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Über die geistige Ermüdung von Schulkindern. Beobachtungen nach statistischer Methode als Beitrag zur experimentellen Psychologie

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{"created":"2022-01-31T17:03:23.478565+00:00","id":"lit15451","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"H\u00f6pfner, L.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 6: 191-229","fulltext":[{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\nBeobachtungen nach statistischer Methode als Beitrag zur experimentellen Psychologie.\nVon\ni>r. L. Hopfner,\nBerlin.\nI. *\nEinleitung und kritischer Bericht aus der Litteratur des Gegenstandes.\nSchon des \u00f6fteren hat die neuere, durch Fechner begr\u00fcndete Richtung der experimentellen Psychologie Gelegenheit genommen, die geistige Erm\u00fcdung zum Gegenst\u00e4nde des Studiums zu machen. Das Interesse, welches man urspr\u00fcnglich an der Erforschung der Erm\u00fcdungserscheinungen nahm, war jedoch mehr sekund\u00e4rer Art und entsprach den mehr oder weniger zuf\u00e4lligen Veranlassungen, welche zu einer Besch\u00e4ftigung mit diesem Gegenst\u00e4nde aufforderten. Kam doch bei den im Vordergr\u00fcnde des Interesses stehenden Versuchen die Erm\u00fcdung meist nur als st\u00f6rendes Moment in Betracht, so dafs das Bestreben des Experimentators mehr darauf koncen-triert war, . durch Anordnung der Versuchsbedingungen entweder dieselbe ganz fern zu halten1 oder, wo dies nicht anging, nur solche Versuchsresultate direkt miteinander zu vergleichen, welche unter gleichen Bedingungen des Kr\u00e4ftezustandes sich ergeben hatten,2 um so von den Einfl\u00fcssen der Erm\u00fcdung wenigstens ab sehen zu k\u00f6nnen. Trotzdem\n1\tZ. B. durch regelm\u00e4fsiges Einhalten gleicher Erholungspausen.\n2\tEin Beispiel dieser Art giebt Ebbinghaus durch Gruppierung seiner Versuchszahlen: \u201e\u00dcber das Ged\u00e4chtnis. Untersuchungen sur experimentellen Psychologie\u201c. S. 48.","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nL. Hopfner.\nhaben' sich jedoch gerade bei solchen Gelegenheiten, wie wir nachher gleich sehen werden, interessante Beobachtungen aufgedr\u00e4ngt. Es ist aber zu verwundern, dafs nicht schon von anderer Seite durch ein Problem, welches seit 4 Decennien die Wissenschaft beherrscht, die Anregung zu einer exakten Forschung auf dem Gebiete der geistigen Erm\u00fcdung gegeben wurde, ich meine das Problem, dem von Mayer und v. Helmholtz gefundenen Satz von der Erhaltung der Energie des Weltalls auch auf dem Gebiete des organischen Lebens Geltung zu verschaffen. Mochte man nun von seiten der Psychologie diese Bestrebungen unterst\u00fctzen oder voreilige Verallgemeinerungen abwehren wollen, \u2014 in jedem Falle h\u00e4tte die Veranlassung Vorgelegen, auch auf psychischem Gebiete denjenigen Vorg\u00e4ngen n\u00e4her zu treten, welchen auf physischem Gebiete die Vorg\u00e4nge der Aufnahme und Abgabe von \u201eEnergie\u201c entsprechen. Dafs solche analogen Vorg\u00e4nge existieren, die wir als geistige Erholung, resp. Erm\u00fcdung bezeichnen, wird von niemand bestritten, der \u00fcberhaupt \u201egeistig arbeitet\u201c. Die Zur\u00fcckhaltung denkender Psychologen mufs also wohl ihren guten Grund haben. <j Nur wer die Geschichte der experimentellen Psychologie verfolgt, versteht, welche Zeit und welche M\u00fche es erfordert, um der wogenden oder wenigstens stets bewegten Seele ein wenn auch noch so bescheidenes St\u00fcckchen festen Landes abzuringen. Auch wir werden nicht hoffen k\u00f6nnen, die vorliegende Frage in jenem allgemeinen Sinne wesentlich zu f\u00f6rdern. F\u00fcr uns ist das Interesse vorwiegend praktischer Natur. \\ Wie wir unser Beobachtungsmaterial aus dem Schulleben sch\u00f6pften, m\u00f6gen die theoretischen Ergebnisse auch diesem zu gute kommen: \u00dcberarbeitung und Erm\u00fcdung sind nur dem Grade nach verschieden, ihre Folgen aber qualitativ \u00e4hnlich. Sie charakterisieren sich, wie sich sp\u00e4ter ergeben wird, als \u201efunktionelle St\u00f6rungen\u201c, nur sind die durch Erm\u00fcdung verursachten mehr vor\u00fcbergehender Natur, und nur dann, wenn ihnen nicht die notwendige Erholung folgt, gehen sie durch kontinuierliche \u00dcberg\u00e4nge in die pathologischen F\u00e4lle geistiger \u00dcberanstrengung \u00fcber. Darum mag den nachfolgenden Untersuchungen und Berichten auch ein allgemeineres Interesse geschenkt werden.\nSoviel verschiedene Funktionen es nun giebt, in denen sich geistiges Leben \u00e4ufsern kann, in ebensovielen Gestalten","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Uber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\n19B\nkann geistige Erm\u00fcdung ihren Ausdruck finden. Als \u201eLokalisation\u201c der Erm\u00fcdung wollen wir das Problem bezeichnen, in jedem einzelnen Palle zu entscheiden, welche Punktion an Erm\u00fcdung leidet.\nDie erste Aufgabe der Lokalisation w\u00fcrde nun die sein, \u00fcberhaupt die geistige Erm\u00fcdung gegen die k\u00f6rperliche ab-zugrenzen. F\u00fcr die einfachsten Processe hat dies keine Schwierigkeit, wohl aber f\u00fcr kompliziertere. Wir werden sp\u00e4ter F\u00e4lle kennen lernen, wo es schwierig ist, zu entscheiden, ob die Erm\u00fcdung mehr physiologisch oder mehr psychologisch ist, so dafs eine streng einseitige Behandlung komplizierterer Erm\u00fcdungserscheinungen nicht gut durchf\u00fchrbar ist. Eine wissenschaftliche Lokalisation l\u00e4fst sich 'daher eher am Ende der Wissenschaft erwarten, als am Anfang. Wenn ich mich daher hier und im folgenden der Ausdr\u00fccke ^geistige\u201c oder \u201epsychische\u201c und \u201ek\u00f6rperliche\u201c oder \u201ephysische\u201c Erm\u00fcdung bediene, so geschieht dies im gew\u00f6hnlichen landl\u00e4ufigen Sinne. Diese Unterscheidung ist nur eine methodologische, \u00fcber Wesensverschiedenheiten soll sie a priori nichts aussagen.\nAls ein weiteres Problem, welches sich an das vorige anschliefst, w\u00fcrde das Problem des \u201eAusgleichs\u201c der Erm\u00fcdungszust\u00e4nde zu bezeichnen sein. Schon bei k\u00f6rperlichen Zust\u00e4nden beobachten wir, dafs die partielle Ermattung eines einzelnen Organes sich nicht lange isoliert h\u00e4lt, sondern mit der Zeit eine Ausbreitung auf benachbarte Organe und auf den gesamten Organismus erf\u00e4hrt. Wer einen anstrengenden Marsch ausgef\u00fchrt hat, kann auch mit den H\u00e4nden nicht mehr soviel Arbeit leisten, wie vorher. Es findet also ein \u201eAusgleich\u201c des, Kr\u00e4ftezustandes, ein \u00dcbergang der Erm\u00fcdung von dem st\u00e4rker erm\u00fcdeten auf den weniger erm\u00fcdeten Teil statt. Eine \u00e4hnlich r\u00fcckwirkende Beziehung besteht zwischen physischer und psychischer Ersch\u00f6pfung. Zwar f\u00fchlt man sich nach k\u00f6rperlicher Arbeit oft geistig angeregt, aber diese Wirkung ist wohl nur von k\u00fcrzerer Dauer.\nDie Ausbreitung der psychischen Erm\u00fcdung auf den K\u00f6rper studiert besonders Mosso1 mit seinem \u201eErgographen\u201c. Als Versuchspersonen dienten ihm Docenten, deren geistige\n1 \u201eDie Erm\u00fcdung\u201c von A. Mosso. Aus dem Italienischen \u00fcbersetzt VOn J. GrLINZER.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie VI.\n13","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nL. Hopfner.\nArbeit im Halten von Vorlesungen oder Examinieren bestand. Vor und nach der Aus\u00fcbung dieser Funktionen liefs M. sie mit einem Einger Gewichte heben bis zur eintretenden Erm\u00fcdung des Fingers und bestimmte die geleistete Arbeit. Er fand, dafs nach geistiger Arbeit, ganz besonders nach geistiger Aufregung die K\u00f6rperkr\u00e4fte erheblich abnahmen. Hoch zeigte sich in einigen F\u00e4llen zuerst eine durch Erregung gesteigerte Energie. \u2014 \u00dcbrigens ist zu beachten, dafs ein betr\u00e4chtlicher Teil der gesamten beim Vortragen oder Pr\u00fcfen geleisteten psychophysischen Arbeit, n\u00e4mlich des Sprechens, rein physischer Natur ist.\nAuch innerhalb rein psychischer Vorg\u00e4nge kann eine Ausbreitung des Erm\u00fcdungszustandes stattfinden. Jedenfalls w\u00fcrde die Forschung das Problem des Ausgleiches auch hier im Auge behalten m\u00fcssen.\n.Wie nun immer ein Erm\u00fcdungszustand lokalisiert s\u00e9in oder sich ausgebreitet haben m\u00f6ge, so ist von weiterem Interesse die Kenntnis des zeitlichen Verlaufes dieser Erscheinungen, ihrer Abh\u00e4ngigkeit von der geleisteten geistigen Arbeit, der speciellen durch sie verursachten \u201efunktionellen St\u00f6rungen\u201c u. s. w.\nWas den zeitlichen Verlauf betrifft, so kennzeichnen sich die in Rede stehenden Vorg\u00e4nge als periodisch, indem Erholung und Abspannung miteinander abwechseln. Diese Perioden k\u00f6nnen regelm\u00e4fsig oder unregelm\u00e4fsig und von k\u00fcrzerer oder l\u00e4ngerer Dauer sein.\nGelegentlich eines Versuches \u00fcber Schallempfindlichkeit in Wundts Laboratorium1 entdeckte Lange ein periodisches Steigen und Fallen der Empfindungsst\u00e4rke und deutete sie mit Wundt als Folge eines \u201eSchwankens\u201c der Aufmerksamkeit, verursacht durch abwechselnde Erm\u00fcdung und Erholung derselben. Auch auf den Gebieten der Empfindung optischer und elektrischer Reize wurde dieses Schwanken nachgewiesen. Die Periode betrug 2,5\u20144 Sekunden. Die Erinnerungsbilder der Empfindungen unterliegen \u00e4hnlichen Schwankungen mit etwas k\u00fcrzerer Periode.2 Sp\u00e4ter hat man diese periodischen Schwankungen der Aufmerksamkeit mit den periodischen Funktionen des\n1\tPhilosophische Studien IV, S. 390, oder Wrxur, Physiologische Psychologie II, S. 255. (Ausgabe 1887.)\n2\tWundt, Physiologische Psychologie II, S, 257.","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"195\n\u00dcber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\nOrganismus (Atmung und Herzschlag) in Verbindung gebracht. Da diese Funktionen nun aber wesentlich der Cirkulation der Ern\u00e4hrungsstoffe, also dem Ersatz des verbrauchten organischen Materials dienen, so w\u00fcrde der Zusammenhang jener Erscheinungen mit der Erm\u00fcdung und Erholung dadurch nicht widerlegt.\nAuch Ebbinghaus beobachtete bei seinen oben angegebenen \"Versuchen \u00fcber das Ged\u00e4chtnis \u00e4hnliche \u201eOscillation en \u201c in der Reproduktion gelernter W\u00f6rter.\nDiesen Schwankungen von kurzer Periode gegen\u00fcber, aber wie sie zu den regelm\u00e4\u00dfig periodischen geh\u00f6rend, sind andere von gr\u00f6\u00dferer Periode zu nennen, die im ganzen mit dem periodischen Wechsel von Tag und Nacht zusammenfallen und deren Ursache in der durch diesen Wechsel bedingten Gew\u00f6hnung an die regelm\u00e4\u00dfige gegenseitige Abl\u00f6sung von Arbeit und Ruhe zu suchen ist. Der Grund der Regelm\u00e4\u00dfigkeit in den psychischen Begebenheiten liegt also vielleicht hier wie dort in einer Anpassung derselben an vorher gegebene objektive regelm\u00e4\u00dfig periodische Begebenheiten.\nInnerhalb dieser gr\u00f6\u00dferen Perioden, allgemeiner Erm\u00fcdung unterscheiden wir nun partielle Erm\u00fcdungserscheinungen als Teilvorg\u00e4nge, deren Verlauf direkt abh\u00e4ngig ist von partiellen Arbeitsleistungen und daher auch von unregelm\u00e4\u00dfiger Gestalt sein kann. Mit solchen partiellen Erscheinungen werden wir es im folgenden haupts\u00e4chlich zu thun haben.\nDie sogenannte \u201esinnliche Erm\u00fcdung\u201c werden wir, soweit ihre Ber\u00fchrung nicht .durch andere Gr\u00fcnde geboten ist, aus dem Kreise unserer Untersuchungen ausscheiden und uns vorwiegend h\u00f6heren psychischen Leistungen zuwenden. Die Litteratur auf diesem Gebiete ist, abgesehen von einigen eingehenden, nachher ausf\u00fchrlich zu besprechenden Arbeiten, noch sehr sp\u00e4rlich.