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{"created":"2022-01-31T13:43:22.204588+00:00","id":"lit18340","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Scheunert, Arthur","role":"author"},{"name":"Walther Grimme","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 48: 27-48","fulltext":[{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der in den Nahrungsmitteln enthaltenen Enzyme und ihrer Mitwirkung bei der Verdauung.\nVon\nArthur Scheunert und Walther Grimmer.\n(Ans der physiologisch-chemischen Abteilung der kgl. s\u00e4chs. tier\u00e4rztlichen Hochschule\nzu Dresden.)\n(Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Ellenberger.)\n(Der Redaktion zugegangen am 29. M\u00e4rz 1906.)\nDurch die Untersuchungen Ellenbergers und seiner Mitarbeiter \u00fcber die Verdauung, der Einhufer und der Wiederk\u00e4uer war seinerzeit festgestellt worden, da\u00df im Magen dieser Tiere eine sehr bedeutende Amylolyse stattfindet, indem die in den Nahrungsmitteln enthaltene St\u00e4rke in l\u00f6sliche Abbauprodukte, Dextrin, Maltose, usw. umgewandelt wird, die dann teilweise weiter in Milchs\u00e4ure gespalten werden.\nSo werden im Magen des Pferdes bei Haferf\u00fctterung von der in diesem Futtermittel enthaltenen St\u00e4rke bis zu 60\u00b0/o,x) bei Maisf\u00fctterung bis zu 50\u00b0/o2) und mehr verdaut. Im Mageninhalte finden sich ganz erhebliche Mengen l\u00f6slicher, Feh-lingsche L\u00f6sung reduzierender Abbauprodukte der St\u00e4rke und freie Milchs\u00e4ure. So konnten im Mageninhalte bei Haferf\u00fctterung teilweise 50, ja sogar 120 g Zucker neben 10\u201450 g Milchs\u00e4ure, bei Maisf\u00fctterung (1. c.) bis zu 60 g Zucker nachgewiesen werden. Da im Hafer oft gar kein, im Mais nur eine minimale Menge (0,26\u00b0/o, vgl. S. 32) Zucker vorhanden ist, und da au\u00dferdem, wie wir nachgewiesen haben, im Magen fortw\u00e4hrend eine Resorption der Abbauprodukte der St\u00e4rke, (des Zuckers und der Milchs\u00e4ure) stattfindet, so sind die erw\u00e4hnten, im Mageninhalte\n*) Goldschmidt, Diese Zeitschrift.\nScheunert, Pfl\u00fcgers Archiv, Bd. CIX, S. 145.\n*) Scheunert und Grimmer, Diese Zeitschrift, Bd. XLVII, S. 88.","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nArthur Scheunert und Walther Grimmer,\nauftretenden Mengen dieser Verdauungsprodukte als recht betr\u00e4chtliche zu bezeichnen.\nAls Ursachen f\u00fcr die im Magen der Einhufer und Wiederk\u00e4uer ablaufende St\u00e4rke Verdauung kamen anfangs nach den umfangreichen Ellenbergerschen Untersuchungen zun\u00e4chst nur das von den Speicheldr\u00fcsen produzierte Ptyalin und das in der Magenschleimhaut enthaltene, von gewissen Magendr\u00fcsen produzierte amylolytische Enzym in Betracht. Da aber, wie zahlreiche in unserem Institute durchgef\u00fchrte Versuche dargetan haben, durch diese beiden in ungen\u00fcgender Menge und ungen\u00fcgender Wirksamkeit vorhandenen Enzyme die betr\u00e4chtliche, schon nach kurzer Zeit im Magen herrschende St\u00e4rkeverdauung nicht erkl\u00e4rt werden kann, lie\u00df Ellenberger weitere Untersuchungen zur Auffindung anderer Fermentquellen ausf\u00fchren. Bei dieser Gelegenheit wurde von Goldschmidt1) das Vorkommen eines auf St\u00e4rke saccharifizierend wirkenden Pilzes in der Luft festgestellt, der bei der Nahrungsaufnahme mit in den Magen ein-treten kann, w\u00e4hrend alle Versuche, die das Vorkommen von anderen bei der Magenverdauung mitwirkenden diastatischen Enzymen im Tierk\u00f6rper (Untersuchung der Extrakte der cyto-blastischen Gewebe der Mund- und Rachenh\u00f6hle und der Speiser\u00f6hre, der Tonsillen, der Dr\u00fcsen der Rachenh\u00f6hle, des Schlundkopfes und des Oesophagus) negative Resultate hatten. Die endg\u00fcltige L\u00f6sung der Frage wurde aber erst dadurch herbeigef\u00fchrt, da\u00df Ellenberger die Nahrungsmittel untersuchte. Zur Untersuchung gelangte zun\u00e4chst Hafer, der in einer Mischung mit 60 bis 70\u00b0/o Wasser bei Bluttemperatur in den Brutschrank eingestellt wurde. Die Analyse der abgepre\u00dften Fl\u00fcssigkeit ergab, da\u00df im Digestionsgemisch eine lebhafte, mit der Zunahme der Digestionsdauer wachsende Zuckerbildung eingetreten war.\nWar aber der Hafer vorher auf 100\u00b0 erhitzt worden, so konnte eine Zunahme der etwa im Hafer bereits vorhandenen Zuckermenge mit der Dauer des Aufenthaltes im Thermostaten, also ein amylolytischer Vorgang, nicht beobachtet werden.\nHierdurch kam Ellenberger2) auf die Vermutung, da\u00df\n') Goldschmidt, Diese Zeitschrift, Bd. X, S. 299.\ns) Archiv f. wissenschaftl. u. prakt. Tierheilkunde, Bd. XIII, S. 188.","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der in den Nahrungsmitteln enthaltenen Enzyme usw. 29\nim Hafer selbst ein Enzym vorhanden sein m\u00fcsse, welches unter den im Magen gegebenen Bedingungen eine amylolytische Wirkung auf das St\u00e4rkemehl des Hafers zu entfalten vermag. Ein weiterer Beweis f\u00fcr die Richtigkeit dieser Annahme konnte durch das Tierexperiment erbracht werden. Von 2 Pferden erhielt, nachdem der Magen durch 36 st\u00e4ndiges Hungern von den Resten fr\u00fcherer Mahlzeiten befreit worden war, das eine 2 kg rohen Hafer, w\u00e4hrend das andere 2 kg vorher 5 Minuten in siedendem Wasser erhitzten Hafer vorgelegt bekam. 2 Stunden nach Beendigung der Mahlzeit wurden die Tiere get\u00f6tet und der Mageninhalt auf den Gehalt an Zucker und S\u00e4ure (Milchs\u00e4ure) gepr\u00fcft. W\u00e4hrend das mit rohem Hafer gef\u00fctterte Pferd einen Zuckergehalt von 1,5 \u00b0/o und einen S\u00e4uregrad von 0,4\u00b0/o (als Milchs\u00e4ure berechnet) im Mageninhalte aufwies, wurden bei dem mit gekochtem Hafer gef\u00fctterten Tiere nur 0,5\u00b0/o Zucker und 0,1 \u00b0/o Milchs\u00e4ure gefunden. Durch diese Versuche war demnach bewiesen, da\u00df im rohen Hafer ein durch Siedehitze zerst\u00f6rbares, unter den im Magen gegebenen Bedingungen kr\u00e4ftig wirkendes amylolytisches Enzym vorhanden ist, und da\u00df ein Teil, und zwar kein unbetr\u00e4chtlicher, der im Magen ablaufenden St\u00e4rkeverdauung der Wirkung dieses Enzyms zugeschrieben werden mu\u00df.