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{"created":"2022-01-31T16:30:17.820913+00:00","id":"lit32854","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler, C. M.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 34: 81-110","fulltext":[{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"81\nDas Geschmackvolle\nals Besonderheit des Sch\u00f6nen und speziell seine Beziehungen zum sinnlichen Geschmack.\nVon\nDr. C. M. Giessleb in Erfurt.\nInhaltsangabe.\tseit\u00ab\nEinleitung.....................................................81\nErstes Kapitel: Die Einf\u00fchlung in das Geschmackvolle. .\t82\n\u00a7 1. Die Qualit\u00e4t des Eingef\u00fchlten.....................83\n\u00a7 2. Die Quantit\u00e4t des Eingef\u00fchlten ...................86\n\u00a7 3. Die Tiefe der Einf\u00fchlung..........................89\nZweites Kapitel: Beziehungen zwischen dem \u00e4sthetischen\nund dem sinnlichen Geschmack..............................97\n\u00a7 1. Stimmungsanalogien................................99\n\u00a7 2. Analogische Beziehungen in Zufuhr und Bearbeitung des\nMaterials........................................103\n\u00a7 3. Assoziative Beziehungen..........................104\n\u00a7 4. Begr\u00fcndung einer Definition f\u00fcr die Einf\u00fchlung in das\nGeschmackvolle...................................106\nSchlufs.......................................................110\nEinleitung.\nDas Sch\u00f6ne bildet eine Welt f\u00fcr sich, nicht eine Scheinwelt, erf\u00fcllt mit Illusionen, sondern eine wirkliche Welt eigenartiger Erweiterung und Erh\u00f6hung des Seelischen, wo unser Ich sich freier hervorwagt, uneingeschr\u00e4nkt durch \u00e4ufsere R\u00fccksichten, wo uns Gelegenheit gegeben wird, unser innerstes Wesen ungez\u00fcgelter ausstrahlen zu lassen, um es als Spiegelbild zu schauen und zu geniefsen. Jeder Genufs ist ja im Grunde genommen Selbstgenufs. Wie daher der sinnliche hervorgerufen wird durch\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 84.\t6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nC. M. Git f\u00ealer.\nErregung von sinnlichen Gef\u00fchlen, welche uns angenehm sind, so ist der \u00e4sthetische bedingt durch das harmonische Fluktuieren unseres geistigen Inhalts innerhalb bestimmter durch Stimmungen, Gef\u00fchle oder Vorstellungen vorgeschriebener Formen. Unter den verschiedenen Arten des Sch\u00f6nen nimmt das Geschmackvolle eine Sonderstellung ein. Zwar spielt der Geschmack bei jeder Kunstgattung eine gewisse Rolle. Doch wird die Empfindung daf\u00fcr bei den echten K\u00fcnsten mehr oder weniger durch andere \u00e4sthetische Gef\u00fchle \u00fcbert\u00f6nt, welche das Individuum tiefer bewegen, sie spielt hier nur eine nebens\u00e4chliche Rolle, welche mit den eigentlichen Aufgaben der Kunst niehts zu tun hat. Dagegen tritt das Geschmackvolle bei allen denjenigen Kunstprodukten rein zutage, welche lediglich eine Versch\u00f6nerung, Idealisierung derjenigen Dinge darstellen, welche zum engeren Bereiche des allt\u00e4glichen Gebrauches geh\u00f6ren. Eine Statue, ein Gem\u00e4lde, eine Landschaft bezeichnet man als sch\u00f6n, nicht als geschmackvoll, wohl aber Ger\u00e4te, Geschirre, M\u00f6bel, Zimmerdekorationen, Kleidungsst\u00fccke, Bosketts, Parkanlagen usw.\nW\u00e4hrend nun das Wesen der echten K\u00fcnste von jeher den Gegenstand der lebhaftesten Er\u00f6rterungen gebildet hat, und die erleuchtetsten Geister sich damit besch\u00e4ftigt haben, bietet die Literatur \u00fcber das Wesen des Geschmackvollen nur Sp\u00e4rliches dar, obwohl doch das Spiel unseres Geistes beim Betrachten eines Kunstwerkes vom Standpunkte des Geschmackvollen aus wesentlich anderer Art ist als bei der Hingabe an h\u00f6here \u00e4sthetische Gef\u00fchle. Das Geschmackvolle besitzt n\u00e4mlich ganz bestimmte Besonderheiten zum Unterschiede von anderen Kunstgattungen. Speziell lassen sich f\u00fcr das Geschmackvolle auch bestimmte Beziehungen zum sinnlichen Geschmack nach weisem M\u00f6chte die vorliegende Arbeit dazu dienen, \u00fcber diese Punkte einiges Licht zu verbreiten.\nErstes Kapitel.\nDie Einf\u00fchlung in das Geschmackvolle.\nDas allm\u00e4hliche Sich versenken des betrachtenden Subjekt\u00bb in ein Kunstobjekt und das dadurch bewirkte allm\u00e4hliche Verschmelzen beider bezeichnet die \u00c4sthetik als Einf\u00fchlung. Dieselbe ist f\u00fcr das Geschmackvolle zum Unterschiede von anderen","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Das Geschmackvolle als Besonderheit des Sch\u00f6nen etc.\n83\nGattungen des Sch\u00f6nen in bestimmter Weise charakterisiert. Erstens n\u00e4mlich operiert das Geschmackvolle mit Elementen, welche unser Gem\u00fct nur nach einer Richtung hin bewegen. Zweitens spielt beim Geschmackvollen die Zahl der zur Einf\u00fchlung gelangenden Elemente eine Rolle. Drittens ist auch der Umfang, in welchem unser Ich bewegt wird, ein anderer. Die Besonderheiten des Geschmackvollen erstrecken sich also erstens auf die Qualit\u00e4t des Eingef\u00fchlten, zweitens auf die Quantit\u00e4t desselben, drittens auf die Tiefe der Einf\u00fchlung.\n\u00a7. 1. Die Qualit\u00e4t des Eingef\u00fchlten.\nDie Grenzen des \u00e4sthetischen Empfindens reichen weiter, als der Laie gew\u00f6hnlich anzunehmen pflegt. Schon wenn wir mit Befriedigung oder R\u00fchrung auf fr\u00fchere Epochen unseres Lebens zur\u00fcckblicken, oder wenn wir Luftschl\u00f6sser f\u00fcr die Zukunft bauen, mischt sich in unser Empfinden ein \u00e4sthetischer Faktor mit ein. Die S\u00e4ttigung unseres Ich mit dem ihm vertrauten geistigen Inhalt, welcher zwanglos aus dem Zustande der Latenz hervortritt und dabei eine Formung erf\u00e4hrt, welche der jeweiligen Stimmung besonders entspricht, verschafft uns einen geistigen Genufs, der in das \u00c4sthetische hin\u00fcberspielt. Noch intensiver wird der Genufs in denjenigen F\u00e4llen, wo wir willk\u00fcrlich Vorstellungen herbeiziehen, welche dazu dienen, bestimmte Affekte in uns anzufachen, so z. B. wenn wir uns k\u00fcnstlich in die Trauer hineinwtihlen oder in den Zorn hineinrasen. Diese Art von Gef\u00fchlsschwelgerei ist wegen des damit verbundenen Genusses besonders dem Mifsbrauch ausgesetzt. Lotze geht so weit, dafs er alle Gef\u00fchle in das Gebiet des \u00c4sthetischen aufgenommen wissen will.1 In den genannten F\u00e4llen tritt das \u00e4sthetische Empfinden jedoch nur momentan als Begleiterscheinung auf. Das Interesse an den erzeugten Bildern h\u00e4lt das Individuum zu sehr gefangen. Soll der \u00e4sthetische Genufs rein zustande kommen, so m\u00fcssen gleichzeitig alle anderen Interessen schwinden. Der Wert oder Unwert, den die Dinge, Personen, Ereignisse f\u00fcr uns besitzen, der Druck, den sie auf uns aus\u00fcben, darf uns nicht zum Bewufstsein kommen, oder er mufs vernachl\u00e4ssigt werden. Am meisten uninteressiert sind wir wohl bei der Betrachtung des Natursch\u00f6nen. Leider wird uns das\n1 H. Lotze: Geschichte der \u00c4sthetik in Deutschland. M\u00fcnchen 1868.\n6*","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\na M. Git f\u00ealer.\nSch\u00f6ne in der Aufsenwelt nur vereinzelt dargeboten, oft nur fl\u00fcchtig und nur in Bruchst\u00fccken. Nur selten pr\u00e4sentieren sich uns eine wohl proportionierte menschliche Figur, ein sch\u00f6n geformter Kopf, ideale Gesichtsz\u00fcge, sprechende Augen, eine klassische Nase, ein feiner Mund, eine wohlklingende Stimme, ein sch\u00f6n gezeichneter Hund, ein Pferd mit edler Haltung. Die meisten Gestalten der Pflanzenwelt und die Farbenspiele des Himmels kehren je nach ihrer Eigenart nur in bestimmten Jahreszeiten wieder. Noch seltener treffen wir auf erhabene Erscheinungen, namentlich in der Menschenwelt. Die dem Schicksale unterliegenden Personen, deren Fall wir erleben, von deren Unterg\u00e4nge wir h\u00f6ren oder lesen, besitzen meist nicht die wahrhafte menschliche Gr\u00f6fee, sie sind innerlich meist nicht gediegen genug, als dafs ihr Fall uns tragisch stimmen k\u00f6nnte. H\u00e4ufiger dagegen begegnen wir dem Komischen.\nJe weniger aber die Aufsenwelt uns \u00e4sthetische Eindr\u00fccke bietet, um so mehr streben wir danach, uns solche Eindr\u00fccke auf k\u00fcnstlichem Wege \u00f6fter und geh\u00e4ufter zu verschaffen. Der Wert, den die Objekte der Kunst an und f\u00fcr sich etwa als Gegenst\u00e4nde des Besitzes oder als Gebrauchsgegenst\u00e4nde f\u00fcr uns haben, oder sofern sie dazu dienen, unsere Anschauungen und Kenntnisse zu erweitern, unser Gem\u00fct zu bilden, erf\u00e4hrt dadurch eine Erh\u00f6hung, dafs sie uns gleichzeitig \u00e4sthetisch stimmen. Und wir m\u00f6chten die rauhe Wirklichkeit des Lebens uns dadurch verstifsen, dafs wir wom\u00f6glich alle Dinge unserer Umgebung in dem Sinne umgestalteten, bzw. die f\u00fcr uns gleichg\u00fcltigen oder unangenehmen in einer Weise mit wohlgef\u00e4lligen kombinierten, dafs beim Erfassen des nunmehrigen Komplexes dieses Plus des Wertes jedesmal zutage tr\u00e4te. Die Kunst hat allm\u00e4hlich unserer Natur alle jene inneren Konstellationen abgelauscht, bei deren Bestehen wir uns \u00e4sthetisch gestimmt f\u00fchlen, und sie w\u00e4hlt nun bei ihren Darstellungen aus dem Schatze des Gesammelten bestimmte Harmonien aus, um sie wie beim Kunsthandwerk und in der Baukunst mit bestimmten \u00e4ufseren Eindr\u00fccken, zu deren Erfassen die Praxis des Lebens uns n\u00f6tigt, in Verbindung zu bringen, oder aber sie erzeugt, wie in der Musik, Dichtkunst, Malerei und Bildhauerkunst auch das Substrat erst k\u00fcnstlich, um bestimmte Harmonien oder \u00e4sthetisch wirksame Disharmonien daran zum Ausdruck zu bringen. Je nach der Individualit\u00e4t des Betrachters ist der Schatz des \u00e4sthetisch Wirksamen ein anderer,","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"Das Geschmackvolle als Besonderheit des Sch\u00f6nen etc.