\nSoweit die zu betrachtenden psychischen Vorg\u00e4nge relativ einfache sind, ist die Beobachtung Exners zu erw\u00e4hnen, nach welcher im Zustande der Erm\u00fcdung eine Zunahme der Reaktionszeit eintritt.\nF\u00fcr kompliciertere geistige Th\u00e4tigkeiten sollte man vermuten, in der p\u00e4dagogischen Litteratur, soweit sie die \u201eUberb\u00fcrdungsfrage\u201c behandelt, reichhaltiges Material zu finden, doch ist es schwer, hier objektive Beobachtungen von den ihnen anhaftenden subjektiven Meinungen rein abzusondern.\n13*","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nL. Hopfner.\nEinen ersten Versuch, aus der widersprechenden Summe von wirklichen oder angeblichen Beobachtungen \u00fcber geistige Erm\u00fcdung ein objektiveres Bild herzustellen, findet man bei Galton.1 Als Vorsitzender einer Versammlung, in welcher \u00fcber die \u00dcberb\u00fcrdungsfrage verhandelt wurde, hatte er Gelegenheit gehabt, den Kontrast und die Unvereinbarkeit der dabei laut gewordenen Ansichten zu konstatieren. Um nun in den Besitz eines wissenschaftlich verwertbaren Materials zu gelangen, liefs er an die Mitglieder eines Vereins von Schulm\u00e4nnern Fragebogen verteilen, in denen er um Mitteilung von Beobachtungen bat, welche sie entweder an sich selbst oder ihren Sch\u00fclern gewonnen h\u00e4tten, \u00fcber folgende Punkte:\n1.\t\u00dcber die \u00c4ufserungen (Symptome) der geistigen Erm\u00fcdung,\n2.\t\u00fcber .Krankheitserscheinungen infolge geistiger \u00dcberarbeitung und 3. \u00fcber etwaige Anzeichen beginnender Erm\u00fcdung.\nAus den zahlreichen (116) eingegangenen Anworten giebt Galton einen statistischen Bericht, in welchem er sich ausdr\u00fccklich einer Kritik enth\u00e4lt und nur die einzelnen Beobachtungen nach physiologischen und psychologischen Gesichtspunkten ordnet. Bei wichtigeren oder bei widersprechenden Angaben f\u00fchrt er die Anzahl an, wie oft dieselben in den 116 Antworten wiederkehren, um so ann\u00e4herungsweise einen Mafsstab f\u00fcr ihren objektiven Wert an die Hand zu geben.\nDieses so erhaltene psychologische Material ist nat\u00fcrlich nur provisorisch wissenschaftlich verwertbar. Kommen doch unter den eingegangen Antworten auch solche vor, die die M\u00f6glichkeit einer geistigen \u00dcberarbeitung \u00fcberhaupt in Abrede stellen, und zuweilen m\u00f6gen pers\u00f6nliche Interessen oder R\u00fccksichten auf den vorher eingenommenen Parteistandpunkt die \u00c4ufserungen mitbestimmt haben. Indessen liegt in diesem Berichte so viel Anregung zu eingehenderer Beobachtung der Erm\u00fcdungserscheinungen, dafs einige Mitteilungen daraus hier ihren Platz finden m\u00f6gen. Dabei d\u00fcrften im Interesse des Gesamtbildes auch Bemerkungen mehr physiologischer Natur nicht zu \u00fcbergehen sein.\n1 Francis Galton, \u201eRemarks on replies by Teachers to questions respecting mental fatigues\u201c, Journal of the Anthropolog. Inst. November 1888. London.","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"197\n\u00dcber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\nKrankheitsbild des geistig Erm\u00fcdeten nach Galton.\n1.\tAllgemeines Aussehen (\u00e4ufsere Symptome) des Erm\u00fcdeten: Matter Gesichtsausdruck und anomale Hautfarbe. Charakteristisch ist ein eigent\u00fcmlicher Blick des Auges, der verschieden beschrieben wurde, als: geblendet, m\u00fcde, starr, glanzlos. (S. 157.)\n2.\tNerv\u00f6se Irregularit\u00e4ten: Eine gewisse Unruhe ist das gew\u00f6hnliche Anzeichen teilweiser Erm\u00fcdung, wenn die Aufmerksamkeit ermattet ist und die Muskeln Bewegung fordern. Sie findet sich besonders bei Kindern und solchen Erwachsenen, die nicht gewohnt sind, ihre Aufmerksamkeit zu koncentrieren. G\u00e4hnen, sich Hecken, Zucken und Verziehen des Gesichts zu Grimassen sind solche Bewegungen. In ernsteren F\u00e4llen gipfeln diese im Veitstanz. (S. 158\u2014159.) Unstetigkeit der muskul\u00e4ren Koordination zeigt sich in schlechter und zitternder Handschrift, ferner im Stolpern \u00fcber W\u00f6rter beim Sprechen, \u201edie Zunge verweigert den Gehorsam, so dafs ein Wort durch ein anderes ersetzt wird.\u201c\n3.\tAls weitere Folgen gesteigerter Erm\u00fcdung werden erw\u00e4hnt: Kopfweh,, kalte F\u00fcfse, Schw\u00e4chezust\u00e4nde; Schlaflosig- . keit, selten Schlafsucht, Sprechen im Schlaf. Ein Bekannter Galtons, der im Examen stand, f\u00fchrte schlafend eine Zeichnung aus.\n, 4. In Bezug auf die Disposition des Gem\u00fcthes \u00e4ufsert sich die \u00dcberanstrengung in: Reizbarkeit, eigensinnigem Verhalten, Verdriefslichkeit, d\u00fcsterer 'Lebensanschauung, die ihre Ursache in der Empfindung der Unf\u00e4higkeit hat.\n5.\tAuf die Sinne \u00fcbt die Erm\u00fcdung einen Einflufs aus, der sich sowohl in Steigerung, wie in Schw\u00e4chung der Sinnesempfindungen \u00e4ufsern kann. Infolge von \u00dcberanstrengung kamen F\u00e4lle von Schwerh\u00f6rigkeit vor, eine malende Lehrerin \u00fcberarbeitete sich und zog sich Farbenblindheit zu.\n6.\tSchw\u00e4chung des Ged\u00e4chtnisses (S. 163) zeigt sich in der Unf\u00e4higkeit, W\u00f6rter zu lesen, im Auslassen von W\u00f6rtern beim Schreiben, im Vergessen von eben Gesprochenem. Auch das Stolpern \u00fcber W\u00f6rter beim Sprechen (cf. 2), Vertauschen von Buchstaben beim Schreiben kann durch Schw\u00e4chung des Ged\u00e4chtnisses hervorgerufen sein.\n7.\tSpeciell wird die Besch\u00e4ftigung mit der Mathematik","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nL. Hopfner.\nfast allgemein als erm\u00fcdend bezeichnet, und im Zustande der Erm\u00fcdung kann man nicht mathematisch arbeiten. In zwei F\u00e4llen fand man jedoch darin Erholung.1\n8.\tBeim Studium der Sprachen \u00e4ufsert sich die Erm\u00fcdung nach den vorliegenden Angaben darin, dafs man sich auf Worte und Phrasen schwerer besinnt und dafs man schlechter \u00fcbersetzt.\n9.\tAuch das geistige Erfassen (mental grasp) leidet durch \u00dcberarbeitung : Unf\u00e4higkeit, etwas zu verstehen, Gedankenflucht, rasches Verschwinden des eben Verstandenen sind ihre Folgen.\n10.\tVerlust an Energie zeigt sich in schlafferer Hand-\nhabung der Disciplin. Hasche Entscheidungen werden unm\u00f6glich.\t\u25a0\nInteressant sind noch einige Zusatzbemerkungen Galtons. Zun\u00e4chst \u00fcber den Unterschied k\u00f6rperlicher und geistiger Erm\u00fcdung: \u201eIst der K\u00f6rper erm\u00fcdet, so ruht er, ist es der Geist, so findet er doch keine K\u00fche.\u201c Es mag dies damit Zusammenh\u00e4ngen, dafs das G ef\u00fchl geistiger Erm\u00fcdung nicht so deutlich ausgepr\u00e4gt ist, wie das Schmerzgef\u00fchl k\u00f6rperlicher M\u00fcdigkeit.2 3 * * * * Der Schmerz k\u00f6rperlicher Ermattung giebt gebieterisch das Signal zum Aufh\u00f6ren weiteren Arbeitens, w\u00e4hrend man bei geistiger Arbeit die Erschlaffung meist erst an den Folgen sp\u00fcrt, wenn sie nicht mehr so gut oder so schnell gelingen will, wie im frischen Zustande.\nFerner beobachtete Galton treffend, dafs die \u00dcberarbeitung h\u00e4ufiger bei solchen Menschen vorkommt, welche selbst\u00e4ndig, als bei solchen, welche unter Aufsicht arbeiten, bei Lehrern also h\u00e4ufiger als bei Sch\u00fclern. G\u00e4nz besonders findet sie sich bei denen, welche idealen Zielen zustreben und darum ihre Gesundheit mifsachten.8\n1\tJedenfalls war die Mathematik hier eine abwechselnde Nebenbesch\u00e4ftigung. .\n2\tSiehe Mosso a. a. 0., Kap. IX, III.\n3\tKlinische Berichte \u00fcber die Folgen der geistigen \u00dcberarbeitung\nfindet man bei Ufeb \u201eGeistesst\u00f6rungen in der Schule\u201c, Wiesbaden 1891.\n(S. bes. das 8. Krankenbild, S. 36.) Ferner bei Kussmaul, \u201eDie St\u00f6rungen\nder Sprache\u201c, III. Aufl , S. 189 (in \u00bb. Ziemmssens Handbuch der speciellen\nPathologie und Therapie, Band XII). Bibot, \u201eDas Ged\u00e4chtnis und seine\nSt\u00f6rungen\u201c, S. 92.","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\n199\ns\nVersuche, von Sikorski und Burgerstein.\nZum Studium der geistigen Erm\u00fcdung kann man zwei Wege einschlagen. Der eine ist, gelegentliche Beobachtungen zu sammeln und zu einem Bilde zusammenzustellen, der andere besteht in planm\u00e4fsigem Beobachten von Personen, die sich einer l\u00e4ngeren geistigen Arbeit unterziehen. Sehr geeignete Beobachtungsobjekte sind Schulkinder und die f\u00fcr vorliegenden Zweck brauchbarste Arbeit eine schriftliche. Wird die schriftliche Arbeit speciell nur aufgegeben,- um die zunehmende Erm\u00fcdung an abnehmender G\u00fcte zu studieren, so d\u00fcrfte ein solcher experimenteller Versuch mit Hecht Mifsfallen erregen, wenn er sich in Bezug auf die Arbeitsdauer nicht in den gew\u00f6hnlichen Grenzen der sonst an die Sch\u00fcler gestellten Anforderungen h\u00e4lt. Innerhalb dieser Grenzen aber geschieht es im eigenen Interesse der Schulkinder, wenn man versucht, durch direkte Beobachtungen an ihnen \u00fcber den Zustand der Erm\u00fcdung und seine Folgen positive Thatsachen zu gewinnen.\nAnscheinend den ersten Versuch dieser Art findet man ver\u00f6ffentlicht in den Annales d'hygi\u00e8ne publique aus dem Jahre 1879. Es wird hier das Ergebnis von 24 Einzelversuchen mitgeteilt, die ein russischer P\u00e4dagoge Sikorski 1 anstelite. Er liefs vormittags bei Beginn des Unterrichtes und nachmittags am Schlufs desselben Diktate schreiben und stellte die Anzahl der Fehler zusammen. Er fand, dafs die nachmittags geschriebenen Diktate im Mittel um 38% mehr Fehler enthielten, als diejenigen der ersten Vormittagsstunden. Das Diktatmaterial, woraus dies Ergebnis gewonnen wurde, enthielt in Summa 40 000 Buchstaben.\nEinige wichtige Versuchsbedingungen sind nicht genau angegeben. So besonders nicht, welches die L\u00e4nge oder Dauer der einzelnen Diktate war. Offenbar untersch\u00e4tzt Sikorski die Bedeutung der L\u00e4nge eines Diktates, wenn er behauptet, dafs lange Diktate mit fast derselben \u201eexactitude\u201c ausgef\u00fchrt w\u00fcrden, wie kurze. Gerade vom Standpunkte Sikorskis, welcher die\n1 Sikorski: \u201eSur les effets de la lassitude provoqu\u00e9e par les travaux intellectuels chez les enfants de l\u2019\u00e2ge scolaire\u201c. Annales d'hygi\u00e8ne publique. Paris, 1879, II, S. 458. (Bericht der Soci\u00e9t\u00e9 Royale de m\u00e9decine publique de Belgique.)","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nL. Hopfner.\ngeistige Erm\u00fcdung nachweisen will, mufs es einldichten, dafs dies nur innerhalb enger Grenzen der Fall sein kann.\nMehr noch w\u00fcrden Angaben dar\u00fcber erw\u00fcnscht gewesen sein, ob S. sein besonderes Augenmerk darauf richtete, das Diktatmaterial auf die einzelnen Versuche homogen zu verteilen, und wenn, nach welchem Verfahren. Um wissenschaftlich brauchbare Fehlerzahlen zu finden, m\u00fcfste der den verschiedenen miteinander zu vergleichenden Versuchen zu Grunde liegende Diktatstoff (Material) streng genommen identisch, mindestens aber in Bezug auf vorkommende Schwierigkeiten gleichwertig sein. Eine derartige Anordnung scheint aber in Diktaten nur in sehr beschr\u00e4nkter Weise m\u00f6glich zu sein. Nur eine gr\u00f6fsere Anzahl von Einzelversuchen kann die vorkommenden Schwierigkeiten ausgleichen.\nSikorski scheint aber den Ausgleich durch eine Auswahl der Fehler erreichen zu wollen. Er unterscheidet die Versehen1 (m\u00e9prises) von den eigentlichen Fehlern (fautes de savoir), die durch \u201eUnwissenheit oder Mangel an Aufmerksamkeit\u201c entstanden sind. Die ersteren, als Folgeerscheinungen der Erm\u00fcdung des \u201epsychophysischen Mechanismus\u201c unterwirft er allein seiner statistischen Zusammenstellung. Sie sind \u201efautes involontaires ou in\u00e9vitables\u201c und als solche \u201een rapport avec l\u2019exactitude du travail du m\u00e9canisme nervopsychique pour un temps donn\u00e9\u201c. Hingegen: \u201eLes fautes proprement dites sont exclues du calcul, attendu que leur nombre peut varier ind\u00e9pendamment de la lassitude du m\u00e9canisme nervopsychique, par suite du plus ou moins de savoir des principes de l\u2019\u00e9criture, et du plus au moins d\u2019attention apport\u00e9e par l\u2019\u00e9l\u00e8ve, ce qui \u00e9chappe compl\u00e8tement \u00e0 toute mesure\u201c.