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{"created":"2022-01-31T13:41:32.497469+00:00","id":"lit18445","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Kr\u00fcger, Friedrich","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 50: 293-302","fulltext":[{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber eine eigent\u00fcmliche Ver\u00e4nderung der Milch durch Natron-\nresp. Kalilauge.\nVon\nProf. Dr. Friedrich Kr\u00fcger, in Tomsk.\n(Der Redaktion zugegangen am 1. Dezember 1906.)\nDurch ein Referat im \u00abBiochem. Zentralblatt\u00bb (Bd. V, S. 302) wurde meine Aufmerksamkeit auf eine Mitteilung von Cl. G au tier und A. Morel1) gelenkt, die mich zu nachstehenden Zeilen veranla\u00dft.\nIn der genannten Mitteilung handelt es sich um eine Farbenreaktion der Kuhmilch, die durch Zusatz von Kali- resp. Natronlauge zu derselben bedingt wird.\nGautier und Morel fanden, da\u00df Kuhmilch auf Zusatz von Vs Volumen 40\u00b0/oiger Natron- oder Kalilauge bei Zimmertemperatur sich in 24 Stunden sch\u00f6n kirschrot f\u00e4rbt. Die Reaktion tritt nur allm\u00e4hlich auf und zwar sowohl bei Anwendung von gekochter, als auch von roher Milch. Mit Ammoniak gelingt sie nicht ; sie wird also nicht durch die Alka-iinit\u00e4t als solche verursacht. Wie Kuhmilch verh\u00e4lt sich auch Eselsmilch und Frauenmilch.\nWeiter behaupten Gautier und Morel, da\u00df zum Zustandekommen der Reaktion die gleichzeitige Gegenwart eines Eiwei\u00dfk\u00f6rpers, wie Casein, und eines Kohlehydrates, wie Laktose, in stark alkalischer* L\u00f6sung notwendig sei.\nVer\u00e4nderungen der Kuhmilch durch Kali- resp. Natronlauge, die im ganzen mit den von Gautier und Morel beschriebenen identisch sind, habe ich schon vor mehr als 12 Jahren in Dorpat beobachtet und \u00fcber dieselben in der Dorpater Naturforschergesellschaft am 10. M\u00e4rz 1894 und einige Jahre\n!) Compt. Rend, de la Soc. de Biol., Bd. LX, S. 376.","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294\nFriedrich Kr\u00fcger,\n\u2022 \u2022\nsp\u00e4ter auch in der Naturforscher- und Arztegesellschaft an der Universit\u00e4t Tomsk Mitteilung gemacht.x)\nMeine Beobachtungen sind jedoch den Fachgenossen offenbar unbekannt geblieben. Ich erlaube mir daher, dieselben in folgendem kurz wiederzugeben, indem ich gleichzeitig meinen damaligen Untersuchungen einige weitere, im vergangenen Jahre, zum Teil im Verein mit Herrn Dr. V. Sehr \u00f6ppe, ausgef\u00fchrte, anreihe.\n1.\tGleich nach Zusatz einer gen\u00fcgenden Menge Kali- resp. Natronlauge \u00e4ndert sich das Aussehen der Kuhmilch ein wenig, indem sie gelblicher und zugleich dickfl\u00fcssiger wird. Nach einiger Zeit beginnt das Gemisch sich in zwei Schichten zu teilen \u2014 eine obere feste, gelblichwei\u00dfe, undurchsichtige und eine untere gelblichgr\u00fcnliche, durchsichtige. Letztere verf\u00e4rbt sich allm\u00e4hlich, indem sie zun\u00e4chst rosenrot, allendlich dunkelrot, wie eine recht konzentrierte Blut- oder H\u00e4moglobinl\u00f6sung, wird. Die beschriebenen Ver\u00e4nderungen werden von einer deutlichen Ammoniakentwicklung begleitet, die sich durch den Geruch kundgibt,\n2.\tIch gebe nun einige Versuche wieder, die angestellt waren, um die unterste Grenze des Laugezusatzes zu bestimmen, bei dem die beschriebene Reaktion noch zustande gebracht wird. Die Versuche sind mit frischer Kuhmilch ausgef\u00fchrt.\nVersuch I.