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{"created":"2022-01-31T16:04:47.942740+00:00","id":"lit16353","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Musculus","role":"author"},{"name":"von Mering","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 4: 93-99","fulltext":[{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Umwandlung der St\u00e4rke und des Glycegena durch diastatiache Fermente.\nVon Musculus und von Hering.\ni\t_____ ;\t\\\n(Der Redaktion zugegangen am 19. Dezember 1879.)\nSeegen hat vor Kurzem in Pfl\u00fcgers Archiv (Bd. XIX. Heit 29. Jan. 1879.) einen Aufsatz \u00fcber die Umwandlung von Glycogen durch Speichel und Pancreasferment publicirt. In diesem Aufsatz behauptet Herr Seegen u,.A. p. 122 folgende gewichtige Thatsache entdeckt zu haben : Der Zucker, welcher sich aus Glycogen wie aus Amylum durch Speichel, Pancreasextrakt und durch Diastase bildet, ist k\u00e9in Traubenzucker, sondern eine Zuckerart, welche ein bedeutend h\u00f6heres Drehungsverm\u00f6gen und ein bedeutend geringeres Reductions-verm\u00f6gen, wie Traubenzucker besitzt. Diese Zuckerart,-welche nicht krystallinisch zu erhalten war, wird von Seegen Fermentzucker benannt. Wir waren wahrhaft erstaunt zu lesen, wie Seegen vorstehende Angabe \u2014 soweit sie richtig \u201c a,s eine von ihm gefundene Thatsache hinstellen konnte.\nVor mehr als 30 Jahren machte n\u00e4mlich Dubrunfaut1) die Mittheilung, dass bei der Einwirkung von Diastase auf St\u00e4rke sich eine krystallisirende Zuckerart bildet, welche ein weit h\u00f6heres Drehungsverm\u00f6gen wie Traubenzucker besitzt. Die neue Zucker\u00e4rt nannte er Maltose. Sp\u00e4ter fand O\u2019Sullivan, dass diese Zuckerart ausser einer bedeutend gr\u00f6sseren optischen Th\u00e4tigkeit ein weit geringeres Reductidnsverm\u00f6gen gegen Fehling\u2019sche L\u00f6sung als Dextrose besitze.\nDiese Angaben sind durch die Untersuchungen von E. Schultze, Musculus etc. best\u00e4tigt und erweitert worden. Die Maltose, welche leicht krystallisirt, besitzt die Formel Li2Ha2On, hat ein spec. Drehungsverm\u00f6gen (*)j \u2014 +150\u00ae und reducirt a/3 soviel Kupferoxyd wie Traubenzucker.\n*) Dubrunfaut, Ann. chim. phys. 1847.","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\nDieselbe Zuckerart, welche bei der Einwirkung von Diastas auf St\u00e4rke entsteht und jetzt allgemein den Namen Maltose tr\u00e4gt, bildet sich auch aus St\u00e4rke und Glycogen durch Speichel und Pancreasferment, wie wir dies bereits ein Jahr vor der eben citirten Abhandlung Seegen\u2019s in dieser Zeitschrift mitgetheilt haben.\nDie Angabe Seegen\u2019s, dass bei der Einwirkung diasta-tischer Fermente auf St\u00e4rke und Glycogen eine Zuckerart auftritt, welche weniger reducirt und st\u00e4rker dreht als Traubenzucker, ist demnach richtig, (wir wollen hier davon ab-sehen, dass Seegen\u2019s Fermentzucker kein chemisches Individuum, sondern ein Gemenge verschiedener Substanzen war), wird aber mit Unrecht von Seegen als Novum mitgetheilt.\nDer von Seegen dargestellte sogenannte Fermentzucker ist weiter nichts als ein Gemenge von Dextrin und Maltose (dem Spuren von Traubenzucker anhaften), \u00e4hnlich jenem K\u00f6rper, der von Nasse vor i Jahren als Ptyalose bezeichnet und von Herrn Seegen so sehr verp\u00f6nt wurde. Dass Seegen\u2019s Fermentzucker durch Dextrin verunreinigt war, geht aus seiner Darstellungsart zur Evidenz hervor. Seegen versetzte eine Glycogen- oder Kleisterl\u00f6sung mit Ferment so lange, bis die Zuckerbildung beendigt war, alsdann dampfte er die mit dem Fermente digerirte Fl\u00fcssigkeit auf ein kleines Volumen ein und setzte soviel absoluten Alkohol hinzu, dass der Alkohol noch immer OOprocentig war. Nach 3t> Stunden Hess sich die Fl\u00fcssigkeit von dem entstandenen