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{"created":"2022-01-31T13:47:38.748880+00:00","id":"lit18553","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Becker, C. Th.","role":"author"},{"name":"R. O. Herzog","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 52: 496-505","fulltext":[{"file":"p0496.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis des Geschmackes.\nI. Mitteilung.\nYon\nC. Th. Becker und R. O. Herzog.\n(Aus dem chemischen Institut der Technischen Hochs\u00e7hule zu Karlsruhe.)\n(Der Redaktion zugegangen am i. Juli 1907.)\nIm folgenden sollen Versuche \u00fcber die Geschmacksintensit\u00e4t chemisch \u00e4hnlicher Stoffe mitgeteilt werden.\nBevor auf die Beschreibung der Versuche eingegangen wird, mu\u00df einiges \u00fcber die Schwierigkeiten gesagt werden, die sie darbieten, im wesentlichen Schwierigkeiten psychologischer Art. Nachdem wir mit einer gro\u00dfen Zahl von Versuchspersonen gearbeitet hatten, zeigte sich, da\u00df es erst nach Monate langer \u00dcbung in Sicherheit1) gelingt, an Tagen guter Disposition (die zun\u00e4chst gepr\u00fcft werden mu\u00df) zu regelm\u00e4\u00dfig reproduzierbaren Resultaten zu gelangen. Es handelt sich dabei besonders um Schulung des Ged\u00e4chtnisses. Nur bei angestrengter Aufmerksamkeit gelingt es einigerma\u00dfen sicher, die St\u00e4rke zweier zeitlich getrennter, in der Intensit\u00e4t aber nahestehender Emp-\nD \u00abWenn ein Physiker ein Experiment macht, so mu\u00df er nat\u00fcrlich die gr\u00f6\u00dfte Aufmerksamkeit auf den Gegenstand der Untersuchung richten ; dieser Gegenstand selbst verh\u00e4lt sich aber passiv. Dementsprechend stellt man sich vor, wenn ein psychologischer Experimentator A an einem v zweiten Beobachter B Versuche aufstellt, so verhalte sich dieser ebenfalls passiv, \u00e4hnlich dem physikalischen Gegenstand, und es komme nur darauf an, gewisse objektiv wahrnehmbare Symptome, wenn auch unter Umst\u00e4nden mit Zuhilfenahme seiner eigenen Aussagen, an ihm festzustellen. Demnach nimmt man meistens noch weiter an, es komme zwar sehr darauf an, da\u00df A ein geschickter Beobachter sei, zu einem Ver-suchsindividium B sei aber jeder brauchbar, ja es sei vielleicht ein in psychologischen Dingen unerfahrener Mensch am brauchbarsten, weil er sich im h\u00f6chsten Grade der w\u00fcnschenswerten Unbefangenheit erfreue. Diese Vorstellungsweise ist von Anfang bis zu Ende falsch, und ist nahezu eine Umkehrung des wirklichen Verhaltens.\u00bb (Wundt, Vorlesungen \u00fcber Menschen- und Tierseele, 4. Aufl. (1906), S. 12.","page":496},{"file":"p0497.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis des Geschmackes. I.\n497\nfindungen zu vergleichen. Ferner bedarf es auch einer gewissen Schulung des Geschmacksorgans. Die Empfindung \u00absauer\u00bb ist recht oft nicht einfach, sie erscheint verkn\u00fcpft mit adstringierend, bitterlich, salzig. Das destillierte reinste (Leitf\u00e4higkeits-)Wasser l\u00f6st gelegentlich Geschmacksempfindungen aus.1) Au\u00dferdem treten Tastempfindungen auf und dergleichen. Mit diesen St\u00f6rungen mu\u00df die Versuchsperson vertraut sein.