\n85\nindem bald dieses, bald jenes St\u00fcck fehlt, bald diese, bald jene Richtung vorherrscht So kommt es, dafs unter den jeweiligen Betrachtern eines Kunstwerks dieser sich besser einzuf\u00fchlen vermag als jener, dafs diesem die \u00c4sthetik eines Gegenstandes gef\u00e4llt, jener nicht davon befriedigt wird : \u201eDie Geschm\u00e4cke sind verschieden.\u201c Der Kreis der allseitig Anklang findenden \u00e4sthetischen Gebilde ist daher ein enger. Er ist am beschr\u00e4nktesten f\u00fcr Darstellungen menschlicher Sch\u00f6nheiten. Denn da das Menschliche bei den einzelnen Menschen den verschiedenartigsten Wiederhall findet, so sind auch um so zahlreichere Abweichungen in der \u00e4sthetischen Beurteilung m\u00f6glich. Gr\u00f6fsere \u00dcbereinstimmung wird erzielt bei Darstellungen aus der Natur.\nUnter den eigentlichen \u00e4sthetischen Werten unterscheidet Jonas Cohn1 zwei Hauptgruppen: Zu den ersteren rechnet er \u201ediejenigen F\u00e4lle, in welchen der ausgedr\u00fcckte Inhalt direkt den Prinzipien der Formung entspricht und umgekehrt.\u201c \u201eHier besteht die \u00e4sthetische Einheit wie von selbst, ohne Kampf.\u201c Wir haben hier das Sch\u00f6ne im engeren Sinne (das reine Sch\u00f6ne). \u201eIm Gegens\u00e4tze hierzu findet bei den \u00fcbrigen Arten ein Widerstreit statt : die Einheit ist nicht von selbst da, sie ist auch nicht vollst\u00e4ndig da \u2014 sie mufs errungen werden und l\u00e4fst gleichsam einen ungestalteten Rest zur\u00fcck.\u201c Hierher geh\u00f6ren das Erhabene, das Tragische und das Komische.\nMit Hilfe des Gesagten sind wir nun imstande, die erste Grenzlinie zwischen dem Geschmackvollen und anderen Arten des Sch\u00f6nen zu ziehen. Sie w\u00fcrde sich folgendermafsen gestalten: W\u00e4hrend Poesie, Malerei und Skulptur auch das H\u00e4fs-liche und Komische darstellen, die Musik mitunter auch auf die Erzeugung von Dissonanzen ausgeht, und auch der Schmerz in seinen verschiedenen Formen durch die genannten K\u00fcnste zum Ausdruck gelangt, operiert das Geschmackvolle ausschliefslich mit dem Wohlgef\u00e4lligen, also mit Elementen, welche nur mit Lustempfindungen verkn\u00fcpft sind, es geh\u00f6rt also zum Sch\u00f6nen im engeren Sinne. In das Gebiet des Geschmackvollen geh\u00f6ren jedoch nicht jene Sch\u00f6nheiten, welche in Natur, in Leben und Geist zum Ausdruck gelangen, nicht das sinn-bestrickende Farbenspiel des Himmels, der Pflanzen und Mineralien, nicht die Sch\u00f6nheiten der Kraft, wie sie sich z. B.\n1 Jonas Cohn: Allgemeine \u00c4sthetik. Leipzig 1901. S. 167.","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\nC. M. Giefaler.\nin der \u00e4sthetischen Gestaltung eines Baumes offenbart, auch nicht die Sch\u00f6nheit der Bewegung, wie wir sie an Menschen und Tieren bewundern, noch viel weniger die reichere Sch\u00f6nheit der geistigen Tiefe, sondern nur Gegenst\u00e4nde der k\u00fcnstlerischen Bearbeitung. Der Gegenstand der \u00e4sthetischen Einf\u00fchlung beim Geschmackvollen besteht also in optimalwertigen Sinnesempfindungen, welche der gewohnten Praxis des Lebens ferner liegend durch k\u00fcnstlich Geschaffenes in uns angeregt werden. Insofern bildet das Geschmackvolle eine Mittelstufe zwischen dem sinnlich Sch\u00f6nen und den eigentlichen K\u00fcnsten.\n\u00a7 2. Die Quantit\u00e4t des Eingef\u00fchlten.\nEine zweite Besonderheit des Geschmackvollen besteht in der verh\u00e4ltnism\u00e4fsig grofsen Zahl der zur Einf\u00fchlunggelangenden\u00e4sthetischen Elemente, welche alle in nahezu gleicher Weise zum \u00e4sthetischen Effekt beitragen.\nBei den meisten Gattungen des Sch\u00f6nen bezieht sich die Einf\u00fchlung vorherrschend auf einzelne hervorragende Gruppen von Elementen. In der Musik sind es die zugrunde liegenden Melodien, in der Schauspielkunst die handelnden Personen, in Lyrik und Epik der Mensch oder die Natur usw. Diese Gruppen von Elementen \u00fcbernehmen gleichsam die F\u00fchrerschaft in der Gef\u00fchlsanregung des Beschauers, w\u00e4hrend den \u00fcbrig bleibenden Elementen nur ein sekund\u00e4rer Anteil zukommt. Anders beim Geschmackvollen. Hier haben wir keine Konzentrierung auf bestimmte Gruppen, sondern alle Elemente wirken nahezu gleich-m\u00e4fsig bei der Erzeugung des \u00e4sthetischen Effekts mit Und die Zahl der \u00e4sthetisch wirksamen Elemente ist hier noch k\u00fcnstlich bereichert, so dafs der Phantasie eine um so breitere Basis zur Ankn\u00fcpfung von Vorstellungen und Gedanken dargeboten wird. Betrachten wir von diesem Gesichtspunkte aus einige Produkte des Kunsthandwerks.\nEine Art der Bereicherung besteht in der detaillierten Ausgestaltung der Individualit\u00e4t der Gegenst\u00e4nde selbst bzw. in der Hervorhebung der einzelnen Teile der letzteren. So ist an den meisten k\u00fcnsterisch geformten Kr\u00fcgen der eigentliche Fl\u00fcssigkeitsbeh\u00e4lter besonders bauchig, der Hals besonders in die L\u00e4nge gezogen, der Henkel hervorspringend und oft nahe an die Ausflufs\u00f6ffnung ger\u00fcckt. Schalen sind bis-","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"Das Geschmackvolle als Besonderheit des Sch\u00f6nen etc.\n87\nweilen noch besondere auf F\u00fcfse gestellt und mit langen Henkeln zum Anfassen versehen. Auf diese Weise erfassen wir ein solches Gebilde nicht mit einem Male, wie sonst in der Praxis, sondern unsere Gedanken werden an den einzelnen Teilen gleichsam immer von neuem festgehalten, wobei es uns so vorkommt, als ob diese Teile das, wozu sie bestimmt sind, uns vor Augen f\u00fchren wollten, und als ob sie dies in einer uns nicht gel\u00e4ufigen, sch\u00f6neren Form zum Ausdruck zu bringen meinten. Wir \u00fcberspannen gleichsam das ganze Gebilde mit einem Vorstellungsgewebe, welches um so reicher ist, je mehr noch weiterhin die einzelnen Teile durch die Beschaffenheit ihrer Substanz und F\u00e4rbung sich genauer abheben. So erscheinen Zimmerm\u00f6bel um so geschmackvoller, je mehr die einzelnen Teile nicht allein durch Potenzierung bez\u00fcglich der Form, sondern auch durch Yariierung in der F\u00e4rbung gesondert hervortreten. Bei St\u00fchlen und Sophas findet man h\u00e4ufig, dafs R\u00fcckenlehne, Armlehnen und Sitz mit hellerer, Untergestell und Beine mit dunklerer F\u00e4rbung versehen sind, indem dabei sowohl bei den hellen als dunkeln Fl\u00e4chen noch durch die Verschiedenheit der Muster Abwechselung hineingebracht wird. Bei Gegenst\u00e4nden, welche ihrer Natur nach keine besonders in die Augen fallende Gliederung gestatten, z. B. bei Blumenvasen, wird der \u00e4sthetische Effekt durch bestimmte Farbenschattierungen und Verzierungen allein erreicht. In vielen F\u00e4llen sind die Gegenst\u00e4nde mit menschlichen oder tierischen Figuren geschm\u00fcckt, welche durch die Haltung, die sie den Gegenst\u00e4nden gegen\u00fcber bewahren, die Gedankenrichtung des Beschauers auf bestimmte Eigenschaften der letzteren hinlenken. Beispiele hierf\u00fcr bilden die Fruchtschalen, welche von menschlichen Figuren emporgehoben oder getragen werden, so dafs sie als B\u00fcrde erscheinen und jene sinnigen Fruchtschalen, auf deren Rande bunte V\u00f6gelein sitzen, welche entweder bereits im Begriff stehen, sich fliegend auf den Grund der Schale hinabzulassen oder aber nur hinunterblicken, indem sie dabei die Flugkraft ihres Gefieders pr\u00fcfen.\nBei einer zweiten Klasse von F\u00e4llen wird die Bereicherung durch das Mitwirken von gemalten oder plastischen Figuren von h\u00f6herem Individualwert erreicht, indem dabei zwischen den auf diese Figuren und auf die Gegenst\u00e4nde bez\u00fcglichen Vorstellungen eine Verflechtung eintritt Wir k\u00f6nnen dabei verschiedene Grade der Verflechtung unterscheiden, je","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\nC. M. Giefsler.\nnach dem Grade der Einf\u00fcgung des Gegenstandes in den Rahmen der \u00e4sthetisierenden Zutaten, des Korollars (corol-larium), wie ich letztere bezeichnen m\u00f6chte.\nDurch das Anbringen von gemalten und plastischen Verzierungen z. B. von Blumen, Bl\u00e4ttern, Fr\u00fcchten, Tieren und Menschen, H\u00e4usern, Landschaften an den Gebrauchsgegenst\u00e4nden wird nur ein \u00e4ufserliches Verflechten erreicht. Hierbei bewahrt die Individualit\u00e4t der Verzierungen, des Korollars noch eine gewisse Selbst\u00e4ndigkeit. Man denke z. B. an die mannigfaltigen Malereien an Wasch- und Trinkgef\u00e4fsen. Hier liegt die Vorstellung des Gebrauchsgegenstandes offenbar aufserhalb des auf die Verzierung bez\u00fcglichen Vorstellungskomplexes. Das \u00e4sthetische Verschmelzen vollzieht sich in der Weise, dafs unsere Seele durch die dem Korollar zugeh\u00f6rigen optimalwertigen Empfindungen in eine ideale Stimmung versetzt wird, und dafs diese Empfindungen gleichsam nach den auf den Gebrauchsgegen-stand bez\u00fcglichen \u00fcberstrahlen, indem sie diese letzteren Empfindungen bis zu einem gewissen Grade durchdringen. Je mehr Leben und einheitliches Verhalten die Korollare zeigen, wie wenn plastische Figuren als Verzierung dienen, um so mehr nehmen sie unsere vorstellende T\u00e4tigkeit gefangen, um so gr\u00f6fsere Bereicherung erf\u00e4hrt die \u00e4rmere Individualit\u00e4t der Gegenst\u00e4nde\nseitens der reicheren Individualit\u00e4t der Verzierungen, um so\n\u2022*\nenergischer greift das \u00c4sthetische \u00fcber. Bestehen die \u00e4sthetischen Zutaten nur in Andeutungen, so erf\u00e4hrt das Spiel der Assoziationen noch eine besondere Verlangsamung und wird um so umfassender. Denn in solchen F\u00e4llen nimmt das Erkennen, das Apperzipieren selbst noch obendrein eine gewisse Zeit in Anspruch, und die deutende Phantasie wird um so energischer angeregt. Alle jene unvollkommenen Nachahmungen von Bl\u00e4ttern, Kelchen, Bl\u00fcten, Ranken oder von Vorg\u00e4ngen aus der Natur z. B. das Kr\u00e4useln der Wellen, wie wir solche und \u00e4hnliche Darstellungen auf Decken, Teppichen, Kleidern, M\u00f6beln oder als Arabesken an den W\u00e4nden finden, zielen darauf hinaus. Hier legt n\u00e4mlich die Kunst viel mehr Momente in diese Gebilde hinein, als sie in Wirklichkeit besitzen w\u00fcrden. Das Zuviel des Gebotenen aber beeinflufst die gestaltende Kraft der Phantasie und steigert auf diese Weise ihre Aktion.