\nGegen eine Auswahl der Fehler an sich l\u00e4fst sich nun allerdings von vornherein nichts einwenden, jedoch nur unter der Bedingung, dafs sie sich in eindeutig definierter Weise voneinander unterscheiden lassen. Das ist aber hier nicht der Fall. Zwar die durch wirklichen Mangel des Wissens entstandenen Fehler m\u00fcssen hier, wo es sich nur um Erm\u00fcdung schon vorhandener F\u00e4higkeiten handelt, ausgeschieden werden. Sie lassen sich auch f\u00fcr eine gegebene Schulklasse so hinreichend definieren, . dafs sie nicht nur nachtr\u00e4glich aus-\n1 S. 459.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Uber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\n201\ngeschieden, sondern durch passende Auswahl des Diktatstoffes von vornherein vermieden werden k\u00f6nnen. Nun fafst aber Sikorski diese \u201efautes de savoir\u201c zu weit. Er rechnet zu ihnen auch solche, die durch Mangel an Aufmerksamkeit entstanden. Dadurch wird aber die Grenze zwischen ihnen und den \u201em\u00e9prises\u201c eine vollst\u00e4ndig fliefsende. Denn dieselben \u201eVersehen\u201c, welche durch Erm\u00fcdung eintreten, k\u00f6nnen ihre Ursache in der Abwesenheit der Aufmerksamkeit haben und umgekehrt. Die Aufmerksamkeit ist \u00fcberhaupt eine wesentliche Bedingung des ganzen beim Diktatschreiben vorliegenden psychophysischen Processes, welche in den Ablauf des psychophysischen Mechanismus leitend und kontrollierend eingreift.1 Endlich unterliegt die Aufmerksamkeit so gut wie der Mechanismus bei fortgesetzter Th\u00e4tigkeit der Erm\u00fcdung.\nEine Angabe \u00fcber den Procentsatz der auf diese Weise ausgeschiedenen Fehler fehlt.\nTrotz dieser M\u00e4ngel, die bei einer ersten Bearbeitung eines bis dahin unbebauten Feldes nat\u00fcrlich sind, verdient die SiKO\u00dfSKische Arbeit aufmerksame Beachtung, da die verh\u00e4ltnis-m\u00e4fsig zahlreichen Versuche miteinander in guter \u00dcbereinstimmung stehen, vorausgesetzt, dafs nicht eine zu weitgehende Einwirkung jener Fehlerauswahl stattfand.\n\u00c4hnliche Versuche, wie Sikorski, stellte neuerdings Burgerstein2 an, mit dem Unterschiede, dafs er den Verlauf der Erm\u00fcdung w\u00e4hrend ein. und derselben Schulstunde zum Gegenst\u00e4nde seiner Beobachtung machte. Als Arbeitspensum w\u00e4hlte er statt des Diktates eine Zusammenstellung von Bechen-aufgaben. Dadurch erlangte er die M\u00f6glichkeit einer homogenen Verteilung der Arbeitsmasse. Er liefs n\u00e4mlich die Ziffern und die mit ihnen auszuf\u00fchrenden Operationen nach einem bestimmten Gesetz periodisch wdederkehren. Ferner war hier die M\u00f6glichkeit, aus absoluter Unwissenheit Fehler zu begehen, f\u00fcr die Sch\u00fcler \u00fcberhaupt nicht vorhanden, da die verlangten\n1\tCfr. Wundt, Physiologische Psychologie, II, Kap. 15, und Kussmaul, a. \u00e4? O., Kap. 29.\n2\t\u201eDie Arbeitskurve einer Schulstunde\u201c. Vortrag, gehalten auf dem 7. internationalen Kongresse f\u00fcr Hygiene und Demographie in London. Sonderabdruck aus der \u201eZeitschrift f\u00fcr Schulgesundheitspflege\u201c 1891. Siehe meinen Bericht hier\u00fcber in \u201eZeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane11, Band IV, S. 383\u2014385.","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nL. Hopfner.\nOperationen ihnen gel\u00e4ufige waren. Jedoch erhob sich f\u00fcr die Fehlerz\u00e4hlung durch einen anderen Umstand eine Schwierigkeit, n\u00e4mlich dadurch, dafs ein Fehler sich in einer oder in mehreren falschen Ziffern \u00e4ufsern kann. Bei mehreren hinter-, einanderfolgenden falschen Ziffern kann man daher oft nicht entscheiden, ob ein oder mehrere Fehler vorliegen. Burgerstein f\u00fchrt versuchsweise zwei Z\u00e4hlungen durch, indem er einmal jede Beihe aufeinanderfolgender falscher Ziffern als einen Fehler z\u00e4hlt und das zweite Mal jede falsche Ziffer. Er ' entscheidet sich schliefslich f\u00fcr die letztere Z\u00e4hlung.\nDie Arbeitszeit ist genau angegeben. Alle Sch\u00fcler arbeiteten gleich lange, aber ungleich viel.\nAus diesen Versuchen ergiebt sich nun, dafs die \u201eLeistungsf\u00e4higkeit\u201c eines Sch\u00fclers im Verlauf einer Arbeitsstunde variiert. In vier Klassen, mit denen Burgerstein seine Versuche anstellte, wiederholte sich ein und dieselbe eigent\u00fcmliche Erscheinung, dafs n\u00e4mlich nach Verlauf einer halben Stunde eine starke Zunahme der Fehler \u2014 in Procenten der vorkommenden Ziffern berechnet \u2014 sich geltend machte. Nachher hob sich die Leistungsf\u00e4higkeit wieder, was sich in langsamerem Wachsen der Fehlerzahlen \u00e4ufserte.\nFolgende Tabelle, die ich aus den Angaben Burgersteins zusammenstelle, veranschaulicht das Ergebnis:\nViertelstunde\tBerechnete Ziffern (abgerundet)\tFehler\tFehler in Procenten der Ziffern\tFehler- Procent abgerundet\nIn der 1.\t28 200\t851\t3,01% .\t3\n\u25a0 \u00bb \u00bb 2.\t32 500\t1292\t3,98%\t4\nn\tw 3.\t35 400\t2011\t5,67 %\t5,7\n\u00bb\t\u00bb 4.\t39 500\t2360\t5,98%\t6 .\nBemerkenswert ist jedoch, dafs w\u00e4hrend der ganzen Stunde die Gfeschwindigkeit1. des Bechnens fortw\u00e4hrend zunahm. Indessen geschah dies in variabelem Tempo, und zwar am langsamsten nach der zweiten Viertelstunde, also gleichzeitig mit dem st\u00e4rkeren Wachsen der Fehler. St\u00e4rkere Zunahme der\n1 S. 21 und 23.","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"203\n\u00dcber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\nFehler bei geringerer Zunahme der Rechengeschwindigkeit w\u00fcrde aber nur ein noch sichereres Anzeichen der Erm\u00fcdung sein.\nOb \u00fcbrigens dieses Wachsen der Arbeitsgeschwindigkeit wirklieh eine Folge der fortdauernden Besch\u00e4ftigung ist und f nicht einen anderen psychologischen Grund hat, m\u00fcfste noch entschieden werden. Das ganze Arbeitspensum der Stunde zerfiel n\u00e4mlich in vier kleinere Arbeiten, die nach jeder Viertelstunde eingesammelt wurden. Diese hatten einen solchen Umfang, dafs die Sch\u00fcler sie im allgemeinen unvollendet ablieferten. Es w\u00e4re nun m\u00f6glich, dafs das Bewufstsein, mit der vorigen Arbeit w\u00e4hrend der gegebenen Zeit nicht fertig geworden zu sein, die Sch\u00fcler antrieb, rascher zu arbeiten.\nII.\nEigene Beobachtungen.\nEs sei mir nun gestattet, den Versuchen von Sikorski und B\u00fcrgerstein Beobachtungen anzureihen, die ich selbst vor einiger Zeit anzustellen Gelegenheit hatte. Diese betreifen eine Schulklasse von etwa 50 Knaben in dem Durchschnittsalter von 9 dahren. Die , Kinder waren der Mehrzahl nach S\u00f6hne von Handwerkern. Zum Zweck der Versetzung in die h\u00f6here Klasse hatten sie ein Pr\u00fcfungsdiktat zu schreiben. Dasselbe bestand aus 19 S\u00e4tzen, von . denen jeder im Durchschnitt 30 Buchstaben enthielt. Die Zusammenstellung der S\u00e4tze war vom Rektor der Schule besorgt worden. Das Diktat besch\u00e4ftigte die Kinder mehr als zwei Stunden. Dies hatte zum Teil darin seinen Grund, dafs in der Klasse zwei hochgradig schwerh\u00f6rige Sch\u00fcler1 waren, die durch ihr langsames Verst\u00e4ndnis die Arbeit verz\u00f6gerten. Unter anderen Umst\u00e4nden w\u00fcrden etwa 1 - Stunden, erforderlich gewesen sein. Beim Korrigieren dieser Diktate fiel mir nun eine betr\u00e4chtliche H\u00e4ufung von Fehlern in der zweiten Diktatstunde auf. Diese Beobachtung veranlafste mich, die Fehler einer eingehenderen Statistik zu unterwerfen.\nEhe ich jedoch im nachfolgenden die Resultate dieser Untersuchung mitteile, mufs ich von vornherein auf einige\n1 Deren Arbeiten sind bei der folgenden Untersuchung als anomale nat\u00fcrlich ausgeschlossen worden.","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nJj. Hopfner.\nSchwierigkeiten aufmerksam machen, die sich eben dadurch ergaben, dafs ich erst nach dem Diktat dazu gef\u00fchrt wurde, dasselbe psychologisch zu verwerten. Zugleich nehme ich schon hier Gelegenheit, auch die Methode zu erw\u00e4hnen, die ich anwandte, diese M\u00e4ngel zu ersetzen und wodurch es, wie ich hoffe, mir gelungen ist, aus dem vorliegenden psychologischen Material trotz einiger Unvollst\u00e4ndigkeit der Daten brauchbare Ergebnisse herauszuziehen. Betrachte ich es doch als ein Hauptziel dieser vorliegenden Arbeit, zu zeigen, wie man auch, ohne eigentliche experimentierende Versuche mit den Sch\u00fclern anzustellen, schon in den schulplanm\u00e4fsigen Arbeiten derselben ein psychologisches Material besitzt, das sich durch geeignetes Verfahren sehr wohl im Sinne experimenteller Studien der geistigen Erm\u00fcdung verwerten l\u00e4fst.\nEin Haupterfordernis bei allen psychologischen Versuchen, oder Beobachtungen, welche die durch l\u00e4ngere geistige Arbeit eintretende Erm\u00fcdung zum Gegenstand haben, ist, wie schon oben hervorgehoben wurde, dafs die geistige Arbeit eine homogene sei, d. h. im vorliegenden Fall, dafs etwaige Schwierigkeiten des Diktates gleichf\u00f6rmig auf dasselbe verteilt seien. F\u00fcr Rechenoperationen hatte Burgerstein ein Verfahren angegeben, welches diese Aufgabe der homogenen Verteilung des Arbeitsstoffes in hinreichender Weise l\u00f6st. F\u00fcr Diktate ist ein analoges Verfahren unm\u00f6glich, und die etwaigen Ungleichheiten in den Versuchsbedingungen k\u00f6nnen im allgemeinen nur durch, eine gr\u00f6fsere Anzahl von Versuchen ausgeglichen werden. Immerhin giebt es ein Mittel, doch ein ziemlich sicheres Urteil \u00fcber die variierende Qualit\u00e4t der geleisteten Arbeit zu gewinnen. Dieses besteht in einer Auswahl bestimmt definierter Fehler, bei denen man im' st\u00e4nde ist, auch die Anzahl, ihres m\u00f6glichen Vorkommens zu bestimmen. Die Anzahl der wirklichen, dividiert durch die Anzahl der m\u00f6glichen Fehler, oder, was auf dasselbe hinauskommt, die Procente der wirklichen, bezogen auf die m\u00f6glichen Fehler, liefern dann ein Mafs der Qualit\u00e4t.\nUm ferner die Erm\u00fcdung, wie es Burgerstein that, in. ihrer Abh\u00e4ngigkeit von der Arbeitszeit also \u2014 mathematisch ausgedr\u00fcckt \u2014 als \u201eFunktion\u201c derselben zu bestimmen, w\u00e4re es notwendig, genauere Daten \u00fcber die Zeit, welche das Schreiben der einzelnen S\u00e4tze erforderte, zu besitzen. Da ich","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\n205\ndiese a posteriori nicht mehr beibringen kann, so stelle ich die Frage anders, n\u00e4mlich: Wie verh\u00e4lt sich die Erm\u00fcdung als Funktion der geleisteten Arbeit?\nFas Wort \u201eArbeit\u201c gebrauche ich hier zun\u00e4chst in dem gew\u00f6hnlichen Sinne, wie man von \u201eSchularbeit\u201c spricht. Schon in diesem Sinne ist diese \u201eArbeit\u201c eine wenigstens \u00e4ufserlich mefsbare Gr\u00f6fte. Besteht eine solche Arbeit z. B. im \u00dcbersetzen aus einer Sprache in eine andere, so kann man sie, bei angenommener gleichf\u00f6rmiger Verteilung der im Lexikon aufzuschlagenden W\u00f6rter und sonstiger grammatischer Schwierigkeiten etwa der Zahl der zu \u00fcbersetzenden Zeilen proportional setzen.1 Die Sch\u00e4tzung der in unserem Falle von den Sch\u00fclern geleisteten Arbeit ergiebt sich aus dem Gange des Diktates, welcher folgender war : Ich. las zun\u00e4chst einen Satz vor. und liefs ihn mehrere Male von einzelnen Sch\u00fclern und dann von der ganzen Klasse wiederholen. Darauf ergriffen alle Sch\u00fcler gleichzeitig die Feder und schrieben ihn nach dem Ged\u00e4chtnis nieder. Erst wenn alle Sch\u00fcler fertig waren, wurde der n\u00e4chste Satz ebenso diktiert. Die von den Sch\u00fclern verlangte Arbeit bestand also\n1.