\nNach recht ausgedehnten Vorversuchen, die im wesentlichen der \u00dcberwindung dieser Schwierigkeiten gewidmet waren, verfuhren wir endlich in folgender Weise. Die Versuchsperson A sp\u00fclt den Mund mit destilliertem Wasser, und zwar, wie erw\u00e4hnt, mit reinstem Leitf\u00e4higkeitswasser, da sonst \u00abder Blasengeschmack\u00bb resp. \u00ab-geruch\u00bb (Verunreinigung durch die Destillierblase) st\u00f6rend wirkt, eventuell nach mechanischer Reinigung (hierauf mu\u00df man aber zur Beruhigung der Reizung einige Zeit warten). Alsdann werden zwei durch die Versuchsperson B von r\u00fcckw\u00e4rts (blind) \u00fcberreichte, mit \u00abEins\u00bb und \u00abZwei\u00bb be-zeichnete Becher in die rechte, resp. linke Hand genommen, erst der rechte, dann der linke entleert. Die Fl\u00fcssigkeit wird immer nur solange im Munde behalten, bis eben eine klare Empfindung eingetreten ist, dann sogleich ausgespieen. Nach jedem Versuch wird der Mund sofort wieder mit Leitf\u00e4higkeitswasser gesp\u00fclt. Die beobachteten Empfindungen werden B als z. B. \u00abEins\u00bb st\u00e4rker als \u00abZwei\u00bb sogleich diktiert, ebenso alle St\u00f6rungen. Als Becher dienen kleine graduierte Kelchgl\u00e4ser; das verwendete Fl\u00fcssigkeitsvolumen betr\u00e4gt 5,10, gelegentlich auch 15 ccm, bei sehr schwachen L\u00f6sungen mehr, bei st\u00e4rkeren Konzentrationen weniger. Ein Unterschied in den Resultaten wurde \u00fcbrigens bei verschiedenen Fl\u00fcssigkeitsmengen f\u00fcr dieselben Konzentrationen nicht beobachtet. Ebenso war die Temperatur in gewissen Grenzen belanglos, immerhin trat bei K\u00f6rpertemperatur \u00abfader\u00bb Geschmack ein und eine gewisse Unempfindlichkeit; waren die L\u00f6sungen zu kalt, dann wirkte das K\u00e4ltegef\u00fchl st\u00f6rend. Es ist notwendig, gleiche Volumina und gleiche\n*) Normalerweise wurde das Wasser von allen Versuchspersonen als v\u00f6llig geschmacklos bezeichnet, was kontr\u00e4rer Angaben in der Literatur halber ausdr\u00fccklich vermerkt sein soll.\nHoppe-Seylers Zeitschrift f. physiol. Chemie. LII.\n32","page":497},{"file":"p0498.txt","language":"de","ocr_de":"498\nC. Th. Becker und R. 0. Herzog,\nTemperaturen in beiden Versuchsgl\u00e4sern zu haben. Als Chemikalien dienten die reinsten Produkte von Kahl b\u00e4um, die Verd\u00fcnnungen waren mit Hilfe geeichter Ma\u00dfgef\u00e4\u00dfe und mit Leit-f\u00e4higkeitswasser aus ein Zehntel-Normall\u00f6sungen frisch hergestellt, bei Zuckerarten wurden stets frische Aufl\u00f6sungen gemacht. Korkstopfen sind wegen leicht eintretenden \u00abdumpfen\u00bb, schimmeligen Geschmackes resp. Geruches zu vermeiden. Am besten werden die L\u00f6sungen nur ganz kurze Zeit und zwar in ged\u00e4mpften Medizinflaschen aufbewahrt, die mit Uhrgl\u00e4sern bedeckt sind.\nS\u00e4uregehalt gleich stark sauer schmeckender\nL\u00f6sungen.