\nInniger wird die Verflechtung in denjenigen F\u00e4llen, wo das Praktische und \u00c4sthetische in ihrem Zusammenwirken einen","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"Das Geschmackvolle als Besonderheit des Sch\u00f6nen etc.\n89\nbestimmten Gedanken zum Ausdruck zu bringen scheinen, n\u00e4mlich dann, wenn das Praktische der Gegenst\u00e4nde als Eigenschaft, Attribut oder Funktion der verzierenden Figuren zur Geltung gelangt, bzw. wenn die Gegenst\u00e4nde dem durch das Korollar provozierten Gedanken angepafst erscheinen oder in ihm aufgehen. Hierher geh\u00f6ren u. a. jene Nachahmungen pflanzlicher und tierischer Gebilde, welche durch entsprechende Umgestaltung, Potenzierung, Verschiebung bestimmter Teile Formen erlangen, durch welche sie geeignet werden, als Gebrauchsgegenst\u00e4nde zu dienen, z. B. ein Trinkglas in Form einer Tulpe, ein Baumstumpf als Fidibusbeh\u00e4lter, ein Stamm von Polypentierchen aus buntem Glas als Beh\u00e4lter f\u00fcr Blumenstr\u00e4ufschen. Oder wenn die Fl\u00e4che einer Metallschale vom Haar und Mantel einer Figur gebildet wird, deren Kopf und Oberk\u00f6rper am Rande der Schale sichtbar werden. Oder wenn Malereien von Wasserpflanzen und Wassertieren am unteren Teile eines Spiegels uns auf den Gedanken hinleiten, als h\u00e4tten wir eine ins Endlose ausgedehnte Wasserfl\u00e4che vor uns. Oft sind es phantastisch gekleidete menschliche Figuren oder Tiere, als deren Attribute oder Funktionen der speziell f\u00fcr den Gebrauch bestimmte Teil des Ganzen erscheint z. B. Herolde mit St\u00e4ben, auf welche Lichter gesteckt sind, ein Elefant mit einem Blumenbeh\u00e4lter auf dem R\u00fccken, ein Habicht mit einem Streichholzk\u00e4stchen im Schnabel.\nBei der ersten Gruppe von F\u00e4llen handelte es sich um eine Hinlenkung der Gedankenrichtung des Beschauers auf den Zweck des Gegenstandes, bei der zweiten um eine Ablenkung von demselben, bei der dritten um eine Verh\u00fcllung des Zweckes.\n\u00a78. Die Tiefe der'Einf\u00fchlung.\nEin dritter durchgreifender Unterschied zwischen dem Geschmackvollen und anderen Gattungen des Kunstsch\u00f6nen bezieht sich auf die Tiefe, mit welcher das Ich des Beschauers sich in die Kunstgegenst\u00e4nde einf\u00fchlt.\nDie Betrachtung dieser dritten Besonderheit des Geschmackvollen f\u00fchrt uns auf eine hochinteressante Frage, welche neuerdings bei den \u00c4sthetikern viel Staub aufgewirbelt hat. Es fragt sich n\u00e4mlich, ob es wirkliche Gef\u00fchle sind, mit denen wir uns in ein Kunstwerk einf\u00fchlen oder nur vorgestellte Gef\u00fchle. Obwohl diese Frage wohl zu den schwierigsten der \u00c4sthetik geh\u00f6rt,","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nC. M. Gief\u00ealer.\nist es doch f\u00fcr den vorliegenden Zweck unerl\u00e4fslich, dafs wir unser eigenes Empfinden daraufhin pr\u00fcfen.\nH\u00f6ren wir zuvor, wie die \u00c4sthetiker vom Fach die genannte Frage beantworten. Die beiden Haupt Vertreter der einander gegen\u00fcberstehenden Ansichten sind Lipps1 und Witasek.2 Ersterer behauptet, dafs es wirkliche Gef\u00fchle sind, mit denen man sich einf\u00fchlt, letzterer will nur vorgestellte Gef\u00fchle gelten lassen. Nach Lipps erleben wir z. B. beim Betrachten einer Statue, welche die Geb\u00e4rde des Zornes zeigt, im Falle der \u00e4sthetischen Einf\u00fchlung das Zornigsein selbst mit, wenn auch in freierer gesteigerter Weise, die uns \u00fcber unser empirisches Ich hinaushebt Die Gef\u00fchle, welche wir dabei erleben, sind wirkliche Gef\u00fchle, nicht vorgestellte. Der nacherlebte Zorn ist jedoch losgel\u00f6st vom Wirklichkeitszusammenhange, sofern ihm das reale Objekt fehlt, auf das er gerichtet sein k\u00f6nnte. Dem \u00e4sthetischen Genufs haftet ein ganz bestimmtes Merkmal an, n\u00e4mlich die Tiefe d. h. die Beteiligung der ganzen Pers\u00f6nlichkeit. Die Einf\u00fchlung, und zwar auch die vollendete, welche demnach nichts weiter ist, als eine Identifizierung des sich Einf\u00fchlenden mit dem Objekt, beruht nun nach Lipps auf Assoziation, genauer auf Verschmelzung. Die wahrgenommene Geb\u00e4rde des Zornes reproduziert das eigene Erleben. Dieses weckt die entsprechende Eigent\u00e4tigkeit. Und beide Vorg\u00e4nge fliefsen zu einem zusammen, d. h. sie verschmelzen. Witasek tritt Lipps gegen\u00fcber, indem er behauptet, dafs die Einf\u00fchlung nur in einem Vorstellen von seelischen Tatsachen, zumeist gem\u00fctserregender Natur, bestehe. Man kann sich sehr wohl eine in einem Drama geschilderte Gem\u00fctsstimmung, den Ausbruch einer Leidenschaft anschaulich vorstellen, ohne diese Vorg\u00e4nge an sich wirklich zu erleben. Dies ist z. B. bei allen abstrakten Gef\u00fchlen der Fall. So wird auch eine Trauermusik im allgemeinen mich nicht r\u00fchren, wenn sie mich an eine Abstraktion erinnert, sondern nur dann, wenn ich wirklich eigenen Schmerz empfinde z. B. \u00fcber den Tod eines geliebten Wesens. Dann aber verschwindet der \u00e4sthetische Ge-nufs. Denn die Beziehung auf ein \u00c4ufseres f\u00e4llt weg. Wer die ergreifenden Gestalten eines Grabdenkmals beschaut, der trauert\n1\tTh. Lipps: \u00c4sthetische Einf\u00fchlung. Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 22. 1900.\n2\tSt. Witasek: Zur psychologischen Analyse der \u00e4sthetischen Ein f\u00fchlang. Ebenda 25. 1901.","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"Das Geschmackvolle als Besonderheit des Sch\u00f6nen eic.\n91\nin ihnen, ohne selbst traurig zu sein. Einf\u00fchlung ist also nur Einf\u00fcgung der vorgestellten Gef\u00fchle in das Gesamtbild. Man geht auf im Vorstellen des Objekts, indem man jedoch dabei ein St\u00fcckchen des eigenen Selbst vorstellt.\nWie mich d\u00fcnkt, kann zwischen den beiden einander entgegengesetzten Ansichten von Lipps und Witasek eine Vereinbarung erzielt werden. Da n\u00e4mlich die \u00e4sthetischen Gef\u00fchle in den Bereich der Emotionen (Gem\u00fctsbewegungen) geh\u00f6ren, so werden letztere bei jeder Art der \u00e4sthetischen Einf\u00fchlung ins Spiel treten. Es fragt sich nur, wie weit bei den einzelnen Kunstgattungen die Verschiebung in das Emotionelle hineinreicht. Mit Hinblick darauf k\u00f6nnte man eine obere Grenze, wo das Intellektuelle, die Empfindung vorwiegt, und eine untere, wo das Emotionelle vorwiegt, unterscheiden.\nVersuchen wir es nun, \u00fcber die vorliegende Frage eine eigene Ansicht zu gewinnen, indem wir die einzelnen Kunstgattungen auf die Empfindungen, Gef\u00fchle und Vorstellungen hin pr\u00fcfen, welche sie in uns erzeugen.\nIm voraus ist klar, dafs beim \u00e4sthetischen Genufs ein g\u00e4nzliches Aufgehen des Individuums im Emotionellen ausgeschlossen ist Das Ich darf sich nicht in seinen Gef\u00fchlen verlieren. Denn die in uns erweckten Gef\u00fchle m\u00fcssen ja dem \u00e4sthetischen Gegenst\u00e4nde angeheftet werden. In jedem Falle mufs daher ein Teil des Ich \u00fcbrig bleiben, welcher von der Brandung der Gef\u00fchle nicht bew\u00e4ltigt wird, sondern nur die Rolle des Zuschauers spielt. Bei vollst\u00e4ndigem Aufgehen der Pers\u00f6nlichkeit in ihren\nGef\u00fchlen w\u00fcrde das Gegenst\u00e4ndliche, die Beziehung auf etwas \u2022\u2022\nAufseres schwinden, und man k\u00f6nnte dann nur von einer ungew\u00f6hnlichen Beeinflussung des Ichgef\u00fchls reden, aber nicht von \u00e4sthetischem Genufs. Soll letzterer zustande kommen, so mufs eine fortgesetzte R\u00fcckbeziehung der in uns geweckten Gef\u00fchle auf das Kunstwerk stattfinden. Wir lassen uns ergreifen, stellen aber das ergriffene St\u00fcck unseres Ich uns gegen\u00fcber, indem wir es auf den \u00e4sthetischen Gegenstand \u00fcbertragen und unser gewohntes Ich davon abl\u00f6sen. Lipps hat den \u00e4sthetischen Genufs mehrfach charakterisiert: als ein durch die Einwirkung von aufsen geweckte und durch die Einstimmigkeit mit ihr gesteigerte und in sich selbst frei gemachte Bet\u00e4tigung unseres eigenen Wesens, als die Lust an der Beseelung der Dinge, an der Spiegelung des Ich U8w.","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\nC. M. Gie\u00dfler.\nIch m\u00f6chte der letzteren Definition den Vorzug geben. Denn in dem Ausdruck \u201eSpiegelung\u201c kommt die R\u00fcckbeziehung der bei der Erweiterung reproduzierten Pers\u00f6nlichkeit auf die gewohnte Pers\u00f6nlichkeit deutlicher zur Geltung. Der Umfang des vom Ich auf das Kunstwerk \u00dcbertragenen wird im Laufe der \u00e4sthetischen Betrachtung immer gr\u00f6fser. Und es d\u00fcrfte die M\u00f6glichkeit bestehen, dafs unser Ich sich wenigstens auf Momente verlieren k\u00f6nnte. Wir wollen jetzt daraufhin die einzelnen Kunstgattungen genauer untersuchen und dabei eine dritte Besonderheit f\u00fcr das Geschmackvolle ableiten.