Niederschlage klar fdtriren. Das Filtrat wurde nun, um Dextrin m\u00f6glichst zu entfernen, mit alkoholischer Kalilauge versetzt, bis sich kein Niederschlag mehr bildete. Der entstandene Niederschlag wurde wiederholt mit Alkohol gewaschen und \u00fcber Schwefels\u00e4ure getrocknet. Die so erhaltene Masse h\u00e4lt Seegen f\u00fcr eine Verbindung von Kali mit Zucker, sie ist aber, wie wir gleich beweisen wollen, im Wesentlichen weiter nichts als durch Dextrin verunreinigter Zucker. Ein einfacher Versuch h\u00e4tte See g en \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, dass Dextrin auf diese Weise sich nicht vom Zucker trennen l\u00e4sst. Seegen gibt richtig an, dass Dextrin in OOprocentigem Alkohol l\u00f6slich","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"95\nist; versetzt man \u2014 wie wir dies wiederholt ge than \u2014 eine L\u00f6sung von Dextrin, welche 90 procentigen Alkohol enth\u00e4lt, mit alkoholischer Kalilauge, so fallt Dextrin-Kali als Weisser flockiger Niederschlag nieder. Das Dextrin, welches Seegen von seinem Fermentzucker aut diese Art trennen wollte,-fiel demnach mit dem /uckerkuli nieder und blieb das verunreinigende Element des Zuckers, von dem er ihn zu befreien suchte.\nFerner macht Seegen die Angabe, dass in der todten starren Leber keine Zuckerart von gr\u00f6sserem Drehungs-; und geringerem Reductionsverm\u00f6gen, sondern Traubenzucker enthalten sei. Diese Behauptung ist nach unseren Versuchen eine irrt\u00fcmliche. Wir haben zweimal in der todten Leber neben Dextrose eine Zuckerart erhalten, welche in ihrem Drehungs- und Reductionsverm\u00f6gen mit Maltose \u00fcbereinstimmt. Vielleicht untersuchte Seegen die Leber auf diese Zuckerart in einem zu weit vorgeschrittenen Stadium. \u2014 Alsdann'behauptet Seegen, dass das nach Abschluss der Fermentation zur\u00fcckbleibende Dextrin keine reducirendo Eigenschaft besitze. Diese Behauptung steht in grellem Widerspruch mit den meisten der bestehenden Angaben. \u2014 Auf welche Art Seegen sein nicht reducirendes Dextrin dargeseUt, w\u00e4re von grossem Interesse zu erfahren, da er sich \u00fcber diesen Punkt gar nicht ausgelassen hat. Es ist (\u2018ine ausgemachte That-sache, dass das nach Verg\u00e4hrung zur\u00fcckbleibende Dextrin alkalische Kupferl\u00f6sung reducirt. Wir k\u00f6nnen nur annehmen, dass Seegen mit zu kleinen Quantit\u00e4ten Amylums seine Versuche angestellt hat und hierdurch get\u00e4uscht worden ist. Wir sind \u00fcberzeugt, dass See g en, wenn er sich die M\u00fche geben will, etwa 10 gr. Amylum zu verkleistern, mit Speichel oder Diastas einige Zeit in Ber\u00fchrung zu lassen, aufzuk\u00f6chcn um das diastatische Ferment zu zerst\u00f6ren und mit Hefe* hinzustellen, er nach der Verg\u00e4hrung ein reducirendes Dextrin finden wird, welches durch Kochen in g\u00e4hrungsf\u00e4higen Zocker umgewandelt werden kann.\t..r\nSeegen gibt ferner pg. 118 an, dass er seinen Fermentzucker mit verd\u00fcnnten S\u00e4uren 20\u201430 Minuten gekocht habe, ohne dass Reduction und Ablenkung sich ge\u00e4ndert","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nhatten. Dieser Angabe muss ebenfalls irgend ein Irrthum zu Grunde liegen, denn es ist eine allgemein anerkannte That-sache, dass sowohl Dextrin als Maltose - diese beiden Substanzen enth\u00e4lt der von ihm benannte Fermentzucker -nach halbst\u00fcndigem Kochen mit verd\u00fcnnter S\u00e4ure (Schwefeloder Salzs\u00e4ure) an Drehung bedeutend ab- und an Reduction zunehmen.