\nNaHO\tNach 30 Stunden\tNach 44 Stunden\no o ' cT\tGelblich\tGelblich\n1,0 \u00b0/o\t\u00bb\tR\u00f6tlich\n1,5 >\tR\u00f6tlich\tSch\u00f6n rot\n2,0 \u00b0/o\t\u00bb\t\u00bb \u00bb\n4,0 \u00b0/o\t\u00bb\tRot, jedoch weniger sch\u00f6n als in der vorhergehenden Probe.\nx) Sitzungsber. d. Dorpater Naturforscherges., Bd. X, S. 432, 1894. (Durch ein Versehen ist ein Referat nicht zum Abdruck gekommen, sondern der Vortrag nur kurz erw\u00e4hnt.) \u2014 Protokolle d. Naturforscher- und \u00c4rztegesellsch. an d. Universit\u00e4t Tomsk f\u00fcr das Jahr 1897\u20141898, S. 18 (Russisch).","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber eine eigent\u00fcmliche Ver\u00e4nderung der Milch usw.\n295\nVersuch II.\nNaHO\tNach 24 Stunden\tNach 48 Stunden\tNach 60 Stunden\t\n0,5 \u00b0/o\tUnver\u00e4ndert\tUnver\u00e4ndert\tSchwach r\u00f6tlich\t\n1,0 \u00b0/o\tSchwach r\u00f6tlich\tRosenrot\tSch\u00f6n rot\t\n2,0 \u00bb/o\tR\u00f6tlich\tHellrot\t\u00bb\t\u00bb\nO o ' o\t\u00bb\t\u00bb\tGelbrot\t\n6,0 \u00b0/o\tWeniger sch\u00f6n als in den vorhergehenden Proben Versuch III.\t\t\u00bb\t\nNaHO\tNach 5 Stunden\tNach 8 Stunden\tNach 24 Stunden\t\n0,5 \u00b0/o\tUnver\u00e4ndert\tGelb\tGelbbraun\t\n1.0\u00b0/o\tRosenrot\tBlutrot\tDunkel blutrot\t\n2,0 >\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\n4,0\u00b0/o\t1 a n o i.\t\\\t\\ Br\u00e4unlichrot, der\tRotbraun, der rote\t\n\tR\u00f6tlich gelb\tr\u00f6tliche Ton mit zu-\tTon mit zunehmen-\t\n8.0'\nBraungelb\n\u00d6\nkonzentration abnehmend\nder Laugekonzentration abnehmend.\nFasse ich das Ergebnis dieser drei Versuche, die \u00fcbrigens nicht unter ganz gleichen Bedingungen ausgef\u00fchrt sind \u2014 bei Versuch I stand das Gemisch bei 20\u00b0 C., bei Versuch II bei 13\u201414\u00b0 C. und bei Versuch III bei 25\u201427\u00b0 C. \u2014 zusammen, so ergibt sich als unterste Grenze zum Zustandekommen der Reaktion ein Gehalt von etwa l\u00b0/o NaHO. Am sch\u00f6nsten erscheint die F\u00e4rbung in den Proben, die 1\u20142\u00b0/o NaHO\n9\t1\nenthalten.\nSchwankungen in dieser Beziehung werden nat\u00fcrlich Vorkommen und das darf schon aus dem Grunde nicht wunderlich erscheinen, weil die Milch in ihrer Zusammensetzung variiert. Ich verweise nur auf den Fettgehalt derselben, der an sich schon imstande w\u00e4re, die quantitative Natronwirkung zu beeinflussen, denn je mehr Fett dieselbe enth\u00e4lt, um so mehr Lauge","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296\nFriedrich Kr\u00fcger,\nw\u00fcrde zur Verseifung verbraucht und somit in bezug auf die uns interessierende Reaktion inaktiv werden.\n3.\tDie Geschwindigkeit, mit der die Reaktion erfolgt, wird von der Temperatur beeinflu\u00dft. Innerhalb der Grenzen von 1\u201450\u00b0 C. tritt die Rotf\u00e4rbung der Milch um so schneller ein, je h\u00f6her die Temperatur ist, selbstredend unter sonst gleichen Redingungen. Ein Reispiel sei hier angef\u00fchrt.\nDer Milch waren 2\u00b0/o NaHO zugesetzt.\nRei 50\u00b0 G. wurde das Gemisch sehr schnell anfangs braunrot, sp\u00e4ter deutlicher rot.\nBei 40\u201442\u00b0 G. war das Gemisch nach anderthalb Stunden bereits blutrot.\nRei 30\u201432\u00b0 G. war es nach 2 Stunden deutlich rosenrot, nach 3 Stunden sch\u00f6n blutrot.\nBei 20\u201422\u00b0 G. hatte die Milch nach 12 Stunden eine hell rosenrote Farbe, war nach 24 Stunden hell blutrot, nach 34 Stunden sch\u00f6n blutrot.