\nDiese, auf die Ermittelung von in den Nahrungsmitteln enthaltenen, bei der Magen- und Darmverdauung wirksamen Enzymen gerichteten Untersuchungen sind im Laufe der Jahre in unserem Institute fortgesetzt, auf die verschiedensten Nahrungsmittel ausgedehnt und gelegentlich anderer Arbeiten nachgepr\u00fcft worden. So ist das Vorkommen eines bei K\u00f6rpertemperatur wirksamen, amylolytischen Fermentes in verschiedenen Mehlsorten, sowie im Roggenstroh und Wiesenheu, *) und das Vorkommen eines proteolytischen und Milchs\u00e4ure bildenden Enzymes im Hafer nachgewiesen worden.\nDas Vorkommen von diastatischen und proteolytischen Enzymen in den Pflanzen und Pflanzensamen, besonders in keimenden Samen, ist eine schon l\u00e4ngst bekannte und durch viele ausgezeichnete Experimentaluntersuchungen belegte Tat-\n') Veterin\u00e4rber. 18.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\tArthur Scheunert und Walther Grimmer,\nsache. Die dar\u00fcber existierende Literatur ist sehr umfangreich, doch liegt keine Veranlassung vor, darauf n\u00e4her einzugehen, da es sich bei den in unserem Institute ausgef\u00fchrten Untersuchungen lediglich darum handelte, das Vorhandensein von solchen Enzymen in den pflanzlichen Nahrungsmitteln nachzuweisen, welche imstande sind, die wichtigsten N\u00e4hrstoffe derselben (Kohlehydrate, Eiwei\u00dfk\u00f6rper und Fette) unter den Bedingungen, denen sie im Verdauungsschlauehe ausgesetzt sind, zu den f\u00fcr den Organismus verwertbaren Produkten abzubauen. Diese Frage, welche f\u00fcr die Beurteilung der Verdauungsvorg\u00e4nge besonders der Herbi- und der Omnivoren von der weitgehendsten Bedeutung ist, sind in der oben erw\u00e4hnten Literatur kaum erw\u00e4hnt worden.\nDurch die eingangs geschilderten Untersuchungen von Ellenberger und seinem Mitarbeiter V. Hofmeister ist zum erstenmal auf die gro\u00dfe Rolle, die die Nahrungsmittelenzyme bei der Verdauung spielen, hingewiesen worden. Bei der Fortsetzung derartiger Versuche, die in unserem Institute auf einige weitere, teilweise als K\u00f6rnerfutter dienende Futtermittel ausgedehnt wurden, haben sich einige neue Tatsachen ergeben, die im folgenden mitgeteilt werden sollen. Die neuen Versuche erstreckten sich auf Hafer, Mais, Pferdebohnen, Lupinenk\u00f6rner, Buchweizen und Wicken und bezweckten, das Vorkommen und die Wirkung eines amylolytischen, proteolytischen, Milchs\u00e4ure bildenden und cytohydrolytischen Enzyms unter den im Magen und Darm w\u00e4hrend der Verdauung herrschenden Verh\u00e4ltnissen festzustellen.\nUntersuchung fiber das zuckerbildende Nahrungsmittelenzym.\nZun\u00e4chst wurde in jedem Nahrungsmittel der in ihm enthaltene, l\u00f6sliche Zucker bestimmt, indem je 5 g der Nahrungsmittel mit der 10 fachen Menge eiskalten Wassers \u00fcbergossen wurden und nach gr\u00fcndlichem Vermengen eine Viertelstunde im Eisschrank sich selbst \u00fcberlassen blieben. Im Filtrat erfolgte dann nach der weiter unten beschriebenen Methode die Bestimmung des gel\u00f6sten Zuckers. Zur Untersuchung auf das Enzym gelangten die Nahrungsmittel, in denselben Mengen-","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der in den Nahrungsmitteln enthaltenen Enzyme usw. 31\nVerh\u00e4ltnissen mit Wasser gemengt, auf 2 und 6 Stunden bei 39\u00b0\u201440\u00b0 in den Br\u00fctofen. F\u00fcr jede Verdauungszeit setzten wir stets eine besondere Portion in einem besonderen Erlen-meyerk\u00f6lbchen an, da sich herausstellte, da\u00df bei Entnahme der Proben f\u00fcr die verschiedenen Verdauungsstunden aus demselben K\u00f6lbchen infolge der dadurch hervorgerufenen Fl\u00fcssigkeitsverminderung ungenaue Resultate erhalten wurden. Da es ferner von Interesse schien, die Wirkung des Enzyms nicht nur bei neutraler Reaktion, die im Mageninhalte wenigstens gleichzeitig an allen Stellen niemals herrscht, kennen zu lernen, f\u00fchrten wir die Verdauungsversuche auch noch bei alkalischer, entsprechend der rein amylolytischen Periode der Magenverdauung (0,2 \u00b0/o Na2COs) und schwach salzsaurer, entsprechend der sp\u00e4teren gemischt amylolytisch-proteolytischen und der vorwiegend proteolytischen Periode Reaktion (0,2\u00b0/o HCl) aus.\nZur Bestimmung des Zuckers versetzten wir nach Ellenberger das Gemisch unter Umsch\u00fctteln zun\u00e4chst mit 10 ccm Phosphorwolframs\u00e4urel\u00f6sung und 10 ccm einer Salzs\u00e4ure vom spezifischen Gewicht 1,125, um die in L\u00f6sung befindlichen Eiwei\u00dfk\u00f6rper (mit Einschlu\u00df von Albumosen, Proteosen, Peptonen usw.), deren Anwesenheit die quantitative Zuckerbestimmung st\u00f6rt, zu entfernen. Nach einiger Zeit setzt sich bei dieser Behandlung der Niederschlag zu Boden. Hierauf wird die \u00fcberstehende Fl\u00fcssigkeit abfiltriert, und der Filtrierr\u00fcckstand mit Wasser solange ausgewaschen, bis im Filtrat eine Zuckerreaktion nicht mehr erhalten werden kann. Das Filtrat wird hierauf mit Natronlauge alkalisiert, der eventuell entstehende Phosphorwolframs\u00e4ureniederschlag abfiltriert und das so erhaltene klare und schwach alkalische Filtrat auf 200 ccm gebracht. In je 20 ccm dieses Filtrates wird der Zucker nach der Allihnschen Methode bestimmt und als Dextrose in Rechnung gebracht. Die Resultate unserer Versuche sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt.\nWie aus der Tabelle hervorgeht und auch schon fr\u00fcher in unserem Institute nachgewiesen worden ist, ist der Zuckergehalt der Nahrungsmittel sehr verschieden. W\u00e4hrend wir im Buchweizen gar keinen oder nur Spuren von mit Wasser extrahier-","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nArthur Scheunert und Walther Grimmer,\nbarem Zucker vorfanden, fanden sich in den Lupinen 3,4 \u00b0/o vor. \u00c4hnliche Unterschiede ergaben schon die fr\u00fcher ausgef\u00fchrten Versuche, bei denen im Erbsenmehl nur Spuren, in Kartoffeln, Reis und Stroh ca. 0,1 \u00b0/o, in Gerste, Roggen, Hafer, Mais ca. 0,2\u20140,5\u00b0/o und im Wiesenheu 2\u00b0/o Zucker gefunden worden waren. Es mag hierzu noch bemerkt werden, da\u00df der Zuckergehalt jedes Futtermittels f\u00fcr sich auch verschieden ist, je nach dem Alter, der Art der Aufbewahrung usw., man findet also Hafer, der zuckerfrei ist, solchen der 0,2\u00b0/o, anderen, der 0,5 \u00b0/o Zucker enth\u00e4lt usw. Es mu\u00df also jedes zu einem Versuche verwendete Futtermittel in jedem Falle analysiert werden.\n\tZucker in\tDauer des\tZucker im Mittel in Prozenten w\u00e4hrend\t\t\nNahrungs- mittel\tProzenten\tAufent-\t\tdes Versuches.