikalische, die sonst \u00fcberhaupt Mehrkl\u00e4nge fast immer nur einheitlich h\u00f6ren, k\u00f6nnen durch Verteilung zweier gen\u00fcgend verschiedenen Stimmgabeln an beide Ohren zur Analyse gebracht werden. Ton-psych. II, S. 363.\n3)\tv. Hornbostel und Wertheimer, Sitzungsber. d. Berliner Akad. d. Wiss. 1920, S. 388. v. Hornbostel (3).","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"G\u00fcnstige Bedingungen f\u00fcr das einheitliche H\u00f6ren.\n283\nheruntergehen k\u00f6nnen, nicht als wahrgenommene Bewu\u00dftseinsinhalte, sondern nur als physiologische Reize f\u00fcr das Auftreten von Lokalzeichen, auf denen dann die objektive Lokalisation beruht; und wenn genau gleichzeitig einsetzende Tonquellen bei r\u00e4umlicher Verteilung besser auseinandergehalten werden, so ist es nicht jene minimale Zeitdifferenz im Eintreffen der Schalle an sich, sondern die dadurch hervorgerufene verschiedene Lokalisation, die die Analyse beg\u00fcnstigt.\nDas Vorhandensein angeborener Lokalzeichen p, q f\u00fcr beide Ohren geht zwingend daraus hervor, da\u00df man eine von r\u00fcckw\u00e4rts an das rechte oder linke Ohr gehaltene Stimmgabel ohne jede Kopf Wendung unfehlbar richtig lokalisiert und 2 gleichzeitig vor beide Ohren gehaltene Gabeln von verschiedener H\u00f6he richtig auf beide Ohren verteilt. Im letzteren Fall ist-nat\u00fcrlich vorausgesetzt, da\u00df man die Tonh\u00f6hen selbst deutlich auseinanderhalten und die h\u00f6here als h\u00f6here, die tiefere als tiefere sicher beurteilen kann (Tonpsych. II, S. 52ff.). Mehreren Beobachtern und mir gelang es sogar, bis zu 10 genau gleichzeitige einfache T\u00f6ne, die in den verschiedensten Kombinationen auf beide Ohren verteilt wurden, in wenigen Minuten richtig zu lokalisieren, wobei Drehungen des Kopfes durch einen Kopfhalter ausgeschlossen waren (Baley, Zschr. f. Psych. Bd. 70; m. Beitr. z. Akust. H. 8). Die Lokalzeichen m\u00fcssen den Tonempfindungen von Anfang an attributiv eigen sein; nur ihre Beziehung auf beide Ohren, d. h. ihre Assoziation mit den betreffenden Tast- und Gesichtsempfindungen ist individuell erworben, desgleichen ihre Verwertung f\u00fcr die Erkenntnis der Lage \u00e4u\u00dferer Klangquellen im Gesichtsraum.\nMan kann fragen, ob nicht sogar beim einohrigen H\u00f6ren gr\u00f6bere lokale Verschiedenheiten in der Provenienz der Klangquellen das mehrheitliche H\u00f6ren beg\u00fcnstigen. H\u00e4lt man in unserer synthetischen Einrichtung nach Abnahme des Trichters T das Ohr direkt vor die nebeneinander in konzentrischen Kreisen angeordneten \u00d6ffnungen der Leitungen f\u00fcr s\u00e4mtliche Teilt\u00f6ne, so kommt der einheitliche Eindruck schwerer zustande, nicht blo\u00df weil jede kleine Verschiedenheit in der Haltung des Ohres Intensit\u00e4tsverschiebungen unter den Teilt\u00f6nen hervorruft und die richtige Stellung schwer zu finden ist, sondern wohl auch darum, weil sich die kleinen Richtungsverschiedenheiten der Schallstrahlen geltend machen. Darum ist es wesentlich, diese wieder in einer Schlauchleitung gesammelt dem Ohre zuzuf\u00fchren. Wie allerdings Richtungsverschiedenheiten sich monotisch geltend machen sollen, ist nicht leicht zu sagen. Ich m\u00f6chte die Tatsache selbst auch nicht als sicher hinstellen.\nJe feiner nun verschiedene Lokalisation der Klangkomponenten sich im Bewu\u00dftsein geltend macht und je st\u00e4rker sie das mehrheitliche H\u00f6ren beg\u00fcnstigt, um so besser ist f\u00fcr das einheitliche H\u00f6ren gesorgt, wenn, wie bei den gew\u00f6hnlichen Instrumentalkl\u00e4ngen und den Vokalen, s\u00e4mtlichen Teilt\u00f6nen die gleiche Lokalisation zukommt.\nDoch ist nicht etwa gleiche Lokalisation in allen F\u00e4llen unbedingtes Erfordernis. Wenn man die einen k\u00fcnstlichen Vokal bildenden T\u00f6ne, auch die des Formanten, auf das rechte und linke","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\t11- Kap. Einheitliches und mehrheitliches H\u00f6ren.\nOhr verteilt (dichotisch.es H\u00f6ren), so k\u00f6nnen unter besonderen Umst\u00e4nden die entsprechenden Vokale geh\u00f6rt werden. Dabei scheint aber vorausgesetzt, da\u00df sie ann\u00e4hernd schon in jedem Ohre f\u00fcr sich allein zustande kommen. Schole bediente sich eines ,,Doppelresonators\u201c, d. h. zweier verschieden abgestimmter an beide Ohren verteilter Resonatoren, durch die also verschiedene Teilt\u00f6ne rechts und links verst\u00e4rkt wurden. Wurde nun U auf G = 96 Sehw. gesungen und der eine Resonator auf b1, der andere auf d2 gestimmt, so wurde ein reines 0 geh\u00f6rt. Wurde auf der einen Seite /2, auf der anderen h2 verst\u00e4rkt, so h\u00f6rte man ein Ao. Die Versuche sind aber insofern nicht rein genug, als die \u00fcbrigen Teilt\u00f6ne des gesungenen U in nicht genau \u00fcbersehbarer Weise mit wirkt en.\nIch habe solche Versuche durch getrennte Zuleitung der T\u00f6ne des synthetischen Apparates zu beiden Ohren angestellt. Die 4 T\u00f6ne c2 g2 c3 e3 wurden in den f\u00fcr ein A auf c1 sonst erforderlichen St\u00e4rkeabstufungen vermittels zweier in die \u00d6ffnungen bei T gesteckten T-R\u00f6hrchen auf das rechte und linke Ohr verteilt, z. B. c2 c3 rechts, g2 e3 links; oder c2 e3 rechts, g2 c3 links. Hierbei war nun freilich der D. T. c1 h\u00f6chstens auf der linken Seite zu erwarten, da bei dichotischer Darbietung Differenzt\u00f6ne im allgemeinen nicht zustande kommen (vgl. Tonps. II, S. 496). F\u00fcr mich war aber \u00fcberhaupt ein einheitlicher Eindruck so nicht zu erzielen. Dagegen gelang der Versuch mit 2 unmusikalischen Beobachtern, Dr. v. Allesch und 0. Kaumakn. v. A. h\u00f6rte in beiden F\u00e4llen dichotisch ein A, er h\u00f6rte aber ein solches auch auf jedem Ohr allein, wenngleich etwas anders, auf dem einen heller, auf dem anderen dunkler. Das beidohrige A war \u201evoller, reicher, aber nicht so glatt und einheitlich\u201c. \u00c4hnlich dr\u00fcckte sich K. aus. Auch aus diesen Versuchen schlie\u00dfe ich, da\u00df bei dichotischer Zuleitung nur dann der n\u00e4mliche Vokal entsteht wie bei gew\u00f6hnlichem beidohrigen oder einohrigen H\u00f6ren, wenn er schon wenigstens auf einem Ohre ann\u00e4hernd diesen Vokalcharakter besitzt. Da\u00df aber f\u00fcr die eben erw\u00e4hnten Personen der A-Charakter schon durch je 2 T\u00f6ne allein zustande kommen konnte, verstehen wir aus den S. 195 erw\u00e4hnten Tatsachen.\nd) Die genaue Gleichzeitigkeit.\nAlle Teilt\u00f6ne eines Instrumental- oder Vokalklanges beginnen und schlie\u00dfen im allgemeinen streng gleichzeitig, wenn auch im einzelnen Fall Ausnahmen Vorkommen. Ist bei einer Synthese zuerst nur 1 Ton vorhanden, zu dem dann ein 2., 3. usf. hinzutreten, so unterscheidet auch der Unge\u00fcbte die neuen weit leichter von dem vorherigen Bestand, zumal wenn er die sukzessive ein","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"G\u00fcnstige Bedingungen f\u00fcr das einheitliche H\u00f6ren.\n285\ntretenden T\u00f6ne kurz vorher auch schon einzeln geh\u00f6rt hat und sie jetzt zu h\u00f6ren erwartet. Wenn man an der synthetischen Einrichtung die einfachen Teilt\u00f6ne in maximaler St\u00e4rke vom tiefsten bis zum h\u00f6chsten fortschreitend zusammenf\u00fcgt, so h\u00f6rt man jeden Ton bis zum letzten und h\u00f6chsten bei seinem Auftreten deutlich heraus; w\u00e4hrend es sehr schwer oder unm\u00f6glich w\u00e4re, in dem fertigen Ganzen jeden einzelnen Ton zu erkennen. Bei meinen synthetischen Versuchen war es f\u00fcr die Vereinheitlichung ung\u00fcnstig, da\u00df vorher schon bekannte Teilt\u00f6ne zum Ausprobieren sukzessive hinzugef\u00fcgt werden mu\u00dften. Daher war der drehbare Hahn au\u00dferordentlich n\u00fctzlich, durch den der Gesamteindruck zeitlich scharf abgeschnitten zum Geh\u00f6r kam.\nDie T\u00f6ne c1 c2 g2 c3 e3 gz 63 c4 (harmonische Teilt\u00f6ne des cd-Klanges), in voller St\u00e4rke zusammen angegeben, liefern einen sehr einheitlichen zungenartigen Klang. Schaltet man nun c1 abwechselnd aus und wieder ein, so h\u00f6rt man es als einfachen Ton hinzutreten, und es bleibt noch eine kurze Weile als solcher isoliert neben dem Gesamtklange h\u00f6rbar, bis es gleichsam verschlungen und assimiliert wird. Ebenso c2. Der scharf n\u00e4selnde Klang bleibt dabei immer auf dem Grundtone c1 liegen, da dieser als Differenz ton erhalten bleibt, wenn er auch wohl beim Ausfall eines jener T\u00f6ne schw\u00e4cher wird. Wird derselbe Versuch mit g2 gemacht, so klingt das Ganze beim Wegfall dieses Tones weit weniger scharf, wie wenn es aus der Ferne k\u00e4me; aber es bleibt (oder wird wieder) einheitlich. Werden g2 und c3 zugleich herausgenommen, so ist die Ver\u00e4nderung noch st\u00e4rker. Aber man entw\u00f6hnt sich durch diese Versuche schnell des einheitlichen H\u00f6rens. Die wieder eingef\u00fcgten T\u00f6ne bleiben immer l\u00e4nger isoliert.\nEine hierhergeh\u00f6rige Erfahrung beschreibt auch schon Helmholtz: als er zu der Stimmgabel b die Gabel b1 f\u00fcgte, blieben die T\u00f6ne zun\u00e4chst noch getrennt und erschien die tiefe Gabel als U-\u00e4hnlich, dann aber trat eine Vereinheitlichung ein, und der Charakter des Gesamtklanges war der eines 0 (vgl. dazu Tonpsych. II, S. 352).\ne) G\u00fcnstige Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse unter den Teilt\u00f6nen.\nEin einzelner st\u00e4rkerer Teil ton (besonders ein dissonanter), der nicht von h\u00f6heren und tieferen in abnehmender St\u00e4rke umgeben ist, dr\u00e4ngt sich dem Geh\u00f6r leicht als Einzelton auf. Anders ist es bei den Vokalen. Die St\u00e4rken nehmen von Teilton zu Teilton in der Regel langsam ab oder zu, was in der Resonanzbreite der Rachenh\u00f6hle und ihrer Abteilungen seinen Grund hat. Diese Art der St\u00e4rkeverteilung tr\u00e4gt wesentlich zu dem einheitlichen Ein-","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286\t11- Kap. Einheitliches und mehrheitliches H\u00f6ren.\ndruck bei. Aber auch im \u00fcbrigen scheinen die Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse bei den Vokalen in einer f\u00fcr das einheitliche H\u00f6ren besonders g\u00fcnstigen Weise gegeneinander abgestuft.\nJaensch macht neuerdings gegen die Beweiskraft der Helmholtz sehen Gabelsynthese, aber auch gegen die unserer Pfeifensynthese und gegen die Definition der Vokale als Kl\u00e4nge geltend, da\u00df sich das Schallph\u00e4nomen mit der Stellung des Beobachters \u00e4ndere: ,,Im allgemeinen mu\u00df man eine ganz bestimmte Stellung einnehmen, um das Vokalph\u00e4nomen in guter Reinheit zu erhalten, vorausgesetzt da\u00df die Gabeln oder Pfeifen frei im Versuchsraum aufgestellt sind und der Schall nicht etwa durch Schl\u00e4uche zusammengeleitet dem Ohre des Beobachters zugef\u00fchrt wird\u201c (3 S. 99). \u201eHier vollzieht sich nun der \u00dcbergang von klangartigem zu vokalartigem Schallph\u00e4nomen, ohne da\u00df an den Tonquellen selbst und ihrem Funktionszustande das Geringste ge\u00e4ndert w\u00fcrde\u201c (S. 109).\nGewi\u00df, an den Tonquellen braucht dabei nichts ge\u00e4ndert zu werden. Aber ihr \u201eFunktionszustand\u201c \u00e4ndert sich gar sehr, denn sie kommen bei jeder Ver\u00e4nderung in der Stellung des Beobachters mit anderen Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnissen in seine Ohren. Auch dem Verfasser ist es schon zu Beginn seiner Synthesen \u00f6fters begegnet, da\u00df im Schallzimmer und in unmittelbarer N\u00e4he der Pfeifen durch eine zuf\u00e4llige Drehung oder ein B\u00fccken des Kopfes ganz pl\u00f6tzlich ein einheitlicher (damals ein instrumentaler) Eindruck auftauchte, w\u00e4hrend vorher nur eine Summe einzelner T\u00f6ne geh\u00f6rt wurde. Daran ist nicht ein geheimnisvoller \u00dcbergang zu einer neuen Schallgattung schuld, sondern einfach der zuf\u00e4llige Eintritt der f\u00fcr einheitliches H\u00f6ren g\u00fcnstigen Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse, wobei selbst die Reflexionen von den Zimmerw\u00e4nden und die von der Kopfstellung in hohem Ma\u00dfe abh\u00e4ngigen St\u00e4rkeverschiebungen der Differenzt\u00f6ne (vgl. m. Abh. 7, S. 99) von Einflu\u00df sein m\u00fcssen. Um nicht von solchen Zuf\u00e4lligkeiten abh\u00e4ngig zu sein und die erforderlichen Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse selbst her-steilen zu k\u00f6nnen, wurden die T\u00f6ne eben in den Regulierapparat geleitet und aus dem zusammenfassenden Trichter und Schlauch abgeh\u00f6rt.\nf) Eine besondere physiologische Einstellung.\nZu leugnen ist aber nicht, da\u00df auch bei v\u00f6llig unver\u00e4nderter Schallgebung und Schallzuleitung sich noch innere, und zwar zun\u00e4chst rein physiologische Einfl\u00fcsse geltend machen k\u00f6nnen. Es ist mir bei den synthetischen Versuchen oft auf gef allen, da\u00df ein bis dahin nur mehrheitlich geh\u00f6rter Komplex pl\u00f6tzlich zu einem einheitlichen Klangeindruck verschmolz, ohne da\u00df \u00e4u\u00dfere","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"G\u00fcnstige Bedingungen f\u00fcr das einheitliche H\u00f6ren.\t287\nVer\u00e4nderungen, ja auch ohne da\u00df Einfl\u00fcsse der Willens- und Auf-merksamkeitsrichtung stattgefunden hatten. Solche Erfahrungen erwecken den Eindruck, da\u00df der \u00dcbergang vom mehrheitlichen zum einheitlichen H\u00f6ren (ebenso nat\u00fcrlich der umgekehrte) durch einen bestimmten zentralphysiologischen Vorgang vermittelt wird, \u00fcber den sich freilich zur Zeit nichts weiter sagen l\u00e4\u00dft.\nAuch von anderen ist diese synthetische Einstellung schon bemerkt worden; so z. B. nach m\u00fcndlicher Mitteilung von Max Planck, der den Fall vergleicht mit dem Zusammenschmelzen und Plastischwerden der beiden Eindr\u00fccke beim Stereoskopieren. Auch Jaensch hat bei seinen Versuchen zur Vokalnachbildung solche Beobachtungen gemacht. Neuerdings hat sich H. Werner bei seinen Untersuchungen zur Intensit\u00e4tspsychologie vielfach auf diesen Unterschied der analytischen und synthetischen Einstellung gef\u00fchrt gesehen. Er betont auch das Vorhandensein individueller Unterschiede.\nIn meinen Versuchen aus fr\u00fcherer Zeit \u00fcber das Erkennen der Komponenten bei sehr kurzdauernder Darbietung von Mehrkl\u00e4ngen aus Pfeifent\u00f6nen, die in verschiedener Anzahl und Auswahl angegeben wurden, aber immer nur in den Verh\u00e4ltnissen der 6 ersten harmonischen Teilt\u00f6ne zueinander standen und gleiche St\u00e4rke untereinander hatten (Zeitschr. f. Psych. Bd. 17), wechselten bei einem sehr intelligenten, aber von nerv\u00f6sen Stimmungen abh\u00e4ngigen Beobachter das synthetische und das analytische Verhalten in h\u00f6chst merkw\u00fcrdiger Weise miteinander ab. In manchen Versuchsreihen gab er fast immer nur an, einen Ton zu h\u00f6ren. ,,Er analysierte nicht das eine Mal besser, das andere Mal schlechter, sondern einmal analysierte er, und zwar besonders sicher und genau, das andere Mal analysierte er nicht, wenigstens nicht bei konsonanten Zusammenkl\u00e4ngen in der hier angewandten Lagerung. Es ist, als wenn \u2014 um mich in einem physiologischen Bild auszudr\u00fccken \u2014 das durch \u00dcbung erworbene, gesonderte Funktionieren der einzelnen H\u00f6rganglien oder H\u00f6rprozesse durch einen \u00fcber die ganze H\u00f6rsph\u00e4re ausgebreiteten Hemmungsvorgang beeintr\u00e4chtigt w\u00e4re.\u201c Der Bericht f\u00fcgt noch hinzu, da\u00df durch eine Art Autosuggestion das Beharren bei einem einmal eingeschlagenen analytischen oder synthetischen Verhalten beg\u00fcnstigt wurde. Von Autosuggestion w\u00fcrde ich in diesem Falle heute nicht mehr sprechen, aber als Tatsache sind uns ja solche \u201ePerseverationen\u201c jetzt vielfach bekannt.\nBei den Aufbauversuchen mit der Interferenzmethode (o. S. 55) waren es besonders die hellsten Vokale \u00dc, E, I, bei denen mit dem Auftreten der Formantgegend zun\u00e4chst ein gespaltener Klang geh\u00f6rt wurde (O + E, U -f I). Hier liegen eben Unterformant und Formant in der Tonreihe weit auseinander. Aber mit Vervollst\u00e4ndigung des Formanten und dem Eintritt der g\u00fcnstigen Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse stellte sich die Einheit wieder her. Es kam jedoch auch vor, da\u00df, als ich selbst den Vokal schon ganz einheitlich h\u00f6rte, bei einem anderen Beobachter das analytische Verhalten noch fast bis zum vollendeten Aufbau erhalten blieb und dann pl\u00f6tzlich in das synthetische umschlug.\nAuch bei L\u00fcckenversuchen mit dem A entstand gelegentlich ein \u00e4hnlich labiler Zustand, ja sogar ein Zusammen von Analyse und Synthese. So wurden, als beim A auf as nur die Teilt\u00f6ne as, as2, c3 und einige h\u00f6here \u00fcbrigblieben, ein \u201edunkles A\u201c, daneben aber noch gesondert ein dunkler Untergrund und hohe Bestandteile geh\u00f6rt. Ebenso als nur as, es2 und die","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288\t11* Kap. Einheitliches und mehrheitliches H\u00f6ren.\nhohen Elemente da waren, \u201eOTJ mit hohen, mehr isolierten Bestandteilen\u201c; als nur as, c3, es3 da waren: \u201ekein A, sondern U mit hohen gellenden Bei-t\u00f6nen; nur wenn man sich k\u00fcnstlich vom Analysieren fernh\u00e4lt, kann man auch hier etwa A finden\u201c (Aussage des Beobachters). Hier gibt es also eigent\u00fcmliche Zwischen- und Mischzust\u00e4nde in bezug auf das einheitliche H\u00f6ren und den Vokaleindruck. (Das Vorkommen gradueller \u00dcberg\u00e4nge zwischen ein- und mehrheitlichem H\u00f6ren hat auch F. Krueger einmal im Arch. f. d. ges. Psych. Bd. 1, S. 228 betont und seine Bedeutung f\u00fcr die Lehre von den unbemerkten Teilinhalten hervorgehoben.)\ng) Psychologische Faktoren.\nDas einheitliche H\u00f6ren ist nicht ganz unabh\u00e4ngig vom Willen. Beim analysierenden ist dies l\u00e4ngst bekannt und liegt offen zutage. Aber man kann sich auch auf einheitliches H\u00f6ren einstellen, kann dem Vereinheitlichungsproze\u00df innerlich entgegenkommen. Auch dies ist mir am H\u00f6rschlauch meiner synthetischen Einrichtung nicht selten aufgefallen. Mit der einheitlichen Einstellung war dann zugleich eine Vokalfarbe gegeben, mit der mehrheitlichen verschwand sie. Freilich mu\u00df alles \u00fcbrige, die Klangzusammensetzung usw., in g\u00fcnstigem Sinne vorbereitet sein, wenn dieser psychische Faktor wirken soll. Es ist nur wie das Schlie\u00dfen einer Klappe.\nAber noch ein anderer, gewisserma\u00dfen entgegengesetzter psychischer Faktor d\u00fcrfte mitwirken: die Gew\u00f6hnung. Helmholtz hat das Prinzip aufgestellt, da\u00df Sinnesempfindungen, die regelm\u00e4\u00dfig zusammen auftreten und gerade in dieser Vereinigung eine bestimmte Funktion f\u00fcr unser Bewu\u00dftsein, insbesondere f\u00fcr die Erkenntnis der Au\u00dfenwelt haben, dadurch zu einem Ganzen werden, das wir nur mit M\u00fche wieder in seine Teile aufl\u00f6sen k\u00f6nnen. Die Anwendungen, die er davon auf das Heraush\u00f6ren der Obert\u00f6ne und auf die Wahrnehmung der Doppelbilder der beiden Augen macht, sind zwar schweren Einw\u00fcrfen ausgesetzt, und im ersteren Falle hat er sie sogar selbst in den sp\u00e4teren Auflagen der \u201eLehre v. d. Tonempf.\u201c stillschweigend wieder gestrichen. Aber das Prinzip als solches l\u00e4\u00dft sich wohl vertreten. In unserem Falle sind es wieder namentlich die 3 hellsten Vokale \u00dc, E, I, auf die ich es an wenden m\u00f6chte. Es ist hier besonders merkw\u00fcrdig, da\u00df Unterformant und Formant, zwischen denen eine weite Nullstrecke liegt, als ein Klang geh\u00f6rt werden. Man kann auf die Schw\u00e4che der Unterformanten hinweisen. Aber schw\u00e4chere tiefe T\u00f6ne pflegen sich neben st\u00e4rkeren hohen T\u00f6nen immerhin leicht geltend zu machen. Ich m\u00f6chte daher glauben, da\u00df hier wirklich die lebensl\u00e4ngliche Gew\u00f6hnung mit im Spiele ist1 *).\n1) Viele der jetzt in Berlin gebr\u00e4uchlichen Automobilhupen geben ein\nSignal, das man als ein tiefes, aber zugleich schneidend scharfes U bezeichnen m\u00f6chte. Bei einiger Aufmerksamkeit entdeckt man darin einen vom Grund-\nton weit abliegenden, der 4- oder 5-gestr. Oktave angeh\u00f6rigen starken Ton,","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"G\u00fcnstige Bedingungen f\u00fcr das einheitliche H\u00f6ren.\n289\nJa, die Vokale \u00fcberhaupt d\u00fcrften unter diesen Gesichtspunkt fallen. Helmholtz hebt bereits hervor (S. 170), da\u00df die menschliche Stimme f\u00fcr das unbewaffnete Ohr weniger leicht zu analysieren sei als andere Schallquellen. So allgemein ist dies zwar nicht zuzugeben: denn bei einer guten M\u00e4nnerstimme h\u00f6rt man, wenn der S\u00e4nger auf einer gleichbleibenden Tonh\u00f6he langsam von U nach I \u00fcbergeht, die Obert\u00f6ne ebenso deutlich in die H\u00f6he steigen, wie bei der Vokalr\u00f6hre von Willis oder einem \u00e4hnlichen toten Instrumente. Grassmann hatte sich so auf die Vokale ein-ge\u00fcbt, da\u00df er beim A 10 Obert\u00f6ne mit blo\u00dfem Ohr heraush\u00f6ren konnte. Aber beim gew\u00f6hnlichen Singen und Sprechen kommt dergleichen nicht vor, da der Singende die Vokale nicht so ineinander \u00fcbergehen l\u00e4\u00dft und der Sprechende \u00fcberhaupt nicht lange genug auf einem Tone verweilt, um f\u00fcr das Heraush\u00f6ren von Teilt\u00f6nen Gelegenheit zu bieten, vor allem aber die Intention des H\u00f6renden auf ganz andere Dinge gerichtet ist. So kann es wohl sein, da\u00df gerade die Sprachlaute f\u00fcr uns in besonderem Ma\u00dfe einheitlich geworden sind, besser gesagt: da\u00df bei ihnen das Analysieren durch das blo\u00dfe Ohr schwerer f\u00e4llt, als bei den musikalischen Instrumenten. Bei diesen mag die Neigung des guten abendl\u00e4ndischen Musikers, Akkorde und polyphone Gebilde nach M\u00f6glichkeit in allen ihren Teilen aufzufassen, die Analyse auch einfacher Kl\u00e4nge beg\u00fcnstigen und eine der einheitlichen Auffassung entgegenstehende Gew\u00f6hnung begr\u00fcnden.\nAu\u00dfer dem Willen und der Gew\u00f6hnung wirken unter Umst\u00e4nden noch weitere psychische (bzw. psychophysische) Faktoren in einem das einheitliche H\u00f6ren beg\u00fcnstigenden Sinne. So der augenblickliche Zusammenhang, die Einstellung auf Vokale \u00fcberhaupt oder auf bestimmte Vokale (vgl. oben S. 50ff.).\nMan kann die Gesamtheit dieser psychischen Faktoren auch als \u201epsychische Einstellung\u201c im weiteren Sinne der rein physiologischen Einstellung an die Seite setzen, wobei es jedem \u00fcberlassen bleibt, auch hier physiologische Mechanismen im Gehirn wirksam zu denken. Wir haben keine Veranlassung, auf die letzten Fragen der allgemeinen Psychophysik einzugehen.\nalso eigentlich die Konstitution eines I, aber doch mit einem so viel gewaltigeren und eindringlicheren unteren Bestandteil, da\u00df wohl niemand den Gesamtklang einem I gleichsetzen w\u00fcrde. Hier ist es also umgekehrt wie bei den hellen Vokalen: der zusammengesetzte Laut wird trotz der scharfen hohen Beimischung als U geh\u00f6rt und diese wirkt nur wie ein \u201eOberformant\u201c. Aber auch hier k\u00f6nnte man mit Helmholtz sagen, da\u00df die Gew\u00f6hnung an diese Art von Klang als Zeichen eines \u00e4u\u00dferen Objektes die einheitliche Auffassung besonders beg\u00fcnstige.\nStumpf, Sprachlaute.\n19","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"12. Kapitel.\nDie gegenseitige Beeinflussung der Teiltonst\u00e4rken und ihr Verh\u00e4ltnis zur Gesamtst\u00e4rke des Klanges.\nI. Gegenseitige Beeinflussung.\nMehrfach ist schon erw\u00e4hnt, da\u00df die Intensit\u00e4ten der Teil-t\u00f6ne, wie sie durch die gew\u00f6hnlichen objektiven Ma\u00dfbestimmungen ermittelt werden, selbst wenn sie mit den durch besondere Untersuchungen festgestellten, die ungleiche Empfindlichkeit des Geh\u00f6rs f\u00fcr die verschiedenen Tonh\u00f6hen ausdr\u00fcckenden Koeffizienten multipliziert werden, nicht den physiologischen Intensit\u00e4ten der Gehirnprozesse, welche die unmittelbare Grundlage und Vorbedingung der Klangerscheinungen sind, zu entsprechen brauchen, ja in gewissen Punkten sicher nicht entsprechen. Viel eher lie\u00dfe sich dies von unseren rein ph\u00e4nomenalen St\u00e4rkekategorien annehmen, welche die unmittelbaren Wirkungen oder (nach parallelistischer Anschauung) die psychische Innenseite der letzten Gehirnprozesse darstellen. Aber diese Kategorien beziehen sich nicht auf die Teilt\u00f6ne w\u00e4hrend ihres Zusammenklingens, sondern nur auf die vor oder nachher isoliert geh\u00f6rten Teilt\u00f6ne. Zweifellos treten w\u00e4hrend und zufolge des Zusammenklingens gewisse Wechselwirkungen zwischen den physiologischen Prozessen, teilweise schon im Ohre, teilweise erst im H\u00f6rzentrum des Gehirns ins Spiel, wodurch erst die endg\u00fcltigen physiologischen St\u00e4rken festgelegt werden. Auf die subjektive Differenztonbildung, die ihren Sitz im Geh\u00f6rorgan hat, wiesen wir schon \u00f6fters hin. Aber auch abgesehen davon ist die Frage, in welcher Richtung und welchem Ausma\u00dfe gleichzeitige Tonprozesse einander innerhalb des Organismus beeinflussen. Erst wenn wir dar\u00fcber zureichende Kenntnisse besitzen, werden wir in der Lage sein, auf die wirklichen St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse der Teilt\u00f6ne im Endstadium ihres Verlaufes zu schlie\u00dfen.\nBis auf die j\u00fcngste Zeit ist diese Frage arg vernachl\u00e4ssigt worden. Doch ist sie durch neuere Untersuchungen der Beantwortung wesentlich n\u00e4her ger\u00fcckt. Stellen wir die wichtigsten bisherigen Ergebnisse zusammen!","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"\u00c4ltere Beobachtungen.\n291\n1. \u00c4ltere Beobachtungen.\nAus Beobachtungen Alfred Mayers, Machs und des Verfassers1) schien bereits hervorzugehen, da\u00df gleichzeitige T\u00f6ne im allgemeinen einander etwas von ihrer St\u00e4rke abziehen, da\u00df aber tiefere weniger durch h\u00f6here gesch\u00e4digt werden als umgekehrt. Nimmt man 2 Gabeln im Intervall einer Oktave oder auch etwa einer Quarte und schw\u00e4cht die h\u00f6here soweit ab, da\u00df sie durch die tiefere eben verdeckt wird, so ist sie f\u00fcr sich allein immer noch gut h\u00f6rbar. Wird dagegen die tiefere durch die h\u00f6here eben verdeckt, so ist sie auch f\u00fcr sich schon nahe an der Schwelle. Aber Mayer ging zu weit, wenn er die Verdr\u00e4ngung tiefer durch hohe T\u00f6ne \u00fcberhaupt f\u00fcr ausgeschlossen hielt, wie denn auch schon die gew\u00f6hnliche musikalische Erfahrung dagegen spricht. Machs Beobachtungen waren am Klavier angestellt und lassen sich da leicht nachpr\u00fcfen; er hatte sie aber nicht ganz richtig gedeutet.\n1897 stellte ich mit Max Meyer weitere Versuche an, bei denen als Klangquelle die elektromagnetischen Stimmgabeln des Helmholtz sehen Apparates f\u00fcr Vokalsynthesen dienten, die den Vorteil konstanten T\u00f6nens und leichter St\u00e4rkeregulierung boten. Die Versuche wurden gemacht, um Meyers Vermutung zu pr\u00fcfen, da\u00df die simultane St\u00e4rkebeeinflussung den Grund f\u00fcr die Ton-verschmelzung der konsonanten Intervalle enthalte. Hierbei zeigte sich 1. wieder, da\u00df von 2 gleichzeitigen T\u00f6nen der tiefere dem h\u00f6heren mehr abzieht als umgekehrt; 2. aber schien es einerlei, ob es sich um konsonante oder dissonante Intervalle handelte, womit also die obige Vermutung fiele; 3. glaubte ich aus den Versuchen entnehmen zu k\u00f6nnen, da\u00df das St\u00e4rke Verh\u00e4ltnis zweier T\u00f6ne durch Hinzuf\u00fcgung eines dritten nicht ge\u00e4ndert wurde (abgesehen von der Verst\u00e4rkung durch Differenztonbildung) ; 4. war bei gro\u00dfen Tonabst\u00e4nden kein deutlicher gegenseitiger Einflu\u00df zu bemerken. Endlich schien mir, wenn beide T\u00f6ne der h\u00f6heren Lage angeh\u00f6rten, die gegenseitige Beeinflussung geringer als in der Mitte. Aber die Versuche blieben fragmentarisch, die Thesen in so allgemeiner Form nicht hinreichend gesichert, und so wurde nichts dar\u00fcber ver\u00f6ffentlicht2).\nx) S. die Berichte Tonpsych. II, S. 225ff., 231, 418 \u2014 421.\n2) M. Meyer hat kurz darauf (Zeitschr. f. Psych. Bd. 17. 1898) auf rein rechnerischem Wege eine Tabelle f\u00fcr die Amplitudenverh\u00e4ltnisse entworfen, bei denen unter Voraussetzung bestimmter theoretischer Grundanschauungen der h\u00f6here von 2 T\u00f6nen verschwinden m\u00fcsse. Er fand die Werte verschieden je nach dem Phasenverh\u00e4ltnis. Aber blo\u00dfe Phasen Verschiedenheiten haben sicher hierauf keinen Einflu\u00df. Au\u00dferdem legte Meyer noch\n19*","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292\t12. Kap. Die gegenseitige Beeinflussung der Teiltonst\u00e4rken.\nIm Zusammenh\u00e4nge mit den Vokalstudien nahm ich 1918 auch diese Frage wieder auf und konnte jetzt mit ganz einfachen T\u00f6nen arbeiten, wie dies auch hier f\u00fcr die Sauberkeit der Ergebnisse unumg\u00e4nglich ist. Auf diese Untersuchung wie auf eine neuere aus dem Berliner psychologischen Institut werden wir weiter unten zur\u00fcckkommen, nachdem die Ergebnisse systematisch durchgef\u00fchrter amerikanischer Arbeiten dargelegt sind, \u00fcber die hier ausf\u00fchrlicher berichtet werden soll, da sie, wie die Millers, in Deutschland noch wenig bekannt sind.\n2. Neuere amerikanische Untersuchungen.\nIn diesen Arbeiten aus dem wissenschaftlichen Laboratorium der Vereinigten amerikanischen Telephon- und Telegraphengesellschaften und der Western Electric Company zeigt sich aufs neue, wie Ziele der Technik auf die entferntesten, scheinbar rein theoretischen Fragen zur\u00fcckf\u00fchren, aber auch wie der von praktischen Zielen geleitete Forscheringenieur sich \u00fcber manche begriffliche Skrupel hinwegsetzt, mit denen sich Theoretiker oft den Fortschritt erschweren, so berechtigt sie sonst sein m\u00f6gen. Das Recht nachtr\u00e4glicher Kritik mu\u00df diesen freilich verbleiben; aber manchmal wird es eben doch hei\u00dfen d\u00fcrfen: \u201eSolvitur ambulando\u201c. Die hier haupts\u00e4chlich in Betracht kommende Arbeit ist die von Wegel und Lane. Eine sehr \u00fcbersichtliche und elegante Darstellung dieser und anderer Untersuchungen desselben Kreises hat aber auch Fletcher (1) gegeben.\nDie Messungen waren rein physikalischer Art, aber die Fragestellung und die gesuchten Antworten lagen auf psychologischem, ph\u00e4nomenalem Gebiete. Die Verfasser benutzten einen besonders empfindlichen \u201eAudiometer\u201c aus R\u00f6hrensender, Widerstand und Thermophon (statt des Telephons). Sie legten eine Untersuchung Knudsens \u00fcber die absoluten und Unterschieds-Schwellen f\u00fcr die St\u00e4rke wie f\u00fcr die H\u00f6he der T\u00f6ne zugrunde. Die ph\u00e4nomenale St\u00e4rke (loudness) eines gegebenen Tones definierten sie durch die Zahl der unterscheidbaren St\u00e4rkegrade zwischen der Schwelle und der gegebenen St\u00e4rke, physikalisch durch den 10fachen Logarithmus des Verh\u00e4ltnisses zwischen dem Druck des gegebenen Tones auf das Trommelfell zu dem Druck bei dem Schwellenwert (die Drucke lie\u00dfen sich aus der im Thermophon absorbierten elektrischen Energie\nandere Voraussetzungen zugrunde, die mit seiner eigenen damaligen H\u00f6rtheorie zusammenhingen. Aber diese selbst f\u00fchrt in ihren Konsequenzen zu starken Widerspr\u00fcchen mit den Beobachtungen. Deshalb m\u00fcssen wir von diesem an sich interessanten Versuch einer theoretischen L\u00f6sung des Verdeckungsproblems hier absehen.","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"Neuere amerikanische Untersuchungen.\n293\nberechnen). Die St\u00e4rkeeinheit ist definiert durch den 10fachen Logarithmus der Unterschiedsschwelle.\nAn diesen Konzeptionen h\u00e4tte wohl Fechner, seine Freude gehabt. Ich glaube auch nicht, da\u00df man sie bem\u00e4ngeln kann, soweit es sich um reine Definitionen handelt, bei denen doch nur die Zweckm\u00e4\u00dfigkeitsfrage gestellt werden kann. Da\u00df sie aber zweckm\u00e4\u00dfig waren, scheinen die sch\u00f6nen Gesetzlichkeiten zu zeigen, die sich aus den Versuchen in Verbindung mit diesen Definitionen ergaben.\nErfolgreich waren auch die (mir nicht aus dem Original bekannt gewordenen) Versuche von Mc Kenzie, die Lautheit von T\u00f6nen verschiedener H\u00f6he, ja von einfachen und zusammengesetzten Kl\u00e4ngen, und sogar von Kl\u00e4ngen und Ger\u00e4uschen zu vergleichen, was bis dahin als wenig aussichts-voll und sehr schwierig gegolten hat. Die zu vergleichenden Erscheinungen wurden in rascher Aufeinanderfolge, als eine Art Triller gegeben und die Fragestellung wurde auf die Gleichm\u00e4\u00dfigkeit dieses Trillers gerichtet. (Die Methode ist dem f\u00fcr heterochrome Helligkeitsvergleichungen \u00f6fters angewandten Flimmerverfahren nachgebildet.) Es ergab sich, da\u00df einfache T\u00f6ne verschiedener H\u00f6he dann als gleich laut erschienen, wenn sie um die gleiche Anzahl ihrer St\u00e4rkeeinheiten \u00fcber ihrer Schwelle lagen. F\u00fcr T\u00f6ne und Kl\u00e4nge dagegen, ebenso f\u00fcr Kl\u00e4nge und Ger\u00e4usche ergaben sich bei gleicher Lautheit ungleiche Anzahlen von St\u00e4rkeeinheiten. Kl\u00e4nge nahmen mit der Zahl ihrer St\u00e4rkeeinheiten schneller an Lautheit zu als einfache T\u00f6ne.\nNun wurde ein Ton von bestimmter H\u00f6he und St\u00e4rke gegeben und ein anderer, tieferer oder h\u00f6herer, soweit geschw\u00e4cht, da\u00df er eben noch gleichzeitig neben jenem wahrzunehmen blieb. Dann wurde der erste in bestimmtem Ma\u00dfe verst\u00e4rkt und festgestellt, um wie viele St\u00e4rkeeinheiten der zweite zunehmen mu\u00dfte, um \u2022 wieder merklich zu werden. So wurden von 200 bis zu 5000 Schw. die Schwellen des \u201everh\u00fcllten\u201c (masked) Tones bei verschiedenen St\u00e4rkestufen des \u201everh\u00fcllenden\u201c ermittelt und in einer Kurve zusammengefa\u00dft. Diese Kurven sind von hohem Interesse und gew\u00e4hren ein anschauliches Bild der etwas komplizierten Verh\u00e4ltnisse.\nEin Ton \u00fcbt danach seine gr\u00f6\u00dfte verh\u00fcllende Wirkung auf T\u00f6ne, die ihm der H\u00f6he nach benachbart sind, jedoch au\u00dferhalb der Schwebungszone liegen. Die Wirkung erstreckt sich sowohl nach oben als nach unten. Erweitert man den H\u00f6henabstand nach beiden Seiten, so sinkt die Wirkung nach unten hin ziemlich rasch bis zur Nullgrenze, nach oben hin dagegen nur langsam. Dieser Unterschied ist aber nur bei starken verh\u00fcllenden T\u00f6nen bedeutend; hier m\u00fcssen die hohen verh\u00fcllten T\u00f6ne ganz betr\u00e4chtlich gesteigert werden, um daneben h\u00f6rbar zu werden, w\u00e4hrend die tiefen nur einer geringen Erh\u00f6hung ihrer Schwelle bed\u00fcrfen. Bei schwachen, verh\u00fcllenden T\u00f6nen macht sich dieser Unterschied nur wenig geltend. Die These Alfred Mayers wird also von den Verfassern in \u00e4hnlichem Sinne berichtigt, wie es mir von Anfang an notwendig schien.","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294\t12. Kap. Die gegenseitige Beeinflussung der Teiltonst\u00e4rken.\nHatte beispielsweise der verh\u00fcllende Ton 400 Schw. und wurde dieser um 60 Einheiten \u00fcber seine Schwelle gesteigert, so mu\u00dfte ein gleichzeitiger Ton von 1250 Schw. um 46 Einheiten gesteigert werden, ein Ton von 3000 aber nur um 8, um daneben merklich zu sein. War der verh\u00fcllende Ton = 200, so konnte er um 55 Einheiten verst\u00e4rkt werden, ohne da\u00df ein Ton 3000 verdr\u00e4ngt wurde.\nAus dem Verlaufe der Kurven zieht Fletcher auch Folgerungen f\u00fcr Komplexe aus mehr als 2 T\u00f6nen. Es seien z. B. gegeben die 3 T\u00f6ne 400, 300, 2000 mit den relativen St\u00e4rken 50, 10, 10. Dann kann man den Kurven gem\u00e4\u00df nur den 1. und 3. h\u00f6ren; 300 liegt noch unter seiner Schwelle und m\u00fc\u00dfte um 16 Einheiten verst\u00e4rkt werden, um wahrnehmbar zu sein. Haben aber dieselben 3 T\u00f6ne die St\u00e4rken 80, 40, 40, so werden nur die beiden ersten geh\u00f6rt, der ganz hohe unterdr\u00fcckt.\nEs ist nicht ersichtlich, ob hier eine blo\u00dfe Folgerung vorliegt oder ob sie durch Beobachtung kontrolliert wurde. Bei der Folgerung ist vorausgesetzt, da\u00df das St\u00e4rkeverh\u00e4ltnis zweier T\u00f6ne durch einen dritten nicht ge\u00e4ndert wird. Dies schien mir allerdings aus wenigen vorl\u00e4ufigen Beobachtungen hervorzugehen (s. o.), aber es ist nicht selbstverst\u00e4ndlich und bed\u00fcrfte wohl noch einer genauen experimentellen Pr\u00fcfung.\nAllgemein schlie\u00dfen die Verfasser, da\u00df bei Verst\u00e4rkung eines Mehrklanges in gleichem Verh\u00e4ltnis aller Teile die tiefen T\u00f6ne sich st\u00e4rker geltend machen m\u00fcssen; und finden dies auch in der Erfahrung best\u00e4tigt.\nBei Verteilung zweier T\u00f6ne an beide Ohren (dichotisch nach unserer Bezeichnungsweise) fanden sich die Verh\u00fcllungswirkungen ungeheuer viel geringer. Was sich davon noch zeigte, glauben die Verfasser auf Hin\u00fcberdringen der T\u00f6ne durch die Knochenleitung, also auf monotisches H\u00f6ren zur\u00fcckf\u00fchren zu m\u00fcssen. Unleugbar geht aus diesem Unterschiede hervor, da\u00df die Verh\u00fcllungserscheinungen im wesentlichen nicht zentraler, sondern peripherischer Natur sind1).\nDie Verfasser machen endlich ihre Beobachtungen auch zur Hauptst\u00fctze einer neuen H\u00f6rtheorie, die zwar ebenso wie die Helmholtz sehe auf Resonanz zur\u00fcckgeht, aber nicht f\u00fcr jeden Ton besondere Fasern oder Fasergruppen resonieren l\u00e4\u00dft, sondern immer die ganze Grundmembran der Schnecke, nur mit verschiedener Lage der Resonanzmaxima. Dabei werden aber wie\nx) Minton erhebt (Phys. Rev. Bd. 22, 1923) dagegen den Einwand, da\u00df eine schwach t\u00f6nende Gabel vor dem einen Ohre durch eine gleichgestimmte st\u00e4rkere vor dem anderen Ohre verdeckt werde, was nur zentralphysiologisch zu deuten sei. Aber diese Erscheinungen beim Unisono geh\u00f6ren \u00fcberhaupt zu einer anderen Tatsachengruppe, \u00fcber welche namentlich V, Hornbostel (1, S. 84ff.) zu vergleichen ist.","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"Neuere amerikanische Untersuchungen.\n295\nbei Helmholtz die hohen T\u00f6ne n\u00e4her an die Basis, die tiefen n\u00e4her an die Kuppel der Schnecke verlegt.\nIn einigen Punkten bleiben dem Leser, dem die benutzten Einrichtungen nicht durch den Augenschein, die benutzten Klangquellen nicht durch eigenes Nachpr\u00fcfen bekannt sind, noch Fragezeichen, durch welche indessen die Hauptergebnisse kaum ber\u00fchrt werden d\u00fcrften.\nKnudsens Untersuchungen \u00fcber die Unterschiedsschwellen f\u00fcr Tonh\u00f6hen lieferten ungew\u00f6hnlich hohe Werte, z. B. f\u00fcr einen Ton von 1000 Schw. 3, f\u00fcr einen von 500 Schw. U/2 Schw., also mindestens das 6fache der fr\u00fcher ermittelten Schwellen. Diese hohen Werte haben ihren Grund vor allem wohl in der ungew\u00f6hnlichen Methode: es wurden durch vielfaches Abwechseln der beiden, durch ganz kurze Pausen getrennten T\u00f6ne Reihen gebildet, die auf ihre Gleichm\u00e4\u00dfigkeit hin zu beurteilen waren. Wie weit sich diese Methode bew\u00e4hrt, und welchen besonderen Fehlerquellen sie ausgesetzt ist, mu\u00df abgewartet werden. Au\u00dferdem aber ist Knudsen offenbar \u00fcberhaupt nicht auf die schlechthin niedrigsten Schwellenwerte ausgegangen, wie sie ein besonders fein veranlagtes und hochge\u00fcbtes Ohr erzielen kann, sondern auf Durchschnittswerte von vielen Personen. Bedenkt man aber die enorme Unf\u00e4higkeit des Tonh\u00f6henurteils bei manchen Unmusikalischen (Tonpsych. I, 313 ff. u. \u00f6.), so d\u00fcrften Durchschnittswerte nur dann einen Sinn haben, wenn eine gewisse Siebung der Versuchspersonen stattgefunden hat und nur Individuen eines gewissen Typus zusammengenommen werden. Ich wei\u00df nicht, in wieweit Knudsen so verfahren ist.\nEin weiteres Fragezeichen betrifft die Verh\u00fcllungserscheinungen bei Ann\u00e4herung an den Einklang. Wenn die Schwelle des verh\u00fcllten Tones hierbei immer h\u00f6her wird, und wenn dieses Gesetz keine Ausnahme erlitte, m\u00fc\u00dfte sie beim Einkl\u00e4nge selbst unendlich hoch werden; und dies w\u00fcrde auch insofern stimmen, als der verh\u00fcllte Ton dann vom verh\u00fcllenden unter keiner Bedingung mehr zu unterscheiden ist, er mag verst\u00e4rkt werden, so viel er will. Aber vor diesem Punkte treten Schwebungen auf, \u201eSt\u00f6rungen des Zusammenklanges\u201c, wie sie Helmholtz nannte, die sich in verschiedenen Modifikationen bis \u00fcber den Umfang eines oder mehrerer Ganzt\u00f6ne hinaus erstrecken. Zuerst sind, vom Einkl\u00e4nge ausgehend, die T\u00f6ne immer noch nicht zu unterscheiden, aber die wahrgenommene einheitliche Tonh\u00f6he unterliegt bestimmten Ver\u00e4nderungen; dann werden sie allm\u00e4hlich unterscheidbar, lassen aber noch einen 3. Ton zwischen' sich h\u00f6ren usw. Diese mehrfach ausf\u00fchrlich untersuchten und beschriebenen Erscheinungen finden in den Kurven der Verfasser ihren Ausdruck durch eigent\u00fcmliche Knickungen. Aber es ist nicht klar, inwiefern diese Knickungen die Intensif\u00e4tsVerh\u00e4ltnisse der beiden T\u00f6ne an diesen Stellen wiedergeben sollen, da es sich eben hier teils nur um einen, teils um 3 T\u00f6ne handelt und eine Schwelle des schw\u00e4cheren gegen den st\u00e4rkeren Prim\u00e4rton nur etwa insofern angegeben werden kann, als man diejenigen Intensit\u00e4ten aufsucht, bei denen der schw\u00e4chere eben noch merkliche Schwebungen des st\u00e4rkeren bewirkt. Aber auch in diesem Falle wird er, wie die Verfasser selbst bemerken, nicht neben diesem wahrgenommen, sondern nur aus den Schwebungen erschlossen. Also hat die Schwelle und die Schwellenkurve hier eine g\u00e4nzlich ver\u00e4nderte ph\u00e4nomenale Bedeutung. Richtiger w\u00e4re es wohl gewesen, in diesen Bezirken die Kurven \u00fcberhaupt zu unterbrechen.\nDie erw\u00e4hnten Knickungen treten in den Kurven aber nicht blo\u00df in der Gegend des Einklanges, sondern auch an Stellen auf, welche den 3 ersten harmonischen Obert\u00f6nen des verh\u00fcllenden Tones entsprechen, Die Veiv","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296\t12. Kap. Die gegenseitige Beeinflussung der Teiltonst\u00e4rken.\nfas\u2019ser haben denn auch Schwebungen an diesen Stellen beobachtet, f\u00fchren sie aber nicht auf objektive, sondern auf subjektive Obert\u00f6ne zur\u00fcck. Objektiv seien nur ganz verschwindende Obert\u00f6ne vorhanden (ihre Intensit\u00e4t soll nach einer brieflichen Mitteilung von H. Fletcher an v. Hornbostel zufolge harmonischer Analyse nur 0,0001 von der des Gesamtklanges betragen). Die subjektiven Obert\u00f6ne seien die Folge der nichtlinearen Reaktion des Ohres auf starke T\u00f6ne (so hat sie bereits Helmholtz S. 263 abgeleitet).\nDas wirkliche Vorhandensein solcher subjektiven Obert\u00f6ne beim gew\u00f6hnlichen H\u00f6ren habe ich Tonpsych. II, 260ff. bezweifelt und bezweifle es heute noch, obgleich sie rechnungsm\u00e4\u00dfig bei fortgesetzter Tonverst\u00e4rkung zu erwarten sind. Direktes H\u00f6ren zeigt mir trotz langer \u00dcbung nichts davon, auch bemerke ich keine entsprechende Ver\u00e4nderung der Klangfarbe durch blo\u00dfe Verst\u00e4rkung eines einfachen Tones meiner synthetischen Einrichtung innerhalb der hier m\u00f6glichen St\u00e4rkegrenzen. Mit Dr. v. Allescii versuchte ich eine Pr\u00fcfung durch schwebende Hilfsgabeln, c1 der synthetischen Einrichtung gab, m\u00f6glichst stark ins Ohr geleitet, mit der etwas verstimmten Hilfsgabel c2 in der Tat Schwebungen, ebenso mit g2, aber nur, wenn das H\u00f6rr\u00f6hrchen an die Wand des Geh\u00f6rganges angedr\u00fcckt wurde, nicht aber bei blo\u00dfer Luftleitung. Au\u00dferdem kommt in Betracht, da\u00df die Hilfsgabel c2 durch Differenztonbildung mit c1 Schwebungen auf diesem Tone, die sog. \u201etiefen Schwebungen\u201c verstimmter Oktaven, geben mu\u00df. Dasselbe Ergebnis erhielten wir f\u00fcr g1 als Grundton, wo die Schwebungen mit g2 auch deutlich auf g1 lokalisiert schienen, also Differenzton-schwebimgen waren, d2 schwebte auch hier nur beim Andr\u00fccken des R\u00f6hrchens an den Geh\u00f6rgang.\n\u00dcbrigens ist mir auch nicht klar geworden, inwiefern subjektive Ober-t\u00f6ne als Erkl\u00e4rung daf\u00fcr dienen sollen, da\u00df ein h\u00f6herer Ton leichter durch einen tieferen verdr\u00e4ngt wird, als umgekehrt. Die Verfasser scheinen anzunehmen, da\u00df der auf diese Obert\u00f6ne fallende Teil der Gesamtenergie dem h\u00f6heren, aber nicht dem tieferen Tone entzogen werde; aber die sehr kurzen Andeutungen lassen nicht erkennen, warum.\nDie Verfasser weisen ferner auf subjektive Kombinationst\u00f6ne hin, die gleichfalls aus der nichtlinearen Reaktion des Geh\u00f6rorgans entspringen m\u00fcssen (auch hier merkw\u00fcrdigerweise, ohne Helmholtz\u2019 Vorgang und die vielen seither dar\u00fcber gepflogenen eingehenden Untersuchungen, insbesondere die Waetzmanns seit 1907, zu erw\u00e4hnen). Ihr wirkliches Vorhandensein bis zu solchen 3. Grades erschlie\u00dfen sie aus Schwebungen mit Hilfsgabeln. In der Behauptung subjektiver Kombinationst\u00f6ne stimme ich den Verfassern nat\u00fcrlich bei, sind doch die beiden st\u00e4rksten seit lange bekannt. Aber die Schwebungsmethode, an sich freilich die feinste, f\u00fchrt unter Umst\u00e4nden zu Fehlschl\u00fcssen, indem durch das Hinzubringen der Hilfsgabel selbst Kombinationst\u00f6ne erzeugt werden k\u00f6nnen. Ich habe die hierbei zu beobachtenden Vorsichtsma\u00dfregeln er\u00f6rtert und die bei einfachen Prim\u00e4rt\u00f6nen wahrnehmbaren Kombinationst\u00f6ne unter Ber\u00fccksichtigung aller Umst\u00e4nde ihres Auftretens, auch des sehr wichtigen St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisses der Prim\u00e4rt\u00f6ne festgestellt. Die Untersuchung ist der Aufmerksamkeit der amerikanischen Physiker entgangen1).\nG Vgl. m. Abh. 7. Da\u00df alle Einzelheiten der an K. T. zu beobachtenden Erscheinungen aus HELMHOLTZens Grundgedanken herzuleiten w\u00e4ren, soll nicht behauptet werden. Warum bei kleinen Intervallen der 1. Differenzton so stark, bei hohen Prim\u00e4rt\u00f6nen sogar unter Umst\u00e4nden st\u00e4rker ist","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"Eigene Beobachtungen.\n297\n3. Eigene Beobachtungen.\nIch berichte nun \u00fcber noch unver\u00f6ffentlichte Beobachtungen, zu denen die v\u00f6llig einfachen und in ihrer St\u00e4rke fein regulierbaren T\u00f6ne der synthetischen Einrichtung, statt der physikalischen Messung aber wieder die rein ph\u00e4nomenalen St\u00e4rkekategorien ben\u00fctzt wurden. Ich hatte es nicht blo\u00df auf den Fall der Verdr\u00e4ngung eines Tones durch einen anderen abgesehen, sondern notierte auch blo\u00dfe Abschw\u00e4chungen. Die Frage war: wie ver\u00e4ndert sich durch das Zusammenklingen der schw\u00e4chere, wie der gleichstarke, wie der st\u00e4rkere Ton? Doch betrafen die meisten Beobachtungen auch hier die Punkte der Ebenmerklichkeit und des Verschwindens. Es wurden die Tonpaare g1 c2 (Quarte), c c1, c1 c2 (Oktaven), c1 e2 (Dezime) und c1 c3 (Doppeloktave), aber auch noch andere gr\u00f6\u00dfere Intervalle gepr\u00fcft.\na)\tWaren die beiden T\u00f6ne deutlich ebenmerklich (= 1/8), so blieben sie beim Zusammenklingen fast ausnahmslos unver\u00e4ndert. Jedenfalls war von einem Verdr\u00e4ngen des einen durch den andern nichts zu bemerken. Oft schien mir sogar die Deutlichkeit, wenn auch nicht die St\u00e4rke, der Komponenten wie durch eine Art Kontrastwirkung im Zusammenklange gr\u00f6\u00dfer. Bei der Oktave schien mir aber zuweilen der tiefere Ton wirklich etwas verst\u00e4rkt (s. unter g).\nb)\tWaren beide T\u00f6ne ungleich stark und lag der st\u00e4rkere im St\u00e4rkebereich 1 \u2014 2, so war entweder keine oder nur eine schwache sch\u00e4digende Wirkung des st\u00e4rkeren auf den schw\u00e4cheren zu bemerken. Auch trat kein ausgesprochener Unterschied zutage, je nachdem der h\u00f6here oder der tiefere st\u00e4rker war.\nZ. B. wenn bei der Quarte oder der Oktave der eine Ton 1, der andere 1/8 betrug, blieb der letztere im Zusammenklang unver\u00e4ndert h\u00f6rbar, auch\nals diese selbst, warum auch der D. T. 2 t \u2014 h vielfach dieselbe, manchmal eine gr\u00f6\u00dfere St\u00e4rke besitzt als h \u2014 t, wogegen wieder 2 h \u2014 t minimal schwach ist : warum 3 h \u2014 2 t bei einfachen Prim\u00e4rt\u00f6non noch schwach h\u00f6rbar, 2 h \u2014 2 t dagegen ganz unh\u00f6rbar ist : dies und anderes mu\u00df wohl mit der besonderen Beschaffenheit der Membranen unseres Geh\u00f6rorgans (Trommelfell, ovales Fenster), vielleicht auch der Kn\u00f6chelchenkette, Zusammenh\u00e4ngen. F\u00fcr die Schw\u00e4che von 2h \u2014 t mag auch in Betracht kommen, da\u00df dieser Ton immer oberhalb der Prim\u00e4rt\u00f6ne liegt, daher von diesen in h\u00f6herem Grade als die tiefen Differenzt\u00f6ne subjektiv gesch\u00e4digt wird.