\nBei 13 \u201414\u00b0 C. zeigte sie erst nach 24 Stunden eine eben merkliche rosenrote F\u00e4rbung, war nach 30 Stunden deutlich rosenrot und nach 48 Stunden erst hell blutrot.\nBei 1\u20142\u00b0 G. fing das Gemisch erst nach 72 Stunden an. sich r\u00f6tlich zu f\u00e4rben.\nBei Temperaturen, die etwas unter 0\u00b0 liegen, bleibt Milch, der 2\u00b0/o NaHO hinzugesetzt sind, viele Tage hindurch unver\u00e4ndert. Bringt man das Gemisch darauf wieder auf h\u00f6here Temperaturen (20\u201425\u00b0 G.), so verh\u00e4lt es sich wie ein frisches Milch-Natronlaugegemisch, d. h. es f\u00e4rbt sich allm\u00e4hlich blutrot.\nBeim Kochen der mit Natronlauge versetzten Milch geht die Farbe von gelb \u00fcber gelbbraun in dunkelbraun \u00fcber. Eine nachtr\u00e4gliche Rotf\u00e4rbung beim Stehenlassen bei 20\u201425\u00b0 G. habe ich nicht mit Sicherheit konstatieren k\u00f6nnen.\n4.\tVon den von mir untersuchten Milcharten gaben die beschriebene Reaktion, au\u00dfer Kuhmilch, Hundemilch und Frauenmilch, w\u00e4hrend Stutenmilch, mit 2\u00b0/o NaHO versetzt, nach 48 Stunden bei Zimmertemperatur noch keine Spur von Rot-","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber eine eigent\u00fcmliche Ver\u00e4nderung der Milch usw. 297\nf\u00e4rbung zeigte. Wie die Stutenmilch verhielt sich auch Frauencolostrum, das einen Tag vor der Geburt des Kindes entnommen war.\n5.\tDurch vorheriges Kochen oder Gefrierenlassen der Milch wird die Reaktion nicht beeintr\u00e4chtigt; ebenso wenig durch Dialysieren der Milch. (Ich hatte die Milch 48 Stunden hindurch gegen flie\u00dfendes Wasser dialysiert.)\n6.\tWie Milch f\u00e4rbt sich auch Milchserum, das ich durch Filtrieren ges\u00e4uerter Kuhmilch gewonnen hatte, durch Natronlaugezusatz allm\u00e4hlich rot, doch ist die Intensit\u00e4t der F\u00e4rbung eine geringere. Mit \u00c4ther entfettete Milch jedoch gibt die Reaktion nicht, sondern f\u00e4rbt sich mit der Zeit nur braun.\n7.\tRei vorsichtigem Zusatz von Essigs\u00e4ure zur filtrierten roten Milch beobachtet man einen recht pl\u00f6tzlichen Farbenumschlag von rot in gelb oder gelbbraun. Bemerkenswert ist hierbei, da\u00df im Moment des Farbenumschlags die Reaktion der Fl\u00fcssigkeit noch deutlich alkalisch ist (gepr\u00fcft\nmit Lackmus). Bei weiterem Zusatz von S\u00e4ure \u00e4ndert sich\n/\nzun\u00e4chst nichts, die Farbe bleibt unver\u00e4ndert und es bildet sich trotz saurer Reaktion noch kein bleibender Niederschlag. Erst bei gr\u00f6\u00dferem S\u00e4ure\u00fcberschu\u00df beginnt ein k\u00e4siger fleischfarbener Niederschlag auszufallen.\nDie \u00fcber dem Niederschlag abstehende Fl\u00fcssigkeit ist gelb bis br\u00e4unlichgelb gef\u00e4rbt, welche Farbe wahrscheinlich von durch die Lauge zersetztem Milchzucker herr\u00fchrt.\nIn noch feuchtem Zustande genommen l\u00f6st sich der abfiltrierte Niederschlag in verd\u00fcnnten \u00c4lkalilaugen sehr leicht mit sch\u00f6n roter Farbe. Auf S\u00e4urezusatz zu diesen L\u00f6sungen tritt wiederum der beschriebene Farbenumschlag ein und erst bei bedeutendem S\u00e4ure\u00fcberschu\u00df erh\u00e4lt man eine F\u00e4llung.\nDie nunmehr \u2019abstehende Fl\u00fcssigkeit ist nicht gelb gef\u00e4rbt, sondern wasserklar. Der Farbenumschlag von rot in gelb hat also nichts mit der Gegenwart von zersetztem Milchzucker in der roten L\u00f6sung zu tun.