\nFassen wir zun\u00e4chst diejenigen Zweige der Kunst ins Auge, welche am meisten zum Herzen sprechen, die Tonkunst und Dicht kunst. Beide besitzen in hervorragendem Mafse die Mittel, Gef\u00fchle nach bestimmten Richtungen hin zu komplizieren, bzw. Vorstellungen von bestimmter Art in uns zu h\u00e4ufen und auf diese Weise die Wirkungen auf unser Gem\u00fct zu potenzieren, sie erm\u00f6glichen ein planm\u00e4fsiges Bearbeiten des Ich. Betrachten wir zun\u00e4chst die rein instrumentale Musik. Sobald eine Musik anf\u00e4ngt, unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, wird unser Inneres unwillk\u00fcrlich bewegt, es werden StimmuDgen und Gef\u00fchle in uns angeregt. Ein lustiger Marsch stimmt uns lustig, eine Trauermusik traurig, dies um so mehr, je weniger die uns jeweilig beherrschenden Gef\u00fchle dagegen kontrastieren, und je mehr wir nach der einen oder anderen Richtung unserem Temperament nach disponiert sind. Das Versetzen in die genannten Stimmungen erfolgt dadurch, dafs in den betreffenden Tonst\u00fccken die \u201eGestaltsqualit\u00e4ten\u201c nachgeahmt sind, welche jenen entsprechen. Bei dem lustigen Marsch der schnelle Rhythmus, das sprunghafte Auf und Nieder, das Vorherrschen der fr\u00f6hlichen Stimmen des Orchesters, entsprechend den Freudenspr\u00fcngen und lautlichen \u00c4ufserungen der Ausgelassenheit, bei der Trauermusik der vorherrschend langsame Rhythmus, das allm\u00e4hliche Heben und Senken, das Klagende der T\u00f6ne, entsprechend dem Gef\u00fchle der Melancholie und den lautlichen \u00c4ufserungen des Schmerzes. Wir k\u00f6nnen uns dem Aufkommen dieser Stimmungen nicht entziehen, sie entstehen in uns verm\u00f6ge einer seelischen Notwendigkeit. Sobald wir jedoch mit diesen Erweiterungen unseres Ich einen \u00e4sthetischen Genufs verbinden wollen, mufs noch ein Faktor hinzukommen, welcher in unserem Verhalten eine bestimmte Modifikation herbeif\u00fchrt. Wir d\u00fcrfen","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"Das Geschmackvolle als Besonderheit des Sch\u00f6nen etc.\n93\nuns alsdann in den Gef\u00fchlen nicht verlieren, sondern m\u00fcssen sie gleichzeitig objektivieren als etwas, das einen bestimmten Wert f\u00fcr uns besitzt Letzteres geschieht mit Hilfe der vorstellenden T\u00e4tigkeit. Es koexistieren also im vorliegenden Falle in uns w\u00e4hrend des \u00e4sthetischen Genusses die Gef\u00fchle der Freude bzw. Trauer und die Objektivationstendenz mit ihren Erfolgen, indem dabei unsere Aufmerksamkeit abwechselnd vom Zust\u00e4ndlichen zum Gegenst\u00e4ndlichen, also von innen nach aufsen und wieder zur\u00fcck oszilliert, so jedoch, dafs w\u00e4hrend jeder neuen Objektivation die genannten Gef\u00fchle als solche eine Schw\u00e4chung erfahren. In diesem abwechselnden Sichversenken in die von dem Kunstwerke ausgehenden Eindr\u00fccke und Sichabl\u00f6sen von denselben besteht \u00fcberhaupt jeder \u00e4sthetische Genufs. Je mehr vom Ich sich verloren hat, je tiefer seine zentraleren Teile ber\u00fchrt sind, um so gr\u00f6fser der Genufs.\nDie allgemeinen Gef\u00fchle der Freude und des Schmerzes vermag die Musik als Grundstimmungen des menschlichen Gem\u00fcts am leichtesten und klarsten zu erzeugen. Sie ist aber auch imstande, Gef\u00fchle anderer Art in allgemeiner Form zum Ausdruck zu bringen, welche vom H\u00f6rer als Abstraktionen spezieller menschlicher Gef\u00fchle wiedererkannt werden, sogar hin und wieder ein spezielles Gef\u00fchl. Und hierin zeigt sich das Genie des Tondichters. Das Erkennen solcher abstrakter Gef\u00fchle von bestimmter Qualit\u00e4t bildet einen Bestandteil des musikalischen Genusses, und es bedarf hierzu noch eines besonderen Kraftaufwandes seitens unseres Intellekts, wir m\u00fcssen diese Gef\u00fchle erst noch aus der Flut des Ganzen herausl\u00f6sen, sie bestimmter fassen. Dieser Umstand dient aber dazu, das Mafs der auf die Objektivierung verwendeten Aufmerksamkeit zu erh\u00f6hen, so dafs infolgedessen in solchen F\u00e4llen musikalischen Geniefsens w\u00e4hrend der Objektivationsphasen die aktuellen, durch die Musik passiv in uns erzeugten Gef\u00fchle gegen\u00fcber der auf das Vorstellen dieser Gef\u00fchle gerichteten T\u00e4tigkeit mehr in den Hintergrund treten. So z. B. wenn wir danach streben, die Behandlung eines gegebenen Leitmotivs in seinen Transformationen zu verfolgen. Besonders m\u00f6chte ich noch hervorheben, dafs die auf musikalischem Wege in uns erzeugten Gef\u00fchle sich als abstrakte aktuell zu halten verm\u00f6gen, ohne dafs sie dabei zu blofs formalen werden, denn die T\u00f6ne greifen unmittelbar am Physio-","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\nC. M. Giefsler.\nlogischen an und halten so die stabilen Teile dieser Gef\u00fchle in Erregung.\nDer rein instrumentalen Musik entsprechen Lyrik und Epik. Bei ihnen \u00fcbernimmt die Sprache die Rolle der Musik und erzeugt ebenfalls allgemeine Gef\u00fchle in uns, wobei das Gegenst\u00e4ndliche, Mensch oder Natur, unbestimmt bleiben kann. Jedoch sind hier die so erzeugten Gef\u00fchle schw\u00e4cher als in der Musik, weil die Sprache nicht direkt, sondern erst durch Vermittelung der Vorstellungen auf die physiologischen Dispositionen des Emotionellen wirkt, und weil es daher einer erh\u00f6hten Willenskraft des H\u00f6rers oder Lesers bedarf, um die durch die Dichtung in uns angeregten Gef\u00fchle anzufachen und sie auf einer bestimmten H\u00f6he zu erhalten. Um so leichter verliert sich auch w\u00e4hrend der Objektivation der geringe Gehalt von Aktualit\u00e4t, welcher diesen Gef\u00fchlen anhaftet.\nWie wir sehen, besteht also der \u00e4sthetische Genufs, den uns die rein instrumentale Musik, Lyrik und Epik verschaffen, in dem abwechselnden Erf\u00fcllen unseres Ich mit allgemeinen aktuellen Gef\u00fchlen und vorgestellten Gef\u00fchlen. Allgemeine Gef\u00fchle aber sind nur imstande oberfl\u00e4chlich zu ergreifen, und so versenkt sich auch unser Ich im allgemeinen nicht tiefer in das Geh\u00f6rte und Gelesene.\nDamit die allgemeinen Gef\u00fchle zu speziellen sich verdichten, und damit unser Gem\u00fct tiefer ber\u00fchrt wird, m\u00fcssen uns bestimmte Vorstellungen von Wesen gegeben werden, namentlich bestimmt geformte Pers\u00f6nlichkeiten, wie sie uns Oper und Trauerspiel vorf\u00fchren. Beide Arten der Kunst zeigen uns plastische Gestalten voller Leben und Wirken, welche die seelischen Konflikte, in die sie geraten, durch bestimmte Geberden zum Ausdruck bringen. Je leidenschaftlicher letztere sind, um so mehr wird unsere Phantasie erregt. Kommen hierzu geschickte tonale Vereinigungen der orchestralen Instrumente, so gelingt es dem Komponisten, unser Ich v\u00f6llig zu \u00fcberrumpeln, es momentan v\u00f6llig gefangen zu nehmen. Mir schweben hierbei vorherrschend WAGNEn\u2019sche Opern vor. Bei ihnen kommt zu den Einwirkungen auf Phantasie und Gem\u00fct noch das Sinnverwirrende hinzu, jene k\u00fcnstlich geschaffenen, mehr physiologischen Ersch\u00fctterungen des Nervensystems. Die motorische Seite ist ja nach Ribot das Wesentlichste des Affekts. Es kann daher auf die geschilderte Weise der Fall eintreten, dafs w\u00e4hrend","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"Das Geschmackvolle als Besonderheit des Sch\u00f6nen etc.\n95\neiner aufs \u00e4ufserste gespannten Affektion durch das Hinzukommen eines auf instrumentalem Wege herbeigef\u00fchrten, rein mechanischen \u201eChocs\u201c wir momentan die Selbstdirektion verlieren , und dafs unsere Erregung die Diremptionsschwelle1 erreicht\nDie Schauspielkunst verf\u00fcgt nicht \u00fcber dieselben \u00e4ufseren Mittel wie die Oper. Doch kann etwas \u00c4hnliches im Drama erzielt werden durch naturwarme Darstellung von augenf\u00e4lligen Katastrophen, welche als Schlufspunkte ersch\u00fctternder Szenen eintreten. Der Zuschauer vergifst auf Momente, dafs es sich um eine Nachahmung handelt, das Tragische des Falles nimmt ihn vollst\u00e4ndig gefangen. Solche Stellen v\u00f6lligen Ergriffenseins des Ich dienen in beiden K\u00fcnsten dazu, den Kunstgenufs noch zu erh\u00f6hen, sie beeinflussen die Wertsch\u00e4tzung, welche wir dem Kunstwerke angedeihen lassen. In der Oper und im Drama kann also das Sichversenken des Ich in die aktuellen Gef\u00fchle, von denen es erf\u00fcllt wird, besonders intensiv werden, die Amplitude des Schwankens zwischen dem Sichversenken und Sich-abl\u00f6sen kann sich so weit ausdehnen, dafs die Erregung momentan die Diremptionsschwelle erreicht Je intensiver aber diese Gef\u00fchle sind, um so schwerer verlieren sie sich w\u00e4hrend der Objektivierung.\nDie Gegenst\u00e4nde der nicht dramatischen Schauspielkunst bewegen uns weniger tief, sie sind nicht in dem Mafse wie das Dramatische geeignet, die Tiefen unseres Innern aufzuw\u00fchlen. Wir versenken uns wohl in die Gem\u00fctsverfassung der handelnden oder geschilderten Personen. Durch das Wiederfinden unserer eigenen Zust\u00e4nde in anderen Personen erlangen erstere wie wir selbst gleichsam eine um so gr\u00f6fsere Existenzberechtigung. Es wird uns Gelegenheit gegeben, unsere eigensten Empfindungen, die wir aus gesellschaftlichen R\u00fccksichten, so oft zu unterdr\u00fccken oder zu maskieren gen\u00f6tigt sind, im vollsten Umfange hervortreten, sie in der Gem\u00fctsverfassung der handelnden Personen wiederspiegeln zu lassen. Doch haben wir selbst\n1 Unter Diremptionsschwelle verstehe ich denjenigen Zeitpunkt innerhalb einer affektiv verlaufenden Erregung, in welchem die kompensierende Wirkung der Willenst\u00e4tigkeit gegen\u00fcber dem automatischen Verhalten des durch die physiologische Erregung beeinflufsten Motorischen und des Ideomotorischen erlahmt. Vgl. Gixssleb: Die Gem\u00fctsbewegungen und ihre Beherrschung. Leipzig 1900.","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nC. M. Giefsler.