\nDie von mir und mehreren Mitbeobachtern bemerkte Erscheinung unharmonischer K. T. bei der verstimmten Oktave und Duodezime (7, S. 121) scheint sogar auf zentrale Einfl\u00fcsse in einzelnen F\u00e4llen hinzuweisen. Bei der Seltsamkeit dieser Erscheinung sei eine analoge Beobachtung aus der gegenw\u00e4rtigen Untersuchungsreihe erw\u00e4hnt. Als n\u00e4mlich die Oktave cx:c2 der synthetischen Einrichtung sich zuf\u00e4llig ein wenig verstimmt hatte, war bei jedem Schwebungsmaximum ein unerkl\u00e4rlicher K. T. es2 deutlich zu beobachten.","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298\t12. Kap. Die gegenseitige Beeinflussung der Teiltonst\u00e4rken.\nwenn er der h\u00f6here war. Also keine merkliche Erh\u00f6hung der Schwelle. War c2 = 1, so verschwand die tiefere Quarte g1 erst dann, wenn sie auch isoliert schon untermerklich war. Bei der Dezime c1 = 1, e2 = 1/8 blieb e2 obenmerklich. Fast schien es sogar wieder durch eine Art Kontrast deutlicher zu werden. \u00c4hnliches bei der Doppeloktave.\nc)\tDagegen trat bei bedeutender St\u00e4rke des einen Tones, wenn er gellend (=3) oder wenigstens mittelstark (=21/2) war, eine erhebliche Sch\u00e4digung des anderen, schw\u00e4cheren bei Intervallen bis zur Doppeloktave jederzeit ein; und zwar im allgemeinen eine gr\u00f6\u00dfere Sch\u00e4digung, wenn er \u00fcber als wenn er unter dem sch\u00e4digenden lag. Ein gellender Ton t\u00f6tet einen h\u00f6heren, selbst wenn dieser betr\u00e4chtlich \u00fcber seiner Schwelle liegt.\nBei der Quarte z. B. verschwand der h\u00f6here Ton bei g1 = 21/2, c2 = 1 oder g1 \u2014 S1/^, c2 = P/g. Der tiefere Ton verschwand bei g1 = 1/8, c2 = 2.\nBei der Oktave unterdr\u00fcckte der tiefere den h\u00f6heren, wenn jener = 3, dieser = l3/4 war. Es war dann noch eine Ver\u00e4nderung der Klangfarbe zu beobachten. War aber der h\u00f6here = 1, so machte sich \u00fcberhaupt keine Ver\u00e4nderung bemerklich. War c1 = 21/2, c2 = 1/4, so war dieses noch eben merklich, bei 1/8 dagegen nicht mehr. Der h\u00f6here unterdr\u00fcckte den tieferen, wenn jener \u25a0\t4, dieser = D/g oder 2 war. Ebenso bei c2 = 21/2, c1 = x/8,\nwogegen bei c1 = 1/4 dieses noch h\u00f6rbar blieb. Hier machte also die Umkehrung keinen Unterschied.\nBei der Dezime dr\u00fcckte der tiefere Ton mit 2 x/2 den h\u00f6heren von der Ebenmerklichkeit auf Unmerklichkeit herab ; um merklich zu bleiben, mu\u00dfte dieser auf 1/2 verst\u00e4rkt werden. Der h\u00f6here unterdr\u00fcckte den tieferen erst mit St\u00e4rke 3.\nBei der Doppeloktave ebenso; nur blieb der tiefere Ton mit 1/8 noch neben dem h\u00f6heren h\u00f6rbar, wenn dieser selbst auf 3 gesteigert wurde.\nd)\tDaf\u00fcr, da\u00df bei ungleicher St\u00e4rke auch der st\u00e4rkere Ton eine Einbu\u00dfe erlitte, findet sich unter dieser Beobachtungsreihe kein Anhaltspunkt; ich habe darauf allerdings auch nicht so geachtet wie auf die Sch\u00e4digung des schw\u00e4cheren. Sollte es in geringem Ma\u00dfe der Fall sein, so m\u00fc\u00dften zur Feststellung wohl auch feinere Mittel angewandt werden.\ne)\tOb der Konsonanz- und Verschmelzungsgrad einen Unterschied macht, erscheint auch nach diesen Versuchen zweifelhaft. Doch m\u00f6chte ich einen geringen Einflu\u00df wenigstens bei der Oktave nicht ausschlie\u00dfen (vgl. die Schwelle des h\u00f6heren Tones bei Quarte und Oktave).\nf)\tDa\u00df der sch\u00e4digende Einflu\u00df des st\u00e4rkeren Tones auf den schw\u00e4cheren mit ihrem Abstand in der Tonreihe (von Terzen anfangend) abnimmt, hat sich auch hier im allgemeinen best\u00e4tigt. Bei einem Tonabstand von 4\u20145 Oktaven, z. B. bei c und u4, schien mir \u00fcberhaupt keine Sch\u00e4digung, weder eine gegenseitige bei gleicher, noch eine einseitige bei ungleicher St\u00e4rke stattzufinden. Der schw\u00e4chere Ton verschwand im Zusammenklang bei","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"Eigene Beobachtungen.\n299\nder n\u00e4mlichen St\u00e4rke wie im isolierten Zustand, und es machte dabei auch keinen Unterschied, ob es der h\u00f6here oder tiefere war: immer blieb seine Schwelle unver\u00e4ndert.\ng ) Bei gleicher St\u00e4rke der T\u00f6ne im isolierten Zustand erschien im Zusammenklang der tiefere merklich st\u00e4rker als der h\u00f6here.\nDies tritt vor allem aus einem besonderen Grunde regelm\u00e4\u00dfig ein bei der Oktave. Der tiefere ist eben hier zugleich Differenzton. Selbst bei St\u00e4rke 1/8 f\u00fcr beide T\u00f6ne scheint der tiefere etwas verst\u00e4rkt. Erschienen im Zusammenklange c und c1 beide = 2, so zeigte sich bei isolierter Angabe c1 = 1, c2 = 2. Einigerma\u00dfen k\u00f6nnte \u00c4hnliches auch bei der Quinte zutreffen, da der tiefere Ton hier sowohl 1. als 2. Differenzton (h\u2014tund 2t\u2014h) ist ; namentlich wenn der Ton 2 t als Oberton real vorhanden ist. Und so noch in anderen F\u00e4llen.\nAber auch wo keine Differenztonbildung dem tieferen zugute kommt, scheint er im Zusammenklange beg\u00fcnstigt zu sein. Dies ist mir besonders aufgefallen bei Versuchen mit Dreikl\u00e4ngen, die mit Hilfe des Regulierungsapparates so gegeben wurden, da\u00df die T\u00f6ne im Zusammenklange untereinander gleich stark, und zwar jeder mit der St\u00e4rke 2 erschienen. Wurden die T\u00f6ne dann einzeln gegeben, so war der tiefste der schw\u00e4chste und nahm \u00fcberhaupt die St\u00e4rke im allgemeinen mit der H\u00f6he zu. Beispielsweise waren bei c1 g1 g2 oder g1 e2 62 oder c1 e2 d3 jedesmal die isolierten St\u00e4rken: l1/2, l3/4, 2.\nIn manchen Versuchen schien aber der mittlere Ton unter dem Zusammenklange besonders zu leiden, namentlich bei T\u00f6nen von geringem Abstand. So ergaben e2 g2 62 die isolierten St\u00e4rken 11/2, 21/2, 2. Selbst wenn ich den Zusammenklang so regulierte, da\u00df die simultanen St\u00e4rken \u2014 2, 1/2, U/2 waren, so da\u00df man g2 kaum mehr heraush\u00f6ren konnte, erwiesen sich die isolierten St\u00e4rken = l3/4, 21/2, 2.\nHiermit d\u00fcrfte die Tatsache Zusammenh\u00e4ngen, da\u00df man Differenz t\u00f6ne, die zwischen 2 Prim\u00e4rt\u00f6ne zu hegen kommen (wenn n\u00e4mlich diese weiter als eine Oktave auseinander hegen), au\u00dferordentlich schwer heraush\u00f6ren kann1). Auch bei Versuchen \u00fcber\nx) Auf diese Erkl\u00e4rung habe ich auf Grund analoger Beobachtungen schon 7, S. 142 hingedeutet. Damals machte ich folgende (dort nicht mitgeteilte) Beobachtungen an der \u201eFlaschenorgel\u201c. L\u00e4\u00dft man g2 d3 erklingen, so erscheint der D. T. g1. F\u00fcgt man nun noch den Flaschenton c1 hinzu, so wird dieses g1 unterdr\u00fcckt; f\u00fcgt man dagegen den Flaschenton c2 (statt c1) hinzu, so bleibt es h\u00f6rbar. Ferner: e2 a2 zusammen geben die D. T. a und a1. F\u00fcgt man nun den Zweiklang c1 + c2 hinzu, so wird a1 unter-","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300\t12. Kap. Die gegenseitige Beeinflussung der Teiltonst\u00e4rken.\ndie Analyse eines Tongemisches durch unmusikalische oder exotische Individuen findet sich regelm\u00e4\u00dfig, da\u00df sie die \u00e4u\u00dferen T\u00f6ne leichter als die mittleren heraush\u00f6ren1).\nDas Auffallendste bei diesen Dreiklangversuchen war aber, da\u00df der tiefste Ton im Zusammenklang nicht blo\u00df weniger geschw\u00e4cht als die h\u00f6heren, sondern gegen\u00fcber seinem isolierten Zustande geradezu verst\u00e4rkterschien; also \u00e4hnlich wie bei der Oktave, aber ohne da\u00df man hier entsprechende Differenzt\u00f6ne daf\u00fcr haftbar machen kann. Es w\u00e4re sehr zu w\u00fcnschen, da\u00df solche Versuche auch mit objektiven St\u00e4rkemessungen der isolierten T\u00f6ne wiederholt w\u00fcrden; denn das Ergebnis ist so neu und befremdlich, da\u00df ich meinen nicht zahlreichen Beobachtungen hier\u00fcber noch kein entscheidendes Gewicht beilegen m\u00f6chte.\nVergleichungen der St\u00e4rke eines isolierten Tones mit der St\u00e4rke desselben Tones als Teil eines Zusammenklanges unterliegen ja auch einer eigent\u00fcmlichen Schwierigkeit. Man hat zuerst den Eindruck, als sei hier eine exakte Vergleichung \u00fcberhaupt unm\u00f6glich, als handle es sich um St\u00e4rken in verschiedenem Sinne des Wortes. Es spielt eben die Deutlichkeit des Heraush\u00f6rens mit: der deutlicher herausgeh\u00f6rte Ton, z. B. ein dissonierender Ton innerhalb eines sonst konsonanten Zusammenklanges, wird leicht als st\u00e4rker beurteilt, ohne es wirklich (auch nur subjektiv wirklich) zu sein. Im allgemeinen mag die Konzentration der Aufmerksamkeit auf einen einzelnen Ton durch die \u00fcbrige Klangmasse erschwert sein. Aber un\u00fcberwindlich sind diese Schwierigkeiten nicht, und andere Beobachter fanden sie nicht einmal besonders gro\u00df (vgl. unten 4).\ng) Der tiefste Ton eines Zwei- oder Mehrklanges beh\u00e4lt den Charakter als Grundlage des Klangganzen bei abnehmender relativer und absoluter St\u00e4rke noch lange bei. Er verliert ihn erst, wenn er sich seinem Schwellenwerte n\u00e4hert. Bei der Oktave c1 c2, wenn c2 = 21/2, hatte c1 mit der St\u00e4rke 1 entschieden noch die F\u00fchrung. Sie wurde erst schwankend mit c1 = 1/4, wo dieses schon nahe an seiner simultanen Schwelle ist. Es begleitet dann den st\u00e4rkeren Ton nur noch wie ein leichter Schatten2).\ndr\u00fcckt, a aber bleibt h\u00f6rbar. Also ein gew\u00f6hnlicher D.-T. g1, der unterhalb der erzeugenden Prim\u00e4rt\u00f6ne liegt, wurde durch einen neu hinzugef\u00fcgten tieferen (nicht zu weit davon entfernten) Prim\u00e4rton c1 unterdr\u00fcckt, aber nicht durch einen h\u00f6heren c2; und von 2 D. T. wurde derjenige, der zwischen\n2 neu hinzugef\u00fcgten Prim\u00e4rt\u00f6nen lag, unterdr\u00fcckt, aber nicht der darunter liegende.\n!) Tonpsych. II, S. 362ff. Beitr. z. Akust. u. Musikwiss, Heft 3, S. 106.\n-) Vgl. Tonpsych. II, 384ff., 421.","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"Eigene Beobachtungen.\n301\nDer Grund, warum wir den tiefsten Ton eines Klanges, auch wenn er nicht der st\u00e4rkste ist, doch als Fundament des Ganzen und als den eigentlichen Tr\u00e4ger der Tonh\u00f6he auffassen, liegt wohl haupts\u00e4chlich in seinem gr\u00f6\u00dferen Volumen und den daran gekn\u00fcpften r\u00e4umlichen Assoziationen1). Darauf einzugehen w\u00fcrde hier zu weit f\u00fchren, nur die Tatsache selbst ist f\u00fcr uns wichtig.\nVergleicht man die unter 3. mitgeteilten Ergebnisse mit den Schwellenbeobachtungen der amerikanischen Physiker unter 2., so herrscht eine befriedigende \u00dcbereinstimmung: sie ordnen sich in deren \u201eVerh\u00fcllungskurven\u201c, soweit ich sehe, widerspruchslos ein, freilich ohne da\u00df physikalische Ma\u00dfbestimmungen eine zahlenm\u00e4\u00dfige Vergleichung erm\u00f6glichten. Dagegen gehen sie gem\u00e4\u00df der erweiterten Fragestellung in verschiedenen Richtungen dar\u00fcber hinaus.\n4. Nehmen wir nun alle unter 1 \u2014 3 besprochenen, hinreichend beglaubigten Tatsachen zusammen, so ergibt sich f\u00fcr die Vokal -Struktur, da\u00df sich die subjektiven St\u00e4rken der Teilt\u00f6ne, wie sie im isolierten Zustande festgestellt werden, beim Zusammenklang im Geh\u00f6rorgan und im Gehirn zugunsten der jeweilig tieferen Teilt\u00f6ne verschieben m\u00fcssen. Zu der Verst\u00e4rkung, die der Grundton als Differenz ton aller unmittelbar aufeinanderfolgenden harmonischen Obert\u00f6ne und die auch andere tiefere Teilt\u00f6ne als Differenzt\u00f6ne h\u00f6herer Teilt\u00f6ne erhalten, treten nun noch die Verschiebungen der relativen, ja, wahrscheinlich sogar der absoluten St\u00e4rke, wie sie durch die Beg\u00fcnstigung der tieferen T\u00f6ne im Zusammenklang gegeben sind. In manchen F\u00e4llen m\u00fcssen nach den obigen Gesetzlichkeiten hohe Obert\u00f6ne durch einen aus mehreren starken, tieferen T\u00f6nen bestehenden Formanten so geschw\u00e4cht werden, da\u00df sie sich sogar in der Klangfarbe kaum mehr geltend machen k\u00f6nnen. Doch erweisen sich diese F\u00e4lle, wenn man unsere synthetischen Tabellen daraufhin durchsieht, als selten; zumeist werden doch die h\u00f6heren Teilt\u00f6ne \u00fcber ihrer Schwelle bleiben.\nAber auch wenn der Grundton des gesungenen oder gesprochenen Vokals trotz dieser verst\u00e4rkenden Faktoren in der Hirnrinde immer noch schw\u00e4cher vertreten ist als mancher Oberton, so versteht man aus der zuletzt erw\u00e4hnten Tatsache, da\u00df er Grund ton bleibt und die Rolle der Klangh\u00f6henbestimmung nicht etwa an die Oktave oder Duodezime oder an den Formanten abgibt.\n) Vgl. ebenda I, 202 ff. ; II, 46ff. u. \u00f6","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302\t12- Kap. Die gegenseitige Beeinflussung der Teiltonst\u00e4rken.\n4. Physikalische Intensit\u00e4t herausgeh\u00f6rter Teilt\u00f6ne.\nEine bemerkenswerte Erg\u00e4nzung dieser Ergebnisse bildet die Untersuchung, die 1922 Frl. Eberhardt im Psychologischen Institut der Berliner Universit\u00e4t auf Veranlassung W. Koehlers ausgef\u00fchrt hat. Mit Hilfe der oben S. 17 erw\u00e4hnten Lewinsehen Einrichtung wurde die relative physikalische Intensit\u00e4t eines in einem Klangganzen enthaltenen Tones bestimmt. Dann wurde eine Versuchsperson (Vp) veranla\u00dft, unter einer gro\u00dfen Zahl von objektiv hergestellten Intensit\u00e4tsstufen eines isoliert dargebotenen Tones von gleicher H\u00f6he wie der vorher untersuchte diejenige Stufe auszusuchen, die der St\u00e4rke des in und aus dem Klangganzen geh\u00f6rten Tones gleichkam. Hierauf wurde diese Intensit\u00e4t wieder physikalisch bestimmt. Sie erwies sich durchgehends als kleiner gegen\u00fcber- der ersten Bestimmung. Hieraus lie\u00df sich schlie\u00dfen, in welchem Ma\u00dfe der Ton durch den gleichzeitigen Tonkomplex subjektiv an St\u00e4rke gesch\u00e4digt war. Der zu bestimmende Ton war in einer Versuchsreihe als 3. Teilton eines Klanges (g2 im Klange von c), in einer 2. Reihe als Komponent eines Zwei- oder Dreiklanges aus ann\u00e4hernd gleichstarken T\u00f6nen (g2 mit es2 oder mit b2 oder mit beiden), in einer 3. Reihe als Teil eines Zweiklanges (e2 gis2) mit ver\u00e4nderlichem St\u00e4rkeverh\u00e4ltnis der Komponenten gegeben.\nDie 8 Beobachter konnten die Vergleichung mit betr\u00e4chtlicher subjektiver Sicherheit ausf\u00fchren und urteilten bei Wiederholung der Versuche in ann\u00e4hernd gleicher Weise, aber \u2014 und dies ist besonders bemerkenswert \u2014 sie differierten untereinander au\u00dferordentlich. In der 1. Serie betrug die Intensit\u00e4t zwischen 1,3% und 29% der vorher gemessenen physikalischen Intensit\u00e4t. In der 2. Serie betrug die Sch\u00e4digung f\u00fcr alle Personen weniger (Intensit\u00e4t bei es2 g2 zwischen 6 und 89%, bei g2 b2 zwischen 4,5 und 72%, bei es2, g2, b2 zwischen 4 und 68%); die Rangordnung der Vp war aber ziemlich dieselbe wie in der 1. Serie. In den meisten F\u00e4llen erschien g2 etwas mehr gesch\u00e4digt, wenn es mit b2 als wenn es mit es2 zusammen war (eine Abweichung gegen\u00fcber den fr\u00fcheren Ermittelungen, wonach ein tieferer Ton st\u00e4rker sch\u00e4digt), am meisten aber, wenn es als mittlerer Ton zwischen beide eingef\u00fcgt war, obgleich es hier an sich sogar etwas st\u00e4rker gegeben wurde. In der 3. Serie nahm mit wachsender St\u00e4rke des gis2 die Intensit\u00e4t des herausgeh\u00f6rten e2 ab, z. B. bei Erh\u00f6hung durch 4 Intensit\u00e4tsstufen von 1 \u2014 140 sank sie f\u00fcr eine Vp von 73 auf 1%, und \u00e4hnlich auch f\u00fcr die anderen Vp. Die Verfasserin f\u00fcgt hier bei, da\u00df nach allt\u00e4glichen Erfahrungen zahlreiche leisere T\u00f6ne einem gegebenen weniger Abbruch tun als ein einziger lauter Ton.","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"Physikalische Intensit\u00e4t herausgeh\u00f6rter Teilt\u00f6ne.\t303\nDas bemerkenswerteste Ergebnis dieser Versuche ist neben der Feststellung der gro\u00dfen individuellen Differenzen die gro\u00dfe Schw\u00e4chung der Beit\u00f6ne eines Klanges gegen\u00fcber der viel geringeren Schw\u00e4chung ann\u00e4hernd gleichstarker Komponenten eines Mehrklanges. (Dies stimmt auch mit den vorher erw\u00e4hnten Untersuchungen, wonach der schw\u00e4chere Ton im allgemeinen mehr leidet als der gleich starke.) In einem Versuche mit dem sehr obertonreichen Zungenklang auf c wurde der 5. Teilton e2 selbst von dem im Heraush\u00f6ren un\u00fcbertrefflichen Prof. v. Hornbostel nur mit 4% seiner wirklichen Energie vernommen. Dagegen h\u00f6rte derselbe Beobachter aus dem Dreiklange cis2 e2 gis2 bei ann\u00e4hernd gleicher St\u00e4rke aller T\u00f6ne den mittleren noch mit 71% heraus.\nBereits Koehler hatte (1, Vorl. Mitt., S. 100ff.; 1, III, S. 129ff.) nach Beobachtungen an sich selbst von den Obert\u00f6nen nur einen \u201eschwachen Rest\u201c finden k\u00f6nnen und auch auf Seebeck hingewiesen, der die n\u00e4mliche Beobachtung gegen Ohms Klanglehre ins Feld gef\u00fchrt hatte. Koehler benutzte sie denn auch schon 1912 als St\u00fctze einer Modifikation der HELMHOLTZschen H\u00f6rtheorie, wonach, \u00e4hnlich wie in der Umgestaltung der amerikanischen Forscher (s. o.), nicht mehr einzelne Fasern oder kleine Fasergruppen, sondern immer nur gr\u00f6\u00dfere Regionen der Grundmembran Tr\u00e4ger der Resonanz sein w\u00fcrden. Wir erw\u00e4hnen diese Folgerungen und Theorien, ohne hier dazu Stellung zu nehmen.\nDie Verfasserin ist nicht, wie Wegel und Lane, auf Schwellen -beobachtungen ausgegangen. Aber nach gelegentlichen Bemerkungen scheint es, da\u00df die von ihr ermittelten individuellen Unterschiede sich nicht in entsprechenden Verschiedenheiten der Schwelle kundgeben, d. h. da\u00df das Heraush\u00f6ren eines Tons aus einem Komplex gleichzeitiger T\u00f6ne nicht gleich gro\u00dfen individuellen Unterschieden unterliegt. Verf. erw\u00e4hnt z. B., da\u00df das Heraush\u00f6ren des mittleren Tones aus dem Dreiklange c2 e2 g2 mehreren, auch weniger daf\u00fcr begabten, Vp noch m\u00f6glich war, wenn er objektiv so geschw\u00e4cht wurde, da\u00df seine Simultan-St\u00e4rke auf 0,3% herabging. Selbst bei 0,1% blieb er noch \u201etropfenweise\u201c h\u00f6rbar. Wurde er dann ganz weggelassen, so machte sich regelm\u00e4\u00dfig wenigstens noch eine \u00c4nderung der Klangfarbe be-merklich. Mit der musikalischen Anlage der Vp m\u00f6chte die Verf. die Ungleichheit der herausgeh\u00f6rten Intensit\u00e4tsbetr\u00e4ge nicht ohne weiteres in Verbindung bringen, wenn auch hochmusikalische Personen in der Regel gr\u00f6\u00dfere Betr\u00e4ge heraush\u00f6rten. Immerhin \u2014 musikalische Anlage l\u00e4\u00dft sich ja verschieden definieren, und die pers\u00f6nliche Aussage dar\u00fcber ist nicht ma\u00dfgebend \u2014 d\u00fcrfen wir annehmen, da\u00df die Neigung zum analysierenden H\u00f6ren, durch welches allein mehrstimmige Musik voll verstanden und genossen werden kann, durch h\u00f6here subjektive Intensit\u00e4t der","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\t12. Kap. Die gegenseitige Beeinflussung der Teiltonst\u00e4rken.\nherausgeh\u00f6rten T\u00f6ne beg\u00fcnstigt wird und da\u00df auch umgekehrt durch eine angeborene Neigung und h\u00e4ufige \u00dcbung des Analy-sierens die herausgeh\u00f6rten T\u00f6ne allm\u00e4hlich an Intensit\u00e4t gewinnen.\nUntersuchungen dieser Art versprechen \u00fcberhaupt mancherlei Vergleichungs- und Ber\u00fchrungspunkte mit der musikalischen Praxis. So wird der Komponist einen Ton, der nach seinen Erfahrungen im Zusammenklange besonders leidet, den er aber gleich stark mit anderen hervortreten lassen will, eben durch mehrere Stimmen oder ein st\u00e4rkeres Instrument zu Geh\u00f6r bringen, usf. Aber um solche Vergleichungen mit der Praxis zu erm\u00f6glichen, m\u00fc\u00dften die Untersuchungen noch bedeutend spezialisiert werden, wozu eine bequemere Versuchstechnik erforderlich w\u00e4re1).\nWie sich die Ergebnisse dieser Versuche zu den unter 3 erw\u00e4hnten verhalten, ist noch nicht abzusehen, da diese eben fast nur an mir selbst ' gewonnen sind. Ich vermute aber, da\u00df auch f\u00fcr Individuen, bei denen der st\u00e4rkere Ton den schw\u00e4cheren bis auf wenige Prozente seiner St\u00e4rke herabdr\u00fcckt, die gr\u00f6beren Regelm\u00e4\u00dfigkeiten sich \u00e4hnlich heraussteilen w\u00fcrden.\nJedenfalls ist nichts davon bekannt, da\u00df in dem Charakter der Vokale und sonstigen Klangfarben, woes sich ja nicht um heraus-geh\u00f6rte Teilt\u00f6ne, sondern um einheitliches H\u00f6ren handelt, solche individuellen Unterschiede sich geltend machten. Nun w\u00e4re es aber eine mehr als paradoxe Annahme, da\u00df durch das Heraus h\u00f6ren selbst, also durch die auf einen Teilton konzentrierte Aufmerksamkeit, dieser Ton bis auf nahezu Null geschw\u00e4cht w\u00fcrde, da doch im Gegenteil die Aufmerksamkeit, soweit sie \u00fcberhaupt Einflu\u00df auf die St\u00e4rke gewinnt, nur verst\u00e4rkend wirkt. Man kommt daher, scheint mir, zu einer etwas komplizierten Vorstellung, die sich zun\u00e4chst etwa in folgendem anatomischen (sp\u00e4ter vielleicht ins Physiologische, Funktionelle zu \u00fcbertragenden) Bilde wiedergeben l\u00e4\u00dft.\nMehrere Schichten im Nervensystem k\u00f6nnten unterschieden werden, in denen sich die Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse gleichzeitiger T\u00f6ne verschieden gestalten. In den peripheren Endgebilden des Acusticus m\u00f6gen ungef\u00e4hr die Verh\u00e4ltnisse stattfinden, wie sie in Wegels und Lanes, sowie in meinen Beobachtungen auf-\n1 ) Wenn nach den Regeln der Komposition gerade die Terz eines Drei-klanges im allgemeinen nicht durch Stimmenverdoppelung verst\u00e4rkt werden soll, so wird dies daran liegen, da\u00df der \u201echarakteristische Ton\u201c, der Dur und Moll unterscheidet, als solcher auch bei geringer subjektiver St\u00e4rke sich der habituellen Aufmerksamkeit des musikalischen H\u00f6rers besonders auf-dr\u00e4ngt, und da\u00df die herrschende Stellung des Grundtons, aber auch der \u201eDominante\u201c, in keinem Falle gef\u00e4hrdet werden darf. Hier sind also \u00e4sthetische Gr\u00fcnde ma\u00dfgebend. \u00dcbrigens ist auch Verdoppelung in der Oktave nicht identisch mit Verst\u00e4rkung.","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Verh\u00e4ltnis der Teiltonst\u00e4rken zur Gesamtst\u00e4rke des Klanges. 305\ntreten. Und diese Verh\u00e4ltnisse m\u00f6gen, zun\u00e4chst nur wenig modifiziert, auch in einer unteren Schicht des H\u00f6rzentrums noch erhalten bleiben. Hier wird also dem schw\u00e4cheren Tone durch den gleichzeitigen st\u00e4rkeren etwas abgezogen, dem h\u00f6heren mehr durch den tieferen als umgekehrt. Aber der Abzug betr\u00e4gt lange nicht so viel wie in den Eberhardt sehen Versuchen, h\u00f6chstens so viel als dort bei den Besth\u00f6renden. In dieser 2. Schicht wird die Klangfarbe und der Vokalcharakter bestimmt. Dann folgt aber noch eine obere Schicht, in die nur herausgeh\u00f6rte T\u00f6ne eintreten und wo sich jene gro\u00dfen individuellen Unterschiede geltend ma chen. Beim \u00dcbergang in diese 3. Schicht erfolgt eine individuell sehr verschiedene Einbu\u00dfe an Energie, bei manchen Individuen unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden nur eine geringe, bei anderen und unter ung\u00fcnstigen Umst\u00e4nden aber ein Herabsinken bis fast zum Nullwerte. Das Heraush\u00f6ren ist f\u00fcr dieses Herabsinken eine conditio sine qua non, aber ich w\u00fcrde aus dem obenerw\u00e4hnten Grunde nicht sagen, da\u00df es die Ursache w\u00e4re. Diese mu\u00df vielmehr in zentralen Widerst\u00e4nden liegen, die sich der vollen Entwicklung der physiologischen Tonprozesse entgegensetzen. Ich m\u00f6chte diese Schicht auch nicht geradezu als \u201eApperzeptionszentrum\u201c gegen\u00fcber dem darunterliegenden \u201ePerzeptionszentrum\u201c bezeichnen, obgleich man der K\u00fcrze halber sich dieser Ausdr\u00fccke bedienen mag : denn die in meinen und den amerikanischen Untersuchungen gefundenen Gesetzlichkeiten setzen doch auch schon Apperzeption, Heraush\u00f6ren der Komponenten voraus. Die beiden letzten Schichten m\u00fcssen nur eben unterschieden werden, um die Eberhardt sehen Ergebnisse und die wohl damit zusammenh\u00e4ngenden au\u00dferordentlichen individuellen Unterschiede in der F\u00e4higkeit des Heraush\u00f6rens, in der einheitlichen und mehrheitlichen Auffassung der Musik einigerma\u00dfen verst\u00e4ndlich zu machen. F\u00fcr das Verst\u00e4ndnis der Vokalstrukturen bietet die Eberhardt sehe Untersuchung keine neuen wesentlichen Anhaltspunkte; sie sollte hier nur als interessante Fortf\u00fchrung der allgemeinen Fragen erw\u00e4hnt werden, zu denen man sich durch Vokalstudien zuletzt gef\u00fchrt sieht.\nII. Verh\u00e4ltnis der Teiltonst\u00e4rken zur Gesamtst\u00e4rke des Klanges1).\nPhysikalisch setzt man die Gesamtst\u00e4rke eines Klanges einfach gleich der Summe seiner Teiltonst\u00e4rken und dr\u00fcckt die letzteren in Prozenten der ersten aus. Bei der Beschreibung der Klang-\n1) Hierzu vgl. Tonpsych. II, 423ff. und \u201eAttribute der Gesichtsempfindungen\u201c, Abh. d. Berlin. Akad., Phil.-hist. Kl. 1917, S. 46ff.\nStumpf, Sprachlaute.\t20","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\t12. Kap. Die gegenseitige Beeinflussung der Teiltonst\u00e4rken usw.\nerscheinungen als solcher liegt aber die Sache ganz anders. Hier ist der Klang als dieser bestimmte Einzelklang mit seinen Klang -Charakteren, auch seiner Klangst\u00e4rke, gerade dann in ausgepr\u00e4gtester Weise gegeben, wenn die einzelnen T\u00f6ne nicht herausgeh\u00f6rt und f\u00fcr sich beachtet werden; er ist ph\u00e4nomenologisch keineswegs die Summe seiner Teile, und seine St\u00e4rke ist nicht die Summe ihrer St\u00e4rken. Zwar schreiben wir einem Dreiklang auch dann, wenn uns die Komponenten nebeneinander, jeder in seiner H\u00f6he und St\u00e4rke, gegenw\u00e4rtig sind, immer noch au\u00dferdem eine Gesamtst\u00e4rke zu, er kann als Ganzes forte oder piano klingen. Aber in solchen F\u00e4llen richtet sich unser Urteil nach der St\u00e4rke der Komponenten und, wenn diese nicht ganz gleich ist, nach dem st\u00e4rksten unter ihnen. Bei bedeutender Ungleichheit wird man das Urteil \u00fcberhaupt ablehnen1).\nIch habe nun fr\u00fcher behauptet und halte dies auch heute fest, obschon es fast \u00fcberall Widerspruch gefunden hat und von einem Berichterstatter als ein wunderlicher Einfall angesehen wurde, da\u00df ein Klangganzes, mag es aus unter sich gleich oder verschieden starken Teilen bestehen, niemals, st\u00e4rker ist als der st\u00e4rkste seiner Teile im isolierten Zustande. Nur wenn durch Differenztonbildung einer der Teile, bzw. der st\u00e4rkste, im Zusammenklang noch verst\u00e4rkt wird, wird auch das Ganze entsprechend st\u00e4rker.\nDiese Behauptung, die ich fr\u00fcher nur an Kombinationen von Klavier- oder Stimmgabelt\u00f6nen erprobte, habe ich nunmehr auch mit v\u00f6llig einfachen T\u00f6nen nachgepr\u00fcft und richtig befunden. Bei solchen Versuchen mu\u00df aber sorgf\u00e4ltig darauf geachtet werden,, da\u00df man eine vermehrte F\u00fclle oder Breite des Eindruckes, wie sie jeder Tonmehrheit gegen\u00fcber den Komponenten eigen ist, nicht mit gr\u00f6\u00dferer St\u00e4rke verwechsle.\nDie Versuche wurden mit T\u00f6nen des Vokalapparates angestellt, deren jeder auf m\u00f6glichste Schw\u00e4che (Ebenmerklichkeit) eingestellt war. Die Frage war: ist der Gesamteindruck deutlich st\u00e4rker als der des einzelnen Tones? Hierzu mu\u00dften T\u00f6ne gew\u00e4hlt werden, die nicht durch Differenztonbildung einen unter ihnen verst\u00e4rkten (wie dies z. B. regelm\u00e4\u00dfig bei einfachen Oktaven der\ni) \u00dcbertragungen vom Teil auf das Ganze finden sich auch bei anderen Sinnen. F\u00fchlen wir uns hei\u00df, so bewirkt schon die Abk\u00fchlung eines Gliedes, z. B. der H\u00e4nde, den Eindruck einer Gesamtk\u00fchlung, und umgekehrt bei der K\u00e4lte. Besonders unter den \u201egeometrisch-optischen T\u00e4uschungen\u201c kommt Analoges h\u00e4ufig vor. Aber die Analogien sind nat\u00fcrlich \u00fcberall mit Unterschieden verbunden, da jedes Sinnesgebiet seine Besonderheiten hat.","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Verh\u00e4ltnis der Teiltonst\u00e4rken zur Gesamtst\u00e4rke des Klanges. 307\nFall ist, wo dann nat\u00fcrlich auch das Ganze st\u00e4rker erscheint als jeder Teil), aber auch nicht durch Schwebungen die H\u00f6rbarkeit des Ganzen erh\u00f6hten. Ich w\u00e4hlte folgende Kombinationen: 1. c1 c3 c5; 2. g1 e2 c3 g3 d* c5; 3. fis* as4 c5; 4. dieselben nebst e5. Differenzt\u00f6ne werden nat\u00fcrlich auch hier vielfach erzeugt, aber sie fallen nicht mit einem der Prim\u00e4rt\u00f6ne zusammen und k\u00f6nnen auch nicht st\u00e4rker sein als einer von diesen; sie waren im Gegenteil so schwach, da\u00df ich niemals etwas davon wahrnehmen konnte. In den 3 ersten F\u00e4hen blieb der Zusammenklang f\u00fcr mich im wesenthchen analysierbar, in den beiden letzten F\u00e4hen aber nicht. Bei 3. hat auch Dr. Rieffert mitbeobachtet.\nDas Ergebnis war stets dasselbe: keine Verst\u00e4rkung. Das Ganze steht ebenso dicht vor dem Verschwinden, wie jeder Teil. Ich k\u00f6nnte h\u00f6chstens sagen, da\u00df das Ganze eindrucksvoller w\u00e4re, weil es eben voller ist, aber nicht, da\u00df es st\u00e4rker w\u00e4re. Macht man die Teile etwas \u00fcbermerklich, so trifft das n\u00e4mliche auch wieder f\u00fcr das Ganze zu : es ist nur in gleichem Grade \u00fcber-merklich.\nWie paradox auch diese Tatsache vielen erscheinen mag, ist sie doch nicht so unverst\u00e4ndlich, wenn man f\u00fcr die einzelnen T\u00f6ne eine getrennte Lokahsation in der Hirnrinde annimmt, \u00e4hnlich wie sie in der Schnecke nach Helmholtz stattfindet1).\nAuch wenn man einohriges H\u00f6ren mit doppelohrigem vergleicht, erfolgt keine wirkliche Verst\u00e4rkung bei letzterem. Nat\u00fcrlich d\u00fcrfen hier nur ganz geringe St\u00e4rken ben\u00fctzt werden, da bei gr\u00f6\u00dferen die \u00dcberleitung von einem Ohr zum anderen, sei es durch die Luftoder die Knochenleitung, schon f\u00fcr jedes Ohr allein Verst\u00e4rkung bewirken kann. Der Ton wird nur voller, breiter. Tonreize, die f\u00fcr ein Ohr (bei gleicher H\u00f6rsch\u00e4rfe, oder bei ungleicher f\u00fcr das besser h\u00f6rende) unmerklich sind, k\u00f6nnen nicht durch zweiohriges H\u00f6ren merklich werden. Diese von mir 1890 gegen Tarchanoff und Preyer behauptete Tatsache hat v. Hornbostel neuerlich (1, S. 84ff.) durch sorgf\u00e4ltige Untersuchungen best\u00e4tigt: \u201eIst ein Ton definitiv und unzweifelhaft unter die Schwelle gebracht, dann\n1) Zu demselben Ergebnis f\u00fchrte eine Untersuchung von H. Bark-\nhausen und G. Lewicki, Die Empfindlichkeit des Ohres f\u00fcr nichtsinus-\nf\u00f6rmige T\u00f6ne, Physik. Zschr. Jhrg. 25, S. 537ff. 1924; woraus hervorgeht,\nda\u00df f\u00fcr die H\u00f6rbarkeit im Telephon der subjektiv lauteste Teilton eines\nKlanges ma\u00dfgebend ist. Wurden die \u00fcbrigen abgedrosselt, so wurde zwar die Klangfarbe, aber nicht die H\u00f6rbarkeit ver\u00e4ndert. Ausgenommen blieben nat\u00fcrlich die F\u00e4lle der Amplitudensteigerung benachbarter T\u00f6ne durch Schwebungen, wobei die Autoren einen solchen gegenseitigen Einflu\u00df in der Gegend um 1000 Schw. noch bei einer Differenz von 200 Schw. merklich fanden.\n20*","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308\t12. Kap. Die gegenseitige Beeinflussung der Teiltonst\u00e4rken usw.\nkommt auch keine zweiohrige Erscheinung mehr zustande.\u201c Auch H. Werker hat (S. 23) Versuche mit demselben Ergebnis angestellt. Bei ubermerklichen St\u00e4rken beurteilten allerdings seine Beobachter das zweiohrig Geh\u00f6rte als st\u00e4rker. Aber er selbst f\u00fchrt dies auf eine Verwechslung der St\u00e4rke mit der \u201eEindringlichkeit\u201c zur\u00fcck, vor der man sich eben h\u00fcten mu\u00df. Ein wirklich ge\u00fcbter Beobachter wird solchen Verwechslungen, die Werner euphemistisch als verschiedene \u201eIntensit\u00e4tserlebnisse\u201c oder \u201eErscheinungsformen komplexer Intensit\u00e4ten\u201c bezeichnet, selten unterliegen; aber f\u00fcr Anf\u00e4nger sind gewi\u00df Warnungen am Platze.\nNeuerdings behauptet Wittmann, eine wirkliche Verst\u00e4rkung mit 2 Telephonen erzielt zu haben1). Aber seine Versuche, die v. Hornbostel nachpr\u00fcfte, leiden an dem Fehler, da\u00df er die Wechselwirkung der beiden Telephone nicht beachtete, wodurch freilich schon physikalisch eine Verst\u00e4rkung entstehen mu\u00df. Hielt v. Hornbostel ein Telephon vor das eine Ohr, setzte aber das zweite nur neben das (\u00fcberdies fest verstopfte) andere Ohr an den Kopf, so erfolgte gleichfalls Verst\u00e4rkung2). F\u00fcr solche Versuche d\u00fcrfen selbstverst\u00e4ndlich nur gegenseitig ganz unabh\u00e4ngige Tonquellen ben\u00fctzt werden.\nInfolge dieses Sachverhalts kann es auch f\u00fcr einen Mehrklang aus T\u00f6nen verschiedener H\u00f6he keinen Unterschied in der St\u00e4rke machen, ob alle Komponenten ein und demselben Ohre dargeboten oder ob sie an beide Ohren verteilt werden, soweit im letzteren Fall \u00fcberhaupt eine einheitliche Klangerscheinung zustande kommt.\nMit Vorstehendem ist nun auch alles, was in meinen Analysen und Synthesen der Vokale in Hinsicht der Klangst\u00e4rke des Ganzen und der Teile zutage trat, in guter \u00dcbereinstimmung. Beim Aufbau durch die Interferenzmethode z. B. war der Grundton eines gesungenen Vokals (ebenso der eines obertonreichen Instruments) immer sehr schwach, bei Vokalen auf G sogar unh\u00f6rbar. Trat dann ein Teilton nach dem anderen hinzu, so wuchs fortw\u00e4hrend die Klangst\u00e4rke des Ganzen, aber nur weil und wenn der Grundton selbst durch Differenztonbildung immer st\u00e4rker wurde. Das gleiche galt auch von seinen n\u00e4chsten Obert\u00f6nen, da auch diese durch Differenztonbildung verst\u00e4rkt werden (der Ton 2 z. B. durch die T\u00f6ne 5 und 3, 6 und 4 usf.). Niemals w\u00e4chst die Klangst\u00e4rke blo\u00df durch das Hinzukommen neuer Teilt\u00f6ne, wenn diese nicht etwa selbst schon st\u00e4rker sind als alle vorherigen. Sie ist stets\n1)\tArch. f. d. ges. Psychol. Bd. 51, S. 70ff. 1925.\n2)\t\u00dcber das N\u00e4here wird v. H. demn\u00e4chst in der Z. \u201ePsychol. Forschung\u201c berichten.","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"Verh\u00e4ltnis der Teiltonst\u00e4rken zur Gesamtst\u00e4rke des Klanges. 309\ngleich der St\u00e4rke des st\u00e4rksten Teiltons, soweit hier \u00fcberhaupt Vergleichung m\u00f6glich ist.\nAusdr\u00fccklich sei aber hinzugef\u00fcgt, da\u00df die hier auf gestellten Behauptungen sich nicht auf Ger\u00e4usche und ihre Teile beziehen sollen. Hier scheint vielmehr tats\u00e4chlich eine Summierung der Teilintensit\u00e4ten stattzufinden. Die St\u00e4rke eines S z. B. ist bedingt durch eine \u00fcber einen gr\u00f6\u00dferen Tonbezirk verteilte Erregung, ebenso die eines Knalles1). Hier bewirkt nun jedes Herausnehmen einzelner kleiner Schwingungsbezirke (durch Stich- oder L\u00fcckenversuche) entschieden eine Schw\u00e4chung des Ganzen. Ebenso war bei hellen Fl\u00fcstervokalen in den Aufbauversuchen regelm\u00e4\u00dfig zu bemerken, da\u00df sie jenseits des Formanten, wenn sie also qualitativ schon tadellos waren, immer noch st\u00e4rker wurden, oft bis nahe an die obere Tongrenze. Verhielte es sich so wie bei den T\u00f6nen, so m\u00fc\u00dfte bei Herausnahme einzelner Abschnitte die Gesamtst\u00e4rke solange ungemindert bleiben, als nicht der st\u00e4rkste Ger\u00e4uschteil, also etwa der Formant oder ein Unterformant oder der die Tonh\u00f6he des Ger\u00e4usches bedingende Teil, davon betroffen wird. Nun ist dies zwar der Fall, wenn der herausgenommene Teil \u00fcber diesem st\u00e4rksten liegt, da durch Interferenz auf h\u00f6here T\u00f6ne auch die tieferen physikalisch in gewissem Ma\u00dfe geschw\u00e4cht werden. Aber soweit meine Beobachtungen in dieser Hinsicht reichen, vermindert bei Ger\u00e4uschen eben jede If.-Einstellung, auch in tieferen Teilen, die Gesamtst\u00e4rke.\n1) Auch bei T\u00f6nen werden allerdings von objektiv ganz einfachen Schwingungen nach der Resonanzhypothese infolge der Resonanzbreite eine Anzahl benachbarter Fasern der Grundmembran miterregt, die erst zusammen mit der st\u00e4rksterregten dem Tone seine subjektive St\u00e4rke verleihen. Bei den Ger\u00e4uschen hat aber auch schon der Reiz selbst immer eine bedeutende Breite.","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"13. Kapitel.\nPsychophysik der Sprachlaute.\nVersuchen wir nunmehr m\u00f6glichst allgemeine Erkl\u00e4rungs-gr\u00fcnde f\u00fcr die beschriebenen akustischen Tatsachen zu finden, so ist wrohl begreiflich, da\u00df es nicht ohne psychophysische Hypothesen abgehen kann, da die ph\u00e4nomenale Analyse zuletzt auf gewisse Grundtatsachen f\u00fchrt, die in der Natur und dem Zusammenwirken der letzten Gehirnprozesse wurzeln, auf denen alle Eigenschaften unserer Sinnesempfindungen beruhen, \u00fcber die aber zun\u00e4chst nur hypothetische Vorstellungen entwickelt werden k\u00f6nnen. Selbstverst\u00e4ndlich bevorzugen wir unter diesen solche, aus denen die beobachteten Erscheinungen am einfachsten und leichtesten abgeleitet werden k\u00f6nnen. Zuerst und haupts\u00e4chlich kommen wieder die gesungenen und stimmhaft gesprochenen Vokale in Betracht, da hier das umfassendste Material vorliegt. Wir beginnen mit einer \u00dcbersicht der wichtigsten Punkte, die dann durch Ausf\u00fchrungen \u00fcber die U-Formanten noch erg\u00e4nzt werden.\n1. Allgemeinste Ergebnisse betreffs gesungener und stimmhaft gesprochener Vokale, a) Zwischen der Absolut- und der Relativtheorie f\u00e4llt die Entscheidung prinzipiell zugunsten der ersteren, wie dies \u00fcbrigens heute fast alle Phonetiker lehren und wie man es nach der Art der Lautproduktion (gleichbleibende Kiefer- und Mundstellung bei ein und demselben Vokal auf verschiedenen Tonh\u00f6hen) von vornherein erwarten mu\u00dfte. Doch ist an der Relativtheorie richtig, da\u00df jedem Vokal gewisse Struktureigent\u00fcmlichkeiten zukommen, die in allen Tonlagen, wenn auch nicht \u00fcberall gleich ausgepr\u00e4gt, wiederkehren. Namentlich unterscheiden sich hierin die dunklen und die hellen Vokale, wovon die ersteren relativ wenige Teilt\u00f6ne, und zwar von vorwiegend niedrigen Ordnungszahlen, besitzen, die letzteren aber zahlreiche Teilt\u00f6ne, unter denen die mit h\u00f6heren Ordnungszahlen eine mit der Helligkeit zunehmende Rolle spielen. Ferner ist es richtig, da\u00df mit steigender Tonh\u00f6he des Grundtones die Vokalformanten merklich, wenn auch nur langsam und keineswegs in gleichem Schritte mit dem Grundton, in die H\u00f6he r\u00fccken.","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeinste Ergebnisse.\n311\nEndlich ist auch dies an der Relativtheorie richtig, da\u00df U \u00fcberhaupt keinen festhegenden, sondern einen mit dem Grundton ver\u00e4nderlichen Eormanten hat, n\u00e4mlich den Grundton selbst.\nb)\tDie gew\u00f6hnlichen, nicht nasalierten Vokale bestehen in allen irgendwie wesentlichen Teilen ausschlie\u00dflich aus harmonischen Teilt\u00f6nen (ganzzahligen Multiplis) des Grundtones. Sollten ganz hohe unharmonische T\u00f6ne gelegentlich beteiligt sein, so sind sie doch ohne Bedeutung f\u00fcr die unterscheidenden Vokal-Charaktere. Nur bei den Nasales k\u00f6nnten unter den hohen Beit\u00f6nen, die zu dem n\u00e4selnden Charakter wesentlich mitwirken, allenfalls auch unharmonische vertreten sein.\nc)\tAn dem jeweiligen Vokalcharakter sind nicht alle Teilt\u00f6ne gleicherma\u00dfen beteiligt. Sehr wichtig sind die untersten, am entscheidendsten aber die des ,,Eormanten\u201c, dessen Definition eben darin besteht, da\u00df er die jeweilig wesentlichsten Teilt\u00f6ne umfa\u00dft. Er wird in der Regel nicht durch einen einzigen Ton gebildet, sondern, mit Ausnahme einiger weniger F\u00e4lle, aus einer Mehrzahl von Teilt\u00f6nen, deren St\u00e4rke mit der H\u00f6he zu- und dann wieder abnimmt. Die Lage des Maximums (,, Formant-Zentrums\u201c) verschiebt sich mit dem ganzen Formanten bei auf-steigendem Grundton innerhalb bestimmter enger Grenzen, dem ,,Formanten im weiteren Sinne\u201c oder der Formantgegend, die ihrerseits eine fest bestimmte Lage im Tonreich besitzt.\nNur dann, wenn schon der 2. Teilton (die Oktave des Grundtones) in den Formanten f\u00e4llt, gen\u00fcgt dieser einzige hinzukommende Ton zur Entstehung einer deutlichen Vokalit\u00e4t. So entsteht 0, wenn zum Grundton c1 seine Oktave in gen\u00fcgender St\u00e4rke hinzutritt; so A, wenn zu c2 c3 hinzukommt. Dies h\u00e4ngt offenbar mit der besonderen St\u00e4rke und dem hohen Verschmelzungsgrad des 2. Teiltones zusammen.\nHandelt es sich um Teilt\u00f6ne sehr hoher Ordnungszahl, so sind sie in einem guten Vokalklang nicht l\u00fcckenlos vorhanden, sondern nur in geringer Zahl und in Abst\u00e4nden, die allzu starke Rauhigkeiten ausschlie\u00dfen.\nd)\tAu\u00dfer den Hauptformanten gibt es in bestimmten, h\u00e4ufigen F\u00e4llen Nebenformanten. U, 0, A haben in unmittelbarer N\u00e4he der Klangquelle bei starker Intonation, U auch bei schwacher, obere Maxima, die wir aber nur beim U, wo ein solches immer vorhanden ist, als Oberformanten bezeichnen; die hellen (von \u00d6 an) haben stets Unterformanten. In beiden F\u00e4llen sind die Nebenformanten von den Hauptformanten durch relativ oder absolut leere Tonstrecken getrennt. Au\u00dferdem ist aber auch die Gesamtheit der \u00fcbrigen Teilt\u00f6ne, soweit sie eine gewisse St\u00e4rke \u00fcberschreiten, nicht","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\t13. Kap. Psychophysik der Sprachlaute.\nunbeteiligt an der jeweiligen Klangfarbe. Ein U auf c1 kann nicht so klingen wie ein U auf c. Bei A, \u00d6, \u00c4 sind besonders auch die unmittelbar unter dem Formanten liegenden Tonstrecken (Br\u00fccken) durchaus unentbehrlich; die Kontinuit\u00e4t der Teilt\u00f6ne darf hier nirgends unterbrochen sein.\nZuweilen, namentlich in der N\u00e4he der Klangquelle, sind noch mehr als 2 relative Maxima unterscheidbar (vgl. S. 21, 25ff. 28, 180). Diese Unterteilungen sind aber nicht von allgemeinerer Bedeutung.\ne)\tWas die relative St\u00e4rke der Teilt\u00f6ne betrifft, so ist der Grundton h\u00e4ufig, besonders beim A, objektiv sehr schwach oder gar nicht vorhanden, wird aber als Differenzton der Obert\u00f6ne subjektiv verst\u00e4rkt. Au\u00dferdem finden \u00fcberhaupt im Ohr (und im Gehirn?) Verschiebungen der objektiven St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse zugunsten der tiefere\u00fc Teilt\u00f6ne statt. Da\u00df der Formant den Hauptteil oder auch nur den H\u00f6hepunkt der physikalischen Klangenergie in sich schlie\u00dfe, ist im allgemeinen anzunehmen und durch Messungen vielfach erh\u00e4rtet ; aber es erscheint nicht als unbedingt notwendige Forderung, vielmehr bleibt denkbar, da\u00df in manchen F\u00e4llen schon seine relative St\u00e4rke gegen\u00fcber den umgebenden T\u00f6nen in Verbindung mit seiner absoluten Lage im Tongebiet und mit der sonstigen Struktur des ganzen Klanges den Ausschlag gibt.\nf)\tJede nicht allzu winzige \u00c4nderung in der St\u00e4rke eines Teiltones innerhalb der Haupt- oder Nebenformanten, aber auch der darunterliegenden T\u00f6ne, besonders des 1. und 2. Teiltons, bedingt eine \u00c4nderung der Vokalf\u00e4rbung, und zwar wird diese dunkler, wenn tiefere, heller, wenn h\u00f6here Teile verst\u00e4rkt werden. Insofern l\u00e4\u00dft sich sagen, da\u00df bei gegebenem Grundton eine bestimmte Vokalnuance nur durch eine einzige bestimmte Kombination von Teil t\u00f6nen in bestimmten St\u00e4rke Verh\u00e4ltnissen hervorgebracht werden kann. Niemals gibt es hier \u00e4quivalente Zusammenstellungen, etwa in der Weise, da\u00df statt eines Tones ein etwas h\u00f6herer zusammen mit einem etwas tieferen eintreten k\u00f6nnte. Dagegen wird durch Ausf\u00fcllung der toten Strecken der hellen Vokale mit schwachen Teilt\u00f6nen und durch die \u00fcber dem Formanten liegenden Teilt\u00f6ne des A die Vokalit\u00e4t nicht merklich ver\u00e4ndert und sind Kombinationen mit und ohne diese Bestandteile vokalisch gleichwertig. Nur die Stimmf\u00e4rbung kann dadurch ge\u00e4ndert werden.\ng)\tJeder Vokal durchl\u00e4uft, wenn er experimentell ab- oder aufgebaut wird, bestimmte. R\u00fcckbildungs- und Entwicklungsstufen, entsprechend dem jeweiligen Bestand an Teilt\u00f6nen. Diese Stadien sind aber in dem unversehrten bzw. voll entwickelten Vokal durch unmittelbare Beobachtung nur sehr bruchst\u00fcckweise","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeinste Ergebnisse.\n313\nzu erkennen. Sie sind nicht alle darin ,, auf gehobenin HEGELSchem Doppelsinne des Wortes. Man kann z. B. U nicht wohl als einen wahrnehmbaren Teil des \u00c4 bezeichnen, obschon es bei seinem Abbau schlie\u00dflich \u00fcbrig bleibt und beim Aufbau die Grundlage bildet. Ebensowenig ist 0 eine Teilerscheinung des A, obschon dieses durch Hinzuf\u00fcgung weniger Teilt\u00f6ne daraus erw\u00e4chst. Immerhin lassen sich vielfach Entwicklungsstufen auch in dem fertigen Vokal wiedererkennen, namentlich h\u00f6rt man bei den hellen Vokalen bei darauf gerichteter Aufmerksamkeit stets den dunklen 0- oder U-artigen Unterformanten (auch bei den Fl\u00fcstervokalen, hier z. B. sehr deutlich beim \u00c4 das AO). Aus dem stimmhaften A glaube ich den tiefsten Bestandteil, seine U-Grundlage, jetzt gleichfalls herauszuh\u00f6ren. Aber niemals w\u00fcrde es gelungen sein, auf diesem Wege die Gesamtheit der Auf- und Abbauprodukte festzustellen.\nh)\tAlle diese R\u00fcckbildungs- und Entwicklungsstadien sind aber selbst wieder Vokale, wenn sie gesondert dargeboten werden: eine keineswegs selbstverst\u00e4ndliche Tatsache. Nur durch L\u00fcckenversuche werden zuweilen instrumental gef\u00e4rbte, insbesondere klarinetten- oder fagott\u00e4hnliche Kl\u00e4nge erzeugt.\ni)\tAuf Grundt\u00f6nen \u00fcber c2, teilweise schon von g1 an, verlieren die Vokale mehr und mehr ihre Charakteristik und sind von c3 an \u00fcberhaupt so gut wie ununterscheidbar.\nk)\tDesgleichen ergibt sich und wird durch die Erfahrung best\u00e4tigt, da\u00df auf tieferen Grundt\u00f6nen die Vokale nicht immer gleich deutlich gesungen werden k\u00f6nnen. F\u00fcr U und I vgl. o. S. 255, u. S. 315ff. 0 ger\u00e4t am vollkommensten auf T\u00f6nen zwischen g und c1, weil da die starken ersten Obert\u00f6ne g1 bis c2 in den Formanten fallen. U. s. f.\nl)\tStimmhaft gesprochene Vokale sind von gesungenen in Hinsicht der Zusammensetzung aus Teilt\u00f6nen bei gleicher Deutlichkeit der Aussprache nicht verschieden. Sie haben dieselben Formanten und weisen beim Ab- und Aufbau dieselben Stufen auf; aber sie haben, obschon sich im allgemeinen mehr Ger\u00e4usch beimischt, durchschnittlich gr\u00f6\u00dfere Deutlichkeit. Hierzu tr\u00e4gt der Umstand bei, da\u00df in der lebendigen Sprache die Tonh\u00f6he oft schon innerhalb einer einzigen akzentuierten Silbe stetigen Schwankungen unterliegt und so die Formantregion gewisserma\u00dfen ab-gestreift wird und die Valenzen eines Vokals vollst\u00e4ndiger zur Geltung kommen (\u00e4hnlich schon Krueger, Martens und Pipping). Dazu kommt aber, da\u00df der Sprechende, der in erster Linie vom H\u00f6rer verstanden werden will, automatisch auf deutlichere Aussprache, und gleichzeitig der H\u00f6rende auf sch\u00e4rferes Erfassen dieser","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314\t13. Kap. P\u2019sychophysik der Sprachlaute.\nUnterschiede eingestellt ist als beim Singen, wo die Intentionen des S\u00e4ngers wie des H\u00f6rers in erster Linie den musikalischen Eigenschaften gelten.\nm) Wie sich die Formanten der deutschen Vokale und die Grenzen der stimmhaften und stimmlosen Sprachlaute in die wichtigsten Orts- und Grenzbestimmungen des Tonreiches einf\u00fcgen, m\u00f6ge schlie\u00dflich folgendes Schema veranschaulichen. Es bedarf nicht der Bemerkung, da\u00df die Orte der Formanten hier nur ganz im Groben angezeigt werden k\u00f6nnen.\nOrts- und Grenzbestimmungen des Tonreiches.\n\tn\tFormanten\t\t\nfis7\t23410\t\t\tObere H\u00f6rgrenze\nc7\t16554\t\t\t\nfis6\t11705\t\t\tObere Grenze des normalen Altersgeh\u00f6rs\nc6\t8277\t\t\tObere Grenze der Konsonanten und\n\t\t\t\tFl\u00fcstervokale\nfis5\t5853\t\t\t\nc5\t4138\t)I\t\tObere Grenze der Musik\nfis1\t2926\t\t\t\nc4\t2069\t\t\t\n/fs3:\t1463\t) A, O, U\t\tObere Grenze der Singstimme\nc3\t1035\t)A\t\t\nfis2\t732\t\t\t\n\t517\t\t\t| Mitte des Tonreiches\nc2\t\t>\t)o\t| Untere Grenze der Fl\u00fcstervokale\nfis1\t366\tJ\t\t\nc1\t259\t\tu\t\nfis\t183\t\t\t\nc\t129\t\t\tUntere Grenze der Konsonanten\nG\t65\t>\tV\tUntere Grenze der Singstimme\nC,\t32\t\t\tUntere Grenze der Musik\nC2\t16\t\t\t\nFisz\t11\t\t\tUntere H\u00f6rgrenze.