\t\n\tzu Beginn des\thaltes\tDie Reaktion der Verdauungsfl\u00fcssigkeit ist beim Versuchsbeginn:\t\t\n\t\t\tsauer\t\talkalisch\n\tVersuchs\tBrutofen\t0,2 \u00b0/o HCl\tneutral\t0,2 > Na,COs\n\t\t2\t0\t1,27\t1,52\nMais\t0,26\t4\t\u2014\t2,07\t\u2014\n\t\t6\tSpuren\t2,77\t2,88\n\t\t8\t\u2014\t3,31\t\u2014\nHafer\t0,81\t2\t0\t\u2014\t1,32\n\t\t6\tSpuren\t\u2014\t2,20\nPferde-\t1,6\t2\t1,03\t3,03\t4,13\nh\u00f6hnen\t\t6\t3,6\t6,6\t5,4\nLupinen\t3,38\t2 6\t2,68 4,6\t3,84 9,4\t3,60 8,35\nBuch-\t0\t2\t0\t0\t0,69\nweizen\t\t6\tSpuren\tSpuren\t2,10\nWicke\t2,1\t2\t1,55\t3,03\t2,03\n\t\t6\t3,2\t7,5\t10,5\nBei den neu untersuchten Futtermitteln nahm, wie bei den fr\u00fcher untersuchten, bei den bei Bluttemperatur angestellten Verdauungsversuchen die Zuckermenge im Verdauungsgemisch von Stunde zu Stunde zu. So ist im Maximum unter den g\u00fcnstigsten Bedingungen nach 6 st\u00e4ndiger Verdauungszeit der","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der in den Nahrungsmitteln enthaltenen Enzyme usw. 33\nZuckergehalt bei Mais auf das 10 fache, bei Wicken um das 5 fache, bei Pferdebohnen um das 4fache, bei Lupinen um das 3 fache der urspr\u00fcnglich in den rohen Fr\u00fcchten enthaltenen Zuckermenge gestiegen. Die Erkl\u00e4rung dieser Tatsache kann nur in der Wirkung eines amylolytischen Enzyms gefunden werden, welches in den rohen Fr\u00fcchten enthalten ist und seine Wirkung unter den gegebenen Versuchsbedingungen auf das St\u00e4rkemehl derselben entfaltet.\nBesonders bemerkenswert ist, da\u00df wir auch jetzt wieder feststellen konnten, da\u00df die Nahrungsmittel, die den reichlichsten Gehalt an Zucker aufweisen, auch beim Verdauungsversuch die gr\u00f6\u00dften Zuckermengen zu bilden verm\u00f6gen. Am zueker\u00e4rmsten ist der Buchweizen, der \u00fcberhaupt keinen Zucker enth\u00e4lt, in ihm hat sich nach 6 Stunden in alkalischer L\u00f6sung erst 2\u00b0/o Zucker gebildet, Wicken und Lupinenk\u00f6rner, mit dem gr\u00f6\u00dften Zuckergehalt, haben nach gleicher Zeit die gr\u00f6\u00dfte Menge - (8\u201410\u00b0/o) gebildet.\nVon besonderem Interesse erscheint ferner die Betrachtung der Wirkungsweise des saccharifizierenden Nahrungsmittelenzyms bei verschiedener Reaktion des Verdauungsgemisches. Wir w\u00e4hlten, wie oben erw\u00e4hnt, \u00e4hnliche Konzentrationen von S\u00e4ure und Alkali, wie sie im Magen- und Darminhalt der Pflanzenfresser w\u00e4hrend der Verdauung zu herrschen pflegen, und k\u00f6nnen auf Grund der vorstehenden Tabelle feststellen, da\u00df das amylolytische Enzym aller von uns untersuchten Nahrungsmittel bei schwach alkalischer und mit Ausnahme des Buchweizens auch bei neutraler Reaktion eine saccharifizierende Wirkung zu entfalten vermag. Je nach der Art der Nahrungsmittel und der Dauer der Verdauung wird diese Wirkung durch alkalische oder neutrale Reaktion beg\u00fcnstigt. Auf alle F\u00e4lle kann das Enzym unter den in unserem Institute zuerst erkannten Bedingungen, die w\u00e4hrend der ersten und im Anf\u00e4nge der zweiten Periode der Magenverdauung der Herbi- und Omnivoren bei Aufnahme einer st\u00e4rkehaltigen Nahrung im Magen herrschen, eine kr\u00e4ftige St\u00e4rkeverdauung bewirken.\nBemerkenswert scheinen uns besonders die Resultate zu sein, die wir bei den Verdauungsversuchen bei schwach saurer\n3\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. XLVIII.","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\tArthur Scheunert und Walther Grimmer,\nReaktion erhalten haben. Das im Hafer, Mais und Buchweizen enthaltene amylolytische Enzym wird offenbar durch eine Konzentration von 0,2\u00b0/\u00ab HCl wirkungslos gemacht, da sich auch nach l\u00e4ngerem Aufenthalte im Thermostaten nur Spuren von Zucker im Verdauungsgemisch nachweisen lie\u00dfen. Das amylolytische Enzym der Pferdebohnen, Lupinenk\u00f6rner und der Wicke hingegen verliert hierbei seine Wirksamkeit nicht, sondern beh\u00e4lt dieselbe, wenn auch in geringerem Ma\u00dfe,'bei. Da uns diese Eigenschaft des Enzyms, auch in saurer L\u00f6sung wirksam zu sein, sehr merkw\u00fcrdig erschien, haben wir mehrfache Kontroll-versuche angestellt, die bei den betreffenden Nahrungsmitteln unsere Ergebnisse best\u00e4tigten.\nF\u00fcr den Ablauf der Magenverdauung der Pflanzenfresser d\u00fcrfte dieser Befund von gro\u00dfer Bedeutung sein. So haben z. B. beim Pferde die Untersuchungen von Ellenberger und Hofmeister1) dargetan, da\u00df das f\u00fcr die St\u00e4rkeverdauung im Pferdemagen neben dem Nahrungsmittelenzym wichtigste Enzym, das Ptyalin des Pf er de Speichels, bei einer Konzentration von 0,02\u00b0/o HCl in seiner Wirkung stark beeintr\u00e4chtigt und durch h\u00f6here Konzentrationen, 0,03\u20140,04\u00b0/o HCl, sogar ganz wirkungslos wird. Bei Hafer- und Maisf\u00fctterung wird also die St\u00e4rkeverdauung an den Stellen des Mageninhaltes unterbrochen werden, an denen eine solche Salzs\u00e4urekonzentration auftritt, was auch, wie in unserem Institute naehgewiesen worden ist, bekanntlich im Verlaufe der 3. Periode der Magenverdauung in der Fundusdr\u00fcsenregion der Fall ist. Gibt man hingegen ein Nahrungsmittel, dessen amylolytisches Enzym noch bei einer Konzentration von 0,2 \u00b0/o HCl wirksam ist, so wird die St\u00e4rkeverdauung auch in den sp\u00e4teren Verdauungsstunden, in denen bei den Herbivoren im h\u00f6chsten Falle eine Konzentration von 0,2 \u00b0/o HCl und nur selten von 0,3 \u00b0/o im Magen zu finden ist, erhalten. Die Beobachtung dieser Verh\u00e4ltnisse d\u00fcrfte auch f\u00fcr die Wahl der Futtermittel bei Magenerkrankungen von Bedeutung sein.\nEs mu\u00df weiterhin aber noch darauf aufmerksam gemacht werden, da\u00df im Magen der Pflanzenfresser und der Pflanzen-nahrung aufnehmenden Omnivoren der im Mageninhalte vor-\n*) Archiv f. wissenschaftl. u. prakt. Tierheilkunde, Bd. XII, S. 339.","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der in den Nahrungsmitteln, enthaltenen Enzyme usw. 35\nhandene S\u00e4uregrad nur zu einem geringen Teil von Salzs\u00e4ure, zu einem erheblichen Teile jedoch von Milchs\u00e4ure herr\u00fchrt. Diese organische S\u00e4ure wirkt aber, wie diesbez\u00fcgliche von uns angestellte Versuche zeigen, nicht in dem gleichen Grade wie die Salzs\u00e4ure hemmend und hindernd auf die diastatische Wirkung des amylolytischen Nahrungsmittelenzymes (z. B. in Hafer und Mais) ein. Bei den Verdauungsversuchen in vitro wirkte dieses Enzym immer noch saccharifizierend, trotzdem infolge der daneben ablaufenden Milchs\u00e4ureg\u00e4rung sich die S\u00e4ure derart ansammelte, da\u00df sich im Verdauungsgemische 0,3\u20140,4 \u00b0/o Milchs\u00e4ure vorfanden.