\nDie Intensit\u00e4t des sauren Geschmackes war bereits mehrfach Gegenstand des Studiums.1) Eine sichere Antwort auf die Frage des Zusammenhanges dieser Eigenschaft der S\u00e4uren mit anderen bekannten, physikalischen oder chemischen, konnte bisher aber nicht gegeben werden; das d\u00fcrfte zum Teil in der Komplikation der Erscheinungen selbst begr\u00fcndet sein, zum andern Teil aber wohl auch mit der Schwierigkeit der experimentellen Untersuchung Zusammenh\u00e4ngen. Auf zwei Wegen konnte man m\u00f6glicherweise zu einem Resultate gelangen; erstens durch Vergleichung der schw\u00e4chsten Konzentrationen, die eben noch wahrgenommen werden k\u00f6nnen, der Schwellenwerte f\u00fcr verschiedene S\u00e4uren, und zweitens durch Vergleichung von L\u00f6sungen verschiedener Stoffe, die eben gleich stark sauer schmecken. Es hat sich gezeigt, da\u00df der letztere Weg der bei weitem genauere ist, wenn in bestimmtem Konzentrationsgebiet gearbeitet wird.\n\u00ab\n*) Vgl. dazu z. B. Bailey, Proc. Kansas Acad, of Sciences, Bd. XI,\nS. 10 (1887). \u2014 Gorin, Arch, de Biologie, Bd. VIII, S. 181 (1888). \u2014 Heymans Z. Psych, u. Phys. Sinnesorg., Bd. XXXI, S. 330 (1899). \u2014 -Kahlenberg, Bull, of the Wisconsin Nr. 25; Sc. ser., Bd. II, Nr. 1,\nS. 1 (1898) ; Journ. of physical. Chem., Bd. 1Y, S. 33 und 533 (1900) ; ferner Am. chem. Journ., Bd. XX, S. 121 und 466 (1898); Zeitschrift f\u00fcr physik. Chem.^Bd.XXVlII, S. 174 (1899); Journ. of the Am. chem. Soc. (Rev. of the chem. Research), Bd. XXII, S. 73 (1900).","page":498},{"file":"p0499.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis des Geschmaekes. I.\n499\nDie Versuchsreihen wurden immer damit begonnen, da\u00df man zun\u00e4chst die \u00fcnterschiedsempfindlichkeit der Person A an dem Tage feststellte; sie wurde auch zwischen den andern Versuchen (nat\u00fcrlich A unbewu\u00dft) immer wieder gepr\u00fcft, auch wurden \u00f6fters Vexierversuche, z. B. mit destilliertem Wasser etc., eingeschaltet. Es hat sich gezeigt, da\u00df mehr als etwa 15 Vergleichsversuche in einer Sitzung nicht gut angestellt werden k\u00f6nnen. Als Vergleichsfl\u00fcssigkeit wurde in der Regel Salzs\u00e4ure verwendet, doch sind auch die andern S\u00e4uren miteinander oft genug verglichen worden. Bei unserer Versuchsanordnung wurde das Konzentrationsgebiet, an Salzs\u00e4ure gemessen, etwa zwischen 0,0004 bis 0,002 normal als am besten erkannt. Nur an solchen Tagen, an denen Unterschiede um 0,0002 Normal-HCl stets mit Sicherheit erkannt wurden, sind Versuchsreihen angestellt worden. Von dem, wie erw\u00e4hnt, sehr ausgedehnten Versuchsmaterial braucht wohl nur das Wenigste mitgeteilt zu werden, genug, um ein Bild der erreichten Genauigkeit zu geben. Das schlie\u00dflich diskutierte Resultat ist nur aus l\u00e4ngeren einwandfreien, mehrfach mit demselben Erfolg wiederholten Versuchsreihen gewonnen. (Die \u00dcbereinstimmung in den Resultaten zeigen z. B. die beiden Versuchsreihen vom 7. und 8. Mai 1906.)\nUm eventuell zu theoretisch m\u00f6glichst \u00fcbersichtlichen Resultaten zu gelangen, wurden fast nur einbasische S\u00e4uren benutzt: Salzs\u00e4ure (Abk\u00fcrzung: HCl), Salpeters\u00e4ure (S), Ameisens\u00e4ure (A), Essigs\u00e4ure (E), Milchs\u00e4ure (M), Trichloressigs\u00e4ure (T) und Butters\u00e4ure (B).