\nDie obere Grenze der zur Melodienbildung verwendbaren T\u00f6ne liegt bei c5, da jenseits dieser Grenze die Intervalle rasch imdeutlich und von gh an \u00fcberhaupt unerkennbar werden. Bei der Orgel werden allerdings, wie mir Herr Orgelbaumeister Kn Ais (Bonn) mitteilt, in gr\u00f6\u00dferen Werken jetzt die Pfeifen \u201egemischter Stimmen\u201c gelegentlich noch bis a6 = 14 000 Schw. gef\u00fchrt, aber sie wirken da eben nur als Obert\u00f6ne ihrer tieferen Oktaven und in Verbindung mit diesen. \u00c4hnlich ist es an der unteren Grenze, wo die T\u00f6ne von 32 Schw. abw\u00e4rts bis 16 Schw. nurmehr in Verbindung mit ihren h\u00f6heren Oktaven gebraucht werden, die sie aber auch schon als Obert\u00f6ne (oft kr\u00e4ftiger als die Grundt\u00f6ne selbst) mit sich f\u00fchren. Die menschliche Stimme geht in der H\u00f6he zuweilen noch bis c4, in der Tiefe bis A1 \u2014 54 Schw. Die untere H\u00f6rgrenze ist, wie die obere, nur schwer genau festzustellen. Sie scheint unter g\u00fcnstigsten Unst\u00e4nden noch etwas unter C2, bei etwa Fiss =11 Schw. zu liegen. Danach umfa\u00dft das Tonreich in extremen F\u00e4llen rund 11 Oktaven, wovon aber nur 7 musikalisch ver-","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"Die Formanten des stimmhaften U.\n315\nwertbar sind. Die Mitte liegt in c2, wenn anders das logarithmische Gesetz f\u00fcr die Beziehung zwischen Tonh\u00f6hen und Schwingungszahlen g\u00fcltig ist, wie dies E. H. Weber und Fechner behaupteten und noch k\u00fcrzlich Abraham und v. Hornbostel auf einwandfreiem Wege best\u00e4tigten (Z. f. Psych. Bd. 89, S. 233ff., im Gegensatz zu Wundts ganz unm\u00f6glicher Behauptung, da\u00df gleichen Tonabst\u00e4nden gleiche Differenzen der Schwingungszahlen entspr\u00e4chen).\n2. Die Formanten des stimmhaften U.\nIn bezng auf diesen Vokal weichen wir von der gew\u00f6hnlichen Auffassung dadurch ab, da\u00df wir ihm einen beweglichen Formanten zuschreiben, insofern also die Relativtheorie vertreten1). Au\u00dfer diesem beweglichen Hauptformanten enth\u00e4lt er aber einen festen Nebenformanten. Wir wollen diese beiden Thesen, Vorhererw\u00e4hntes teils zusammenfassend, teils erg\u00e4nzend, jetzt noch n\u00e4her begr\u00fcnden.\nAlle einfachen T\u00f6ne unterhalb g1 klingen f\u00fcr sich allein schon TT-artig. Aber es ist nicht zu leugnen, da\u00df die der kleinen Oktave dem nat\u00fcrlichen U am n\u00e4chsten kommen. Den Grund suche ich darin, da\u00df die M\u00e4nnerstimme, die das U am dunkelsten gibt, sich vorzugsweise auf Grundt\u00f6nen dieser Lage bewegt. Geht ein besonders tiefer Ba\u00df im Ges\u00e4nge bis zu C herunter, so liegt doch der starke und objektiv betr\u00e4chtlich st\u00e4rkere 1. Oberton in der kleinen Oktave und wirkt mit dem Grundton zusammen formierend. Beim Aufbau durch If.-R\u00f6hren war G f\u00fcr sich allein \u00fcberhaupt nicht zu h\u00f6ren, beim Grundton Ges war dieser zwar h\u00f6rbar, klang aber f\u00fcr sich allein \u00fcberdumpf und erhielt erst durch den Hinzutritt des ges einen nat\u00fcrlichen U-Charakter (o. S. 56ff.).\nMit R\u00fccksicht darauf k\u00f6nnte man also immerhin von einem festen Formanten sprechen, der dann etwa von c bis c1 reichen m\u00fc\u00dfte, denn alle T\u00f6ne dieser Zone machen durch das Hinzutreten zu ihren tieferen Oktaven diese zu einem nat\u00fcrlicheren U. Aber der Unterschied von dem Grundton-U ist doch nur graduell: die Dumpfheit des Eindruckes wird nur gemildert. Es ist nicht eine so spezifische Umwandlung, wie wenn ein U durch den Hinzutritt des 0- oder A-Formanten zum 0 oder A wird. Die Dumpfheit hat ja auch bei dem empirischen U schon sehr verschiedene Grade, namentlich ist das der Frauen- und Kinderstimme bedeutend heller, weil die Grundt\u00f6ne sich schon dem g1 n\u00e4hern oder es \u00fcberschreiten. Deswegen scheint es mir die Tatsachen richtiger auszu-dr\u00fccken, wenn wir statt eines festen Formanten in der kleinen Oktave einfach einen von g1 abw\u00e4rts beweglichen, mit dem Grund-\n1) Soviel ich sehe, hat sich nur Schole (S. 13ff.) in demselben Sinn\nausgesprochen.","page":315},{"file":"p0316.txt","language":"de","ocr_de":"316\t13. Kap. Psychophysik der Sprachlaute.\nton zusammenfallenden Formanten statuieren. Wie w\u00e4re sonst auch mit der Tatsache fertig zu werden, da\u00df auf g1 selbst noch ein recht brauchbares U gesungen und gesprochen werden kann? Lie\u00dfe man aber etwa den festen Formanten selbst nach oben bis g1 reichen, so m\u00fc\u00dfte man doch anerkennen, da\u00df hier der Formant mit dem Grundton zusammenf\u00e4llt, ja da\u00df dasselbe auch bei allen Grundt\u00f6nen bis hinab zu g der Fall sein mu\u00df. Erst hier w\u00fcrde ein Teilton aus der festen Formantregion, n\u00e4mlich eben (71, in der gew\u00f6hnlichen Weise als Oberton zum Grundton hinzutreten. Es ist daher nicht einzusehen, wie man um die Theorie des beweglichen Formanten beim U herumkommen soll.\nEine feste Resonanz der Mundh\u00f6hle mu\u00df freilich auch da vorhanden sein, obgleich sie nicht leicht zu bestimmen ist. Sie d\u00fcrfte haupts\u00e4chlich bei e1\u2014f1 liegen. Ich schlie\u00dfe es daraus, da\u00df die U-Resonanz um einige wenige T\u00f6ne unter der 0-Resonanz liegen mu\u00df. Nun wird eine schwingende 61-Gabel, vor der zum O-Sprechen ge\u00f6ffneten Mundh\u00f6hle gehalten, zweifellos verst\u00e4rkt geh\u00f6rt (Helmholtz). Also wird die U-Resonanz etwa die obige Lage haben, obgleich beim U selbst das analoge Experiment mit einer e1- oder /1-Gabel kein deutliches Ergebnis liefert. Man kann auch anf\u00fchren, da\u00df das nat\u00fcrliche Fl\u00fcster-U die Tonh\u00f6he des /2 hat und da\u00df dieses wohl nur als \u00dcberblasungsger\u00e4usch des f1 aufgefa\u00dft werden kann (o. S. 164), woraus sich wieder /1 als H\u00f6he des Grundtones (Grundger\u00e4usches) ergibt.\nAlso eine feste Resonanzgegend f\u00fcr U geben wir zu, und zwar dieselbe, die schon Doxders und in der sp\u00e4teren Zeit auch Helmholtz statuierte. Aber sie ist nicht zugleich die For mantgegend Sie hat nur die Bedeutung, da\u00df die dadurch verst\u00e4rkten Teilt\u00f6ne ein tieferes U besonders sonor und kr\u00e4ftig machen. Daher wird eine M\u00e4nnerstimme diesen Vokal besonders gut um / herum singen, wo f1 oder ein Nachbarton als Oberton hinzutritt1). Aber es w\u00e4re auch ohne diesen Oberton schon ein U. W\u00e4re j1 fester Formant oder auch nur Formantzentrum, so w\u00e4re ein U nur unter der Bedingung \u00fcberhaupt m\u00f6glich, da\u00df Teilt\u00f6ne aus dieser Gegend im Klange vorhanden w\u00e4ren. Man k\u00f6nnte dann kein U auf c1 oder auch nur auf a singen oder sprechen.\nWir bleiben also beim beweglichen Hauptformanten. Dagegen ist zweifellos ein fester Oberformant im gew\u00f6hnlichen U\n1) Helmholtz beobachtete Beim Singen des U eine zunehmende Er-\nsch\u00fctterung im Mund und an den Trommelfellen, wenn er sich dem Grundton / n\u00e4herte. Dies f\u00fchrte ihn zun\u00e4chst dazu, / als charakteristischen Ton des U anzusehen. Aber es wird wohl mit der besonderen St\u00e4rke des in die Resonanzgegend fallenden 1. Obertones Zusammenh\u00e4ngen.","page":316},{"file":"p0317.txt","language":"de","ocr_de":"Die U-I-Linie des Vokaldreiecks.\n317\nenthalten, und zwar ist es die Gegend d* 2\u2014gis2. Sei es, da\u00df ein einziger Oberton oder da\u00df mehrere in diese Zone fallen: sie sind bei M\u00e4nner- wie Frauenstimmen ganz regelm\u00e4\u00dfig verst\u00e4rkt und beeinflussen die Naturtreue des Vokals so merklich, da\u00df wir sie als Oberformant bezeichnen d\u00fcrfen. Sie machen den Vokal markiger, k\u00f6rperlicher, metallischer.- Die Bedeutung dieser Gegend wurde auch schon fr\u00fcher mehrfach hervorgehoben. So erw\u00e4hnt Nagel f2\u2014gis2, Schole b 1\u2014g2, Abraham d2 als regelm\u00e4\u00dfige Bestandteile des U. Es ist zwar wieder nur eine Bereicherung der Klangfarbe damit gegeben. Aber ein Nebenformant hat ex definitione nicht den spezifischen Vokalcharakter in erster Linie hervorzubringen, wie dies bei dem angeblichen Hauptformanten f1 der Fall sein m\u00fc\u00dfte; er hat nur zur vollen Naturtreue mitzuwirken.\nMan kann diesen Oberformanten sehr leicht direkt beobachten, wenn man U auf T\u00f6nen zwischen d und h singt. Die Obert\u00f6ne in der Gegend von d2\u2014gis2 treten dabei sehr stark heraus (selbst w\u00e4hrend einer Bahnfahrt habe ich unter starkem Ger\u00e4usch diese Beobachtung machen k\u00f6nnen). Auch hierin hegt ein Grund, warum U in der kleinen Oktave besonders gut gesungen wird. Doch kann fis2 auch noch als 8. Teilton eines tiefen Fis im U kr\u00e4ftig vertreten sein1). Man kann den Versuch auch so machen, da\u00df man nach dem Singen des U mit m\u00f6glichst gleichbleibender Mundstellung einen Pfeif ton erzeugt. Wenn ich die 4 T\u00f6ne B, es, g, b singe, so erhalte ich immer den Pfeifton es2 oder f22)\n3. Die U-I-Linie des Vokaldreiecks.\nNehmen wir nun zuerst an, es g\u00e4be nur solche Vokale, die auf der U-I-Linie des Vokaldreiecks liegen. Dann w\u00fcrden wir im wesentlichen ohne weitere Erkl\u00e4rungsmittel mit der bekannten Eigenschaft der \u201eTonh\u00f6he\u201c auskommen. Diese ist das Analogon der Helligkeit bei den Farben, und die Reihe der Tonh\u00f6hen von den tiefsten bis zu den h\u00f6chsten ist eine Anordnung nach ihren Helligkeitsgraden. Diese Helligkeitsgrade sind aber zugleich in der Hauptsache die Vokalcharaktere der U-I-Reihe. Es gilt hier ohne Zweifel, da\u00df schon die einfachen T\u00f6ne einen\n*) Es sind \u00fcbrigens in allen diesen F\u00e4llen auch sehr hohe Teilt\u00f6ne aus der 4-gestrichenen Oktave nicht allzu schwer herauszuh\u00f6ren. Sie machen den Eindruck, als k\u00e4men sie aus der Nase.\n2) Dieser Pfeifton braucht nat\u00fcrlich nicht ein harmonischer Teilton des gesungenen zu sein, da die Resonanz des Lippenraumes, wenn er f\u00fcr sich angeblasen wird, nicht genau dieselbe ist, als wenn er in Verbindung mit der ganzen Mundh\u00f6hle steht.","page":317},{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"318\t13. Kap. Psychophysik der Sprachlaute.\nVokalcharakter besitzen. Die tiefen bis g1 klingen wie U, die hohen, etwa von c4 an, wie I, die dazwischen liegenden gleichen den \u00dcberg\u00e4ngen auf der Vokallinie, U\u00dc und \u00dc, von denen der, erste in der deutschen Sprache nicht vorkommt, aber an sich m\u00f6glich und anderw\u00e4rts auch vorhanden ist. Allerdings decken sich die einfachen T\u00f6ne nicht v\u00f6llig mit den betreffenden Vokalen. Das U der T\u00f6ne unterhalb c klingt unnat\u00fcrlich dumpf und zerflossen, das I oberhalb c5 unnat\u00fcrlich hell und spitz, auch die dazwischen liegenden T\u00f6ne sind nicht geradezu identisch mit empirischen Vokalen. Aber es bedarf in der mittleren Region, wie sie dem durchschnittlichen Umfang der menschlichen Stimme entspricht, nur relativ geringer Zus\u00e4tze, um die T\u00f6ne diesen Vokalen gleichzumachen.\n\u00dcber diesen Punkt herrscht unter den Phonetikern eine seltene \u00dcbereinstimmung,- wenn sie auch meistens keine ganz einfachen T\u00f6ne ben\u00fctzten. An den Pfeift\u00f6nen des Mundes, die keine Obert\u00f6ne enthalten, kann man sich leicht \u00fcberzeugen, da\u00df die allertiefsten (unter c2) U-, die um b3 \u00dc-, die h\u00f6chsten I-Charakter tragen. Beobachter, in deren Muttersprache U\u00dc-Laute Vorkommen, w\u00fcrden wahrscheinlich in den Pfeift\u00f6nen zwischen gz und c3 einen solchen Vokalcharakter wiedererkennen. Mir will dies allerdings nicht gelingen.\nSehr deutlich sind U, \u00dc, I auch in den subjektiven T\u00f6nen des \u201eOhrenklingens\u201c, die bei manchen Personen sehr h\u00e4ufig auf-treten und offenbar einfache T\u00f6ne sind. Ich habe fr\u00fcher selbst zahlreiche (580) F\u00e4lle beobachtet und ihrer absoluten H\u00f6he nach bestimmt (m. Abh. 5), aber auch inzwischen immer wieder solche Beobachtungen machen k\u00f6nnen und dabei meine Aufmerksamkeit speziell auf den Vokalcharakter gerichtet. Er entsprach genau dem obigen Bilde. Diese T\u00f6ne reichen nach der Tiefe nur bis etwa c1, selten noch ein wenig tiefer, und tragen hier U-Charakter, sind aber \u00e4u\u00dferst schwach und erscheinen, vielleicht aus eben diesem Grunde, noch weit dumpfer und zerflossener als die einfachen objektiven T\u00f6ne gleicher H\u00f6he. Dagegen sind die h\u00e4ufigen subjektiven T\u00f6ne der 3- bis 5-gestrichenen Oktave scharf ausgepr\u00e4gt und hell und die von /4 bis h4 geben ein sehr reines I1). Da mein\n1) Ein Ultra-I kann ich gegenw\u00e4rtig sogar willk\u00fcrlich jederzeit durch Vorschieben des Unterkiefers subjektiv erzeugen. Es entsteht dann ein ; scharfer, im rechten Ohre lokalisierter Ton (vermutlich durch Zerrung in\nder Kette der Geh\u00f6rkn\u00f6chelchen), dessen H\u00f6he ich durch Vergleichung mit\nder Galtonpfeife = 9000 Schw. (d6) bestimmte. Er gleicht diesem objektiven\nTon auch vollkommen in seinem Vokalcharakter: ein sozusagen transzen-\ndentes I. Wie ich bei K. L. Schaefer (Verh. d. dtsch. otolog. Ges. 1909, S. 15)\nlese, ist dieselbe Erscheinung auch schon von anderen bemerkt worden.","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"Die U-I-Linie des Vokaldreiecks.\n319\nabsolutes Tonbewu\u00dftsein im letzten Jahrzehnt infolge abnehmender \u00dcbung im Musizieren (wovon es zweifellos im h\u00f6chsten Grade abh\u00e4ngig ist) an Sicherheit abgenommen hat, diente mir bei subjektiven T\u00f6nen der Vokalcharakter oft geradezu als Hilfe zur Erkenntnis der Tonlage, die dann durch die genauere Bestimmung am Klavier best\u00e4tigt wurde. Man kann die H\u00f6he eines subjektiven Tones aus der I-Gegend nach seinem Vokalcharakter (reines, \u00fcberhelles, oder mehr \u00dc-\u00e4hnliches I) mindestens innerhalb der Fehlergrenzen einer Quarte bestimmen; eine noch genauere Bezeichnung wird wohl kaum gelingen. Beim \u00dc ist die Zone enger. H\u00f6rt man einen subjektiven Ton mit ausgesprochener \u00dc-Qualit\u00e4t, so kann man sicher sein, da\u00df er bei a3\u2014hz liegt, wie denn auch beim Pfeifen eines \u00dc fast stets 63 genau getroffen wird.\nStellt man durch das Interferenz verfahren einfache T\u00f6ne her, wobei man weiter in die Tiefe gehen kann, so findet man U am nat\u00fcrlichsten durch die Gegend von c\u2014c1 repr\u00e4sentiert. War bei unseren If.-Versuchen der isolierte Grundton eines gesungenen Vokals (einerlei welches) tiefer als c, so wurde er zwar immer als U bezeichnet, erlangte aber seine Vollkommenheit als U erst durch den Hinzutritt eines Obertones aus der kleinen oder 1-gestrichenen Oktave. Noch bis ges1 tragen die einfachen T\u00f6ne guten U-Charakter. Dagegen lautete das Urteil bei dem isolierten Grundton c2 zumeist : \u201eeigentlich gar kein Vokal\u201c, oder nur: ,,U-\u00e4hnlich\u201c.\nMan kann auch genetisch und entwicklungsgeschichtlich verstehen, was zur Erzeugung und Ausbildung der Lautreihe U-I f\u00fchrte. Die Sprech- und Singwerkzeuge des Menschen gestatten eine doppelte Ver\u00e4nderung in Hinsicht der erzeugbaren Tonh\u00f6hen: man kann die Stimmlippen des Kehlkopfes zur Erzeugung verschiedener Grundt\u00f6ne innervieren, und man kann bei unver\u00e4nderter Grundtonh\u00f6he die Kiefer-, Zungen- und Lippenstellung ver\u00e4ndern, wodurch verschiedene Teiltonbezirke verst\u00e4rkt und die Klangfarben ver\u00e4ndert werden. Diese doppelte M\u00f6glichkeit mu\u00dfte zu den ersten Erfahrungen geh\u00f6ren, sobald die Stimme zum Gef\u00fchlsausdruck oder zu Mitteilungszwecken in Funktion trat. Bei Klangver\u00e4nderung durch Resonanzverstellung richtete sich die Aufmerksamkeit nat\u00fcrlicherweise auf die beiden Extreme der dunkelsten und hellsten Lautgebung, und so entstanden U und I. Da wir aber einfache T\u00f6ne nicht durch den Kehlkopf hervorbringen k\u00f6nnen und die Lippen\u00f6ffnung beim U notwendig den Oberformanten, die Mundh\u00f6hlenresonanz beim I den Unterformanten aus dem durch den Kehlkopf erzeugten Klange verst\u00e4rken, so mu\u00dften die wirklichen Laute eben diese Zusammensetzung erhalten. Aber diese Zusatzteile modifizieren die Charak-","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320\t13. Kap. Psychophysik der Sprachlaute.\ntere der einfachen T\u00f6ne, die hier die Formanten ausmachen, nur wenig. Das U wird voller, markiger durch seine Obert\u00f6ne, das I gleichfalls voller, k\u00f6rperhafter, ges\u00e4ttigter durch seine Untert\u00f6ne: Unterschiede, wie sie allen Kl\u00e4ngen gegen\u00fcber einfachen T\u00f6nen zukommen. Es sind nur leichte \u00dcber- und Untermalungen, die den Eindruck extremer Dunkelheit und Helligkeit unter den uns nun einmal zu Gebote stehenden Stimmkl\u00e4ngen nicht verwischen.\nGleichwohl sind diese leichten Modifikationen ph\u00e4nomenologisch nicht selbstverst\u00e4ndlich, sondern vom allgemeinen Standpunkt einer Theorie der Komplexeigenschaften durchaus zu beachten. Man k\u00f6nnte zun\u00e4chst erwarten, da\u00df die Helligkeiten der Unter-und Oberformanten sich mit denen der Formanten mischten, da\u00df also U durch seinen Oberformanten einfach und schlechtweg heller, I durch seinen Unterformanten dunkler w\u00fcrde. Dem ist aber nicht so. U r\u00fcckt nicht einfach in der Helligkeitslinie hinauf, I herunter, sie werden nicht zu einem mittleren \u00dc oder U\u00dc, ebensowenig wie ein Ton durch Hinzuf\u00fcgung eines h\u00f6heren oder tieferen zu einem mittleren Tone wird. Die Ver\u00e4nderung ist viel mehr, so unbedeutend sie sein mag, doch etwas prinzipiell Neues, Eigenartiges. Wir haben sie mit metaphonischen Ausdr\u00fccken aus dem Raum- und Farbengebiete geschildert. Vielleicht w\u00e4re es am zutreffendsten, von einem Helldunkel zu sprechen, da es eben eine Komplexeigenschaft aus der Gattung der Helligkeiten ist. Als Komplexeigenschaft ist sie nicht streng kommensurabel mit den Helligkeiten der einfachen T\u00f6ne, ohne einen Ort auf ihrer Linie. Wir legen darauf Gewicht, weil schon hier der psychophysische Tatbestand auftaucht, der uns im folgenden noch unverkennbarer entgegentritt : da\u00df die Komplexeigenschaften, obschon sie mit denen der Elemente Zusammenh\u00e4ngen, doch nicht restlos aus ihnen begriffen werden k\u00f6nnen, sondern als direkte Wirkungen besonderer zentral-physiologischer Prozesse angesehen werden m\u00fcssen, die durch das gleichzeitige Auftreten mehrerer einfacher Prozesse ausgel\u00f6st werden.\n4. Die Vokale au\u00dferhalb der U-I-Linie.\nKoehlers Vokalit\u00e4ten.\nEs ist offenbar unm\u00f6glich, Laute wie A, \u00c4, \u00d6 als blo\u00dfe Abstufungen oder Verkn\u00fcpfungen von Gliedern der U-I-Reihe abzuleiten. Sie sind nicht blo\u00dfe Abwandlungen oder Verh\u00fcllungen des U, \u00dcberg\u00e4nge zwischen U und I, auch nicht blo\u00df reichere, vollere Glieder dieser Reihe, sondern etwas qualitativ anderes. Hier verspricht nun zun\u00e4chst die KoEHLERsche Lehre (1) weiterzuf\u00fchren. Danach besitzen die einfachen T\u00f6ne, zun\u00e4chst die von","page":320},{"file":"p0321.txt","language":"de","ocr_de":"Die Vokale au\u00dferhalb der U-I-Linie. Koehlers Vokalit\u00e4ten. 321\nc bis c6, von vornherein au\u00dfer ihrer H\u00f6he noch eine Vokalqualit\u00e4t (Vokalit\u00e4t) als immanente Eigenschaft, und zwar ist diese die eigentliche Prinzipalqualit\u00e4t des Tonreiches, da sie wirklich qualitative Unterschiede aufweist, \u00e4hnlich dem System der get\u00f6nten (,,bunten\u201c) Farben, w\u00e4hrend die H\u00f6henunterschiede nur eine stetig in gleicher Richtung ver\u00e4nderliche Abstufung besitzen. Zwischen c und c6 liegen die Vokalit\u00e4ten U 0 A E I in dieser Reihenfolge. Jede erstreckt sich \u00fcber 2 Oktaven, hat aber ihr Zentrum und ihre sch\u00e4rfste Auspr\u00e4gung in der Mitte dieses Spielraumes: U bei c1, O bei c2, A bei c3, E bei c4, I bei c51). Die zwischen diesen \u201eausgezeichneten Punkten\u201c liegenden T\u00f6ne tragen \u00dcbergangscharakter (UO, OA usw.), der je nach der Lage dem einen oder anderen Grenz vokal \u00e4hnlicher ist. Das folgende Schema mag dies veranschaulichen:\nc1\tc2\tc3\tc*\tcs\n+10kt.\t+20kt.\nAbb. 5. Schema der Vokalit\u00e4ten nach Koehler.\nAuch diese Lehre ist in mehr oder weniger \u00e4hnlicher Form schon fr\u00fcher aufgetaucht ; und da\u00df sie mehrfach von gegenseitig unabh\u00e4ngigen Forschern aufgestellt wurde, l\u00e4\u00dft darauf schlie\u00dfen, da\u00df etwas Richtiges daran sein mu\u00df. Zuerst findet sie sich bei Willis. Seine Pfeifent\u00f6ne waren freilich nicht in unserem Sinne einfach. Dann hat 1870 R. Koenig2) f\u00fcr die f\u00fcnf \u201eHauptvokale\u201c bereits ein Oktavengesetz aufgestellt, veranla\u00dft durch den Umstand, da\u00df 3 unter Helmholtz\u2019 charakteristischen T\u00f6nen (b1, b2, b3) im Oktavenverh\u00e4ltnis standen. Er setzte alle Zentren infolgedessen um einen Ton tiefer als sp\u00e4ter Koehler. Stimmgabeln von entsprechender H\u00f6he, die er mit den Vokalbuchstaben bezeichnete, finden sich noch in Laboratorien. Koehler ist aber ganz unabh\u00e4ngig von Koenig durch psychologische Versuche zu seiner Aufstellung gekommen. Aus blo\u00df statistischen Zusammenstellungen glaubte auch Trebs (Arch. f. d. ges.\n1)\tWir setzen diese musikalischen Notenbuchstaben f\u00fcr die von Koehler angegebenen Schwingungszahlen (1, II, S. 130). Diese stammen von 4 Beobachtern und liegen mit einer einzigen Ausnahme s\u00e4mtlich zwischen 261 und 264 bzw. den entsprechenden Multiplis. 261 ist aber = c f\u00fcr a1 = 435, 264 ist = c f\u00fcr die \u00e4ltere Stimmung a1 = 440. Daher ist die obige einfache Bezeichnungsweise berechtigt.\n2)\tQuelques exp\u00e9riences etc. S. 42ff, 64. Die Originalabhandlung in\nden C. R. der Pariser Akademie 1870.\nStumpf, Sprachlaute.\n21","page":321},{"file":"p0322.txt","language":"de","ocr_de":"322\t13. Kap. Psychophysik der Sprachlaute.\nPsychol. Bd. 14, 1909) ein Oktavengesetz erschlie\u00dfen zu k\u00f6nnen. Auch v. Wesendonk fand Vokal\u00e4hnlichkeiten bei seinen Flaschent\u00f6nen. U reicht ihm bis b2, A findet er etwa bei d3\u2014g3, E bei as3, I bei b3 \u2014 /4. Rousselot gab ebenfalls schwache Vokal\u00e4hnlichkeiten einzelner Gabelt\u00f6ne zu. Ebenso Hensen. Grassmann hatte dagegen nur U-, \u00dc- und I-Charaktere in der Tonreihe gefunden. Auch Lahr h\u00f6rte sogar noch eine Gabel von 1000 Schw. (c3) als helles U ; erst mit tieferen zusammen wurde sie zu A. Eine Zwischenstellung nimmt Jaensch ein. Er erkl\u00e4rt: \u201eNiemals habe ich reine T\u00f6ne geh\u00f6rt, die in wirklich \u00fcberzeugender Weise wie A oder E geklungen h\u00e4tten. Damit vertr\u00e4gt sich sehr wohl die Tatsache, da\u00df es immer m\u00f6glich ist, einen reinen Ton herauszufinden, der dem reinen A oder dem reinen E \u00e4hnlicher ist als alle anderen T\u00f6ne.\u201c\nDie empirischen Vokale mit ihrer komplizierten Zusammensetzung aus Teilt\u00f6nen w\u00e4ren hiernach nur Ann\u00e4herungen an die reinen Urvokale, \u00dcberg\u00e4nge oder Mischungen, in denen nur etwa ein Element besonders \u00fcberwiegt, so wie nach Platon die Dinge der Erscheinungswelt nur unvollkommene Abbilder der an sich einfachen Ideen sind, oder wie nach Hering im Gebiete der Sinneserscheinungen selbst die gew\u00f6hnlichen K\u00f6rperfarben nur Ann\u00e4herungen an die Urfarben Schwarz, Wei\u00df, Rot, Gr\u00fcn, Gelb, Blau sind. (\u00dcber die sehr wichtige Frage, ob der Zweiklang c2-j-c3 in gleicher St\u00e4rke beider T\u00f6ne das n\u00e4mliche AO geben mu\u00df wie der zwischen beiden liegende einfache Ton fis2, finde ich bei Koehler keine Angabe.)\nKoehler hat jedoch bald gewisse Zus\u00e4tze gemacht, wodurch sich die Lehre der \u00e4lteren Auffassung n\u00e4hert, indem er z. B. darauf hinweist, da\u00df der volle Charakter des E und I nur durch Beif\u00fcgung tieferer T\u00f6ne zu erreichen sei, und da\u00df zu einem guten A alle Teilt\u00f6ne, die \u00fcberhaupt eine A-Valenz besitzen (also in dem Raume c2\u2014c4 liegen), Zusammenwirken m\u00fcssen (1, III, S. 96). Ja, er d\u00fcrfte gegenw\u00e4rtig nichts gegen die Behauptung einwenden, da\u00df gerade die empirischen Vokale, gut ausgesprochen, die reinen und urb\u00fcd-lichen seien. In der neuesten Ver\u00f6ffentlichung hier\u00fcber (3, S. 449) schreibt er den einfachen T\u00f6nen, \u00e4hnlich wie Jaensch, eine geringere \u201evokale S\u00e4ttigung\u201c zu als den empirischen Vokalen und vergleicht den Fall geradezu mit dem von Papieren, in denen ein bedeutender Graugehalt \u00fcberall die spezifische bunte Nuance in hohem Grade verh\u00fcllt. Was er dagegen festh\u00e4lt, ist die These, da\u00df in der Reihe der einfachen T\u00f6ne, und zwar relativ am st\u00e4rksten an den bezeichneten Punkten, sich weitgehende \u00c4hnlichkeiten mit den Vokalen finden und da\u00df diese Vokalit\u00e4ten in der Theorie der empirischen Vokale eine entscheidende Rolle spielen m\u00fcssen.\nIn der Tat: w\u00e4ren die Vokalit\u00e4ten der einfachen T\u00f6ne zugleich die idealen Urvokale, vergleichbar den HERiNGschen Urfarben, wie man nach der ersten Fassung der Lehre annehmen m\u00fc\u00dfte,","page":322},{"file":"p0323.txt","language":"de","ocr_de":"Die Vokale au\u00dferhalb der U-I-Linie. Koehlers Vokalit\u00e4ten. 323\nso sollte man erwarten, da\u00df die richtige Einordnung in das System der Grundqualit\u00e4ten bei Normalh\u00f6renden und Ge\u00fcbten keine Schwierigkeiten machte. Versuche mit Farben, bei denen die analoge Aufgabe gestellt war, eine gegebene Farbe den HERixGschen Urfarben zuzuordnen, bzw. als \u00dcbergangsfarbe (Blaugr\u00fcn usf.) in ihre Reihe einzuordnen, ergaben mir bei 9 normalsichtigen Personen so gut wie volle \u00dcbereinstimmung (unter 230 Urteilen nur 5 abweichende). Anders aber Versuche, die ich 1913 mit zwei der besten unter Koehlers Beobachtern \u00fcber die Vokalit\u00e4t beliebig herausgegriffener, ganz oder nahezu einfacher T\u00f6ne machte (8, S. 331 ff. bzw. 43ff.). Sie ergaben arge Divergenzen, derart, da\u00df beispielsweise c3 mehrfach als U bezeichnet und auch sonst oft. Vokale genannt wurden, die in Koehlers Schema bis zu 2 Oktaven tiefer stehen. Die einfachen Pfeift\u00f6ne des Mundes wurden von der Vp. v. M. unter 12 F\u00e4llen, die sich von c2\u2014d4 erstreckten, 6mal als \u00dc bezeichnet, obgleich dieser Vokal, wie ihr bekannt war, gar nicht unter Koehlers Vokalit\u00e4ten vorkommt: zwar ein gutes Zeugnis f\u00fcr unbefangene Beobachtung und uns wohlverst\u00e4ndlich, da es sich jedesmal um einen Ton zwischen fis3 und d4 handelte, aber nicht in \u00dcbereinstimmung mit der Koehler-schen These. Auch Nachpr\u00fcfungen von anderen Seiten lieferten bisher keine Best\u00e4tigung des Oktavengesetzes1).\nDie \u00fcberraschende Exaktheit, mit der die \u201eausgezeichneten Punkte\u201c in Koehlers eigenen Versuchen von den Vp. getroffen wurden und die selbst Jaexsch das Oktavengesetz als unbezweifel-bar richtig erscheinen lie\u00dfen, h\u00e4ngt wohl mit der besonderen, von ihm gew\u00e4hlten Methode zusammen, insofern er nicht die Aufgabe stellte, die richtige Vokalbezeichnung beliebig herausgegriffener T\u00f6ne zu finden, sondern die Vp. die Umgebung eines seiner Zentren in auf- und absteigendem Verfahren absuchen und den optimalen Punkt eines vorgegebenen Vokals bestimmen lie\u00df. Es bleibt gleichwohl zu erkl\u00e4ren, worauf die fast bis auf die Schwingungszahl \u00fcbereinstimmende Fixierung der in Oktaven \u00fcbereinander liegenden Punkte durch die verschiedenen Vp. beruhte. Wir m\u00fcssen uns des Urteils dar\u00fcber enthalten; nur eine Wiederholung der Versuche mit entsprechenden Variationen der Umst\u00e4nde k\u00f6nnte Aufkl\u00e4rung schaffen2). Ich wagte einstweilen die Vermutung (8),\n1)\tRich S. 121 ff., 136, 142. Nach privater Mitteilung auch K. Huber (M\u00fcnchen).\n2)\tBesonders d\u00fcrfte von Einflu\u00df sein, innerhalb welcher Tongrenzen\nman T\u00f6ne vorlegt; z. B. w\u00e4ren, wenn das beste A bestimmt werden soll,\netwa folgende Strecken zu versuchen: g1 \u2014 c3, c2\u2014d3, f\u2014g3, b2\u2014g3, b2\u2014c4. Vermutlich w\u00fcrde sich das Optimum mehr oder weniger mit der Strecke\n21*","page":323},{"file":"p0324.txt","language":"de","ocr_de":"324\t13. Kap. Psychophysik der Sprachlaute.\nda\u00df die musikalische Auszeichnung des Tones \u00a9 in allen Oktaven f\u00fcr unser heutiges Bewu\u00dftsein nicht ohne Einflu\u00df auf das Urteil der Beobachter gewesen sein k\u00f6nnte. Obgleich diese kein absolutes Tonbewu\u00dftsein besa\u00dfen und zum Teil sogar sehr unmusikahsch waren, scheint mir ein solcher Einflu\u00df nicht ganz undenkbar. Gerade bei Unmusikahschen k\u00f6nnten absolute H\u00f6hen ma\u00dfgebender sein, w\u00e4hrend f\u00fcr Musikalische die blo\u00dfen Ton Verh\u00e4ltnisse wichtiger sind. Die Ordnung der Vokale nach ihrer Komplexhelligkeit w\u00fcrde dann ihre Verteilung auf die verschiedenen (Vs bewirken. Jedenfalls ist es sehr unwahrscheinlich, da\u00df das Oktavenverh\u00e4ltnis der KoEHLERschen Vokaht\u00e4ten ganz unabh\u00e4ngig w\u00e4re von dem doch unzweifelhaft bestehenden Oktavengesetz der musikalischen Qualit\u00e4ten, und ist auch die genaue Koinzidenz der Schwingungszahlen mit denen der (Vs auffallend. Aber hier m\u00f6gen diese Vermutungen auf sich beruhen.\nNach Koehler und v. Maltzew soll allerdings gerade das musikalische Oktavengesetz in der H\u00f6he eine Ausnahme erleiden: von fis4 bis c5 wurden n\u00e4mlich die T\u00f6ne von Stimmgabeln fast immer zu tief nachgesungen (nat\u00fcrlich in der eigenen Stimmlage) und die Intervalle mit kleineren verwechselt. Daraus wird geschlossen, da\u00df der seiner Schwingungszahl nach als c5 bezeich-nete Ton vom Geh\u00f6r als /i4 oder 64 vernommen werde. Dieses \u201enormale Falschh\u00f6ren\u201c zeigte sich aber nach Koehler nicht bei den Vokalit\u00e4ten, indem das beste I nicht bei 64 oder W, sondern genau bei c5 gefunden wurde.\nIndessen ist die Untersch\u00e4tzung von Intervallen aus Stimmgabelt\u00f6nen auch schon in der mittleren Tonlage ein allgemeinerer Zug. Die Oktave erscheint auch hier fast wie eine Septime. Auch der Verfasser, v. Hornbostel und andere musikalische Beobachter finden sich dadurch immer aufs neue \u00fcberrascht. Sogar die Mitglieder des Joachim-Quartetts erkl\u00e4rten bei solchen Versuchen die physikalisch reine Oktave mit gro\u00dfer Regelm\u00e4\u00dfigkeit f\u00fcr zu klein, obschon sie nat\u00fcrlich auf ihren Instrumenten die Oktaven in Doppelgriffen mit tadelloser Reinheit erzeugten1). Dieses : Verhalten nimmt nach Abraham und v. Hornbostel bei Doppel- und ; Tripeloktaven noch zu; und um solche multiple Oktaven handelt es sich , ja bei der Transposition in die eigene Stimmlage, auch wenn sie imbewu\u00dft erfolgt. Die Erscheinung wurzelt wahrscheinlich darin, da\u00df die Komplexhelligkeit gegebener Kl\u00e4nge nicht einfach proportional der Schwingungszahl ! des Grundtones zunimmt, weil die Obert\u00f6ne immer schw\u00e4cher werden gegen 1 den Grundton und zuletzt \u00fcberhaupt wegfallen. Auch bei Stimmgabel- \u00ee I kl\u00e4ngen handelt es sich wegen der darin enthaltenen Oktave um Komplex- j helligkeiten. Dadurch wird nun aber das Urteil \u00fcber das Intervall irre- I gef\u00fchrt. Bei hohen Pfeifen (die man noch in der 5-gestrichenen Oktave 1 mit Differenzt\u00f6nen gut abstimmen kann) mu\u00df sich dasselbe geltend machen, 1\nselbst verschieben. Es w\u00e4ren dann aber auch die besten \u00dc, \u00c4, \u00d6 zu suchen. | Die T\u00f6ne jeder Strecke w\u00e4ren in einer Reihe in auf- und absteigender Folge, ;\u25a0 in einer anderen aber auch ganz bunt durcheinander vorzulegen.\n!) Stumpf und Meyer, Ma\u00dfbestimmungen \u00fcber die Reinheit konsonanter Intervalle. Zeitschr. f. Psych. Bd. 18, S. 364ff; m. Beitr. z. Akustik H. 2, S. 127ff.","page":324},{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"Die Vokale au\u00dferhalb der U-I-Linie. KOEHLERS Vokalit\u00e4ten. 325\nund so war es auch in v. Maltzews Versuchen. Gegen die untere Tongrenze hin kehrt sich der Sachverhalt und damit auch das Urteilsergebnis um : die Obert\u00f6ne nehmen an St\u00e4rke gegen den Grundton immer mehr zu, und die H\u00f6he des Klangganzen wird \u00fcbersch\u00e4tzt. Von einem Falschh\u00f6ren w\u00fcrde ich aber in allen diesen F\u00e4llen nicht sprechen, zumal bei l\u00e4ngerer Fortsetzung der Versuche und gesteigerter Konzentration auf den Fragepunkt das Urteil gegen den physikalisch richtigen Ton zu konvergieren scheint. Vgl. auch m. Abh. 8, S. 319ff. (31 ff.).\nDie Formantzentren, wie sie nach unseren und vielen anderen Untersuchungen nunmehr als festgestellt gelten d\u00fcrfen, hegen f\u00fcr O, A und I um einige T\u00f6ne tiefer als Koehlers Zentren. Nur das f\u00fcr E f\u00e4llt ziemlich genau mit c4 zusammen (ganz wenig dar\u00fcber). Beim U, dem wir einen beweglichen Formanten zuschreiben, hegen die optimalen Grundt\u00f6ne auch mehr nach unten als nach oben von c1.\nAuch viele Details unserer Beobachtungen stimmen nicht mit Koehlers These \u00fcberein. So Resonanzversuche mit Knabenstimmen, in denen A c3 nur \u00e4u\u00dferst schwach oder gar nicht vertreten war (o. S. 30, 200). So die dominierende Stellung des gz bei L\u00fcckenversuchen (o. S. 73ff.). Unter den Synthesen weisen nur die auf c2 ein A mit einem leichten Maximum bei c3 auf : aber hier steht eben, wenn nur harmonische Obert\u00f6ne zugelassen werden, \u00fcberhaupt kein tieferer zur Verf\u00fcgung.\nWenn gleichwohl wiederholte Versuche unter entsprechenden Variationen der Umst\u00e4nde Koehlers ausgezeichnete Punkte bei einfachen T\u00f6nen best\u00e4tigen sollten, so m\u00fc\u00dfte man eben annehmen, da\u00df bei isolierten einfachen T\u00f6nen die Vokalqualit\u00e4ten sich aus irgendeinem Grunde gegen die Lage der Formantzentren innerhalb der empirischen Vokalkl\u00e4nge versch\u00f6ben (oder umgekehrt). Dies w\u00e4re an sich gewi\u00df denkbar. Aber die Ursache dieser Verschiebung bliebe zun\u00e4chst dunkel.\nGro\u00dfe Schwierigkeiten machen der Lehre aber auch die \u201eUmlaute\u201c. \u00c4 (offenes E) lie\u00dfe sich zwar als \u00dcbergang zwischen den benachbarten Urvokalen A und E, als einfacher Ton von der H\u00f6he etwa des gs, verstehen. \u00dc m\u00fc\u00dfte allenfalls als Mischung von U und E (I), \u00d6 als Mischung von 0 und E definiert werden. Aber schon diese doppelte Erkl\u00e4rungsweise (teils \u00dcbergangs- teils Mischform) erregt Bedenken. Au\u00dferdem kann ich \u00fcberhaupt keinen prinzipiellen akustischen Unterschied zwischen den 5 sog. Hauptvokalen und den Umlauten finden. Auch w\u00fcrde sich fragen : wenn U und E (I) sich zu \u00dc mischen, warum mischen sich nicht auch A und I oder O und I, also die Urvokalit\u00e4ten von c3 und c5 oder von c2 und c5?\nBei den Konsonanten, auf die Koehler das Oktavengesetz ausdehnte (nach unten auf M, nach oben auf S, F, Ch pal.), stellten","page":325},{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"326\n13. Kap. Psychophysik der Sprachlaute.\nsich uns noch viel st\u00e4rkere Abweichungen heraus. Da\u00df F und Ch sogar \u00fcber die gew\u00f6hnlich angenommene H\u00f6rgrenze bis zu zwei Oktaven hinaus liegen sollen, haben wir unbedingt ablehnen m\u00fcssen.\nIst es sonach unm\u00f6glich, diese Lehre in der Form des Oktavengesetzes unver\u00e4ndert zu \u00fcbernehmen und die Tatsachen der empirischen Vokalit\u00e4ten daraus zu erkl\u00e4ren, so l\u00e4\u00dft sich doch nicht leugnen, da\u00df in den einfachen T\u00f6nen gewdsse Ankl\u00e4nge an Vokalcharaktere vorhanden sind. Betreffs der U\u2014I-Linie ist dies bereits hervorgehoben. Aber auch f\u00fcr A sind in meinen Versuchen einzelne \u00c4u\u00dferungen vorgekommen, die darauf hindeuten, obgleich ich keine Versuchsreihen mit dieser Fragestellung (au\u00dfer den vorhin erw\u00e4hnten) angestellt habe. So antwortete ein Mitbeobachter, dem ich bei den Synthesenversuchen zwischen Kombinationen einmal den einfachen Ton c3 allein mit der Frage nach dem Vokaleindruck vorlegte, zun\u00e4chst zwar: \u201ekein Vokal\u201c, setzte dann aber hinzu: \u201eh\u00f6chstens allenfalls dem A \u00e4hnlich\u201c. Auch mir scheint ein gewisser A-Schimmer \u00fcber dieser Gegend zu hegen. Als einmal alle Teilt\u00f6ne eines auf c1 gesungenen A au\u00dfer c3 ausgeschaltet waren, schien mir dieses auch f\u00fcr sich allein einen Anflug von A-Charakter zu haben. Kurz vorher, als noch der Grundton ganz schwach mitklang, notierte ich: \u201eAo, wie aus der Ferne\u201c. Doch m\u00f6chte ich als wissentlicher Beobachter meinem Urteil hier nicht unbedingt trauen, besonders wenn es sich um a2 handelt, wo selbst der Notenbuchstabe von Einflu\u00df sein k\u00f6nnte. Koehler, der kein absolutes Tonbewu\u00dftsein besitzt, versichert, da\u00df er gerade durch das Beachten der Vokalcharaktere in den Stand gesetzt wurde, \u00fcber die absolute H\u00f6he mit einiger Sicherheit zu urteilen. Es m\u00f6gen also hier individuelle Unterschiede in der Deutlichkeit der Auspr\u00e4gung obwalten, ebenso wie solche bez\u00fcglich der \u201emusikalischen Qualit\u00e4t\u201c stattfinden, die dem absoluten Tonbewu\u00dftsein im gew\u00f6hnlichen Sinne zugrunde liegt.\nBei ganz Unmusikalischen (zu denen aber Koehler nicht geh\u00f6rt) d\u00fcrfte der Vokalcharakter auff\u00e4lliger in die Erscheinung treten, w\u00e4hrend die \u201emusikalische Qualit\u00e4t\u201c da bis zum Nullwert herabsinken kann. Einen ganz extremen Fall hat Koehler selbst (1, III, S. 54ff.) an einem Arzte beobachtet, f\u00fcr den alles Musikalische im Tonbereiche, also Intervalle, Melodien usw., \u201eb\u00f6hmische D\u00f6rfer\u201c waren. Die Vokale konnte er aber tadellos unterscheiden, ordnete sie ihrer Helligkeit nach richtig und gab bei Flaschen- und Gabelt\u00f6nen die H\u00f6henlage der 5 Vokale in sehr guter \u00dcbereinstimmung mit den KoEHLERSchen Aufstellungen an. Auch das A wurde in ziemlich engen Grenzen um c3 herum lokalisiert.","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"Die Vokale au\u00dferhalb der U-I-Linie. Koehlers Vokalit\u00e4ten. 327\nDem Institutsgehilfen Kaumann, der von diesem Typus auch nicht weit entfernt ist, legte ich am Vokalapparat die T\u00f6ne von c4 abw\u00e4rts mit der Frage vor, welcher davon dem A am \u00e4hnlichsten sei. Er fand d3 als solchen. Weiter hinunter schien ihm h2 schon zu O-\u00e4hnlich, noch mehr b2, g2. Wurde nun von tiefen T\u00f6nen begonnen, so erschien g1 noch zu O-\u00e4hnlich, ebenso e2 ; dagegen wurden jetzt schon e2 und noch lebhafter g2 als gutes A bezeichnet. b2 erschien jetzt zu hell, nach I hin, e3 viel zu hell. Es war Sorge getragen, da\u00df der Beobachter nichts von meinen Manipulationen zur Herstellung des Tonwechsels sehen konnte. Also beim absteigenden Verfahren wurde d3, bei aufsteigendem g2 als A-Zentrum angegeben. Der Unterschied ist aus den allgemeinen Erfahrungen bei psychologsischen Versuchen begreiflich. Die Mitte b2 (h2) w\u00fcrde mit unserem Formantzentrum nahe \u00fcbereinstimmen. Jedenfalls waren f\u00fcr diesen Beobachter, der sich durch jahrelange Mitwirkung bei meinen Versuchen ein sehr gutes Geh\u00f6r f\u00fcr Vokalfarben angeeignet hat, unstreitig A-\u00c4hnlichkeiten in den einfachen T\u00f6nen zwischen e2 und e3 vorhanden. Als die T\u00f6ne c1 g1 c2 g2 c3 in unregelm\u00e4\u00dfiger Reihenfolge gegeben wurden, bezeichnete er c1 und g1 als U, c2 mehr als UO, g2 und c3 als dunkleres und helleres A, beide aber als gleich gut.\nAn solchen unmusikalischen Personen mit ausgepr\u00e4gtem' Vokalit\u00e4ts-urteil l\u00e4\u00dft sich auch der interessante Versuch anstellen, den G. E. M\u00fcller einmal in Analogie zu den bekannten Farbenmischungsversuchen vorschlug: die stetige Verschiebung des Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses zweier Oktavent\u00f6ne bis zum v\u00f6lligen Verschwinden des einen. Mischt man Rot und Blau auf dem Farbenkreisel unter Verschiebung ihrer Sektorenbreiten, so kann man die eine Farbe in die andere durch Violett hindurch stetig \u00fcberf\u00fchren. Wie verhalten sich die Tonfarben und \u00fcberhaupt die Eigenschaften des Tongemisches in solchem Falle? Nur mit v\u00f6llig einfachen T\u00f6nen und stetiger St\u00e4rkeregulierung, wie sie unsere Einrichtung erm\u00f6glicht, l\u00e4\u00dft sich dieser Versuch rein ausf\u00fchren. In Hinsicht der St\u00e4rke wurde im vorigen Kapitel sowohl die gegenseitige Beeinflussung der Komponenten beim analysierenden H\u00f6ren, als die Modifikationen der Gesamtst\u00e4rke beim nichtanalysierenden schon besprochen. \u00dcber die H\u00f6hen Ver\u00e4nderung des geh\u00f6rten Klanges kann ein Unmusikalischer und nicht Analysierender sich nur in der Weise \u00e4u\u00dfern, da\u00df er ihn mit bestimmten anderen, z. B. denen des Tonmessers, vergleicht und identifiziert. Hier\u00fcber Versuche zu machen ist aber nach sonstigen Erfahrungen kaum n\u00f6tig: er wird, wenn es sich z. B. um c2 c3 handelt, solange einer der beiden T\u00f6ne weit \u00fcberwiegt, dessen Tonh\u00f6he angeben, au\u00dferdem aber in seinem Urteil mehr oder weniger schwanken. Es wird ihm ein Klang erscheinen, den er sowohl mit c2 als mit c3 identifizieren kann, c2 wird aber viel l\u00e4nger bevorzugt werden, weil das c2 des Tonmessers auch schon c3 in betr\u00e4chtlicher St\u00e4rke enth\u00e4lt. Aber niemals d\u00fcrfte ein Zwischenton als Tonh\u00f6he des Komplexes angegeben werden, es sei denn zuf\u00e4llig von solchen, die \u00fcberhaupt jedes akustischen Urteils bar sind und wie Taube ihre Aussagen aufs Geratewohl abgeben. Hier liegt der un\u00fcberbr\u00fcckbare Gegensatz des Tonsinnes zum Farbensinn: es gibt keine Tonh\u00f6henmischungen1).\nWie aber verhalten sich in solchem Falle die Vokalfarben? Dar\u00fcber wurden mit Hrn. Kaumann folgende Versuche gemacht. Nachdem er c3 als ein\nx) Auch mit der \u201ebinauralen Mischung\u201c von Revesz steht es nicht anders. Vgl. Zeitschr. f. Psych. Bd. 75, S. 330ff. 1916; auch in m. \u201eBeitr. z. Akust. u. Musikwiss.\u201c H. 9.","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"328\n13. Kap. Psych ophysik der Sprachlaute.\nhelles A, c2 als ein etwas dunkles 0 beurteilt hatte, wurde c2 zuerst allein kr\u00e4ftig angegeben, dann c3 mit ganz langsam von Null an wachsender St\u00e4rke beigef\u00fcgt, dann, nachdem es gleichfalls eine bedeutende St\u00e4rke erreicht hatte, c2 langsam bis zum v\u00f6lligen Verschwinden geschw\u00e4cht, so da\u00df jetzt c3 allein \u00fcbrigblieb. Der H\u00f6rschlauch wurde in 2 Arme geteilt, so da\u00df ich gleichzeitig mit dem Beobachter, der auf die Vokalit\u00e4ts\u00e4nderungen achten sollte, die durch Drehen der Regulierschrauben bewirkten St\u00e4rkever\u00e4nderungen kontrollieren konnte.\nDas Ergebnis war, da\u00df K., als f\u00fcr mein Ohr c3 eben merklich wurde (bei c2 = 2, c3 = x/4), eine Ver\u00e4nderung des Ou nach A hin bemerkte, welche dann immer weiter schritt. Bei c2 = 2, c3 = 1 war es schon \u201emehr A als O\u201c. Als dann c2 geschw\u00e4cht wurde, blieb das Urteil \u201eA nach O hin\u201c, bis f\u00fcr mich c2 im Zusammenklange ganz verschwunden war. An diesem Punkte urteilte K. : \u201ejetzt helles A\u201c.\nDieses Ergebnis lie\u00df sich im allgemeinen wohl erwarten. Es entstand mm die weitere Frage: wie, wenn statt c2 c1 mit c3 mit solcher stetigen Verschiebung der Intensit\u00e4ten vorgelegt wird? c1 wird f\u00fcr sich allein von K. entschieden als U-\u00e4hnlich bezeichnet. Sollte mm, wenn auch hier keine Analyse stattfand, ein U direkt, ohne O zu durchlaufen, in A \u00fcbergehen und r\u00fcckw\u00e4rts ? Diese Erwartung hegte ich nicht, sondern vermutete, da\u00df im Fall der Nichtanalyse ein Laut entstehen w\u00fcrde, der in den mittleren Stadien gleichzeitig als U- und A-\u00e4hnlich beurteilt w\u00fcrde, aber eine gewisse Uneinheitlichkeit bes\u00e4\u00dfe, entsprechend den Erfahrungen mit U und I bei den Iriterferenzversuchen (S. 56ff) und den Synthesen (S. 181 Anm.). Aber der Erfolg war nur die sofortige Analyse. Sobald f\u00fcr mich c3 neben dem starken c1 merklich wurde, konstatierte auch K. das Auftreten eines hohen Tones. Hier war also keine Ver\u00e4nderung des Vokalurteils zu erzielen. Man m\u00fc\u00dfte zu diesem Versuche wohl noch unmusikalischere Individuen, \u00e4hnlich etwa dem Ko ehlers ch en Arzte, heranziehen.\nIn dieser reduzierten Form also, die auch der gegenw\u00e4rtigen Fassung von Koehlers Lehre nahesteht, erkennen wir die Vokali-t\u00e4ten der einfachen T\u00f6ne an. Sie sind nur eben \u201ein hohem Grade verh\u00fcllt\u201c. Und zwar w\u00fcrde ich die U-I-Charaktere der einfachen T\u00f6ne als das Verh\u00fcllende bezeichnen, analog wie bei den Farben das Grau verh\u00fcllend, die S\u00e4ttigung mindernd wirkt.\nNun k\u00f6nnte man sich zun\u00e4chst vorstellen, da\u00df diese Vokal\u00e4hnlichkeiten einfacher T\u00f6ne nichts weiter w\u00e4ren als Erinnerungen an die durch die betreffenden T\u00f6ne haupts\u00e4chlich bedingten empirischen Vokalcharaktere zusammengesetzter Kl\u00e4nge. Wie das Blatt an den Baum, der Teil an das Ganze, so erinnere auch ein dem Formantzentrum benachbarter einzelner Ton an den vollen Vokal. Man w\u00fcrde dann der KoEHLERsdien Lehre \u00e4hnlich gegen\u00fcberstehen wie Aristoteles der platonischen Ideenlehre: nicht die empirischen Vokale w\u00e4ren mehr oder minder vollkommene Abschattungen der idealen Urvokale, sondern diese w\u00e4ren nur mehr oder minder blasse Erinnerungsbilder der allein urspr\u00fcnglichen und wirklichen empirischen Vokale.","page":328},{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"Die Vokale au\u00dferhalb der U-I-Linie. KOEHLERS Vokalit\u00e4ten. 329\nIndessen, so steht es doch auch nicht. Der Teil erinnert nur dann an das Ganze, wenn er, sei es auch nur sehr nebenher, bemerkt worden ist. Obert\u00f6ne z. B. erinnern keineswegs an die Kl\u00e4nge, als deren Teile sie gegeben wurden, wenn sie ganz und gar unbemerkt geblieben waren. Es w\u00e4re also zwar m\u00f6glich, da\u00df solche Erinnerungen sich z. B. bei mir selbst im Zusammenh\u00e4nge meiner synthetischen Versuche an die einfachen T\u00f6ne kn\u00fcpften. Aber f\u00fcr Beobachter ohne solche habituelle Aufmerksamkeitsrichtung w\u00fcrde die Erkl\u00e4rung nicht zutreffen.\nSomit kommen wir zu dem Schl\u00fcsse, da\u00df tats\u00e4chlich in dem Tonbezirk zwischen etwa g1 und g4 ein im allgemeinen zwar sehr schwaches, bei manchen Menschen aber (und wohl besonders bei Unmusikalischen) besser ausgepr\u00e4gtes Spektrum von Vokalfarben sich \u00fcber die einfachen T\u00f6ne lege. Diesen kommt also au\u00dfer ihrer H\u00f6he, St\u00e4rke usf. auch noch eine Vokalit\u00e4t oder Farbe als immanente Eigenschaft zu. Jede Tonh\u00f6henver\u00e4nderung innerhalb dieser Zone ist, wenn sie eine gewisse Schwelle \u00fcberschreitet, zugleich eine Vokali-t\u00e4ts\u00e4nderung. Im weiteren Sinne kann man auch die U-I-Charak-tere der einfachen T\u00f6ne, die sich nach unten und oben anschlie\u00dfen, als Vokalfarben bezeichnen. Hier fallen sie eben mit den Helligkeiten zusammen. Im engeren Sinne farbig nennen wir nur die davon abweichenden, oberhalb der Grundlinie des Vokaldreiecks liegenden Vokalit\u00e4ten. Unter ihnen scheint die A-Vokalit\u00e4t die relativ deutlichste zu sein. So machen sich die Eckfarben des Vokaldreiecks auch in dieser Hinsicht bemerklich.\nDie U- und I-Charaktere schlie\u00dfen sich aber nicht etwa nur von au\u00dfen an diese Zone nach beiden Seiten an, sondern sind als entsprechende Helligkeiten der einfachen T\u00f6ne auch innerhalb dieser Zone vorhanden. Sie werden nur hier im allgemeinen nicht mit Vokalen identifiziert; nur bei b3 ist die \u00dc-\u00c4hnlichkeit frappant, d. h. der Vokal \u00dc wird auch schon durch einen einfachen Ton mit starker Ann\u00e4herung wiedergegeben. Doch bleibt eine gewisse \u00c4hnlichkeit mit U den T\u00f6nen oberhalb gx noch eine gute Strecke weit erhalten (vgl. o. S. 322 v. Wesendonk und Lahr), und eine gewisse I-\u00c4hnlichkeit beginnt auch schon unterhalb gx. Die T\u00f6ne dieser mittleren Zone lassen eben \u00c4hnlichkeiten nach 2 Seiten hin erkennen, z. B. c3 eine U- und eine A-\u00c4hnlichkeit, die erste nach dem Helligkeitsgrad, die zweite nach der Farbigkeit im pr\u00e4gnanten Sinne. Daher tritt denn auch f\u00fcr verschiedene Beobachter, ja f\u00fcr denselben Beobachter, bei verschiedenen Gelegenheiten bald die eine, bald die andere \u00c4hnlichkeit in den Vordergrund und wird f\u00fcr ihre Aussagen bestimmend.","page":329},{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"330\n13. Kap. Psychophysik der- Sprachiaute.\nBereits in meiner \u201eTonpsychologie\u201c hielt ich es f\u00fcr notwendig, die Klangfarben auf Tonfarben zur\u00fcckzuf\u00fchren, also auch den v\u00f6llig einfachen T\u00f6nen Farbenunterschiede zuzuerkennen. Aber es schien mir damals noch m\u00f6glich, diese Unterschiede aus denen der H\u00f6he, des Volumens und der St\u00e4rke herzuleiten. Wir sehen jetzt, da\u00df die Anerkennung der Farbigkeit als eines Attributes neben diesen anderen nicht zu umgehen ist, und es bleibt Koehlers Verdienst, nachdr\u00fccklich darauf hingewiesen zu haben.