\nAuch die mit Zusatz von Milchs\u00e4ure angestellten Versuche haben gezeigt, da\u00df die Milchs\u00e4ure in Konzentrationen von 0,5 \u00b0/o und dar\u00fcber das Enzym in seiner Wirkung nicht behindert.\nEs geht aus allem diesen hervor, da\u00df das amylolytische Nahrungsmittelenzym des Hafers, des Maises etc., dessen Wirkung durch 0,1- und 0,2\u00b0/oige Salzs\u00e4ure aufgehoben wird, sehr wohl noch saccharifizierend im Magen wirken kann, trotzdem der Mageninhalt einen S\u00e4uregrad von 0,2 \u00b0/o und dar\u00fcber zeigt, falls dieser S\u00e4uregrad nicht durch das Vorhandensein von freier Salzs\u00e4ure hervorgerufen wird, bzw. falls diese S\u00e4ure neben der Milchs\u00e4ure nicht in gen\u00fcgend hoher, eine Hemmung der amylolytischen Wirkung verursachender Konzentration vorhanden ist. Diese Tatsache ist von gro\u00dfer Bedeutung f\u00fcr die Beurteilung der Magenverdauung der Herbi- und Omnivoren.\nBei der Betrachtung der bei den Verdauungsversuchen in. salzsaurer L\u00f6sung gewonnenen Prozentzahlen f\u00e4llt auf, da\u00df bei s\u00e4mtlichen Nahrungsmitteln nach 2 Stunden weniger Zucker im Verdauungsgemisch vorhanden ist, als darin \u00fcberhaupt bei viertelst\u00fcndiger Extraktion im Eisschranke nachgewiesen werden konnte. Wir glaubten zuerst, da\u00df unsre Methode der Bestimmung des Zuckergehaltes der Nahrungsmittel insofern nicht einwandfrei sei, als vielleicht bei neutraler Reaktion schon im Eisschrank durch Enzymwirkung eine Vermehrung ihres Zuckergehaltes veranla\u00dft werde. Es wurde deshalb ein Kontrollversuch ausgef\u00fchrt, bei dem wir, um Enzymwirkung auszuschlie\u00dfen, zur Extraktion eine l\u00b0/oige\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\nArthur Scheunert und Walther Grimmer,\neisgek\u00fchlte Salzs\u00e4ure verwandten und alle Manipulationen ausschlie\u00dflich im Eisschranke Vornahmen. Die Zuckerbestimmung ergab jedoch genau denselben Wert wie vorher. Eine Erkl\u00e4rung f\u00fcr die erw\u00e4hnte Tatsache kann demnach nur darin gefunden werden, da\u00df infolge der salzsauren Reaktion irgendwelche Vorg\u00e4nge im Verdauungsgemisch ablaufen, die eine Zersetzung der entstehenden reduzierenden Kohlehydrate bewirken, welche wenigstens anf\u00e4nglich betr\u00e4chtlicher ist, als die durch die enzymatische Wirkung bedingte Zunahme derselben. Um festzustellen, ob etwa als Zersetzungsprodukte des Zuckers S\u00e4uren auftreten, stellten wir folgende Versuche mit Proben von Hafer und Pferdebohnen an. Je 2 Proben von je 5 g der beiden Nahrungsmittel wurden mit 50 ccm 0,2\u00b0/oiger HCl, deren Titer gegen n/io-NaOH vorher genau bestimmt worden war, in den Br\u00fctofen eingestellt. Nach einer Viertelstunde unterbrachen wir den Versuch, filtrierten ab und bestimmten im Filtrat von neuem die Acidit\u00e4t mit n/io-NaOH. Dies erwies sich nach Vorversuchen als unbedingt n\u00f6tig, da jedes Nahrungsmittel Bestandteile, die sowohl organischer wie anorganischer Natur sein d\u00fcrften, enth\u00e4lt, welche ein gewisses S\u00e4urebindungsverm\u00f6gen besitzen. Die Zeit von einer Viertelstunde w\u00e4hlten wir, um sicher sein zu k\u00f6nnen, da\u00df dann alle Neutralisations-bzw. salzbildenden Vorg\u00e4nge abgelaufen sein w\u00fcrden, die Acidit\u00e4t des Verdauungsgemisches eine Verminderung also nicht mehr erfahren k\u00f6nne. Nach 2 st\u00fcndigem Aufenthalte im Thermostaten wurde die 2. Probe abfiltriert und wiederum die Acidit\u00e4t mit n/io-NaOH bestimmt. War jetzt ein Anwachsen derselben festzustellen, so k\u00f6nnte dieses wohl nur dadurch erkl\u00e4rt werden, da\u00df Vorg\u00e4nge im Verdauungsgemisch abgelaufen sind, die ein Auftreten freier S\u00e4ure im Gefolge haben. Die Resultate waren folgende:\nI. Hafer:\n25 ccm neutralisieren 16 ccm n/io-NaOH\n25 \u00bb L\u00f6sung von '/< Stunde im Br\u00fctofen neutralisieren 11,6 ccm n/io-NaOH 25 >\t>\t\u00bb 2 Stunden >\t\u00bb\t\u00bb\t12,1 \u00ae\t\u00bb\nAuf Milchs\u00e4ure berechnet war demnach eine Acidit\u00e4tszunahme von 0,18 \u00b0/o erfolgt.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der in den Nahrungsmitteln enthaltenen Enzyme usw. 37 II. Pferdebohnen:\n25 ccm HCl neutralisieren 16,0 ccm a/io-NaOH\n25\t\u00bb L\u00f6sungvon Stunde imBriitofen neutralisieren 11,1 ccmn/io-NaOH\n25 \u00bb\t\u00bb\t\u00bb 2 Stunden \u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t12,3 \u00bb\t\u00bb\nAuf Milchs\u00e4ure berechnet war hier eine Zunahme des S\u00e4uregehaltes um 0,43 \u00b0/o erfolgt.\nOb durch diese Versuche eine Erkl\u00e4rung f\u00fcr das Verschwinden von reduzierenden Kohlehydraten gegeben werden kann, bleibt dahingestellt (man denke an das Auftreten saurer durch Proteolyse entstandener Verdauungsprodukte), jedenfalls erscheint uns das im Verdauungsgemische mit diesem Verschwinden Hand in Hand gehende Anwachsen des S\u00e4uregehaltes durch obige Versuche einwandfrei nachgewiesen.\nWenn aus den Ergebnissen der fr\u00fcheren und der neueren Versuche zu schlie\u00dfen ist, da\u00df Nahrungsmittelenzyme bei der Verdauung der St\u00e4rke im Magen eine gro\u00dfe Rolle spielen, so war es doch n\u00f6tig, auch festzustellen, ob diese Enzyme bei der Darmverdauung ebenfalls wirken k\u00f6nnen.\nIn dieser Richtung ist von uns durch andere Versuche festgestellt worden, da\u00df ein kleiner Teil der aufgenommenen Nahrung den Magen rasch durcheilt, ja beim Pferde tritt ein Teil der Nahrung, ohne der Magenverdauung ausgesetzt gewesen zu sein, schon w\u00e4hrend der Mahlzeit in den Darmkanal \u00fcber. Es kann keinem Zweifel unterliegen, da\u00df in diesen Teilen der aufgenommenen st\u00e4rkemehlhaltigen Nahrung das Nahrungsmittelenzym auch im Darmkanal seine Wirkung entfalten kann, die Galle, der Darm- und Pankreassaft hindern diese Wirkung nicht; bei der in der ersten Zeit im D\u00fcnndarminhalt herrschenden alkalischen Reaktion wirkt das amylolytische Nahrungsenzym sicherlich gut. Sp\u00e4ter wird der Darminhalt infolge der Milchs\u00e4ureg\u00e4rung sauer. Freie Milchs\u00e4ure beeintr\u00e4chtigt aber das Nahrungsmittelenzym in seiner fermentativen Wirkung nicht.