\nBevor das Beobachtungsmaterial angef\u00fchrt wird, mu\u00df endlich noch folgendes bemerkt werden. Um den Geruch der Butters\u00e4ure zu vermeiden, mu\u00dfte die Nase verschlossen werden, dann war sie von HCl nicht zu unterscheiden. Trichloressigs\u00e4ure zeigte oft bittern Geschmack oder Nachgeschmack, besonders bei wiederholter Darreichung (F\u00e4llung von Eiwei\u00df?), daher wurden schlie\u00dflich immer nur wenige Proben davon in einer Sitzung untersucht. Sonst wurde f\u00fcr gew\u00f6hnlich kein Qualit\u00e4tsunterschied zwischen den einz\u00e9lnen S\u00e4uren wahrgenommen. In den folgenden Tabellen dienen die angef\u00fchrten Abk\u00fcrzungen zur Bezeichnung der S\u00e4uren, ihre Reihenfolge\n32*","page":499},{"file":"p0500.txt","language":"de","ocr_de":"500\nC. Th. Becker und R. 0. Herzog,\nzeigt an, in welcher Reihenfolge sie verglichen wurden; die Zahlen geben die Konzentration in Zehntausendstel-normal an. Die zweite Kolonne enth\u00e4lt das Versuchsresultat, die Zahl bedeutet die Reihenfolge der untersuchten Fl\u00fcssigkeit, das Zeichen den beobachteten Intensit\u00e4tsunterschied.\nAm 4. Mai 1906.\t\nHCl 5, 71)\t7 > 5\nHCl 7, S 6\tHCl > S\nS 6, HCl 5\tHCl y S oder gl\u00e9ich\nHCl 6, 5\teher 6 > 5\nS 6, HCl 4\teher S > HCl\nHCl 4, E 10\tE > HCl\nE 10, HCl 5\tsehr \u00e4hnlich, vielleicht HCl > E\nHCl 7, M 11\tHCl > M\nM 11, HCl 6\tM > HCl\n8. Mai 1906,\tnachmittags.\nHCl 14, 16\t16 > 14\nHCl 16, M 23\tHCl > M\nB 20, HCl 7\tHCl > B\nHCl 7, 5\t7 > 5\nHCl 6, B 20\tHCl > B\nHCl 4, B 20\tB > HCl\nB 20, HCl 6\tB > HCl\nHCl 7, 6\t7 > 6\nHCl 6, B 20\tHCl > B\nB 20, HCl 7\tHCl > B\nB 20, \u00c8C1 6 /\u25a0\tB )\u2022 HCl, wenig\n7. Mai 1906, nachmittags.\t8. Mai 1906, vormittags.\t\nHCl 8, 6\t8 > 6 E 10, M 11\tM > E\t\nM 11, A 10\tM oder -\t= A\nS 10, HCl 10 HCl > S S 10, HCl 8 S > HCl\t\nE 20, HCl 10 HCl > E\tE 20, HCl 10 HCl > E\nHCl 10, 8\t10 > 8\tHCl 10, 8\t10 > 8\nE 20, HCl 8\tE > oder\t= HCl\tE 20, HCl 8 E > oder = HCl\n*) Die hier angef\u00fchrten Tabellen entstammen einer sp\u00e4teren Versuchszeit; anfangs, als die Versuchspersonen noch nicht sehr reichliche \u00dcbung hatten, mu\u00dften zu Beginn jeder Versuchsreihe sehr viel zahlreichere Proben auf Disposition und Empfindlichkeit angestellt werden, eine Vorsichtsma\u00dfregel, die jedenfalls Anf\u00e4nger auf diesem Gebiete unbedingt befolgen m\u00fcssen.","page":500},{"file":"p0501.txt","language":"de","ocr_de":"M 23, HCl 12 M 23, HCl 14\nZur Kenntnis des Geschmackes. I.\n501\nHCl 12, 14 HCl 16, M 23 HCl 14, M 23\nM > HCl M > HCl\n14 > 12 HCl > M HCl Spur > HCl\nM 23, HCl 14 HCl 14, M 23 HCl 14, 12 M 23, HCl 16 A 19, M 23 HCl 16, A 19 A 19, HCl 16\nM > HCl M > HCl 14 > 12 HCl > M A > M\nHCl > oder = A A > oder = HCl\n9. Mai 1906, nachmittags.\nHCl 10, 8\nE 20 [E 20 + Na-Acetat 100] *)\nB 20, HCl 8\nB 20, HCl 7\nHCl 6, B 20\nHCl 8, B 20\nM 23, T 19\nT 19, E 20\nHCl 8, 10\nA 19, T 19\n10 > 8\nE > [E 20 + Na-Acetat 100], nicht viel HCl > B B > HCl B > HCl HCl > B sehr \u00e4hnlich T > E 10 > 8 A > T\nFassen wir unsere gesamten Ergebnisse zusammen, so erhalten wir:\nSalpeters\u00e4ure, etwas _schw\u00e4cher als Salzs\u00e4ure, und zwar 0,0006-n-HN03 = 0,0005-n-HCl, aber auch 0,0018-n-HN03 = 0,0017-n-HCl. 0,0019-n-Trichloressigs\u00e4ure = 0,0014\u20140,0015-n-HCl\n0.0019-n-Ameisens\u00e4ure\n0,0023-n-Milchs\u00e4ure\n0,0010-n-Essigs\u00e4ure\n0,0020-n-Essigs\u00e4ure\n0,0020-n-Butters\u00e4ure\n= 