\tin der Aufnahme (Assimilation)2 des Satzes,\n2.\tin dem ged\u00e4chtnism\u00e4fsigen Festhalten desselben bis zur beendigten \u00dcbertragung in die Schrift,\n3.\tin der \u00dcbertragung des geh\u00f6rten, resp. behaltenen Satzes in die Schrift.\n1\tEine solche Arbeit kann auch von demselben Individuum schneller und langsamer verrichtet werden. Die Arbeit bleibt aber dieselbe. Es w\u00e4re m\u00f6glich, dafs auch der schliefsliche Zustand geistiger Abspannung bei einem, der mit doppelter Geschwindigkeit (d. i. in der halben Zeit) die Arbeit verrichtete, unter sonst ganz gleichen Bedingungen nicht sehr verschieden ist von der Erm\u00fcdung desjenigen, welcher dieselbe Arbeit gem\u00e4chlich verrichtet, aber daf\u00fcr doppelt solange arbeiten mufs. \u2014 Ich will hiermit nur in allgemeinen Umrissen ein Problem bezeichnen, dem wir uns jetzt nur schrittweise n\u00e4hern k\u00f6nnen, womit aber in Zukunft die Psychologie sich wird besch\u00e4ftigen m\u00fcssen. Die Behandlung dieses Problems setzt voraus: 1. Sch\u00e4rfere Definition der Begriffe : geistige Arbeit, geistige Erm\u00fcdung und Erholung, als wir sie bis jetzt zu geben im st\u00e4nde sind; 2. psychologische Mefsbarkeit des Arbeitsquantums und des Grades der Erm\u00fcdung und Erholung. \u2014 Dabei wird besonders auch zu beachten sein, dafs das Gef\u00fchl der M\u00fcdigkeit sich nicht immer mit der wirklichen Erm\u00fcdung deckt.\n2\tBei Herbart: \u201eApperception\u201c.","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nL. Hopfner.\nDieser Procefs kehrte, da es 19 S\u00e4tze waren, 19 mal periodisch wieder. / Jeder Satz stellt eine \u201eArbeitsperiode\u201c dar. Zu \u00e4ufserlicher Messung der L\u00e4nge dieser Arbeitsperioden war es bei der zusammengesetzten Natur dieser Arbeit schwer, ein gemeinsames Mals aufzustellen. F\u00fcr die ersten beiden Teile der Arbeit (verst\u00e4ndige Assimilation und ged\u00e4chtnism\u00e4fsiges Festhalten) w\u00e4re wohl die Zahl der W\u00f6rter eine brauchbare Vergleichsgr\u00f6fse,. w\u00e4hrend f\u00fcr die \u00dcbertragung in die Schrift offenbar die Zahl der Buchstaben mafsgebend ist. Da die Buchstaben die kleineren Einheiten darstellen, so w\u00e4hle ich diese.\nDie 19 S\u00e4tze enthielten nun zusammen 582 Buchstaben. 46 Sch\u00fclerarbeiten unterwarf ich der Fehlerstatistik, also stand mir ein Material von 26 772 Buchstaben zur Verf\u00fcgung.\nDie allgemeine Fehlerkurve.\nRechne ich zun\u00e4chst alle Fehler ohne Ausscheidung besonderer Fehlerklassen mit, so kommen im Durchschnitt auf je 100 Buchstaben 2,7 Fehler. Nach den einzelnen S\u00e4tzen berechnet, zeigen aber die Fehlerprocente ein variabeles, und zwar zuerst schwach fallendes, dann st\u00e4rker steigendes Verhalten.\nIn der nachfolgenden Tabelle enth\u00e4lt die erste Vertikalreihe die Nummern der einzelnen S\u00e4tze, die zweite die Anzahl der in jedem Satze vorkommenden Buchstaben, multipliciert mit 46, d. i. der Anzahl der untersuchten Arbeiten; in der dritten Reihe befinden sich die Anzahlen aller von den Sch\u00fclern begangenen Fehler und in der vierten ebendieselben, ausgerechnet in Procenten der geschriebenen Buchstaben jedes einzelnen Satzes.\nBetrachten wir die Zahlen der vierten Vertikalreihe, so sehen wir, dafs sich anfangs fast 1 % Fehler vorfinden, dafs sie aber regelm\u00e4fsig abnehmen, bis sie in Satz 4 auf bald Va % der Buchstaben gefallen sind. Dann steigen sie wieder. Vom 5. zum 6. Satz findet ein seltsamer Sprung statt. Vielleicht ist dieses pl\u00f6tzliche Wachsen der Fehler daraus zu erkl\u00e4ren, dafs die laufenden Diktate gew\u00f6hnlich nur etwa f\u00fcnf S\u00e4tze enthielten,1 die Sch\u00fcler also nur an Diktate dieser L\u00e4nge gew\u00f6hnt\n1 Es waren w\u00f6chentlich zwei Stunden von je 45 Minuten f\u00fcr Diktat und Orthographie angesetzt. Nur etwa eine halbe Stunde konnte auf das Diktat verwendet werden, da der Best zur Durchnahme des neuen Pensums diente.","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"TJber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\n207\nwaren. Vielleicht findet auch die Wahrnehmung Burgersteins, welcher nach der ersten halben Stunde regelm\u00e4fsig eine st\u00e4rkere Erm\u00fcdung konstatierte, hier eine neue Best\u00e4tigung.1\nSatz No.\tAnzahl der von allen Sch\u00fclern geschr. Buchstaben\tGesamtzahl der Fehler\tFehler in Proeenten der Buchstaben\ni\t21X46\t9\t0,936\n2\t26 X 46\t11\t0,924\n3\t19 X 46\t7\t0,805\n4\t38X46\t13\t0,641\n5\t32X46\t10\t0,680\n6\t35X46\t36\t2,232\n7\t30X46\t28\t2,044\n8\t35 X 46\t39\t2,418\n9\t26 X 46\t32\t2,688\n10\t23X46\t29\t2,755\n11\t24X46\t41\t3,731\n12\t35 X 46\t31\t1,922\n13\t30 X 46\t66\t4,818\n14\t-26X46\t32\t2,688\n15\t40X46\t63\t3,402\n16\t29X46\t55\t4,125\n17\t26 X 46\t56\t4,704\n18\t47 X 46\t54\t2,592\n19\t40 X 46\t119\t6,426\nIm weiteren Verlauf zeigen die Zahlen nicht mehr ein so regelm\u00e4fsiges Verhalten, wie anfangs. Doch ist die Tendenz immer weiteren Steigens unverkennbar. Die folgende graphische Darstellung soll diese Variation der Fehler veranschaulichen.\nDenkt man sich die einzelnen S\u00e4tze auf ihre mittlere L\u00e4nge (etwa 30 Buchstaben) reduciert, stellt dann diese \u201ereducierte Satzl\u00e4nge\u201c durch eine willk\u00fcrliche Strecke dar und tr\u00e4gt sie 19 mal auf der horizontalen Linie (\u201eAbscisse\u201c) ab, so stellt die\n1 S. jedoch das Ergebnis S. 209.","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nL. Hopfner.\nso erhaltene Strecke 0\u201419 nach \u00e4nfserlicher Sch\u00e4tzung die von den Sch\u00fclern beim Diktatschreiben geleistete Arbeit dar. Jeder Teilpunkt bestimmt dann die Arbeit von soviel vorausgegangenen S\u00e4tzen, als die bei ihm stehende Zahl angiebt.1 In jedem Teilpunkt wird nun auf der Horizontallinie eine dem Fehlerprocent, des betreffenden Satzes proportionale Senkrechte errichtet, mit anderen Worten: dieFehler-procente werden als \u201eOrdinaten\u201c eingetragen. Die Endpunkte dieser Ordinaten stellen die Fehlerkurve dar.\nDas anf\u00e4ngliche Fallen und sp\u00e4tere Steigen der Fehler ist evident. Die vorkommenden gr\u00f6fseren Schwankungen haben wahrscheinlich darin ihren Grund, dafs zwei Pausen w\u00e4hrend der Arbeit vorkamen, eine kleinere in der Mitte und eine gr\u00f6fsere am Ende. Die genauere Stelle dieser Pausen anzugeben, bin ich bedauerlicherweise nicht im st\u00e4nde. Es ist dies der unangenehmste Mangel der mir vorliegenden Daten, der wie die anderen oben erw\u00e4hnten, wie schon gesagt, darin seinen entschuldbaren Grund hat, dafs ich. erst nach dem Diktat zu dem Entschlufs, dasselbe zu psychologischen Studien zu verwerten, gef\u00fchrt wurde. Bei k\u00fcnftigen Wiederholungen solcher Bearbeitungen kann auch w\u00e4hrend des Diktates, leicht\n1 G-en\u00e4u genommen, m\u00fcfsten die Teilpunkte in ungleichen, n\u00e4mlich den wirklichen Satzl\u00e4ngen proportionalen Entfernungen stehen. Es w\u00e4re dann aber bequemer, die Fehler nicht satzweise, sondern etwa von 30 zu 30 geschriebenen Buchstaben zu z\u00e4hlen. Dieses letztere Verfahren ist jedoch nicht ratsam, weil dadurch das psychologische G-ef\u00fcge, welches aus den 19 \u201eArbeitsperioden\u201c sich aufbaut, auseinandergerissen w\u00fcrde. . F\u00fcr eine vorl\u00e4ufige Bearbeitung, als welche die vorliegende zu gelten hat, gen\u00fcgt die obige Darstellungsweise.","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\n209\neine planm\u00e4fsige Registrierung aller Nebenumst\u00e4nde stattfinden.\nJedoch, auch diesem Mangel l\u00e4dst sich begegnen. Um die Unregelm\u00e4fsigkeiten auszugleichen, berechnete ich die Mittel von je zwei aufeinanderfolgenden Fehlerprocenten. Sie befinden sich in der zweiten Vertikalreihe nachstehender Tabelle. Abgesehen von den letzten Zahlen, beobachtet man hier schon, ein regelm\u00e4fsiges Verhalten. Dieses steigert sich noch, wenn man von diesen Zahlen wieder die Mittel je zweier aufeinanderfolgender bildet (s. die dritte Reihe). In der vierten Reihe befinden sich diese letzteren Mittel abgerundet. Das Steigen ist hier ein \u00fcberraschend regelm\u00e4fsiges. Die Differenz je zweier aufeinanderfolgender Zahlen ist 1.\nVon den\tMittel\t\t\t\n\tder\tMittel davon\tAbgerundet\tDifferenz\n' S\u00e4tzen\tFelilerproeente\t\t\t\n1\u20142\t0,930\t}\t0,827\t0,8 %\ti %\n3\u20144\t0,723\t\t\t\n5\u20146\t1,456\t|\t1,844\t1,8 %\t1 o/o\n7-8\t2,231\t\t\t\n9-10\t2,722\t|\t2,755\t2,8 %\t1 o/o\n11\u201412\t2,827\t\t\t\n13-14\t3,753\t|\t3,759\t3,8 %\t1,2 \u00b0/o\n15\u201416\t3,764\t\t\t\n17-18\t3,648\t|\t5,037\t5,0 %\t\n19\t6,426\t\t\t\nIm vorliegenden Falle wachsen demnach die Fehler von 4 zu 4 S\u00e4tzen um 1%, also um eine konstante Gr\u00f6fse. Die Zunahme der Fehler ist im Durchschnitt der geleisteten Arbeit .proportional, oder, anders ausgedr\u00fcckt, die Fehlerkurve ist in ihrem Hauptzuge eine gerade Linie.\nBei diesem Ergebnis ist jedoch zu bedenken, dafs durch die Berechnung des Durchschnittes das anf\u00e4ngliche Fallen der Fehler mit eliminiert worden ist. Zwar die ersten vier S\u00e4tze, bei denen dieses Fallen sehr regelm\u00e4fsig stattfand, sind bei der gruppenweisen Zusammenfassung zusammengeblieben. Sie bilden das untere Niveau, bei welchem die Steigung beginnt. Von hier an k\u00f6nnte der obige Satz vielleicht wenigstens an-\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie VI.\t14","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nL. Hopfner.\ngen\u00e4herte G\u00fcltigkeit haben, um so mehr, als wir sogleich eine weitere Best\u00e4tigung daf\u00fcr bekommen werden.\nAls psychologische Ursache dieser Erscheinungen, n\u00e4mlich des anf\u00e4nglichen Fallens und des darauffolgenden Steigens der Fehlerkurve hat man jedenfalls eine anf\u00e4nglich wachsende Erregung oder innere Sammlung mit darauffolgender Erm\u00fcdung anzusehen.\nKurve einer eindeutig definierten Klasse von Fehlern.\n\\\nEs w\u00e4re noch der oben erw\u00e4hnte Einwand m\u00f6glich, dafs eine ungleiche Verteilung innerer Diktatschwierigkeiten die Ursache obiger Variation der Fehler gewesen sei. Um auch hier\u00fcber Gewifsheit zu erhalten, sonderte ich nunmehr eine scharf umschriebene Gruppe von Fehlern aus und unterwarf sie analogen Berechnungen. Ich nahm dazu die Verst\u00f6fse gegen das Grofschreiben der Hauptw\u00f6rter und gegen das Kleinschreiben der Eigenschafts- und Th\u00e4tigkeitsw\u00f6rter. Bei dieser Gruppe l\u00e4fst sich genau angeben, wieviel Fehler \u00fcberhaupt m\u00f6glich waren. Da die Fehlerzahlen f\u00fcr die einzelnen S\u00e4tze hier zu klein werden, fasse ich die S\u00e4tze, wie oben, zu je vier bis auf die letzten drei zusammen.\nIn den S\u00e4tzen .\n1\u20144, 5\u20148, 9\u201412, 13\u201416, 17\u201419 waren, an Haupt-, Eigenschafts- und Th\u00e4tigkeitsw\u00f6rtern \u00fcberhaupt enthalten:\n15 '\t17\t13\t13\t12.\nF\u00fcr die 46 Sch\u00fcler waren also folgende Fehlerzahlen m\u00f6glich:\n690\t782\t598\t598'\t552.\nEs waren wirkliche Fehler:\n8\t27\t41\t59\t79.\nAuf je 100 m\u00f6gliche kamen also wirkliche:\n1,2\t3,5\t6,9\t9,9\t-14,3\nabgerundet:\t1\t4\t7\t10\t14.\nMan erh\u00e4lt als\nDifferenz :\t'\t3\t3\t3\t4,\nd. h.: die Fehlerprocente steigen wieder um eine fast konstante Gr\u00f6fse. Verwendet man die Zahlen nicht abgerundet, so erh\u00e4lt man hiei\\nicht ganz diese Begelm\u00e4fsigkeit.","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\n211\nIII.\nPsychologische Analyse der Fehler zum Zweck des Studiums\nder Erm\u00fcdung.