\nOb dieses neue Attribut der einfachen T\u00f6ne entwicklungsgeschichtlich ebenso urspr\u00fcnglich ist wie H\u00f6he und St\u00e4rke, kann gleichwohl gefragt werden. Es k\u00f6nnte in einer anderen Weise, als es nach der Erinnerungshypothese der Fall w\u00e4re, die Folge der empirischen, an zusammengesetzte Kl\u00e4nge gebundenen Vokalcharaktere sein. Darauf werden wir zur\u00fcckkommen, nachdem erst f\u00fcr diese selbst eine gen\u00fcgende Erkl\u00e4rung gefunden ist.\nDenn aus dem Vokalit\u00e4tenspektrum der einfachen T\u00f6ne allein lassen sich die empirischen Vokalcharaktere noch keineswegs verstehen. Wie sollen diese so ausgepr\u00e4gten, aufdringlichen, f\u00fcr jeden Kor malh\u00f6renden ohne weiteres erkennbaren und unterscheidbaren Charaktere auf einem so schwachen, f\u00fcr viele Menschen nur mit M\u00fche oder gar nicht erkennbaren Vokalit\u00e4tenschimmer beruhen? Vor allem m\u00fc\u00dften doch, wenn das Formantzentrum, z. B. f\u00fcr A g2 oder a2, seine Urvokalit\u00e4t dem Klangganzen auf dr\u00e4ngte, die Vokalit\u00e4ten der \u00fcbrigen, keineswegs verschwindend schwachen, manchmal wahrscheinlich sogar physiologisch st\u00e4rkeren Teilt\u00f6ne gleichfalls in den Gesamteindruck des Lautes eingehen. Wo bliebe dann die \u00c4hnlichkeit der empirischen mit den Urvokalen? Ich kann daher auch nicht zustimmen, wenn Koehler (3, S. 444) das Vorhandensein der Vokalit\u00e4ten bei einfachen T\u00f6nen als eine notwendige Konsequenz der Helmholtz-schen Klanglehre bezeichnet.\nHier m\u00fcssen in allen F\u00e4llen nicht so ganz einfache Prozesse und Gesetze walten. Diese Prozesse k\u00f6nnen aber nicht psychologische sein. Ich w\u00fc\u00dfte nicht, welche bekannten Gesetzlichkeiten aus dem der psychologischen Erfahrung zug\u00e4nglichen Gebiete sich heranziehen lie\u00dfen, um aus der Kombination oder Wechselwirkung der Eigenschaften der Teilt\u00f6ne eines Klanges die empirischen Vokalcharaktere 0, A, \u00c4, \u00d6, E herzuleiten. Wir m\u00fcssen daher den physiologischen Weg, und zwar nach Lage der Dinge in diesem Gebiete den Weg physiologischer Hypothesen beschreiten.","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"Zwei zentralphysiologische Prozesse.\n831\n5. Zwei zentralphysiologische Prozesse.\nDer Hypothese, die nun entwickelt werden soll, legen wir wieder das Vokaldreieck (S. 252) zugrunde. Darin kann der Ort jedes Vokals durch 2 Bestimmungsst\u00fccke eindeutig definiert werden: durch den Punkt auf der U-I-Linie, zu welchem eine Vertikale von ihm aus hinf\u00fchrt, und durch die H\u00f6he dieser Vertikalen selbst. Betrachten wir daher die Sache psychophysisch, so kann man als physiologische Grundlage des Vokals in der Hirnrinde das Zusammenwirken zweier Prozesse f\u00fcr jeden der dabei beteiligten T\u00f6ne ansehen. Beide Prozesse sind parallel den Schwingungszahlen ver\u00e4nderlich. Dem einen entspricht die mit der Schwingungszahl zunehmende Helligkeit (H\u00f6he) der Tonempfindung. Er ist seiner Quantit\u00e4t nach unver\u00e4nderlich (kann es wenigstens sein), seiner Intensit\u00e4t nach durch die physiologische Intensit\u00e4t der augenblicklichen zentralen Erregung definiert. Wir k\u00f6nnen ihn als U-I-Proze\u00df oder Grundproze\u00df bezeichnen. Zu diesem tritt aber innerhalb der Grenzen von etwa g1 bis g* ein zweiter, entsprechend der Vertikalen im Vokaldreieck, der im Zusammenwirken mit jenem eine von der U-I-Beihe abweichende Vokalf\u00e4rbung des Lautes bedingt. Dieser akzessorische Proze\u00df m\u00f6ge nach der st\u00e4rksten Abweichung auch als A-Proze\u00df bezeichnet werden. Wird ein Ton f\u00fcr sich allein erregt, so kommt dieser Proze\u00df nur in ganz geringem Ma\u00dfe oder gar nicht zustande. Wirkt er aber mit dem Grundton bzw. noch anderen tieferen Teilt\u00f6nen zusammen, so macht er die entstehende Vokalit\u00e4t um so un\u00e4hnlicher der U-I-Linie, je h\u00f6her die Vertikale des Vokaldreiecks f\u00fcr den fraglichen Ton ist1).\nWie zwingend man zu dieser Vorstellung des Sachverhalts gedr\u00e4ngt wird, lehrt allein schon die sonst ganz paradoxe Tatsache, da\u00df jeder der einfachen T\u00f6ne g und g1 f\u00fcr sich deutlichen U-Charakter hat, w\u00e4hrend ihr Zusammenklang im richtigen St\u00e4rke Verh\u00e4ltnis ein deutliches 0 ist. Also durch das Hinzutreten eines tieferen, dunkleren Tones (g) kann aus einem U (g1) ein 0, aus dem dunkleren der hellere Vokal\nA\nAbb. 6. Grundproze\u00df und akzessorischer Proze\u00df.\n1) Statt des geradlinigen Dreiecks kann man, in Anlehnung an die naturwissenschaftlichen Gewohnheiten, ebensowohl eine Kurve denken, die dann auch allenfalls nach beiden Seiten asymptotisch zur Abszisse verlaufen mag.","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"832\n13. Kap. Psyehophysik der Sprachlaute.\nwerden. Es mu\u00df dadurch eine im g1 latente 0-Qualit\u00e4t ausgel\u00f6st werden. Man m\u00f6chte an eine Art katalytischer Wirksamkeit denken. So ist es aber bei allen Teilt\u00f6nen eines Vokals au\u00dferhalb der U-I-Reihe. Bereits Koehler hat deshalb mit R\u00fccksicht auf \u00e4hnliche Erfahrungen von einer \u201eChemie der Vokale\u201c gesprochen.\ng3 klingt f\u00fcr sich allein gewi\u00df nicht \u00d6-artig, am ehesten noch einem dunklen \u00dc \u00e4hnlich, entsprechend der Lage des Tones auf der U-I-Linie. Also der Vokalcharakter des einfachen g3 ist fast nur durch den Grundproze\u00df bestimmt. Aber als Oberton in einen passenden Komplex eingef\u00fcgt, erteilt es diesem die \u00fcberzeugende \u00d6-E\u00e4rbung. Ja, wir h\u00f6rten, da\u00df selbst ein I-Klang, dem durch ein zuf\u00e4lliges Versehen g3 beigemischt war, dadurch einen auffallenden Stich nach \u00d6 hin bekam (S. 181 Anm.). Viele andere hierhergeh\u00f6rige Tatsachen liefern die L\u00fcckenversuche (2. Kap.).\nDer akzessorische Proze\u00df entfaltet also erst bei Verkn\u00fcpfung eines Tones mit tieferen und mit einem Grundton, in welchem der Grundproze\u00df ausschlie\u00dflich oder fast ausschlie\u00dflich vertreten ist, der also unterhalb g1 oder wenigstens unterhalb c2 liegt, seine volle Wirksamkeit.\nDie Einwirkung tiefer T\u00f6ne auf die Vokalvalenzen h\u00f6herer scheint innerhalb des Bereiches der menschlichen Stimmt\u00f6ne geradezu mit ihrer Tiefe zu wachsen. Darauf weist die Tatsache hin, da\u00df nach den Interferenzversuchen der Beginn des A-For-manten f\u00fcr den Grundton G bei c2 liegt, f\u00fcr den Grundton c aber bei e2, f\u00fcr c1 bei g2, obgleich das A auf c und auf c1 den Teilton c2 gleichfalls in nicht unbetr\u00e4chtlicher St\u00e4rke enth\u00e4lt. Allerdings ist das A auf C dunkler und nimmt an Helligkeit \u00fcber den Grundton c nach c1 zu, und wir werden unten h\u00f6ren, da\u00df das langsame Emporsteigen des ganzen Formanten damit zusammenh\u00e4ngt. Aber die Erkl\u00e4rung, die wir daf\u00fcr geben werden, d\u00fcrfte nicht ausreichen f\u00fcr die Verschiebung des Formantbeginnes. Diese scheint vielmehr darauf zu beruhen, da\u00df der absolut tiefere Grundton auch aus einem absolut tieferen Oberton bereits einen A-Schimmer hervorzulocken vermag.\nBei den Vokalen au\u00dferhalb der U-I-Linie darf \u00fcberhaupt niemals ein Formantton selbst Grundton sein, wenn der Vokal gut ausfallen soll. Zwar gibt fis1 mit fis2 noch ein leidliches 0, c2 mit c3 ein leidliches A, indem der Grundton, der am Anfangspunkte der weiteren Formantzone liegt, mit einem kr\u00e4ftigen 1. Oberton, der gegen ihr Ende hin liegt, zusammenwirkt. Aber auf b1 als Grundton, also auf dem Formantzentrum des 0, wird dieser Vokal schon mangelhaft, ebenso A auf g2. \u00d6, \u00c4, E sind auf ihren Formantt\u00f6nen als Grundt\u00f6nen \u00fcberhaupt unkenntlich.","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"Zwei zentralphysiologische Prozesse.\n333\n\u00dcbrigens gilt es auch f\u00fcr die U-I-Linie, da\u00df bei den h\u00f6heren T\u00f6nen, die f\u00fcr sich allein \u00dc- oder I-Charakter tragen, dieser Charakter durch das Hinzutreten tieferer, n\u00e4mlich ihrer Unterformanten, erst zur vollen Auspr\u00e4gung kommt. Dies hat bereits Koehler bemerkt. Doch bed\u00fcrfen die Vokale dieser Reihe eines solchen Zusammenwirkens viel weniger, da eben schon die einfachen T\u00f6ne hier einen viel deutlicheren Vokalcharakter tragen.\nMan kann nun in folgender Weise die Qualit\u00e4t der durch den akzessorischen Proze\u00df bedingten Vokalf\u00e4rbungen hypothetisch auf eine bestimmte Eigenschaft dieses Prozesses zur\u00fcckf\u00fchren. Man kann annehmen, da\u00df er seiner Quantit\u00e4t nach von g1 bis zur Mitte des A-Formanten, godera2, zunimmt, dann wieder abnimmt, und da\u00df dadurch die Abweichung der Vokalf\u00e4rbung von der U-I-Linie, also die spezielle Vokalqualit\u00e4t, die er im Zusammenwirken mit dem Grundproze\u00df erh\u00e4lt, bedingt ist. Dann ist die jeweilige Vertikale innerhalb des Vokaldreiecks, die wir schon in mehrfacher Beziehung bedeutungsvoll fanden, zugleich das Ma\u00df f\u00fcr die Quantit\u00e4t des akzessorischen Prozesses an dem bez\u00fcglichen Punkte der Tonreihe.\nDagegen ist der akzessorische Proze\u00df seiner Intensit\u00e4t nach, und damit auch nach der St\u00e4rke der Vokalf\u00e4rbung, von den Faktoren abh\u00e4ngig, die im vorigen Kapitel untersucht wurden. So bewirkt der Ton g2, wenn er als 3. Teilton zu c1 und c2 hinzukommt, eine A-F\u00e4rbung des Klanges in einem seiner Intensit\u00e4t entsprechenden Grade. Tritt auch noch der 4. Teilton c3 hinzu, so wird das A heller und wieder in einem seiner Intensit\u00e4t entsprechenden Grade. Ebenso beim 5., e3. Aber nun n\u00e4hert sich die Vokalf\u00e4rbung schon wieder, zumal wenn der Ton etwas st\u00e4rker genommen wird, der U-I-Linie, und so nimmt die \u00c4hnlichkeit mit dieser immer mehr zu. Wir f\u00fchren dies auf die jenseits der Dreiecksspitze wieder abnehmende Quantit\u00e4t des akzessorischen Prozesses zur\u00fcck.\nEs handelt sich hier um spezifische Synergien, wie sie sich auch in anderen Gebieten der Sinneswahrnehmung finden (binokulare Plastik, binaurale Lokalisation, Verschmelzung konsonanter T\u00f6ne, Zusammenwirken gleichzeitiger Empfindungsprozesse beim Tast- und Temperatursinn usf.).\nMan kann den Tatbestand auch so ausdr\u00fccken, da\u00df man den zerebralen Tonprozessen zwischen g1 und gx bestimmte physiologische Vokalvalenzen (nach dem Ausdrucke Koehlers) zuerkennt, die unter den angegebenen Bedingungen wirksam werden. Diese Valenzen und die ihnen entsprechenden Quantit\u00e4ten des akzessorischen Prozesses kann man aus dem Vokaldreieck","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"334\n13. Kap. Psychophysik der Sprachlaute.\nablesen, nicht aber irgendwelche relative Intensit\u00e4ten der Teilt\u00f6ne. Wir weisen darauf ausdr\u00fccklich hin, weil man von den Schwingungskurven her gewohnt ist, die Ordinaten als Amplituden zu deuten. \u00dcber die Empfindungsst\u00e4rken der zu einem guten Vokal geh\u00f6rigen Teilt\u00f6ne orientieren unsere synthetischen Tabellen in Verbindung mit den im vorigen Kapitel behandelten Gesetzlichkeiten.\nDie Bedeutung, die wir der Quantit\u00e4t des akzessorischen Prozesses f\u00fcr die Vokalqualit\u00e4t hypothetisch zugeschrieben haben, k\u00f6nnte man in weiterer Ausgestaltung der Hypothese auch f\u00fcr den Grundproze\u00df selbst in Anspruch nehmen. Hier w\u00e4re die gesetzliche Beziehung sogar eine einfachere : die Quantit\u00e4t des Grundprozesses w\u00fcrde sich ohne Wendepunkt genau parallel mit der Helligkeit des Vokales, die hier zugleich seine Vokalit\u00e4t ist, ver\u00e4ndern. Und zwar w\u00e4re es am ansprechendsten, zu denken, da\u00df mit zunehmender Helligkeit des Lautes (also abnehmender Wellenl\u00e4nge des Reizes) die Quantit\u00e4t des Prozesses abn\u00e4hme. Aber hier w\u00fcrde vorl\u00e4ufig jede mit den Schwingungszahlen parallel laufende Modifikation des zentralen Tonprozesses die gleichen Dienste tun, w\u00e4hrend bei den im engeren Sinne farbigen Vokalen f\u00fcr das Auf- und Absteigen der Dreiecksvertikalen kaum eine andere Deutung als die gegebene m\u00f6glich scheint.\nUnsere Hypothese darf aber nicht so verstanden werden, als sollten daraus die spezifischen Qualit\u00e4ten der Vokale in dem Sinne abgeleitet werden, da\u00df man einem, der niemals ein A geh\u00f6rt h\u00e4tte, deduktiv ein Bewu\u00dftsein davon beibringen k\u00f6nnte. Sie soll nur f\u00fcr das Ab weichen der Vokale von der U-I-Linie eine physiologisch plausible Unterlage angeben. Warum diese Abweichungen sich uns in der Erscheinung als 0, A, E darstellen, wird nat\u00fcrlich \u00fcberhaupt niemals erkl\u00e4rt werden; es geh\u00f6rt zu den letzten psychophysischen Grundtatsachen, die wir einfach als gegeben hinzunehmen haben. Doch d\u00fcrfen wir wohl behaupten, da\u00df innerhalb dieser Begrenzung der Aufgabe die hier entwickelten Vorstellungen die Tatsachen richtiger und vollst\u00e4ndiger zusammenfassen als etwa das sonst auch so ansprechende Koenig-Koehler-sche Oktavengesetz, und da\u00df sie so wenig als m\u00f6glich \u00fcber die Beobachtungen selbst hinausgehen. Auch erf\u00fcllen sie eine Forderung, die bei der Aufsuchung physiologischer Unterlagen der Ph\u00e4nomene stets beachtet werden mu\u00df: da\u00df man Qualitatives so weit als es nur m\u00f6glich ist auf Quantitatives gr\u00fcnde.\nNur doktrin\u00e4re Anh\u00e4nger eines unklaren \u201epsychophysischen Parallelismus\u201c werden sich daran sto\u00dfen, da\u00df hier einem psychologisch einfachen, f\u00fcr das Bewu\u00dftsein in keiner Weise weiter auf-","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"Besondere Gesetzlichkeiten.\n335\nl\u00f6sbaren Tone 2 Gehirnprozesse zugrunde gelegt werden. Dieser vulg\u00e4re Parallelismus hat ja \u00fcberall L\u00f6cher und bedarf vor allem einer viel pr\u00e4ziseren und spezialisierteren Fassung. Ist doch auch Lila oder Braun ph\u00e4nomenal eine einfache Farbe, welcher physiologisch mindestens 2 Prozesse zugrunde liegen m\u00fcssen1). Immerhin \u00e4u\u00dfert sich die Doppelheit des physiologischen Vorganges psychologisch darin, da\u00df die Vokalit\u00e4t der Tonempfindungen zwischen g1 und g\u00e9 in der Tat nicht so eindeutig ist wie au\u00dferhalb dieser Grenzen, und da\u00df man, je nach der Richtung der Aufmerksamkeit und individuellen Gradunterschieden in der St\u00e4rke der beiden Prozesse, aus demselben Ton, z. B. c3, einmal einen Anklang an A, ein anderes Mal nur eine auf der Linie zwischen U und I hegende Vokalit\u00e4t heraush\u00f6rt.\n6. Besondere Gesetzlichkeiten\nhinsichtlich des Zusammenwirkens der Teilt\u00f6ne.\na) Mu\u00df der Formant stets den schlechthin st\u00e4rksten Teilton des Vokalklanges enthalten?\nDiese Frage ber\u00fchrten wir schon o. S. 214. Wenn man die Tabellen der objektiven Messungen durchsieht, wie sie durch Analyse der Schwingungen in ihre Komponenten gewonnen wurden, so kommt man zwar f\u00fcr das A wohl ausnahmslos zur Bejahung der Frage, nicht aber f\u00fcr die helleren Vokale. Hier hegt z. B. in PippijSTGS Tabellen die weitaus gr\u00f6\u00dfte Intensit\u00e4t f\u00fcr E und I im Unterformanten. Und so auch sonst \u00f6fters. Auch in unseren Resonanztabellen und in den synthetischen Tafeln, welche die subjektiven St\u00e4rken der isoherten Teilt\u00f6ne wiedergeben, verh\u00e4lt es sich nicht anders. Der Unterschied zwischen Formant und Unterformant ist dort zwar nicht so gro\u00df, aber das Maximum hegt doch ebenfalls f\u00fcr E und I regelm\u00e4\u00dfig im Unterformanten.\nNun interessieren uns aber hier weder die objektiven noch die subjektiven St\u00e4rken der isoherten Teilt\u00f6ne, sondern die aus ihrem Zusammenwirken im Ohr und Gehirn resultierenden. Hier finden nach dem vorigen Kapitel Verschiebungen der St\u00e4rke Verh\u00e4ltnisse zugunsten der tieferen T\u00f6ne statt. Danach ist anzunehmen, da\u00df bei den hellen Vokalen der Unterformant in den Gehirnvorg\u00e4ngen noch mehr gegen den Formanten hervortritt, da\u00df also die obige Frage f\u00fcr diesen Fall wenigstens verneint werden mu\u00df.\n*) Vgl. u. a. G. E. M\u00fcller, Zeitschr. f. Psych. Bd. 10, S. Iff., ferner meine Arbeit \u00fcber die Attribute der Gesichtsempfindungen, Abh. d. Preu\u00df. Akad. d. Wissensch. 1917, und Ewalds postume Abwehr willk\u00fcrlicher erkenntnistheoretischer Voraussetzungen in der H\u00f6rtheorie, Zeitschr. f. Sinnesphysiologie Bd. 53, S. 213ff.","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"336\t13. Kap. Psychophysik der Sprachlaute.\nMan kann sich dies in folgender Weise zurechtlegen. Wir bezeichnen Rosa in der Regel nicht als r\u00f6tliches Wei\u00df, sondern als wei\u00dfliches Rot, auch wenn das Wei\u00df einigerma\u00dfen \u00fcberwiegt. Nur wenn es so sehr \u00fcberwiegt, da\u00df der rote Anteil fast auf Null herabsinkt, pflegen wir uns umgekehrt auszudr\u00fccken. Der Farbenton ist eben f\u00fcr unsere Auffassung das Auffallendere gegen\u00fcber der tonfreien Seite. So ist es nun auch recht wohl m\u00f6glich, da\u00df in einem guten I die dunkle Unterlage, namentlich der Grundton, zentral st\u00e4rker w\u00e4re als der st\u00e4rkste Ton des Formanten, oder da\u00df der ganze Unterformant st\u00e4rker w\u00e4re als der ganze Formant : trotzdem w\u00fcrden wir es als I in Anspruch nehmen, weil eben schon eine schwache Beimischung aus der Formantgegend, wenn sie nur eine gewisse Schwelle \u00fcberschreitet, die Auffassung nach dieser Seite determiniert. Wahrscheinlich walten hier aber auch individuelle Unterschiede und gibt es Personen, deren E und I die Unterformanten besonders stark enthalten, vielleicht auch Personen, die sie bei objektiv gleicher St\u00e4rke subjektiv st\u00e4rker als andere h\u00f6ren.\nb) Unter den Formantt\u00f6nen bestimmt der st\u00e4rkste durch seine spezifische Vokalvalenz die Nuance des Vokals. Die \u00fcbrigen unterst\u00fctzen ihn, bringen aber ihre davon abweichenden Valenzen, solange sie die richtige St\u00e4rke nicht \u00fcberschreiten, nicht zur Geltung. Sie passen sich irgendwie dem herrschenden Formant-zentrum an, analog etwa, wie es bei \u201eerzwungenem Mitschwingen\u201c der Fall ist1). L\u00e4\u00dft man aber ihre St\u00e4rke \u00fcber den f\u00fcr eine gute Synthese erforderlichen Grad hinaus wachsen, so werden sie selbst\u00e4ndig und ver\u00e4ndern die Vokalnuance in ihrem Sinne. Das gleiche ist der Fall, wenn sich das Maximum selbst innerhalb des\n!) Vgl. Tonpsych. II, 11 Iff. \u00fcber die Akkommodation spezifischer Energien, die benachbarten Fasern der Grundmembran zugeordnet sind. Unmittelbare Nachbarschaft in der Schnecke liegt hier freilich nicht vor.\nKoehler, der die obige Frage schon ins Auge fa\u00dft, spricht von einer Addition der gleichen Valenzen und einem Unwirksamwerden der abweichenden. Dies beruht darauf, da\u00df er f\u00fcr jeden Ton 2 farbige Valenzen annimmt, die sich in graduell verschiedener Mischung verbinden, z. B. in der 2-gestrichenen Oktave eine mit der Tonh\u00f6he abnehmende O- und eine gleichzeitig zunehmende A-Valenz (vgl. o. S. 321). Summiert man mm \u2014 so scheint er anzunehmen \u2014 die in allen Teilt\u00f6nen des A-Formanten steckenden A-Valenzen (wobei ihre Prozentzahlen doch wohl auch mit einem St\u00e4rkekoeffizienten zu multiplizieren sind) und ist die Summe gr\u00f6\u00dfer als die der O-Valenzen, so werden die letzteren unwirksam. Dies k\u00f6nnte man sich etwa analog denken wie beim F\u00e4ll auf der schiefen Ebene, wo die zur Ebene senkrechte Komponente infolge der Maschinenbedingungen ausf\u00e4llt. Mir scheint aber der Tatbestand sowohl in bezug auf die Valenzen als auf ihr Zusammenwirken richtiger in der obigen Weise ausgedr\u00fcckt zu werden.","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"Besondere Gesetzlichkeiten.\n337\nFormanten verschiebt, z. B. beim A von g2 auf c3 \u00fcbergeht: das A wird dann eben heller.\nVon Interesse sind hier auch die L\u00fcckenversuche mit Herausnahme von Formantt\u00f6nen aus dem A (S. 73ff., 109 unten). Es geht dadurch in eine Art \u00d6 oder \u00c4 \u00fcber. Offenbar indem durch Wegfall des zusammenhaltenden und ma\u00dfgebenden Zentrums eine Disgregation eintritt und die in der 3-gestrichenen Oktave liegenden Valenzen ein ihnen im A nicht zustehendes \u00dcbergewicht erhalten, zugleich aber die im unteren Forma ntteile liegenden 0- oder AO-haltigen T\u00f6ne frei werden und den Unterformanten des \u00d6 oder \u00c4 hersteilen.\nc)\tDie Wirkung der unter dem Formanten liegenden Teilt\u00f6ne.\nSind zwischen dem Grundton und dem Formanten noch andere Teilt\u00f6ne vorhanden, und zwar in l\u00fcckenloser Folge, wie namentlich beim A, so kommen die F\u00e4rbungen dieser Teilt\u00f6ne gleichfalls nicht in ihrer Eigenart zur Geltung. Sie m\u00fcssen unterdr\u00fcckt oder assimiliert werden. Die T\u00f6ne selbst sind durchaus notwendig, wie uns besonders die \u201eBr\u00fcckenversuche\u201c drastisch zeigten und jede Synthese best\u00e4tigt. Aber ihre spezifischen Vokalqualit\u00e4ten sind in dem Vokal nicht erkennbar, und daran kann nichts anderes schuld sein, als die gr\u00f6\u00dfere Intensit\u00e4t des dar\u00fcberliegenden Formanten. Man kann in einem guten A nichts von 0, in einem \u00c4 nichts von A h\u00f6ren, obgleich T\u00f6ne mit entsprechenden Valenzen und nicht unerheblicher St\u00e4rke darin sind. Nur tiefere, dem Formanten ferner liegende Teile des Klanges k\u00f6nnen, wenn man es darauf anlegt, schwach herausgeh\u00f6rt werden und zeigen dann ihre eigent\u00fcmlichen Vokalcharaktere, U beim A, UO beim \u00d6, 0 oder AO beim \u00c4. Im unanalysierten Ganzen aber wirken sie nur wie eine Untermalung.\nd)\tLiegen gr\u00f6\u00dfere L\u00fccken oder nur ganz schwach besetzte Strecken zwischen einer tiefen und einer hohen Abteilung, einem Unterformanten und einem Formanten, wie bei den hellsten Vokalen, so ist das Zusammenwirken \u00fcberhaupt ein weniger integrierendes. Die hohen Formantt\u00f6ne sind in der Wirksamkeit ihrer Valenzen lange nicht so vom Unterformanten abh\u00e4ngig, wie die Formantt\u00f6ne des A von seinen tieferen Komponenten. Doch ist der Unterschied nur graduell.\nBemerkenswert ist hier aber wieder, da\u00df, wenn die L\u00fccke durch schwache Teilt\u00f6ne ausgef\u00fcllt ist (wie in der N\u00e4he eines laut Sprechenden), gleichwohl nichts von deren Vokalit\u00e4ten in den Klang kommt. Entweder sind die T\u00f6ne selbst nur objektiv vorhanden, subjektiv aber durch die st\u00e4rkeren auf beiden Seiten\nStumpf, Sprachlaute.\t22","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338\n13. Kap. Psychophysik der Sprachlaute.\nunterdr\u00fcckt (o. S. 299), oder es werden wieder nur ihre Vokalvalenzen durch die st\u00e4rkeren des Formanten verdr\u00e4ngt.\ne)\tDer regelm\u00e4\u00dfige OberformantdesUin der 2-gestrichenen Oktave und die in der Schallquelle vorhandenen oberen Maxima desU, 0 und A in der 4-gestrichenen Oktave beeinflussen den Vokalcharakter als solchen gleichfalls nicht. U m\u00fc\u00dfte ja sonst nach A hin ver\u00e4ndert erscheinen. Aber es wird nur voller und kr\u00e4ftiger. A wird durch die schwachen, hohen Beit\u00f6ne in seinem Vokalcharakter \u00fcberhaupt nicht merklich ver\u00e4ndert. Wahrscheinlich werden sie subjektiv durch die tieferen unterdr\u00fcckt.\nf)\tDer gesamte so resultierende Vokalcharakter erscheint beim normalen H\u00f6ren stets als Eigenschaft des Grundtones. Wird z. B. auf c1 ein \u00c4 gesungen oder gesprochen, so schwebt der \u00c4-Charakter nicht irgendwie \u00fcber dem c1, sondern ist auf das innigste mit dieser Tonh\u00f6he verschmolzen, der er doch an sich ganz fremd ist. Der Klang wird eben als einheitlicher geh\u00f6rt, und alle seine Eigenschaften werden auf den Grundton als Tr\u00e4ger bezogen. Es ist nur schwer \u00fcberhaupt m\u00f6glich, diesen als einfachen Ton mit seinem weichen, dunklen Charakter herauszuh\u00f6ren. Gelingt es aber, dann allerdings schwebt der \u00c4-Charakter sozusagen haltlos dar\u00fcber oder ruht nunmehr auf c2. Aber es ist dann aus dem Ganzen ein anderes und im gew\u00f6hnlichen H\u00f6ren nicht vorkommendes Ph\u00e4nomen geworden.\nBei gen\u00fcgender Durchbildung dieser zentralphysiologischen, sozusagen metaphonetischen Untersuchungen, von der wir freilich noch weit entfernt sind, m\u00fc\u00dfte man zu einem deduktiv begr\u00fcndbaren Verst\u00e4ndnis daf\u00fcr gelangen, warum in einem bestimmten Vokal auf bestimmtem Grundton gerade diese und keine anderen Teilt\u00f6ne in diesen und keinen anderen St\u00e4rkeverh\u00e4ltnissen enthalten sein m\u00fcssen. Vielleicht wird eine sp\u00e4tere Zeit sogar mathematische Formeln ersinnen, die es gestatten, mit wenigen Zeichen die ganze Struktur eines Vokals auszudr\u00fccken. Etwas Derartiges hat offenbar bereits Grassmank vorgeschwebt.\n7. Ursprung des akzessorischen Prozesses.\nMan kann die Frage auf werfen, ob der Proze\u00df, den wir als akzessorischen bezeichneten, insofern er nur bei einer mittleren Tonstrecke zu dem U-I-Proze\u00df hinzutritt und sich auf diesem weiter ausgedehnten Grundproze\u00df aufbaut, nicht auch entwicklungsgeschichtlich als der sp\u00e4tere anzusehen sei; analog wie die get\u00f6nten Farben nach glaubw\u00fcrdigen Vorstellungen in der tierischen Entwicklungsgeschichte erst sp\u00e4ter zu den tonfreien, der Schwarz-Wei\u00df-Reihe, hinzugetreten sind. Aber da es","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"Ursprung des akzessorischen Prozesses.\n339\nsich hier zun\u00e4chst nur um die Vokale der menschlichen Stimme handelt und es h\u00f6chst unwahrscheinlich w\u00e4re, da\u00df sich die Menschen urspr\u00fcnglich nur mit U-I-Lauten verst\u00e4ndigt h\u00e4tten, wird man die Frage zu verneinen haben. Liegt doch auch ein mindestens ebenso kr\u00e4ftiges allgemeines Motiv f\u00fcr die Erzeugung der A-Vokale (so wollen wir kurz die von der U-I-Linie abweichenden nennen) vor, wie f\u00fcr die der U-I-Reihe. Waren es dort die Extreme der Helligkeit und Dunkelheit, die sich zu Ausdruckszwecken darboten, so mu\u00dfte hier das Bed\u00fcrfnis vermehrter Klangst\u00e4rke zur Produktion f\u00fchren. U-I-Laute k\u00f6nnen wir nur mit relativ geringer St\u00e4rke erzeugen, A-Laute dagegen gestatten volle Verwendung der Lungenkraft. Man wird niemals einem entfernten Menschen mit U oder I zurufen. Sobald man der vollen Exspiration halber die Kiefer- und Mund\u00f6ffnung vergr\u00f6\u00dfert, entstehen eben pr\u00e4gnant-farbige Laute. A selbst kann man mit st\u00e4rkster Schallkraft geben1). Und so wird sich auch in dem die Schalleindr\u00fccke aufnehmenden Gehirn der akzessorische Proze\u00df von Anfang an mit dem Grundproze\u00df verkn\u00fcpft haben. Dies stimmt auch mit der vergleichenden Sprachwissenschaft, die die 3 Vokale U, A, I als die primitivsten betrachtet. Wir kennen keine Sprache und keine Sprachwurzeln, in denen nur U-I-Laute vork\u00e4men.\nAnders liegt die Sache, wenn von Vokalen und Vokalit\u00e4ten in einem weiteren Sinne die Rede ist, von Lauterscheinungen nur \u00e4hnlicher akustischer Art, die irgendwo in der Natur Vorkommen. Da ist es wohl denkbar, da\u00df das Attribut der Vokalit\u00e4t ebenso wie das der musikalischen Qualit\u00e4t urspr\u00fcnglich f\u00fcr den H\u00f6renden fehlte und das Ohr der Urmenschen oder ihrer Vorg\u00e4nger nur H\u00f6hen- oder Helligkeitsunterschiede kannte. Aber so weit erstrecken sich unsere Betrachtungen hier nicht.\nDagegen k\u00f6nnte die unter 4 (S. 328) besprochene Frage, ob nicht die A-Vokalit\u00e4ten einfacher T\u00f6ne nur eine Folge der empirischen Vokalcharaktere seien, von hier aus noch einmal aufgeworfen werden. Wir lehnten dort die Meinung ab, da\u00df es sich nur um Erinnerungen an die empirischen Vokale handle. Aber k\u00f6nnten nicht in anderer Weise Residualwirkungen, auch rein physiologischer Art, vorliegen? K\u00f6nnte nicht der kr\u00e4ftige Vokalcharakter, der f\u00fcr A-Vokale nur durch Verbindung mehrerer Teilt\u00f6ne zustande kommt, auf die daran beteiligten Glieder ge-\nx) U ist f\u00fcr den S\u00e4nger nicht blo\u00df in hoher Lage, sondern auch bei starker Tongebung ein unbequemer Vokal. In Handels \u201eIsrael in \u00c4gypten\u201c ersetzen manche Dirigenten bei der oft wiederholten Stelle \u201eEr hat geholfen wunderbar\u201c, wo auf dem U immer eine lange Tonfigur einsetzt, das \u201ewunderbar\u201c durch \u201egnadenvoll\u201c.\n22*","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340\n13. Kap. Psychophysik der Sprachlaute.\nwisserma\u00dfen abgef\u00e4rbt haben? Wenn man die ausgepr\u00e4gten Vokalcharaktere nun doch einmal nicht aus den blassen Vokalit\u00e4ten der einfachen T\u00f6ne begreifen kann und eine Art zentralphysiologischer Chemie in jedem Falle zu Hilfe nehmen mu\u00df, w\u00e4re da nicht geradezu der umgekehrte Weg zu versuchen?\nDer Verfasser glaubte sich in der Tat den Fall zuerst so zurechtlegen zu sollen. Das Kausalverh\u00e4ltnis w\u00e4re danach so zu denken, da\u00df der empirische Vokalcharakter durch die Verbindung an sich v\u00f6llig vokalit\u00e4tsloser einfacher T\u00f6ne entst\u00e4nde und diesen dann erst durch einen rein physiologischen (individuell ungleich starken) \u00dcbertragungsproze\u00df ein Schimmer von Vokalit\u00e4t zu w\u00fcchse.\nAber auch diese Deutung l\u00e4\u00dft sich kaum durchf\u00fchren. Man wird schwerlich Analogien aus der Erfahrung daf\u00fcr anf\u00fchren k\u00f6nnen, da\u00df Komplexqualit\u00e4ten auf die Komplexteile \u00fcbergingen, wenn diese nachher in isoliertem Zustande wahrgenommen werden. Nur das Umgekehrte l\u00e4\u00dft sich in gewissem Umfange durch naheliegende F\u00e4lle belegen (die Suppe wird salzig durch beigemischtes Salz usf.). Wenn dagegen beispielsweise noch so oft bei dem Zusammenklange von c und d eine unangenehme Gef\u00fchlsempfindung erlebt wurde, wird man sie doch niemals bei einem dieser T\u00f6ne f\u00fcr sich allein erleben. Und wenn die Zungenkl\u00e4nge c und fis zusammenklingend durch ihre Obert\u00f6ne g1 und fis1 Schwebungen geben, wird man doch niemals eine Rauhigkeit zwischen den zusammenklingenden einfachen T\u00f6nen c und fis h\u00f6ren oder auch nur zu h\u00f6ren glauben (darum ist es ja eine vergebliche Ausflucht, wenn die Anh\u00e4nger der HELMHOLTZschen Konsonanztheorie die Dissonanz in diesem Fall aus den Erfahrungen an den gew\u00f6hnlichen obertonhaltigen Kl\u00e4ngen herleiten).\nMan mu\u00df daher zugeben, da\u00df die Vokalit\u00e4ten der einfachen T\u00f6ne ihnen unabh\u00e4ngig von denen der empirischen Vokale zukommen und da\u00df sie die direkten Folgen physiologischer A-Prozesse sind. Aber es bleibt dabei, da\u00df sie, abgesehen von der U-I-Reihe, im allgemeinen nur schattenhaft in die Erscheinung treten, am deutlichsten noch die A-Vokalit\u00e4t selbst, bei der in der Gegend um g- der akzessorische Proze\u00df nach dem Obigen seine gr\u00f6\u00dfte Quantit\u00e4t erreicht.\n8. Die Formantverschiebung mit der H\u00f6he des Grundtones und das Unkenntlichwerden der Vokale jenseits c2.\nDiese beiden Erscheinungen sind augenscheinlich aus einer gemeinsamen Ursache herzuleiten, n\u00e4mlich aus dem Erfordernis einer Mehrzahl harmomischer Teilt\u00f6ne innerhalb des Formantgebietes.","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"Die Formantverschiebung u. das Unkenntlichwerden d. Vokale. 341\nVon vornherein ist klar, da\u00df mit steigendem Grundton auf einen bestimmten absoluten Tonbezirk immer weniger harmonische Teilt\u00f6ne kommen. Denn diese sind ein Ger\u00fcst, in dem den einzelnen Stufen mit steigenden Ordnungszahlen immer kleinere Intervalle entsprechen. Man braucht nun dieses sich verj\u00fcngende Ger\u00fcst nur in Gedanken von unten nach oben zu verschieben, um die Folgerung einzusehen. In den Bezirk g2\u2014c3 z. B., den Hauptteil des A-Formanten, fallen f\u00fcr den Grundton G die Teilt\u00f6ne vom 12. big 16., f\u00fcr c nur die vom 6. bis 8., f\u00fcr c1 nur der 3. und 4., f\u00fcr c2 der einzige Teilton 2. Man wird daher unwillk\u00fcrlich den Vokal mit steigender Tonh\u00f6he immer heller, an hohen Obert\u00f6nen reicher intonieren, soweit es mit seiner Charakteristik noch irgend vertr\u00e4glich ist, d. h. der Formant wird h\u00f6her, n\u00e4hert sich dem des \u00c4. Man erh\u00e4lt so f\u00fcr A bis zum Grundton c2 immer mindestens 3 Teilt\u00f6ne innerhalb des weiteren Formantbereiches (c2\u2014g3), wobei aber A auf c2 selbst schon ungew\u00f6hnlich hell wird. Bei dem Grundton e2 f\u00e4llt au\u00dfer diesem selbst nur noch der Oberton e3, bei a2 \u00fcberhaupt kein Oberton mehr in den weiteren A-Formanten ; der Grundton f\u00fcr sich allein aber wirkt nicht.\nF\u00fcr 0 erh\u00e4lt man innerhalb des weiteren Formantbereiches, wenn wir diesen mit c1\u2014des2 ansetzen, durch solche kleine Verschiebungen der Hauptresonanz bei Grundt\u00f6nen bis g1 immer mindestens 2 Teilt\u00f6ne mit 0-Valenzen; weiter hinauf allerdings nur einen, aber eben damit auch nur ein schlechteres O.\nDie ausgen\u00fctzten Teile der zur Verf\u00fcgung stehenden weiteren Formantregion r\u00fccken so immer h\u00f6her hinauf, aber nat\u00fcrlich bei weitem nicht in gleichem Ma\u00dfe wie der Grundton, da ihrer Verschiebung durch den beschr\u00e4nkten Umfang dieser Region feste Grenzen gezogen sind. Das Prinzip der Absolut-Theorie, die im allgemeinen feste Tonlage der Formanten, bleibt daher gewahrt, und doch mu\u00df man der Relativ-Theorie auch ein St\u00fcck Wahrheit zugestehen.\nKurz gesagt: der Formant im weiteren Sinne, d. h. die Zone des Tonbereiches, innerhalb deren die Valenzen eines Vokals \u00fcberhaupt liegen k\u00f6nnen, ist unverr\u00fcckbar. Aber innerhalb dieser Zone verschiebt sich der Formant im engeren Sinne, d. h. der f\u00fcr einen bestimmten Grundton in Betracht kommende Ausschnitt, mit steigendem Grundton von den unteren zu den oberen Teilen der Zone.\nZugleich erhellt aber, da\u00df und warum von der Mitte der 1-gestrichenen Oktave an Alterationen der Vokale ein treten m\u00fcssen, die schlie\u00dflich nicht mehr mit ihrem Charakter vertr\u00e4glich sind. Notwendig mu\u00df sich U dem 0, 0 dem A n\u00e4hern, da schon","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"342\t13. Kap. Psychophysik der Sprachlaute.\nf\u00fcr den Grundton c2 nur Obert\u00f6ne von c3 an zur Verf\u00fcgung stehen. Die hellsten Vokale aber verlieren ihre richtigen Unterformanten, die ja bei 0 und U liegen, und n\u00e4hern sich einander, teils weil die Unterformanten wesentlich zur Unterscheidung beitragen, teils weil in der f\u00fcr diese Vokale entscheidenden Gegend von b3 bis 6 4 schon f\u00fcr den Grundton c2 nur noch 4 Teilt\u00f6ne liegen, deren St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse durch die Mundresonanz nicht mehr gen\u00fcgend f\u00fcr die Unterscheidung dieser beiden, ohnehin nicht sehr verschiedenen Vokale abgestuft werden k\u00f6nnen. So gleichen sich die Extreme den mittleren Vokalen an. Diese selbst aber werden mit dem Hinauf r\u00fccken des Grundtones \u00fcber c2 immer unkenntlicher. Denn immer mehr schieben sich die gro\u00dfen Abst\u00e4nde zwischen den ersten Teilt\u00f6nen (Oktave, Quinte, Quarte) \u00fcber die Formantgegenden, so da\u00df in diese zuletzt fast nur noch L\u00fccken fallen. F\u00fcr den Grundton c3 sind nur noch c4, g4 und allenfalls c5 disponibel. Damit lassen sich aber die Ausgaben des Vokalbudgets nicht bestreiten.\nDa die beiden hier besprochenen Tatsachengruppen notwendige Folgen der Zusammensetzung der Vokale aus harmonischen Teilt\u00f6nen sind, dagegen f\u00fcr die Theorie der unharmonischen Formanten unverst\u00e4ndlich bleiben m\u00fcssen, so ist damit wieder ein Beweis f\u00fcr die erste Lehre geliefert.\n9. Der Vokalcharakter der Abbauprodukte.\nDiese bei den Interferenzversuchen zu beobachtende Tatsache und die analogen Erscheinungen bei wachsender Entfernung der Schallquelle oder St\u00f6rungen der \u00e4u\u00dferen Schalleitung oder der Geh\u00f6rperzeption1) kann man nicht etwa einfach aus der allgemeinen Einstellung des Beobachters auf Vokale herleiten. Denn bei L\u00fcckenversuchen treten doch gelegentlich instrumentale F\u00e4rbungen auf, obschon die Einstellung auf Vokale gerichtet ist. Sie sind nur um so auff\u00e4lliger.\nDie Erkl\u00e4rung ergibt sich zun\u00e4chst aus den synthetischen Strukturtafeln. Man sieht daraus nicht blo\u00df, da\u00df beim Ab tragen der Teilt\u00f6ne von oben herab immer wieder Vokale, sondern auch welche Vokale entstehen m\u00fcssen. Immer mu\u00df nat\u00fcrlich der defekte Vokal dunkler sein als vorher, also im Vokaldreieck weiter nach links liegen. Aber die hellsten Vokale m\u00fcssen wegen der leeren Strecken direkt in ihre Unterformanten U und 0 \u00fcbergehen, die mittleren, wie \u00c4 und A, durch Zwischenglieder. Zuletzt mu\u00df\n!) Bei Entfernung der Schallquellen verschwinden die h\u00f6heren T\u00f6ne fr\u00fcher als die tieferen (vgl. Tonpsych. I, S. 208ff.), ebenso bei fortschreitenden Labyrintherkrankungen (s. o.). Dabei kommen analoge Abbauprodukte zum Vorschein, wie in unseren Interferenztabellen.","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"Die Vokalit\u00e4t der Fl\u00fcstervokale.\n343\n\u00fcberall (soweit der Grundton \u00fcberhaupt h\u00f6rbar ist) U \u00fcbrigbleiben, da dieses der Vokalcharakter aller einfachen T\u00f6ne bis gegen c2 hin ist.\nAber mit diesem Hinweis auf die Strukturtafeln ist die Frage noch nicht voll erledigt, sondern eigentlich nur zur\u00fcckgeschoben. Man erkennt die L\u00fccke und zugleich die Richtung, in der ihre Ausf\u00fcllung gesucht werden mu\u00df, deutlicher in dieser Fassung: ,,Wie kommt es, da\u00df wir jene k\u00fcnstlichen und nat\u00fcrlichen Abbauprodukte immer auch direkt sprachlich erzeugen k\u00f6nnen, da\u00df sie mit solchen zusammenfallen, die in individuellen, dialektischen, nationalen Vokalbildungen wirklich Vorkommen ?\u201c Es w\u00e4re immer denkbar, da\u00df sie uns zwar als Verst\u00fcmmelungen menschlicher Laute durch h\u00f6here Gewalten erfahrungsm\u00e4\u00dfig bekannt, aber nicht durch darauf gerichtete Intention erzeugbar w\u00e4ren.\nDie Antwort mu\u00df sein, da\u00df die Einstellung der Sprachorgane, die f\u00fcr einen Vokal, abgesehen vom U, erforderlich ist, immer auch Einstellungen auf die daraus durch Abbau resultierenden Vokale in sich schlie\u00dfen mu\u00df; die auf E z. B. eine Teileinstellung auf O (f\u00fcr die hinteren Teile der Mundh\u00f6hle), die auf I eine auf U usf. Es mu\u00df physiologisch unm\u00f6glich sein, die f\u00fcr E oder I erforderliche Mundresonanz anders als unter dieser Bedingung herzustellen. Warum dies aber so ist, mu\u00df und wird die Physiologie der Sprach-Werkzeuge auseinandersetzen, die hier nicht unseres Amtes ist. Sie ist meines Wissens bisher dieser Spezialfrage noch nicht n\u00e4hergetreten.\nDie hier besprochene Tatsache ist f\u00fcr die menschliche Stimme wohl ebenso bedeutungsvoll wie die Zusammensetzung der Vokale aus harmonischen Teilt\u00f6nen. Wie durch diese ihr Wohlklang, so ist durch jene ihre Widerstandsf\u00e4higkeit gegen ung\u00fcnstige Verh\u00e4ltnisse der Schall\u00fcbermittelung bedingt. Man wird bei solchen Hindernissen der Leitung oder der Geh\u00f6rperzeption zwar die Vokale mehr oder weniger mi\u00dfverstehen, aber nicht so leicht die menschliche Stimme mit einem Instrument oder einer sonstigen Klangquelle verwechseln, obschon nat\u00fcrlich auch dies Vorkommen kann.\n10. Die Vokalit\u00e4t der Fl\u00fcstervokale.\nDie Fl\u00fcstervokale lassen sich nicht etwa auf leise T\u00f6ne zur\u00fcckf\u00fchren, die den Fl\u00fcsterger\u00e4uschen nur beigemischt w\u00e4ren. Denn die darin erkennbaren \u201eTonh\u00f6hen\u201c liegen beim U, 0 und A um eine Oktave h\u00f6her als ihre Formanten (o. S. 164). Sollten sie.von beigemischten T\u00f6nen herr\u00fchren, so m\u00fc\u00dften diese auch ihre Vo-kalit\u00e4ten den Fl\u00fcsterlauten aufpr\u00e4gen, was mit den wahrge-","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344\t13. Kap. Psychophysik der Sprachlaute.\nnommenen Vokalcharakteren in Widerspruch steht. Dies f\u00fchrte uns dazu, sowohl die H\u00f6hen als die Vokalit\u00e4ten zu den immanenten Eigenschaften der Fl\u00fcsterger\u00e4usche selbst zu rechnen. \u00dcbrigens tragen auch laute Ger\u00e4usche, selbst knallartige, wie z. B. die durch H\u00e4ndeklatschen entstehenden, einen gewissen Vokalcharakter. Man kann ein A, U, E klatschen.\nBei den Fl\u00fcstervokalen liegt die Sache sogar insofern einfacher als bei den stimmhaften Vokalen, als keine variablen Grundt\u00f6ne vorhanden sind, sondern ein f\u00fcr allemal durch jedes Vokalger\u00e4usch ein bestimmter Tonbezirk ausgef\u00fcllt wird, innerhalb dessen die Formantgegend besonders intensiv oder dicht sein mu\u00df. Durch diese stetige Ausf\u00fcllung erlangen die Fl\u00fcstervokale trotz ihrer Schw\u00e4che eine gen\u00fcgende Deutlichkeit. Es ist dadurch auch ein Ersatz gegeben f\u00fcr den Wechsel des Grundtones bei den gesungenen und f\u00fcr seine stetige Ver\u00e4nderung bei den gesprochenen Vokalen; dort wird die ganze (weitere) Formantzone durchwandert oder abgestreift, hier ist sie auf einmal ausgef\u00fcllt.\nZentralphysiologisch k\u00f6nnen wir auch hier einen Grundproze\u00df f\u00fcr die U-I-Linie und daneben einen akzessorischen (A-) Proze\u00df f\u00fcr die \u00fcbrigen Vokale voraussetzen. Man k\u00f6nnte sogar auch die Frage nach der Vokalit\u00e4t einfacher T\u00f6ne hier in gewissem Sinne wiederholen, obschon es einfache Ger\u00e4usche im Sinn eines einzigen sinusf\u00f6rmigen Wellenzuges nicht gibt. Es w\u00e4re zu versuchen, k\u00fcnstliche Ger\u00e4usche zu erzeugen, die wenigstens nur eine ganz kleine Zone der Region g1\u2014gi umfa\u00dften. An diesen w\u00e4re zu pr\u00fcfen, ob ihnen f\u00fcr sich allein ein 0- oder A- oder E-Charakter zuk\u00e4me. Ich vermute, da\u00df es der Fall sein w\u00fcrde. Mit der Interferenzmethode sind solche Ger\u00e4usche leicht herzustellen, werden aber au\u00dferordentlich schwach, daher ist die Beobachtung ihrer Vokalit\u00e4t noch schwieriger, als sie es schon bei den einfachen T\u00f6nen ist.\nAuffallend ist die Lage der Formanten des gefl\u00fcsterten U und 0 : der des U hat nach den If.-Versuchen ziemlich genau die Lage des O-Formanten gesungener Vokale, der des gefl\u00fcsterten O die des A-Formanten, obgleich die Kiefer- und Mundstellungen beim Fl\u00fcstern dieselben sind wie beim Singen und lauten Sprechen. Auch in Millers graphischen Aufnahmen sind die charakteristischen Frequenzen bei den dunklen (einteiligen) Fl\u00fcstervokalen durchweg merklich tiefer als bei den gesungenen (Tabelle S. 237)1). Garten, dem diese Diskrepanz gleichfalls auffiel, erkl\u00e4rte sie daraus (3, VIII, S. 19ff., IX, S. 6, Anm.), da\u00df beim Fl\u00fcstern die\n1) Milleb selbst hebt vielmehr die etwas h\u00f6here Lage der oberen Frequenzen bei den hellen Fl\u00fcstervokalen hervor ; aber dieser Unterschied ist in seiner Tabelle sehr unbedeutend und kehrt sich beim \u00c4 sogar um.","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"Vokale und Ger\u00e4usche.\n345\nStimmritze weiter sei als beim Singen und Sprechen. Dadurch werde trotz gleicher Kiefer- und Mund\u00f6ffnung die Resonanz des ganzen Raumes besonders beim U und 0 verschoben, und zwar in dem Sinn und der Gr\u00f6\u00dfe der Formantverschiebung. Aber die Paradoxie scheint mir damit noch nicht ganz gekl\u00e4rt. Es bleibt doch immer noch unverst\u00e4ndlich, warum der H\u00f6rende nicht infolge dieser Resonanz Verschiebung statt des U eben ein O, statt des 0 ein A h\u00f6rt. Man w\u00fcrde allenfalls verstehen, da\u00df der Fl\u00fcsternde w\u00e4hrend er eine dem gesungenen U entsprechende Kiefer- und Mundstellung erzeugt, doch einen Resonanzraum herstellt, der der Tonh\u00f6he des O-Formanten entspricht. Aber warum h\u00f6rt man dann nicht eben ein 0? Die Vokalit\u00e4ten selbst als Eigenschaften der einfachen T\u00f6ne, bzw. die Vokalvalenzen, m\u00fcssen sich bei den Ger\u00e4uschen verschoben haben. Warum? Dar\u00fcber w\u00fc\u00dfte ich nur etwa die Hypothese vorzubringen, da\u00df der auf die U-Vokalit\u00e4t gerichtete Impuls des Fl\u00fcsternden schon in den Uranf\u00e4ngen dieser Sprechweise eine zwangsl\u00e4ufige Umbildung der Vokaleigenschaften der Fl\u00fcsterger\u00e4usche innerhalb dieser Grenzen im sensorischen Geh\u00f6rszentrum bewirkt habe. Die dem gesprochenen oder gesungenen U entsprechende Kiefer- und Mundstellung ist in der motorischen Sph\u00e4re des Gro\u00dfhirns durch bestimmte Prozesse vertreten. Diese finden sich beim stimmhaften Sprechen und Singen regelm\u00e4\u00dfig in Begleitung derjenigen Prozesse in der sensorischen Sph\u00e4re, die der U-Vokalit\u00e4t entsprechen. Beim Fl\u00fcstern hat nun \u2014 so k\u00f6nnen wir denken \u2014 diese regelm\u00e4\u00dfige Begleitung nachgewirkt und die den Ger\u00e4uschen dieser H\u00f6henlage an sich zukommenden Vokalit\u00e4ten verdr\u00e4ngt bzw. umgebildet. Ob man sich diese Umbildung phylogenetisch oder ontogenetisch (auch heute noch vor sich gehend) vorzustellen hat, mag bei dem hypothetischen Charakter der (den Verfasser selbst wenig befriedigenden) Erkl\u00e4rung dahingestellt bleiben. Bei den Hering-schen \u201eGed\u00e4chtnisfarben\u201c, die eine gewisse Analogie bilden, scheint die phylogenetische Deutung die Oberhand zu gewinnen.\n11. Vokale und Ger\u00e4usche.\nNicht wenige Forscher haben geradezu nur den Ger\u00e4uschen Vokalit\u00e4t zuerkannt und die der laut gesprochenen oder gesungenen Vokale aus den beigemischten Ger\u00e4uschen abgeleitet oder gar die Vokale selbst allgemein als Ger\u00e4usche definiert (Donders, Trautmann, Lloyd, Hermann, Wundt, Jaensch, Abraham3 }).\nb Nach Paget w\u00e4re wenigstens historisch das Fl\u00fcstern dem lauten Sprechen vorangegangen und h\u00e4tte seine Vokalcharaktere darauf \u00fcbertragen. Die englische Sprache speziell sei praktisch auf das Fl\u00fcstern","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"346\t13. Kap. Psychophysik der Sprachlaute.\nNun hat es zwar mit der Ger\u00e4uschbeimisehung vielfach seine Richtigkeit, namentlich beim A und den helleren Vokalen, aber sie ist auch da \u00e4u\u00dferst verschieden, je nach der individuellen Beschaffenheit und augenblicklichen Disposition der Stimme* 1), der St\u00e4rke usf., w\u00e4hrend der Vokalcharakter unabh\u00e4ngig davon, ja sogar deutlicher bei den nichtger\u00e4uschigen Lauten und Stimmen hervortritt. Man kann Vokale auch in einer Entfernung, in der die Ger\u00e4uschbeimischung ganz verschwunden ist, noch unterscheiden (vgl. Helmholtz S. 117ff.). Vollends die Subsumtion stimmhafter Vokale unter den Begriff der Ger\u00e4usche kann nur als eine unbegreifliche Verkennung der elementarsten ph\u00e4nomenologischen Tatsachen bezeichnet werden. Gesungene und stimmhaft gesprochene Vokale stehen auch nicht als besondere Schallgattung in der Mitte zwischen Kl\u00e4ngen und Ger\u00e4uschen, sondern fallen bei normalen Stimmen, von unwesentlichen Beimischungen abgesehen, schlechtweg und ausschlie\u00dflich unter den Begriff der Kl\u00e4nge.\n0. Abraham st\u00fctzt die Annahme, da\u00df nicht die Obert\u00f6ne, sondern begleitende Ger\u00e4usche das Wesen der Vokalit\u00e4t ausmachten, auf folgende Erw\u00e4gung. Wenn man auf einem gegebenen Tone die U-I-Reihe in stetigem \u00dcbergange singt, so steigen die Obert\u00f6ne unstetig in die H\u00f6he. Bei kr\u00e4ftigen Stimmen ist dies besonders deutlich. (Das gleiche ist bei der Vokalr\u00f6hre von Willis zu beobachten, einer Zunge mit verschiebbarem Ansatzrohr, von der mir 2 Exemplare mit verschiedenen Grundt\u00f6nen zur Verf\u00fcgung standen.) Man h\u00f6rt aber die Vokale selbst nicht sprunghaft sondern stetig ineinander \u00fcbergehen. Daraus schlie\u00dft Abraham, da\u00df die Vokalit\u00e4t nicht von den Obert\u00f6nen, sondern von den stetig auf steigenden Ger\u00e4uschen herkomme.\nHierauf ist aber zu antworten: Wenn man mit der Resonanz -einstellung von einem Teilton der harmonischen Reihe zum n\u00e4chsten \u00fcbergeht, so nehmen in der Zwischenzeit beide an der Verst\u00e4rkung teil, zuerst der tiefere mit \u00fcberwiegender St\u00e4rke, dann beide gleichm\u00e4\u00dfig, dann der h\u00f6here st\u00e4rker. Dadurch mu\u00df aber tats\u00e4chlich eine stetige Verschiebung der Klangfarbe f\u00fcr den Nicht-\ngegr\u00fcndet. Dessen vollkommenste Verkn\u00fcpfung mit dem stimmhaften Sprechen finde sich aber nur im Dialekt seiner Heimat \u201eZumerzet\u201c. Die Beurteilung dieser merkw\u00fcrdigen Aufstellungen mu\u00df Anglisten \u00fcberlassen bleiben.\ni) Unter Umst\u00e4nden kann eine ganz leichte Ger\u00e4uschbeimischung der Stimme auch einen eigenen Reiz verleihen, wie es nach G. Engel bei der \u201eetwas verschleierten\u201c Stimme der Jenny Lind der Fall gewesen sein soll (m. Tonps. II, S. 539).","page":346},{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"Zentralphysiologisches \u00fcber die Konsonanten.