0,0016-n-HCl = 0,0015-n-HCl = 0,0004\u20140,0005-n-HCl = 0,0008-n-HCl = 0.0006\u20140,0007-n-HCl\nSchreiben wir die relativen reziproken Werte als \u00abInten-sit\u00e4ten\u00bb in einer Reihe, die Intensit\u00e4t der Salzs\u00e4ure 100 gleichgesetzt, darunter die Diffusionskoeffizienten (nach Nernst* 2) berechnet), wieder der Wert f\u00fcr HCl = 100 angenommen, dann erhalten wir folgende Tabelle, deren dritte Horizontalreihe die relativen St\u00e4rken der S\u00e4uren (nach Ostwald) enth\u00e4lt:\n0 D. h. eine L\u00f6sung, die an Essigs\u00e4ure 0,002-normal, an Natriumacetat 0,01-normal ist (eine solche L\u00f6sung von Natriumacetat zeigt noch so schwachen Geschmack, da\u00df der S\u00e4uregeschmack nicht dadurch beeinflu\u00dft wird).\n2) F\u00fcr schwache Elektrolyten gelten allerdings die berechneten Werte nur f\u00fcr praktisch unendliche Verd\u00fcnnung.","page":501},{"file":"p0502.txt","language":"de","ocr_de":"502\nC. Th. Becker und R. 0. Herzog,\n\t! Salz- s\u00e4ure\tSal- peter- s\u00e4ure\tTri- chlor- essig- s\u00e4ure\tAmeisen- s\u00e4ure\tMilch- s\u00e4ure\tEssig- s\u00e4ure\tButter- s\u00e4ure\nGeschmacks- intensit\u00e4t Diffusions- koeffizient St\u00e4rke\t100 100 100\t<100 95,5 100\t76 48,5 75\t84 73 1,5\t65 53,5 . 1\t.45,4 58 0,4\t32 47 0,4\nAus der Tabelle ergibt sich sogleich mit Sicherheit (in\n\u2022 \u00ab\n\u00dcbereinstimmung mit den bisherigen Versuchen), da\u00df die St\u00e4rke der S\u00e4uren kein direktes Ma\u00df ihres sauren Geschmackes darstellt. Wir vermuteten von Anfang an, da\u00df die Intensit\u00e4t des Geschmackes durch den Dilfusionskoeffizienten bestimmt sei; wie wir erst nach Beendigung unserer Versuche fanden, hat dies A. A. Noyes1) schon fr\u00fcher ausgesprochen. Man sieht aber, da\u00df die Abweichungen nicht nur \u00fcber die Versuchsfehler weit hinausgehen, die nach den zahlreichen Bestimmungen den Betrag von 0,0001 bis h\u00f6chstens 0,0002-n-HCl nicht \u00fcberschreiten d\u00fcrften, sondern auch eine bestimmte Regelm\u00e4\u00dfigkeit zeigt. Bei den st\u00e4rkeren S\u00e4uren sind die Intensit\u00e4ten zu klein, bei den schwachen zu gro\u00df. Man wird also daher vielleicht die von Ostwald2) ausgesprochene Annahme noch zu Hilfe nehmen m\u00fcssen, da\u00df beim Schmecken von Sauer das Salz einer mittelstarken S\u00e4ure eine Rolle spiele, dessen Anion mit dem Wasserstoffion entsprechend reagiere. In erster Linie ist aber wohl die Menge der in der Zeiteinheit eingedrungenen S\u00e4ure ma\u00dfgebend. Es ist auch denkbar, da\u00df das Salz die Durchl\u00e4ssigkeit der zu passierenden Membran bestimmt oder da\u00df es seine Wirkung im Apperceptionsorgan entfaltet.\nDie Diffusionskoeffizienten eines schwachen Elektrolyten m\u00fcssen bei steigender Konzentration fallen, eine Andeutung\n1)\tZeitschrift f. physik. Chem., Bd. XXXVI, S. 614 (1901) ; ebendahin f\u00fchrt auch die Erkl\u00e4rung Th. W. Richards, Journ. physic. Chem., Bd. IV, S. 207 (1900). Vgl. Zeitschrift f. physik. Chem., Bd. XXXVI, S. 614 (1901).\n2)\tZeitschrift f. physik. Chem., Bd. XXVIII, S. 174 (Anm.), (1899).","page":502},{"file":"p0503.