\nDurch die Untersuchungen, \u00fcber welche wir im vorigen berichteten, ist zun\u00e4chst nur bewiesen, dafs bei fortgesetzter geistiger Arbeit diese an G\u00fcte verliert. \u00dcber die Ursache dieser Erscheinung ist dadurch noch nichts ausgemacht, denn nicht jene, sondern ihre Folgeerscheinungen, die Fehler, werden direkt beobachtet.\nZwar d\u00fcrfte es kaum auf Widerstand stofsen, wenn man von vornherein die Erm\u00fcdung als Ursache des Steigens der Fehlerkurven bezeichnet. Die allt\u00e4gliche Erfahrung giebt dieser Deutung eine -wesentliche St\u00fctze. Es ist aber zu beachten, dafs im allgemeinen, dieselben Fehler,\u2018welche durch Erm\u00fcdung entstehen, auch durch Mangel an Aufmerksamkeit entstehen k\u00f6nnen, und dafs letztere zwar ebenfalls der Erm\u00fcdung unterliegt, aber doch auch durch Ablenkung vermindert und aufgehoben werden kann.\nDer einzige Grund nun, den wir bis jetzt besitzen, trotzdem die Erm\u00fcdung als alleinige Ursache in Anspruch zu nehmen, besteht in der regelm\u00e4fsigen, sicher wenigstens best\u00e4ndigen Zunahme der Fehler bei fortgesetzter Arbeit. W\u00e4re Ablenkung der Aufmerksamkeit die Ursache, so m\u00fcfste die Veranlassung einer best\u00e4ndig wachsenden Ablenkung aufgezeigt werden. Wir sind aber nicht im st\u00e4nde, eine solche anzugeben, wenn nicht eben wieder einseitige Erm\u00fcdung ablenkend wirkt.\nEs w\u00e4re nun von psychologischem Interesse, wenn man in dem Charakter der Fehler einen neuen Nachweis der . Erm\u00fcdung auffinden k\u00f6nnte. Dieser kann aber nur durch eine eingehende Fehleranalyse gef\u00fchrt werden. Eine solche Analyse ist auch deshalb nicht zu umgehen, weil sie allein einen Einblick in die innere geistige Arbeit gew\u00e4hren und also f\u00fcr die Zukunft eine wirkliche psychologische Messung derselben anbahnen kann.\nB\u00fcegerstein unterscheidet bei seinen Rechenversuchen folgende Kategorien von Fehlern nach ihrer psychologischen Entstehungsursache:1 Die Einwirkung kurz vorher vor-'\n1 A. a. O. S. 14 ff.\n.14*","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nL. H\u00f6xrfner.\ngekommener Ziffern, so dafs diese statt der richtigen gesetzt werden, das Vergessen, den Rest einzuz\u00e4hlen, Verwechslung \u00e4hnlicher Ziffernbilder, Einz\u00e4hlen nicht vorhandener Reste, Verwechselung der Operationen, und endlich unbestimmte Fehler, bei denen die Entstehungsursache unbekannt ist. Er kommt zu dem Ergebnis,1 dafs \u201eeine ganze Reihe von Wahrnehmungen auf geschw\u00e4chte F\u00e4higkeit, eben Vorgekommenes noch fest im Bewufstsein zu halten, und auf. geschw\u00e4chte Wahrnehmungsf\u00e4higkeit hinweise\u201c.\nAuf eine Statistik solcher Fehler, durch welche das allm\u00e4hliche . Eintreten und Fortschreiten dieser Erm\u00fcdung erst bewiesen w\u00fcrde, m\u00fcssen wir leider mit Burgerstein verzichten, da, wie er mit Recht bemerkt, in vielen F\u00e4llen die Erkl\u00e4rung der. Fehler anfechtbar sei. Vielleicht gelingt es in Zukunft, dieser Schwierigkeiten Herr zu werden.\nEtwas weniger skrupul\u00f6s verfuhr vor ihm Sikorski. Wir sahen schon oben, dafs S. die Fehler zun\u00e4chst unterscheidet in. Versehen (m\u00e9prises) und fautes de savoir, und dafs er zu den letzteren auch solche rechnet, die durch Mangel an Aufmerksamkeit entstehen. Offenbar entspringen aber sehr viele von den \u201eVersehen\u201c aus dem Mangel an Aufmerksamkeit. Ein Kriterium, wodurch er die m\u00e9prises unzweideutig von den fautes de savoir unterscheidet, giebt er nicht an. Wir sahen ferner, dafs S. ausschliefslich die m\u00e9prises in seine Untersuchungen hineinzieht.\nZu einer weiteren Unterscheidung dieser letzteren Gruppe von Fehlern kommt S. durch psychologische Analyse der beim Diktatschreiben stattfindenden Th\u00e4tigkeit der Kinder. ijN\u00e4mlich diese besteht nach ihm2 ( 1. im H\u00f6ren der diktierten Worte; 2. im inneren Nachsprechen derselben (la r\u00e9production \u00e0 l\u2019esprit du discours int\u00e9rieur ou id\u00e9al) ; 3. in der \u00dcbertragung dieser inneren Sprache in die Schrift. Demnach zerfallen die Fehler weiter in: \u201eerreurs phon\u00e9tiques ou articulaires\u201c, \u201egraphiques\u201c, \u201epsychiques\u201c und \u201eind\u00e9termin\u00e9s\u201c. Die erreurs phon\u00e9tiques ou articulaires beziehen sich auf die akustische Zusammensetzung der W\u00f6rter (composition acoustique), die erreurs graphiques betreffen die Schreibweise von Buchstabenfolgen (\u00e9carts ou\n1\tS. 18.\n2\tA. a. O. S. 460.","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die geistige Erm\u00fcdung von Schulhindern.\t213\ndes erreurs dans le trac\u00e9 habituel des lettres), w\u00e4hrend als erreurs psychiques seltsamerweise ausschlie\u00dflich solche Fehler in Anspruch genommen werden, die gegen ganze W\u00f6rter (Auslassung, Ersetzung, Einschiebung von W\u00f6rtern) begangen sind. Endlich die fautes ind\u00e9termin\u00e9es sind nicht etwa solche, bei denen die Unterbringung in eine der anderen Kategorien \u00fcberhaupt zweifelhaft war, sondern er begreift darunter nur diejenigen, weiche durch Korrigieren unleserlich geworden waren (dont le caract\u00e8re n\u2019a pu \u00eatre reconnu par suite de ratures).\nGegen diese Unterscheidung ist nun mehreres einzuwenden. Zun\u00e4chst ist sie nicht vollst\u00e4ndig. Ein der \u201einneren Sprache\u201c gleichwertiges Moment f\u00fcr das richtige Schreiben nach dem Diktat ist offenbar die Vergegenw\u00e4rtigung des Schriftbildes. Diese ist in allen den F\u00e4llen unerl\u00e4fslich, wo gleichlautende W\u00f6rter oder Silben, die aber verschiedene Schreibweise besitzen, geschrieben werden sollen. Sie kann durch das innere Klangbild nur da ersetzt werden, wo eine einfache \u00dcbertragung' der gesprochenen Laute in Buchstaben stattfindet. Wenn es also Sikobski gelungen ist, alle Verst\u00f6fse gegen Buchstaben unter die beiden Kategorien der erreurs phon\u00e9tiques und graphiques zu bringen, so kann dies nur durch eine gezwungene Subsumtion geschehen sein.\nFerner sind auch die Beispiele, welche er f\u00fcr die Unterscheidung der erreurs phon\u00e9tiques und graphiques citiert, durchaus nicht einwandsfrei. Wenn z. B. acam\u00e9die statt acad\u00e9mie geschrieben wird, so kann dies schon ein Fehler des inneren Sprechens sein. Ebensogut kann der Fehler aber auch erst beim Schreiben, also bei der Koordination des Klangbildes und der Schreibbewegungen entstanden sein. Fehler wie tonnerrre statt tonnerre und spectatateur statt spectateur, \u25a0welche S. ebenfalls zu den phonetischen rechnet, d\u00fcrften mit gr\u00f6fserer Wahrscheinlichkeit als graphische, n\u00e4mlich durch mechanische Wiederholung derselben schon zweimal erfolgten Schreibbewegung entstandene, in Anspruch zu nehmen sein. \u2014 Die statistischen Angaben Sikobskis \u00fcber die procentuelle Zusammensetzung der Fehler1 nach diesen Gesichtspunkten sind also mit Vorsicht aufzunehmen.\n1 S. 462.","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\nL. Hopfner.\nMehr verwendbar zum Zwecke der Untersuchungen \u00fcber Erm\u00fcdung ist jedoch die weitere Unterscheidung der Fehler. ,Sie zerfallen in: Verdoppelungen (oder mehrfache Wiederholung), Umstellungen, Auslassen der Buchstaben oder Ersetzen eines Buchstabens durch einen anderen. Der Vorzug dieser Einteilung besteht darin, dafs die Fehler dieser Kate-.gorien \u00e4ufserlich unzweideutig charakterisiert sind. Sie lassen sich direkt beobachten, w\u00e4hrend die \u2014 an sich interessantere \u2014 psychologische Unterscheidung sich in ihrer Anwendung vorl\u00e4ufig nur auf Vermutungen st\u00fctzen kann.\nSolche wohl definierten Fehler m\u00fcssen also zun\u00e4chst in Bezug auf ihr Anwachsen w\u00e4hrend der Dauer einer l\u00e4ngeren Arbeit studiert werden. Dann aber werden sie sicher eine brauchbare Grundlage f\u00fcr einen psychologischen Aufbau abgeben.\nLeider findet man aber bei Sikorski hinsichtlich dieser Fehlergruppen nur summarische Angaben \u00fcber ihr Vorkommen \u00fcberhaupt, nicht \u00fcber ihre Verteilung auf die Diktate am Anfang und am Ende der Schule. Da die speciellen Angaben1 \u00fcber die H\u00e4ufigkeit dieser Fehler in Bezug auf ganz bestimmte Buchstaben nur f\u00fcr diejenige Sprache von Interesse sind, in welcher die Diktate geschrieben wurden, so k\u00f6nnen wir sie hier \u00fcbergehen. Erw\u00e4hnenswert ist aber die Erkl\u00e4rung,2 welche S. f\u00fcr die Fehler des Ausfalles oder der Ersetzung eines Buchstabens durch einen anderen giebt. N\u00e4mlich nach ihm treten solche Fehler ein, \u201ewenn beim Sprechen die Mundbewegungen des einen Konsonanten von denen des anderen wenig differieren\u201c. So wird z. B. d mit n vertauscht, \u2014 so verschieden auch ihr Klang f\u00fcr das Ohr ist \u2014, weil die entsprechenden Zungen-bewegungen nur wenig sich unterscheiden.1 Diese Vertauschung wird nun bei psychischer Erm\u00fcdung nicht bemerkt : \u201el\u2019abaissement ou l\u2019affaiblissement de la facult\u00e9 de distinguer de petites diff\u00e9rences physiologiques sert de base psychique aux omissions et aux substitutions\u201c.\n1\tA. a. O. S. 462. Die Angaben z. B. \u00fcber die Auslassung eines Buchstabens sind \u00fcberhaupt interesselos, da S. es unterl\u00e4fst, die benachbarten Buchstaben, die meist den Ausfall mit veranlassen, n\u00e4her zu bezeichnen.\n2\tS. 463.\n8 In anderen Sprachen lautet 1 h\u00e4ufig wie d. S. Kussma\u00fcl, a. a. 0. S. 243.","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"215\n\u00dcber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\nDie Fehler, welche im Ausfall, Ersatz u. s. w. ganzer W\u00f6rt er bestehen, haben nach S. ihre Ursache in der Erm\u00fcdung des Ged\u00e4chtnisses oder in dem Mangel an Aufmerksamkeit. (!) S. findet, dafs diese Fehler am Schlufs der Schule um 90% zahlreicher sind, als am Anfang!\nIndem ich nun wieder zur Verarbeitung des mir selbst zu Gebote stehenden Beobachtungsmaterials zur\u00fcckkehre, nehme ich in Konsequenz des eben Gesagten als Ausgangspunkt der Analyse die formale Einteilung der Fehler nach sprachlichen Gesichtspunkten. Denn diese bietet f\u00fcr eine erste Bearbeitung vor einer psychologischen Einteilung die Vorteile, dafs sie erstens eine eindeutige Definition der Fehler zul\u00e4fst, dafs ferner, diese Definition sich auf \u00e4ufsere Merkmale st\u00fctzt, wodurch jeder Fehler leicht und sicher seiner Klasse subsumiert wird, und dafs endlich die Einteilung vollst\u00e4ndig ist, so dafs alle Fehler, vorausgesetzt, dafs sie nicht in zu kleiner Anzahl auftreten, verwertet werden k\u00f6nnen. Aufserdem wird die sprachliche Einteilung von selbst uns der psychologischen n\u00e4her bringen.\nWir zerlegen die Sprache in S\u00e4tze, die S\u00e4tze in W\u00f6rter, diese in Silben und die Silben in Buchstaben. An jedem dieser \u201eSprachelemente\u201c k\u00f6nnen nun die schon von Sikorski unterschiedenen Fehler Vorkommen : n\u00e4mlich entweder kann ein solches Element ganz ausfallen (Fehler des \u201eAusfalls\u201c), oder es wechselt nur seine Stelle (\u201eUmstellung\u201c), oder ein fremdes wird eingeschoben (\u201eEinschiebung\u201c), oder es findet beides zugleich statt, d. h. eines wird durch ein anderes ersetzt (\u201eErsatz\u201c oder \u201eSubstitution\u201c). Diese vier Fehlergruppen sind, wie es scheint, die allgemeinsten, und auf sie lassen sich alle anderen entweder durch Specialisierung oder durch Zusammensetzung zur\u00fcckf\u00fchren. Durch Specialisierung sondern wir aus den Fehlern des Ausfalles und der Einschiebung eine besondere Gruppe ab, n\u00e4mlich diejenige, in der das ausgefallene oder eingeschobene Element einer von mehreren gleichen Buchstaben ist, wenn also entweder statt eines Doppelbuchstabens der einfache oder umgekehrt statt des einfachen der. doppelte geschrieben wird. Endlich wurde schon oben von den Fehlern des Ersatzes die Gruppe abgetrennt, in welcher am Anfang eines Wortes der grofse Buchstabe durch den kleinen und umgekehrt ersetzt war. Diese sind also hier nicht wiederholt worden.","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nL. Hopfner.