\n347\nanalysierenden bewirkt werden. Man kann diese Art der Resonanzverschiebung besonders an der Vokalr\u00f6hre gut beobachten, deren Einstellung man beliebig lange an einem Punkt festhalten kann, um den jeweiligen Sachverhalt festzustellen.\nWenn man den umgekehrten Versuch macht: einen bestimmten Vokal festzuhalten, aber mit dem Grundton stetig in die H\u00f6he zu gehen, so zeigt sich dasselbe. Singe ich ein 0 zun\u00e4chst auf den Leitert\u00f6nen B, c, d, es, / mit Aufmerksamkeit auf die hervor-tretendsten Obert\u00f6ne, so h\u00f6re ich immer die jeweilige Duodezime, aber sie beginnt gegen / schw\u00e4cher zu werden, daf\u00fcr wird hier die Oktave st\u00e4rker. Die St\u00e4rke verteilt sich also so zwischen diesen benachbarten Teilt\u00f6nen, wie es die Formantgrenzen vorschreiben : w\u00e4hrend die Duodezime die obere Formantgrenze (c2) \u00fcberschreitet, tritt gleichzeitig die Oktave (f1) von unten her in die Formantregion ein und \u00fcbernimmt nun die F\u00fchrung in der Vokalf\u00e4rbung. Ganz ebenso ist es nat\u00fcrlich bei stetiger Erh\u00f6hung des Grundtones; die St\u00e4rkeverteilung \u00e4ndert sich dann eben auch stetig1).\n12. Zentralphysiologisches \u00fcber die Konsonanten.\nDen Konsonanten als farblosen Sprachger\u00e4uschen m\u00fcssen, wie den Ger\u00e4uschen \u00fcberhaupt, im Gehirn bestimmte, von den T\u00f6nprozessen unterschiedene, aber in analogen Ver\u00e4nderungs-weisen verlaufende Vorg\u00e4nge zugrunde liegen. Man kann hier zur Zeit eigentlich nur die beobachteten Erscheinungen in die abstraktere Sprache der Gehirnphysiologie \u2014 zuweilen hei\u00dft dies auch nur: ins Lateinische \u2014 \u00fcbersetzen. So werden wir f\u00fcr die 3 Hauptklassen der Dauer-, Unterbrechungs- und Augenblicksger\u00e4usche station\u00e4re, intermittierende und momentane Ger\u00e4uschprozesse in der akustischen Sph\u00e4re des Gro\u00dfhirns unterscheiden. Wir werden au\u00dfer diesen zeitlichen auch Intensit\u00e4tsunterschiede, z. B. zwischen Mediae und Tenues, annehmen. Wir werden beim Aussprechen des R durch einen einheitlichen Impuls in der motorischen Sph\u00e4re des Sprechers eine zusammenh\u00e4ngende Kette von Teilprozessen in der sensiblen Sph\u00e4re des H\u00f6renden (auch des Sprechers selbst) ausgel\u00f6st denken, \u00e4hnlich wie der Trommelwirbel oder die Schu\u00dffolge eines Maschinengewehrs, deren akustische Wirkungen in dieselbe Ger\u00e4uschklasse geh\u00f6ren, durch einheitliche Akte ausgel\u00f6st werden.\n1) In \u00e4hnlichem Sinne haben bereits H. J. Moser (Katzensteins Arch,\nf. exp. u. klin. Phonetik Bd. 1, S. 120ff. 1914) und Schole (S. 21) solche Erscheinungen besprochen.","page":347},{"file":"p0348.txt","language":"de","ocr_de":"348\n13. Kap. Psychophysik der Sprachlaute.\nW\u00e4hrend aber hier, bei den Zeit- und St\u00e4rkeunterschieden, die erscheinungsm\u00e4\u00dfigen Merkmale sich in analogen Zeit- und St\u00e4rkeunterschieden der Gehirnprozesse abbilden, wird man f\u00fcr das eigentlich Qualitative, z. B. f\u00fcr die spezifische Qualit\u00e4t der Nasalkonsonanten, der Zischlaute usw., vergeblich nach gleichartigen Eigenschaften der Gehirnprozesse suchen, sondern sich auf die Feststellung einer regelm\u00e4\u00dfigen Korrespondenz beschr\u00e4nkt sehen.\nDie Helligkeitsunterschiede, die Reihenbildungen in dieser Hinsicht (z. B. vom dunkelsten bis zum hellsten Ch) und das Emporsteigen der Formanten, in dem sie wurzeln, lie\u00dfen sich vielleicht mit einer abnehmenden Quantit\u00e4t oder, wenn der Begriff anwendbar ist, einer zunehmenden Verd\u00fcnnung des chemischen Vorganges in der Gehirnrinde, in Zusammenhang bringen. Dieser Zusammenhang w\u00e4re verst\u00e4ndlich, aber auch er nicht selbstverst\u00e4ndlich.","page":348},{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"14. Kapitel.\nZur Physik und Physiologie der Sprachlaute.\nFragen dieser Art haben wir bisher nur insoweit ber\u00fchrt, als der Fortgang unserer haupts\u00e4chlich beschreibend-ph\u00e4nomenologisch orientierten Untersuchung es erforderte. Aber zum Schlu\u00df m\u00f6gen einige Bemerkungen nicht unerw\u00e4hnt bleiben, die aus den Beobachtungen folgen oder damit Zusammenh\u00e4ngen. Hierbei sollen auch einige die allgemeine Akustik betreffende Fragen zur Sprache kommen.\nI. Physikalisches.\nDa\u00df die Lehre von der multiplen Resonanz im Sinne Wheatstones unhaltbar ist, wurde bereits S. 10 erw\u00e4hnt. Anders verh\u00e4lt es sich mit der multiplen Resonanz in dem Sinne, wie sie sp\u00e4ter von Rayleigh theoretisch und von Zwaardemaker experimentell untersucht wurde1). Darunter ist verstanden die Resonanz eines aus mehreren Teilr\u00e4umen zusammengesetzten Hohlraumes, wie es der menschliche Rachenraum ist. Die Resonanz (Eigenschwingung) einer Luftmasse wird durch ihre Verbindung mit einer anderen ver\u00e4ndert. Wird z. B. ein gr\u00f6\u00dferer mit einem kleineren Raum durch einen Kanal verbunden (gekoppelt), so vertieft sich nach Zwaardemakers Messungen mit dem Rayleigh-schen Scheibchen die Resonanz des gr\u00f6\u00dferen, w\u00e4hrend sich die des kleineren erh\u00f6ht. Dabei ist aber auch die Weite des Verbindungskanals, der Grad der Koppelung, von Einflu\u00df. Au\u00dferdem ist noch ein 3., tiefstes Resonanzmaximum vorhanden. Diese 3 Maxima sind gleichzeitig in allen Teilen des Gesamtraumes konstatierbar. Umfa\u00dft der multiple Resonator mehr als 2 Teilr\u00e4ume, so w\u00e4chst nat\u00fcrlich auch die Anzahl der Maxima (Eigenschwingungen). Diese Tatsachen sind von hoher phonetischer Bedeutung, haben aber mit der multiplen Resonanz im fr\u00fcheren Sinne nichts zu tun.\n!) Rayleigh, Theory of Sound 1878, II, Ch. XVI, p. 175. Deutsche \u00dcbers. 1880, II, 230ff. Auerbach 5, S. 459. Zwaardemaker 3.","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350\n14. Kap. Zur Physik und Physiologie der Sprachlaute.\nMan k\u00f6nnte fragen, ob Resonanzr\u00e4ume auch imstande seien, vorhandene Obert\u00f6ne ganz oder nahezu zu vernichten, wie es doch beim U und in den leeren Strecken der hellen Vokale der Fall sein mu\u00df, wenn der aus dem Kehlkopf kommende Klang alle diese Teilt\u00f6ne kr\u00e4ftig enth\u00e4lt. Diese M\u00f6glichkeit ist in der Tat gegeben, da Resonatoren zugleich in gewissem Grade als Interferenzr\u00f6hren wirken, ebenso wie umgekehrt. Dazu kommt die besondere Beschaffenheit der Mund- und Rachenr\u00e4ume1). An einem mit fleischigen W\u00e4nden ausgekleideten Hohlraum habe ich solche Ausl\u00f6schung auch direkt beobachtet.\nWeiter ist es wohl von physikalischem Interesse, da\u00df durch einen Klang von stetig ver\u00e4nderlicher Tonh\u00f6he gleichwohl ein Resonator von fester Abstimmung erregt werden kann; wie auch umgekehrt bei dem GARTENSchen Resonanzverfahren der Resonator selbst eine gleitende Tonh\u00f6he besa\u00df. Bei einer durch einen Stempel von d2 bis c3 verstellbaren Pfeife konnte ich den Stempel beliebig rasch verschieben : immer wurden doch die zwischenliegenden Resonanzgabeln a2 und 62 in Mitschwingung versetzt. Wahrscheinlich nimmt aber bei vergr\u00f6\u00dferter Geschwindigkeit der Tonbewegung diese Wirkung ab und h\u00f6rt zuletzt auf.\nFerner ist bemerkenswert, da\u00df auch durch Fl\u00fcstervokale, also leise Ger\u00e4usche ohne Tonbeimischung, die aus h\u00f6chst zahlreichen, aber schwachen und in den Wellenl\u00e4ngen durchweg etwas verschiedenen Schwingungen bestehen, Resonatoren erregt werden (o. S. 165). Vermutlich summieren sich hier die Impulse der innerhalb der Resonanzbreite liegenden schwachen Teilschwingungen.\n\u00dcber Interferenz, ihre physikalischen Einzelheiten und ihre zweckm\u00e4\u00dfigste Herstellung ist im 2. Kapitel gesprochen. Von besonderer Wichtigkeit in physikalischer Richtung sind wohl die Interferenzerscheinungen bei Ger\u00e4uschen. Nach den Ergebnissen unserer Versuche nehmen wir an, da\u00df prinzipiell s\u00e4mtliche Ger\u00e4usche durch eine hinreichende Anzahl fein abgestufter Interferenzeinstellungen auszul\u00f6schen sind. F\u00fcr die noch nicht ganz gekl\u00e4rte Frage nach der physikalischen Natur der Ger\u00e4usche d\u00fcrfte diese Tatsache wesentliche Bedeutung haben. Es scheint sich doch immer um eine gro\u00dfe Anzahl objektiver Teilschwingungen zu handeln, die wie ein Tonstaub \u00fcber eine gewisse, meist sehr weite Tonregion mit ganz geringen Abst\u00e4nden\ni) Helmholtz S. 182: \u201eDie Luftmasse der Mundh\u00f6hle hat nun im\nGegenteil (gegen\u00fcber Stimmgabeln) geringe Dichtigkeit und Masse, ihre W\u00e4nde sind, soweit sie von Weichteilen gebildet sind, nicht sehr wider-\nstandsf\u00e4hig und unvollkommen elastisch, haben bei Ersch\u00fctterungen viel innere Reibung, wodurch sie Bewegung vernichten.\u201c Vgl. auch S. 170\u2014171.","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"Physikalisches.\n351\nihrer Wellenl\u00e4ngen, aber verschiedenen Amplituden und vielleicht auch verschiedener Dichtigkeit der einzelnen Teilstrecken verteilt sind.\nDa\u00df auch Augenblicksger\u00e4usche konsonantischer und sonstiger Art durch Interferenz stufenweise zu vernichten sind und demnach physikalisch unter den aufgestellten Begriff fallen, lehrten unsere Versuche. Ja auch bei lauten Knallen im geschlossenen Raume fand sich das n\u00e4mliche. Im Freien erh\u00e4lt man bei oszillographischen Aufnahmen von Gescho\u00dfknallen gleichfalls kleine Wellenz\u00fcge, die nicht blo\u00df auf eine Mehrzahl sukzessiver Teilschwingungen, sondern wohl auch auf h\u00f6here, der Grundwelle aufgesetzte Komponenten deuten. Im Grunde tragen aber diese dumpfen, tiefen Knalle mehr Ton- als Ger\u00e4uschcharakter.\nSo bleiben unter den Augenblicksger\u00e4uschen nur jene sehr schwachen Knalle \u00fcbrig, die aus einer einzigen Schwingung, ja aus einem Bruchteil einer solchen bestehen, die man aber richtiger gleichfalls nicht als Ger\u00e4usche, sondern als extrem verk\u00fcrzte Kl\u00e4nge bezeichnet. Geh\u00f6rt das Kurvenfragment, das die graphische Darstellung zeigt, nicht einer Sinuskurve an, so kann es gleichwohl der Anfang einer Kurve sein, die in ihrer Fortsetzung periodisch w\u00fcrde, kann also physikalisch als Bild eines extrem verk\u00fcrzten Klanges auf gef a\u00dft werden, dessen sinusf\u00f6rmige Bestandteile freilich unbestimmt bleiben. Ob \u00fcbrigens der \u201eEinlochknall\u201c Abrahams (o. S. 136, Anm. 1) nicht doch auch durch Interferenz zum Verschwinden gebracht werden kann, w\u00e4re noch genauer zu pr\u00fcfen.\nBereits Koehler hat aus Interferenzversuchen mit Ger\u00e4uschen, bei denen sich allerdings der Einsatz der Klopfger\u00e4usche nicht vollkommen ausschlie\u00dfen lie\u00df, auf die Periodizit\u00e4t der Ger\u00e4usche geschlossen. Seine \u00dcberlegungen (1, III, S. 80ff.) sind \u00fcberhaupt hier zu vergleichen. \u00dcbrigens hat schon 1877 Grassmann im obigen Sinne von einer \u201eGer\u00e4uschbreite\u201c gesprochen und ist in m. Tonpsych. II, S. 506ff. der physikalische Ger\u00e4uschbegriff in genau derselben Weise wie hier formuliert. Auch Br\u00fccke, Helmholtz, Barth u. a. haben die gleiche Ansicht f\u00fcr alle oder viele Ger\u00e4usche vertreten. Aber es fehlte noch der experimentelle Nachweis.\nNagel, der die alte Definition der Ger\u00e4usche als unperiodischer Schwingungen auf Grund der HERMANNschen Konsonantenkurven verwirft (sie wird ja auch schon unhaltbar bei einem mit stetiger Tonerh\u00f6hung gesungenen Vokal, der dadurch zu einem blo\u00dfen Ger\u00e4usch w\u00fcrde), gibt eine Definition, die heute ziemlich verbreitet ist: \u201eZur\u00fccktreten des Grundtons, \u00fcberhaupt Fehlen einer leicht bestimmbaren Tonh\u00f6he.\u201c Wenn dies eine physikalische Definition sein soll, so gilt dagegen, da\u00df auch bei Vokalen, wie beim A, und bei Instrumentalkl\u00e4ngen der Grundton sehr schwach und unter Umst\u00e4nden = 0 sein kann. Meint man aber nur die leichte Erkennbarkeit der Tonh\u00f6he des Grundtons oder des ganzen Klanges, so ist dies \u00fcberhaupt kein physikalisches Merkmal. \u00dcberdies fehlt sie auch den T\u00f6nen oberhalb c5 und unterhalb Gx, deren Einordnung unter die Ger\u00e4usche mir wenigstens ganz ungerechtfertigt erscheint.","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352\n14. Kap. Zur Physik und Physiologie der Sprachlaute.\nII. Physiologisches.\n\u00dcber verschiedene, untrennbar mit unserem Thema zusammenh\u00e4ngende physiologische Fragen ist im vorangehenden mehrfach, besonders im 12. und 13. Kapitel, gesprochen. Hier sollen noch die peripher-physiologischen Fragen \u00fcber die Bildung der Laute durch die Sprachwerkzeuge und die \u00dcbermittelung des akustischen Prozesses an den H\u00f6rnerven ber\u00fchrt werden, aber nur so weit, als es der Ertrag unserer Untersuchungen nahelegt.\n1. Zur Erzeugung der Sprachlaute1).\nKein musikalisches Instrument ist so vielseitigen Gebrauches f\u00e4hig, wie das menschliche Sprachorgan. Man kann ihm bei gleichbleibender Tonh\u00f6he verschiedene Resonanzeinstellung erteilen und bei gleicher Resonanzeinstellung verschiedene Tonh\u00f6hen damit produzieren (stimmhafte Vokale). Ferner kann es au\u00dfer T\u00f6nen Ger\u00e4usche hervorbringen (Fl\u00fcstervokale und Konsonanten). Es kann stetige Ton\u00fcberg\u00e4nge ebenso wie sprunghafte vollziehen (Grundverschiedenheit des Singens und Sprechens). Es kann sich endlich sogar auf verschiedene Klangfarben einstellen (Register). Diese Eigenschaften sind im einzelnen nat\u00fcrlich auch sonst vorhanden. Stetige \u00dcberg\u00e4nge z. B. kann man neben sprunghaften auch leicht auf manchen Instrumenten hersteilen, obgleich sie in unserer Musik nicht offiziell und in gr\u00f6\u00dferem Ma\u00dfstabe verwendet werden. In Registern \u00fcbertrifft uns weit die Orgel. Aber in Verbindung miteinander sind diese Eigenschaften f\u00fcr das menschliche Sprachorgan grund wesentlich und charakteristisch. Sie sind sozusagen sein t\u00e4gliches Brot und kommen in dieser Vereinigung sowie in der Leichtigkeit der Umstellung aus der einen in die andere Funktion sonst nirgends vor.\n!) Der Leser erwarte sich hier nicht ein Eingehen auf die Rurzsche Lehre von den \u201eklanglichen Konstanten\u201c d. h. der Bedeutung der K\u00f6rperhaltung und Rum pfmuskulatur, die die lichtige Klanggebung und Vortragsweise eines Liedes je nach den verschiedenen Komponisten beg\u00fcnstigen sollen. Es ist freilich wahr, da\u00df das ganze Muskelsystem, ja der ganze K\u00f6rper vom Kopf bis zur Zehe gewisserma\u00dfen mitsingt. Aber von da bis zu solchen \u201eTypen\u201c ist noch weit; und die Beweisf\u00fchrung erscheint, an den Anforderungen einer exakten Experimentalpsychologie gemessen, ganz und gar dilettantisch. Vgl. dazu A. Guttmann (Lit.-Verz.), Ley-hausen (Arch, f. d. ges. Psych. Bd. 30. 1913), Gebhardt (daselbst Bd. 50. 1925). Auch die damit in Verbindung stehenden Sie vers sehen Drahtfiguren, deren Anblick den S\u00e4nger zum richtigen, stilgem\u00e4\u00dfen Vortrag eines Liedes anleiten soll, kann ich leider nur als eine unbegreifliche Selbstt\u00e4uschung des ber\u00fchmten Germanisten und Phonetikers einsch\u00e4tzen.","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Erzeugung der Sprachlaute.\n353\nDie brennendste Streitfrage in genetischer Richtung betraf lange Zeit die Erzeugung der Vokale. Sie wird jetzt vorwiegend zugunsten der HELMHOLTZschen und zuungunsten der Hermann-schen Lehre entschieden. Auch die Gesamtheit unserer Ergebnisse \u00fcber die stimmhaften Laute l\u00e4\u00dft sich unm\u00f6glich mit der Lehre von der Erzeugung der Sprachlaute durch ein in der Periode der Stimmlippenschwingungen intermittierendes Anblasen des Rachenraumes vereinigen. Nur die Fl\u00fcstervokale und die stimmlosen Konsonanten werden nat\u00fcrlich' durch blo\u00dfes Anblasen der Mundh\u00f6hle erzeugt, da hier die Stimmlippen \u00fcberhaupt nicht oder nicht in ma\u00dfgebender St\u00e4rke schwingen. Bei den stimmhaften Vokalen aber erzeugen diese einen sehr zusammengesetzten Klang, der durch die jeweilige Einstellung des Resonanzraumes modifiziert wird, indem gewisse Klangteile verst\u00e4rkt, andere unterdr\u00fcckt werden. Dabei schwingen nach Ewalds, Museholds und Nagels Untersuchungen die Stimmlippen im Brustregister vorwiegend in der Weise von \u201ePolster- oder Gegenschlagpfeifen\u201c, sich horizontal gegeneinander bewegend. Der Klang solcher Pfeifen ist, wie ich an einem von Herrn Wethlo gebauten Modell wahrnehmen konnte, au\u00dferordentlich schreiend, also \u00e4u\u00dferst obertonhaltig. M\u00f6gen auch zwischen dem Modell und dem Original im lebenden Organismus bedeutende Unterschiede bestehen : in diesem Punkte d\u00fcrfte es nicht zu weit von der Natur ab weichen. Wenn Katzen -stein angab, da\u00df er durch Einf\u00fchrung einer R\u00f6hre bis in die unmittelbare N\u00e4he der Stimmlippen und durch objektive Aufnahme ihrer Schwingungen auf einer Membran nahezu sinusf\u00f6rmige Bewegungen erhalten habe, so wird dabei durch die Einrichtung selbst irgendwie der Klang vereinfacht worden sein1).\nDie Aufgabe, f\u00fcr alle Sprachlaute die in den Strukturtafeln verzeichneten Resonanzmaxima aus entsprechenden Einstellungen der Sprachorgane herzuleiten, steht noch in den Anf\u00e4ngen ihrer Ausf\u00fchrung, zumal da \u00fcber die Resonanzmaxima selbst bisher noch manche Zweifel bestanden. Aber eine prinzipielle Schwierigkeit d\u00fcrfte hier nicht mehr vorliegen. Der Oberformant des U wurzelt offenbar in der durch die Lippen gebildeten vordersten Abteilung, die Unterformanten der hellen Vokale bilden sich in dem gr\u00f6\u00dferen hinteren Teile des gesamten multiplen Resonanzraumes, usf.\nx) Ganz ist das Verhalten des Kehlkopfes bei seinen verschiedenen Leistungen noch nicht gekl\u00e4rt. O. Weiss (4, II) schlie\u00dft aus Versuchen an einem ausgeschnittenen Kalbskehlkopf, da\u00df der schwingende K\u00f6rper hier stets die Luftmasse \u00fcber den Stimmb\u00e4ndern sei, ebenso wie bei einer auf schlagenden Zunge. Immerhin k\u00f6nnte die Sache beim menschlichen Gesang etwas anders liegen als bei dem des Kalbes.\nStumpf, Sprachlaute.\n23","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354\t14. Kap. Zur Physik und Psychologie der Sprachlaute.\nZwaaedemaeee folgert aus der oben erw\u00e4hnten Untersuchung der multiplen Resonanz, da\u00df in dem stark zusammengesetzten Resonanzraum des menschlichen Stimmorgans im allgemeinen unharmonische Formanten entstehen m\u00fcssen, wenn sie auch vielleicht durch kleine unbewu\u00dfte Umstellungen der Muskulatur, namentlich bei feinh\u00f6rigen Sprechern und S\u00e4ngern, zu harmonischen umgebildet w\u00fcrden. Hier k\u00f6nnen wir uns dem hervorragenden Physiologen nicht anschlie\u00dfen. Wenn anders der Mundraum die Funktion hat, aus den Teilt\u00f6nen des durch die Stimmlippen erzeugten obertonreichen Klanges durch Resonanz eine Auswahl zu treffen, so k\u00f6nnen auf diesem Wege doch keine anderen als die in dem Klang enthaltenen Teilt\u00f6ne zustande kommen, und diese k\u00f6nnen bei Polsterpfeifen nicht wohl andere als harmonische sein. So hat es sich uns ja auch allgemein best\u00e4tigt. Nur insoweit noch sonstige schwingende Gebilde au\u00dfer den Stimmlippen in dem ganzen System der Sprachwerkzeuge (einschlie\u00dflich der unterhalb der Stimmlippen liegenden Teile und der nasalen Hohlr\u00e4ume) vorhanden sind und durch den Luftstrom angeregt werden, k\u00f6nnen sich unharmonische T\u00f6ne dem Klange beimischen. Aber sie werden bei den nicht nasalierten Vokalen so gut wie keine Rolle spielen.\nMan hat es wunderbar gefunden \u2014 und Vi\u00ebtor st\u00fctzte darauf (1) seine anf\u00e4ngliche Ablehnung der Resonanztheorie \u2014, da\u00df Kinder mit ihren so viel kleineren Resonanzr\u00e4umen die gleichen Vokale wie Erwachsene hervorbringen k\u00f6nnen. Aber erstlich sind die Unterschiede in den Dimensionen nicht so gro\u00df wie man erwarten m\u00f6chte (Jespersen hat dar\u00fcber Messungen angestellt). Zweitens sind tats\u00e4chlich gewisse Unterschiede vorhanden; das kindliche U ist nicht so dunkel, das I heller als bei Erwachsenen. Endlich und haupts\u00e4chlich stellen Kinder in dem Bestreben, die Laute der Erwachsenen nachzubilden, ihre Sprachwerkzeuge eben so ein, da\u00df die erstrebten Klangfarben nach M\u00f6glichkeit herauskommen. Die durch das Knochenger\u00fcst des Kiefers bedingten Verschiedenheiten werden durch die \u00d6ffnung der Mundh\u00f6hle, die Stellung des weichen Gaumens und der Zunge ausgeglichen. Man darf auch nicht \u00fcbersehen, da\u00df die Kieferstellung auch bei ein und demselben Individuum bedeutende Ver\u00e4nderungen vertr\u00e4gt, ohne da\u00df die Vokale unkenntlich werden. Wenn man einen Einger zwischen die Z\u00e4hne klemmt und so die Kieferstellung festlegt, lassen sich alle Vokale und sogar die feineren Nuancen, wie ein helleres und dunkleres A, noch deutlich erzeugen. Auch wenn der Kunsts\u00e4nger den ganzen Stimmapparat so einstellt, da\u00df der Kehlkopf entlastet wird und mehr die peripherischen Teile in Anspruch genommen werden (Haber, Gtttzmann, Katzenstein), bleiben die Vokalcharaktere im wesentlichen erhalten, freilich mit nicht unbedeutenden Modifikationen im einzelnen.\nDie Schwingungen der Stimmlippen und der im Ansatzrohr eingeschlossenen Luftmasse teilen sich auch den einschlie\u00dfenden festen W\u00e4nden mit, ebenso wie bei den Blasinstrumenten. Wenn","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Erzeugung der Sprachlaute.\n355\nman sich die Ohren mit den Fingern zuh\u00e4lt oder mit Ohropax (sit venia verbo!) verstopft und nun die stimmhaften Vokale spricht, so sind sie durch den behinderten Schallabflu\u00df subjektiv bedeutend verst\u00e4rkt, und zwar am meisten bei U und I, weniger bei O und E, am wenigsten bei A1). Offenbar nehmen die im hinteren Teil des Ansatzrohres resonierenden tieferen Teilt\u00f6ne der Vokale, bei E und I die Unterformanten, mehr als die h\u00f6heren an der Verst\u00e4rkung teil. Wahrscheinlich h\u00f6rt darum der Sprechende auch bei offenen Ohren seine eigene Stimme beim U und I etwas dunkler, beim A etwas heller als die Nebenmenschen.\nAber auch bei offenen Geh\u00f6rg\u00e4ngen verraten sich diese der Umgebung von den Stimmlippen mitgeteilten Vibrationen durch das Vibrationsgef\u00fchl, dessen zuerst wohl Helmholtz gedenkt, um daraus den charakteristischen Ton des U zu erschlie\u00dfen. Es wurde von Hopmantst nach seiner Intensit\u00e4t und Ausdehnung an Sch\u00e4del, Hals und Wangen bei den verschiedenen Vokalen untersucht2). Wieder zeigte es sich am deutlichsten und st\u00e4rksten bei U und I, weniger bei 0 und E, am wenigsten bei A. Parallel damit ging auch die Ausdehnung der Vibrationsbezirke. Diese Reihenfolge entspricht genau den St\u00e4rken der tiefsten Teilt\u00f6ne, wie sie sich bei verschiedenen Gelegenheiten fanden (o. S. 27, 75, 212), und ist umgekehrt proportional den H\u00f6henlagen dieser Vokale im Vokaldreieck.\nStimmhafte Vokale im vollen Sinne k\u00f6nnen von den Sprach-organen nat\u00fcrlich nur durch die Stimmlippen erzeugt werden. Aber Patienten, denen die Glottis zugewachsen oder der ganze Kehlkopf exstirpiert ist, k\u00f6nnen sich doch noch eine \u201ePseudostimme\u201c und eine ziemlich verst\u00e4ndliche Sprache mit Vokalen und Konsonanten erwerben.\nVgl. hier\u00fcber Czermak, Wiener med. Wochenschr. 1859. Bose, Diss. Gie\u00dfen 1865. Str\u00f6bing, Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 1890. Gottstein, Arch. f. klin. Chir. Bd. 62. Gutzmann, Zeitschr. f. Laryngol. 1909. H. Stern, das. 1923. Gutzmann, Sprachheilkunde 3. Aufl., hersg. v. Zumsteeg 1924, S. 57Iff. Die Operierten, die nur durch eine Kan\u00fcle atmen k\u00f6nnen, m\u00fcssen die zur Stimmbildung n\u00f6tige Luft aus der Magenh\u00f6hle beziehen. Manche bringen es nur zu einer wesentlich stimmlosen Sprache, in der Vokale nur als Auslaute von Konsonanten auf treten, andere aber erwerben unter \u00e4rztlicher Leitung eine, wenn auch heisere und tiefe,\nx) Wie ich nachtr\u00e4glich sehe (aus Gr\u00fctzner 1), haben dieselbe Beobachtung auch schon Gr\u00fctzner und der Taubstummenlehrer Deutsch gemacht.\n2) E. Hopmann, Untersuchungen \u00fcber die bei gesungenen Vokalen an Kopf und Hals auftretenden Vibrationen. Monatsschr. f. d. ges. Sprachheilk. 19. Jahrg. 1909. Vgl. auch Giesswein 1, S. 36ff. des Sonderabdruckes (Diss.).\n23*","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"356\t14. Kap. Zur Physik und Psychologie der Sprachlaute.\ndoch nicht ganz tonlose Stimme, die bis zu einer oder zwei Oktaven umfassen kann. Gottstein stellte auf einem Chirurgenkongre\u00df sogar einen solchen Z\u00f6gling vor, der das Loreley-Lied sang \u2014 wobei freilich die bekannte Weise einem weitherzigen Entgegenkommen der H\u00f6rer begegnen mochte. Ich hatte auch selbst Gelegenheit, einen von Prof. Gluck operierten Patienten dieser Art auf seine Vokalisation zu pr\u00fcfen. Es war kein eigentliches Fl\u00fcstern (so will es auch Str\u00fcbing nicht nennen), sondern ein leises, heiseres Sprechen, das doch immer etwas Ton hatte. Versuchsreihen mit verschiedenen Vokalen ergaben, da\u00df dieselben von 6 Beobachtern fast immer richtig erkannt wurden. Eine eigentliche Sprachmelodie war nicht vorhanden, die H\u00f6henunterschiede wurden im wesentlichen durch Akzentunterschiede wiedergegeben. Nur geringe H\u00f6henunterschiede waren hervorzubringen, wobei Verlagerungen der Zunge die Hauptrolle spielten, aber immer blieb die Stimme rauh und tief. Pfeifen und Singen waren ausgeschlossen.\nAn. einem von Dr. H. Zumsteeg operierten Patienten, der sogar mit Erfolg telephonieren konnte, hat F. Trendelenburg mit dem o. S. 213 erw\u00e4hnten Verfahren trotz der au\u00dferordentlich geringen Schallintensit\u00e4t Vokalkurven von U, A und I aufnehmen und an den Bildern durch die Lupe folgendes ersehen k\u00f6nnen: beim A war die Grundperiode 400, auf sie aufgesetzt der Oberton 800 (Formant) und besonders stark ein hoher Teilton von 2800 bis 3200 Schw., welcher den mehrfach erw\u00e4hnten hohen Teilt\u00f6nen des A entspricht. Ein anderes A zeigte als Grundtonperiode 500 und als ersten Oberton 1000. Die Feinstruktur dieser Kl\u00e4nge zeigte aber im Gegensatz zu den gesungenen Vokalen Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten, und diese sowie das abnorm kr\u00e4ftige Auftreten des Gebietes um 3000 verliehen nach Tr. dem Klange seinen rauhen und harten Charakter. ,,Wir haben hier eine Sto\u00dferregung im Sinne Hermanns ohne die zur Erkl\u00e4rung der Bilder der gesungenen Vokale notwendige Einschr\u00e4nkung, da\u00df ein Sto\u00df dem anderen identisch gleicht\u201c (Briefl. Mitt. an Dr. Zumsteeg).\nEs ist, soviel ich sehe, noch eine offene Frage, ob die Verschiedenheiten der stimmhaften Vokale nicht doch auch schon im Kehlkopf durch die Schwingungsform der Stimmlippen in gewissem Grade pr\u00e4formiert werden. Scripture hielt diesen Einflu\u00df sogar f\u00fcr ausschlaggebend. Da\u00df indessen haupts\u00e4chlich die Einstellung der Resonanzr\u00e4ume entscheidet, kann nicht bezweifelt werden. Nur eine Mitwirkung der Stimmlippen k\u00f6nnte in Frage kommen. Wie diese beim Falsett in anderer Weise als bei der Bruststimme (nicht in ihrer ganzen Breite, vielleicht nicht einmal gegenschlagend) funktionieren, so w\u00e4ren auch Unterschiede feinerer Art, je nach den Vokalen, denkbar. Die auf einen Vokal gerichtete Innervation des gesamten Sprachapparates w\u00fcrde dann zugleich mit einer bestimmten Einstellung der Resonanzr\u00e4ume auch eine bestimmte Schwingungsweise der Stimmlippen bewirken, und es w\u00e4ren infolgedessen schon hier die Teilt\u00f6ne des betreffenden Formanten gegen\u00fcber anderen beg\u00fcnstigt. Auerbach, Pipping, Musehold u. a. sind denn auch f\u00fcr diese Annahme eingetreten. Aber meines Wissens liegt eine ins einzelne gehende und beweiskr\u00e4ftige Untersuchung noch nicht vor.","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"Zur physiologischen H\u00f6rtheorie.\n357\nDie Resonanzeinstellung des Ansatzrohres ist auch bei den stimmlosen Sprachlauten wesentlich. Hier hat das Ansatzrohr, wie Trendelenburg (2) anl\u00e4\u00dflich der Konsonanten richtig bemerkt, eine doppelte Bedeutung: als selbst\u00e4ndige Schallquelle, die vom Luftstrom des Kehlkopfes angeblasen wird, und als Resonator, der gewisse Ger\u00e4uschteile verst\u00e4rkt. Die Resonanz-einstellung bedingt die Vokalit\u00e4t der Fl\u00fcstervokale in derselben Weise wie die der gesungenen. Aber auch die darin wahrzunehmenden Tonh\u00f6hen sind von der Resonanzeinstellung abh\u00e4ngig und fallen deshalb im allgemeinen mit den Formantzentren zusammen. Nur bei U, O, A fanden wir es n\u00f6tig, eine \u00dcberblasung des Ger\u00e4usches in die Oktave anzunehmen. Die in den Konsonanten beobachtbaren Tonh\u00f6hen aber, die in keiner n\u00e4heren Beziehung zu deren Formanten stehen, m\u00fcssen als Nebenwirkungen der Einstellungen auf diese Ger\u00e4usche gedeutet werden ; d. h. es m\u00fcssen durch den Luftstrom gewisse Teile des gesamten Raumes zu Ger\u00e4uschschwingungen von dieser bestimmten H\u00f6he angeblasen werden. Die Aufzeigung dieser Vorg\u00e4nge liegt, ebenso wie die bei der Erzeugungsweise der einzelnen Konsonanten, au\u00dferhalb unserer Aufgabe.\nDie Frage, ob bei den stimmlosen Sprachlauten die Stimmlippen nicht doch auch beteiligt sind, obschon sie keinen Ton hervorbringen, und ob eventuell diese Beteiligung von Vokal zu Vokal variiert, ist gleichfalls noch unentschieden. Unentbehrlich ist diese Mitwirkung zwar nicht ; denn bl\u00e4st man die Mundh\u00f6hle unter Ausschlu\u00df des Kehlkopfes von au\u00dfen oder mit einem durch die Nase gef\u00fchrten Schlauch an, so kommen den Fl\u00fcstervokalen \u00e4hnliche Ger\u00e4usche doch heraus. Aber es w\u00e4re immer m\u00f6glich, da\u00df beim wirklichen Fl\u00fcstern ganz schwache Mitbewegungen der Stimmlippen erfolgten, wie dies z. B. von Stefanen! behauptet wird.\n2. Zur physiologischen H\u00f6rtheorie.\nDen Schlu\u00df der mit unserer Untersuchung zusammenh\u00e4ngenden peripher-physiologischen Fragen bildet die physiologische H\u00f6rtheorie, d. h. die Bestimmung der Vorg\u00e4nge bei der \u00dcbertragung der physikalischen Reizung auf den H\u00f6rnerven. Die bisher erfolgreichste Darstellung dieses Vorganges, die von Helmholtz, fanden wir \u00fcberall, wo die \u00dcberlegungen darauf f\u00fchrten, hervorragend n\u00fctzlich. Damit ist aber nicht gesagt, da\u00df sie allein, zumal in ihrer konkreten urspr\u00fcnglichen Gestalt, sich als Grundlage eigne. Bekanntlich ist sie von Anfang an auch mannigfach bek\u00e4mpft worden. Zuletzt erachtete auch Koehler an einflu\u00dfreicher Stelle (3, S. 451 ff.) die Tatsachen des Vokalh\u00f6rens als unvereinbar mit der","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\t14. Kap. Zur Physik und Psychologie der Sprachlaute.\nOHM-HELMHOLTZSchen Lehre, wonach Kl\u00e4nge nur Summen von Teilt\u00f6nen seien, die er deshalb als \u201esummative Theorie\u201c bezeichnet. Denn die spezifischen Klangeigenschaften, besonders aber die Vokalqualit\u00e4ten, seien daraus nicht zu verstehen.\nWir m\u00fcssen hier etwas weiter ausgreifen. Es handelt sich um 5 Thesen, die sich \u00fcbereinander aufbauen:\n1.\tdas rein mathematische Theorem Fouriers, nach welchem jede periodische Schwingung sich algebraisch als eine Summe von Sinusschwingungen ausdr\u00fccken l\u00e4\u00dft;\n2.\tdie von Ohm verteidigte rein physikalische Definition des einfachen Tones als einer Sinusschwingung der Luft und jeder anderen periodischen Schwingungsform als einer Summe super -ponierter Sinusschwingungen ;\n3.\tHelmholtz\u2019 psychophysische Behauptung, da\u00df die Empfindungen bei physikalisch einfachen T\u00f6nen im Sinne von 2. auch durch das Geh\u00f6r nicht weiter zerlegt werden k\u00f6nnen1), jeder musikalische Klang aber einer Mehrzahl solcher einfachen T\u00f6ne entspricht, die unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden auch herausgeh\u00f6rt werden k\u00f6nnen, und da\u00df die Art dieser Zusammensetzung nach Zahl und St\u00e4rke-Verh\u00e4ltnissen der Teile die Unterschiede der Klangfarbe bedingt;\n4.\tHelmholtz\u2019 rein physiologische Hypothese, wonach zahlreiche, verschieden abgestimmte Teilchen innerhalb der Schnecke des Ohres durch Resonanz die eintreffenden zusammengesetzten Schwingungen in Sinusschwingungen zerlegen;\n5.\tdie rein psychologische These, da\u00df auch die dem Bewu\u00dftsein gegebene Geh\u00f6rsempfindung bei musikalischen Kl\u00e4ngen in analoger Weise wie die akustischen Prozesse aus Teilempfindungen zusammengesetzt sei, obgleich diese nur unter besonderen Voraussetzungen als solche bemerkt werden.\nDas Historische betreffend, m\u00f6gen hier zwei Bemerkungen eingeschaltet sein.\nF\u00fcr Ohm handelte es sich nach dem Wortlaut seiner Ausf\u00fchrungen nur um diejenige mathematisch-physikalische Definition eines Tones von der Schwingungszahl m (,,Schwingungsmenge\u201c ), \u201ewelche zugrunde gelegt werden mu\u00df, run daraus jede beliebige m mal in der Sekunde wiederkehrende Bewegungsform abzuleiten\u201c. Als solche bezeichnet er die Formel: ci \u2022 sin 2 Ti (mt + p). Diese Definition hatte er in einer vorausgehenden Untersuchung \u00fcber Kombinationst\u00f6ne und Schwebungen als \u201eeine ausgemachte Sache\u201c, \u201eeine von den Vorfahren \u00fcberkommene\u201c, \u201eaus alter Zeit herstammende\u201c vorausgesetzt, und verteidigte sie nun gegen\u00fcber Experimenten von Savart und Seebeck, aus denen hervorzugehen schien, da\u00df\nl) Diesen Satz hat Helmholtz zwar nicht w\u00f6rtlich ausgesprochen, aber ohne Zweifel, wenigstens bei schwachen T\u00f6nen, stillschweigend vorausgesetzt. Der Verfasser hat ihn 1, II, S. 258ff\u201e so ausgesprochen und begr\u00fcndet. A priori selbstverst\u00e4ndlich ist er nicht.","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"Zur physiologischen H\u00f6rtheorie.\n359\njeder regelm\u00e4\u00dfige oder auch nur ann\u00e4hernd regelm\u00e4\u00dfige Impuls als Ton empfunden werde. Hier kommt er nun freilich mit ph\u00e4nomenal-akustischen Beobachtungen in Ber\u00fchrung und scheint dabei die 3. These auch schon vorauszusetzen, wagt aber auf diesem ihm unzug\u00e4nglichen Gebiete keine positive Formulierung.\nDa\u00df Helmholtz in seiner Hypothese der Schneckenklaviatur Vorl\u00e4ufer hatte, ist in Deutschland nicht so unbekannt, wie Gradenigo in einer historischen Darlegung (Arch. ital. di Otol. Bd. 27 \u2014 29, 1916\u20141918), deren zeitbedingte Animosit\u00e4ten hier auf sich beruhen m\u00f6gen, voraussetzt. So sind in des Verfassers Tonpsych. Bd. 2, S. 98ff. Du Veeney, Le Cat, Scarpa, A. v. Haller, Herder, Treviranus u. a. erw\u00e4hnt. Cotugno allerdings war auch mir entgangen, und es scheint, da\u00df seine Abhandlung (Cottumnius, De aquaeductibus auris humanae diss. 1775), in welcher im Zusammenhang mit anatomischen Beschreibungen der Labyrinthgebilde in der Tat der Gedanke der Resonanz der einzelnen Schneckenfasern auf einzelne T\u00f6ne klar und bestimmt ausgesprochen ist, in Deutschland wenig bekannt wurde. Ob Helmholtz sie kannte, wei\u00df ich nicht. Da\u00df er nicht gerade die Neigung hatte, sich mit fremden Federn zu schm\u00fccken, zeigt die \u201ePhysiologische Optik\u201c, die reichlich mit historischen Nachweisungen bis zu den alten Arabern zur\u00fcck ausgestattet ist. Wenn wir nun trotz Cotugno und anderen, teilweise noch bedeutend \u00e4lteren Vorg\u00e4ngern gleichwohl fortfahren, die Hypothese als die HELMHOLTZsche zu bezeichnen, so geschieht es aus demselben Grunde, aus dem man die Theorie der nat\u00fcrlichen Zuchtwahl nach Darwin benennt, obgleich schon Empedokles den Grundgedanken ausgesprochen hat: weil nicht die Idee als solche, sondern ihre Verkn\u00fcpfung mit zahlreichen Erfahrungstatsachen eine Hypothese erst zum brauchbaren Werkzeug der Forschung macht, wie dies auch im vorliegenden Falle der Verlauf der wissenschaftlichen Entwicklung seit Helmholtz gezeigt hat. Vgl. \u00fcber diese Priorit\u00e4tsfrage auch A. Kreidl, Z. Geschichte d. H\u00f6rtheorien, Arch, n\u00e9erland. de physiol, de l\u2019homme et des anim. Bd. 7, S. 502ff. 1922, wo noch andere, \u00e4ltere und neuere, Autoren vor Helmholtz (auch Ch. Bell w\u00e4re noch zu nennen) f\u00fcr diese Vorstellungsweise zitiert werden. Es scheint, da\u00df sie \u00fcberhaupt seit der Mitte des 18. Jahrhunderts fast die \u00fcberwiegende war und erst infolge des Einspruches von Magendie, Joh. M\u00fcller und E. H. Weber so zur\u00fcckgedr\u00e4ngt wurde, da\u00df sie zu Helm-HOLTzens Zeit als etwas Neues erscheinen k\u00f6nnt\u00a9.\n\u00dcbrigens weist Kreidl auf eine noch auffallendere Antizipation unter den H\u00f6rtheorien hin: da\u00df n\u00e4mlich Ewalds \u201eSchallbildertheorie\u201c nicht nur in der Sache, sondern auch im Namen bereits von Arnold und anderen ausgesprochen worden war. Man wird sie trotzdem immer Ewald zuerkennen, da er sie durch lehrreiche Versuche gest\u00fctzt hat.\nDie 1. These ist unbestreitbar. Die 2. ist zun\u00e4chst eine blo\u00dfe Definition, bei der nur nach ihrer Zweckm\u00e4\u00dfigkeit gefragt werden kann. Da\u00df es aber zweckm\u00e4\u00dfig ist, periodische Luftschwingungen mathematisch als Summe von Sinusschwingungen darzustellen, kann nicht bestritten werden. Denn nur dadurch ist es m\u00f6glich, ihre gesamte Form algebraisch festzulegen und die unendliche Mannigfaltigkeit der Formen auf ein einheitliches Prinzip zur\u00fcckzuf\u00fchren, w\u00e4hrend au\u00dferdem nur f\u00fcr die L\u00e4ngen- und Amplitudenunterschiede mathematische Ausdr\u00fccke zur Verf\u00fcgung stehen.","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\t14. Kap. Zur Physik und Psychologie der Sprachlaute.\nEtwas mehr ist schon zur 3. These zn sagen. Fest steht, da\u00df die durch eine nicht zu starke Sinusschwingung erzeugte Tonempfindung auch subjektiv auf keine Weise in eine Mehrzahl von T\u00f6nen zerlegt werden kann, und da\u00df umgekehrt jede physikalisch und mathematisch in Sinusschwingungen aufl\u00f6sbare Welle bei gen\u00fcgender St\u00e4rke und Verschiedenheit der Komponenten von Ge\u00fcbten subjektiv in entsprechende Teilt\u00f6ne zerlegt werden kann. In dem Streite zwischen Ohm und Seebeck hatte dieser zwar darin recht, da\u00df die Obert\u00f6ne im allgemeinen nicht in der geforderten St\u00e4rke geh\u00f6rt werden (o. S. 303). Aber er hatte unrecht, wenn er die Klangfarbenunterschiede nicht ausschlie\u00dflich auf Unterschiede in der Zusammensetzung der Gesamtwelle, sondern auch auf ihre blo\u00dfen Formverschiedenheiten als solche gr\u00fcnden wollte, wie dies vor Ohm allgemein geschah (vgl. z. B. Chladnis Akustik).\nDa\u00df die Formverschiedenheiten der objektiven Tonwellen sich nicht als solche subjektiv geltend machen, ist vor allem bewiesen durch die Einflu\u00dflosigkeit der Phasenverschiebungen. Denn obgleich diese die objektive Wellenform gewaltig ver\u00e4ndern, bleiben sie f\u00fcr das Geh\u00f6r nach HELMHOLTzens immer wieder best\u00e4tigtem Nachweise wirkungslos1).\nDa gleichwohl immer wieder Versuche auftauchen, ohne speziellen Zerlegungsmechanismus auszukommen und das tats\u00e4chlich Geh\u00f6rte oder H\u00f6rbare aus der Form der zusammengesetzten Schwingungen selbst herzuleiten, so wolle man nur beispielsweise die beiden folgenden Wellenformen betrachten:\nAbb. 7. 5:6.\ni) Den Fall der Schwebungen hat Helmholtz selbst schon ausgenommen. Koenigs Versuch mit seiner ,,Wellensirene\u201c scheiterte daran, da\u00df er aus der Sinusform der aufgesetzten Blechscheiben f\u00e4lschlich auf sinusf\u00f6rmige Luftschwingungen schlo\u00df (m. Abh. 3, S. 677ff.). Aber auch seine sonst ausgezeichnet durchgef\u00fchrte Versuchsreihe \u00fcber Kombinationst\u00f6ne (\u201eSto\u00dft\u00f6ne\u201c) mit den daraus gegen Helmholtz gezogenen Folgerungen verliert ihre Beweiskraft durch die Obertonhaltigkeit elektromagnetisch erregter Gabeln (daselbst). Endlich haben sich auch Hermanns, in seiner Vokaltheorie gr\u00fcndenden, Einwendungen als hinf\u00e4llig erwiesen.","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"Zur physiologischen H\u00f6rtheorie.\n361\nDie 1. entsteht durch Superposition zweier Sinusschwingungen vom Verh\u00e4ltnis 5 : 6, die 2. durch solche vom Verh\u00e4ltnis 5 : / bei gleichen Amplituden und ohne Phasendifferenz zu Beginn der Schwingungen. Im 1. Palle h\u00f6rt man, wenn die Periode sich lOOmal in der Sekunde wiederholt, die T\u00f6ne 500 und 600, au\u00dferdem auch ziemlich stark die Differenzt\u00f6ne 100 und 400 und \u00e4u\u00dferst schwach den Summationston 1100. Im 2. Falle die Prim\u00e4rt\u00f6ne 500 und 700, die D.T. 200 und 300 und den S.T. 1200. Wie soll man nun diesen Befund aus den Wellenformen verstehen? Die 1. Welle hat 6 Gipfel von ungleicher Gr\u00f6\u00dfe, die dem Ton 600 entsprechen m\u00f6gen. Aber wenn man nun den Ton 5 (500) etwa auf die 5 Gipfel beziehen wollte, die nach Abschneidung des h\u00f6chsten \u00fcbrigbleiben, so k\u00e4me man folgerichtig noch zu 4, 3, 2, 1, wovon 4 und 1 auch gegeben sind, nicht aber 3 und 2. Ebenso findet man bei 5:77 Gipfel von ungleicher Gr\u00f6\u00dfe, aber auf den Ton 5 kommt man nur durch spezielle Festsetzungen, die nichts weniger als selbstverst\u00e4ndlich sind (m. Abh. 6, S. 259ff. bzw. 80ff.). Der Ton 2 lie\u00dfe sich allenfalls aus den 2 \u00fcberragenden Elongationen verstehen, wenn die Plus- und Minusseite jedesmal zusammengenommen werden. Aber f\u00fcr den Ton 3, der durchaus kr\u00e4ftig ist, und f\u00fcr das Nichtvorhandensein von 6, 4, 1 ist wieder guter Bat teuer.\nWill man etwa statt der Anzahl der Wellengipfel die L\u00e4ngen der innerhalb einer Periode unterscheidbaren Teilwellen als ma\u00dfgebend f\u00fcr die h\u00f6rbaren T\u00f6ne ansehen, so bedarf es zun\u00e4chst einer Definition dieses Begriffes der Teil wellen, die nach verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen kann. Das nat\u00fcrlichste ist, sie durch die Schnittpunkte der Kurve mit der Mittellinie abzugrenzen. In diesem Fall erh\u00e4lt man bei solchen bin\u00e4ren Kurven bis zur Duodezime zweierlei Teilwellen in jeder Periode. Die L\u00e4nge der einen liegt zwischen den L\u00e4ngen der beiden Sinuswellen, die der anderen eine Oktaye h\u00f6her1). Man m\u00fc\u00dfte also an Stelle der beiden T\u00f6ne einen Oktaventriller aus 2 ganz anderen T\u00f6nen h\u00f6ren. Tats\u00e4chlich h\u00f6rt man aber die beiden Prim\u00e4rt\u00f6ne selbst ruhig fortklingen.\nNun kann man freilich die Einzelheiten der Beobachtungen in Hinsicht der Differenzt\u00f6ne auch unter Voraussetzung der Zerlegung in Sinusschwingungen bisher noch keineswegs vollst\u00e4ndig erkl\u00e4ren2). Aber aus der zusammengesetzten Schwingungsform als\nx) S. m. Abh. 6, S. 647ff. (68ff.).\n2) Die gr\u00f6\u00dften Fortschritte in dieser Richtung, experimentelle wie theoretische, verdanken wir Waetzmann (zuletzt in 2). Er best\u00e4tigt HELMHOLTzens Voraussetzung einer Asymmetrie der Schwingungen f\u00fcr die Entstehung von Kombinationst\u00f6nen, zeigt aber, da\u00df solche Asymme-","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362\t14. Kap. Zur Physik und Psychologie der Sprachlaute.\nsolcher sind ja nicht einmal die Prim\u00e4rt\u00f6ne verst\u00e4ndlich, ergeben sich vielmehr direkte flagranteWiderspr\u00fcche mit den Beobachtungen. Auch ist der Summationston (der nicht etwa auf Obert\u00f6nen beruht) bisher nur aus \u00cf\u00cfELMHOLTzens Voraussetzungen abzuleiten.\nBedingten die zusammengesetzten Formen als solche unmittelbar den akustischen Eindruck, so m\u00fc\u00dfte man auch erwarten, da\u00df die wichtigsten typischen Unterschiede in diesen Formen sich als typische Unterschiede in der Gesamterscheinung des Klanges irgendwie geltend machten. Dies ist aber nirgends der Fall, wie mir eine ausf\u00fchrliche Vergleichung und Diskussion aller durch die Zahlen 1 \u2014 12 ausdr\u00fcckbaren Kombinationen zweier Sinusschwingungen gezeigt hat1). So geh\u00f6ren z. B. rein der Form nach in gewisser Hinsicht (man kann da nat\u00fcrlich sehr verschiedene Eigenschaften zugrunde legen) 2 : 3 und 4 : 5 zu derselben Klasse wie 4 : 9 und 5 : 11. In anderer Hinsicht geh\u00f6rt wieder 1 : 5 mit 3 : 11, 1:3 mit 5 : 11 zusammen usf., w\u00e4hrend man rein ph\u00e4nomenal keinen Anla\u00df h\u00e4tte, die bez\u00fcglichen Klangerscheinungen unter einen gemeinschaftlichen Begriff zu fassen. Bei allen Kurven mit den Schwingungsverh\u00e4ltnissen n : n + 1 senken sich die Gipfel in \u00e4hnlicher Weise wie bei 5 : 6 gegen die Mitte, um dann wieder zu steigen, und alle Kurven mit den Verh\u00e4ltniszahlen n : n + 2 sind in \u00e4hnlicher Weise symmetrisch wie 5:7, w\u00e4hrend doch die zugeh\u00f6rigen Erscheinungen mit wachsenden Verh\u00e4ltniszahlen von den vollkommenen Konsonanzen zu den ausgesprochensten Dissonanzen \u00fcbergehen.\nDieser letzte, f\u00fcr die Entwicklung der Musik grundlegende Unterschied der Geh\u00f6rseindr\u00fccke ist freilich auch wieder nicht ohne weiteres mit der Zerlegung gegeben, aber es ist dann wenigstens die Bahn frei, indem das Vorhandensein der Tonempfindungen selbst begreiflich wird, zwischen denen Konsonanz oder Dissonanz stattfinden soll. Wollte man etwa nur die Einfachheit und Regelm\u00e4\u00dfigkeit der zusammengesetzten Wellenformen daf\u00fcr verantwortlich machen, so w\u00fcrden z. B. die entschiedenen Dissonanzen 5 : 9 und 5 : 11 den Hauptkonsonanzen n\u00e4herstehen als das Intervall 7 : 10 (beispielsweise c : g es), welches doch schon ebenso\ntrien physikalisch auf sehr verschiedene Weise zustande kommen, und da\u00df starke Differenzt\u00f6ne nur durch starke Asymmetrien, wie bei einer einseitig belasteten Gummimembran, erzeugt werden. Aus der so \u201egleichgerichteten\u201c zusammengesetzten Schwingung lassen sich nach W. durch Analyse (h\u00e4ufig auch schon durch blo\u00dfen Augenschein) die starken D.T. ableiten. Ob die oben S. 296 Anm. angedeuteten Fragen dadurch schon restlos zu l\u00f6sen sind, scheint mir allerdings, namentlich bez\u00fcglich der D.T. h\u00f6herer Ordnung, noch zweifelhaft.\ni) Abh. 6, bes. S. 265ff. (86ff.).","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"Zur physiologischen H\u00f6rtheorie.\n363\nwie 5 : 7 eine halbe Konsonanz ist. Keine Gestaltpsychologie, d\u00fcnkt mich, kann \u00fcber solche Diskrepanzen hinweghelfen, solange sie sich nur an die Wellenformen h\u00e4lt.\nAuch das Auftreten von Schwebungen ist schwerlich ohne vorherige subjektive Zerlegung der zusammengesetzten Welle zu verstehen. Denn f\u00e4nde eine solche nicht statt, so m\u00fc\u00dften nicht blo\u00df bei benachbarten, sondern auch bei weiter abstehenden T\u00f6nen Rauhigkeiten auf treten, da sich in einer zusammengesetzten Welle immer h\u00f6here und niedrigere Gipfel, also in diesem Sinne Maxima und Minima, befinden. Und wenn durch die wachsende Zahl der St\u00f6\u00dfe Grenzen der Wahrnehmung gesetzt werden, so w\u00e4re doch kein Grund einzusehen, warum die H\u00f6chstzahl, bei der die Rauhigkeit verschwindet, sich mit der absoluten H\u00f6he verschieben m\u00fc\u00dfte, wie dies tats\u00e4chlich der Fall ist. Die Entstehung der Schwebungen mu\u00df vielmehr darauf beruhen, da\u00df 1. durch jeden physikalisch einfachen Ton eine gewisse Zone des Perzeptionsorgans im inneren Ohre erregt wird, da\u00df 2. bei Einwirkung zweier nicht zu weit voneinander entfernten T\u00f6ne diese Gebiete ineinander \u00fcbergreifen, wobei daher innerhalb der gemeinschaftlichen Zone die Form der zusammengesetzten Schwingung zur Geltung kommt, da\u00df endlich 3. ein solches \u00dcbergreifen in den h\u00f6heren Lagen noch bei gr\u00f6\u00dferen Differenzen (aber abnehmenden Verh\u00e4ltnissen) der Schwingungszahlen stattfindet1).\nDemnach wird man auch die 3. These nicht wieder auf geben k\u00f6nnen. Eine physiologische Zerlegung in Komponenten, wie sie das ge\u00fcbte Ohr wahrnimmt, ist nicht blo\u00df als Hypothese, sondern als unerl\u00e4\u00dfliche Forderung festzuhalten. Irgendwo hinter dem Trommelfell mu\u00df eine klangzerlegende Einrichtung existieren. Was dem Bewu\u00dftsein unmittelbar an Klangmaterial gegeben wird, kann nicht absolut einfach sein, sondern' mu\u00df zum mindesten schon gewisse Bruchlinien auf weisen, nach denen es, wenn sich die analysierende Aufmerksamkeit darauf richtet, zerf\u00e4llt. Die M\u00f6glichkeit des Heraush\u00f6rens gerade dieser und keiner anderen Klangteile mu\u00df schon vor der letzten Schicht, an die unmittelbar Bewu\u00dftsein gekn\u00fcpft ist, geschaffen werden, wenn auch f\u00fcr das\nx) Vgl. Tonps. II, S. 455ff. Auerbach findet es (5, S. 621 ff.) nicht verst\u00e4ndlich, warum mir Schwebungen bei gro\u00dfen Intervallen, wie sie namentlich von Koenig behauptet wurden, bei einfachen T\u00f6nen ausgeschlossen erscheinen. Der Grund liegt in den obigen Erw\u00e4gungen. Leitet man Schwebungen direkt aus den Wellenformen her, was dem Physiker zun\u00e4chst nat\u00fcrlich erscheinen mag, dann sind allerdings Schwebungen auch bei beliebig gro\u00dfen Intervallen, z. B. 100 : 1200, zu erwarten, und zwar m\u00fc\u00dften in diesem Falle 100 (nicht 1100) resultieren, die man sehr gut m\u00fc\u00dfte h\u00f6ren k\u00f6nnen. Aber die Beobachtung zeigt davon bei einfachen T\u00f6nen nichts.","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\t14. Kap. Zur Physik und Psychologie der Sprachlaute.