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis des Geschmackes. I.\n503\ndavon zeigen unsere Versuche mit Essigs\u00e4ure, die durch das weitaus reichste Material gest\u00fctzt sind. Auch der Zusatz eines gleichnamigen Ions setzt den Diffusionskoeffizienten herab, wie die Versuche zeigen, auch die Geschmacksintensit\u00e4t:\nVersuche vom 6. Mai 1905.\nE 10 [Na-Acetat 10 + E 10]\tE > [Na-Acetat 10 + E 10]\n[Na-Acetat 20 + E 10], E 10\tE > [Na-Acetat 20 + E 10]\nVgl. auch Versuchsreihe vom 9. Mai 1906, nachmittags (S. 508).\nVersuche \u00fcber die Schwellenwerte der S\u00e4ure.\nDie Versuche wurden wie oben beschrieben angestellt, der eine Becher enth\u00e4lt Leitf\u00e4higkeitswasser ; das Fl\u00fcssigkeitsvolumen betr\u00e4gt meist 15 ccm. Es gelang, 0,00005-n-Salpeter-s\u00e4ure von Wasser mit Sicherheit zu unterscheiden. Salpeters\u00e4ure, Salzs\u00e4ure, Ameisens\u00e4ure, Essigs\u00e4ure, die untersucht wurden, ergaben nicht merklich andere Resultate. Bei Anwendung von 10 ccm Fl\u00fcssigkeit konnten 0,0001-n-L\u00f6sungen dieser S\u00e4uren von Wasser meistens noch mit voller Sicherheit unterschieden werden ; allerdings kann die Geschmacksqualit\u00e4t nicht mehr als \u00absauer\u00bb bezeichnet werden, es besteht eben nur ein Unterschied im Geschmack gegen reines Wasser. \u2014 Es ist wohl nicht n\u00f6tig, hier Belegversuche anzuf\u00fchren.\nAlkalien und Salze.\nUnsere bisherigen Versuche mit Alkalien und Salzen der\nLeichtmetalle ergaben Resultate, die prinzipiell mit denen anderer\n\u2022 \u2022\nForscher, vor allem Hob er und Kiesow1) in \u00dcbereinstimmung stehen, zeigen, da\u00df die Konzentrationen der Schwellenwerte f\u00fcr jede Gruppe ziemlich konstant sind. So konnten 10\u20144-Normal-l\u00f6sungen von KOH, NaOH, NH40H von Wasser unterschieden werden ; die Schwellenwerte von KCl, NaCl, NH4G1 lagen etwa bei 10-3 normal. Ein \u00e4hnliches Verh\u00e4ltnis fanden auch H\u00f6her und Kiesow, nur um eine 10-Potenz h\u00f6her, da sie mit anderen Mengen arbeiteten.\nLeider lie\u00dfen sich auch die Alkalien, die bekanntlich in diesen schwachen Konzentrationen s\u00fc\u00df schmecken, nicht zur\n0 Zeitschrift f. physik. Chem., Bd. XXVII, S. 601 (1898).","page":503},{"file":"p0504.txt","language":"de","ocr_de":"504\nC. Th. Becker und R. 0. Herzog,\nKontrolle des bei den S\u00e4uren erhaltenen Resultates herbeiziehen:\nj\nbei den Salzen, die ja schon in sehr verd\u00fcnnten L\u00f6sungen ganz verschiedenartig schmecken, war das von Anfang an nicht zu erwarten. Aber auch der Vergleich der Alkalien zeigte die Undurchf\u00fchrbarkeit des Versuches, da offenbar nicht nur das OH-Ion, sondern auch das Kation (und eventuell das nicht dissoziierte Molek\u00fcl, s. H\u00f6her und Kiesow) am Geschmack beteiligt ist: NH40H schmeckt \u00ablaugenhaft\u00bb, in KOH tritt der s\u00fc\u00dfe Geschmack des K. soweit hervor, da\u00df es s\u00fc\u00dfer schmeckt als NaOH.\nKohlenhydrate.\n\u2022 \u2022\nUber den Geschmack der Kohlenhydrate finden sich naturgem\u00e4\u00df in der Literatur1) viele zerstreute Angaben, doch scheint eine systematische Untersuchung bisher zu fehlen.