\ndie betreffenden Gem\u00fctsbewegungen nicht. Letztere gelangen daher auch nur formell als vorgestellte zur Einf\u00fchlung.\nDie Gebilde der Skulptur und Malerei sind in Anbetracht ihrer Unver\u00e4nderlichkeit im Vergleich zu den Gebilden der Musik und Schauspielkunst starrer Natur. Wir haben infolge dessen bei ersteren jenes passive Ergriffensein bei weitem nicht in dem Mafse als bei letzteren. Es fehlt ein geordnetes Dirigieren der Gef\u00fchle von aufsen her, eine von aufsen angefachte Erh\u00f6hung ihrer Intensit\u00e4t und Komplizierung, also ein plan-m\u00e4fsiges Bearbeiten des Ich. Statt dessen h\u00e4ngt die Entwicklung des Emotionellen in uns vorherrschend von den Vorstellungen und Gef\u00fchlen ab, die wir selbst willk\u00fcrlich dem Kunstwerk assoziieren, bzw. deren Assoziierung wir beg\u00fcnstigen. Ob daher wirkliche Gef\u00fchle beim Betrachten eines Kunstwerks aus dem Gebiete der Skulptur oder Malerei in uns aufkommen, und wie stark sie sind, h\u00e4ngt vor allem von dem Interesse ab, welches wir demselben zuwenden und davon, ob das zur Darstellung gelangende Motiv uns \u201ean die Seele greift\u201c. Betrachten wir eins der ergreifendsten Gem\u00e4lde, den sterbenden Christus von Selige\u00bb. Tiefstes Mitleid erf\u00fcllt uns, wenn wir in dieses Antlitz schauen. Eine ganze Welt von Seelenschmerzen, Entbehrungen und Entt\u00e4uschungen glauben wir darin zu entdecken. Wir f\u00fchlen das \u00dcbermafs von Leid, welches eine menschen\u00e4hnliche Natur erlitten hat. Es entwickeln sich also sehr leicht wirkliche Gef\u00fchle in uns, welche auch w\u00e4hrend der objektivierenden \u00e4sthetischen Einf\u00fchlung nicht g\u00e4nzlich verschwinden. Die meisten Werke der Skulptur und Malerei behandeln allerdings Gegenst\u00e4nde, an denen wir nur oberfl\u00e4chliches Interesse nehmen. Wir beurteilen nur mit Hilfe von reproduzierten eigenen Erlebnissen die Wahrheit des Dargestellten und empfinden Genufs daran. Es handelt sich also nur um das Erzeugen von formellen, nicht von aktuellen Gef\u00fchlen. Z. B. beim Anblick einer Statue, welche die Geb\u00e4rde des Zornes zeigt, empfinden wir keinen wirklichen Zorn, auch keinen allgemeinen, abstrakten, sondern nur formellen. Denn ein allgemeines Gef\u00fchl, welches aus der Abstraktion gef\u00fchlsstarker Vorstellungen entsteht (und nicht durch Abstraktion aus physiologisch erzeugten Gef\u00fchlen) ist kein wirkliches Gef\u00fchl mehr, da die Abstraktion in dem Gesamtkomplex der Gef\u00fchlsvorstellung Bestandteile ausl\u00f6scht, ohne welche ein wirkliches Gef\u00fchl nicht existieren kann.","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Das Geschmackvolle als Besonderheit des Sch\u00f6nen etc.\n97\nDer oben charakterisierten oberen Grenze n\u00e4her steht die Baukunst. Die Einf\u00fchlung in Bauwerke als in Gebilde, denen die Anthropomorphisierung mangelt, weckt nur schwache Analogien zu menschlichen Gef\u00fchlen. Die \u201eGestaltsqualit\u00e4ten\u201c der Gef\u00fchle, welche wir den Bauwerken zu assoziieren pflegen, stimmen nur im allgemeinen mit denen menschlicher Gef\u00fchle \u00fcberein, so wenn wir z. B. von stolzem Bau, gedr\u00fccktem Bogen ubw. reden. Das, was sich dem Betrachter im Bauwerke spiegelt, sind vorherrschend Muskelgef\u00fchle. Und es handelt sich, wie W iTASEK behauptet, nur um ein entferntes Erinnern an menschliche Gef\u00fchle und Tendenzen. Die hier vorkommenden Gef\u00fchle sind daher noch einen Grad formeller als die vorher gekennzeichneten. Sie geh\u00f6ren vorherrschend der Klasse der kin-\u00e4sthetischen an, jenen stumpferen Empfindungen, welche ein Mittelding zwischen Empfindung und Gef\u00fchl darstellen.\nGanz an der oberen Grenze steht das Geschmackvolle. Hier fehlen alle Beziehungen zum Menschlichen. Daher schweigt das eigentlich Affektive. Das Objekt der Einf\u00fchlung bilden aus-schliefslich Sinnesempfindungen. Eine st\u00e4rkere Mitbeteiligung des Emotionellen w\u00fcrde unserer Konzentrierung auf den Gegenstand des \u00e4sthetischen Geschmacks sogar hinderlich sein. Das Emotionelle ist auf die Erregung von Stimmungen beschr\u00e4nkt, unter deren Leitung die Elemente in intellektueller Fassung zur Einf\u00fchlung gelangen. Dies bildet ein drittes wesentliches Moment f\u00fcr die Sonderstellung, welche das Geschmackvolle einnimmt.\nZweites Kapitel.\nBeziehungen zwischen dem sinnlichen und dem \u00e4sthetischen\nGeschmack.\nAuf die Frage, ob zwischen dem \u00e4sthetischen Geschmack und dem sinnlichen Schmecken Beziehungen bestehen, wird man von den meisten Menschen eine verneinende Antwort erhalten. Eine geschmackvolle Vase, ein geschmackvoller Schreibtisch, ein geschmackvolles Kleid haben eben mit dem Schmecken nichts gemein. Immerhin m\u00fcssen Gr\u00fcnde vorhanden sein, weshalb das feinere Sprachgef\u00fchl gewisse \u00e4sthetische Gebilde nicht einfach als sch\u00f6n, sondern speziell als geschmackvoll bezeichnet. Hier-\nZeitBcbrift f\u00fcr Psychologie 34.\t7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nC. M. Giefsler.\nbei d\u00fcrfte es sich in erster Linie um Analogien handeln, d. h. um bestimmte \u00dcbertragungen aus dem Sinnlichen in das \u00c4sthetische. Aus der Psychologie wissen wir, dafs Analogien zwischen Empfindungen disparater Sinne bestehen, so zwischen Farben und T\u00f6nen (hellen Farben und hohen T\u00f6nen, dunklen Farben und tiefen T\u00f6nen), ebenso zwischen Farben und Temperaturempfindungen (kalte und warme Farben), auch spricht man von \u201escharfem Klang\u201c und \u201eges\u00e4ttigter Farbe.\u201c In den genannten F\u00e4llen erstrecken sich die Analogien auf qualitativ bestimmte Gef\u00fchle, welche von einem Sinnesgebiet auf ein anderes \u00fcbertragen werden. Allgemeiner Natur und daher auf allen Sinnesgebieten wiederkehrend sind die formellen Analogien, z. \u00df. die des Harmonierenden und Kontrastierenden. Was nun das Geschmackvolle betrifft, so kommt es durch die Farben am wirkungsvollsten zum Ausdruck. Die Farbengruppierungen bilden den eigentlichen Kern des Geschmackvollen. An ihnen w\u00fcrden demnach die Analogien zwischen dem \u00e4sthetischen und sinnlichen Geschmack vornehmlich einen Halt gewinnen und am reinsten studiert werden k\u00f6nnen. Und zwar wird es sich hier um die formelle Verwandtschaft bestimmter jeweilig beiderseitig zugrunde liegender Stimmungsformen handeln. Die Analogien zwischen beiden Gebieten k\u00f6nnen jedoch noch weiter zur\u00fcckliegen, wir k\u00f6nnen sie weiter r\u00fcckw\u00e4rts verfolgen bis zu den Bedingungen des Schmeckens einerseits, des Geschmackvollen andererseits. Auch diese Bedingungen enthalten n\u00e4mlich insofern Analoges, als es sich in beiden F\u00e4llen um eine bestimmte Beschaffenheit des zur Assimilierung gelangenden Materials handelt F\u00fcr das Geschmackvolle komnit hier die detaillierte Gliederung und Ausgestaltung, der Reichtum an Formen und Gestalten in Betracht Noch eine Klasse von Beziehungen kommt zu den beiden soeben gekennzeichneten analogischen hinzu, die der assoziativen. Hier wollen wir zu zeigen versuchen, wie das Geschmackvolle unter Umst\u00e4nden imstande ist, im feinf\u00fchligen Beschauer bestehende aktuelle Geschmacksempfindungen zu erh\u00f6hen bzw. An kl\u00e4nge an Empfindungsvorstellungen, welche in den Bereich des sinnlichen Geschmacks geh\u00f6ren, zu verst\u00e4rken. Wir h\u00e4tten damit gleichsam eine Erg\u00e4nzung zu den Untersuchungen von Volkelt 1 \u00fcber den \u201e\u00e4sthetischen Wert der niederen Sinne\u201c. Bekanntlich zeigte\n1 Zeitschrift f. Psychologie w. Physiol, d. Sinntsorg. 29, 204. 1902.","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Das Geschmackvolle als Besonderheit des Sch\u00f6nen etc.\n99\nVolkelt, wie umgekehrt von den niederen Sinnen, dem Geruch, Geschmack, den Temperatur- und Tastempfindungen aus Erh\u00f6hungen des \u00e4sthetischen Wertes mannigfacher Gegenst\u00e4nde stattfinden, wie z. B. ein K\u00fcnstler, der sich angesichts eines lachenden fruchtbaren Gel\u00e4ndes am edlen Wein erfreut, durch den Weingeschmack eine Belebung und Bereicherung des \u00e4sthetischen Gesamteindrucks empf\u00e4ngt.\n\u00a7 1. Stimmungsanalogien.