\nwirkliche Heraush\u00f6ren und die relativen Intensit\u00e4ten der heraus-geh\u00f6rten Bestandteile immer noch besondere Bedingungen und Gesetzlichkeiten ma\u00dfgebend sein werden.\nNur die 4. These ist noch nicht \u00fcber das Stadium der Hypothese, wenn auch einer der brauchbarsten im ganzen Gebiete der Sinnesphysiologie, hinausgewachsen. Es fragt sich noch immer, ob die Zerlegung durch Resonanz im eigentlichsten Sinne erfolgt, ob s\u00e4mtliche sukzessiv unterscheidbaren Tonh\u00f6hen durch besondere Gebilde in der Schnecke vertreten sein m\u00fcssen, und welches diese Gebilde sind. Die meisten der gegen die Hypothese gerichteten Einw\u00e4nde konnten jedoch entkr\u00e4ftet werden (vgl. Waetzmann 1 und 3). Verschiedentlich wurden Modelle gebaut, um durch m\u00f6glichst getreue Nachbildung der Verh\u00e4ltnisse in der Schnecke ihre analysierenden Leistungen zu veranschaulichen. Am schwersten d\u00fcrfte noch immer der Nachweis fallen, wie so winzige Teilchen wie die Easern der Grundmembran, auch wenn ihre starke Belastung durch den anatomischen Zusammenhang mit in Rechnung gezogen wird, auf die f\u00fcr uns h\u00f6rbaren Schallwellen, besonders die der tieferen und tiefsten T\u00f6ne, ansprechen k\u00f6nnen1). Von besonderer Wichtigkeit wT\u00e4ren daher Beobachtungen, wie sie Alfr. Mayer und Hensen anstellten, die angaben, direkt an den H\u00f6r- oder F\u00fchlh\u00e4rchen niederer Tiere (Krebse, Insekten) Reaktionen auf bestimmte T\u00f6ne beobachtet zu haben. Die Wiederholung solcher Beobachtungen w\u00e4re sehr erw\u00fcnscht, um die tats\u00e4chliche Resonanz so winziger Gebilde auf Schallwellen, seien es auch nur die h\u00f6chsten des Galtonpfeifchens, sicherzustellen. Vielleicht handelt es sich doch in der Schnecke nur um ein Analogon der physikalischen Resonanz, eine \u201ephysiologische Resonanz\u201c (Hermann), f\u00fcr welche die Pendelschwingungen der Teilchen im Labyrinth nur ein vorl\u00e4ufiges anschauliches Bild abgeben.\nAu\u00dfer der Grundmembran und den CoRTischen Pfeilern, oder beiden in Verbindung miteinander, sind auch die Deckmembran die H\u00f6rhaare, die Fasern des akustischen Nerven, endlich die Gehirnganglien, f\u00fcr die Zerlegungsfunktion herangezogen worden. Die meisten F\u00fcrsprecher findet aber immer wieder die Grundmembran. \u00dcber die Eigenschaften, die sie zu dieser Aufgabe besonders zu bef\u00e4higen scheinen, vgl. Hartridge, Brit. Journ. of Psych. Bd. 11 \u2014 13 (1921 \u2014 1922). Steeanini, Arch. ital. di otol., rinol. e laringol. Bd. 34. 1923. G. Wilkinson und A. A. Gray, The Mechanism of the Cochlea. 1924 (wo auch ein ausgearbeitetes Modell beschrieben ist). M. Giesswein, Die mechanischen Verh\u00e4ltnisse der Basilarmembran usw. in Passow-Schaefers Beitr. z. Anatomie usw. Bd. 22. 1925. Derselbe, Die\n1) Da\u00df bei Kindern schon im 2. Lebensjahre Vokal Verst\u00e4ndnis, ja sogar manchmal Leistungen eines guten musikalischen Geh\u00f6rs auftreten, bedeutet keine weitere Erschwerung der Theorie, da die Fasern der Grundmembran nach Hensen schon ganz fr\u00fch ihre definitive L\u00e4nge erreichen.","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"365\nZur physiologischen H\u00f6rtheorie.\nstatische Struktur des Cortischen Organs. Zeitschr. f. Hals-, Nasen- u. Ohrenheilk. Bd. 12. 1925. K. L. Schaefer und M. Giesswein im Handbuch der Hals-, Nasen-u. Ohrenheilk. v. Denker und Kahler Bd. 6, S. 462ff. 1926. H. Held, Die Cochlea usw. im Handbuch d. Physiol, v. Bethe u. a. Bd. 11, S. 467ff., bes. 526ff. 1926. E. Waetzmann, H\u00f6rtheorien, das. S. 667ff.\nW\u00e4hrend alle diese Autoren entschieden f\u00fcr die Resonanzfunktion der Basilarmembran eintreten, versucht F. Specht (Physiol, des H\u00f6rens, Arch, f. Ohren-, Nasen- u. Kehlkopfheilk. Bd. 114. 1925) eine radikale Umbildung der Vorstellungen sowohl \u00fcber die Leitung im Mittelohr als die Vorg\u00e4nge in der Schnecke. Er l\u00e4\u00dft einfach die Druckschwankungen der Luft, in denen der Ton besteht, sich in das Labyrinthwasser bis zu den H\u00f6rzellen fortpflanzen. Aber das Problem des Nebeneinanderh\u00f6rens und alle Modalit\u00e4ten dieses Nebeneinander scheinen mir dabei wieder zu kurz gekommen zu sein. Die Form der zusammengesetzten Schwingung, auf die er zur\u00fcckgreift (S. 64), reicht dazu nicht aus.\nDie vereinzelten Behauptungen \u00fcber Erhaltung der H\u00f6rf\u00e4higkeit nach Exstirpation der ganzen Geh\u00f6rkn\u00f6chelchenkette (worauf Specht seine Schl\u00fcsse gr\u00fcndet), ja sogar nach Zerst\u00f6rung oder Exstirpation des ganzen Labyrinths (Ewald, Wundt, neuerdings auch eine ganz nebenbei erw\u00e4hnte Beobachtung bei Minton, Proc. Nat. Acad, of Sciences U. S. A. Bd. 8, S. 278) k\u00f6nnen vorl\u00e4ufig bei weitem nicht unter die gesicherten Tatsachen gerechnet werden. Bei der labyrinthlosen Taube \u2014 wo es Wundt f\u00fcr zweifellos erkl\u00e4rte, da\u00df sie \u201etrotz der bereits teilweise eingetretenen Atrophie des H\u00f6rnerven genau ebenso ( ! ) auf Schallreize reagierte wie ein im Vollbesitz seiner peripherischen Sinnesapparate befindliches Tier\u201c \u2014 wird diese Meisterleistung doch wohl auf Tastempfindungen beruht haben.\nDie wunderbare Widerstandsf\u00e4higkeit des Geh\u00f6rorgans gegen funktionelle wie pathologische Attacken ist dem Verfasser am eigenen Leibe offenbar geworden. Weder die durch Wochen fortgesetzte stundenlange Beobachtung schriller Schwebungen (die nach Helmholtz dem H\u00f6rnerven sch\u00e4dlich w\u00e4ren), noch ebenso ausgedehnte Untersuchungen schneidender h\u00f6chster T\u00f6ne der Galtonpfeife (\u201ewie wenn ein Draht durch den Kopf gezogen w\u00fcrde\u201c \u2014 sagt Preyer), noch endlich eine dreimalige lebensgef\u00e4hrliche Erkrankung des rechten Ohres, die erste mit Splitterungen im Felsenbein und peinigenden Absonderungen nach dem Mittelohr, die zweite und dritte mit, eiteriger Mittelohrentz\u00fcndung, beide Male mit Perforation des Warzenfortsatzes nach vielen Parazentesen des Trommelfelles, vermochten das Geh\u00f6r zu sch\u00e4digen. Die letzte Erkrankung fiel in die Zeit des Beginnes vorliegender Untersuchungen. Dem leider inzwischen verstorbenen Kollegen Passow werde ich stets Dank wissen, da\u00df er in den ersten Kriegswochen, als es ihn dr\u00e4ngte, drau\u00dfen zu helfen, die Behandlung leitete, die zur vollen Genesung f\u00fchrte. Das rechte Ohr h\u00f6rt sogar noch etwas feiner als das linke, was mir fr\u00fcher nicht aufgefallen ist. Aber h\u00e4tte er die Geh\u00f6rkn\u00f6chelchen oder gar die Schnecke ausr\u00e4umen m\u00fcssen, so w\u00e4re dieses Buch doch wohl imgeschrieben geblieben.\nIn diese nun schon \u00fcber 60 Jahre w\u00e4hrende Diskussion treten wir hier nicht n\u00e4her ein, da die Sprachlaute nicht mehr Material daf\u00fcr bieten als beliebige andere Kl\u00e4nge. Es sei jedoch bemerkt, da\u00df die Verschiedenheiten der L\u00f6sungsversuche zum gro\u00dfen Teil auch mit verschiedener Problemstellung Zusammenh\u00e4ngen, indem man verschiedene akustische Tatsachen als vorzugsweise er-","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366\t14. Kap. Zur Physik und Psychologie der Sprachlaute.\nkl\u00e4rungsbed\u00fcrftig betrachtet. Viele verkennen doch die F\u00fclle der zu erkl\u00e4renden Einzelheiten und vor allem das Hauptproblem, wie es Helmholtz selbst vorschwebte.\nDieses liegt nicht etwa in der Unterscheidung isoliert oder in blo\u00dfer Aufeinanderfolge gegebener T\u00f6ne, sondern durchaus in der Zerlegung zusammengesetzter Schwingungen. W\u00e4re unser Geh\u00f6r dazu nicht f\u00e4hig, so bed\u00fcrften wir \u00fcberhaupt keiner weiteren Einrichtungen im Ohre, als solche zur Weiterleitung des Reizes und zu seiner Umwandlung in den Nervenvorgang erforderlich sind. Da\u00df verschiedene Wellenl\u00e4ngen verschiedene Empfindungen erregen, ist ebenso leicht begreiflich, wie da\u00df die Unterschiedsempfindlichkeit ihre Grenze hat. Man hat die Anzahl der Fasern in der Grundmembran der Schnecke, die Walde yer auf 18 000 sch\u00e4tzte, verglichen mit der Anzahl der sukzessiv unterscheidbaren T\u00f6ne: aber f\u00fcr diese Leistung brauchte die Grundmembran \u00fcberhaupt keine Faserung zu besitzen. Es w\u00e4re ferner auch f\u00fcr Helmholtz selbst nicht einmal n\u00f6tig gewesen, seine urspr\u00fcngliche Annahme, da\u00df die Corti sehen Pfeiler die analysierenden Teile seien, blo\u00df um deswillen aufzugeben, weil diese Gebilde den V\u00f6geln und Amphibien fehlen: denn niemand wei\u00df, ob V\u00f6gel und Amphibien zur Klangzerlegung bef\u00e4higt sind.\nNachdem aber nun einmal Klangzerlegung beim Menschen vorkommt und das gesuchte Organ diese Leistung vollbringen mu\u00df, so mu\u00df es allerdings auch noch zu zahlreichen anderen Leistungen f\u00e4hig sein. Und hier ist die Stelle, wo die rein ph\u00e4nomenologische Forschung wieder mitspricht, wo sie die Liste der Forderungen, d. h. der Tatsachen auf stellen mu\u00df, denen eine gute Hypothese zu gen\u00fcgen hat. Wir wollen im folgenden wenigstens die wesentlichsten darunter zusammenstellen:\na)\tDie genaue \u00dcbereinstimmung der bei der subjektiven Klangzerlegung auf tretenden Teilt\u00f6ne mit den objektiven Komponenten, wie sie die FouRiER-Analyse ergibt. Die musikalische Erfahrung w\u00fcrde in dieser Beziehung viele Abweichungen nahe-legen, da wir an die temperierte Stimmung gew\u00f6hnt sind, au\u00dferdem auch die Teilt\u00f6ne 7, 11 u. a. in dieser sog. nat\u00fcrlichen Stimmung nicht mit musikalisch gebr\u00e4uchlichen Intervallen zusammenfallen. Sie werden gleichwohl alle in der \u201enat\u00fcrlichen Stimmung\u201c geh\u00f6rt.\nb)\tDas Heraush\u00f6ren auch unharmonischer Teilt\u00f6ne, wenn entsprechende Komponenten objektiv gegeben sind. In dieser Beziehung weicht das Ohr von der FouRiER-Analyse ab oder geht \u00fcber sie hinaus, denn dort gibt es nur harmonische Komponenten, die Amplituden der unharmonischen verteilen sich auf die benachbarten harmonischen. (Solche Bestandteile heben allerdings, genau","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"Zur physiologischen H\u00f6rtheorie.\n367\ngesprochen, die strenge Periodizit\u00e4t des Schwingungsvorganges und damit die Voraussetzung der FoiTRiER-Analyse im Prinzip auf; aber wenn es sich nur um h\u00f6here und schw\u00e4chere unharmonische Teilt\u00f6ne handelt, wird der periodische Charakter doch gen\u00fcgend gewahrt bleiben, um die Rechnung anzuwenden. F\u00fcr die Resonanztheorie besteht hier \u00fcberhaupt keine Schwierigkeit).\nc)\tDie Schwebungen in allen ihren Details, auch den Schwebungst\u00f6nen (bzw. Zwischent\u00f6nen).\nd)\tDie Differenz- und Summationst\u00f6ne, auch diese reich an Einzelheiten.\ne)\tDas mit der H\u00f6he stetig abnehmende Volumen der einfachen T\u00f6ne.\nf)\tDie Gesamtheit der Schwellentatsachen in bezug auf gleichzeitige und aufeinanderfolgende T\u00f6ne.\ng)\tDie auffallende Vertiefung eines Stimmgabeltones durch objektive Verst\u00e4rkung (z. B. bei Ann\u00e4herung).\nh)\tDie gegenseitige subjektive Beeinflussung gleichzeitiger T\u00f6ne in ihrer St\u00e4rke.\ni)\tDie Unterschiede des zweiohrigen (amphotischen und di-chotischen) H\u00f6rens vom einohrigen.\nk)\tDie subjektiven T\u00f6ne, von etwa c1 aufw\u00e4rts in allen Tonh\u00f6hen vorkommend1).\nl)\tDie pathologischen Verstimmungen (Doppelth\u00f6ren usw.).\nm)\tDie normalen und pathologischen Ausfallserscheinungen, speziell die von der oberen Tongrenze abw\u00e4rts schreitenden und die Tonl\u00fccken.\nn)\tDie bei Tieren durch experimentelle Zerst\u00f6rung einzelner Teile der Schnecke (durch \u00fcberm\u00e4\u00dfige akustische Reizung oder anatomischen Eingriff) entstehenden Tonl\u00fccken2).\n1)\tBei vielen Personen scheinen solche Erscheinungen fast gar nicht vorzukommen, bei manchen dagegen, zumal wohl Neurasthenikern, sehr h\u00e4ufig. Ausf\u00fchrliches dar\u00fcber in m. Abh. 5. Die Theorie hat sie bisher fast unber\u00fccksichtigt gelassen, obgleich K. L. Schaefer 1909 (Verhandl. d. dtsch. otol. Ges. S. 22ff.) die \u00e4rztlichen Fachgenossen darauf hingewiesen hat. Erst bei J. P. Minton (Tinnitus etc., Phys. Review Bd. 22. 1923) finde ich eine Studie, die ihrer theoretischen Bedeutung Rechnung tr\u00e4gt. Die Verdeckung objektiver durch subjektive T\u00f6ne ist da auch experimentell untersucht. Die subj. Ger\u00e4usche, die immer ausgiebig behandelt wurden (auch neuestens von Gr\u00fcnberg), sind f\u00fcr den Arzt als Symptome ja wohl bedeutungsvoller und f\u00fcr den Patienten zumeist l\u00e4stiger. Aber theoretisch w\u00e4ren die scharf definierbaren subj. T\u00f6ne wichtiger. Manches leitet darauf hin, ihren Entstehungsort in den H\u00f6rh\u00e4rchen zu suchen.\n2)\tH. Held und F. Kleinknecht erzeugten zuletzt durch eine scharf begrenzte Operation an der Basilarmembran eine L\u00fccke von nur 2 T\u00f6nen. Handb. d. Physiol, v. Bethe usf. Bd. 11, S. 532. 1926.","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368\t14. Kap. Zur Physik und Psychologie der Sprachlaute.\n0)\tDer physiologische Unterschied von T\u00f6nen und Ger\u00e4uschen.\np) Die spezifischen oder zum mindesten graduell au\u00dferordentlich gro\u00dfen Unterschiede des Geh\u00f6rs vom Gesicht in bezug auf Abklingen, Nachbilder, Erm\u00fcdung, Induktion und Kontrast (der im eigentlichen Sinne, als gegenseitige qualitative Ver\u00e4nderung, bei T\u00f6nen fehlt).\nEinzelne dieser Tatsachengruppen, besonders die letzte, m\u00f6gen allerdings erst im Gehirn, speziell in der H\u00f6rsph\u00e4re, ihre Wurzeln haben. Sicher gilt dies aber von den musikalisch wichtigsten Erscheinungen, dem Auftreten der \u201emusikalischen Qualit\u00e4ten\u201c in den mittleren Lagen des Tonreiches, sowie dem Unterschiede von Konsonanz und Dissonanz und ihren Graden, f\u00fcr den die Schwebungen in keinem Fall ausreichen1), und den damit parallelgehenden Verschmelzungsstufen der Intervalle innerhalb der Oktave. Auch der so auffallende Geh\u00f6rs- und Gef\u00fchlsunterschied zwischen musikalischen und unmusikalischen Personen hat mit dem peripherischen Organ gewi\u00df nur wenig zu tun (man ist nicht auf dem einen Ohr musikalisch, auf dem anderen bei \u00fcbrigens normaler H\u00f6rf\u00e4higkeit unmusikalisch). Und so mu\u00df gewi\u00df noch manches auf Rechnung der zentralen Organisation geschrieben werden. Aber zun\u00e4chst wird man zweckm\u00e4\u00dfigerweise immer im peripherischen Organ nachsuchen, um nicht die Erkl\u00e4rung in ein noch dunkleres Gebiet zur\u00fcckzuschieben.\nEs bleibt immer erstaunlich, in welchem Umfange die Helm-HOLTZsche Hypothese den obigen zahlreichen Forderungen entgegenkommt, wenn auch \u00f6fters nur mit Hilfe von Zusatzhypothesen. Alle anderen Vorstellungsweisen, auch die ansprechende Ewald sehe Schallbildertheorie, bleiben weit davon entfernt. In einem Punkte hat man aber die Anforderungen an sie meistens sogar unn\u00f6tig \u00fcberspannt. Helmholtz selbst war keineswegs der Meinung, da\u00df auf einen einfachen Ton nur eine einzige Faser resoniere; er wu\u00dfte nat\u00fcrlich, da\u00df infolge der Resonanzbreite eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl auf einmal, und zwar bei T\u00f6nen von nicht verschwindender St\u00e4rke in gleicher Periodik wie der erregende Reiz, schwingen mu\u00df, also immer eine ganze Zone der Basilarmembran\n1)\tS. m. Beitr. z. Akust. u. Musikwiss. H. 1. \u00dcber speziellere Gr\u00fcnde f\u00fcr den zentralen Ursprung der Konsonanzerscheinungen vgl. auch das. H. 6, S. 120ff. (Zeitschr. f. Psych. Bd. 58, S. 325ff.).\nIn positiver Hinsicht scheint es mir jetzt richtiger, f\u00fcr die Definition statt der Verschmelzungstatsachen die der Verwandtschaft einfacher T\u00f6ne zugrunde zu legen, die aber ebenso wie die Verschmelzung nur zentralphysiologisch, also hypothetisch, zu erkl\u00e4ren ist. Eine solche Hypothese hat k\u00fcrzlich v. Hornbostel (2) sehr scharfsinnig und eingehend entwickelt. Doch bleiben daneben zun\u00e4chst noch andere Vorstellungen denkbar.","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"Zur physiologischen H\u00f6rtheorie.\n369\nauf den Reiz antwortet. Diese mu\u00df in gleichem Rhythmus schwingen wie der Reiz selbst (erzwungene Schwingungen). Und nicht minder ist anzunehmen, da\u00df die den einzelnen Fasern entsprechenden spezifischen Energien im Gehirn, von denen die H\u00f6he der geh\u00f6rten T\u00f6ne zuletzt abh\u00e4ngt, sich zu einem einzigen Erregungszust\u00e4nde vereinigen, da wir tats\u00e4chlich (abgesehen von der tiefsten Region, wo ein objektiv einfacher Ton eine kleine Tonh\u00f6henstrecke simultan auszuf\u00fcllen scheint) nur eine einzige, genau abgegrenzte Tonh\u00f6he vernehmen (\u201eAkkommodation der spezifischen Energien\u201c)1).\nNun aber ist die Frage, wie viele solcher hinreichend abgegrenzten Zonen sich gleichzeitig in der Grundmembran zu bilden verm\u00f6gen. Offenbar nur so viele, als ohne weitgehendes gegenseitiges \u00dcbergreifen, also ohne Erzeugung st\u00e4rkerer Schwebungen, gleichzeitig erregt werden k\u00f6nnen. Diese Anzahl wird verschieden sein, je nach der St\u00e4rke der Reize, bei schwachen gr\u00f6\u00dfer als bei starken. Bei einem m\u00e4\u00dfig starken Klange mit nach der H\u00f6he immer schw\u00e4cher werdenden Obert\u00f6nen ist die Anzahl dieser Zonen immerhin auf etwa 20 zu sch\u00e4tzen2). Die Teilt\u00f6ne von sehr hohen Ordnungszahlen werden aber auch bei schwacher Erregung wegen ihres dichten Beisammenliegens nicht leicht ganz schwebungsfrei bleiben. Man k\u00f6nnte auch k\u00fcnstlich eine Maximalzahl\nx) S. Tonps, II, 11 Iff. Die neuerdings mehrfach vertretene Anschauung, da\u00df die st\u00e4rksterregte Faser die Qualit\u00e4t der Empfindung bestimme (Wilkinson und Gray, Barkhausen und Lewicki, Budde), scheint mir auf dasselbe hinauszukommen.\nManche halten die Annahme spezifischer Energien f\u00fcr die einzelnen T\u00f6ne \u00fcberhaupt f\u00fcr \u00fcberfl\u00fcssig, gerade weil nach der Resonanzhypothese schon der Proze\u00df im peripherischen Organ f\u00fcr verschiedene T\u00f6ne verschieden sei (Weinmann unter Zustimmung Nagels). Aber die pathologischen Verstimmungen scheinen darauf hinzuweisen, da\u00df auch eine verstimmte, mit ver\u00e4nderter Schwingungszahl schwingende Faser infolge der festen spezifischen Energien des H\u00f6rzentrums die gleiche Tonempfindung wie in ihrem normalen Zustande zur Folge hat. Richtete sich die empfundene Tonh\u00f6he bedingungslos nach dem Erregungszust\u00e4nde im Organ, der seinerseits vom objektiven Reiz durch Resonanz bestimmt wird, so w\u00e4re ein Grund f\u00fcr Falschh\u00f6ren nicht einzusehen (1, I, 274ff., II, 108ff.).\n2) Hiermit h\u00e4ngt es offenbar zusammen, da\u00df man bei der Synthese der Vokale die hohen Teilt\u00f6ne nicht l\u00fcckenlos einf\u00fcgen darf, wenn nicht unnat\u00fcrlich rauhe Kl\u00e4nge herauskommen sollen (s. o. S. 178). Es bildet sich eben im Ohre nur eine geringere Zahl von Schwingungszonen, als f\u00fcr eine l\u00fcckenlose Reihe erforderlich w\u00e4re. Ja auch die Tatsache, da\u00df man aus musikalischen Kl\u00e4ngen unter den h\u00f6chsten Obert\u00f6nen durch willk\u00fcrliche Aufmerksamkeit immer nur einzelne, im Oktavenverh\u00e4ltnis zu tieferen stehende Teilt\u00f6ne heraush\u00f6rt (s. o. S. 13, Anm.), k\u00f6nnte damit Zusammenh\u00e4ngen. Die analysierende Aufmerksamkeit ist in ihrer Richtung und Wirkung durch die musikalischen Gewohnheiten des H\u00f6renden mitbestimmt,\nStumpf, Sprachlaute.\t24","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\t14. Kap. Zur Physik und Physiologie der Sprachlaute.\ngleich starker einfacher T\u00f6ne, von den tiefsten bis zn den h\u00f6chsten, hersteilen, deren Abst\u00e4nde so abgestuft w\u00fcrden, da\u00df die obige Bedingung bei gleichzeitigem Erklingen erf\u00fcllt w\u00e4re. Auch so d\u00fcrften kaum mehr als etwa 25 herauskommen.\nDiese Erw\u00e4gungen und Kriterien scheinen mir f\u00fcr die weitere Ausgestaltung der Helmholtz sehen Grundvorstellungen nicht ohne Belang, sofern sie die an die anatomische und funktionelle Selbst\u00e4ndigkeit der Membran teile zu stellenden Anforderungen pr\u00e4zisieren.\nEine andere Frage ist es, wie viele von diesen selbst\u00e4ndig schwingungsf\u00e4higen Fasergruppen sich nun auch in der Sinneserscheinung selbst als gleichzeitige und gleichzeitig unterschiedene T\u00f6ne geltend machen. Tats\u00e4chlich k\u00f6nnen auch Gutmusikalische kaum mehr als 4\u20145 T\u00f6ne streng gleichzeitig durch die Aufmerksamkeit deutlich nebeneinander wahrnehmen; der \u00fcbrige Bestand eines l\u00e4nger dauernden Klanges oder Zusammenklanges wird nur sukzessive erfa\u00dft. Aber daraus darf man nat\u00fcrlich nicht schlie\u00dfen, da\u00df die Sonderung der Erregungen im Geh\u00f6rorgan sich nur auf 4\u20145 Zonen der Basilarmembran zu erstrecken brauche. Denn diese analysierende Bewu\u00dftseinsleistung vollzieht sich zweifellos erst im Gehirn, das Ohr hat nur die Vorarbeit zu leisten. Es hat die durch Aufmerksamkeitswanderung unterscheidbaren Teile zur jederzeitigen Auswahl richtig gestimmt bereitzuhalten. Die physiologische Sonderung der Komponenten kann nicht erst die Folge oder Begleiterscheinung des Heraush\u00f6rens sein : die Kl\u00e4nge und Zusammenkl\u00e4nge m\u00fcssen bereits ihre ganz bestimmte Struktur besitzen, ehe die aussondernde T\u00e4tigkeit des Bewu\u00dftseins beginnt, und es m\u00fcssen so viele selbst\u00e4ndig erregte Teile nebeneinander existieren, als Komponenten bei gen\u00fcgender Dauer des Klanges herausgeh\u00f6rt werden k\u00f6nnen.\nF\u00fcr Ger\u00e4usche w\u00e4re gem\u00e4\u00df ihrer physikalischen Beschaffenheit im Rahmen der Resonanzhypothese ein \u00fcber ein breites Gebiet der Membran stetig ausgedehnter, in den einzelnen Punkten aber schwacher und von Punkt zu Punkt verschiedener Erregungszustand anzunehmen. In der letzteren Eigenschaft w\u00fcrde der wesentlichste physiologische Unterschied gegen\u00fcber den T\u00f6nen bestehen : bei diesen, selbst sehr schwachen noch h\u00f6rbaren T\u00f6nen, versetzt ein Sinuswellenzug von bestimmter Wellenl\u00e4nge\nwenn es sich auch keineswegs um ein blo\u00dfes Hineinh\u00f6ren handelt, sondern nur das herausgeh\u00f6rt werden kann und mit sinnlicher Lebhaftigkeit heraus-geh\u00f6rt wird, was tats\u00e4chlich darin enthalten ist. Ein derart begrenzter selektiver Einflu\u00df der Aufmerksamkeitsrichtung auf das Hervortreten bestimmter Zonen der Basilarmembran w\u00e4hrend des Schwingungsprozesses erscheint mir wohl denkbar.","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"Zur physiologischen H\u00f6rtheorie.\n371\neine gr\u00f6\u00dfere Anzahl benachbarter Fasern in einen identischen Schwingungszustand, w\u00e4hrend bei den reinen tonlosen Dauerger\u00e4uschen wahrscheinlich jede Faser durch den ihr ad\u00e4quaten schwachen Reiz zu ihrer Eigenschwingung angeregt wird. Im Gehirn aber summieren sich die Intensit\u00e4ten der einzelnen Ger\u00e4uschteile, w\u00e4hrend bei den T\u00f6nen im wesentlichen vielmehr eine Subtraktion, und zwar allem Anscheine nach schon in der Schnecke selbst, stattfindet (12. Kap.). Jene Summation verhindert aber nicht, da\u00df in einem beschr\u00e4nkten Ma\u00dfe auch Ger\u00e4usche subjektiv in mehrere (2\u20143) gleichzeitige gr\u00f6ber unterschiedene Gruppen zerlegt werden k\u00f6nnen (o. S. 128, 135).\nWenn nun Koehler die Ohm-Helmholtz sehe Theorie eine \u201eblo\u00df summative\u201c nennt, so trifft eine solche Benennung auch auf eine in dieser Weise ausgestaltete Vorstellung insofern zu, als sie den Klang in der Schnecke aus einer Summe relativ selbst\u00e4ndiger, r\u00e4umlich gesonderter Teilschwingungen bestehen l\u00e4\u00dft. Wenn er aber eine solche blo\u00df summative Theorie f\u00fcr ungen\u00fcgend erkl\u00e4rt, um den einheitlichen Eindruck und die qualitativen Verschiedenheiten der Vokale, der Kl\u00e4nge \u00fcberhaupt, daraus zu verstehen, so m\u00f6chte ich glauben, da\u00df die beiden gro\u00dfen Forscher ihr Ziel so hoch \u00fcberhaupt nicht gesteckt hatten. Ohm, der sich selbst f\u00fcr ganz und gar unmusikalisch erkl\u00e4rte und der einen geigenspielenden Freund zu Hilfe rufen mu\u00dfte, um an seiner Stelle eine Beobachtung \u00fcber die Oktave zu machen, wollte sicherlich nicht behaupten, da\u00df ihm beim H\u00f6ren eines Trompetenklanges eine Anzahl verschiedener Teilt\u00f6ne nebeneinander, sozusagen nur durch ein Pluszeichen verbunden, deutlich unterschieden im Bewu\u00dftsein gegeben w\u00e4ren. Aber auch Helmholtz h\u00e4tte dieser Formulierung schwerlich zugestimmt. Er lie\u00df die Empfindung mit allen ihren Eigenschaften erst in der Hirnrinde zustande kommen und verlangte nur (unseres Erachtens mit Recht), da\u00df schon vorher eine rein physiologische Zerlegung stattfinden m\u00fcsse, durch welche die M\u00f6glichkeit des mehrheitlichen H\u00f6rens f\u00fcr das Bewu\u00dftsein gegeben und die herauszuh\u00f6renden Tonh\u00f6hen vorausbestimmt w\u00fcrden. Aber sicher hat er nicht geglaubt, mit dieser Zerlegung im Ohre schon alles erkl\u00e4rt zu haben. Die Regeln, die er f\u00fcr den Zusammenhang der Klangfarbenunterschiede mit den Verschiedenheiten der Teiltonstruktur gibt, sind rein empirisch gefa\u00dft und umgehen die Frage nach dem Warum. Er d\u00fcrfte erst in der Hirnrinde die Faktoren gesucht haben, die aus der blo\u00dfen Summe ein Ganzes machen und dessen s\u00e4mtliche Eigenschaften endg\u00fcltig bestimmen. Jedenfalls kann man seine Lehre in dieser Richtung zu erg\u00e4nzen versuchen, ohne sie um dessentwillen im Prinzip umzusto\u00dfen.\n24*","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372\t14. Kap. Zur Physik und Physiologie der Sprachlaute.\nNun bleibt nur noch der 5., rein psychologische Streitpunkt. Helmholtz lie\u00df die Mehrheit der Teilt\u00f6ne, wie er sie im Ohr statuierte, auch in dem Geh\u00f6rseindruck selbst noch bestehen. Erscheint uns der Klang einheitlich, so werden sie zwar geh\u00f6rt, aber nicht als Teile des Geh\u00f6rten bemerkt. Er unterschied daher mit Leibniz Perzeption und Apperzeption. Ich halte auch diese Seite seiner Lehre f\u00fcr unbedenklich, ja aus allgemeineren psychologischen Gr\u00fcnden f\u00fcr unumg\u00e4nglich. Aber sie ist mit seiner physiologischen H\u00f6rtheorie nicht untrennbar verwachsen. Wer unbemerkte Teilinhalte unserer Empfindungen leugnet, braucht nur an Stelle jener \u201ePerzeption\u201c einen reinen Gehirnzustand zu setzen, der keine psychologische Seite h\u00e4tte, gewisserma\u00dfen ein Vorzimmer des Bewu\u00dftseins, in dem die Teile als solche noch vorhanden sind, aus welchen dann aber unter bestimmten Umst\u00e4nden erst jener letzte Rindenproze\u00df hervorgeht, dessen psychisches \u00c4quivalent der bewu\u00dfte Klangeindruck mit allen seinen Klangeigenschaften ist. Solange nur die hier besprochenen Tatsachen in Frage kommen, hat es keinen Zweck, dar\u00fcber zu disputieren. Doch verhehle ich nicht, da\u00df mir dem gesamten Tatsachenkreise der Psychologie nur die Anerkennung unbemerkter Teilinhalte (die aber mit der Behauptung unbewu\u00dfter psychischer Funktionen keineswegs zusammenf\u00e4llt) zu gen\u00fcgen scheint.\nKoehler bek\u00e4mpft die \u201esummative Theorie\u201c aber nicht blo\u00df wegen der unbemerkten Teilerscheinungen, sondern auch wegen der Unm\u00f6glichkeit, daraus Tatsachen wie die Intervall- und Akkordf\u00e4rbungen und vor allem die Vokalqualit\u00e4ten abzuleiten. Diese Eigenschaften seien nun und nimmer aus blo\u00dfer Summierung der elementaren Toneigenschaften zu verstehen. In dieser Behauptung hat er vollkommen recht. Aber man mu\u00df hinzuf\u00fcgen, da\u00df auch die Anerkennung der von ihm selbst beobachteten Vokalit\u00e4ten der einfachen T\u00f6ne nicht zu diesem Ziele f\u00fchrt. Denn wie sollten \u00d6 und \u00dc durch blo\u00dfe Summierung jener Urvokalit\u00e4ten zustande kommen? Wie sollten \u00c4, aber auch schon A und 0 durch Summierung der Vokaleigenschaften der darin enthaltenen Teilt\u00f6ne entstehen, bzw. als deren Summe begriffen werden ? In der Tat k\u00f6nnten diese ohnehin so schwachen Vokalf\u00e4rbungen einfacher T\u00f6ne ebensogut ganz fehlen: das Problem w\u00e4re das n\u00e4mliche. Es m\u00fcssen eben, worauf K. wieder mit Recht hinweist (3, S. 456, 462), nach der Zerf\u00e4llung einer Schalleinwirkung in Sinusschwingungen noch ganz spezifische Prozesse hinzukommen, um diese Neubildungen zu erzeugen. Helmholtz hat dar\u00fcber keine Vermutungen ausgesprochen; wir glaubten, einige Gesetzlichkeiten \u00fcber diese Prozesse formulieren","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"Zur physiologischen H\u00f6rtheorie.\n373\nzu k\u00f6nnen. Aber wenn seine Voraussetzungen, wie wir sie unter 1 \u2014 5 aufz\u00e4hlten, keine Bestimmungen dar\u00fcber einschlie\u00dfen, so hindert dies doch nicht, da\u00df sie innerhalb der Sph\u00e4re und f\u00fcr die Tatsachen, auf die sie zugeschnitten sind, g\u00fcltig bleiben. In allen F\u00e4llen d\u00fcrfen wir auf diese h\u00f6chst wertvollen sogenannten \u201esum-mativen\u201c Vorstellungsweisen nicht eher verzichten, als bis eine neue, noch leistungsf\u00e4higere geschaffen ist.\nDurchaus zustimmen mu\u00df ich aber Koehler darin, da\u00df die von mir selbst fr\u00fcher versuchte Erweiterung und Vertiefung der Helmholtz sehen Klangfarbenlehre durch die Lehre von den Tonfarben, so wie ich sie damals definierte, noch nicht ausreichte, um den Erscheinungen speziell im Gebiete der Vokal -f\u00e4rbungen voll gerecht zu werden. Die Erkenntnis dieser Unzul\u00e4nglichkeit ist es wohl auch gewesen, von der seine kritische Stellungnahme sich auf die Helmholtz sehe Grundlegung ausdehnte. Ich hoffe aber, die L\u00fccke durch die voranstehenden Untersuchungen nach Kr\u00e4ften ausgef\u00fcllt zu haben; auch wird uns das folgende Kapitel noch einmal auf diese allgemeinere Frage zur\u00fcckf\u00fchren.","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"15. Kapitel (Anhang).\n\u00dcber Instrmnentalkl\u00e4nge.\nObschon die meisten Methoden der Vokalforschung sich ohne weiteres auf Instrumentalkl\u00e4nge \u00fcbertragen lassen, liegen doch seit Helmholtz, der auch hier den Hauptfortschritt vollzog, abgesehen von rein physikalischen Studien \u00fcber Saitenschwingungen oder die Luftbewegung in Pfeifen, nur wenige Experimentaluntersuchungen dar\u00fcber vor ; ausf\u00fchrlichere nur von Ritz, Meissner, Herrmann-Goldap, Koehler (1, I), Miller. Nach Helmholtz sind bekanntlich f\u00fcr instrumentale Klangfarben nicht die absoluten H\u00f6hen der Teilt\u00f6ne ma\u00dfgebend, sondern ihre Ordnungszahlen, d. h. bestimmte Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse innerhalb der Reihe, also nach unserem Ausdrucke \u201ebewegliche Formanten\u201c. Es sind aber auch hier gelegentlich feste und sogar unharmonische Formanten behauptet worden (Meissner, Herrmann-Goldap). Nach der psychologischen Seite hin versuchten der Verfasser und Koehler HELMHOLTzens Lehre weiter auszubauen.\n1. Erkennen instrumentaler Klangfarben.\nEs ist sehr gebr\u00e4uchlich, Klangfarbe als dasjenige zu definieren, was Kl\u00e4nge verschiedener Instrumente bei gleicher Tonh\u00f6he noch voneinander unterscheidet. Aber schon Helmholtz, dann auch der Verfasser, wiesen darauf hin, da\u00df hierbei noch viele andere Kennzeichen mitwirken: begleitende Ger\u00e4usche infolge der Art der Tonerzeugung, Ansatz und Verlauf des Klanges, durchschnittliche oder maximale St\u00e4rke der Tongebung, charakteristische Rhythmen und Figuren der Tonbewegung usf. Diese Momente wollen wir \u00e4u\u00dfere nennen, die in der Teiltonstruktur hegenden innere.\nUm nun zun\u00e4chst einen genaueren Begriff zu bekommen, wieviel von der Urteilssicherheit, die sich bei guten Kennern findet, auf innere, wieviel auf \u00e4u\u00dfere Merkmale zur\u00fcckzuf\u00fchren ist, stellte ich (1910) Versuche an, bei denen die vom Ansatz und Verlauf des Klanges abh\u00e4ngigen Kennzeichen dadurch ausgeschlossen wurden, da\u00df nur ein zeitliches Mittelst\u00fcck des Klanges","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"Erkennen instrumentaler Klangfarben.\n375\nausgeschnitten und 2 Sekunden lang dargeboten wurde. In den gegen\u00fcberliegenden W\u00e4nden zweier durch einen Korridor getrennten Zimmer (I und II im Schema oben S. 44) wurden \u00d6ffnungen von je 20 qcm angebracht, deren Weite die Gefahr einer Ver\u00e4nderung der Klangfarbe, wie sie bei R\u00f6hrenleitungen gerade besonders f\u00fcr Instrumente besteht, ausschlo\u00df. Diese \u00d6ffnungen waren mit gef\u00fctterten Klappen versehen, die bei der Intonation des Instrumentes geschlossen waren, dann f\u00fcr die angegebene kurze Zeit ge\u00f6ffnet wurden. Im 1. Zimmer wurden in bunter Reihenfolge die Kl\u00e4nge folgender Instrumente angegeben: Fl\u00f6te, Fagott, Posaune, Oboe, Klarinette, Tenorhorn, Waldhorn, Trompete, Kornett, Violine, Cello, Resonanzstimmgabel. Unter diesen stehen die der Blechinstrumente einander dem Klange nach relativ nahe, sonst aber sind die Verschiedenheiten gro\u00df genug. Da\u00df diese Instrumente Vorkommen konnten, war den Urteilenden bekannt, aber nicht, welche davon in einer bestimmten Versuchsreihe vorkamen und in welcher Ordnung. Die Tonh\u00f6hen lagen in der kleinen bis 2-gestr. Oktave, je nachdem sie f\u00fcr die jeweiligen Instrumente am meisten gebr\u00e4uchlich und charakteristisch waren1). Die Urteilenden waren: H., vorz\u00fcglicher Akustiker und Musikforscher; F., gleichfalls akustisch gut vorgebildet und zugleich Komponist; B., Klavierlehrer an der Hochschule f\u00fcr Musik und Dirigent; Ha., Milit\u00e4rmusikdirektor ; M., Instrumentenmacher und Lieferant von Blasinstrumenten f\u00fcr Milit\u00e4rmusik.\n2 Vorreihen, bei denen nur M. urteilte und nur Blasinstrumente vorkamen, die er selbst geliefert hatte, ergaben unter 22 F\u00e4llen nur 7 Fehlurteile (Fl\u00f6te verwechselt mit Oboe, Waldhorn mit Posaune, Trompete mit Kornett und Klarinette, sowie Kornett mit Trompete und Oboe). Eine 3. Reihe lieferte unter 27 F\u00e4llen bei F. nur 1 Fehlurteil, bei H. dagegen 12, bei M. 13. Eine 4\u2018. Reihe unter 37 F\u00e4llen bei Ha. 15, bei B. 17, bei H. 24 Fehlurteile; darunter nicht blo\u00df naheliegende Verwechselungen, wie Fl\u00f6te mit Stimmgabel, Kornett mit Trompete, Posaune mit Horn, Klarinette mit Oboe, Fagott mit Cello, sondern auch solche zwischen Stimmgabel und Trompete bzw. Kornett, Viohne und Waldhorn bzw. Fagott, Fl\u00f6te und Fagott,\nx) Man k\u00f6nnte hier einen Versuchsfehler finden, sofern immer dieselbe Tonh\u00f6he h\u00e4tte ben\u00fctzt werden m\u00fcssen. Dies w\u00e4re auch richtig, wenn es sich um eine vergleichende Analyse der Klangverschiedenheiten gehandelt h\u00e4tte. Aber hier kam doch auch in Betracht, da\u00df die verschiedenen Instrumente ihre bezeichnendsten Farben in verschiedener Tonlage haben. Andererseits mu\u00dfte auch vermieden werden, da\u00df aus der Lage selbst Schl\u00fcsse gezogen wurden. Es wurde daher ein Mittelweg eingeschlagen, indem die disponiblen T\u00f6ne in bestimmte mittlere Grenzen eingeschr\u00e4nkt wurden.\nAuch die St\u00e4rke der Klanggebung wurde in mittleren Grenzen gehalten.","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"376\n15. Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\nVioline und Oboe. Einer h\u00f6rte mit Vorliebe ein Englisch-Horn, obgleich dieses niemals vorkam, ein anderer wieder elektrische Gabeln, je nach der subjektiven Einstellung. Am besten wurden Fl\u00f6te, Klarinette, Fagott und Waldhorn erkannt.\nAus diesen etwas summarischen Versuchen, die nur eine erste Vorstellung von dem Sachverhalt geben sollten, geht doch soviel hervor, da\u00df die individuellen Unterschiede im Erkennen von Instrumenten aus der reinen Klangstruktur auch unter sehr Musikalischen und Ge\u00fcbten noch bedeutend sind, da\u00df manche selbst unter so schwierigen Umst\u00e4nden gro\u00dfe Sicherheit, andere aber unerwartete Ratlosigkeit zeigen, da\u00df also nur aus dem Zusammenwirken der \u00e4u\u00dferen Klangmerkmale mit den inneren bei solchen, die zeitlebens ihre Aufmerksamkeit den Eigent\u00fcmlichkeiten der einzelnen Instrumente zugewandt und sich etwa auch mit der Handhabung der wichtigsten vertraut gemacht haben, eine hervorragende Urteilssicherheit entsteht. Man darf daher auch nicht erwarten, da\u00df die akustische Analyse hier so einfache und \u00fcbersichtliche Verh\u00e4ltnisse zutage f\u00f6rdere, wie bei den Vokalen, deren Unterscheidung auch bei kurzer Darbietung den meisten Erwachsenen keine Schwierigkeiten macht.\n2. Hauptergebnisse bez\u00fcglich der Klangstrukturen.\nEs wurden nun, nachdem die Vokaluntersuchungen zu einem gewissen Abschl\u00fcsse gediehen waren (Anfang 1916), die dort angewandten 3 Methoden: Resonanzversuche mit nachklingenden Stimmgabeln, Interferenzversuche, Synthesen aus einfachen T\u00f6nen, auch auf Instrumentalkl\u00e4nge ausgedehnt. Aber die Mannigfaltigkeit der Instrumente ist gewaltig, auch wenn man sich auf die der gegenw\u00e4rtigen europ\u00e4ischen Musik beschr\u00e4nkt \u2014 denken wir nur an die noch immer wachsende Menge der Orgelregister mit den wunderbarsten Klangfarben, deren jedes eigentlich ein besonderes Instrument darstellt \u2014, und man hat sie nicht so leicht wie die Vokale zur jederzeitigen Verf\u00fcgung im Laboratorium. Vom Klavier mu\u00dfte abgesehen werden. Darum blieb die Untersuchung hier fragmentarisch1). Aber auch die Anwendung unserer Methoden machte hier \u00f6fters Schwierigkeiten, von denen noch zu reden sein wird. Gleichwohl scheinen gewisse allgemeine Z\u00fcge daraus hervorzugehen, die eine Stellungnahme zu den oben erw\u00e4hnten Fragen gestatten und zugleich aufs neue die gemeinschaftlichen Grundlagen der vokalen und instrumentalen Klangfarben erkennen lassen.\ni) Sie wird gegenw\u00e4rtig von Dr. Erich Schumann, der mir auch bei den letzten Kontrollversuchen 1926 geholfen hat, fortgesetzt.","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"Hauptergebnisse bez\u00fcglich der Klangstrukturen.\n377\nEs wurden untersucht: A- und B-Klarinette, Fagott und Kontrafagott, Tenorposaune, B-Trompete, Waldhorn in F, Fl\u00f6te und Pikkolo, Oboe, Viola (als ein mittleres Streichinstrument) und der Klang eines akustischen Zungenapparates von der Art der bekannten Appunn sehen Tonmesser. Wir stellen sogleich die wichtigsten Ergebnisse voran:\na)\tMusikalische Instrumente, besonders Blasinstrumente, haben oft eine unerwartet gro\u00dfe Zahl von Teilt\u00f6nen. In der tiefen Lage k\u00f6nnen es \u00fcber 30 sein.\nb)\tAuch hier fanden sich bei den untersuchten Instrumenten nur harmonische Teilt\u00f6ne.\nc)\tAuch hier waren mehrfach relativ feste, von der H\u00f6he des Grundtones unabh\u00e4ngige St\u00e4rkemaxima bemerkbar.\nDie festen Maxima freilich, welche Herrmann-Goldap angibt, stimmen mit den hier gefundenen (s. u.) zumeist wenig \u00fcberein. Aber seine Arbeit ist bereits von Koehler einer scharfen Kritik unterzogen worden und l\u00e4\u00dft in der Tat trotz guter Bemerkungen im einzelnen an Beweiskraft vieles zu w\u00fcnschen, wenngleich man zugeben mu\u00df, da\u00df die meisten Tabellen, wenn die Werte richtig bestimmt sind, mit einem festen Intensit\u00e4tsVerh\u00e4ltnis, wie es Helmholtz verlangt, unvereinbar sind. F\u00fcr das Waldhorn scheint geradezu ein festes Maximum bei es1 \u2014es2 und f\u00fcr die Oboe ein solches bei g3 \u2014 c4 aus seinen Tabellen hervorzugehen. Bei der Klarinette hingegen sind auf den Grundt\u00f6nen a1 bis e2 regelm\u00e4\u00dfig Grundton und Duodezime verst\u00e4rkt, ganz im Sinne von Helmholtz (der g1-Klang f\u00e4llt aus der Reihe, er hat in H.-G.s Tabellen \u00fcberhaupt keine Duodezime). Bei den \u00fcbrigen Instrumenten ist das einzige, was klar aus den Tabellen hervorgeht, die Verschiebung des Amplitudenmaximums gegen den Grundton hin mit wachsender H\u00f6he des Klanges; eine bedeutsame Tatsache, die aber mit den festen Maximis an sich nichts zu tun hat und von H.-G. nicht erkannt wurde. F\u00fcr die schw\u00e4cheren Kl\u00e4nge der Fl\u00f6te und Violine ben\u00fctzte er das Phonoskop von Weiss, aber offenbar in noch unvollkommener Methodik, da er bei der Violine selbst in der tiefsten Oktave g\u2014g1 fast \u00fcberall nur 2 \u2014 3 Teilt\u00f6ne fand, wobei die Aufnahmen auch noch als \u201esehr gut\u201c bezeichnet werden. Aus solchen Aufnahmen l\u00e4\u00dft sich \u00fcberhaupt nichts schlie\u00dfen.\nd)\tDiese St\u00e4rkemaxima sind aber hier nicht das haupts\u00e4chlich Ausschlaggebende, sondern noch wesentlicher ist eine von der H\u00f6he des jeweiligen Grundtones abh\u00e4ngige, nur relativ zu diesem gleichbleibende Gruppe von Teilt\u00f6nen. Diese m\u00f6ge hier als Hauptformant bezeichnet werden, die festen St\u00e4rkemaxima dagegen, wo sie vorhanden sind, als Nebenformanten. Zur vollen Charakteristik des Klanges sind aber auch sie erforderlich, ebenso wie die Nebenformanten bei den Vokalen.\nDie Hauptformanten sind also hier beweglich, die Nebenformanten fest. F\u00fcr die ersten war Helmholtz, f\u00fcr die letzten waren seine Gegner im Rechte.","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"378\t15. Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\nDie Hauptformanten erstrecken sich in der Regel vom 4. bis zum 6. Teilton, d. h. also: die spezifische Klangfarbe (im engeren Wortsinn) ist mit 6 Teilt\u00f6nen in den richtigen St\u00e4rke Verh\u00e4ltnissen f\u00fcr Urteilsf\u00e4hige erkennbar. Doch ist hier die obere Formant-grenze weniger genau anzugeben als die untere.\ne) Die Klangfarbe besitzt jedoch damit in der Regel noch nicht ihre volle Auspr\u00e4gung. Dazu m\u00fcssen zumeist noch h\u00f6here Tongruppen hinzukommen, und unter diesen findet sich nach Umst\u00e4nden auch wieder ein fester, an absolute H\u00f6hen gebundener Nebenformant: so bei der Klarinette und dem Fagott der \u201eN\u00e4sel-formant\u201c, der vom Ende der 3-gestrichenen Oktave beginnt und sein Zentrum in d4 hat.\nAn diesen Aufstellungen ist besonders wichtig, da\u00df der Haupt-formant nicht immer zugleich den schlechthin st\u00e4rksten Teilton einschlie\u00dfen mu\u00df. Er mu\u00df nur diejenigen Teilt\u00f6ne einschlie\u00dfen, die (in ihrem Zusammenwirken mit den tieferen Teilt\u00f6nen, besonders dem Grundton) f\u00fcr den Klangcharakter des Instrumentes den Ausschlag geben, also sozusagen die st\u00e4rkste f\u00e4rbende Kraft unter diesen Umst\u00e4nden haben. Ein relatives Maximum wird freilich die T\u00f6ne des Hauptformanten vor ihren Nachbarn auszeichnen, aber es braucht nicht das absolute in der ganzen Klangmasse zu enthalten. Wir haben schon bei den Yokalen vermutet, da\u00df die ausschlaggebenden T\u00f6ne nicht immer und notwendig zugleich die energetisch st\u00e4rksten seien (o. S. 214). Noch deutlicher fand sich dies bei den Konsonanten, wo die Ger\u00e4uschmaxima wahrscheinlich in der Gegend der direkt wahrnehmbaren Tonh\u00f6hen liegen, die Formanten aber sich h\u00f6her hinauf erstrecken (o. S. 166).\nDas Gesagte werde nun an konkreten, nach unseren 3 Methoden geordneten Beispielen erl\u00e4utert.\n3. Resonanzversuche.\nHier ist, wie bei den Vokalen, zu beachten, da\u00df die Angaben sich nur auf Kl\u00e4nge in unmittelbarer N\u00e4he und gro\u00dfer St\u00e4rke beziehen, da die Resonanzgabeln dicht an die Klang\u00f6ffnung des Instrumentes gehalten wurden, um alle in dem Klang enthaltenen Teilt\u00f6ne festzustellen. Auch die technischen Ma\u00dfnahmen waren die n\u00e4mlichen. Eine Schwierigkeit lag darin, da\u00df die genaue Abstimmung des Grundtones zu den verf\u00fcgbaren Gabeln als Teilt\u00f6nen bei den Blasinstrumenten nicht so leicht wie bei der menschlichen Stimme zu erzielen war. Wir k\u00f6nnen daher f\u00fcr die gewonnenen St\u00e4rkezahlen im einzelnen nicht immer dieselbe Garantie \u00fcbernehmen wie dort und beschr\u00e4nken uns auf die Mitteilung der gesichert erscheinenden Befunde.","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"Resonanz versuche.\n379\na)\tDie Tenorposaune hat sowohl auf c als auf c1 eine ununterbrochene Reihe harmonischer Teilt\u00f6ne bis c5, darunter am st\u00e4rksten und \u00fcberhaupt von au\u00dferordentlicher St\u00e4rke (bis zu 5) beide Male die T\u00f6ne von c1 bis e3, Auf c \u00fcbertrafen c2 und e2, auf c1 c2 und <72 die \u00fcbrigen noch etwas an St\u00e4rke. F\u00fcr den Grundton c1 lag auch noch ein 2. Maximum bei d4.\nHier wurde auch der Versuch gemacht, alle Gabeln auf einmal zur Resonanz zu bringen (vgl. o. S. 32): wirklich erklangen beim Grundton c alle Gabeln von c1 bis gz in einem vollen Akkord. Aber bei der r\u00e4umlichen Trennung der Gabeln war der Eindruck nicht einheitlich genug, um den Posaunenklang synthetisch naturgetreu wiederzugeben.\nb)\tDie B-Trompete hat auf c1 und c2 gleichfalls eine ununterbrochene Teiltonreihe bis c5, und selbst die h\u00f6chsten sind noch bedeutend \u00fcbermerklich (etwa D/J- Die Hauptmaxima liegen f\u00fcr c1 bei c2 und g2, f\u00fcr c2 bei c2 und c3. Im letzteren Falle folgt aber noch ein Maximum bei c4 und e4. Auf dem selten (z. B. im Parsifal) beanspruchten c3 hat c5 immer noch die St\u00e4rke V-/2.\nc)\tDie B-Klarinette hat auf c1 und c2 wiederum eine fast ununterbrochene Reihe von Teilt\u00f6nen; wir sagen hier \u201efast\u201c, weil auf c1 der 2. Teilton c2 in \u00dcbereinstimmung mit der physikalischen Theorie ausf\u00e4llt. Auf c2 ist aber der 2. Teilton da (c2 = 4, c3 = 2, gz = 3), und die h\u00f6heren geradzahligen Teilt\u00f6ne sind in beiden F\u00e4llen nur wenig schw\u00e4cher als die sie umgebenden ungeradzahligen.\nDieser Befund steht im Widerspruch mit der gew\u00f6hnlichen Meinung, da\u00df der Klarinette schlechtweg die geradzahligen Teilt\u00f6ne fehlen, weil in zylindrischen R\u00f6hren solche nicht zustande kommen k\u00f6nnen. Meines Wissens hat nur Meissner in seiner hinterlassenen Abhandlung (S. 595) eine \u00f6ntgegengesetzte Angabe gemacht. Aber die Klarinetten sind eben, wie C. Sachs bei Erw\u00e4hnung unserer Ergebnisse bemerkt (S. 332), nicht rein zylindrisch. Sachs f\u00fcgt bei: ,,J\u00eb mehr man \u00fcberbl\u00e4st, desto st\u00e4rker werden die geradzahligen, daher der Glanz h\u00f6herer Lagen.\u201c Bei einem c3 resonierte in der Tat c4 sehr stark, bei einem /3 wurde /4 auch mit Interferenz isoliert und erwies sich so stark wie der Grundton selbst. Im \u00fcbrigen darf man nicht vergessen, da\u00df wenigstens die ersten geradzahligen Teilt\u00f6ne, der 2. und 4., auch als subjektive Differenzt\u00f6ne der ungeradzahligen hervorgebracht oder, wenn sie schon objektiv vorhanden sind, verst\u00e4rkt werden.\nDer Grundton ist hier immer stark, auch die Duodezime hat h\u00f6here St\u00e4rkegrade. Sehr stark ferner die 4-gestr. Oktave, namentlich <74, welches auf allen 3 Grundt\u00f6nen (c1, c2, c3) ein relatives","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380\t15. Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\nMaximum darstellt. Auch mit blo\u00dfem Ohre sind solche Obert\u00f6ne leicht herauszuh\u00f6ren. Bei einem as1 traten mir sogleich as4 und c5 entgegen, die auch entsprechende Gabeln kr\u00e4ftig zum Erklingen brachten. In Millers Klangspektrum der Klarinette treten hohe Teilt\u00f6ne gleichfalls stark hervor1), ebenso bei Fletcher2) c4, d4, e4 (neben dem Grundton c1 und der Duodezime g2).\nd)\tDas Fagott (mit dem Kontrafagott in 8 Beobachtungsreihen untersucht) hat auf den Grundt\u00f6nen C, c, c1 gleichfalls viele Teilt\u00f6ne. Aber die tieferen scheinen objektiv betr\u00e4chtlich schw\u00e4cher zu sein als bei der Klarinette. Mit den Gabeln lie\u00dfen sie sich erst von c1 an feststellen, weil tiefere Gabeln \u00fcberhaupt nicht resonieren. Aber dieser Ton selbst gab keine oder nur eine \u00e4u\u00dferst schwache Reaktion. Auch g1 (bei G und c) war noch schwach. Die tiefen Teilt\u00f6ne scheinen also hier, wie in manchen F\u00e4llen der Vokale, wesentlich als Differenzt\u00f6ne hinzuzukommen. Dagegen liegt ein bedeutendes Maximum f\u00fcr alle Grundt\u00f6ne bei c2\u2014g2 (St\u00e4rken bis 4). Dann folgt wieder ein j\u00e4her Abfall. Ein kleines Nebenmaximum liegt vielleicht noch bei d3\u2014e3. Aber die Teilt\u00f6ne sind bis ns4 noch festzustellen.