\nAm besten gelangen die Vergleiche bei Anwendung von 5 ccm und 5.10~2-Normall\u00f6sungen. Wir haben uns vorl\u00e4ufig damit begn\u00fcgt, die Reihenfolge der Geschmackintensit\u00e4ten bei dieser Konzentration festzustellen. Man erhielt dabei folgendes Resultat :\nRohrzucker y L\u00e4vulose y Milchzucker = Dextrose y Maltose y Galaktose.\nDa die Diffusionskoeffizienten der Biosen untereinander und der Hexosen untereinander sich kaum merklich unterscheiden d\u00fcrften, m\u00fcssen hier wie bei den S\u00e4uren wohl andere Einfl\u00fcsse auftreten. Welcher Art diese Einfl\u00fcsse sind, ist freilich schwer zu sagen. Man kann vorl\u00e4ufig an Reaktionsgeschwindigkeit (zwischen Substrat und Geschmacksorgan)2) oder an Vorg\u00e4nge mehr physikalischer Art, wie etwa L\u00f6slichkeit, Adsorption u. dgl. denken.\nA) Literatur \u00fcber Geschmack vgl. in den Monographien : v. Vintsch-gau in Hermanns Handb. d. Physiol., Bd. III (1879); Marchand, Le go\u00fbt (1903); W. Nagel in Nagels Handb. d. Physiol., Bd. III (1905); W. Sternberg, Geschmack und Geruch (1906).\n2) Vgl. die Geschmacksunterschiede zwischen d- und 1-Asparagin (Piutti, Ber. d. Deutsch, ehern. Ges., Bd. XIX, S. 1691, 1886), d- und 1-Glutamin (Menozzi und Appiani, Atti d. R. Acc. d. Lincei Roma [5], Bd. 2, IL S. 421, 1893) u. a.","page":504},{"file":"p0505.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis des Geschmackes.\n505\nDie Schwellenwerte f\u00fcr die Zuckerarten liegen etwa bei 10-2 normal.\nAus den bisherigen Versuchen hat sich folgendes ergeben:\n1. Bei gewissen Konzentrationsintervallen l\u00e4\u00dft sich die Geschmacksintensit\u00e4t gleichartig schmeckender, chemisch verschiedener Werte gut bestimmen; dabei ergaben sich f\u00fcr S\u00e4uren die relativen Werte:\nSalzs\u00e4ure\t100\nSalpeters\u00e4ure\t<100\nTrichloressigs\u00e4ure\t76\nAmeisens\u00e4ure\t84\nMilchs\u00e4ure\t65\nEssigs\u00e4ure\t45,4\nButters\u00e4ure\t32\nF\u00fcr Kohlenhydrate die Reihe:\nRohrzucker > L\u00e4vulose > Milchzucker = Dextrose > Maltose )> Galaktose.\nDiese Ergebnisse sind in mittleren Grenzen unabh\u00e4ngig von der Temperatur und dem Volumen.\n2. Die Bestimmungen der Schwellenwerte sind erheblich ungenauer; es ist eigentlich nur m\u00f6glich, die Gr\u00f6\u00dfenordnung bei bestimmter Versuchsanordnung anzugeben. Ein Unterschied gegen reines Wasser wurde von uns wahrgenommen:\nBei\tS\u00e4uren\tvom\tGehalt\tccm\t0,5-1\t10-4\tnorm.\n\u00bb\tAlkalien\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t\t10-4\t\u00bb\n\tSalzen\t\u00bb\t\u00bb\t2>\t0,5\u20141\t10-3\t2>\n\u00bb\tKohlenhydraten \u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t\t10-2\t\u00bb ')\n*) Diese Versuche sind im Fr\u00fchjahr 1904 im zoologischen Institut zu Kiel begonnen worden. Ich m\u00f6chte auch hier nochmals Herrn Professor Brandt f\u00fcr die damals gew\u00e4hrte Gastfreundschaft den besten Dank aussprechen !\tH.","page":505}],"identifier":"lit18553","issued":"1907","language":"de","pages":"496-505","startpages":"496","title":"Zur Kenntnis des Geschmackes. I. Mitteilung","type":"Journal Article","volume":"52"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:47:38.748885+00:00"}