\nIn der Tabelle sind f\u00fcr die angegebenen Gruppen die Fehler und Fehlerprocente von vier zu vier S\u00e4tzen zusammen-gestellt. Die Procente beziehen sich auf je 100 \u00fcberhaupt geschriebene Buchstaben.\nSatz Ko.\t\u00dcberhaupt geschriebene Buchstaben\tFehler\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\tAu Anzahl\tsfall %\tEinscl] Anzahl\tiebung %\tEr Anzahl\tsatz o/o\tUm- stellung Anzahl\tEint*, u. Buch Anzahl\tdoppelte staben \u00b0/o\n1_ 4\t4784\t2\t0,042\tl\t0,021\t12\t0,252\t0\t12\t0,252\n5\u2014 8\t6072\t7\t0,091\tl\t0,017\t16\t0,272\tl\t53\t0,901\n9-12\t4968\t14\t0,280\t6\t0,120\t27\t0,540\t0\t52\t1,040\n13-16\t5750\t15\t0,255\t8\t0,136\t21\t0,357\t1\t111\t1,887\n17-19\t5198\t31\t0,589\t11\t0,209\t16\t0,304\t1\t89\t1,691\nEine \u00e4hnliche Art der Berechnung, wie sie fr\u00fcher f\u00fcr die Verst\u00f6fse gegen das Schreiben der Anfangsbuchstaben der W\u00f6rter vorgenommen wurde, :war hier nicht mehr m\u00f6glich, da sich die Anzahl der \u00fcberhaupt m\u00f6glichen Fehler hier nicht mehr angeben l\u00e4fst. So erschien die Beziehung auf 100 Buchstaben \u00fcberhaupt noch als das ratsamste. Erst bei der Betrachtung ganz specieller F\u00e4lle (siehe unten) kann man wieder die Anzahl der m\u00f6glichen Fehler bestimmen. Daher kann hier die Zusammenstellung der Fehlerprocente auch nicht mehr als Grundlage dienen, etwa ein bestimmtes Gesetz der Variation der Fehlerzahl zu ermitteln. Nur das allgemeine Anwachsen der Fehler in den einzelnen Gruppen soll aufgezeigt werden. In der That sieht man, dafs \u00fcberall die ersten Fehlerzahlen die kleinsten sind, und dafs im allgemeinen auch weiterhin die Fehlerzahl\u00e9n steigen. Nur bei den Ersatzfehlern findet in der zweiten H\u00e4lfte der Arbeit merkw\u00fcrdigerweise eine Abnahme statt, jedoch sinken sie nicht bis auf die anf\u00e4nglichen kleinen Zahlen zur\u00fcck.\nUnter diesen Gruppen erscheinen nun die Fehler des Ausfalls f\u00fcr die Psychologie der Erm\u00fcdung besonders wichtig, da der Fortfall eines Sprach-, resp. Schriftbestandteiles unmittelbar als ein nicht zu st\u00e4nde Kommen eines psychischen Aktes gedeutet werden kann. Ich habe sie daher einer noch eingehenderen Statistik unterworfen. Da dieselbe trotz der immer kleiner werdenden Zahl der Einzelf\u00e4lle manches Inter-","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\n217\n! 0: 2, in Satz 11\u201410:\n15\t5?\t\u00bb\t.\n0,\t\u201e\tw\tn\no\n;>\t\u00bb\t\u00bb\n9\n- ;\t\u00bb\tn\t>5\n6\n44\n2\n4\nessante bietet, sei sie Mer mitgeteilt. Dabei m\u00f6gen gelegentliche psychologische Ergebnisse, um nicht aus ihrem Zusammenhang gerissen zu werden, gleich hier erw\u00e4hnt werden.\nIm ganzen waren 69 Sprach- resp. Schriftelemente ausgefallen. Darunter befanden sich:\n8 W\u00f6rter, und zwar in Satz 1-1 Silbe \u201e\t\u201e\t\u201e\t\u201e\t\u201e\n50 Buchstaben1 \u201e\t\u201e \u201e\t\u201e\n4 Teile von Buchstaben1\t\u201e\n6 Punkte am Ende des Satzes \u201e\nAus den Gesamtzahlen (der ersten Reihe) ergiebt sich, dafs \u00fcberhaupt ganze W\u00f6rter leichter ausfallen,. als deren Bestandteile, die Silben, und ganze Buchstaben leichter, als ihre Bestandteile (z. B. i = Punkt, u = Bogen u. s. w.). Darf man hieraus einen R\u00fcckschlufs ziehen auf die gr\u00f6fsere oder geringere Festigkeit der associativen Verbindung jener Elemente zu ihrem n\u00e4chsth\u00f6heren Ganzen, so findet man: Silben sind im Wort und Buchstabenteile im Buchstaben fester gef\u00fcgt, als W\u00f6rter im Satz und als Buchstaben im Wort. W\u00f6rter und Buchstaben sind also \u201eselbst\u00e4ndigere\u201c Elemente.\nDie Zahl der ausgefallenen W\u00f6rter verh\u00e4lt sich zur Anzahl der ausgefallenen Buchstaben \u2014 beide auf die Anzahl des wirklichen Vorkommens von W\u00f6rtern und Buchstaben reduciert \u2014 etwa wie 2 zu 3.\nVergleicht man ferner die Zahlen der dritten Vertikalreihe mit denen der zweiten, so beobachtet man ein energisches Anwachsen der Fehler in der zweiten H\u00e4lfte der Arbeit besonders bei den \u201eselbst\u00e4ndigeren\u201c Elementen2 (Wort, Buchstabe, Punkt am Ende des Satzes).\nEs ist interessant, den Ausfall der Buchstaben weiter zu analysieren. \u00dcber die Stellung, welche die ausgefallenen Buchstaben im Wort einnehmen, ergab sich folgendes: Ausfall von Anfangsbuchstaben wurde nicht beobachtet. Unter den\n1\tSilben als Bestandteile eines ganz ausgefallenen Wortes sind nat\u00fcrlich nicht mitgez\u00e4hlt, ebensowenig Buchstaben einer ausgefallenen Silbe u. s. w.\n2\tDie Kleinheit der Zahlen bei den \u201eunselbst\u00e4ndigeren\u201c Elementen (Silbe und Buchstabenteil) gestattet nicht, den (korrelaten) Schlufs zu ziehen, dafs diese weniger der Erm\u00fcdung unterliegen, wie die \u201eselbst\u00e4ndigeren\u201c.","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218\nL. Hopfner.\n50 ausgefallenen befanden sich 26 im Innern der W\u00f6rter, die anderen 24 waren Endbuchstaben. Diese letzteren Zahlen sind nahezu gleich. Bedenkt man aber, dafs es viel mehr innere als Endbuchstaben giebt, so ist aus vorstehenden Zahlen ersichtlich, dafs die Neigung, beim Schreiben einzelne Buchstaben ausfallen zu lassen, vom Anfang gegen das Ende der W\u00f6rter betr\u00e4chtlich zunimmt.\nDie n\u00e4here Ursache dieser Erscheinung kann eine doppelte sein. Entweder ist sie rein sprachlicher Natur und. liegt darin, dafs der \u201elautliche Verfall\u201c, welchem die W\u00f6rter aller lebenden Sprachen fortw\u00e4hrend unterliegen, sich ganz besonders auf das Ende der W\u00f6rter erstreckt. Oder sie ist in dem Vorg\u00e4nge des Schreibens begr\u00fcndet, dafs, w\u00e4hrend wir noch ein Wort nicht zu Ende geschrieben haben, unsere Aufmerksamkeit sich schon dem folgenden Worte zuwendet, um dieses vorzubereiten. \u00c4hnliches beobachten wir auch beim Sprechen in freier Bede. Wir haben einen Satz noch nicht zu Ende gesprochen, und unsere Gedanken besch\u00e4ftigen sich schon mit dem, was wir im folgenden Satz sagen wollen. W\u00e4hrend also das \u201eBlickfeld des Bewufstseins\u201c (Wundt) weiter wandert und die weitere Ausf\u00fchrung der Schreibbewegungen dem Mechanismus \u00fcbertr\u00e4gt, \u00fcbt es nicht mehr die notwendige Kontrolle und erm\u00f6glicht ein leichteres Auftreten von Fehlern.\nIn der Sprache Stbinthals k\u00f6nnte man sich auch folgender-mafsen ausdr\u00fccken: Die Vorstellung eines Wortes geht vom Anfang gegen das Ende zu immer mehr in eine \u201eschwingende\u201c Vorstellung \u00fcber. In besonderen F\u00e4llen, besonders bei zusammengesetzten W\u00f6rtern, d\u00fcrften jedoch Ausnahmen zu verzeichnen sein.\nAuf die beiden H\u00e4lften des Diktats verteilen sich die angegebenen Fehler in folgender Weise. Es fielen aus: innere Buchstaben in Satz 1\u201410: 1, in Satz 11\u201419: 25, Endbuchstaben \u201e\t\u201e\t\u201e\t5, \u201e \u201e\t\u00bb.\t19.\nIch verfolge die Analyse trotz der Kleinheit der Zahlen noch weiter. Zwar werden die Besultate immer weniger Anspruch auf Allgemeing\u00fcltigkeit erheben k\u00f6nnen, doch werden sie Gesichtspunkte schaffen, von denen aus bei k\u00fcnftigen Arbeiten dieser Art die Analyse weiter zu f\u00fchren ist. Das Folgende diene also haupts\u00e4chlich der Ausarbeitung der bei sp\u00e4teren Versuchen einzuschlagenden analytischen Methode.","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcbel\u2022 die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\n219\nWenn ich trotzdem im folgenden von Ergebnissen dieser Analyse spreche, so geschieht es nur der K\u00fcrze wegen.\nUnter den ausgefallenen 26 inneren Buchstaben sind 23 Konsonanten und nur 3 Vokale.1 Es ist dies f\u00fcr den Ursprung der Fehler charakteristisch. Da der Unterschied der Vokale und Konsonanten nur ein solcher des Klanges oder der Aussprache ist, nicht aber die Schreibweise betrifft, so kann man aus der Verschiedenheit der Fehlerzahlen allein den Schlufs ziehen, dafs diese Fehler \u2014 mit Sikorski zu reden \u2014 vorwiegend \u201eakustischer\u201c oder \u201ephonetischer\u201c Katur waren. Dieser Schlufs wird auch durch die n\u00e4here Betrachtung der Fehler vollauf best\u00e4tigt. Was n\u00e4mlich zun\u00e4chst die drei Vokalfehler betrifft, so war der ausgefallene Vokal stets \u201ee\u201c, also von allen Vokalen der im allgemeinen am wenigsten accentuierte. Im ersten Fall stand dieses e zwischen den Buchstaben w und r, im zweiten vor Z, im dritten nach g. In allen F\u00e4llen waren also die benachbarten Buchstaben solche, deren Karne ein e enthielt. Beim Schreiben eines Wortes konnte dann der zu schreibende Vokal e mit dem im Kamen des benachbarten Buchstabens enthaltenen e verwechselt werden, wenn das Kind leise buchstabierend schrieb, und wenn, wie das hier stets der Fall war, die. beiden e beim Buchstabieren aufeinander folgten.2 3 * Ich habe sp\u00e4ter, wenn ich das laute Buchstabieren der Sch\u00fcler beobachtete, diesen Fehler \u00f6fter konstatieren k\u00f6nnen. Fehler dieser Art sind also ihrem Wesen nach nicht solche des Schreibens, sondern des Sprechens oder H\u00f6rens (\u201eKlangbild des buchstabierten Wortes\u201c).8 Koch deutlicher zeigt sich der akustische, resp. phonetische Charakter dieser Fehler bei dem Ausfall der Konsonanten. Unter den ausgefallenen 23 befindet sich 10 mal das t, ausgefallen entweder zwischen e und foder zwischen n und w. Wenn z. B. \u201eenfernt\u201c statt \u201eentfernt\u201c geschrieben wird, so ist offenbar fehlerhafte Aussprache die Veranlassung des fehlerhaften Schreibens.\nHier ist nun der Ort, die Frage kurz zu ber\u00fchren, inwie-\n1\tAuch Sikobski beobachtete ein h\u00e4ufigeres Ausfallen der Konsonanten, A. a. O. S. 462.\n2\tBeim \u201eLautieren\u201c w\u00fcrden also solche Fehler nicht entstehen k\u00f6nnen.\n3\tNach Goldsoheideb k\u00f6nnte man besser solche Fehler definieren\nals Ausfall in der \u201eLautfolge\u201c des buchstabierten Wortes.","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nL. Hopfner.\nweit etwa den Lehrer, der das Diktat diktierte, die Mitschuld an diesen Fehlern trifft. Das Urteil in dieser Frage kann, streng genommen, nur von einem unparteiischen Dritten gef\u00e4llt werden. Solange ich jedoch in Ermangelung desselben Beklagter und Richter in Einer Person bin, habe ich mich bem\u00fcht, durch nachtr\u00e4gliche Beobachtungen der Aussprache, welche die Sch\u00fcler von Hause mitbringen, mir ein objektives Urteil zu bilden. Besonders achtete ich \u2014 mit Bezugnahme auf obige Fehler \u2014 auf die Aussprache des t. Diese entsprach vollst\u00e4ndig den angegebenen Schreibfehlern, und es kostete viel M\u00fche, die Sch\u00fcler beim Lesen und Deklamieren zu einer korrekteren Aussprache anzuhalten. F\u00fcr diese phonetischen Fehler trifft also dasselbe zu, was Str\u00fcmpell1 \u00fcber die grammatischen Fehler sagt: \u201eJedes Kind nimmt seine besondere Grammatik so, wie sie bis dahin in ihm entstanden ist, in die Schule u. s. w. mit hin\u00fcber\u201c und: \u201eKann schon hierbei die Schule durch ihren Unterricht, der durch dasjenige, was die Kinder mitbringen, namentlich in den gew\u00f6hnlichen Volksschulen, \u00fcberaus belastet ist, im allgemeinen weniger leisten, als das t\u00e4gliche Gespr\u00e4ch und die Umgangssprache, worin das Kind sich bewegt, so ist die Austilgung der grammatischen Fehler in der Schriftsprache noch schwieriger.