\nDie Stimmungsanalogien zwischen dem \u00e4sthetischen Geschmack, wie derselbe in den Farbengruppierungen zum Ausdruck gelangt, und dem sinnlichen Geschmack erstrecken sich auf Stimmungsleere, -harmonie, -kontrast und -Wechsel. \u2014 Wir behaupten bisweilen, dafs bestimmte Speisen oder Fl\u00fcssigkeiten fade schmecken und meinen damit, dafs die von ihnen ausgehende Geschmackserregung eine zu geringe ist. Etwas Analoges hierzu bieten uns gewisse einf\u00f6rmige bzw. matte F\u00e4rbungen an kunstvoll gestalteten Dingen, sie erzeugen in uns den Eindruck der \u00e4sthetischen Geschmacksleere. Sogar beim Anblick jener klassisch geformten, aber einfach braun, weifs, gr\u00fcn oder schwarz gef\u00e4rbten griechischen Vasen empfinden wir etwas von Geschmacksleere. Ganz besonders aber tritt sie dann hervor, wenn wir matte F\u00e4rbungen an denjenigen Fl\u00e4chen der Gegenst\u00e4nde bemerken, wo wir sonst eine Entz\u00fcndung des \u00e4sthetischen Geschmacks durch ein daselbst herrschendes Farbenspiel zu erwarten pflegen. Ich erinnere an jene moderne St\u00fchle und Tische, deren Fl\u00e4chen mit einf\u00f6rmig braunem oder wasserblauem Leder \u00fcberzogen sind. Hier wird der Analyse zu wenig geboten. Infolgedessen gelangt die Empfindung des Geschmackvollen nicht recht zum Durchbruch. V\u00f6llige Geschmacksleere empfinden wir beim Anblick von einf\u00f6rmig weifs oder schwarz gef\u00e4rbten Gegenst\u00e4nden, denen die k\u00fcnstlerische Gestaltung fehlt. Man denke z. B. an Kaffeegeschirr aus weifsem \"Porzellan ohne Malerei, an weife angestrichene Gartenm\u00f6bel, an weifs get\u00fcnchte H\u00e4user, an schwarz lackierte K\u00e4sten usw. Offenbar kennzeichnet der Typus der angef\u00fchrten Beispiele die niedrigste Stufe der Entwicklung des rein sinnlichen Erfassens zum \u00e4sthetischen, \u00e4hnlich wie der fade Geschmack der Speisen die unterste Stufe der sinnlichen Geschmackserregung bezeichnet. \u2014 Betreten wir die n\u00e4chst\nh\u00f6here Stufe, wo das Geschmackliche und Geschmackvolle be-\n7*","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nC. M GiefsUr.\nreits in vollster Wirkung begriffen sind. Bei der Zusammenstellung vieler Speisen spielt die Geschmacksverwandtschaft die Hauptrolle. Sie charakterisiert das gesunde Empfinden des noch unverdorbenen Geschmacks, n\u00e4mlich desjenigen, welcher noch keiner st\u00e4rkeren Kontraste zur Erregung bedarf. So w\u00e4hlt man zu den s\u00fcfslich milden Substanzen, aus denen der Eierkuchen besteht, mit Vorliebe s\u00fcfse Saucen. Die mit n\u00e4hrender Fleischsubstanz gef\u00fcllte Pastete pafst zu dem kr\u00e4ftigen Geschmack der Fleischbr\u00fche. Hier besteht also zwischen den zur resultierenden Geschmacks Wirkung vereinigten Geschm\u00e4cken eine gewisse Verwandtschaft. Etwas \u00c4hnliches haben wir in der Harmonie gewisser Farbenzusammenstellungen. Durchmustern wir daraufhin die Schaufenster der feineren M\u00f6beltischler und Kleiderh\u00e4ndler, so werden wir finden, dafs die zusammengestellten Farbengruppen mit Vorhebe entweder alle auf den hellen oder alle auf den dunklen Ton oder auf eine bestimmte Grundfarbe abgestimmt sind. Hierher geh\u00f6ren Farbenfolgen wie rosa, lila, zitrongelb, weifs oder dunkelrot, dunkelblau, braun, schwarz und \u00e4hnliches, oder Farben\u00fcberg\u00e4nge von orangegelb zu schwefelgelb, von hellgr\u00fcn zu dunkelgr\u00fcn, die Nuancen des Braun auf Pelzen und \u00e4hnliches. Bei den \u00dcberg\u00e4ngen der hellt\u00f6nenden Farben zu weifs, der dunkeln zu schwarz tr\u00e4gt noch ein besonderes Moment zur Erh\u00f6hung der geschmackvollen Wirkung bei. Die letzte Farbe bildet n\u00e4mlich gleichsam eine Abkl\u00e4rung der vorhergehenden. Sie dient dazu, der in der betreffenden Farbenfolge enthaltenen Grundstimmung zum Durchbruch zu verhelfen. \u2014 Die angef\u00fchrten Speisen und die geschilderten Farbenfolgen zeigen nur Nuancen der eingeleiteten Grundstimmung, welche die etwa bestehenden Kontraste \u00fcbert\u00f6nt Wirkliche Kontraste treten bei unvermitteltem Zusammentreffen der Grundqualit\u00e4ten des Geschmacks bzw. der Farben hervor. Bei der Zusammenstellung der eigentlichen Grundqualit\u00e4ten des sinnlichen Geschmacks sauer, s\u00fcfs, bitter, salzig sind n\u00e4mlich wirkliche Geschmacksharmonien nicht zu erzielen. Alle diese Qualit\u00e4ten stehen, wie aus den Untersuchungen von Kiesow1 erhellt, in einem gewissen Kontrast zueinander, abgesehen von s\u00fcfs und salzig, welche auch zugleich komplement\u00e4r\n1 Angek\u00fcndigt schon bei Wundt: Grundz\u00fcge der physiologischen Psychologie. Leipzig 1893. I, S. 441.","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"Das Geschmackvolle als Besonderheit des Sch\u00f6nen etc.\n101\nsich verhalten. Dies geht so weit, dafs wir die Geschmacks-kategorien nicht als verschiedene Qualit\u00e4ten desselben Sinnes, sondern als verschiedene Modalit\u00e4ten, d. h. als verschiedene Sinne betrachten m\u00fcssen, als ebenso selbst\u00e4ndig nebeneinander bestehend wie W\u00e4rme-, K\u00e4lte- und Druckempfindungen. Selbst Variationen der einzelnen Qualit\u00e4ten, d. h. Nuancen des S\u00e4uern und S\u00fcfsen usw. fehlen. Die verschiedenen S\u00e4uren und S\u00fcfsig-keiten vermag man nur durch Beimischung von anderen Geschmacks- oder von Geruchsempfindungen zu unterscheiden.1 \u00c4hnlich kontrastieren auch die Hauptfarben, wenn sie grell auf-treten. Dies gilt in gewisser Weise sogar von den Komplement\u00e4rfarben. Sie wirken in ihrer Zusammenstellung zwar wohltuend auf das Auge, doch birgt der Gesamteffekt, falls diese Farben als satte erscheinen, nebenbei einen gewissen Kontrast in sich. Die betreffenden Farbent\u00f6ne klingen alsdann zu stark. Infolgedessen ist die Erregung, welche sie hervorrufen, eine zu intensive, und es fehlt die zum \u00e4sthetischen Genufs n\u00f6tige Ruhe des Erfassens. Der Gesamteindruck zerf\u00e4llt gleichsam in lauter Teilerregungen, welche von den einzelnen Farben ausgehen, und deren jede das Emotionelle ganz in Anspruch nimmt, so dafs keine Vereinbarung erzielt wird. Um dies einzusehen, prjife man daraufhin z. B. die Wirkung, welche ein Haus mit hellroten Steinen und hellgr\u00fcnen Jalousien auf unser \u00e4sthetisches Gef\u00fchl aus\u00fcbt oder die Bilder mit schwarzem Rahmen und einer besonderen inneren Einrahmung aus hellgrauem Papier.2 Harmonie ist bei der Zusammenstellung der Hauptfarben dadurch zu erreichen, dafs man diese Farben mildert, oder dafs man andere mit geringerem Stimmungswert einschiebt, indem man, wie wir sahen, dieselben auf einen gemeinsamen hellen oder dunkeln Hintergrund bringt, oder indem man sattere Farben im Verlauf einer Folge von matteren Farben auftreten l\u00e4fst, doch so, dafs die Zahl der letzteren \u00fcberwiegt und auf diese Weise das Exaltieren der Gesamtstimmung verhindert. Als Farbenfolgen dieser Art bemerkte ich an einem Schaufenster folgende: mattrot, mattgr\u00fcn, matt-\n1 Obhkwall: Untersuchungen \u00fcber den Geschmackssinn. Slutndinav. Archiv f\u00fcr Physiologie 2. 1890.\n* \u00c4hnlich empfindet Jonas Cohn, wenn er sagt: \u201eDer Kontrast ges\u00e4ttigter Komplement\u00e4rfarben, z. B. von orangegelb und blau, ist angenehm, Bofern nicht durch \u00fcberm\u00e4fsige Helligkeit oder Ausdehnung eine Erm\u00fcdung unseres Auges eintritt. Vgl. J. Cohn a. a. O. S. 169.","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nC. M. Giefslcr.\nbraun; hellgelb, grauweifs und rot; hellbraun, weifslieh, wasserblau. Von Wichtigkeit ist hierbei, dafs die Farben in schmalen, nicht zu breiten Streifen auftreten. Die Anwendung von Farbenzusammenstellungen mit mattem Ton und die Bevorzugung von Farben mit ged\u00e4mpftem Ton an Stelle von hellleuchtenden Farben ist mit besonders geschmackvoller Wirkung verkn\u00fcpft Die matten und ged\u00e4mpften Farbenmuster erzeugen den Eindruck der Vornehmheit. \u2014 Der verw\u00f6hnte oder erm\u00fcdete sinnliche Geschmack bedarf zu seiner Anregung noch eines besonderen Wechsels der Geschmacksstimmung, d. h. entweder der \u00dcberleitung von einer bestehenden Geschmacksstimmung in eine andere oder der diskontinuierlichen Unterbrechung einer bestehenden Geschmacksstimmung durch erregende Substanzen, welche einer kontrastierenden Stimmung angeh\u00f6ren. Die \u00dcberleitung in eine andere Geschmacksstimmung bildet bekanntlich bei der Kochkunst eine grofse Rolle, wo eben durch eine bestimmt geordnete Reihenfolge der Speisen verschiedene Geschmacksstimmungen nacheinander in uns erzeugt werden. \u00c4hnlich sucht man auch im Geschmackvollen, wenn man ausgedehntere farbige Fl\u00e4chen \u00e4sthetisch wirksamer machen will, eine gewisse Abwechselung dadurch herbeizuf\u00fchren, dafs man verschiedene Stimmungen aufeinander folgen l\u00e4fst. So z. B., wenn bei einem Sopha oder gepolstertem Stuhl die Sitzfl\u00e4che eine Folge von bunten Farben zeigt, welche s\u00e4mtlich einen hellen Anflug haben, w\u00e4hrend die Farbenfolge des Untergestells ins Dunkle hineinspielt. Was zweitens die appetitanregende Wirkung gewisser Speisen betrifft, so beruht sie darauf, dafs die entsprechenden Gemenge untermischt sind mit Substanzen, welche durch ihre gr\u00f6fsere Sch\u00e4rfe gegen ein Gros von milden Substanzen w\u00e4hrend des Geniefsens immer von neuem kontrastieren. Etwas Analoges bildet das Auflodern des Farbengef\u00fchls beim Betrachten solcher ausgedehnteren Fl\u00e4chen, z. B. von Vorh\u00e4ngen, Tischdecken, auf denen in der Folge ruhigerer Farbenschattierungen erregende Farben in regelm\u00e4fsiger Abwechslung auftauchen, oft inmitten einer begleitenden Gruppe schmalerer dunklerer Streifen, welche durch den Kontrast die erregende Wirkung noch mehr hervortreten lassen. Beliebte Anregungen des \u00e4sthetischen Geschmacks bei Damentoiletten bestehen darin, dafs der Hals- bzw. Brustschlitz mit einer erregenden Farbenauflage versehen ist, gegen welche die Grundfarbe des Kleides","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Das Geschmackvolle als Besonderheit des Sch\u00f6nen etc.\n103\nkontrastiert So bemerkte ich an einem Schaufenster ein schwarz-gr\u00fcnes Kleid mit einem Halsschlitz aus weifs und hellgelb gl\u00e4nzendem Zeug, ein blaues Kleid mit r\u00f6tlichem Brustschlitz. Der \u00e4sthetischen Wirkung des Aufblitzens der Farben an bestimmten Stellen entspricht im Sinnlichen die Geschmacksanregung durch die sch\u00e4rferen, gew\u00fcrzigen Substanzen.