\nAuf G wurde auch das Kontrafagott untersucht. Es gab wesentlich andere Werte. So waren c2, g2, d3, g3 = 0. Der Klang ist auch f\u00fcr das direkte H\u00f6ren bedeutend verschieden, volumin\u00f6ser, runder, aber nicht so metallreich wie der des Fagotts. Mit dem blo\u00dfen Ohr waren noch a3, b3, d* heraush\u00f6rbar (man kann \u00fcberhaupt bei den Instrumenten in der N\u00e4he die Obert\u00f6ne oft leicht mit dem blo\u00dfen Ohr heraush\u00f6ren).\ne)\tVon der Fl\u00f6te wurden mehrere Typen untersucht, weil hier auch die Unterschiede des Materials und der Bauart von Interesse sind. Die Vergleichung einer guten, modernen Ebenholz-fl\u00f6te mit der goldenen des Virtuosen Prof. Prill, wobei auch die erste von einem ausgezeichneten Bl\u00e4ser, Prof. Sch\u00fchemaalst, angegeben wurde, ergab folgende St\u00e4rkereihen (die St\u00e4rkeziffern hier wieder mit 4 multipliziert):\n\tc1\tc2 |\tg2\tc3 !\te3\tg3\t| b3 ! c4\td4\nGoldene Fl. . .\t10\t8\t6\t4\t1\tl\t1 Va\tj Va\nHolzfl\u00f6te . . .\t8\t8 .\t6\t3\t1\t1 Va\t0 1 Va\t! 0\n1)\ts. 201. Leider ist die Grundtonh\u00f6he nicht angegeben. Wahrscheinlich war sie c1; dann fallen die Maxima mit denen Fletchers zusammen. Auffallend ist aber die geringe St\u00e4rke des 1. und 3. Teiltons.\n2)\tFletcher 3 S. 428. Der Grundton ist hier als c bezeichnet, mu\u00df aber nach den auf der Abszissenachse angegebenen Schwingungszahlen (Doppelschwingungen nach S. 429) in ^unserer Bezeichnung c1 gewesen sein.","page":380},{"file":"p0381.txt","language":"de","ocr_de":"Resonanzversuche.\n381\nEin sicheres Urteil \u00fcber die alte Frage nach dem Einflu\u00df des Materials w\u00fcrde ich darauf allein nicht gr\u00fcnden, da mehr Exemplare verglichen werden m\u00fc\u00dften. Doch hat auch Miller (S. 183) bei einer goldenen Fl\u00f6te mehr und st\u00e4rkere Teilt\u00f6ne gefunden. Und schon Helmholtz beobachtete (S. 157ff.) bei Holzpfeifen eine weichere Klangfarbe und weniger Obert\u00f6ne als bei Metall-pfeifen.\nAu\u00dfer diesen beiden modernen Fl\u00f6ten wurden aber auch 2 alte untersucht, eine konische aus Buxbaumholz, die etwa 100 Jahre z\u00e4hlen mag und eine noch \u00e4ltere aus Ebenholz mit einer einzigen Klappe, wohl aus der Zeit Friedrich des Gro\u00dfen. Analyse wie Synthese best\u00e4tigten den direkten Eindruck, da\u00df der moderne Fl\u00f6tenklang metallischer, reicher an Obert\u00f6nen ist. Er ist dadurch f\u00fcr Virtuosenzwecke brauchbarer geworden, hat aber sein eigent\u00fcmliches Ethos einigerma\u00dfen verloren.\nNach Erpf (Grundfragen der neueren Instrumentation, Zeitschr. Melos Jg. 4, S. 528. 1925) unterscheiden sich heute die Farben von Fl\u00f6te, Oboe, Klarinette in der Gegend der 2-gestr. Oktave weniger voneinander als zur Zeit Beethovens. Auch unter den Blechinstrumenten finde eine Ann\u00e4herung zwischen Trompete, Horn, Posaune statt, die den homogenen Zusammenklang und den Zusammenschlu\u00df der Gruppen f\u00f6rdere, aber andererseits Farbverlust bedeute. Sie erfolge durch Angleichung der Mensuren. Solche s\u00e4kulare Wandlungen verdienen gro\u00dfes Interesse und bilden eine gewisse Analogie zu den Erscheinungen des Lautwandels in der Sprachgeschichte.\nBei der Pickelfl\u00f6te waren auf c3 die ersten 3' Teilt\u00f6ne c3 c4 g4 kr\u00e4ftig, etwa = 2, h\u00f6here nicht zu finden.\nf) Endlich wurden mit der Resonanzmethode Waldhorn und Viola gepr\u00fcft, doch mu\u00dften die Resonanzversuche zu fr\u00fch abgebrochen werden. Es sei nur erw\u00e4hnt, da\u00df sich beim Horn die unteren Teilt\u00f6ne besonders stark gegen\u00fcber den folgenden fanden und da\u00df bei Grundt\u00f6nen von c\u2014c2 ein festes Maximum in der Gegend von c2 zu liegen schien. Auch bei der Viola waren auf den tieferen Saiten sowohl der Grundton als die n\u00e4chsten Teilt\u00f6ne ziemlich stark.\nF\u00fcr das Horn vgl. auch Herrmann-Goldap oben S. 377. In Koehlers Trommelfellkurven, deren Einzelheiten bei den Instrumenten sch\u00f6n und deutlich hervortreten, liefert das Horn bei den Grundt\u00f6nen von c1\u2014g1 mit der Fourier-Analyse immer ein Maximum auf dem 2. Teilton; bei as1 aber sinkt es auf den 1. (S. 36). Dies k\u00f6nnte in gleichem Sinne gedeutet werden: da\u00df n\u00e4mlich das Maximum mit dem Grundton nur innerhalb einer bestimmten Zone in die H\u00f6he geht, und da\u00df diese Verst\u00e4rkungssph\u00e4re, das \u201efeste\u201c Maximum, von etwa as1\u2014g2 anzusetzen w\u00e4re (auch die Vokalformanten sind ja nicht absolut fest, sondern als harmonische Teilt\u00f6ne vom Grundton mitbedingt). Aber g\u00e4be es keine weiteren Tatsachen, die f\u00fcr feste Maxima sprechen, so w\u00fcrde man dieses Verhalten auch auf die","page":381},{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"382\t15- Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\nallgemeine Verschiebung des Intensit\u00e4tsmaximums gegen den Grundton mit dessen Emporsteigen deuten k\u00f6nnen. Miller gibt bei den Diagrammen f\u00fcr das Horn (S. 204) leider die benutzten Tonh\u00f6hen nicht an, nur die St\u00e4rkeunterschiede ; aber bei den h\u00f6heren St\u00e4rkegraden liegt gleichfalls beide Male das Maximum auf dem 2. Teilton. Wahrscheinlich lagen also die Grundt\u00f6ne auch in der Gegend von c1.\n4. Interferenzversuche.\nDas Technische betreffend, macht sich bei den Instrumentalkl\u00e4ngen die Gefahr der Ver\u00e4nderung durch die Hauptleitung mehr als bei den Vokalen geltend, weil sie vielfach bedeutend reicher an Obert\u00f6nen sind und die Leitung zugleich bei besonders starken Kl\u00e4ngen verl\u00e4ngert werden mu\u00df, wobei nun die tieferen Teilt\u00f6ne leicht mehr als die hohen geschw\u00e4cht werden und der Klang darum sch\u00e4rfer, schreiender als beim freien H\u00f6ren ans Ohr gelangt. Es mu\u00df daher in solchen F\u00e4llen durch die Stellung des Bl\u00e4sers vor der Leitung, passende Trichter, sehr weite R\u00f6hren u. a. f\u00fcr m\u00f6glichste Unversehrtheit des Klanges gesorgt werden. Jedenfalls mu\u00df er so her\u00fcberkommen, da\u00df er als Klang dieses bestimmten Instrumentes zweifelsfrei wieder erkannt wird. Ist dies auf keine Weise zu erreichen, dann mu\u00df auf diesen Forschungsweg eben verzichtet werden.\nDie folgende Tabelle stellt die Formanten (nach der obigen Definition) f\u00fcr verschiedene Instrumente und Grundt\u00f6ne zusammen. In der ersten Rubrik stehen die bei den Resonanz-versuchen gefundenen festen Maxima.\nFormanten und Maxima bei Instrumentalkl\u00e4ngen.\nInstrument\tGrundton\tAnn\u00e4hernd feste Maxima\tBeweglicher Hauptformant\nTenorposaune\tC\t1 c1 \u2014 e3\tC2 \u2014 C3\n\tc1\t1\tC3 \u2014C4\nB-Trompete\tc1\t1 c2 \u2014 c3\t92-93\n\tc2\tJ\t\nA-Klarinette\tcis\t\tcis2\u2014eis3\n\tcis1 fis1\t\u25a0 cis4\u2014gis4\t, gis2(cis3) \u2014grids'1) fis3 \u2014 cis4\n\tfis2\t\tfis4 \u2014 cis5\nB-Klarinette\tc1\t|\te3 \u2014 b3\n\tc2\td4-fe4\tc4\u2014d5\n\tc3\tJ\tc5\nKontrafagott\tC\t\tgi-C2\n\tG\t\tn-\td2\u2014g2\nFagott\tc\t>\ty\tc2\u2014g~\n\tc1\t\tc3\u2014gi\nAus dieser \u00dcbersicht d\u00fcrfte hervorgehen, da\u00df der Formant im oben erw\u00e4hnten Sinne \u2014 als derjenige Klangteil, durch dessen","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"Interferenz versuche.\n383\nHinzukommen zu den tieferen der Klang als der des betreffenden Instrumentes kenntlich wird \u2014 mit der Tonh\u00f6he, und zwar im allgemeinen im gleichen Verh\u00e4ltnis wie diese, emporsteigt, also nicht an die absolute H\u00f6he, sondern an die Ordnungszahlen bestimmter Teilt\u00f6ne gebunden ist und seine Lage nur relativ zum Grundton beibeh\u00e4lt. Er f\u00e4llt aber nur ausnahmsweise einmal (beim Fagott auf c) zusammen mit dem festen St\u00e4rkemaximum. Die beiden Bezirke k\u00f6nnen sich auch erg\u00e4nzen oder \u00fcberschneiden, da eben der eine fest, der andere beweglich ist.\nDie Interferenz versuche, bei denen ich mich vielfach der Mitarbeit des hervorragenden Instrumentenkenners Prof. Sachs erfreute, lieferten aber auch, abgesehen von den Formanten, noch andere Ausbeute: die Ver\u00e4nderungen der Kl\u00e4nge mit jedem neu hinzu tretenden Teilton, das allm\u00e4hliche Heranwachsen und die Vervollkommnung der Klangeigent\u00fcmlichkeiten der Instrumente bis zu den h\u00f6chsten Teilt\u00f6nen, waren au\u00dferordentlich instruktiv. Einiges Besondere sei hier angef\u00fchrt:\na)\tDer durch Ausschaltung aller Obert\u00f6ne isolierte Grundton ist bei der Klarinette von der St\u00e4rke 2\u201421/2 (8\u201410), beim Fagott aber, wenigstens in den tiefen Lagen, \u00e4u\u00dferst schwach. Erst wenn weitere Teilt\u00f6ne hinzutreten und die H\u00f6he von etwa c1 erreichen, wird auch der Grundton durch Differenztonbildung kr\u00e4ftig. Bei der Tenorposaune ist es ebenso. In beiden F\u00e4llen wird durch diese hinzukommenden Teilt\u00f6ne, zumal den 2. und 3., der Gesamt -klang au\u00dferordentlich ver\u00e4ndert, m\u00e4chtiger, dr\u00f6hnender. Der Grundton f\u00fcr sich allein ist bei exakter Isolierung \u00fcberall von demselben, in der Tiefe h\u00f6chst weichen Charakter und bei gleicher H\u00f6he in allen Instrumenten qualitativ durchaus ununterscheidbar.\nb)\tBei der Klarinette wird, namentlich auf tieferen Grundt\u00f6nen, das eigent\u00fcmlich Hohle des Klanges bemerkbar, sobald der 3. Teilton auftritt. Da\u00df das Fehlen oder die Schw\u00e4che des 2. Teiltones sich auch in der Erscheinung, und zwar in dieser Weise, geltend machen m\u00fcsse, l\u00e4\u00dft sich, wie auch hier betont werden soll, keineswegs a priori deduzieren, sondern ist als eine bemerkenswerte psycho-physiologische Tatsache zu verzeichnen.\nDie Klarinette zeigt beim weiteren Aufbau des Klanges besonders starke Wandlungen. Zum Eindruck des Hohlen kommt mit den Teilt\u00f6nen der 4-gestr. Oktave der des N\u00e4selnden (der sich aber in der h\u00f6heren Lage des Instrumentes, etwa von g2 an, verliert), endlich mit Hinzutritt der 5-gestr. Oktave der des leicht Schmetternden, der allerdings zum Teil ein Kunstprodukt der Interferenzleitung ist. Unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden tritt diese Eigenschaft an tiefen Klarinettenkl\u00e4ngen nicht hervor, und auch","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384\n15. Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\nnoch in der 2-gestr. Oktave ist der Klang namentlich beim piano entz\u00fcckend weich und sanft. Aber in h\u00f6heren Lagen und bei st\u00e4rkerer Tongebung tritt die Sch\u00e4rfe doch sehr in die Erscheinung. Auch sind die einzelnen Klarinettenarten darin noch verschieden, am sch\u00e4rfsten nach Sachs (S. 335) die nur ganz ausnahmsweise verwendete C-Klarinette.\nSehr lehrreich ist folgender Versuch. L\u00e4\u00dft man mit einer A-Klarinette ihren tiefsten Ton cis blasen, stellt aber die Interferenz so ein, als g\u00e4lte es, den gesamten Klang auf dem Grundton cis1 (einschlie\u00dflich dieses Tones selbst) auszul\u00f6schen, so kommen nur der Grundton cis und seine ungeradzahligen Teilt\u00f6ne zum Vorschein. Man hat dann tats\u00e4chlich diejenige Klangstruktur, die theoretisch dem Klarinettenklang eigen sein soll. Ergebnis: der Klang hat noch unzweifelhaften Klarinettencharakter, aber er ist weicher und dunkler als vorher. Die ungeraden Teilt\u00f6ne als solche k\u00f6nnen also nicht an der Sch\u00e4rfe oder dem N\u00e4seln schuld sein.\nDenselben Versuch machte ich mit einer Zunge des Tonmessers von 200 Schw. (gis), die sehr zahlreiche Obert\u00f6ne enth\u00e4lt. Wurden alle geraden Teilt\u00f6ne ausgeschlossen, so entstand aus dem scharfen metallischen Zungenklang ein eigent\u00fcmlich angenehmer weicher Klang, der keinem Instrument besonders \u00e4hnlich war, allenfalls zwischen Waldhorn und Englisch-Horn in der Mitte stand. Die Duodezime war gut herauszuh\u00f6ren.\nEinen verwandten Versuch hat schon Ritz auf der Geige gemacht. Streicht oder zupft man eine Saite in der Mitte, so gibt sie einen Klang, in dem die geraden Teilt\u00f6ne fehlen. Ritz nennt ihn \u201eeigent\u00fcmlich n\u00e4selnd\u201c (S. 72). Dies kann ich aber nicht best\u00e4tigen, w\u00fc\u00dfte auch nicht, woher das N\u00e4seln kommen sollte: er ist nur hohl und weich.\nVergleicht man die F\u00e4lle: 1, 2, 4 . . . und 1, 3, 5 . . ., die beide in keinem Instrument verwirklicht sind, in bezug auf die Bildung von Differenzt\u00f6nen, so w\u00fcrde der Unterschied sein, da\u00df im 1. Falle nur Glieder der Reihe selbst dadurch verst\u00e4rkt werden (denn die D.T. 4\u20141, 6-1 usf. sind so gut wie unh\u00f6rbar; vgl. m. Abh. 7, S. 126ff.), im 2. Falle dagegen die objektiv nicht vorhandenen geraden Glieder, wenigstens 2 und 4, in merklicher St\u00e4rke subjektiv hinzutreten m\u00fcssen.\nc) Das Fagott wurde, da es die auffallendsten Entwicklungsstufen und die komplizierteste Klangstruktur auf wies, auf den 3 Grundt\u00f6nen C, c, c1 mit der Interferenzmethode untersucht. Man kann hier beim Aufbau 4 Zonen unterscheiden. Ist man beim Aufbau von C oder c mit dem Einschieben der If.-R\u00f6hren bis zum oberen Ende der Formanten gelangt, so ist das Instrument erkennbar, aber es hat noch etwas Posaunenartiges. Dann tritt","page":384},{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"Interferenz versuche.\n385\nmit den Teilt\u00f6nen der 3-gestr. Oktave, besonders ihrer oberen H\u00e4lfte, ein Schwirren hinzu, das jedenfalls durch die Schwebungen der nahe beisammenliegenden T\u00f6ne d3 bis g3 bedingt ist. Hierauf folgt mit den Teilt\u00f6nen von as3 bis c5, besonders denen aus der unteren H\u00e4lfte der 4-gestr. Oktave, das N\u00e4seln. Endlich von cisb bis mindestens g5 das eigent\u00fcmlich Pelzige dieses Instrumentes, das durch die Menge der ganz hohen feinen Teilt\u00f6ne hinzugebracht wird.\nDiese 4 Entwicklungsstadien kann man auch am vollen Klang noch erkennen; aber es verh\u00e4lt sich damit wie mit dem Heraush\u00f6ren der einzelnen Teilt\u00f6ne: man h\u00f6rt sie in allen Graden der Deutlichkeit, je nachdem man gerade eingestellt ist. Ist man aber ganz auf eine Zone konzentriert, so f\u00e4llt nat\u00fcrlich der Eindruck der Klangfarbe selbst hinweg. Ist man weniger ausschlie\u00dflich darauf konzentriert, so bleibt dieser neben dem Teileindruck der Zone noch einigerma\u00dfen bestehen.\nBeim Aufbau des Kontrafagott-G durch Hineinschieben der If.-R\u00f6hren war der Grundton selbst f\u00fcr sich allein nicht zu h\u00f6ren, erschien aber auch nicht als Differenzton mit dem 2. Teilton c, der in der St\u00e4rke 1 auf trat. Erst als auch der 3. g (mit der St\u00e4rke l1/2) hinzukam, erschien zugleich ein sch\u00f6nes markiges G. Der Gesamtklang hatte hier schon das Imposante dieser tiefen Ba\u00dflage. (Vgl. das gesungene G oben S. 56 in demselben Aufbaustadium.) Beim Hinzukommen des 4. Teiltones c1, der mit Isolierversuchen = l1^ gefunden wurde, wurde aber G selbst leiser, und der Gesamtklang schien jetzt vor\u00fcbergehend die H\u00f6he von c1 zu haben, der Grundton nur wie ein akustischer Hintergrund; aber dies \u00e4nderte sich wieder mit dem Hinzutreten h\u00f6herer und st\u00e4rkerer Teilt\u00f6ne : die Gesamtmasse schien dann doch wieder auf G lokalisiert.\nAuch Bestandteile aus der h\u00f6chsten Region (dem N\u00e4selformanten) wurden beim C des Kontrafagotts dadurch h\u00f6rbar gemacht, da\u00df auf alle Teilt\u00f6ne vom Grundton bis zu c4 eingestellt wurde. Denn dabei werden die Multipla nicht v\u00f6llig mit ausgeschlossen (oben S. 48). Man h\u00f6rte ein feines Schwirren, aus welchem durch weitere Einstellungen d4 als besonders ma\u00dfgebender Ton herauspr\u00e4pariert wurde. Durch Einstellung 3,5 wurde auch er vernichtet. Weitere Versuche lehrten, da\u00df au\u00dfer d4 auch c3 und fis3 stark in dem Klange vertreten waren, dagegen die zwischen ihnen liegenden T\u00f6ne nicht oder nur schw\u00e4cher. Unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden h\u00f6rte man einen dissonanten Akkord aus diesen 3 T\u00f6nen (Teil eines umgelagerten Dominant-Septimenakkordes). Man kann \u2014 wie bei den n\u00e4selnden Vokalen, nur noch deutlicher \u2014 beobachten, da\u00df c3 und fis3 einen leichten \u00c4-Charakter, d4 aber\nStumpf, Sprachlaute.\t25","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386\t15. Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\ndas N\u00e4selnde in den Klang bringen, das durch die n\u00e4chstfolgenden Teilt\u00f6ne noch verst\u00e4rkt wird.\nd) Beim Horn, das auf den 4 H\u00f6hen C, c, c1, c2 mit Interferenz untersucht wurde, wies der tiefe (7-Klang beim Aufbau einen langen Entwicklungsgang auf. Aber er tr\u00e4gt nicht eigentlich die popul\u00e4re, typische Hornfarbe (wird auch nur ganz selten verlangt), sondern ist fast schmetternder und rauher als der der Posaune. Der Grundton f\u00fcr sich allein ist hier ein sch\u00f6nes leises Brummen, der 2. Teilton merkw\u00fcrdigerweise bei Isolierversuchen \u00fcberhaupt nicht zu h\u00f6ren, der 3. schwach; aber dessen Hinzukommen macht den Grundton rauher. Der 4., der isoliert mit der St\u00e4rke 2 geh\u00f6rt wird, bringt eine bedeutende Ver\u00e4nderung: von da ab wird der Klang immer m\u00e4chtiger und zugleich einheitlicher, von c2 an metallisch; mit as2 ist er fertig.\nZur Feststellung der If.-Formanten auf den verschiedenen Grundt\u00f6nen bin ich beim Horn nicht gekommen. Doch wurden Isolierversuche, um die St\u00e4rken der Teilt\u00f6ne zu finden, auch hier gemacht. Bei G erwies sich c1 besonders stark, bei c, c1, c2 dagegen gemeinschaftlich c2. Dies letztere steht in Einklang mit den obigen Resonanzbefunden. Wenn das Maximum beim Grundton C auf c1 herabgeht, so wird dies mit dem ver\u00e4nderten Klang -Charakter Zusammenh\u00e4ngen.\n5. Synthesen.\nZur Synthese wurden, wie bei den Vokalen, nur Teilt\u00f6ne herangezogen, die das Charakteristische des Klanges, wie er in m\u00e4\u00dfiger Entfernung erscheint, erkennen lassen, wenn auch in unmittelbarer N\u00e4he nach dem Zeugnis der Resonanzversuche noch mehr Teilt\u00f6ne vorhanden sind. Die Vergleichung mit dem nat\u00fcrlichen Klang erfolgte hier nur teilweise durch seine Her\u00fcberleitung aus dem Zimmer III (s. oben S. 44); meistens wurde er im Korridor bei ge\u00f6ffneter T\u00fcre angegeben. Die Herren Prof. Sachs und ScH\u00dcNEMANisr wirkten bei diesen Versuchen vielfach mit, und sowohl die Urteile dieser beiden Kenner als das der Bl\u00e4ser selbst best\u00e4tigte die Naturtreue des k\u00fcnstlichen Klanges. Vielfach haben wir uns auch durch Stichversuche (Herausnehmen eines Tones aus dem schon fertigen k\u00fcnstlichen Klange) \u00fcber die mehr oder minder wesentliche Bedeutung und die Wirkungsart einzelner Teilt\u00f6ne vergewissert. Dennoch k\u00f6nnte ich f\u00fcr die Genauigkeit der Synthesen hier nicht so zuversichtlich wie bei den Vokalen einstehen, da nicht Gelegenheit war, sie so oft zu wiederholen und nachzupr\u00fcfen. Zun\u00e4chst wurde, mehr der \u00dcbung halber, der Klang der Zunge c1 unseres Tonmessers nachgebildet,","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Synthesen.\n387\nwas mit 10 Teilt\u00f6nen gut gelang; weitere bis zum 24. konnten schwach, beigef\u00fcgt werden, erwiesen sich aber als entbehrlich. Die folgenden Tabellen geben nun die Teilt\u00f6ne der dargestellten Kl\u00e4nge auf den 4 Grundt\u00f6nen c, c1, c2, c3 bei m\u00e4\u00dfig starker Tongebung. Die Klangst\u00e4rke bedingt bei Instrumenten, besonders Blasinstrumenten, au\u00dferordentliche Unterschiede in der Klangfarbe, also der St\u00e4rkeverteilung unter den Teilt\u00f6nen. Jede Tabelle dieser Art kann daher nur f\u00fcr eine bestimmte Klangst\u00e4rke G\u00fcltigkeit beanspruchen. Dies geht auch aus Millers Aufnahmen hervor und ist von ihm stets hervorgehoben. Beim Horn ist hier nur geringe St\u00e4rke (Piano) vorausgesetzt, weil nur dann der spezifischmollige Hornklang erscheint. F\u00fcr das Forte w\u00e4ren weit mehr und nach der H\u00f6he relativ st\u00e4rkere Teilt\u00f6ne erforderlich.\nDie St\u00e4rkeziffern sind wieder mit 4 multipliziert. Sie geben hier aber nur die St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse innerhalb jeder einzelnen Kolumne an. Es kann dadurch z. B. nicht die St\u00e4rke des 6. Teiltones der Trompete mit der des 6. bei der Klarinette verglichen werden, sondern nur die der Teilt\u00f6ne innerhalb des n\u00e4mlichen Instruments. Bei den synthetischen Vokaltabellen ist dies anders, weil die nachzubildenden Vokale unter gleichen Umst\u00e4nden, besonders mit m\u00f6glichst gleicher Exspirationsst\u00e4rke und aus gleicher Entfernung angegeben und die k\u00fcnstlichen an der gleichen Stelle (bei B.2, oben S. 44) abgeh\u00f6rt wurden. Hier aber mu\u00dfte man sich darauf beschr\u00e4nken, bei den nachzubildenden Kl\u00e4ngen nur eben eine mittlere Tonst\u00e4rke vorzuschreiben und den k\u00fcnstlichen Klang, wenn er zu schwach aus der Schlauch\u00f6ffnung kam, am Trichter T abzuh\u00f6ren, wobei andere absolute St\u00e4rken als bei B2 herauskamen. Unbedingt n\u00f6tig war aber auch hier eine kurze Dauer und ein Abschneiden des Einsatzes bei dem nat\u00fcrlichen Klange. Wurde dieser durch die Leitung S, erheblich ver\u00e4ndert, so mu\u00dfte er ohne R\u00f6hrenleitung in einiger Entfernung angegeben und das Abschneiden des Einsatzes dadurch bewirkt werden, da\u00df man die beiden Ohren mit den Fingern verschlo\u00df und nur auf einen Augenblick w\u00e4hrend der Klangdauer \u00f6ffnete. Eine gleich kurze Dauer des k\u00fcnstlichen Klanges wurde dann durch Zudr\u00fccken und \u00d6ffnen eines an den Trichter T gesetzten kleinen H\u00f6rschlauches erreicht.\nDer Klarinettenklang erscheint auch hier besonders kompliziert. Der Ton c ist auf der gew\u00f6hnlichen (Sopran-) Klarinette nicht vorhanden; die am tiefsten hinabreichende A-Klarinette geht nur bis cis. Aber der c-Klang konnte so dargestellt werden, da\u00df er sich an das nat\u00fcrliche cis als farbengleiche Fortsetzung anschlo\u00df und wurde in dieser Form von den HH. Sachs und Sch\u00fcnemann ,,sehr gut\u201c gefunden. Da aber, worauf mich k\u00fcrzlich Hr. Dr. Schumann hinwies, der Instrumentenmacher Moritz (Berlin) durch Einf\u00fcgung einer verl\u00e4ngerten \u201eBirne\u201c unterhalb des Mundst\u00fcckes die A-Klarinette versuchsweise bis c gef\u00fchrt hat, wobei dieser Ton zwar etwas schwierig, aber mit tadelloser Klarinettenfarbe herauskommt, so benutzten wir diesen Klang als Vorbild zu einer neuen Synthese, deren St\u00e4rkeziffern in der obigen Tabelle stehen. Sie wurden von Dr. Schumann und mir unabh\u00e4ngig festgestellt, mit nur geringen Differenzen. Oberhalb g4 enthielt die Mischung noch die T\u00f6ne a4, c5, e5, die von Dr. Schumann mit den minimalen St\u00e4rken 1/i, 1/2, 1/4 ( 1, 2, 1) isoliert aus der Leitung geh\u00f6rt wurden, aber im\n25*","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388\n15. Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\nSynthesen von Instrumentalkl\u00e4ngen.\nGrundton c = 128 Schw.\nfis4\t3 1\t\t\t\t\tGrundton c1 =\t\t\t= 256 Schw.\t\t\t\n\to\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nd*\t6\t\t\t\t95\t2\t\t\t\t\t\t\nc*\t6\t\t\t\te5\t4\t\t\t\t\t\t\nh3\t4\t\t\t\tc5\t4\t\t\t\t\t\t\nfe3\t5\t\t\t\t&4\t4\t4\t\t\t\t\t\n\u00ab3\t6\t\t\t6\ta4\t4 !\t6\t\t\t\t\t\n\t8\t\t\t4\t04\t5\t8\t\t\t\t\t\nfis3\t9\t\t\t4\t/iS4\t4\t1 6\t\t\t\t\t\ne3\t8\t6\t2\t8\te4\t6\t6\t\t\t\t\t\nd3\t6\t6\t4 \u2022\t6\td*\t6\t12\t4\t\t\t\t\nc3\t5\t12\t6\t10\tC4\t6\t8\t5\t\t\t2\t\n&2\t4\t16\t0\t16\t&3\t6\t12\t6\t\t\t2\t\n<72\t5\t20\t10\t20\t93\t8\t11\t8\t\t4\t4\t\ne2\t6\t16\t12\t18\te3\t8\t10\t6\t\t6\t4\t\nc2\t1\t13\t12\t14\tc3\t10\t12\t12\t6\t10\t6\t5\n21\t10\t10\t10\t10\tg2\t12\t, 20\t20\t10\t12\t10\t4\nc1\t' 1\t1 8\t12\ti 10\tc2\t10\t6\t12\t16\t12\t8\t6\nc\t7\t0\t10\t2\tc1\t8\t' 14\t10\t12\t10\t6\t5\n\u00fc\nc\u00e4\n0\nH\no\t.2\nW\t>\no\nK\n>\n<1\nGrxmdton c2 = 512 Schw.\n95\t4\t\t\t\ne5\t6\t\t\t\nc5\t8\t\t\t\n64\t8\t5\t\t\nS'4\t10\t6\t\t6\ne4\t10\t6\t\t10\nc4\t12\t10\t\t8\ngz\t12\t16\t5 :\t8\nc3\t20\t8\t10\t12\nc2\t18\t16\t20 ;\t8\n6\n6\n8\n12\n16\n16\n12\n16\nGrundton c3 = 1024 Schw.\ng5\t5\t\ne5\t4\t4\t\nc5\t8 i 6\t8\t\ngi\t8\t9 ;\t8\t8\nc4\t16\t14\t15\t10 10\nc3\t14 ! 12\t12\t16 16\n<3\n0\n<s\n\u2022\u00a7\t,3\n<3\tO\n0\t>\n\u00ab1","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeines \u00fcber das Wesen und die Unterschiede der Klangfarbe. 389\nGesamtklange wahrscheinlich einflu\u00dflos, von den st\u00e4rkeren darunter liegenden unterdr\u00fcckt waren. Der k\u00fcnstliche Klang erschien uns allen im wesentlichen durchaus charakteristisch; nur eine gewisse leise H\u00e4rte fehlte ihm noch, die vom Ger\u00e4usch der aufschlagenden Zunge herr\u00fchren d\u00fcrfte und sich darum mit den Pfeifen nicht nachbilden l\u00e4\u00dft. Der 2. Teilton ist hier, obschon er nach den Resonanz versuchen in den tieferen Lagen objektiv fehlt, doch auch schwach eingef\u00fcgt, da der Klang so einheitlicher wurde, ohne seine charakteristische Hohlheit einzub\u00fc\u00dfen. Der Ton kommt ja aber auch bei dem nat\u00fcrlichen Klang als Differenzton im Ohro schwach hinzu.\nZu bemerken ist noch, da\u00df die T\u00f6ne der 4-gestr. Oktave nicht so stark genommen werden durften, wie man nach den Resonanzversuchen und dem direkten Heraush\u00f6ren (besonders f\u00fcr gr4) h\u00e4tte erwarten m\u00fcssen, wahrscheinlich darum, weil die tieferen Teilt\u00f6ne von der Einrichtung nicht mit solcher St\u00e4rke geliefert werden, um das Gleichgewicht, d. h. die Einheitlichkeit des Klanges, so starken Obert\u00f6nen gegen\u00fcber aufrechtzuhalten. Analoges gilt auch f\u00fcr die anderen Instrumente.\nGelegentlich habe ich auch eine Oboensynthese auf g1 ausgef\u00fchrt, bei der der Grundton schwach, dagegen Obert\u00f6ne von g2 bis /is4 stark waren1).\nBei der Viola war die Naturtreue noch nicht v\u00f6llig erreicht; es fehlt eben das Streichger\u00e4usch und das eigent\u00fcmlich Belegte der beiden umsponnenen Saiten. Durch Schwebungen ganz hoher, dicht beisammen-liegender leiser T\u00f6ne schien es einigerma\u00dfen nachgebildet zu werden.\nDie Fl\u00f6tensynthesen stimmen nicht ganz mit den Resonanzergebnissen, in denen auf c1 der Grundton am st\u00e4rksten ist, wurden aber von Prof. Prill als \u201esehr gut\u201c qualifiziert; vielleicht ist durch die st\u00e4rkere Hervorhebung des g2 die A-\u00c4hnlichkeit des nat\u00fcrlichen Klanges noch mehr akzentuiert, der Klang in gewissem Sinne vervollkommnet.\nBeim Horn (piano) wurde auf c1 der interessante Stichversuch gemacht, den 2. Teilton c2, der besonders stark sein mu\u00df, nach gelungener Synthese wieder herauszunehmen. Der Klang -wurde dadurch vollkommen unkenntlich und n\u00e4herte sich stark dem der Klarinette.\nMan kann mit der synthetischen Einrichtung nat\u00fcrlich auch Ab- und Aufbaureihen analog denen der Interferenzmethode ausf\u00fchren, indem man, nachdem eine befriedigende Synthese erzielt ist, die Pfeifen sukzessive von oben her bis zur tiefsten abstellt und dann wieder einstellt. Auch diese Versuche sind lehrreich, wurden aber nicht systematisch durchgef\u00fchrt.\n6. Allgemeines \u00fcber das Wesen und die Unterschiede der Klangfarbe.\nDie Ergebnisse dieser experimentellen Studien geben nun Veranlassung, auf die in des Verfassers \u201eTonpsychologie\u201c besprochenen allgemeineren Fragen in Hinsicht der Klangfarbe zur\u00fcckzukommen, die Betrachtungen in gewisser Richtung zu erg\u00e4nzen und mit den jetzt gewonnenen Anschauungen \u00fcber die Vokalfarben zu verkn\u00fcpfen.\nMan mu\u00df, wie schon dort ausgef\u00fchrt wurde, unterscheiden zwischen dem Charakter eines Instrumentes im Sinne des musi-\nG Auch bei Miller S. 201 hat die Oboe einen schwachen Grundton, aber starke Obert\u00f6ne in der 3-gestr. Oktave (vorausgesetzt, da\u00df es sich um eine Grundtonh\u00f6he von etwa c1 handelte).","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390\t15. Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\nkalischen Ausdruckes, wie er sich in der Praxis herausgebildet hat, seiner Klangfarbe im weiteren und seiner Klangfarbe im engerenSinne. Der Charakter oder das Ethos eines Instrumentes f\u00fcr unser gegenw\u00e4rtiges Musikgef\u00fchl, z. B. das Romantische des Horns, das Feierliche der Posaunen, das Festlich-Frohe oder auch Kriegerische der Trompeten, das D\u00e4monische und auch wieder Grotesk-Komische des Fagotts, das Sch\u00e4ferliche der Fl\u00f6te und Oboe usf. sind in hohem Grade historisch und assoziativ bedingt. Darauf soll hier nicht eingegangen werden. Zur Klangfarbe im weiteren Sinne geh\u00f6ren alle Eigenschaften, die dem Empfindungsmaterial als solchem zukommen, also neben der Struktur aus Teilt\u00f6nen auch die schon oben erw\u00e4hnten \u00e4u\u00dferen, aber darum doch keineswegs unwesentlichen Merkmale, vor allem die Art des Einsatzes und des Aushaltens der T\u00f6ne (man denke an das Klavier, an das eigent\u00fcmlich schwerf\u00e4llige Einsetzen des Horns u. a.), dann die zahlreichen Verschiedenheiten nach der Art des Streichens, Blasens, Zupfens (wobei auch die Stelle einen wesentlichen Unterschied macht) und die begleitenden Blase-, Streich- und Anschlagger\u00e4usche. Die Klangfarbe im engeren Sinne endlich ist objektiv identisch mit der Zusammensetzung aus Teilt\u00f6nen, subjektiv mit der Gesamtheit der daraus entspringenden Komplexeigenschaften.\nDiese Gleichsetzung kann trotz vereinzelten Widerspruches nach unzul\u00e4nglichen Experimenten nicht mehr bestritten werden. V\u00f6llig einfache T\u00f6ne gleicher H\u00f6he unterscheiden sich, wenn auch etwaige r\u00e4umliche Unterschiede getilgt sind, nur noch durch ihre St\u00e4rke1). Es ist ferner unbestreitbar, da\u00df bei den europ\u00e4ischen Orchesterinstrumenten, abgesehen etwa von den Schlagwerkzeugen und gelegentlich verwendeten Glocken, so gut wie ausschlie\u00dflich harmonische Teilt\u00f6ne die Klangfarbe ausmachen. \u00dcber die Bedeutung dieses Umstandes gilt das schon bei den Vokalen Gesagte (o. S. 188ff.). Kl\u00e4nge mit nur ungeradzahligen Teilt\u00f6nen\n1) Wenn F. Volbach (Das moderne Orchester, 2. A. 1921, S. 16) sich f\u00fcr die gegenteilige Behauptung auf die Kl\u00e4nge der \u201eStimmgabeln und gewisser Orgelpfeifen\u201c beruft, so sind dies eben keine ganz einfachen T\u00f6ne. Darum sind auch seine ausgedehnten synthetischen Versuche mit Orgelpfeifen, mit denen er niemals neue Klangfarben erzielt zu haben angibt, unrein und beweisunkr\u00e4ftig. Sie m\u00fcssen aber noch andere M\u00e4ngel gehabt haben, denn auch mit Orgelpfeifen kann man, wie Miller gezeigt hat, bei sorgf\u00e4ltiger Versuchseinrichtung Vokal- und Instrumentalfarben mannigfacher Art erzielen. Wenn die s\u00e4mtlichen Pfeifen meiner synthetischen Einrichtung im Schallzimmer, wo sie noch nicht von Obert\u00f6nen gereinigt sind, zusammenklingen, so h\u00f6rt man in einiger Entfernung doch schon einen recht einheitlichen, h\u00f6chst metallreichen Instrumentalklang.","page":390},{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeines \u00fcber das Wesen und die Unterschiede der Klangfarbe. 391\ngibt es dagegen nicht. Es gibt nur Kl\u00e4nge, denen in tiefer Lage der 2. Teilton objektiv fehlt, aber selbst da tritt er als subjektiver Differenzton schwach hinzu.\nDie Klangfarbenunterschiede im engeren Sinne treten am ausgepr\u00e4gtesten in der tiefen Region hervor, weil hier der gr\u00f6\u00dfte Reichtum an Obert\u00f6nen vorhanden ist, m\u00fcssen sich aber gegen die H\u00f6he hin immer mehr verringern. Schon beim c3 sind sie, wenn man von der St\u00e4rke und sonstigen \u00e4u\u00dferen Merkmalen absieht, recht gering. Ein Blick auf die obigen synthetischen Tabellen zeigt die Ursache. Es ist also \u00e4hnlich wie bei den Vokalen von c2 an. Doch bleiben die Instrumente l\u00e4nger unterscheidbar, da sie nicht in gleichem Ma\u00dfe wie jene auf feste Formanten angewiesen sind. In die 4- und 5-gestr. Oktave reichen nur noch wenige, wie Orgel, Klavier, Violine, Harfe, Piccolo, die in der Praxis durch \u00e4u\u00dfere Merkmale, Ansatz und Haltung des Tones, leicht unterschieden werden.\nDer Grundton, dessen St\u00e4rke bei den einzelnen Instrumenten sehr verschieden ist, nimmt im allgemeinen an St\u00e4rke gegen\u00fcber den Obert\u00f6nen zu, je h\u00f6her die Tonlage und je leiser die Tongebung genommen wird. Diese beiden Gesetzlichkeiten treten besonders in den graphischen Aufnahmen mit seltener \u00dcbereinstimmung hervor, wenn sie auch nicht immer richtig erkannt oder gedeutet werden1). Sie sind mir aber auch bei den eigenen Untersuchungen entgegengetreten, sowohl bei Musikinstrumenten als bei Zungen des Tonmessers. Auch darin verhalten sich die Instrumentalkl\u00e4nge \u00e4hnlich den Vokalen, wo sie in den Ergebnissen und Tabellen nach allen 3 Methoden ihre Best\u00e4tigung finden. Beide Gesetzlichkeiten sind nur Teilerscheinungen jener Verschiebung der physikalischen Energie nach dem Grundton zu, von der das Verschwinden der Klangfarbenunterschiede bedingt ist.\nIn manchen F\u00e4llen kann man zweifelhaft sein, ob nicht die Vorgefundenen \u201efesten Formanten\u201c blo\u00df infolge dieser Verschiebung der Energie gegen den Grundton hin in die Tabellen kommen. Vgl. die Bemerkungen zu Herrmann-Goldap oben S. 377. Es scheint mir indessen nicht m\u00f6glich, sie nur auf diese Tatsache zur\u00fcckzuf\u00fchren.\nBeobachtungen \u00fcber den Einflu\u00df der Tonlage auf Blasinstrumente kann man in der praktischen Musik besonders gut anstellen, wenn mehrere davon in konzertierender Weise Zusammenwirken. So ist mir bei einer\nx) Vgl. zum Einflu\u00df der H\u00f6he u. a. Herrmann-Goldap S. 85, Koehler 1,1, S. 36 (Waldhorn), Miller S. 193 (Fl\u00f6te), Garten 3, IX, S. 38 (Vokal A). Zum Einflu\u00df der Intensit\u00e4t u. a. Weiss 2, Miller S. 193 (Fl\u00f6te), 204 (Horn).","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"392\n15. Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\nAuff\u00fchrung von Mozarts Serenade f\u00fcr 13 Blasinstrumente durch Mitglieder der Kapelle der Berliner Staatsoper viel Derartiges auf gef allen, z. B. da\u00df das Horn im po und mf infolge der Weichheit und zerflossenen Breite seines Klanges \u00f6fters, \u00e4hnlich wie die einfachen T\u00f6ne, um eine Oktave vertieft erschien; da\u00df die Oboe in tiefer Lage (c* 1\u2014g1) pistonartig, sehr sch\u00f6n, mehr dem Vokal A als dem E verwandt, klang, was auf st\u00e4rkere Teilt\u00f6ne der 2-gestrichenen Oktave hinweist; u. dgl.\nVom Gesichtspunkt der reinen Klangfarbe sind nach den Analysen wie den Synthesen die Verschiedenheiten zwischen den Tonlagen eines Instrumentes zuweilen gr\u00f6\u00dfer als die der Instrumente selbst. Die Klarinette ist in dieser Hinsicht kaum noch als ein Instrument zu bezeichnen; sie hat in jeder ihrer 3 Oktaven ein anderes Register, nat\u00fcrlich unter stetigen \u00dcberg\u00e4ngen, so da\u00df man allenfalls auch nur 2 unterscheiden kann, das des hohlen und das des ausgef\u00fcllten Klanges, die um c2 ineinander \u00fcbergehen. Vom Fagott gilt \u00c4hnliches. Bei der Viola hat besonders die oberste Saite eine durchaus verschiedene (nicht immer angenehme, zu d\u00fcnne und n\u00e4selnde) Klangfarbe, deren unvermittelter Eintritt zu Verbesserungsversuchen (Viola alta) gef\u00fchrt hat. Beim Waldhorn sind die tiefsten Kl\u00e4nge, wie G, mehr posaunenartig usw.\nMan kann geradezu fragen, was in solchen F\u00e4llen noch den verschiedenen Regionen eines Instrumentes gemeinschaftlich ist. Wir werden der Frage unter 8. n\u00e4hertreten.\nDa\u00df aber auch dasselbe Instrument in derselben Region durch bestimmte Kunstgriffe eine ver\u00e4nderte Klangfarbe erh\u00e4lt, ist bekannt: Blasinstrumente durch \u201eStopfen\u201c, Streichinstrumente durch Sordinen und Flageolett spiel, andere durch Modifikationen des Blasens, des Zupfens an verschiedenen Stellen der Saiten usw. Hierbei \u00e4ndert sich eben immer die Klangstruktur, besonders im Sinne der Ann\u00e4herung an einfache T\u00f6ne. Aber wirklich einfach sind die T\u00f6ne des Flageoletts ebensowenig wie die der Fistelstimme (Ritz). Bei der Violine sind es gerade die feinen Unterschiede je nach der Art der Bogenf\u00fchrung, die die Ausdrucksf\u00e4higkeit dieses seelenvollsten Instrumentes noch erh\u00f6hen. \u00c4hnlich bei den \u00fcbrigen Streichinstrumenten1). Auch hat jede der Saiten wieder ihre eigene Klangfarbe; der n\u00e4mliche Ton klingt anders auf der G-, anders auf der D-Saite der Geige oder des Cello, anders auch auf der freien Saite und anders auf der durch den Finger verk\u00fcrzten. Man\ni) Vgl. hier\u00fcber das gr\u00fcndliche Werk Wilh. Trendelenburgs : Die nat\u00fcrlichen Grundlagen der Kunst des Streichinstrumentspiels, 1925. Bei den ungew\u00f6hnlichen Stricharten des \u201eFlautato\u201c (wo der 2. mehr als der\n1. Teilton h\u00f6rbar wird) und des ,,Sul ponticello\u201c bemerkt Tr., da\u00df auch\nhohe unharmonische Teilt\u00f6ne entstehen k\u00f6nnen (S. 25ff.).","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeines \u00fcber das Wesen und die Unterschiede der Klangfarbe. 393\nspielt darum eine Melodie soweit als m\u00f6glich auf derselben. Saite, und oft ist dies auch vorgeschrieben. Die freie Saite wird von hervorragenden Spielern \u2014 bei Joachim war dies regelm\u00e4\u00dfig zu beobachten \u2014 sowenig wie m\u00f6glich gebraucht, was allerdings nicht blo\u00df im Streben nach gleichm\u00e4\u00dfiger Klangfarbe seinen Grund hat, sondern auch in den durch den musikalischen Zusammenhang gebotenen Modifikationen der Tonh\u00f6he, die nur durch Greifen erzielt werden k\u00f6nnen. Endlich ist sogar auf der n\u00e4mlichen Saite ein Unterschied, je nachdem ein, sei es freier sei es gegriffener, Ton auf einer oder mehreren der \u00fcbrigen Saiten gleiche mitschwingende T\u00f6ne erregt. So klingt ein auf der D-Saite der Geige gegriffenes a1 durch das Mitklingen der freien Saite kr\u00e4ftiger und voller als ein b1, ebenso ein g1 auf derselben Saite durch das Mitklingen desselben Tones als Teiltones der G-Saite etwas kr\u00e4ftiger als ein f1.\nDa dem Musiker alle diese Modifikationen aus der Praxis gel\u00e4ufig sind, auch wenn er sie sich nicht theoretisch zum Bewu\u00dftsein gebracht hat, so geh\u00f6ren sie f\u00fcr ihn eben mit zum Begriffe des jeweiligen Instrumentes, ebenso wie die Modifikationen eines Vokals in den verschiedenen Stimmregistern in dem Begriff des Vokals eingeschlossen sind. Aber sie zeigen auch wieder, wie wenig sich die Begriffe \u201eKlangfarbe\u201c und \u201eInstrument\u201c gegenseitig decken.\nMan kann fragen, welches unserer Instrumente die mildeste, also oberton\u00e4rmste Klangfarbe, welches die sch\u00e4rfste, also obertonreichste besitze, und wie man etwa ein klangsch\u00f6nstes, ideales Musikinstrument definieren k\u00f6nnte.\nHalten wir uns nur an die bei uns gebr\u00e4uchlichen Instrumente, so sind wohl die beiden Extreme auf der Orgel vertreten. Am mildesten sind bekanntlich die weitm\u00e9nsurierten \u201egedackten\u201c Register. Aber den 3. Teilton habe ich hier immer, auch bei schwachem Anblasen, mit blo\u00dfem Ohre relativ sehr stark h\u00f6ren k\u00f6nnen. Mit einer Hilfsgabel von ann\u00e4hernd gleicher H\u00f6he gibt er kr\u00e4ftige Schwebungen. Beim Register \u201eHohlfl\u00f6te\u201c konnte ich mit blo\u00dfem Ohr sogar den 5. Teilton, wenn auch schwach, noch h\u00f6ren (1, II, S. 161). In dieser Hinsicht mu\u00df ich Miller widersprechen; er m\u00fc\u00dfte denn bei seinen Synthesen Pfeifen ben\u00fctzt haben, bei denen durch irgendwelche besondere Kunstgriffe die Duodezime auf ein Minimum reduziert war. Die einfachsten Klangquellen sind doch Resonanzgabeln, die bei schwachem Anschl\u00e4gen mit dem Finger keine Obert\u00f6ne, bei st\u00e4rkerem Streichen mit dem Bogen nur die Oktave, bei sehr starkem noch eine \u00e4u\u00dferst schwache Duodezime h\u00f6ren lassen (der st\u00f6rende unharmonische","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394\t15. Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\nBeiton, eine verstimmte Duodezime, kann durch Anbringung eines Gummiringes in der Gegend des unteren Drittels der Zinken beseitigt werden). Aber sie sind als musikalische Instrumente nur vor\u00fcbergehend gebraucht worden; die vor 100 Jahren gelegentlich gebauten Stimmgabelklaviere sind Kuriosit\u00e4ten geblieben.\nDie sch\u00e4rfsten unter den gebr\u00e4uchlichen Klangfarben finden sich wohl gleichfalls auf der Orgel. Betrachtet man sie als ein einziges Instrument, so ist nat\u00fcrlich das volle Werk, auch wenn nur eine Note oder ein Oktavenkomplex angegeben wird, von der allergr\u00f6\u00dften Zusammengesetztheit und gleichwohl einheitlich. Aber auch unter den einzelnen Orgelregistern kommen \u00e4u\u00dferst scharfe Farben vor. Ein mir von Herrn Orgelbauer Klais (Bonn) \u00fcbersandter Pfeifensatz gibt Kl\u00e4nge, die man nur im Zusammenklang mit anderen Registern musikalisch ertr\u00e4glich machen kann.\nEin ideales Instrument w\u00e4re nach Miller ein solches, dessen Teilt\u00f6ne mit zunehmenden Ordnungszahlen gleichm\u00e4\u00dfig an Intensit\u00e4t abnehmen (S. 21 Iff.). Nach seinen Tabellen w\u00fcrde der durchschnittliche Hornklang diesem Ideale nahekommen (S. 202ff.). Freilich w\u00fcrden die charakteristischen Eigenheiten bei einer solchen Struktur verlorengehen. Auch der Hornklang ist nach Millers eigener Analyse niemals in Wirklichkeit so gebaut, weder hei starkem noch bei schwachem Blasen. Der berechnete Durchschnitt ist ja ein niemals realisiertes Abstraktum. Miller hat dann aus 10 Resonanzgabeln, die in den Verh\u00e4ltnissen der harmonischen Teilt\u00f6ne zueinander standen, einen Klang k\u00fcnstlich zusammengesetzt, den er als vollkommen einheitlich und doch so voll und weich schildert, wie er selten von einem Musikinstrument geh\u00f6rt werde.\nEinen Versuch \u00e4hnlicher Art habe ich mit noch mehr Gabeln 3 Jahrzehnte lang in meiner Psychologie Vorlesung am Schl\u00fcsse des akustischen Kapitels vorgef\u00fchrt. Es waren 5 gleichzeitige reine Dur-Dreikl\u00e4nge auf den Grundt\u00f6nen 100, 200, 400, 800, 1600. Die Verh\u00e4ltnisse dieser 15 T\u00f6ne sind nicht identisch mit denen der harmonischen Teiltonreihe, doch ist diese vom 1. bis zum 6. Teilton l\u00fcckenlos und sind weitere 6 in Abst\u00e4nden darin vertreten. Der Zusammenklang ist auch so sehr einheitlich, aber noch reicher und von wunderbarer Sch\u00f6nheit. In seinem langsamen Verklingen wirkt er wie eine Sph\u00e4renharmonie; und da die h\u00f6heren Gabeln rascher verklingen als die tiefen, so kommen auch Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse von der Gleichheit bis zu jedem Grade der Abnahme von unten nach oben dabei zustande. In gewissem Sinne mag dies nun wohl ein idealer Klang genannt werden. Man k\u00f6nnte auch recht wohl einen Mechanismus ersinnen, der das","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Tiefere Erkl\u00e4rungsgr\u00fcnde.\n395\ngleichzeitige Anstreichen oder Anschl\u00e4gen der Gabeln besorgte, die dann an bestimmten Stellen einer musikalischen Komposition, etwa am Schlu\u00df eines feierlichen Hymnus, erklingen k\u00f6nnten. Aber ein ganzes \u201eMixtur-Register\u201c dieser Art lie\u00dfe sich nat\u00fcrlich nicht ohne die gr\u00f6\u00dften Umst\u00e4ndlichkeiten herstellen, und gesch\u00e4he es, so w\u00e4re noch die Frage, ob die fortgesetzten f\u00fcnffachen Dreiklangsparallelen nicht selbst das moderne Ohr unangenehm ber\u00fchren w\u00fcrden.\nAuf den n\u00e4mlichen Grundt\u00f6nen ist in der Sammlung unseres psychologischen Instituts auch der reine Moll-Dreiklang vertreten. Der Unterschied ist sehr lehrreich: der Wohlklang bedeutend geringer.\nKirchenglocken sollten nicht im Dreiklang, nicht einmal im Durdreiklang gestimmt werden, da ihre T\u00f6ne doch haupts\u00e4chlich in der Aufeinanderfolge zum Vorschein kommen, wo es mehr auf melodische als auf harmonische Intervalle ankommt und Halbtonstufen stimmungsvoll wirken k\u00f6nnen. Vollends entsetzlich w\u00e4re es, wenn die Automobilhupen (t\u00e4uscht mich nicht die Erinnerung, so hat ein gro\u00dfer Naturforscher einmal in Zeitungen diesen Wunsch ausgesprochen) in Dreikl\u00e4ngen abgestimmt w\u00fcrden, die nat\u00fcrlich auch noch meist unrein herauskommen w\u00fcrden.\n7. Tiefere Erkl\u00e4rungsgr\u00fcnde.\nWie h\u00e4ngen nun die Komplexeigenschaften, die wrir der Klangfarbe im engeren Sinne zurechnen, das Weiche, Volle, Hohle, Scharfe, Schmetternde usw., mit ihrer Teiltonstruktur zusammen ?\nSchon die blo\u00dfe Anzahl der Teilt\u00f6ne bewirkt einen ersten Unterschied : der einfache Ton klingt gegen\u00fcber dem zusammengesetzten unanalysierten Klang d\u00fcrftig, wesenlos; dieser erscheint voller, reicher. ,,A pure tone is a poor tone\u201c, sagt Miller treffend. Man hat, wie es scheint, durch die Beschaffenheit der Komplexempfindung eine unmittelbare Kunde davon, ob eine Sinnessph\u00e4re des Gehirns mehr oder weniger ausgef\u00fcllt ist. Auch beim mehrstimmigen Gesang wird man einen 6-stimmigen von einem 3-stimmigen Chor bei gleicher Gesamtzahl der S\u00e4nger durch die gr\u00f6\u00dfere F\u00fclle unterscheiden, auch ohne die einzelnen Stimm-gattungen auseinanderzuhalten und zu z\u00e4hlen (wozu \u00fcbrigens bei Sechsstimmigkeit, zumal im Palestrinastil, selbst Ge\u00fcbte nicht so leicht imstande sind).\nDen Farbenunterschied des einfachen \u201eTones\u201c vom \u201eKlange\u201c hat auch Helmholtz, der diesen Bezeichnungen zuerst feste Begriffe unterlegte, hervorgehoben. Im \u00fcbrigen begn\u00fcgte er sich hier mit einigen rein empirischen Regeln, die einer Zur\u00fcckf\u00fchrung auf tiefere Gr\u00fcnde bed\u00fcrftig und f\u00e4hig waren. Da\u00df er dazu nicht kam, hatte seinen Grund in der unvollst\u00e4ndigen Beschreibung der","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396\t15. Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\nEigenschaften einfacher T\u00f6ne. Er schreibt ihnen au\u00dfer den H\u00f6henunterschieden nur noch solche der St\u00e4rke zu, ,,da die Form einfacher Wellen vollst\u00e4ndig gegeben ist, wenn ihre Schwingungsweite gegeben ist\u201c (S. 120). Physikalisch ist dies unbezweifelbar richtig, denn Sinusschwingungen k\u00f6nnen sich au\u00dfer in der L\u00e4nge, von der die H\u00f6he des Tones abh\u00e4ngt, nur noch in der Amplitude unterscheiden. Aber damit ist nicht gesagt, da\u00df die unter Vermittlung verwickelter Gehirnprozesse daran gekn\u00fcpften sinnlichen Erscheinungen nicht noch andere Unterschiede auf weisen, die sich mit der H\u00f6he zwar parallel, aber nicht notwendig in \u00fcberall gleichem Grade ver\u00e4ndern. Dies ist in der Tat der Fall. Helmholtz selbst sagt von den einfachen T\u00f6nen: ,,sie klingen sehr weich und angenehm, ohne alle Rauhigkeit, aber unkr\u00e4ftig und in der Tiefe dumpf\u201c. Damit sind doch schon mehrere Unterschiede, wie Weichheit und Sch\u00e4rfe, Dumpfheit und Helligkeit, Kr\u00e4ftigkeit und Unkr\u00e4ftigkeit, zugegeben. Aber diese Beschreibung mu\u00df erl\u00e4utert, erg\u00e4nzt und teilweise auch berichtigt werden.\nDie H\u00f6he, die wir mit Helligkeit identisch setzen, involviert die gewaltigen Unterschiede von den tiefsten, dunkelsten bis zu den h\u00f6chsten, hellsten T\u00f6nen. Damit gehen parallel Unterschiede des Volumens, das mit zunehmender H\u00f6he abnimmt, aber sich in der mittleren Lage weniger stark ver\u00e4ndert. Tiefen T\u00f6nen ist eine gewisse Breite und Verschwommenheit eigen, mit der sie uns wie ein Medium umfangen, w\u00e4hrend die hohen unstreitig immer spitzer werden, und beides nicht etwa blo\u00df im fig\u00fcrlichen Sinne, auf Grund blo\u00df assoziierter r\u00e4umlicher Vorstellungen, sondern zufolge einer immanenten r\u00e4umlichen oder raum\u00e4hnlichen Beschaffenheit. Wenn Helmholtz die tiefen T\u00f6ne \u201edumpf\u201c nennt, so ist damit vielleicht ihre Dunkelheit und ihr Volumen gleichzeitig gemeint (wie wir von einem dumpfen Schmerze reden). Genau genommen ist dies aber schon eine Mehrheit von Eigenschaften.\n\u00dcber das Volumen vgl. Tonps. II S. 57 u. \u00f6. Rich S. 121, v. Hobn-bostel 2, S. 708. Waetzmann spricht (3, S. 684) die glaubw\u00fcrdige Vermutung aus, da\u00df die Volumenunterschiede physiologisch bedingt seien durch die nach den h\u00f6heren T\u00f6nen hin abnehmende Breite der erregten Fasergruppe in der Basilarmembran. Dann mu\u00df bei st\u00e4rkerer Erregung auch das Volumen eines Tones wachsen, was den Tatsachen wohl entsprechen k\u00f6nnte.\nH. J. Watt hat in seinen beiden interessanten Schriften ,,The Psychology of Sound\u201c 1917, und \u201eThe Foundation of Music\u201c 1919 dieses Attribut geradezu als das prim\u00e4re bezeichnet und die wichtigsten musikalischen Ph\u00e4nomene darauf zur\u00fcckgef\u00fchrt. Einer solchen Ausdehnung und Verwertung des Begriffes k\u00f6nnte ich mich aber nicht anschlie\u00dfen.