\u201c Demgem\u00e4fs habe ich mir die Ansicht2 gebildet, dais das vom Sch\u00fcler geschriebene Diktat, abgesehen von nicht zu bestreitenden Ausnahmef\u00e4llen,, nicht etwa das Spiegelbild der vom Lehrer gesprochenen Worte, sondern das der vom Sch\u00fcler geh\u00f6rten, besser assimilierten (in der Herbartschen Sprache \u201eappercipierten\u201c) Worte darstellt. Der Sch\u00fcler assimiliert aber fremde Worte stets durch seine eigenen, und mindestens ist es seine eigene Sprache, in der er sich beim Schreiben den Satz Wort f\u00fcr Wort leise vorsagt.\nNachdem dies festgestellt ist,, k\u00f6nnen wir den. psychologischen Vorgang bei der Entstehung und dem allm\u00e4hlichen Anwachsen der phonetischen Fehler sch\u00e4rfer fassen. Genau\n1\tP\u00e4dagogische Pathologie S. 221.\n2\tZu dieser Auffassung wird man auch direkt durch, die Lehre der Assimilation gef\u00fchrt. \u2014 Einen weiteren Beweis hierf\u00fcr s. 8. 225. \u2014 Auch die Intensit\u00e4t der Empfindungen ist von der Assimilation abh\u00e4ngig; cfr. B. Erdmann, \u201eZur Theorie der Apperception\u201c. Vierteljahrsschrift f\u00fcr wissenschaftl. Philosophie. X. S. 409.","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\n221\ngenommen, bestehen f\u00fcr den Volkssch\u00fcler zwei Sprachen. Die eine ist die Sprache seiner Umgebung, in der er aufgewachsen ist und in der er auch weiter meistens spricht \u2014 denn in der Schule kommt er bei der Menge der Sch\u00fcler nicht viel zu eigenem Sprechen \u2014, die andere Sprache ist die der Schule. Beobachten wir nun, dafs die hier vorliegenden Schriftfehler auf M\u00e4ngel in jener Gewohnheitssprache zur\u00fcckzuf\u00fchren sind, dafs ferner jene Fehler gegen das Ende des Diktates hin immer mehr zunehmen, so w\u00fcrde das weitere Ergebnis zu verzeichnen sein, dafs der Sch\u00fcler allm\u00e4hlich erm\u00fcdet, sich nach der Schulsprache, in der er weniger ge\u00fcbt ist, zu richten. Bei zunehmender Erm\u00fcdung w\u00fcrde also an die Stelle der Schulsprache die ihm gel\u00e4ufigere Umgangssprache treten. Mit Beziehung auf den Bildungszweck des Unterrichts w\u00fcrden sich dann die Erm\u00fcdungsfehler als Fehler des \u201eB\u00fcckfalles in alte Gewohnheiten\u201c charakterisieren. Folgerungen f\u00fcr die Praxis ergeben sich hieraus von selbst.\nDie Zunahme der phonetischen Fehler gestattet noch eine andere Erkl\u00e4rung. \"Wir haben schon oben erw\u00e4hnt, dafs das Biehtigschreiben der W\u00f6rter durch die Vorstellung des Schriftbildes wesentlich unterst\u00fctzt und in F\u00e4llen gleichklingender W\u00f6rter, welche verschieden geschrieben werden, allein erm\u00f6glicht werde. Wenn nun die Fehler immer mehr anwachsen, so k\u00f6nnte die Ursache darin zu suchen sein, dafs mit wachsender Erm\u00fcdung zun\u00e4chst die Schriftbilder nicht mehr deutlich genug vorgestellt werden k\u00f6nnen und die Klangbilder (Lautfolgen) vikariierend f\u00fcr sie eintreten m\u00fcssen. Diese letzteren w\u00fcrden dann\tim Zustande der Erm\u00fcdung \u2014 der einge\u00fcbten\nUmgangssprache entnommen sein:\nAuf dieselben Ursachen, wie der Ausfall.,des Uzwischen n und f, scheint der Ausfall des r zwischen e und A* (\u201eekennen\u201c statt \u201eerkennen\u201c), also zwischen Vokal und Guttural, und wohl auch der mehrfach beobachtete Fortfall einer Liquida zwischen sch und einem Vokal zur\u00fcckzu f\u00fchren zu sein.\nGenau zu denselben Ergebnissen wie die Analyse der inneren Buchstaben f\u00fchrt die der Endbuchstaben. Unter den 24 F\u00e4llen kommen 13 auf den Ausfall des t am Ende der 3. Person Singularis.1 Davon befindet sich ein Fall in der ersten\n1 In der Umgangssprache sagt man z. B. das \u201eis\u201c gut.","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nL. Hopfner.\nH\u00e4lfte, die anderen 12 in. der zweiten H\u00e4lfte des Diktats, w\u00e4hrend nach dem Vorkommen der genannten Formen in beiden H\u00e4lften die Zahlen der m\u00f6glichen F\u00e4lle sich verhalten wie 3:4.\nInteressant ist noch folgender Fall. \u201eNicht\u201c lautet in der Umgangssprache der Kinder \u201enich\u201c. Dieses \u201enicht\u201c kam nun im ganzen Diktat 3 mal vor, und zwar im 8., 15. und 17. Satz. Es wurde \u201enich\u201c statt \u201enicht\u201c im 8. 0, 15. 1 und 17. Satz 3 mal geschrieben.\nDieses letzte Beispiel betrachte ich als typisch f\u00fcr alle Fehler des Ausfalls von Buchstaben, welche durch Erm\u00fcdung verursacht werden. Man gestatte daher, einen Augenblick hierbei noch v zu verweilen. Warum wird das Wort \u201enicht\u201c zuerst von allen Sch\u00fclern richtig, einige Zeit darauf schon von einem Sch\u00fcler falsch und wieder nach einiger Zeit von dreien falsch geschrieben? Auf diese Frage habe ich geantwortet: \u201eWeil die vom Sch\u00fcler gegebene falsche Schreibweise der ihm gel\u00e4ufigen Aussprache entspricht, und weil diese letztere im Zustande der Erm\u00fcdung die angelernte und noch wenig einge\u00fcbte korrektere Aussprache verdr\u00e4ngt.\u201c Das weniger G-e\u00fcbte erm\u00fcdet fr\u00fcher, als das Gewohnheitsm\u00e4fsige. Auch die das Schreiben regulierende Vorstellung des-Schriftbildes 'konnte durch Erm\u00fcdung aufser Funktion gesetzt werden.\nEine neue Beleuchtung erh\u00e4lt dieser Fall \u2014 und zugleich mit ihm alle verwandten F\u00e4lle \u2014\u2022 durch folgende Frage: \u201eWarum lautet das Wort \u201enicht\u201c in der Umgangssprache \u201enich\u201c? Ich finde keine bessere Antwort, als was K\u00fcssmaul in seinem viel genannten Werke2 \u00fcber den lautlichen Verfall der Sprachen schreibt: \u201eLange W\u00f6rter wurden in kurze zusammengezogen, Laute und Silben ausgestofsen. Der Franzose korrumpierte pater und mater zu p\u00e8re und m\u00e8re, der Engl\u00e4nder das angels\u00e4chsische hl\u00e4ford zu lord, hlaefdige zu lady. \u2014 Auf die Frage warum? giebt M. M\u00fcller die einfache, aber wohl f\u00fcr die allermeisten F\u00e4lle zutreffende Erkl\u00e4rung des nat\u00fcrlichen Strebens, mit m\u00f6glichst wenig Muskelanstrengung und Atemaufwand denselben Zweck zu erreichen, wie mit viel; schliefslich wurde das kurze p\u00e8re so gut begriffen, wie das l\u00e4ngere pater und lord so gut wie hl\u00e4ford.\u201c\n2 A. a. O. S. 243 unten.","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"Uber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\n223\nNach, dem Urteil der ber\u00fchmten Sprachforscher liegen also dem Sprachverfall der Nationen dieselben Ursachen zu Grunde, wie wir sie hier bei der Verst\u00fcmmelung der W\u00f6rter durch einzelne Individuen annehmen, n\u00e4mlich eine Art \u201ePrinzip des geringsten KraftaufwandesKein Wunder also, dafs die Kinder mit wachsender Erm\u00fcdung Fehler begehen, die sich als solche des Sprachverfalls charakterisieren. Selbst wenn also die gewohnte Umgangssprache diesen Fehlern nicht vorgearbeitet h\u00e4tte, w\u00fcrde der Zustand der Erm\u00fcdung f\u00fcr sich ausreichen k\u00f6nnen, \u00e4hnliche Fehler, wie die oben genannten, zu veranlassen.\nKussmaul f\u00e4hrt weiter fort: \u201eDiese Untersuchungen der Philologen bieten dem Pathologen beim Studium der Fehler der Lautbildung, wie sie an einzelnen Individuen oder ganzen Volksklassen inmitten einer dieselbe Sprache sprechenden Nation zur Beobachtung kommen, ein grofses Interesse. Wir sehen n\u00e4mlich dasselbe Unverm\u00f6gen, diesen oder jenen Laut auszusprechen, dieselbe Neigung, ihn durch einen bestimmten anderen zu ersetzen, dieselbe litt\u00e9rale Verschwommenheit und unentschiedene Lautfixierung, endlich auch dieselbe Neigung, aus Tr\u00e4gheit Laute, Silben und W\u00f6rter zu korrumpieren, denen wir bei ganzen V\u00f6lkern und Hassen begegnen, auch bei einzelnen Individuen oder Teilen eines Volkes.\u201c\nUnd wir k\u00f6nnen hinzuf\u00fcgen: wenn dieses letztere nicht der Fall w\u00e4re, so g\u00e4be es wohl auch keinen Verfall der Sprachen selbst; denn dieser entsteht nur durch Summation all der kleinen Ver\u00e4nderungen, welchen die Aussprache der Individuen unter-liegt.\nBlicken wir zur\u00fcck auf die Analyse der Fehler des Ausfalls, so sehen wir, dafs sich die formale Gruppierung der Fehler auch f\u00fcr ihre psychologische Beurteilung fruchtbringend erwiesen hat. Die psychologischen Folgerungen, welche sich ergeben haben, bed\u00fcrfen zwar der Best\u00e4tigung durch eine Analyse einer weit gr\u00f6fseren Fehlerzahl, als sie uns hier vorlag,' aber sie besitzen gleichzeitig so viel innere Wahrscheinlichkeit, dafs auch umgekehrt die eingeschlagene Methode durch ihre Resultate empfohlen wird. Und mindestens haben wir Gesichtspunkte gewonnen, die uns bei k\u00fcnftigen Versuchen","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nL. Hopfner.\nvon vornherein das \u00fcberschauen lassen, worauf wir ganz besonders, sei es w\u00e4hrend des Versuches oder hinterher, bei der Ausarbeitung zu achten haben.\nIn gleicher Weise wie die Fehler des Ausfalles w\u00fcrden nun die anderen Fehlergruppen des Ersatzes, der Einschiebung und Umstellung zu zerlegen sein. Da die Gesichtspunkte der Zerlegung im wesentlichen dieselben sind, so k\u00f6nnen wir uns hier kurz fassen, uud uns darauf beschr\u00e4nken, nur einige neue Beziehungspunkte in den Ergebnissen namhaft zu machen.\nWie die Fehler des Ausfalls einen gemeinsamen Charakter besa\u00dfen, n\u00e4mlich als Fortfall einer psyschischen Funktion1 infolge Erm\u00fcdung gedeutet werden konnten, so sind auch die formalen Fehler der Einschiebung als eine auch psychologisch zusammengeh\u00f6rige Gruppe aufzufassen. Die eigenen Zu that en des Kindes verraten n\u00e4mlich, dafs es allm\u00e4hlich erm\u00fcdete, die geh\u00f6rten Worte des Diktates treu wiederzugeben oder vielleicht schon die gesprochenen Worte, so wie sie gesprochen, zu assimilieren. Anders ausgedr\u00fcckt: Bei dem Assi-milationsprocesse des H\u00f6rens gewann die assimilierende (\u201eappercipierende\u201c bei Herbart) Vorstellungsmasse immer mehr \u00dcbergewicht \u00fcber die percipierte. Es wurden im ganzen nur 27 Fehler solcher Einschiebung beobachtet, aber es ist doch bedeutsam, da\u00df davon auf Satz 1\u201410 nur 3 und die \u00fcbrigen 24 Fehler auf Satz 11\u201419 kommen. Sie erstrecken sich auf alle Sprachelemente.\nWeniger scheinen die Fehler des Ersatzes eine einheitliche psychologische Gruppe zu bilden, wie sie auch formal zusammengesetzter Natur sind,, indem sie gleichzeitig Ausfall und Einschiebung in sich schlie\u00dfen. Unter den 92 Fehlern dieser Klasse betrifft einer einen ganzen Teilsatz, 6 beziehen sich auf W\u00f6rter und die gr\u00f6\u00dfte Mehrzahl, n\u00e4mlich 35, auf Buchstaben. Der Ersatz (eines Satzes oder) von W\u00f6rtern ist offenbar ein Fehler der Assimilation oder des Ged\u00e4chtnisses, w\u00e4hrend der von Buchstaben \u2014 \u00e4hnlich wie bei dem Ausfall \u2014 die schlechte Aussprache der Kinder widerspiegelt. Es wurde nur die Verwechselung von sprach verwandten Buchstaben beobachtet, also besonders die Vertauschung von tenuis und media (24 F\u00e4lle), dann auch die gegenseitige Ersetzung der liquidae.\n1 S. 221 f.","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"225\nUber die geistige Erm\u00fcdung von SchulMn\u00e4ern.\nDiese Fehler sind aber nicht alle phonetischen Charakters. In verh\u00e4ltnism\u00e4fsig zahlreichen F\u00e4llen (12) war die Verwechselung von n und- m ein rein grammatischer Fehler, entspringend aus der f\u00fcr die hiesige Lokalsprache charakteristischen Verwechselung des Dativs und Accusativs. Fehler dieser Art geben den schlagenden Beweis daf\u00fcr, dafs in dem von den Kindern geschriebenen Diktat sich vorwiegend die Sprache der Kinder, weniger die des Lehrers \u2014 dem man jene Fehler nicht Zutrauen wird \u2014 widerspiegelt.1 \u2014 Die Reduktion der wirklichen F\u00e4lle auf die Anzahl der m\u00f6glichen bietet hier besondere Schwierigkeiten, da nicht alle Dativkonstruktionen die gleiche .Neigung, besitzen, mit Accusativkonstruktionen \u2014 und umgekehrt letztere mit ersteren '\u2022\u2014 verwechselt zu werden.