\nTrotz der schlagendsten Beweise welche der Eine von uns in zahlreichen Abhandlungen f\u00fcr die von ihm aufgestellte Spaltungstheorie des Amylums erbracht hat und trotzdem die Spaltungstheorie jetzt fast allgemein als richtig anerkannt wird, verwirft Seegen diese Theorie leichthin, ohne auch nur den Schatten eines Beweises f\u00fcr deren Haltlosigkeit geliefert zu haben. Wenn Seegen einmal der Spaltungstheorie mehr Verst\u00e4ndnis abgewonnen haben wird und wenn er dann erw\u00e4gt, dass er selbst in Uebereinstimmung mit uns und Anderen ein durch diastatisches Ferment unangreifbares Dextrin eine Thatsache, welche ein Hauptargument der Spaltungstheorie bildet - erhalten hat, wird er nicht mehr so abf\u00e4llig \u00fcber diese Theorie urtheilen. \u2014\nIn dem VI. Hefte des II. Bd. dieser Zeitschrift haben wir unter Anderm den sicheren Beweis geliefert, dass Glycogen, welches Amylaceennahrung oder Fibrinf\u00fctterung seinen Ursprung verdankt, identisch ist.\nHerr Seegen hat nun, angeregt durch diese Mittheilung in einer uns gewidmeten Notiz die Thatsache, dass es nur ein Glycogen gibt, als seine Entdeckung reclamirt und uns vorgeworfen, dieses Factum aus Unkenntniss seiner Ver\u00f6ffentlichungen als Novum hingestellt zu haben. Auf diesen g\u00e4nzlich unbegr\u00fcndeten Vorwurf wollen wir einfach mit historischen Daten antworten, welche zeigen, dass nicht Seegen, sondern wir den Beweis f\u00fcr die Identit\u00e4t der verschiedenen Glycogene erbracht haben.\nSeegen stellte in seiner Schrift \u00fcber Diabetes mellitus (Berlin 1875 pag. 74) die Hypothese auf, dass das Leber-glycogen, je nachdem es aus Amyluin der Nahrung oder durch Spaltung der Eiweissk\u00f6rper entsteht, trotz gleicher","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"97\nchemischen Zusammensetzung in manchen Eigenschaften verschieden sein k\u00f6nne und vielleicht auch eine verschiedene Resistenz gegen\u00fcber jenen Fermenten habe, welche seine Umwandlung in Zucker bewirken wollen.\nDer Eine von uns hat nun als Assistent der Freriehs-schen Klinik im Wintersemester 1875-7\u00ab \u00bblas Verhalten verschiedener Glycogenarten gepr\u00fcft und hier\u00fcber am 19. Sept. 1876 auf der Hamburger Naturforscherversammlung einen Vortrag gehalten. Derselbe findet sich unter Anderem in der Deutschen Zeitschrift f\u00fcr pracl. Medizin Nr. 40, welche am 6. Oct. 1870 erschienen, referirt. Daselbst heisst es w\u00f6rtlich: \u00abDer Vortragende (y. Mering) hat nun das Verhalten des Glycogens, welches nach Einfuhr von Traubenzucker und Fibrin erhalten wurde, gegen Fermente und Sauren gepr\u00fcft, ohne dass sich hierbei ein Unterschied ergab. Speichel, Pancreassaft, Blut, Diastas und verd\u00fcnnte Schwefels\u00e4uren verwandelten jedes Glycogen gleich rasch in Traubenz\u00fccker. In einem Aufs\u00e4tze \u00abZur Glycogeh-bildung in der Leber\u00bb, welcher,am ll.Nov. 187\u00ab in Pfl\u00fcger'\u00bb Archiv erschienen ist, finden sich dieselben Angaben und gleichzeitig noch die Bemerkung, dass die verschiedenen Gly-cogenarten auch bez\u00fcglich ihrer physikalischen Eigenschaften (Drehung etc.) keine Differenz gezeigt h\u00fcllen. Wehn der Eine von uns damals kurzweg gesagt hat, dass die verschie--nen Glycogene durch Fermente und S\u00e4uren gleich rasch in Traubenzucker umgewandclt werden, so sollte dies heissen dass die einzelnen Glycogenarten unter Einwirkung genannter Agentien in gleicher Zeit ein gleich grosses Kcductionsver-mogen erlangen, oder mit andern Worten,' dass in der Zeitdauer f\u00fcr die Umwandlung des Glycogens kein Unterschied \u2022 existire. Das Rcductionsverm\u00f6gen wurde im Einklang . mit der damals noch allgemein verbreiteten Annahme, dass Glycogen durch Ferment einzig und allein in Traubenzucker umgewandelt werde, letzterem zugeschrieben. \u2022\nlm Centralblatt f\u00fcr die med. Wissenschaften erschien am 25. Nov. 1876 - also 7 Wochen sp\u00e4ter als das Referat des Hamburger Vortrags - eine Mittheilung von Sccgen","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"Vi\n98\n*\n\u00fcber die Umwandlung von Glycogen in Traubenzucker