\nEin gro\u00dfer Teil der aufgenommenen Nahrung bleibt aber lange im Magen; das amylolytische Enzym wird dann in seiner Wirkung durch die sich ansammelnde Salzs\u00e4ure mehr oder weniger gehemmt. Es ist nun die Frage, ob dieses Enzym im Darmkanale seine Wirksamkeit wieder erh\u00e4lt bzw. beibeh\u00e4lt,","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\tArthur Scheunert und Walther Grimmer,\nwenn die Salzs\u00e4ure nicht mehr zugegen ist, oder ob im Magen durch die Einwirkung der Salzs\u00e4ure auf das Nahrungsmittelenzym dieses nicht nur in der Wirkung gehemmt, sondern zerst\u00f6rt worden ist.\nIn bezug auf das aus dem Tierk\u00f6rper stammende amylolytische Enzym ist fr\u00fcher schon in unserem Institute festgestellt worden, da\u00df die 0,03\u20140,2\u00b0/oige Salzs\u00e4ure dieses Enzym nicht vernichtet, sondern da\u00df dessen Wirksamkeit wiederkehrt, wenn die Konzentration der Salzs\u00e4ure entsprechend gemindert wird, bzw. wenn die Salzs\u00e4ure durch eine organische S\u00e4ure ersetzt oder wenn das durch die Gegenwart der HCl wirkungslose Verdauungsgemisch alkalisiert wird. Allerdings zeigte sich, da\u00df das betreffende Enzym (Ptyalin, amylolytisches Magenenzym), nachdem es der Wirkung einer 0,1\u20140,2\u00b0/oigen Salzs\u00e4ure ausgesetzt gewesen war, schw\u00e4cher wirkte als vorher. Es handelte sich nun darum, festzustellen, wie sich das Nahrungsmittelenzym in dieser Beziehung verh\u00e4lt, ob es also durch die Salzs\u00e4ure in der genannten Konzentration zerst\u00f6rt, oder ob seine Wirksamkeit nur vor\u00fcbergehend gehemmt wird, und wiederkehrt, sobald die HCl entfernt wird. Wir mu\u00dften dieses Enzym also zun\u00e4chst der Wirkung einer 0,1\u20140,2\u00b0/oigen Salzs\u00e4ure aussetzen, dann das Gemisch neutralisieren bzw. alkali-sieren und feststellen, ob das Enzym jetzt \u00fcberhaupt wieder bezw. in verst\u00e4rktem Ma\u00dfe saccharifizierend auf St\u00e4rke wirkt.\nGleichzeitig haben wir auch ein Urteil \u00fcber die Wirkungsf\u00e4higkeit der Enzyme f\u00fcr den Fall zu erhalten versucht, wenn sie zun\u00e4chst der Wirkung von Alkali ausgesetzt werden und dann S\u00e4urezusatz erfolgt.\nWird die durch Salzs\u00e4ure verursachte Hemmung der enzymatischen Wirkung durch Neutralisation oder Alkalisieren wieder aufgehoben, dann ist erwiesen, da\u00df das in der Nahrung enthaltene, im Magen durch die HCl wirkungslose oder geschw\u00e4chte amylolytische Enzym im Darm unter den dort herrschenden Verh\u00e4ltnissen (bei alkalischer oder auch nur durch Milchs\u00e4ure bedingter saurer Reaktion) wieder verdauend wirken kann. F\u00fcr die Tiere hat dies eine gro\u00dfe Bedeutung, weil sie ja fast nur rohe, ungekochte Nahrung aufnehmen. Bei gest\u00f6rter Absonderung des","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der in den Nahrungsmitteln enthaltenen Enzyme usw. 39\nPankreassaftes (Pankreasachylie) und anderen St\u00f6rungen in der Absonderung der in den Darm sich ergie\u00dfenden Verdauungss\u00e4fte ist die Frage, ob das amylolytische Enzym der Nahrung, des Speichels und des Magensaftes im Darm noch wirken kann, trotzdem es im Magen unwirksam geworden war, von sehr gro\u00dfer Bedeutung. Es bleiben dann die durch St\u00f6rungen der St\u00e4rkeverdauung bedingten Folgen der Krankheit aus.\nZur Beantwortung dieser Fragen haben wir einige Versuche in folgender Weise ausgef\u00fchrt. Es wurden zun\u00e4chst bei saurer oder alkalischer Reaktion unter den \u00fcblichen Konzentrationsverh\u00e4ltnissen die Nahrungsmittel 6 Stunden im Br\u00fctofen gelassen, hierauf wurde genau neutralisiert und dann durch Zuf\u00fcgen bekannter Mengen HCl- und Na2C03-L\u00f6sung die der urspr\u00fcnglichen entgegengesetzte Reaktion unter den \u00fcblichen Konzentrationsverh\u00e4ltnissen hergestellt. Nach weiterem 6 st\u00e4ndigen Aufenthalte im Thermostaten wurde der Zuckergehalt bestimmt. Die Versuche, die sich sehr weitl\u00e4ufig gestalteten, sind zu einem endg\u00fcltigen Abschl\u00fcsse nicht gelangt, ihre Resultate deuten darauf hin, da\u00df in einigen Futtermitteln, und zwar in denen, deren St\u00e4rkemehl sowohl in saurer, als auch in alkalischer L\u00f6sung verzuckert wird, z. B. Pferdebohnen, zwei Enzyme vorhanden sind, von denen das eine nur bei schwach saurer, das andre nur bei alkalischer Reaktion das Maximum seiner Wirksamkeit erreicht. Das amylolytische Enzym des Hafers und des Mais scheint durch anf\u00e4ngliche 6 st\u00fcndige Einwirkung von 0,2\u00b0/oiger Salzs\u00e4ure seine amylolytische Wirkung bei sp\u00e4terer alkalischer Reaktion nicht einzub\u00fc\u00dfen. Es kann also, selbst wenn es im Magen w\u00e4hrend l\u00e4ngerer Zeit der Einwirkung der dort vorhandenen HCl ausgesetzt und zeitweise unwirksam war, im Darm unter den dort vorliegenden Verh\u00e4ltnissen wieder verdauend auf die St\u00e4rke der Nahrung wirken.\nIn bezug auf das Vorkommen eines Milchs\u00e4ureenzyms konnten wir feststellen, da\u00df ein solches in s\u00e4mtlichen von uns untersuchten Nahrungsmitteln enthalten ist. Wir stellten je 1 g der Nahrungsmittel mit 50 ccm H20 bei 39\u2014400 in den Br\u00fctofen ein. Nach 2 und 6 Stunden wurde abfiltriert und im","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nArthur Scheunert und Walther Grimmer,\nFiltrat mit n/io-NaOH der S\u00e4uregrad ermittelt, sowie mit Uffel-mannschem Reagens auf Milchs\u00e4ure gepr\u00fcft. Nach 2st\u00e4ndigem Aufenthalte im Thermostaten war nur bei den Lupinenk\u00f6rnern eine deutlich saure Reaktion nachzuweisen, nach 6 Stunden war aber bei s\u00e4mtlichen Versuchen freie Milchs\u00e4ure vorhanden. Nach dem Abfiltrieren gegen n/io-NaOH titriert ergab sich, berechnet auf die angewandte Substanz, folgender Milchs\u00e4uregehalt : Pferdebohnen hatten gebildet: 0,36\u00b0/o Milchs\u00e4ure Lupinenk\u00f6rner\t\u00bb\t\u00bb\t:\t1,08 \u00b0/o\t\u00bb\nBuchweizen\t\u00bb\t\u00bb\t:\t0,36 \u00b0/o\t\u00bb\nWicke\t\u00bb\t\u00bb\t:\t0,18 \u00b0/o\t\u00bb\nOb der von uns festgestellte S\u00e4uregrad lediglich auf Rechnung der Milchs\u00e4ure zu setzen ist, bleibt dahingestellt, jedenfalls konnte freie Milchs\u00e4ure qualitativ stets nachgewiesen werden.\nUntersuchung auf ein in den Nahrungsmitteln vorhandenes proteolytisches Enzym.