\n\u00a7 2. Analogische Beziehungen in Zufuhr und Bearbeitung des Materials.\nGehen wir nunmehr von diesen speziellen Analogien zu allgemeinen \u00fcber. Wir finden dieselben in den Vorbedingungen f\u00fcr die Bet\u00e4tigung des Geschmackssinnes bzw. f\u00fcr das Zustandekommen der Empfindung des Geschmackvollen. Hiermit verlassen wir also das Gebiet derjenigen Analogien, welche von den Lehrb\u00fcchern der Psychologie anerkannt und benannt werden, indem wir analogische Beziehungen zu erfassen suchen, welche in den allgemeinen Verh\u00e4ltnissen der Zufuhr und Bearbeitung des sinnlichen bzw. psychischen Materials begr\u00fcndet liegen.\nZu den Vorbedingungen des Schmeckens geh\u00f6rt vor allem, dafs die Substanzen f\u00fcr das betreffende Individuum einen gewissen N\u00e4hrwert besitzen. Der Verdauungskanal mufs imstande sein, die Speisen m\u00f6glichst ohne Rest zu blutbildenden Bestandteilen zu verarbeiten, um sie alsdann ins Blut zu resorbieren. Gegen Stoffe, welche zur Ern\u00e4hrung ungeeignet sind, z. B. Holz, Stroh, Glas, Tuch empfindet unser Geschmack eine entschiedene Abneigung. Zu ihnen geh\u00f6ren die meisten der uns umgebenden Stoffe. Ebenso empfindet unser sinnlicher Geschmack auch Widerwillen gegen verdorbene Substanzen. Eine unerl\u00e4fs-liche Bedingung f\u00fcr das Zustandekommen von sinnlichen Geschmacksempfindungen ist ferner die L\u00f6sbarkeit der Stoffe in der Mundfl\u00fcssigkeit, im allgemeinen auch die M\u00f6glichkeit der Zerkleinerung mittels der Z\u00e4hne.\nZu den angef\u00fchrten Tatsachen bieten nun die Bedingungen f\u00fcr das Zustandekommen der Empfindung des \u00e4sthetisch Geschmackvollen Analogien dar. Eine Grundbedingung der \u00e4sthetischen Wirkung \u00e4ufserer Eindr\u00fccke besteht bekanntlich darin, dafs letztere Assoziationen in uns anzuregen verm\u00f6gen. Je weniger bedeutsam und ergreifend der Inhalt eines Kunstprodukts ist, wie bei denjenigen Zusammenstellungen von Formen, Farben oder T\u00f6nen, welche nur geschmackvoll wirken sollen,","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nC. M. Gie\u00dfler.\num so mehr mufs, wie wir obeu sahen, auf andere Weise daf\u00fcr gesorgt werden, dafs das Spiel der Assoziationen in Szene tritt Die betreffenden \u00e4sthetischen Gebilde m\u00fcssen so beschaffen sein, dafs wom\u00f6glich jeder Teilkomplex zum Gegenst\u00e4nde einer \u00e4sthetischen Auffassung werden kann, welche die Phantasie besch\u00e4ftigt. Darin liegt gleichsam eine h\u00f6here geistige N\u00e4hrkraft, welche dem Geschmackvollen eigent\u00fcmlich ist. Wir haben also als Analogie zu dem h\u00f6heren N\u00e4hrwert der als Speisen dienenden Substanzen, welcher die Bedingung daf\u00fcr bildet, dafs der sinnliche Geschmack sich ihnen zuwendet, hier beim Zustandekommen des geschmackvollen Eindrucks als Bedingung die M\u00f6glichkeit einer ergiebigen Erzeugung von Assoziationen auf Grund von Formen-, Farben- oder Tongebilden. Die genannte Wirkung wird bei den r\u00e4umlichen Gebilden durch individuelle Gliederung erzielt, entsprechend jener M\u00f6glichkeit der physischen Zerkleinerung, oder durch schichtenf\u00f6rmige Anordnung, die entweder plastisch oder als Schein durch entsprechende Farbennuancen zum Ausdruck kommt, entsprechend der physischen L\u00f6sbarkeit der Substanzen. So tragen reiche Verzierungen jedenfalls dazu bei, die Gegenst\u00e4nde um so geschmackvoller erscheinen zu lassen. Die weniger bemittelten Klassen der Bev\u00f6lkerung bewegen sich in einem Medium, in welchem die f\u00fcr den Gebrauch bestimmten Gegenst\u00e4nde keinen oder einen ganz geringen \u00e4sthetischen Wert besitzen, analog zu der oben erw\u00e4hnten physischen Ungeniefsbarkeit der meisten uns umgebenden Substanzen. In jedem Falle aber m\u00fcssen die in uns erzeugten Ideen sich m\u00f6glichst rein abheben d. h. m\u00f6glichst frei von Elementen, welche die Klarheit des Erfassens st\u00f6rend beeinflussen k\u00f6nnten. Alles Abgenutzte, Verbrauchte ist daher dem \u00e4sthetischen Eindruck von vorn herein hinderlich, wofern es nicht als notwendige Eigenschaft zum Charakter der jeweilig dargestellten Dinge geh\u00f6rt. Hiermit h\u00e4tten wir eine Analogie zu der Abneigung unseres sinnlichen Geschmacks gegen verdorbene Substanzen.\n\u00a7 3. Assoziative Beziehungen.\nDie bisher gekennzeichneten Beziehungen zwischen \u00e4sthetischem und sinnlichem Geschmack waren analogische. Es gibt aber auch assoziative. Und diese w\u00fcrden hervorragende Ber\u00fchrungspunkte zwischen beiden Gebieten darstellen. Wir","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"Das Geschmackvolle als Besonderheit des Sch\u00f6nen etc.\n105\nkennen F\u00e4lle, in denen der \u00e4sthetische Eindruck den sinnlichen Geschmack hebt So erh\u00f6ht das Garnieren der Speisen die Appetitlichkeit und den Genufs derselben. Aus k\u00fcnstlerisch gestalteten goldenen und silbernen oder krystallischen Gef\u00e4fsen schmeckt es uns besser als aus einfachen Trinkgeschirren. In anderen F\u00e4llen aber, wo nur schwache assoziative Hinleitungen zum sinnlichen Geschmack bestehen, werden dieselben bisweilen unter dem Einfl\u00fcsse der geschmackvollen Gestaltung der betreffenden Substanzen verst\u00e4rkt So kommt es namentlich bei Liebhabern von gr\u00fcnen Salaten vor, dafs das Erblicken einer saftstrotzenden Rasenfl\u00e4che in ihnen insalivatorische Empfindungsvorstellungen wachruft. Derartige Regungen gelangen nun um so mehr zur Geltung, je mehr durch die \u00e4ufsere Gruppierung der pflanzlichen Gebilde f\u00fcr die Wirkung gleichf\u00f6rmiger und in sich geschlossener Massen gesorgt wird, n\u00e4mlich dadurch, dafs die Gr\u00e4ser in gr\u00f6fserer Zahl dicht nebeneinander auftreten und als Gruppen von ihrer Umgebung sich abheben. Dies ist aber bei den in saftigem Gr\u00fcn strahlenden, sorgf\u00e4ltig abgestochenen Rasenbeeten der g\u00e4rtnerischen Anlagen der Fall. Aus dem Gesagten folgt zugleich, dafs innerhalb der Rasenfl\u00e4che keine Unterbrechungen durch Pflanzen eines anderen Typus stattfinden d\u00fcrfen. Befinden sich z. B. zwischen den gr\u00fcnen Halmen hier und da G\u00e4nseblumen, weifser Kopfklee oder gelber Hahnenfufs, so gelangen jene Vorstellungsempfindungen bei weitem nicht in dem Mafse zum Durchbruch. Dasselbe ist der Fall, wenn der Anblick durch unregelm\u00e4fsige Grenzlinien beeintr\u00e4chtigt wird. In unserem Falle also f\u00fchrt das \u00e4sthetische Arrangement der g\u00e4rtnerischen Kultur, welches auf Gleichf\u00f6rmigkeit und Einheitlichkeit hinzielt, eine intensivere Beteiligung der auf das Geschmackliche bez\u00fcglichen Empfindungsvorstellungen herbei. \u2014 \u00c4hnlich kann beim Betrachten geschmackvollen metallischen Geschirrs eine intensivere Bezugnahme auf einen bestimmten sinnlichen Geschmack, n\u00e4mlich auf den metallischen, stattfinden. Diese Erscheinung d\u00fcrfte in folgender Weise sich erkl\u00e4ren lassen: Der blendende Glanz solchen Geschirrs, namentlich jener Tassen, Dosen, Schalen, L\u00f6ffel usw., welche aufsen in Silber, innen in Gold strahlen, nimmt uns in eigent\u00fcmlicher Weise gefangen, er erzeugt verm\u00f6ge seiner Natur einen Zustand intensiverer sinnlicher Erregung, als dies andere Farben imstande sind. Diese Erregung hat das Streben zu irradiieren und fliefst nach den-","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\nC. M. Giefsler.\njenigen Richtungen hin ab, nach denen vom Geschirr aus assoziative Beziehungen bestehen, also im vorliegenden Falle zu den Vorstellungen des Essens und Trinkens. Speziell leitet der Anblick intensiv auf diejenigen Tastempfindungen hin, welche als integrierende Bestandteile mit dem metallischen Geschmack verbunden sind, da diese Kategorie des Geschmacks durch den t\u00e4glichen Gebrauch metallischer Messer, Gabeln, L\u00f6ffel usw. der Vorstellung des Metallischen eng assoziiert ist Denn obwohl Silber und Gold nicht metallisch schmecken, wie dies bei Stahl, Eisen und Kupfer der Fall ist, so nehmen wir doch bei Einf\u00fchrung der erstgenannten Substanzen in die Mundh\u00f6hle die dem metallischen Geschmack charakteristischen Tastempfindungen wahr. Diese assoziative Hinleitung auf den metallischen Geschmack erf\u00e4hrt nun im vorliegenden Falle unter dem Einfl\u00fcsse der geschmackvollen Gestaltung noch eine besondere Verst\u00e4rkung. Die meisten hierher geh\u00f6rigen Beispiele werden individuell begr\u00fcndet sein.\n\u00a7 4. Begr\u00fcndung einer Definition f\u00fcr die Einf\u00fchlung in das Geschmackvolle.\nBetrachten wir die Beziehungen zwischen \u00e4sthetischem und sinnlichem Geschmack noch von einem anderen Gesichtspunkte aus. Unserer Ansicht nach ist n\u00e4mlich bei der Einf\u00fchlung in das Geschmackvolle eine besondere Art des ideellen Betastens im Spiel. Beispiele f\u00fcr ideelles Betasten haben wir vor allem in den Operationen des Gesichtssinnes. Es ist bekannt, dafs die F\u00e4rbungen der Gegenst\u00e4nde f\u00fcr uns unentbehrliche Hilfsmittel zu ihrer r\u00e4umlichen Auffassung bilden. Und zwar verhilft uns die Verteilung von Licht und Schatten nur zur Erkenntnis der allgemeinsten r\u00e4umlichen Verh\u00e4ltnisse der Gegenst\u00e4nde. Die spezielleren F\u00e4rbungen dagegen spiegeln die r\u00e4umlichen Einzelheiten derselben wieder und verhelfen uns auf diese Weise zu genaueren Vorstellungen \u00fcber sie. Es werden also behufs Orientierung \u00fcber Ausdehnung und Gestalt den Farbenkomplexen bestimmte Tastdata ideell assoziiert Die geschmackvollen Dinge nun bieten mit ihren Verzierungen gleichsam ein \u00dcbermafs von ideellen Tastdaten dar, deren gr\u00f6fsere Zahl nicht einer Orientierung \u00fcber den jeweiligen Charakter der Gegenst\u00e4nde dient, sondern eine besondere Zusammenordnung durch die Phantasie erf\u00e4hrt. Solche Zusammenordnungen sind entweder bestimmt","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Das Geschmackvolle als Besonderheit des Sch\u00f6nen etc.