durch Speichel und Pancreasferment. Hierin macht Seegen die Angabe, dass er Leberglycogen, \u2014 gleichviel ob es von Hunden stammte, die ausschliesslich mit Brod oder Fleisch gef\u00fcttert worden waren \u2014 mit Speichel und Pancreasextract versetzt und nach 24 Stunden bez\u00fcglich des Reductionsver-m\u00f6gens stets mit demselben Erfolge gepr\u00fcft habe: \u00abDie Gly-cogenl\u00f6sung enthielt nach vollst\u00e4ndig abgelaufener Fermentation nur einen Bruchtheil des Traubenzuckers, welcher entstehen sollte, wenn die ganze Glycogenmenge in Traubenzucker umgewandelt worden w\u00e4re. Der Bruchtheil war verschieden, er schwankte zwischen 34\u201441%, wenn Speichel als Ferment angewendet wurde und betrug 45\u201448%, wenn Pancreasextract als Ferment benutzt wurde. Die Deutung kann eine mehrfache sein, es hat entweder sich das .Glycogen nicht, wie angenommen- wird, in Traubenzucker urnge-wandelt, sondern in eine Zuckerart, welche Kupferoxyd in einem anderen Verh\u00e4ltniss reducirt, oder es hat sich bei der Umsetzung des Glycogens neben Zucker noch ein anderes Spaltungsproduct gebildet.\u00bb Ferner findet sich noch in Nr. 2 der Wiener med. Wochenschrift 1878 die kurze Bemerkung Sc egen's, dass er sowohl Brod- als Fleischglycogen gegen Speichel und Pancreasextract gepr\u00fcft und hierbei beide Gly-cogenartcn sich gleich verhalten h\u00e4tten.\nAngenommen, Seegen habe zuerst, was nicht der Fall ist, wie wir klar gelegt haben, die Angabe gemacht, dass beide Glycogene gegen Fermente keinen Unterschied zeigen, so ist hiermit allein noch keineswegs der stricte Beweis geliefert, dass die beiden Glycogenarten identisch sind. Seegen, der nicht weiss, welche Substanzen aus Glycogen durch dias-tatisches Ferment entstehen, zieht einfach und allein aus der Thatsache, dass die verschiedenen Glycogene mit Speichel und Pancreassaft nach 24 Stunden ein gleich grosses Re-ductionsverm\u00f6gen zeigen, den Schluss, dass die verschiedenen Glycogene identisch seien. Dieser Schluss erscheint uns gewagt. Es war ja denkbar, dass die Zersetzungsproducte, welche aus den verschiedenen Glycogenarten durch Fermente entstehen, in","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Summa gleich viel Kupferoxyd reducirten, ohne dass sie aber identisch waren. Denn wir kennen manche Substanzen, die chemisch ganz gleich zusammengesetzt, die isomer sind, die viele Eigenschaften theilen und doch in manchen Punkten auseinandergehen. Wir wollen hier nur Amylum und Inulin als Beispiel citiren. Beide Substanzen stimmen in ihrer Zusammensetzung (Ce Hio O\u00bb) \u00fcberein, beide Substanzen redlichen nach dem Kochen mit verd\u00fcnnten S\u00e4uren alkalische Kupferl\u00f6sung in demselben Verh\u00e4ltnis, und beide Substanzen liefern g\u00e4hrungsfahigen Zucker. Beide Substanzen sind aber trotzdem grundverschieden, weil ihre Zersetzungspr\u00f6ducte verschieden sind; aus St\u00e4rke entsteht Traubenzucker und aus Inulin entsteht Levulose.\nErst jetzt, nachdem wir\u00bb) bewiesen haben, dass Fleisch-und Brodglycogen mit Speichel und Diast\u00e0s dieselben Zer-setzungsproducte (reducirendes Dextrin, Maltose und Sp\u00fcren von Traubenzucker) in ann\u00e4hernd denselben Gewichtsverh\u00e4it-nissen liefert, ist der volle Beweiss geliefert, dass die genannten Glycogene identisch sind, und nehmen wir diese Thatsache trotz Seegen\u2019s Reklamation auch f\u00fcrderhin als eine von uns zuerst gefundene in Anspruch.\n') Diese Zeitschrift Bd. II, pg. 403.","page":99}],"identifier":"lit16353","issued":"1880","language":"de","pages":"93-99","startpages":"93","title":"Ueber die Umwandlung der St\u00e4rke und des Glycogens durch diastatische Fermente","type":"Journal Article","volume":"4"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:04:47.942745+00:00"}