\nUnsere Untersuchungen auf ein proteolytisches Enzym waren nur qualitativer Art und sollten nur feststellen, ob eine Peptonisierung der in den Nahrungsmitteln enthaltenen Eiwei\u00dfk\u00f6rper unter den im Magen und Darm herrschenden Bedingungen durch ein proteolytisches Nahrungsmittelenzym bewirkt werden kann.\nWir stellten zun\u00e4chst fest, ob in den fraglichen Nahrungsmitteln Pepton vorhanden ist, indem wir je 5 g von fein ge-schrotenem Mais, Lupinenk\u00f6rnern, Buchweizen, Wicken und Pferdebohnen mit 50 ccm Wasser gut vermischt eine Viertelstunde lang im Eisschrank stehen lie\u00dfen, hierauf filtrierten, im Filtrate die Eiwei\u00dfk\u00f6rper mit Essigs\u00e4ure und Natriumsulfat in der Siedehitze entfernten und nach abermaligem Filtrieren und Auswaschen die Biuretreaktion im Filtrate anstellten. In keinem Falle konnte auf diese Weise eine Peptonreaktion erhalten werden.\nZum eigentlichen Versuche gelangten stets 5 g des betreffenden Nahrungsmittels mit 50 ccm H20, 50 ccm HCl (0,2 \u00b0/o) oder 50 ccm Na2C03 (0,2\u00b0/o) auf 24 Stunden bei 39\u201440\u00b0 in den Thermostaten. Nach dieser Zeit wurden die Proben zun\u00e4chst koliert und im Kolat die Eiwei\u00dfk\u00f6rper entfernt, deren Menge z. B. bei den Lupinen so gro\u00df war, da\u00df nach ihrer","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der in den Nahrungsmitteln enthaltenen Enzyme usw. 41\nAbscheidung das ganze Verdauungsgemisch eine breiige Beschaffenheit zeigte. Im Filtrat wurde dann wieder die Biuret-probe angestellt. Die nachfolgende Tabelle enth\u00e4lt die Zusammenstellung der Resultate.\nArt des Nahrungsmittels\tPeptonreaktion. Die Verdauung ging vor siel sauer\t|\tneutral\t\tin L\u00f6sung : alkalisch\nMais\tnegativ\tsehr schwach positiv\tsehr schwach positiv\nPferdebohnen\tsehr stark positiv\tsehr stark positiv\tschwach positiv\nLupinen\tnegativ\tsehr stark positiv\tsehr stark positiv\nBuchweizen\tsehr stark positiv\tstark positiv\tsehr schwach positiv\nWicke\tsehr stark positiv\tsehr stark positiv\tsehr stark positiv\nNach den vorstehend mitgeteilten Versuchsergebnissen erscheint es zweifellos feststehend, da\u00df in allen untersuchten Nahrungsmitteln proteolytische Enzyme enthalten sind, die teils in alkalischer, teils in saurer L\u00f6sung das Maximum ihrer Wirksamkeit entfalten. Mais und Lupinenk\u00f6rner enthalten nur in neutraler und schwach alkalischer L\u00f6sung wirkende proteolytische Enzyme, w\u00e4hrend bei Pferdebohnen und Buchweizen gerade die saure Reaktion des Verdauungsgemisches die Wirkung des Nahrungsmittelenzyms beg\u00fcnstigt. Bei Wicken konnten keine durch die Reaktion der Digestionsfl\u00fcssigkeit bedingten Unterschiede in der Intensit\u00e4t der Peptonreaktion nicht festgelegt werden.\nF\u00fcr die' Verdauungsvorg\u00e4nge im Magen erscheint uns besonders wichtig, da\u00df wenigstens bei einigen der Nahrungsmittel die Proteolyse nicht abh\u00e4ngig von der Reaktion des Mageninhaltes ist; trotzdem infolge der anf\u00e4nglich im Magen der Pflanzenfresser herrschenden alkalischen, neutralen oder schwachsauren Reaktion (Milchs\u00e4ure) eine peptische Wirkung","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\tArthur Scheunert und Walther Grimmer,\nausgeschlossen ist, kann also die Eiwei\u00dfverdauung mit Hilfe des proteolytischen Nahrungsmittelenzyms vor sich gehen. Dieser Befund kann vielleicht nicht allein f\u00fcr die Magenverdauung, sondern auch f\u00fcr die Darm Verdauung von Wichtigkeit sein, indem im Darm die bei alkalischer Reaktion wirksamen Enzyme, welche durch die saure Reaktion des Mageninhaltes ihre Wirksamkeit noch nicht eingeb\u00fc\u00dft haben, den Eiwei\u00dfabbau bef\u00f6rdern. Unsre geringe Kenntnis von der Natur dieser Enzyme gestattet es nicht, weitere bindende Schl\u00fcsse zu ziehen, doch beabsichtigen wir, weitere quantitative Versuche anzustellen, um \u00fcber Natur und Wirkungsweise des oder der in jedem Nahrungsmittel enthaltenen proteolytischen Enzyme Aufkl\u00e4rung zu erhalten.\nDa uns der Enzymgehalt des Mais infolge unserer Arbeit \u00fcber die Verdauung desselben beim Pferde1) besonders interessierte, wurde versucht, die Einwirkung verschiedener S\u00e4urekonzentrationen auf das nur bei schwach alkalischer und neutraler Reaktion wirkende Enzym kennen zu lernen. Zu diesem Zwecke gelangten je 5 g Mais mit 50 ccm einer 0,2-, 0,1- und 0,05\u00b0/oigen HCl auf 24 Stunden in den Br\u00fctofen. Nach dieser Zeit hatte sich, wie zu erwarten, kein Pepton gebildet. Hierauf wurde genau neutralisiert und das Gemisch abermals 24 Stunden im Ofen belassen. Auch nach dieser Zeit konnte eine Peptonbildung nicht nachgewiesen werden. Es war also offenbar eine Zerst\u00f6rung des proteolytischen Enzyms durch die in den oben genannten Konzentrationen einwirkende Salzs\u00e4ure erfolgt. Eine Mitwirkung des proteolytischen Enzyms bei der bei alkalischer Reaktion ablaufenden Darmverdauung erscheint also bei Maisf\u00fctterung ausgeschlossen.\nBekanntlich herrscht aber in den ersten 1h\u2014*/s der L\u00e4nge des D\u00fcnndarms l\u00e4ngere Zeit nicht eine alkalische, sondern eine durch Milchs\u00e4ure bedingte saure Reaktion. Hierbei ist eine proteolytische Mitwirkung des Maisenzyms nicht ausgeschlossen.\nUntersuchungen auf ein cellulosel\u00f6sendes Enzym.\nMit der Frage der Celluloseverdauung im Blinddarm (siehe die vorige Abhandlung) besch\u00e4ftigt, erschien es uns interessant,\n*) Diese Zeitschrift, Bd. XLVII, S. 88.","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der in den Nahrungsmitteln enthaltenen Enzyme usw. 43\nin den von uns untersuchten Futtermitteln auf ein cytohydro-lytisches Enzym, eine Cytase, zu pr\u00fcfen. Nach Brown1) soll ein derartiges Enzym im Verdauungstrakt, speziell im ersten Magen der Wiederk\u00e4uer vorhanden sein, und zwar kommt Brown auf Grund seiner mit Morris \u00fcber die keimende Gerste ausgef\u00fchrten Untersuchungen zu dieser Anschauung. Nach ihm ist die Cytase im K\u00f6rnerfutter (auch im ruhenden Korn), speziell in Hafer und Gerste, pr\u00e4formiert vorhanden und gelangt dann in dem f\u00fcr ihre Wirksamkeit die g\u00fcnstigsten Bedingungen bietenden Vormagen (Pansen des Wiederk\u00e4uers) zur T\u00e4tigkeit.