\n107\nYorgezeichnet durch Vereinigungen der Elemente zu Gruppen, als Grundlagen f\u00fcr bekannte Vorstellungen aus dem Leben. Oder die gegebenen Elemente bieten nur Anregungen zu solchen Gruppierungen dar, deren Ausgestaltung dem Beschauer \u00fcberlassen bleibt. Es erhebt sich also gleichsam \u00fcber dem Reich des sinnlich-ideellen Tastens ein Reich der Phantasie, jenes durchdringend und gleichzeitig versch\u00f6nernd, idealisierend. Wir haben demnach beim Perzipieren geschmackvoller Gegenst\u00e4nde ein ideelles Betasten in Verbindung mit einem \u00e4sthetischen Gef\u00fchl, also gewissermafsen ein idealisiertes Tasten. Das betastende Verweilen an den einzelnen Punkten tritt hier in den Vordergrund gegen\u00fcber der Bewegung an den Gegenst\u00e4nden hin, weil bei geschmackvollen Gegenst\u00e4nden die \u00e4sthetischen Einzelheiten in gr\u00f6fserer Zahl auf kleinere Fl\u00e4chen zusammengedr\u00e4ngt sind.\n\u00c4hnlich verh\u00e4lt es sich mit der geschmackvollen sprachlichen Darstellung. Die anschaulichen Gebilde, auf welche die lediglich im Dienste der Praxis des Lebens stehende Ausdrucksweise uns hinleitet, zeigen uns nur die gel\u00e4ufigen Auffassungen, und zwar je nach Bed\u00fcrfnis mehr oder weniger bestimmt und ausf\u00fchrlich. Hier besteht also nicht die Tendenz nach Erzeugung feinerer Phaniasiegebilde. Im Gegens\u00e4tze hierzu w\u00e4hlt die geschmackvolle Darstellung ihre W\u00f6rter und Wortverbindungen so, dafs auf Anregung derselben immer mehrere Vorstellungen gleichzeitig mitschwingen, also ein \u00dcberschufs im Denken produziert wird, so dafs die Phantasie \u00fcber einen gewissen Spielraum verf\u00fcgt Wir haben infolge dessen keine unmittelbare Anpassung des Gedankens an anschauliche Gestalten, sondern ein freieres Schweben des Gedankens \u00fcber solchen. Letztere suchen Formen anzunehmen, welche mit der idealeren Stimmung unseres Sprachgef\u00fchls, in die wir versetzt sind, harmonieren. Die \u00c4hnlichkeit mit der Einf\u00fchlung in geschmackvolle Gegenst\u00e4nde liegt hier darin, dafs wieder eine \u00e4sthetische Stimmung auf gewohnte Auffassungen der Praxis idealisierend \u00fcbergreift.\nWerfen wir noch einen Blick in die Architektur der Musik, wrie solche vornehmlich in den Werken der Kammermusik zum Ausdruck gelangt, so begegnen wir hier einem rein formalen Aufbau von Elementen, bei welchem Stimmungen den emotionellen Hintergrund bilden, ohne dafs im H\u00f6rer bestimmte Gef\u00fchle aufkommen. Vergleichen wir z. B. das Klavierquartett op. 25 (6r-moll) von Brahms. Im ersten Teile glauben wir vor-","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nC. M. Giefsler.\nherrschend das Klagende herauszuh\u00f6ren, wie von einer Person, welche Schweres erlebt hat. Im zweiten Teil wird diese Person gespr\u00e4chiger, sie erz\u00e4hlt ihre Geschichte, in rascherem Rhythmus, wobei sie allm\u00e4hlich einen energischeren Ton anschl\u00e4gt, schliefs-lich aber wieder in ihre melancholische Stimmung zur\u00fcckverf\u00e4llt Im dritten Teile mehr zuversichtliches hoffnungsreiches Aus-sich-herausgehen. Das Klagende verschwindet, statt dessen erscheint ein gem\u00e4fsigterer Ausdruck, der an einer Stelle ins Kriegerische hin\u00fcberspielt. Es tritt ein musikalischer Wendepunkt ein. Von jetzt an mehr ruhigere Er\u00f6rterungen. Im vierten Teile das freudige Gef\u00fchl, die seelische Krisis \u00fcberwunden zu haben, eine Art Siegestaumel .... Also \u00fcberall nur das Wogen der Stimmungen, denen der musikalische Ausdruck in entsprechenden Variationen Rechnung tr\u00e4gt. Und es erfolgt daher seitens des sich einf\u00fchlenden H\u00f6rers auch nur ein ideelles Betasten der einzelnen Teile des gebotenen musikalischen Geb\u00e4udes im Lichte der jeweilig angebahnten StimmungsVariationen, jedoch keinerlei speziellere Formung seines Innern durch bestimmte Gef\u00fchle. Bei den Kunstgegenst\u00e4nden bezog sich das \u00e4sthetische Tasten auf sinnlich anschaubare, ruhende Formen, bei der geschmackvollen sprachlichen Darstellung auf schwankende geistige Bilder. Hier dagegen werden die den Stimmungsvariationen entsprechenden Teile des musikalischen Geb\u00e4udes auf die ihnen eigenen Gestaltsqualit\u00e4ten hin betastet.\nAus unserer Auffassung der Einf\u00fchlung in das Geschmackvolle ergibt sich nun die oben angedeutete, allgemeinere verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem \u00e4sthetischen und sinnlichen Geschmack. Ber\u00fccksichtigen wir n\u00e4mlich, dafs nach Kiesow alle sinnlichen Geschmackseindr\u00fccke mit Tastempfindungen verbunden sind, so d\u00fcrfte das Tasten im weiteren Sinne diese Beziehung darstellen. Es ist eine Tatsache, dafs \u00fcberall, wo Substrate f\u00fcr feinere Tastempfindungen geboten werden, der Eindruck des Geschmackvollen sich alsbald erh\u00f6ht. Man denke an den Eindruck, den alles Gl\u00e4nzende auf uns macht, wie die seidenen Stoffe, die Schleier und Gazestoffe, der Glanz der Politur, die metallischen Verzierungen an Gl\u00e4sern, das Schillern der Gef\u00e4fse in Perlmutter, die zur Verzierung der Beete verwendeten Eisgew\u00e4chse usw. Bez\u00fcglich der Wahl des Ausdrucks \u201egeschmackvoll\u201c f\u00fcr die Gegenst\u00e4nde des \u00e4sthetischen Betastens d\u00fcrfte wohl der Hinweis von Wichtigkeit sein, dafs die Tast-","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"Das Geschmackvolle, als Besonderheit des Sch\u00f6nen etc.\n109\nVerh\u00e4ltnisse innerhalb der Mundh\u00f6hle bekanntlich zu den feinsten geh\u00f6ren. Die Tastbilder der \u00e4ufseren Hautfl\u00e4che sind im Verh\u00e4ltnis dazu gr\u00f6berer Natur. Denn die H\u00e4rte der Hornhaut verhindert das Zustandekommen von so feinen Tastwahrnehmungen. Die verh\u00e4ltnism\u00e4fsig geringe Ausdehnung der betastenden Fl\u00e4chen aber beeintr\u00e4chtigt die Kontinuit\u00e4t der Wahrnehmung und somit das gleichzeitige Erfassen zahlreicherer Tasteindr\u00fccke. Wohl aber vermag sich unsere Zunge infolge der gr\u00f6fseren Weichheit ihrer Oberfl\u00e4che genauer an die betasteten K\u00f6rper anzuschmiegen, wobei auch die Klebrigkeit des Speichels mithilft. Gleichzeitig besitzt hier die betastende Fl\u00e4che gr\u00f6fsere Ausdehnung, so dafs hier Tasteindr\u00fccke in gr\u00f6fserer Zahl zugleich perzipiert werden k\u00f6nnen.\nWir gelangen zu folgender Definition: Die Einf\u00fchlung in das Geschmackvolle besteht in einem phantasie-m\u00e4fsigen Betasten des entsprechenden Substrates im Lichte einer durch dasselbe angeregten idealen Stimmung unseres Inneren. Die leitenden Stimmungen sind immer emotionell gef\u00e4rbt, jedoch mehr intellektueller Natur bei der geschmackvollen sprachlichen Darstellung, sowie bei denjenigen r\u00e4umlichen Kunstgebilden, bei welchen das Formenspiel gegen\u00fcber dem Farbenspiel \u00fcberwiegt, mehr emotioneller Natur bei den Darstellungen der formalen Musik. Die k\u00fcnst-lerischen Farbengruppierungen nehmen eine Mittelstufe ein. Vergleichen wir daraufhin das Obige: Bei Geschmacksleere fehlen die vorhin erw\u00e4hnten \u00fcberz\u00e4hligen Tastdata, die angeregte Stimmung unseres Innern ist hier einf\u00f6rmiger Natur, der Stimmungswert ein \u00e4ufserst geringer. Bei Stimmungsharmonie bestehen verschiedene Nuancen einer bestimmten Grundstimmung. Grelle Farbengruppen k\u00f6nnen deshalb nicht geschmackvoll wirken, weil sie das Emotionelle zu sehr erregen, so dafs zu einem Betasten nicht die n\u00f6tige Gem\u00fctsruhe herrscht Die stimmungsvolle Bewegung unseres Innern wird besonders umfangreich, wenn auf ausgedehnteren Fl\u00e4chen mehrere Farbenstimmungen aufeinander folgen. Anregende Zwischenfarben verhindern das Ermatten der Stimmung. Mit dem Einf\u00fchlen in das Geschmackvolle als einem idealisierten Betasten h\u00e4ngt auch unser obiges Ergebnis zusammen, dafs n\u00e4mlich jeder Teilkomplex des geschmackvollen Substrates in gleicher Weise zur \u00e4sthetischen Auffassung beitr\u00e4gt.","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nC. M. Oiefsler.\nSchlufs.\nDas idealisierte Betasten repr\u00e4sentiert das eigentlich \u201eK\u00f6rperliche\u201c der \u00e4sthetischen Einf\u00fchlung, ein angenehmes Sensationakontinuum neben den mannigfachen Schwankungen und Kontrastierungen unserer Gef\u00fchle, welche das Sich-versenken in den tieferen Gehalt der Kunstwerke mit sich bringt. Das \u201eK\u00f6rperliche\u201c der \u00e4sthetischen Einf\u00fchlung bleibt wohlgef\u00e4llig auch in denjenigen F\u00e4llen, wo die \u00e4sthetische Wirkung eines Kunstwerks zu verschwinden droht, wie im Schauspiel an besonders tragischen oder komischen Stellen, oder da, wo innerhalb der Musik Dissonanzen auftreten oder bei den k\u00fcnstlerischen Darstellungen des H\u00e4fslichen.\n(Eingegangen am 26. September 1903.)","page":110}],"identifier":"lit32854","issued":"1904","language":"de","pages":"81-110","startpages":"81","title":"Das Geschmackvolle als Besonderheit des Sch\u00f6nen und speziell seine Beziehungen zum sinnlichen Geschmack","type":"Journal Article","volume":"34"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:30:17.820918+00:00"}