\nVon Fehlern der Umstellung liegen nur drei vor, einer in der ersten H\u00e4lfte des Diktates, die beiden anderen in der zweiten.\nVon den formalen Fehlergruppen des* Ausfalls und der Einschiebung hatten wir in der Tabelle auf Seite 216 die Klasse von Fehlern abgetrennt, welche in f\u00e4lschlicher . Verdoppelung Oder im Unterlassen der richtigen Verdoppelung der Buchstaben bestehen. Dazu rechnen auch Verst\u00f6fse gegen die Anwendung des Dehnungs-A nach Vokalen und des e nach i Der Grund dieser Abtrennung ist darin gegeben, dafs solche Fehler eine nat\u00fcrliche Gruppe bilden. Nach allgemeinen Regeln dient die Verdoppelung der Konsonanten nach Vokalen, zur Bezeichnung der K\u00fcrze des Vokals, die Verdoppelung der Vokale selbst oder die Einschiebung eines h oder die eines e nach | zur Bezeichnung der L\u00e4nge. Hiernach w\u00fcrden also die Fehler dieser Klasse akustischen oder phonetischen Charakter tragen. Nun bestehen aber so zahlreiche F\u00e4lle, in denen Vokale ohne nachfolgenden Doppelkonsonanten kurz oder ohne eigene Verdoppelung, resp\u00ab ohne Einschiebung von h oder e lang gesprochen werden, dafs das Klangbild einer Silbe nicht mehr als Regulativ f\u00fcr die \u00dcbertragung in die Schrift dienen kann. Man mufs dann entweder das \u201eintuitive\u201c Schriftbild zur Richtschnur des Schreibens machen, oder auf eine besondere Regel zur\u00fcckgehen, welche \u201ediskursiv\u201c die Schreibweise fest-stellt. Die Zunahme der Fehler dieser Gruppe (siehe die\n1 Cfr. S. 220.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie VI.\n15","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\nL. Hopfner.\nTabelle auf S. 216) ist also-teils, auf Rechnung der Abnahme des reproduktiven Vorstellens der Schriftbilder, teils des Besinnens auf die besonderen \u00bbSchreibregeln zu setzen.\nSoweit eine hinreichende mechanische Ein\u00fcbung der Schreibbewegungen bei diesen 9j\u00e4hrigen Kindern \u00fcberhaupt schon vorausgesetzt werden darf, w\u00fcrde auch eine Erm\u00fcdung der \u201eBewegungsbilder\u201c1 in Betracht zu ziehen sein.\nWir haben noch kurz jene erste Klasse von Fehlern zu betrachten, die wir schon S. 210 gesondert behandelt haben, n\u00e4mlich die Verst\u00f6fse gegen das Grofs-, resp. Kleinschreiben der Anfangsbuchstaben von Haupt-, Eigenschafts- und Th\u00e4tig-keitsw\u00f6rtern. Auch f\u00fcr diese Fehler kann die psychologische Veranlassung komplizierter Natur sein. . Vorwiegend beruht-sie in einem Mangel der logischen Subsumtion oder der Erkennung eines Wortes \u2014 als zu einer jener Klassen geh\u00f6rend \u2014, und die stete Zunahme dieser Fehler w\u00fcrde die stete Abnahme dieser Erkennung bei fortschreitender Erm\u00fcdung anzeigen. Dann aber wird durch diese Fehler auch bewiesen, dafs auch die Schriftbilder, welche f\u00fcr jene logische Subsumtion vikariierend eintreten, sie also f\u00fcr den schliefslichen Effekt ersetzen k\u00f6nnten, im Zustande der Erm\u00fcdung diese ihre Funktion verlieren. Schliefslich gilt f\u00fcr die einge\u00fcbten mechanischen Schreibbewegungen dasselbe, was schon oben gesagt wurde.\nAn dieser Stelle ist noch eine Bemerkung am Platze. In den F\u00e4llen zunehmender Wortamnesie infolge von \u201efortschreitender Paralyse\u201c haben die Kliniker ein merkw\u00fcrdiges Gesetz in der Reihenfolge der allm\u00e4hlich aus dem Ged\u00e4chtnis schwindenden Wortklassen beobachtet. Sie fanden, dafs zuerst Eigennamen verschwinden, und dafs die anderen W\u00f6rter sich in der Reihenfolge ihnen anschliefsen, wie ihre Bedeutungen immer mehr an konkretem Charakter verlieren und an abstraktem zunehmen. \u201eJe2 konkreter der Begriff ist, desto eher versagt bei Abnahme des Ged\u00e4chtnisses das ihn bezeichnende Wort. Dies hat wohl nur. darin seinen Grund, dafs die Vorstellungen von Personen und Sachen loser mit ihren Namen verkn\u00fcpft sind, als die Abstraktionen von ihren Zust\u00e4nden,\n1\tBesser: der Beiten von Bewegungsempfindungen.\n2\tKussmatjl a. a. O. S. 164.","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Tiber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\t227\nBeziehungen und Eigenschaften. Personen und Sachen stellen wir uns auch ohne Namen leicht vor, das Sinnenbild ist hier wesentlicher, als das Sinnbild, d. i. der Name, der nur wenig zum Begreifen der Pers\u00f6nlichkeiten und Objekte beitr\u00e4gt. Abstraktere Begriffe gewinnen wir dagegen nur mit H\u00fclfe der W\u00f6rter, die ihnen allein ihre feste Gestalt geben u. s. w. \u201c Es w\u00e4re nun m\u00f6glich, dafs auch die Folgen der Erm\u00fcdung sich eher beim Schreiben von W\u00f6rtern konkreterer als von solchen abstrakterer Bedeutung geltend machten, sei es, weil jene weniger einge\u00fcbt sind, sei es, weil wir bei konkreteren Dingen dem Worte weniger Aufmerksamkeit schenken, als bei abstrakteren. Es ist mir jedoch nicht gelungen \u2014 wenigstens bei vorliegender Klasse von Fehlern \u2014, etwas Gesetzm\u00e4fsiges in dieser Beziehung zu entdecken. Bei n\u00e4herer \u00dcberlegung erscheint dies auch ganz nat\u00fcrlich. Denn wir haben es hier nicht mit einer, wenn auch nur zeitweisen Amnesie ganzer W\u00f6rter zu thun, sondern vorwiegend mit einem Mangel der logischen Subsumtion. Diese aber ist f\u00fcr konkrete Gegenst\u00e4nde am leichtesten auszuf\u00fchren. \u00dcbrigens bedarf man wegen der so zahlreichen Stufen in der Leiter der konkreten und abstrakten Vorstellungen f\u00fcr diese Untersuchung, wenn sie einigermafsen frachtbar ausfallen soll, einer weit gr\u00f6fseren Versuchszahl, als sie hier vorlag.\nSchluf sbetr achtung.\nWir waren bisher bei unserer Analyse der Fehler von einer Einteilung nach formalen Gesichtspunkten ausgegangen, um kleinere Gruppen zusammengeh\u00f6riger Fehler zu finden, bei denen sich dann auch ihre psychologischen Eigent\u00fcmlichkeiten leichter \u00fcbersehen liefsen. Um nun diese letzteren auch psychologisch zu ordnen, w\u00fcrden wir auf jene vorl\u00e4ufige Analyse zur\u00fcckzugehen haben, die auf Seite 205 und 206 von der beim Diktatschreiben vorkommenden geistigen Arbeit gegeben wurde. Die ganze Arbeit zerfiel nach der Anzahl der S\u00e4tze in 19 \u201eArbeitsperioden\u201c. Die Fehleranalyse hat gezeigt, dafs nicht nur die Gesamtzahl der Fehler, sondern auch die rein formaler Gruppen, bei denen etwaige Unwissenheit ausgeschlossen war, in den sp\u00e4teren Arbeitsperioden gr\u00f6fser war, als in den vorangehenden. Jede Arbeitsperiode zerfiel dann wieder in 1. Aufnahme (Assimilation) des Satzes, 2. ged\u00e4chtnism\u00e4fsiges Festhalten\n15*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\tL. Hopfner.\ndes assimilierten Satzes, resp. der. einzelnen W\u00f6rter bis zu ihrer \u00dcbertragung in die Schrift, 3. \u00dcbertragung des behaltenen Satzes in die Schrift. Dabei ist zu beachten, dafs ' der erste dieser Teilprocesse in seinem Anfang und der letzte in seinem Abschlufs mehr physischer als psychischer Natur ist, d\u00f6eh betrachten wir hier nur die zwischen diesen physischen Grenzen eingeschlossenen psychischen Vorg\u00e4nge. Von diesen letzteren ist nun eigentlich kein einziger direkt wahrnehmbar, sondern das direkt Gegebene sind nur die physischen Yorg\u00e4nge am Anfang und am Ende oder deren ebenfalls physische Ergebnisse n\u00e4mlich das vom Lehrer gesprochene Wort und das vom Sch\u00fcler geschriebene. Bedenken wir, wie verschiedene Wandlungen das Wort zu bestehen hat, wie es zun\u00e4chst vom Ohr des Sch\u00fclers physisch und physiologisch aufgenommen, wie es \u201epercipiert\u201c und das korrespondierende Erinnerungsbild reproduciert werden mufs, wie sie zum \u201ewahrgenommenen\u201c. Wort verschmelzen und dieses erst durch die Auffassung des Satzsinnes vollst\u00e4ndig assimiliert ist, so mufs man zugestehen, dafs es der gr\u00f6fsten Vorsicht bedarf, wenn man sein Urteil dar\u00fcber abgeben soll, an welcher Stelle ein etwaiger Fehler entstanden ist. Ehe nun ferner das so assimilierte Wort geschrieben wird, beispielsweise ein Wort gegen Ende des Satzes, trat es vorher \u2014 w\u00e4hrend des Schreibens der anderen W\u00f6rter \u2014 aus dem Bewufstsein zur\u00fcck und mufste dann wieder reproduciert werden. Hierbei kann es wiederum Ver\u00e4nderungen erlitten haben. Es kann weiter auf zwei Wegen reproduciert werden, entweder als \u201esensitives\u201c Klangbild.\u2014 wie das Kind den Klang des vom Lehrer gesprochenen Wortes glaubt geh\u00f6rt zu haben \u2014, oder als \u201emotorisches\u201c Klangbild, \u2014 wie es sich das Wort leise vorspricht und m\u00f6glicherweise auch buchstabiert. \u2014 Endlich kann, auch die \u00dcbertragung in die Schrift auf zwei Wegen geschehen: entweder direkt durch Koordination von Klang- und Bewegungsbildern der Buchstaben oder durch Vermittelung der Schriftbilder. .\t.\nTrotz der Kompliciertheit dieser Vorg\u00e4nge haben sich doch, wie ich glaube, in der formalen Fehlerstatistik gewichtige Gr\u00fcnde ergeben, welche in vielen F\u00e4llen erlauben, den Ort des Fehlers mit einiger Wahrscheinlichkeit zu bestimmen. Zahlreiche Fehler des. \u201eAusfalls\u201c bewiesen, dafs ihr Sitz indem Procefs der Assimilation \u2014 m\u00f6glicherweise auch, in der nach-","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern.\n229\nlierigen Reproduktion \u2014 zu .suchen sei, und dafs besonders die assimilierenden Vorstellungsmassen, n\u00e4mlich die Sprache der Umgebung der Kinder, die Fehler verursachten. Dabei zeigte sich ein mit der Arbeit wachsendes \u00dcbergewicht der assimilierenden Massen \u00fcber die assimilierten, besser \u201ezu assimilierenden\u201c. Wir f\u00fchrten dies zur\u00fcck auf den Binilufs der \u00dcbung. Beg\u00fcnstigt wurde dieses \u00dcbergewicht durch den verwandten Charakter der Sprachfehler bei Erm\u00fcdung und beim \u201eSprach-verfall\u201c der Umgangssprache. Die Statistik der Fehler der \u201eEinschiebung\u201c best\u00e4tigte diese Ergebnisse.\nDie \u00dcbertragung in die Schrift wurde in vielen F\u00e4llen als Ort des Fehlers erkannt, wo es zu dieser \u00dcbertragung d\u00e9s Schriftbildes'bedurfte. Wir gewannen die \u00dcberzeugung, dafs auch das Schriftbild bei zunehmender Arbeit immer leichter versagt. Als Koordinationsfehler von Klangbild und Schreibbewegungen k\u00f6nnen nur wenige mit Sicherheit gedeutet werden. Es sind dies die wenigen F\u00e4lle der \u201eUmstellung\u201c von Buchstaben. Doch ist es m\u00f6glich, dais zu der S. 218 gefundenen Thatsache, dafs Buchstabenfehler von Anfang gegen Ende eines Wortes hin zunehmen, auch Koordinationsfehler beitragen.\nIn einer Gruppe von Fehlern stellte sich ziemlich rein das allm\u00e4hliche Ermatten logischer Operationen, n\u00e4mlich des Subsumierens unter Wortklassen, resp. Regeln dar. \u2014 Diese psychologischen Fehlerklassen zahlenm\u00e4fsig gegeneinander abgrenzen zu wollen, wie es Sikorski that, ist jedoch noch nicht an der Zeit. Wir m\u00fcssen uns daher vorl\u00e4ufig mit diesen allgemeinen Ergebnissen begn\u00fcgen. F\u00fcr gewisse praktische Folgerungen reichen dieselben auch aus. Theoretisch lassen sie naturgem\u00e4fs zahlreiche Fragen ungel\u00f6st.","page":229}],"identifier":"lit15451","issued":"1894","language":"de","pages":"191-229","startpages":"191","title":"\u00dcber die geistige Erm\u00fcdung von Schulkindern. Beobachtungen nach statistischer Methode als Beitrag zur experimentellen Psychologie","type":"Journal Article","volume":"6"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:03:23.478571+00:00"}

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