\nWeiter nimmt Brown an, da\u00df die gesamte Celluloseverdauung nur auf Grund dieses Nahrungsmittelenzyms vor sich gehe und andere Wirkungen, besonders die von Mikroorganismen, ausgeschlossen seien. Da, wie in unserem Institute und von anderen Autoren nachgewiesen worden ist, die Celluloseverdauung im Tierk\u00f6rper betr\u00e4chtlich ist, m\u00fc\u00dften die fraglichen K\u00f6rnerfr\u00fcchte demnach ein sehr kr\u00e4ftiges cellulosel\u00f6sendes Verm\u00f6gen besitzen. Leider sind uns die Arbeiten Browns im Original nicht zug\u00e4nglich gewesen, so da\u00df sich kritische Betrachtungen von selbst verbieten. Es sei aber darauf hingewiesen, da\u00df die Untersuchungsergebnisse Browns gerade in bezug auf das Vorkommen von Cytase in den Gramineen nicht ohne Widerspruch geblieben sind und da\u00df sie durch die ausf\u00fchrliche Untersuchung Reinitzers2)in bezug auf das Vorkommen einer Cytase in der keimenden Gerste als widerlegt angesehen werden k\u00f6nnen.\nUnsere diesbez\u00fcglichen Versuche wurden in folgender Anordnung ausgef\u00fchrt. Zun\u00e4chst wurde in den feingemahlenen Futtermitteln nach dem Verfahren von Henneberg und Stoh-mann (nacheinander folgendes Kochen von je 3 g mit 200 ccm 1,250/oiger H2S04, Wasser, l,25\u00b0/oiger KOH und Wasser, Filtrieren durch gewogene Filter, Waschen, Trocknen, W\u00e4gen) der Rohfasergehalt -ermittelt. Alsdann gelangten wiederum je 3 g mit 50 ccm einer 0,2\u00b0/oigen Sodal\u00f6sung auf 72 Stunden bei 38\u00b0 in den Thermostaten. Nach dieser Zeit wurde im Verdauungsgemisch wiederum nach derselben Methode der Roh-\n') J. chem. Soc., 1892, Bd. I, S. 352.\n2) Diese Zeitschrift, Bd. XXIII, S. 175.","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nArthur Scheunert und Walther Grimmer,\nfasergehalt ermittelt. Ein Vergleich der in 3 g enthaltenen aschefreien Rohfasermengen vor und nach dem Aufenthalt im Br\u00fctofen mu\u00dfte, falls eine Verdauung von Cellulose stattgefunden hatte, dies durch eine Verminderung der Rohfasermenge an-zeigen. Schwach alkalische Reaktion und 72 Stunden Digestionszeit w\u00e4hlten wir deshalb, weil dies den Verh\u00e4ltnissen am besten entspricht, unter denen die Celluloseverdauung im Dickdarm, speziell im Blinddarm, vor sich geht. Die Ergebnisse unserer Analysen finden sich in der folgenden Tabelle.\n\tRohfasergehalt\t\tin Prozenten\t\nNahrungsmittel\tVor der Verdauung\t\tNach der\tVerdauung\n\tI.\tII.\tI.\tII.\nHafer\t\t14,60\t14,57\t14,60\t\u2014\nPferdebohnen .\t6,57\t6,65\t6,48\t6,67\nLupinen ....\t10,76\t10,75\t10,83\t10,88\nBuchweizen . .\t11,53\t11,45\t11,45\t11,55\nWicke ....\t4,45\t4,35\t4,58\t\u2014\nDer Vergleich der Resultate ergibt, da\u00df in keinem Falle eine Verminderung der Cellulose eingetreten war und zwingt also zu dem Schl\u00fcsse, da\u00df ein cellulosel\u00f6sendes Enzym, eine Cytase, welche unter den im Tierk\u00f6rper beim Ablauf der Celluloseverdauung gegebenen Bedingungen wirksam ist, in den untersuchten Nahrungsmitteln nicht enthalten ist.\nSchlu\u00dfbetrachtung.\nAlle in unserem Institute ausgef\u00fchrten Untersuchungen \u00fcber die Nahrungsmittelenzyme bezweckten lediglich, die Mitwirkung dieser Enzyme bei den Verdauungsvorg\u00e4ngen in Magen und Darm festzustellen. Dabei sind folgende Ergebnisse gewonnen worden:\n1. In vielen Nahrungmitteln: Hafer, Mais, rohen Kartoffeln, Reis, Erbsen, Gerste, Roggen, Weizen, Roggenstroh, Wiesenheu, Lupinenk\u00f6rnern, Buchweizen, Wicken und Pferdebohnen befindet sich mindestens ein durch Siedehitze","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der in den Nahrungsmitteln enthaltenen Enzyme usw. 45\nzerst\u00f6rbares Enzym, welches bei Bluttemperatur imstande ist, die in den Nahrungsmitteln enthaltene St\u00e4rke zu Dextrinen und Zuckerarten abzubauen und dadurch l\u00f6slich und f\u00fcr den Organismus verwertbar zu machen.\n2.\tDurch F\u00fctterungsversuche mit Tieren und durch Verdauungsversuche in vitro ist bewiesen worden, da\u00df ein gro\u00dfer Teil der im Magen unserer Haustiere ablaufenden amylolytischen Vorg\u00e4nge auf die Wirkung dieser Nahrungsmittelenzyme zur\u00fcckzuf\u00fchren ist.\n3.\tNach den vorstehenden Versuchen besitzen gewisse Nahrungsmittel amylolytische Enzyme, die ihre Wirkung nicht wie das Ptyalin des Speichels nur bei alkalischer, ganz schwach saurer und neutraler Reaktion zu entfalten verm\u00f6gen, sondern vielmehr bef\u00e4higt sind, St\u00e4rke auch bei einer relativ hohen Salzs\u00e4urekonzentration \u2014 0,2\u00b0/o \u2014 zu verzuckern, bei der das Speichelenzym l\u00e4ngst unwirksam gemacht worden ist. Bei Wahl eines geeigneten Futtermittels findet demnach die St\u00e4rkeverdauung im Magen auch dann noch statt, wenn infolge der sauren Reaktion des Mageninhaltes das Ptyalin des Speichels seine Wirksamkeit l\u00e4ngst eingeb\u00fc\u00dft hat.\n4.\tBei allen Versuchen geht mit dem Auftreten von Zucker auch das von freier Milchs\u00e4ure Hand in Hand. Das Vorhandensein eines Milchs\u00e4urefermentes in oder an den Nahrungsmitteln ist demnach ebenfalls als erwiesen zu betrachten.\n5.\tIn den daraufhin untersuchten Nahrungsmitteln : Hafer, Mais, Pferdebohnen, Lupinen, Wicken und Buchweizen konnte das Vorhandensein mindestens eines proteolytischen Enzyms nachgewiesen werden, welches die in den Nahrungsmitteln enthaltenen Eiwei\u00dfk\u00f6rper bei Bluttemperatur zu peptonisieren vermag. Teilweise wirken diese Enzyme 'nur bei alkalischer oder saurer Reaktion, teilweise ist die Reaktion des Verdauungsgemisches auf sie bzw. ihre Wirkung ohne Einflu\u00df. Im letzteren Falle verm\u00f6gen sie demnach unter allen w\u00e4hrend der Verdauung im Magen herrschenden Reaktionsverh\u00e4ltnissen die Eiwei\u00dfverdauung zu f\u00f6rdern.\n6.\tEin c ellulos e l\u00f6send es, cytohydro lytisches Enzym","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\tArthur Scheunert und Walther Grimmer,\nkonnte in keinem der daraufhin untersuchten Nahrungsmittel von uns nachgewiesen werden.\n7. Nicht nur bei der Magen-, sondern auch bei der Darmverdauung kommt die Mitwirkung der Nahrungsenzyme in Betracht; die meisten derselben k\u00f6nnen die Darmverdauung unter den im Darmkanal gegebenen Verh\u00e4ltnissen hochgradig f\u00f6rdern.