\nDie auffallende Breite mancher Kl\u00e4nge, besonders des Waldhornklanges, auch mancher Ba\u00df- und Altstimmen, ebenso das eigent\u00fcmlich Zerflossene","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Tiefere Erkl\u00e4rungsgr\u00fcnde.\n397\nder tieferen subjektiven T\u00f6ne gegen\u00fcber gleich hohen einfachen objektiven T\u00f6nen, legen immer wieder die Frage nahe, ob nicht 2 T\u00f6ne auch bei gleicher H\u00f6he und St\u00e4rke sich noch durch ihr Volumen unterscheiden k\u00f6nnen. Aber bei objektiv erzeugten T\u00f6nen m\u00fc\u00dften doch solche Unterschiede durch objektive Verschiedenheiten des Reizes hervorgerufen werden. Es ist nicht abzusehen, welche Eigenschaften der Tonschwingungen bei gegebener H\u00f6he, St\u00e4rke und Richtung des Eintreffens noch als variable Faktoren wirken k\u00f6nnten. Bei den subjektiven T\u00f6nen liegt es anders; da k\u00f6nnten vielleicht Ausdehnungsunterschiede in der Erregung der Nervenendigungen oder der zentralen Gebilde noch unabh\u00e4ngig von H\u00f6he und St\u00e4rke auf-treten. Aber \u00fcber die Entstehung solcher T\u00f6ne wissen wir eben \u00fcberhaupt noch so gut wie nichts.\nv. Hornbostel unterscheidet (2, S. 708) neben dem Volumen noch andere \u00e4hnliche Eigenschaften, wie Dichtigkeit, Gewicht, bei denen es mir aber zweifelhaft erscheint, inwieweit sie dem urspr\u00fcnglichen Empfindungsmaterial als solchem zukommen und nicht etwa blo\u00df auf mehr oder weniger zuf\u00e4lligen Vorstellungsassoziationen beruhen, die immerhin gro\u00dfe sinnliche Lebhaftigkeit erreichen k\u00f6nnen. \u201eBeh\u00e4bigkeit\u201c geh\u00f6rt sogar sicher in diese Klasse. ,,Dichtigkeits\u201c-Unterschiede w\u00fcrde ich noch am ehesten zugeben, sofern bei tiefen T\u00f6nen mit ihrer Breite auch eine eigent\u00fcmliche Zerflossenheit auff\u00e4llt, w\u00e4hrend hohe kompakter klingen. Aber sind dies nicht doch nur andere Bezeichnungen f\u00fcr die Vohimenunterschiede ? Mir scheint nur dann eine nachweisbare Berechtigung zur Unterscheidung von Attributen vorzuliegen, wenn sich zeigen l\u00e4\u00dft, da\u00df sie in gewissem Ma\u00dfe unabh\u00e4ngig variieren. Auch Eigenschaften, die erst in der Verbindung oder Aufeinanderfolge mehrerer Empfindungen auftreten, wie die Unterschiedsempfindlichkeit oder die Beweglichkeit, w\u00fcrde ich nicht zu den Attributen im engeren Sinne z\u00e4hlen, obschon sie f\u00fcr die Charakteristik h\u00f6herer gegen\u00fcber tieferen Tonlagen sehr wesentlich sind.\nMan kann ferner sagen, da\u00df die St\u00e4rke einfacher T\u00f6ne bei gleicher Reizst\u00e4rke mit der H\u00f6he zunehme. Bekanntlich w\u00e4chst die Empfindlichkeit des Ohres bis in die Gegend der 4-gestr. Oktave. Bei noch h\u00f6heren T\u00f6nen nimmt sie zwar wieder ab, aber daf\u00fcr tritt eine vermehrte Reizbarkeit des ganzen Nervensystems infolge von Geh\u00f6rseindr\u00fccken (gr\u00f6\u00dfere \u201eEindringlichkeit\u201c) an die Stelle, und die h\u00f6chsten T\u00f6ne sind, wenn sie die Reizschwelle erheblich \u00fcbersteigen, von \u00e4u\u00dferst durchdringender, fast unertr\u00e4glicher Wirkung.\nDiese 3 Eigenschaften: Helligkeit, Breite und St\u00e4rke, fa\u00dfte ich (1, II, S. 524ff.) unter dem Namen der \u201eTonfarbe\u201c zusammen und versuchte aus der Tonfarbe der in einem Klang enthaltenen Teilt\u00f6ne die Klangfarbe des Ganzen zu verstehen. Begreiflicherweise wird ein Klang um so heller, sch\u00e4rfer, durchdringender, je mehr hohe und je h\u00f6here T\u00f6ne zum Grundton hinzukommen, wie die Suppe um so salziger schmeckt, je mehr Salz hinzukommt, indem die Eigenschaften der Teile in gewissem Grade auf das unanalysierte Ganze \u00fcbergehen. Zugleich folgerte ich, da\u00df die Klangfarbe keineswegs nur von der relativen, sondern","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398\n15. Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\nauch von der absoluten H\u00f6he der Teilt\u00f6ne (einschlie\u00dflich des Grundtones) abh\u00e4ngt. 2 Kl\u00e4nge von gleich vielen, in gleichen Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnissen stehenden harmonischen Teilt\u00f6nen haben v\u00f6llig verschiedene Klangfarbe, wenn einer der tiefen, einer der hohen Region angeh\u00f6rt; und schon bei geringen H\u00f6henunterschieden m\u00fcssen notwendig auch entsprechende Klangfarbenunterschiede auf treten. Diese Folgerungen erscheinen mir auch heute unbestreitbar.\nDa\u00df auch die Schwebungen der hohen Teilt\u00f6ne untereinander zu der markigen, unter Umst\u00e4nden schmetternden Beschaffenheit eines Instrumentklanges beitragen, hat schon Helmholtz bemerkt. Namentlich bei tiefen, sehr obertonreichen Kl\u00e4ngen, wie denen tiefer Metallzungen (mir standen solche von 20, 30, 50 Schw. zur Verf\u00fcgung) oder der freien 0-Saite des Cello (66 Schw.), wo s\u00e4mtliche benachbarten Teilt\u00f6ne ebenso viele Schwebungen untereinander machen, mu\u00df die starke Rauhigkeit entstehen, wie sie tats\u00e4chlich beobachtet wird. Auch gewisse n\u00e4selnde oder prickelnde Beimischungen h\u00e4ngen mit Schwebungen sehr hoher Beit\u00f6ne zusammen1).\nDie Differenzt\u00f6ne, die nat\u00fcrlich f\u00fcr den Klang ebenfalls von Bedeutung sind, indem sie ihn dunkler f\u00e4rben als er ohne sie erscheinen w\u00fcrde, rechnen wir hier von vornherein bei der Bestandsaufnahme dem Klangkomplex zu. In Kl\u00e4ngen z. B., die den Durdreiklang (4:5:6) stark enthalten, sind durch kr\u00e4ftige subjektive Differenztonbildung nicht nur der Grundton, sondern auch die T\u00f6ne 2 und 3, also die ganze tiefere Teiltonreihe, verst\u00e4rkt, es kommen also deren Eigenschaften mit zur Geltung. Dies wird den Klang besonders voll und reich machen. Kommt aber der Grundton eines tiefen Klanges ausschlie\u00dflich oder haupts\u00e4chlich als Differenzton der Obert\u00f6ne zustande (wie dies z. B. bei der \u00dcbertragung von Kl\u00e4ngen der gro\u00dfen Oktave durch den Rundfunk\nJ) Miller weist darauf hin (S. 138ff.), da\u00df man das Vorhandensein von Schwebungen in bestimmten Kl\u00e4ngen oft schon aus der Kurvenform ablesen k\u00f6nne, und f\u00fchrt als Beispiel einen Klarinettenklang an, in dessen Kurve er Schwebungen hoher Teilt\u00f6ne erkennt. Die Analyse dieser Kurve ergab ihm die folgenden relativen Amplituden der ersten 12 Teilt\u00f6ne: 29, 7, 20, 1, 2, 6, 6, 8, 16, 9, 30, 35. Hier sind der 11. und 12. Teilton au\u00dferordentlich stark und m\u00fcssen merkliche Schwebungen in der Frequenz der Grundtonschwingung geben, vorausgesetzt allerdings, da\u00df diese Frequenz nicht die Grenze der Merklichkeit f\u00fcr Schwebungen \u00fcbersteigt. Leider ist die H\u00f6he des Grundtones nicht angegeben. War es aber ungef\u00e4hr a oder c1, dann lagen die beiden Teilt\u00f6ne in der 4-gestrichenen Oktave innerhalb des N\u00e4selformanten und gaben miteinander 200 \u2014 250 Schwebungen pro Sekunde, die sich in dieser H\u00f6he noch als ganz leichtes Prickeln geltend machen.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"Tiefere Erkl\u00e4rungsgr\u00fcnde.\n399\nder Fall sein d\u00fcrfte), so mu\u00df der Klang noch sehr viel rauher und ger\u00e4uschiger werden, als wenn der Grundton objektiv kr\u00e4ftig vorhanden ist.\nEs wurde schon fr\u00fcher (1, II, 525, 531) bemerkt und soll auch hier noch besonders betont werden, da\u00df von einer Mischung der Eigenschaften hier doch nicht ganz in demselben Sinne gesprochen werden kann wie bei den Speisen oder Ger\u00fcchen, wo schon die objektiven Bestandteile sich miteinander chemisch oder physikalisch zu einem Gesamtreiz verbinden. Niemals entsteht aus einem hohen und einem tiefen Ton ein mittlerer. Der Grundton r\u00fcckt nicht infolge der beigemischten Obert\u00f6ne in der Tonlinie h\u00f6her hinauf, sondern es erh\u00e4lt nur das Ganze eine gr\u00f6\u00dfere Komplexhelligkeit. Diese kann uns freilich verleiten, auch den Grundton, durch den wir die H\u00f6he des Klanges definieren, h\u00f6her anzusetzen als denselben Grundton ohne Obert\u00f6ne. Aber sobald man aufmerksam beide Erscheinungen vergleicht, erkennt man das Urteil als irrig; und gibt man sie gleichzeitig an, so ist der einfache Ton, wenn er aus gleicher Richtung kommt, nicht mehr gesondert h\u00f6rbar. Bei Kl\u00e4ngen hat es daher einige Berechtigung, ihre H\u00f6he noch von ihrer Helligkeit zu unterscheiden: die H\u00f6he ist immer gleich der H\u00f6he des Grundtones, die Klanghelligkeit dagegen ist gr\u00f6\u00dfer als die des tiefsten, kleiner als die des h\u00f6chsten seiner Teilt\u00f6ne, sie kann der Helligkeit eines zwischenliegenden einfachen Tones einigerma\u00dfen zugeordnet werden, liegt aber nicht in der Linie der einfachen Helligkeiten selbst, sondern sozusagen in einer anderen Dimension.\nUmgekehrt ist das Klangvolumen kleiner als das des tiefsten, gr\u00f6\u00dfer als das des h\u00f6chsten Teiltones, gleichwohl nicht schlechthin identisch mit einem mittleren, sondern einem solchen nur zuzuordnen. In beiden F\u00e4llen ist daher von einer Misch- oder Durchschnittsbildung nicht im eigentlichen w\u00f6rtlichen Sinne zu reden.\nBei den St\u00e4rken der Teilt\u00f6ne wird man ohnedies nicht an eine Mischung denken. Da\u00df aber auch nicht eine Summierung im eigentlichen Sinne stattfindet, wurde schon oben (11. Kap.) erw\u00e4hnt. Das Klangganze ist nicht st\u00e4rker als der st\u00e4rkste Teilton. Es ist nur reicher, dichter, massiver.\nWenn a. a. O. S. 540 gesagt wurde, die Eigenschaften der Teile gingen scheinbar auf das unanalysierte Ganze \u00fcber, so ist dieses \u201escheinbar\u201c nicht so zu verstehen, als bes\u00e4\u00dfen nur die Teile selbst wirkliche Eigenschaften und seien die Klanghelligkeiten usw. nur Urteilst\u00e4uschungen, sondern so, da\u00df eben keine Verst\u00e4rkung, Erhellung, Zuspitzung in demselben Sinne stattfindet, wie wenn man mit einfachen T\u00f6nen von der Tiefe zur H\u00f6he \u00fcbergeht. Immerhin wird der Ausdruck \u201escheinbar\u201c des naheliegenden Mi\u00dfverst\u00e4ndnisses wegen besser vermieden.","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\nlo. Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\nNun mu\u00df aber auf Grund der gegenw\u00e4rtigen Untersuchungen noch eine weitere, damals nur kurz (S. 543) gestreifte Eigenschaft der einfachen T\u00f6ne zur Erkl\u00e4rung der Klangfarbe herangezogen werden: die Vokalit\u00e4t oder die Tonfarbe im engsten und eigentlichsten Sinne. Freilich sind es hier, wie bei den Vokalen selbst, nicht die Vokalit\u00e4ten als wahrnehmbare Eigenschaften der einfachen T\u00f6ne, sondern die physiologischen Vokalvalenzen, die als Erkl\u00e4rungsmittel dienen m\u00fcssen und k\u00f6nnen. Denn w\u00e4hrend die Unterschiede der Helligkeit, Breite, St\u00e4rke f\u00fcr jedermann leicht erkennbar sind, bleiben die Vokal\u00e4hnlichkeiten einfacher T\u00f6ne, abgesehen von ihrem U- und I-Charakter, den meisten nur schwer erkennbar. Es handelt sich also nur um jene Gehirnprozesse, denen zufolge T\u00f6ne zwischen g1 und p4 in Verbindung miteinander und mit tieferen T\u00f6nen die ges\u00e4ttigteren Vokalqualit\u00e4ten her Vorbringen.\nEs ist nun nicht anders m\u00f6glich, als da\u00df unter den zahllosen Kombinationen von Teilt\u00f6nen in bestimmten St\u00e4rkeverh\u00e4ltnissen, wie sie sich in den Instrumentalkl\u00e4ngen von verschiedener Tonh\u00f6he finden, best\u00e4ndig auch solche Vorkommen, die zufolge der H\u00f6hen- und St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse der Teilt\u00f6ne mehr oder weniger deutliche Vokal\u00e4hnlichkeiten in die Kl\u00e4nge hineinbringen. Wir haben schon auf solche F\u00e4lle hingewiesen, und je mehr man darauf merkt, um so klarer erkennt man den Einflu\u00df dieses Faktors auf das gesamte Klangfarbengebiet. Die Extreme U und I wird man nur selten vertreten finden (wie in den Kl\u00e4ngen tiefer geduckter Pfeifen und den h\u00f6chsten T\u00f6nen des Pikkolo, der Harfe und der hohen Orgelregister), dagegen fast immer mehr oder weniger Ankl\u00e4nge an UO, O, A, \u00c4, E. So z. B. 0 in den Kl\u00e4ngen des Horns und der Viola, soweit sie sich in den mittleren Regionen halten und daher unter ihren Teilt\u00f6nen besonders der UO- und der O-Formant, T\u00f6ne zwischen etwa e1 und e2 *, stark vertreten sind1). A\u00c4 in Trompeten- und Klarinettenkl\u00e4ngen mittlerer H\u00f6hen, \u00c4 und E im Oboenklang, leisestes E auch im N\u00e4seln der Klarinette und besonders des Fagotts, wo es durch die Teilt\u00f6ne zwischen c4 und p4 (den E-Formanten) vertreten ist; usf.2). Die festen\n1)\tAuch unter den KoEHLERSchen Trommelfellkurven sind die des Waldhorns denen des O zum Verwechseln \u00e4hnlich.\n2)\tMan k\u00f6nnte fragen, warum Teilt\u00f6ne der 4-gestrichenen Oktave nur bei bestimmten Instrumenten N\u00e4seln bewirken, nicht aber z. B. bei der\nTenorposaune, wo f\u00fcr den Grundton c1 gleichfalls auf d4 ein 2. Maximum liegt. Aber hier kommt der N\u00e4selformant infolge der St\u00e4rke aller darunter-und dar\u00fcberliegenden Teilt\u00f6ne nicht zu seiner spezifischen Wirkung. Auch\nim gesungenen A der M\u00e4nnerstimme sind ja in der N\u00e4he meistens Teilt\u00f6ne dieser Tonlage enthalten, ohne da\u00df sie ein N\u00e4seln zur Folge haben m\u00fcssen.","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Tiefere Erkl\u00e4rungsgr\u00fcnde.\n401\nNebenformanten der Instrumente, einschlie\u00dflich des N\u00e4selformanten, sind nichts anderes als die Vokalformanten, eingef\u00fcgt in Instrumentalkl\u00e4nge. Wie schon bemerkt, sind mir diese Vokal\u00e4hnlichkeiten auch bei der Synthese der Instrumentalkl\u00e4nge als Fingerzeige vielfach n\u00fctzlich gewesen. \u00dcbrigens sind sie teilweise auch schon Herrmann-Goldap, Koehler und Miller (A-\u00c4hnlichkeit der Fl\u00f6te auf b1 infolge des starken Teiltones b'2) auf gef allen1).\nEs ist so zwischen den Vokalen der menschlichen Stimme und den instrumentalen Klangfarben nicht blo\u00df kein prinzipieller Gegensatz, wie er von Hermann u. a. behauptet wurde, sondern ein sehr naher und enger Wesenszusammenhang. Noch deutlicher als schon im 10. und 13. Kap. erkennen wir nunmehr, wie wenig berechtigt es w\u00e4re, den Vokalen eine unbegreifliche Sonderstellung unter den Geh\u00f6rseindr\u00fccken einzur\u00e4umen. Sie unterscheiden sich von den Instrumentalfarben nur dadurch, da\u00df wegen der durch die Mundh\u00f6hle hergestellten kr\u00e4ftigen Resonanz die Farbvalenzen des \u201eakzessorischen Prozesses\u201c zwischen g1 und g4 am reinsten zur Geltung kommen. Man kann sie geradezu dadurch definieren. Die n\u00e4mlichen Tongruppen sind bei den Vokalen Hauptformanten, bei den Instrumenten Nebenformanten.\nNichts ist denn auch leichter, als einen synthetisch dargestellten Instrumentalklang in einen Vokal zu verwandeln: man braucht nur einige Drehungen an den Wirbeln des Regulierungsapparates vorzunehmen. So z. B. geht der Hornklang auf c1 in den Vokal A \u00fcber, wenn man den Ton c1 auf Null zur\u00fcckschraubt und e3 schwach hinzuf\u00fcgt. Ebenso leicht sind die Fl\u00f6tenkl\u00e4nge auf c1 und c2 in A \u00fcberzuf\u00fchren durch Schw\u00e4chung der 2 tiefsten Teilt\u00f6ne.\nZwischen der Vokalfarbigkeit und den 3 zuerst herangezogenen Eigenschaften einfacher T\u00f6ne besteht\u2019 jedoch der Unterschied,\n\u00dcbrigens scheint auch die Eigenschaft der \u201eHohlheit\u201c, die sich bei der Klarinette, in geringerem Grade auch beim Fagott, mit dem N\u00e4seln verbunden findet, nicht ohne Bedeutung f\u00fcr dieses, obschon beide Eigenschaften begrifflich zu unterscheiden sind und auch getrennt Vorkommen. Durch die Hohlheit scheint das N\u00e4seln merklicher zu werden; die hohen Teilt\u00f6ne machen sich durch den Kontrast mit der hohlen Grundlage \u2014 gewisserma\u00dfen einem negativen Unterformanten \u2014 st\u00e4rker im Klange geltend.\nx) Koehler hat darauf mit besonderem Nachdruck gegen\u00fcber Hermann hingewiesen. Er erinnert .an das \u201eTaratantara\u201c, mit dem der r\u00f6mische Dichter den Klang der Tuba wiedergibt. Dieses hat allerdings auch in der St\u00e4rke ein Tertium comparationis mit A, da dieser Vokal am st\u00e4rksten hervorgebracht werden kann, ebenso wie vor der Trompete \u201eViola, Ba\u00df und Geigen schweigen\u201c. Aber unstreitig liegt auch etwas Verwandtes in der Klangfarbe.\nStumpf, Sprachlaute.\n26","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402\tIS. Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\nda\u00df diese in den Teilen ausgepr\u00e4gter sind als im Ganzen, jene aber in erheblichem Ma\u00dfe \u00fcberhaupt erst durch die Verkn\u00fcpfung mehrerer Teilt\u00f6ne zustande kommt. Dar\u00fcber sei auf die Betrachtungen des 13. Kap. zur\u00fcckverwiesen.\nMan k\u00f6nnte schlie\u00dflich die Frage aufwerfen, ob nicht auch die Eigenschaft einfacher T\u00f6ne, die wir \u201emusikalische Qualit\u00e4t\u201c nennen (vgl. S. 91), einen Einflu\u00df auf die Klangfarbe habe. Aber wir w\u00fc\u00dften keine Klangfarbenunterschiede zu nennen, die sich darauf mit Bestimmtheit zur\u00fcckf\u00fchren lie\u00dfen und nicht schon aus den oben erw\u00e4hnten Eigenschaften herzuleiten w\u00e4ren. Nur ein Fall k\u00e4me vielleicht in Betracht: die Auszeichnung des Grundtones (\u00a3 in der Musik. Durch viele Beispiele l\u00e4\u00dft sich belegen, da\u00df C-dur f\u00fcr besonders kraftvolle und gl\u00e4nzende Wirkungen mit Vorliebe ben\u00fctzt wird, da\u00df Sieg und Triumph, strahlende Helle darin einen oft \u00fcberw\u00e4ltigenden Ausdruck finden. Da\u00df die mit G bezeichneten Schwingungszahlen sich im Laufe der Jahrhunderte einigerma\u00dfen verschoben haben, w\u00fcrde keinen durchschlagenden Einwand bedeuten, da die musikalische Qualit\u00e4t, oder wenigstens ihre emotionelle Seite, sich mit verschoben haben kann. Aber die Frage w\u00e4re, ob diese gl\u00e4nzende F\u00e4rbung aus einer schon urspr\u00fcnglich vorhandenen Sonderstellung der (VEmpfin-dungen oder ob nicht umgekehrt die bevorzugte Stellung im Musiksystem und auf der Palette der musikalischen Maler aus rein historischen, mit unserem Notierungssystem zusammenh\u00e4ngenden Ursachen und Gew\u00f6hnungen herzuleiten sei. Darum m\u00f6ge auch die obige Frage hier als solche stehenbleiben.\n8. Klangmerkmale der Instrumente.\nWas ist den Klangfarben der verschiedenen Lagen eines Instrumentes ph\u00e4nomenal gemeinsam?\nAuf diese, mit dem Wiedererkennen des Instrumentes zusammenh\u00e4ngende Frage k\u00f6nnen wir jetzt zur\u00fcckkommen. Es gen\u00fcgt nicht, physikalische Merkmale anzuf\u00fchren, sondern es m\u00fcssen die erscheinungsm\u00e4\u00dfigen Z\u00fcge aufgewiesen werden, die durch solche Merkmale bedingt sind.\na) Als Folge einer relativ gro\u00dfen oder geringen Anzahl der Teilt\u00f6ne m\u00fcssen ph\u00e4nomenale Unterschiede der F\u00fclle und K\u00f6rperlichkeit (Dichtigkeit), aber auch der Sch\u00e4rfe und Helligkeit des Klanges resultieren. Nun kann es allerdings geschehen, da\u00df ein Instrument X, das auf der Tonh\u00f6he c mehr Teilt\u00f6ne als Y aufweist, auf c1 oder c2 ebensowenig Teilt\u00f6ne wie Y auf c enth\u00e4lt. Aber es wird dadurch nicht ebenso milde und dunkel","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"Klangmerkmale der Instrumente.\n403\nwerden wie Y auf c, weil bei Erh\u00f6hung des Grundtones die gesamte Klangmasse in eine hellere Region gelangt. Die Helligkeit h\u00e4ngt eben nicht blo\u00df von der Zahl, sondern auch von der absoluten Lage der Teilt\u00f6ne ab1).\nJedenfalls wird, wenn beide Instrumente wieder eine identische h\u00f6here Note angeben, etwa c1 oder c2, ein analoger, wenn auch nicht mehr ebenso gro\u00dfer Unterschied zwischen ihren Kl\u00e4ngen vorhanden sein wie vorher. Der Kenner ist aber gewohnt, bei der Beurteilung der Klangfarbe die jeweiligen Tonlagen selbst mit in Rechnung zu ziehen. Auf jeder Tonh\u00f6he, abgesehen von den h\u00f6chsten Lagen (etwa von c3 ab), gibt es eben relativ scharfe, mittelscharfe, weiche und sehr weiche Kl\u00e4nge, und jedes Instrument geh\u00f6rt, soweit es \u00fcberhaupt sich selbst \u00e4hnlich bleibt, auf jeder H\u00f6he zu der n\u00e4mlichen Klasse. Auf diese Art ist es m\u00f6glich, die Instrumente, trotz der Klangve'r-schiedenheit ihrer Regionen, schon durch ihre relativen Sch\u00e4rfe-und Helligkeitsgrade einigerma\u00dfen auseinanderzuhalten und wiederzuerkennen, auch abgesehen von \u00e4u\u00dferen Kriterien.\nb) Ein 2. Moment liefern die beweglichen Formanten. In bezug auf diese hat Koehler den Schlu\u00df gezogen, ihre Bedeutung f\u00fcr die spezifische Klangfarbe eines Instrumentes m\u00fcsse auf den darin besonders stark vertretenen Intervallen als solchen beruhen. Denn wenn auf einem Instrument eine Tonleiter gespielt\n1) Wie feinsinnige Komponisten die durch die absolute H\u00f6henlage mitbedingte Komplexhelligkeit ber\u00fccksichtigen, m\u00f6ge nur ein Beispiel\nzeigen. Mendelssohn schreibt im 5. und 9. Takt des Allegro maestoso assai, das den Abschlu\u00df seiner A-moll-Symphonie bildet, den Klarinetten einen Sprung in die tiefere Oktave vor (nur f\u00fcr diese 2 Takte), der die Melodie vollkommen entstellen w\u00fcrde, wenn. man darauf achtete. Man \u00fcberh\u00f6rt ihn, weil die Klarinetten hier nur zur F\u00fcllung und F\u00e4rbung der melodief\u00fchrenden Viola dienen. Aber warum diese Spr\u00fcnge ? Offenbar, weil die Gesamtf\u00e4rbung zun\u00e4chst eine geheimnisvoll dunkle sein soll, um sich dann immer mehr bis zu vollem Glanze zu steigern. Diese dunkle F\u00e4rbung w\u00fcrden aber die Klarinetten beeintr\u00e4chtigen, wenn sie, wie es die Melodie verlangt, an akzentuierten Stellen das h\u00f6here e1 intonierten, das schon in ihr 2. Klangfarbenregister hin\u00fcbergreift. Vom 13. Takt an durchbrechen sie diese Grenze, dann beginnt aber auch schon die gro\u00dfe Steigerung.\nIn der neuesten Musik sollen allerdings in melodief\u00fchrenden Stimmen gelegentlich Oktavversetzungen einzelner T\u00f6ne angewandt werden, die nicht im Klange untergehen, sondern sich dem H\u00f6rer aufdr\u00e4ngen und die Melodiegestalt selbst \u201ef\u00e4rben\u201c sollen (Erpf a. a. O.). Melodien im fr\u00fcheren Wortsinne vertragen dergleichen nicht, aber \u201eatonale\u201c m\u00f6gen dadurch vielleicht nicht weiter gesch\u00e4digt werden. In China macht man\u2019s schon lange ebenso mit Quinten (Erich Fischer).\n26*","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404\t15. Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\nwird, so ver\u00e4ndern mit dem Grundton auch alle Teilt\u00f6ne ihre absolute H\u00f6he, nur ihre Schwingungsverh\u00e4ltnisse bleiben dieselben. Nun sind es zwar bei allen Instrumenten die gleichen Schwingungsverh\u00e4ltnisse, n\u00e4mlich die der aufeinanderfolgenden ganzen Zahlen; aber bestimmte Verh\u00e4ltnisglieder sind durch ihre St\u00e4rke ausgezeichnet, z. B. 3 : 4 oder 4:5:6, und diese stellen dann eben den beweglichen Formanten dar. Also, schlie\u00dft Koehler, mu\u00df eine den Intervallen als solchen zukommende ph\u00e4nomenale Eigenschaft, ihre \u201eIntervallfarbe\u201c, die gleichbleibende Klangfarbe eines Instrumentes bedingen. \u201eAus den Intervallfarben setzt sich demnach die Klangfarbe zusammen.\u201c\nDen letzten Satz d\u00fcrfte er heute nicht mehr billigen, sofern auf keinen Fall eine blo\u00dfe Addition stattfinden kann. Die \u201eFarbe\u201c eines Akkords ist ja nicht die blo\u00dfe Summe seiner Intervallfarben. Immerhin bleibt denkbar, da\u00df das Vorhandensein eines oder mehrerer besonders starker Intervalle innerhalb der Reihe der Teilt\u00f6ne dem Gesamtklang eine bestimmte Farbe auf pr\u00e4gte, die dann bei Instrumenten mit beweglichen Formanten in verschiedenen H\u00f6henlagen unge\u00e4ndert bliebe.\nDies ist aber zun\u00e4chst eine theoretische Konstruktion, und der Schlu\u00df ist nicht einmal ganz zwingend, weil es noch andere Erkennungsmerkmale f\u00fcr die Instrumente gibt. Es fragt sich also, was von einem solchen Einflu\u00df empirisch nachzuweisen ist. Unstreitig hat heutzutage jedes der musikalischen Intervalle und jeder Akkord, zun\u00e4chst f\u00fcr musikalische Personen, im isolierten Zustand einen besonderen Charakter, wenn auch in der Beschreibung Einstimmigkeit schwer zu erzielen ist (vgl. m. Abh. 2, S. 339ff.). Man mag ihn als Farbe oder, wie es bisher meistens geschah, als ein daran gekn\u00fcpftes Gef\u00fchl oder als eine Gef\u00fchlsempfindung bezeichnen. Die Frage ist aber: wieweit dieser Charakter an ein analysierendes H\u00f6ren gekn\u00fcpft oder wenigstens daraus entstanden ist, wieweit er auch f\u00fcr unmusikalische Personen vorhanden ist, und wieweit er sich innerhalb eines Einzelklanges, der sich von dem gew\u00f6hnlichen Akkord durch die ungleiche St\u00e4rke der Komponenten unterscheidet, vorfindet. Die heutigen Intervall- und Akkordfarben sind in der Hauptsache Entwicklungsprodukte unserer harmonischen Musik, also recht jungen Datums. Es ist zwar anzunehmen, da\u00df der reine Dur-Dreiklang, wo er etwa zuf\u00e4llig fr\u00fcher vorkam, immer schon etwas angenehmer oder weniger unangenehm als andere Zusammenkl\u00e4nge empfunden wurde ; aber wir haben keinerlei Anzeichen daf\u00fcr, da\u00df man ihn besonders hoch-gesch\u00e4tzt oder geflissentlich aufgesucht oder gar Einzelkl\u00e4nge nach den verschiedenen darin verst\u00e4rkt vorkommenden Dreiklangslagen","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"Klangmerkmale der Instrumente.\n405\nunterschieden und wiedererkannt h\u00e4tte. Wenn exotische V\u00f6lker, wie Chinesen, Araber, Instrumente und Stimmen von einer so schreienden Klangfarbe ertragen, ja lieben, wie wir sie nicht in unserem Orchester, jedenfalls nicht bei Soloinstrumenten, dulden w\u00fcrden (es sei denn in der exotisch bedingten ,, Jazz \u201c-Musik), so k\u00f6nnte man daraus schlie\u00dfen, da\u00df sie in der Tat kein Gewicht auf die in unseren Instrumentenkl\u00e4ngen vertretenen Akkordwirkungen legen. Freilich g\u00e4be es daf\u00fcr auch noch andere Erkl\u00e4rungsgr\u00fcnde .\nUnd so m\u00fcssen wir uns darauf beschr\u00e4nken, die wenigen, aber nicht unwichtigen Eigenschaften von Einzelkl\u00e4ngen namhaft zu machen, die man psychologisch glaubw\u00fcrdig aus Intervall- oder Akkordfarben herleiten kann und die auch f\u00fcr Unmusikalische noch in Betracht kommen. Vor allem geh\u00f6rt dahin der volle, runde Klang der Instrumente, in denen der 1. und 2. oder auch noch 3. harmonische Teilton in allen Regionen besonders stark vertreten sind. Denn auch Zusammenkl\u00e4nge aus 2 oder 3 selbst\u00e4ndigen Kl\u00e4ngen in diesen Verh\u00e4ltnissen (Oktaven, evtl, mit Duodezimen) wirken in gleichem Sinne, weil sie sich infolge der hohen Verschmelzung dieser Intervalle am meisten dem Eindruck eines einzigen Tones n\u00e4hern und doch zugleich infolge ihrer Erstreckung auf der Tonlinie voller klingen als jeder allein. Desgleichen der Eindruck des Hohlen, Leeren, wenn die Teilt\u00f6ne 1 und 3 in dem Klange hervortreten. Auch dieser Eindruck ist einer Duodezime aus zwei gleich starken selbst\u00e4ndigen einfachen T\u00f6nen eigen. Ferner werden Kl\u00e4nge, in denen der Dur-Dreiklang in einer seiner 3 Lagen, besonders in der Prim\u00e4rlage 4:5:6, stark vertreten ist, sich, f\u00fcr uns Heutige wenigstens, durch besonderen Glanz und sinnliche Annehmlichkeit auszeichnen. Umgekehrt werden Kl\u00e4nge, in denen dissonante Intervalle, wie 8:9, oder Akkorde wie 7:8:9 oder auch nur 5:6:7 (etwa gleich einem verminderten Dreiklang) besonders stark vertreten sind, auch schon abgesehen von den Schwebungen, einen etwas weniger angenehmen Beigeschmack haben1).\nDies etwa w\u00e4ren die Eigenschaften von Kl\u00e4ngen, die aus \u201eIntervall- und Akkordfarben\u201c plausibel hergeleitet werden k\u00f6nnen\n*) In einem von Miller (S. 201) analysierten Klarinettenklang ragen die T\u00f6ne 8, 9, 10 gleichm\u00e4\u00dfig durch ihre St\u00e4rke \u00fcber ihre Umgebung hervor. Aber da auch der 1. und 3. Teilton ziemlich stark sind, so erteilt dieser dissonante Mehrklang in Verbindung mit der dunklen Unterlage dem Ganzen doch nur die eigent\u00fcmlich d\u00fcstere F\u00e4rbung, die die tiefere Klarinettenlage zum Ausdrucke des Elegischen, Romantischen, D\u00e4monischen in entsprechendem Zusammenh\u00e4nge besonders bef\u00e4higt.","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"406\t15. Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\nund die, soweit \u00fcberhaupt die Klangzusammensetzung auf verschiedenen Tonh\u00f6hen identisch bleibt, zur Wiedererkennung eines Instrumentes beitragen k\u00f6nnen. Aber so ausschlie\u00dflich wie Koehler w\u00fcrde ich diesen Faktor nicht bet\u00f6nen, einmal, weil es mit der Wiedererkennung \u00fcberhaupt nicht so gut steht wie er wohl voraussetzte, dann weil die Klangzusammensetzung nicht so identisch bleibt wie es abstrakt nach Helmholtz zu erwarten w\u00e4re, endlich und besonders weil andere Kriterien entscheidender mitwirken. Damit kommen wir auf ein weiteres Moment:\nc) Auch die festen Formanten, besonders die Vokalformanten, deren Vorkommen in Instrumentalkl\u00e4ngen Koehler selbst schon betont hat, tragen sicherlich dazu bei, da\u00df der Klang eines Instrumentes in verschiedenen H\u00f6henlagen sich selbst \u00e4hnlich bleibt, solange eine gewisse H\u00f6hengrenze nicht \u00fcberschritten wird, jenseits deren sich der Vokalformant unter den Obert\u00f6nen nicht mehr oder nicht hinreichend vertreten findet, bzw. einem anderen Platz macht (wie bei der Viola auf der A-Saite, wo der O-Formant durch einen schwachen \u00c4-Formanten ersetzt wird): Wandlungen, mit denen der Kenner eben auch rechnet. Der N\u00e4selformant bleibt l\u00e4nger erhalten, da er der 4-gestr. Oktave angeh\u00f6rt; er d\u00fcrfte f\u00fcr die Instrumente, die ihn enthalten, ein Hauptmerkmal bilden.\nZu diesen inneren Merkmalen kommen in der Praxis des musikalischen H\u00f6rens die \u00e4u\u00dferen, die in den verschiedenen Lagen des Instruments der Regel nach gleichbleiben und daher ganz besonders zur Identifikation verhelfen.\nWir schilderten unter 1. die starken Irrt\u00fcmer, die bei k\u00fcnstlichem Ausschlu\u00df solcher Kriterien entstehen k\u00f6nnen, erkennen aber nunmehr, warum und wodurch auch dann noch richtige Urteile \u00fcberhaupt m\u00f6glich waren. Sie w\u00e4ren sicher sogar weit zahlreicher ausgefallen, w\u00e4ren nicht unter den Instrumenten mehrere einander sehr nahestehende gewesen (es sollte damals gerade auch der Unterschied der einander \u00e4hnlichen und der un\u00e4hnlichen Klangfarben in seinem Einflu\u00df auf die Urteilszahlen gepr\u00fcft werden). Bei den Vokalen unterscheiden wir im Deutschen nur 8 Typen. W\u00fcrde man nur 8 instrumentale Klangfarben aus-suchen, die in gleicher Weise die wesentlichsten m\u00f6glichen Unterschiede von den mildesten bis zu den sch\u00e4rfsten Farben repr\u00e4sentierten, jede von ihren Nachbarn ungef\u00e4hr gleich weit abstehend, so w\u00fcrden zweifellos auch hier bessere Ergebnisse erzielt werden. So gute freilich wie bei den Vokalen, die schon das dreij\u00e4hrige Kind sicher wiedererkennt, w\u00fcrde man aus naheliegenden Gr\u00fcnden auch dann kaum erwarten k\u00f6nnen.","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"Gruppierungen und Mischlingen.\n407\n9. Gruppierungen und Mischungen.\na)\tF\u00fcr die Klassifikation der Instrumente hat man bisher immer den genetischen Gesichtspunkt, die Art der Klangerzeugung, zugrunde gelegt1). In der Kompositions- und Diiigier-praxis unterscheidet man die Gruppen der Streich-, Holz-, Blech-und Schlaginstrumente. Von Haydn bis Mahler und Strauss ist die Orchestrierung damit gut gefahren. In neuester Zeit scheint man diese Gruppen aufzul\u00f6sen zugunsten mannigfaltigerer \u201eopalisierender\u201c Farbenspiele und \u201eKlangfarbenmelodien\u201c (A. Sch\u00f6nberg). Dies w\u00fcrde zu akustischen Einteilungsgr\u00fcnden f\u00fchren2).\nW\u00e4hrend aber die Vokale infolge der Grenzen der Mundstellungen ein begrenztes und in sich stetig zusammenh\u00e4ngendes System bilden, w\u00fcrde eine rein akustische Klassifikation der unendlich vielen m\u00f6glichen Instrumentalfarben ihre Schwierigkeiten haben. Unm\u00f6glich w\u00e4re es nicht, gewisse Grundeinteilungen aufzustellen, in welche aber nicht blo\u00df die Klangfarben- sondern auch die sonstigen akustischen Unterschiede aufzunehmen w\u00e4ren. So z. B. Instrumente mit stetig ver\u00e4nderlichen und mit festgegebenen T\u00f6nen; mit konstanter und mit abklingender Tonst\u00e4rke; mit wesentlich gleicher und mit stark ver\u00e4nderlicher Klangfarbe je nach der Tonlage, dem St\u00e4rkegrad und der Erzeugungsart; mit festen Maximis und ohne solche ; mit verschwindender, schwacher, starker, \u00fcberwiegender Ger\u00e4uschbeimischung und rein ger\u00e4uschige. Doch mag abgewartet werden, ob praktische Bed\u00fcrfnisse zur Durchf\u00fchrung solcher Gesichtspunkte dr\u00e4ngen.\nb)\tWeit mehr als bei den Vokalen interessieren bei instrumentalen Klangfarben multiple Formen, d. h. durch Verbindung mehrerer Instrumente entstehende Klangmischungen. Denn sie spielen in der Orchestermusik die allergr\u00f6\u00dfte Rolle. Die Entwicklung derselben bringt in beschleunigtem Tempo immer neue Kombinationen, zum Teil allerdings auch mit neuen Instrumenten. Auch die Mischungen der mannigfachen Orgelregister, die teilweise selbst schon \u201eMixturen\u201c darstellen, und die von Orchester- und Gesangstimmen geh\u00f6ren hierher. Doch ist Prinzipielles nicht weiter zu besprechen. Immer bestimmt die Gesamtsumme der Teilt\u00f6ne durch ihre eigenen Beschaffenheiten nach Hel-\n1)\tDie logisch korrekteste und zugleich umfassendste, auch die exotischen und primitiven Instrumente einschlie\u00dfende genetische Klassifikation bei v. Hornbostel und Sachs, Systematik der Musikinstrumente, Zeitschr. f. Ethnol. 1914.\n2)\tVgl. H. Erre, Zeitschr. Melos 1905, S. 523ff., 532.","page":407},{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"408\t15. Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\nligkeit, St\u00e4rke, Volumen, Vokalvalenz, Intervallen, resultierenden Schwebungen und Kombinationst\u00f6nen, sowie begleitenden Ger\u00e4uschen die Farbe der Mischung.\nAuf die fr\u00fcher (1, II, S. 545ff.) behandelte Frage, wodurch wir Instrumente ungleicher Klangfarbe innerhalb einer solchen Mischung \u00fcberhaupt noch unterscheiden k\u00f6nnen, w\u00e4hrend sie doch ihre s\u00e4mtlichen Teilt\u00f6ne in einer Art G\u00fctergemeinschaft Zusammenlegen, soll hier nicht noch einmal eingegangen werden1). Hervorgehoben sei nur, da\u00df eines der wichtigsten unter den damals aufgef\u00fchrten Momenten, n\u00e4mlich die ungleiche Lokalisation, nicht blo\u00df f\u00fcr die Unterscheidung der Instrumente, sondern auch f\u00fcr die Klangfarbe der Mischung selbst von Bedeutung scheint: der Eindruck der r\u00e4umlichen Breite, der Raumf\u00fcllung, und zwar im eigentlichen, optisch-r\u00e4umlichen Sinne, wird durch die Verteilung der Instrumente oder Stimmen auf dem Podium (in manchen F\u00e4llen sogar auf verschiedene Teile des Konzertraumes, wie bei G. Gabrieli, in Berlioz\u2019 Requiem, auch gelegentlich bei den Knabenstimmen im 1. Chor der Matth\u00e4uspassion) dem Klangeindruck hinzugef\u00fcgt. Wie dies psycho-physiologisch wirkt, mag hier dahingestellt bleiben; nat\u00fcrlich ist dabei die Verteilung auf beide Ohren wichtig, aber mit ihr wirkt die visuelle Lokalisation und Raumvorstellung zusammen. Es ist mir immer merkw\u00fcrdig erschienen, wie eigent\u00fcmlich breit ein gro\u00dfer Chor oder eine Instrumentenmenge auch im Pianissimo wirken, ebenso eine leise murmelnde oder murrende Volksmenge auf dem Theater: es ist ein Eindruck, der durch keine einzelne Klangquelle von einem bestimmten Ort aus nachgeahmt werden kann, da er eben gerade mit der r\u00e4umlichen Verteilung selbst zusammenh\u00e4ngt. Die kleinen Ungenauigkeiten der Intonation bei den Einzelnen bringen allerdings auch eine gewisse qualitative Breite in die Tonmasse, aber damit ist die Eigent\u00fcmlichkeit des Eindruckes noch nicht vollst\u00e4ndig beschrieben. Es scheint der Klangfarbe ein neues Moment zuzuwachsen, das nur Klangmischungen, nicht Einzelkl\u00e4ngen, eigen ist. Beim Forte ist es vielleicht weniger auffallend, weil eben die St\u00e4rke selbst die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Aber auch hier bringt es einen neuen Zug in die Erscheinung.\nVor kurzem hat der Radiobetrieb eine Einrichtung eingef\u00fchrt, bei der eine gro\u00dfe Anzahl von Mikrophonen an die Instrumente des Orchesters und auf der B\u00fchne so verteilt werden, da\u00df die Leitungen umschichtig zum rechten und linken Ohr des Teilnehmers f\u00fchren. Durch dieses \u201estereophone\u201c H\u00f6ren soll eine gr\u00f6\u00dfere Plastik des Eindruckes erzielt werden, die unter\ni) Vgl. dar\u00fcber neuerdings v. Hornbostel 1, S. 78ff.","page":408},{"file":"p0409.txt","language":"de","ocr_de":"Blick auf fr\u00fchere und k\u00fcnftige Untersuchungen.\n409\nden obigen Gesichtspunkt fiele und als eine Verr\u00e4umlichung des Klanges zu bezeichnen w\u00e4re. Es liegen aber dar\u00fcber meines Wissens noch keine gen\u00fcgenden wissenschaftlichen Versuche vor.\nSo k\u00f6nnte man nun versuchen, die Wirkungen neuer orchestraler Mischungen sogar vorauszusagen. Wenn die Komplikationen immer gr\u00f6\u00dfer werden, ist freilich, wie selbst bei der Berechnung der Gravitation von K\u00f6rpern gegeneinander, eine exakte Voraussagung nicht mehr m\u00f6glich und h\u00e4tte in unserem Falle auch keinen praktischen Zweck, weil man die Wirkungen einfacher ausprobiert als berechnet. Der Theorie aber kann nur an den allgemeinsten Prinzipien gelegen sein, wie sie schon bei der Kombination weniger Elemente zutage treten.\n10. Blick auf fr\u00fchere und k\u00fcnftige Untersuchungen.\nPunkte der \u00dcbereinstimmung und der Abweichung unserer Ergebnisse gegen\u00fcber fr\u00fcheren Arbeiten \u00fcber Instrumentalkl\u00e4nge sind im einzelnen bereits erw\u00e4hnt. Nur in methodischer Beziehung sei einiges hinzugef\u00fcgt. Helmholtz\u2019 gr\u00f6\u00dftes Verdienst in diesem Gebiete liegt in der organischen Verkn\u00fcpfung der Klanganalyse mit Betrachtungen \u00fcber die Bauart und Tonerzeugungsweise der Hauptinstrumentenklassen. Wir beschr\u00e4nkten uns auch hier auf den rein ph\u00e4nomenalen Standpunkt, der allein schon genug neue Arbeit erfordert. Aber unstreitig mu\u00df eine k\u00fcnftige umfassende Behandlung der instrumentalen Klangfarben auch wieder zugleich dem genetischen Gesichtspunkt Rechnung tragen, z. B. der Frage nach dem Ursprung der festen Maxima. Meissner, der zuerst solche bei den Holzblasinstrumenten behauptete, suchte die Quelle haupts\u00e4chlich im Schalltrichter. Man wird der Frage nachgehen m\u00fcssen, nachdem zuerst die Existenz und Lage dieser Maxima noch besser sichergestellt ist.\nRitz untersuchte bei Streichinstrumenten mit gutem Erfolge ihren Bestand an Obert\u00f6nen mit Hilfe der auf jeder Saite zu erzeugenden Flageolett\u00f6ne. Er fand bis zu 10 Teilt\u00f6nen (gelegentlich, wie auf der tiefsten Saite eines Amati-Cello, noch sehr schwache h\u00f6here). Die Anzahl nahm ab mit dem Auf setzen des Fingers und der Verk\u00fcrzung der Saite. Das Hauptmerkmal der Streichinstrumente sucht er gleichwohl nicht im Klange selbst, sondern im Reibeger\u00e4usch des Streichens, das er den Konsonanten der Sprache vergleicht. Die flei\u00dfige Untersuchung ist heute noch lehrreich.\nMeissner bediente sich (1881 \u2014 1901) einer freilich noch unvollkommenen graphischen Methode, Herrmann-Goldap der","page":409},{"file":"p0410.txt","language":"de","ocr_de":"410\t15- Kap. (Anhang). \u00dcber Instrumentalkl\u00e4nge.\ndurch Hermann und Weiss eingef\u00fchrten graphischen Vorrichtungen. Solche sind auch von den sp\u00e4teren ausschlie\u00dflich benutzt worden, am erfolgreichsten von Miller. Wenn wir mit den drei obigen Methoden ein St\u00fcck weitergekommen zu sein glauben, so m\u00f6chten wir doch auch hier nicht den hohen Wert der Kurvenuntersuchungen, insbesondere mit den Mitteln der heutigen Elektrotechnik, in Abrede stellen. Manches einzelne kann \u00fcberhaupt nur so untersucht werden, z. B. die feinen, fl\u00fcchtigen \u00dcbergangserscheinungen, wie sie w\u00e4hrend des Strichwechsels des Bogens bei den Streichinstrumenten auftreten, oder der Klangverlauf bei den Klaviert\u00f6nen1). So wird denn auch in Zukunft nur der Wettbewerb der Methoden weiterf\u00fchren. Um die Methoden selbst auszuprobieren und zu vergleichen, w\u00fcrden sich zun\u00e4chst Orgelpfeifen der verschiedenen Register am meisten empfehlen, da sie vermittels eines konstanten Gebl\u00e4ses beliebig lang gleichm\u00e4\u00dfig auszuhaltende T\u00f6ne geben2).\nDie Erforschung der Instrumentalfarben ist gegen die der Vokale stark zur\u00fcckgeblieben. Aber nicht nur f\u00fcr die Theorie, auch f\u00fcr die Praxis w\u00e4ren hier noch lohnende Fr\u00fcchte zu ernten, und gerade diese praktischen Bed\u00fcrfnisse, die vom Instrumentenbau und von den verschiedenen Formen mechanischer Reproduktion der Musik herkommenden Antriebe, werden am wirksamsten daf\u00fcr sorgen, da\u00df das Vers\u00e4umte nachgeholt wird. So zweifle ich beispielsweise nicht daran, da\u00df die akustische Definition eines hervorragenden Violinklanges durch Aufzeigung seiner Teiltonstruktur gegeben werden kann (vermutlich sind die tieferen Teilt\u00f6ne absolut und relativ st\u00e4rker als bei schlechten Geigen) und da\u00df diese Erkenntnis in Verbindung mit physikalischen Erw\u00e4gungen den Geigenmachern eine nachtr\u00e4gliche Rechtfertigung f\u00fcr manche rein empirisch gefundene Regel und einen Kompa\u00df f\u00fcr ihre Entdeckungsfahrten zu neuen Konstruktionen liefern kann.\n1)\t\u00dcber beides vgl. die Kurven Millers S. 194ff. und 207ff.\n2)\tHerr Orgelbaumeister Joh. Klais in Bonn hat in lebhaftem Interesse f\u00fcr solche Untersuchungen dem Berliner Psychologischen Institut eine geeignete Auswahl solcher Pfeifen zur Verf\u00fcgung gestellt, wof\u00fcr ich ihm hier Dank sagen m\u00f6chte. Ebenso danke ich Hrn. Orgelbauer Franz (Berlin) f\u00fcr vielfache Mithilfe bei der Instandhaltung des synthetischen Pfeifensystems.","page":410},{"file":"p0411.txt","language":"de","ocr_de":"Nachtr\u00e4ge.\nZu S. 84\u201486: \u00dcber den Einflu\u00df der Konsonanten auf die Vokale vgl. auch Julius Stockhausen, Das S\u00e4nger-Alphabet. Signale, 1872, Nr. 30 \u2014 39.\nZu S. 223 Z. 25 v. u. : Durch \u00dcbertragung der Vibrationen des Motors auf die Scheibe k\u00f6nnten diese T\u00f6ne ins Telephon gelangen.\nZu S. 224 vor c:\nHr. Philipps wird \u00fcber seine Berechnungsweise in verallgemeinerter Form demn\u00e4chst in der Z. f. Sinnesphysiologie berichten.\nWie mir nachtr\u00e4glich Herr Kollege Koehler mitteilt, hat er schon fr\u00fcher gleichfalls solche Rechnungen \u00fcber Jaensch\u2019 Kurven mit analogen Ergebnissen rein analytisch durchgef\u00fchrt. V ir geben hier nach seinen Tabellen die Amplitudenverh\u00e4ltnisse f\u00fcr die Kurven II und III bei Jaensch, wovon II bei 65 \u2014 70 Umdrehungen pro Sekunde einen \u201eA-artigen Klang\u201c, III aber ein \u201egutes A\u201c gaben. Kurve II besteht aus 15 aufeinanderfolgenden Sinuswellen, denen auf der Scheibe Kreisbogen von 22 \u2014 26 entsprechen, Kurve III aus ebenso vielen von den Bogenl\u00e4ngen 20 \u2014 28 , also st\u00e4rkerer Streuung.\nTeil t\u00f6ne\t1\t2\t3\t4\t5\t6\t7\t! 8 | 9\t: 10\nAmplituden f\u00fcr II\t0,1\t0,2\t0,2\t0,3\t0,2\t0,2\t0,9\t1,0\t0,7\t1,1\nAmplituden f\u00fcr III\t0,1\t0,3\t0,5\t0,6\t0,2\t0,4 ; 2,5\t1,8\t1,7\t2,2\nTeil t\u00f6ne\t11\t12\t13 1\t14\t1 15 | 16 I\t17 i\t18 1\t19\t20\t21\nAmplituden f\u00fcr II\t1,5\t1,3\t4,9\t7,3\t28,7\t6,6\t3,9\t3,8\t1,0\t| 0,3\t\nAmplituden f\u00fcr III\t3,1\t2,5\t9,1\t3,2\t21,8 10,4\t4,9\t1 8,7\t!,7\t2,4 |\t1,2\n\u201eF\u00fcr beide Kurven\u201c \u2014 schreibt Koehler \u2014 \u201eist das wesentliche Ergebnis, da\u00df sie Kl\u00e4nge mit deutlichen Verst\u00e4rkungsgebieten sind. Da beide Male das Zentrum des Verst\u00e4rkungsgebietes bei 65 \u2014 70 Umdrehungen der Scheibe auf etwa 1000 Schw. (= nahe c3) f\u00e4llt, so mu\u00df ein ,A\u2018 zustande kommen, und schon Helmholtz w\u00fcrde dies aus den gleichen Kurven haben ableiten m\u00fcssen. II wirkt weniger gut ges\u00e4ttigt als ,A\u2018, weil der eine Ton 15 zu stark hervorragt; III ist besser, weil mehrere Kom ponenten im Resonanzgebiet sich dem 15. an Intensit\u00e4t n\u00e4hern. Jaensch erw\u00e4hnt (S. 230) bei II eine gewisse Rauhigkeit, bei III eine Ger\u00e4usch-beimischung \u2014 kein Wunder, wenn so nahe benachbarte starke T\u00f6ne miteinander in der Frequenz von 65 \u2014 70 pro Sekunde schweben.\u201c\n\u00dcbrigens hebt Koehler hervor, da\u00df man auch ohne diese h\u00f6chst m\u00fchsamen Rechnungen schon aus den Konstruktionsbedingungen dieser \u201egemischten Sinuskurven\u201c das Vorherrschen des 15. Teiltons erschlie\u00dfen k\u00f6nne, wie dies auch F. Trendelenburg (in diesem Buche S. 224) getan hat, mit dessen Voraussage Koehlers Rechnung vollkommen \u00fcbereinstimmt.","page":411},{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"412\nNachtr\u00e4ge.\nIn einer weiteren Kurve (IV) hat dann Jaensch eine noch gr\u00f6\u00dfere Streuung der Wellenl\u00e4ngen vorgenommen, von 18 \u2014 30\u00b0. Diese Kurve gab mit derselben Umdrehungszahl nur ein \u201eGer\u00e4usch mit vokalartigem Einschlag\u201c. Hier\u00fcber schreibt Koehler (und man kann ihm nur zustimmen): \u201eWenn man sieht, wie sich die Analyse von II zu III verschiebt, so ist von vornherein klar, da\u00df der \u00dcbergang von III zu IV dieselbe Verschiebung noch fortsetzen mu\u00df, und da\u00df bei IV eine sehr breite Zone von starken Teilt\u00f6nen um den 15. herum entsetzlich schweben und rasseln mu\u00df, wie das zu Jaensch\u2019 Beobachtung der Kl\u00e4nge pa\u00dft.\u201c\nBei alledem ist aber auch nicht zu vergessen, da\u00df selbst ungemischte Sinuskurven, solche von gleichbleibender L\u00e4nge und H\u00f6he, wie Jaensch\u2019 Kurve I, schon wesentlich ver\u00e4ndert aus dem Telephon kommen (oben S. 223), da\u00df daher auch bei den gemischten Kurven der Bestand an scharf miteinander kollidierenden Obert\u00f6nen noch \u00fcber die aus der Fourier-Analyse ersichtlichen hinaus vermehrt werden mu\u00df, ja da\u00df auch starke Differenzt\u00f6ne im Telephon hinzukommen (Schaeeer, Waetzmann), deren Kollision untereinander das Rasseln noch vermehren mu\u00df.\nDruckbericlitigimgen.\nS. 47 ist in der Tabelle nach ~ einzuf\u00fcgen: \u201ein cm\u201c.\nS. 147 ist im 1. Notenschema vor der 1. Note das b-Zeichen zu streichen. S. 236\tZ.\t4\tv.\tu.\tlies\t\u201e3, 4\u201c statt \u201e2, 3\u201c.\nS. 239\tZ.\t4\tv.\to.\tlies\t\u201eAbstumpfung\u201c statt\t\u201eAbstufung\u201c.\nS. 282\tZ.\t1\tv.\to.\tlies\t\u201eEinheitlichkeit\u201c statt\t\u201eEinheitlichung\u201c.\nS. 302\tZ.\t1\tv.\to.\tlies\t\u201e5\u201c statt \u201e4\u201c.\nS. 354\u2014368: In den Kolumnentiteln der linken Seite lies \u201ePhysiologie\u201c statt \u201ePsychologie\u201c.","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturverzeichnis.\nAbk\u00fcrzungen:\nZ. = Zeitschrift, B. = Band, J. = Jahrgang, H. = Heft.\nAnn. d. Ph. = Annalen der Physik und Chemie.\nBeitr. = Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft, her. v. C. Stumpf. P.-Sch. = Beitr\u00e4ge zur Anatomie, Physiologie, Pathologie und Therapie des Ohres, der Nase und des Halses, her. v. A. Passow u. K. L. Schaefer. Pfl\u00fcg. Arch. = Pfl\u00fcgers Archiv f\u00fcr die gesamte Physiologie.\nZ. 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Sprachheilk. J. 16. 1906.\n\u2014\t(3) Untersuchungen \u00fcber die Grenzen d. sprachlichen Perzeptionen. Z. f. klin. Medizin B. 60. 1907.\n\u2014\t(4) Stimme u. Sprache ohne Kehlkopf. Z. f. Laryngol. B. 1. 1909.\n\u2014\t(5) Physiologie d. Stimme u. Sprache. 1909. (2. A. wird demn\u00e4chst erscheinen. )\nHeinrich, Tr. Studien \u00fcber die deutsche Gesangssprache. 1905.\nHell wag, C. De formatione loquelae. Diss. T\u00fcbingen 1781. (Dazu vgl.\nVi\u00ebtor: \u201eAus Hell wags Nachlass\u201c. Phon. Stud. B. 2. 1889.) Helmholtz, H. Die Lehre von den Tonempfindungen. 4. Aufl. 1877 (1. Aufl. 1863). Kurze Mitteilungen bereits 1857, 1859, 1860; abgedr. in \u201eGesammelte wissenschaftl. Abhandlungen\u201c B. 1.\nHensen, V. (1) \u00dcber d. Schrift von Schallbewegungen. Z. f. Biol. B. 23. 1887.\n\u2014\t(2) Die Empfindungsarten des Schalles. Pfl\u00fcg. Arch. B. 119. 1907.\n\u2014\t(3) Die Harmonie in den Vokalen. Z. f. Biol. 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