\nDie von Ellenberger erkannte gro\u00dfe Wichtigkeit der Nahrungsmittelenzyme wird durch die vorstehenden Versuchsergebnisse von neuem best\u00e4tigt und es seien darum im nachfolgenden die Worte angef\u00fchrt, die dieser Autor am Schl\u00fcsse einer seiner ersten diesbez\u00fcglichen Publikationen ausspricht:1)\nDie Nahrungsmittelenzyme \u00abhaben eine praktisch wichtige Bedeutung f\u00fcr die Ern\u00e4hrung der Menschen und der Tiere bei Krankheiten der Verdauungsorgane. Bei geschw\u00e4chter Verdauung ist die Verabreichung der pflanzlichen Nahrungsmittel in rohem Zustande der in gekochtem vorzuziehen. Es erkl\u00e4ren sich hieraus zum Teil die Heilerfolge der Vegetarier und besonders der K\u00f6rneresser bei Magenkatarrhen, Leberleiden u. dergl. Die roh eingef\u00fchrten Nahrungsmittel machen im kranken Magen trotz der verringerten Menge an Verdauungss\u00e4ften einen normalen Fermentations- resp. Verdauungsproze\u00df durch, der durch die in den rohen Nahrungsmitteln enthaltenen Fermente bedingt wird. Werden die Nahrungsmittel in gekochtem Zustande eingef\u00fchrt, dann verfallen sie in den Verdauungsorganen abnormen G\u00e4rungen, deren Produkte Magenkatarrhe usw. zu verschlimmern geeignet sind. Durch das Kochen der Nahrungsmittel werden allerdings gewisse N\u00e4hrstoffe l\u00f6slicher gemacht, ja sogar gel\u00f6st, das Kochen ist also gewisserma\u00dfen eine Verdauung, damit ist aber f\u00fcr den Patienten nichts gewonnen. Erfahrungsgem\u00e4\u00df treten bei Einf\u00fchrung von Dextrinen und Zuckerarten (wie sie beim Kochen und Backen st\u00e4rkemehlhaltiger Nahrungsmittel entstehen) im Magen G\u00e4rungen viel leichter ein als bei Einf\u00fchrung des einfachen St\u00e4rkemehls.\n*) Archiv f. Wissenschaft!, u. prakt. Tierheilkunde, Bd. XIV, S. 62.","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der in den Nahrungsmitteln enthaltenen Enzyme usw. 47\nZucker und Dextrin werden von Personen mit schwacher Verdauung oft schlecht vertragen.\nZweifellos kommt bei den K\u00f6rneressern, einer Sekte der Vegetarianer, noch in Betracht, da\u00df dieselben die K\u00f6rner im Munde gr\u00fcndlich durchkauen und einspeicheln, in einen milchartigen Brei umwandeln m\u00fcssen, um dieselben gut schlingbar und schmackhaft zu machen. Die bedeutenden Speichelmengen, die infolgedessen w\u00e4hrend der Mahlzeit sezerniert und in den Magen eingef\u00fchrt werden, wirken in doppelter Hinsicht g\u00fcnstig auf die Vorg\u00e4nge im kranken Magen ein, indem einerseits die Alkalien des Speichels einen Teil der sch\u00e4dlichen G\u00e4rungss\u00e4uren binden, und indem andererseits das diastatische Ferment des Speichels in so bedeutenden Mengen in den Magen gelangt, da\u00df es wesentliche Verdauungswirkungen daselbst entfalten kann. Auch die Wirkungsm\u00f6glichkeit des proteolytischen Fermentes der K\u00f6rner wird durch den sezernierten Speichel gesteigert. Demnach empfiehlt es sich, den Menschen und Tieren, welche an Verdauungsschw\u00e4che infolge irgendwelcher Krankheiten leiden, gewisse vegetabilische Nahrungsmittel nicht in gekochtem, sondern in rohem Zustande und deshalb auch wom\u00f6glich trocken zu verabreichen, damit dieselben t\u00fcchtig durchgekaut und eingespeichelt werden m\u00fcssen.\u00bb\nDiese Betrachtungen des genannten Autors beziehen sich fast nur auf die Vorg\u00e4nge der Magenverdauung. Wir m\u00f6chten aber nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, da\u00df sie auch f\u00fcr die Darmverdauung zum Teil g\u00fcltig sind. Bekanntlich kommen St\u00f6rungen der bei der Darmverdauung wirksamen Verdauungssekrete (z. B. Pankreasachylie) verminderte Gallen- und Darmsaftsekretion usw. nicht selten vor. Diese St\u00f6rungen sind meist vergesellschaftet mit Magenleiden und nicht selten erst deren Folgen, es ist dann also auch die Absonderung des Magensaftes und damit nicht nur die Darm-, sondern auch die Magenverdauung gest\u00f6rt.\nEine Behandlung des Magenleidens durch Verabreichung von Diastase, Pankreaspr\u00e4paraten usw. wirkt dabei oft g\u00fcnstig und heilend. Nach unserer Ansicht ist in solchen F\u00e4llen aber gerade die Ern\u00e4hrung der kranken Menschen mit rohen Nahrungs-","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48 Scheunert und Grimmer, Zur Kenntnis der Enzyme usw.\nmittein (K\u00f6rnern, rohen Fr\u00fcchten aller Art usw.) sehr am Platze. Die in diesen Nahrungsmitteln enthaltenen Enzyme treten an die Stelle der fehlenden K\u00f6rperenzyme (der Enzyme des Pankreas-, Darm- und Magensaftes usw.) und bewirken einen nahezu normalen Verlauf der Verdauung. (Man wird dabei von der Verabreichung von Fleisch zeitweise am besten ganz ab-sehen, obwohl im rohen Fleische auch Enzyme enthalten sind.) Da\u00df mit einer solchen eigenartigen vegetarischen Ern\u00e4hrung gute Erfolge erzielt werden, wenn nicht unheilbare Organleiden vorliegen, hat die Erfahrung zur Gen\u00fcge bewiesen. Die unter dem Einfl\u00fcsse der Nahrungsenzyme ablaufenden Verdauungsvorg\u00e4nge gen\u00fcgen f\u00fcr die Ern\u00e4hrung des Kranken, bis die kranken Organe, die w\u00e4hrend dieser Zeit vor \u00fcberm\u00e4\u00dfigen Funktionsreizungen gesch\u00fctzt sind, zur Norm zur\u00fcckgekehrt sind.\nDiese Darlegungen sollen nur zeigen, da\u00df die Untersuchungen auf das Vorhandensein von solchen Nahrungsmittelenzymen, die unter den im Magen und Darm gegebenen Verh\u00e4ltnissen wirken und die Verdauung wesentlich unterst\u00fctzen und unter Umst\u00e4nden kompensatorisch f\u00fcr die krankhafterweise fehlenden oder in zu geringer Menge vorhandenen K\u00f6rperenzyme ein-treten k\u00f6nnen, nicht nur ein hohes wissenschaftliches, sondern auch ein praktisch-medizinisches Interesse haben. Es konnte aber nicht unsere Aufgabe sein, die letztere Frage weiter zu verfolgen. F\u00fcr uns kam nur die physiologische Seite in Betracht, zu der wir im vorstehenden einen Beitrag geliefert haben.\nNachschrift.\nDie Untersuchungen von Bergmann (Skand. Arch, f\u00fcr Phys., Bd. XVIII, S. 119) sind uns leider erst nach der Absendung dieser Arbeit an die Redaktion bekannt geworden, weshalb sie im vorstehenden eine Ber\u00fccksichtigung nicht erfahren haben.","page":48}],"identifier":"lit18340","issued":"1906","language":"de","pages":"27-48","startpages":"27","title":"Zur Kenntnis der in den Nahrungsmitteln enthaltenen Enzyme und ihrer Mitwirkung bei der Verdauung","type":"Journal Article","volume":"48"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:43:22.204594+00:00"}