\nEs sei noch hinzugef\u00fcgt, da\u00df beim Neutralisieren sich regelm\u00e4\u00dfig ein eigent\u00fcmlicher, s\u00fc\u00dflicher Geruch bemerkbar macht und da\u00df durch Kochen der L\u00f6sungen die rote Farbe","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298\nFriedrich Kr\u00fcger,\nderselben sich nicht wesentlich \u00e4ndert, vielleicht nur einen Stich ins Br\u00e4unliche annimmt.\n8. Um den Niederschlag m\u00f6glichst frei von Beimengungen zu erhalten, verfuhr ich folgenderma\u00dfen: Die durch Natronlauge dunkel blutrot gef\u00e4rbte Milch wurde filtriert und zum ganz klaren Filtrat Essigs\u00e4ure hinzugesetzt, bis sich kein Niederschlag mehr bildete. Alsdann wurde der Niederschlag auf der Zentrifuge m\u00f6glichst schnell abgeschlagen und einmal mit dem 10 \u201415 fachen Volumen Wasser, wiederum auf der Zentrifuge, gewaschen, das Waschwasser abgegossen, der Niederschlag in Wasser aufger\u00fchrt, verd\u00fcnnte Natronlauge bis zu seiner vollst\u00e4ndigen L\u00f6sung hinzugef\u00fcgt und das Ganze mit Wasser auf das urspr\u00fcngliche Volumen gebracht. Darauf wurde die ganze Prozedur des F\u00e4llens, Waschens, L\u00f6sens usw. noch zweimal wiederholt und der auf diese Weise allendlich gewonnene Niederschlag auf der Zentrifuge mit etwa dem 8000\u2014lOOOOfachen Volumen Wasser ausgewaschen.\nDa ich den Eindruck gewonnen hatte, als ob der Niederschlag um so schwerer l\u00f6slich ist, je l\u00e4nger er mit Wasser in Ber\u00fchrung war, versuchte ich so schnell wie m\u00f6glich zu arbeiten und habe daher das einzelne Zentrifugieren nicht bis zum v\u00f6llig klaren Abscheiden des Waschwassers fortgesetzt, denn die letzten Reste des fein zerriebenen Niederschlages setzen sich nur sehr schwer ab. Es mu\u00df darauf aufmerksam gemacht werden, da\u00df die durch suspendierte Partikelchen des Niederschlages tr\u00fcbe Fl\u00fcssigkeit stets sauer reagiert, man mag das Waschwasser wechseln, so oft man will. Es r\u00fchrt das daher, da\u00df der feuchte Niederschlag saure Reaktion besitzt. Will man sich also davon \u00fcberzeugen, da\u00df in das Waschwasser keine S\u00e4ure mehr \u00fcbergegangen ist, der Niederschlag somit frei von ihr ist, so mu\u00df man die tr\u00fcbe Waschfl\u00fcssigkeit durch ein doppeltes Filter filtrieren und das Filtrat auf seine Reaktion untersuchen. Ich setzte das Waschen im allgemeinen solange fort, bis das Filtrat der Waschfl\u00fcssigkeit weder Zuckerreaktion gab, noch sauer reagierte.\nDer auf diese Weise gereinigte Niederschlag l\u00f6st sich nach vorhergehender Quellung in verd\u00fcnnter Natronlauge ver-","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber eine eigent\u00fcmliche Ver\u00e4nderung der Milch usw.\n299\nh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig leicht. Die Farbe der L\u00f6sung ist eine rote, wie die des Milchfiltrates.\n9.\tBehandelt man den mit Wasser ausgewaschenen Niederschlag mit Alkohol, so f\u00e4rbt er sich bedeutend dunkler und verwandelt sich zun\u00e4chst in eine klebrige, elastische, knetbare Masse, die beim Durchkneten mit neuen Portionen Alkohol, wahrscheinlich infolge von Wasserentziehung, bald hart und br\u00f6ckelig wird und sich dann leicht in einer Reibeschale zu einem feinen Pulver zerreiben l\u00e4\u00dft. Dieses Pulver wurde zu weiterer Reinigung mit \u00c4ther gewaschen und dann an der Luft getrocknet. Es ergibt sich ein hell ziegelrotes Pulver, das in verd\u00fcnnter Kali-resp. Natronlauge l\u00f6slich ist, jedoch bedeutend schwerer, als der Niederschlag vor der Behandlung mit Alkohol und \u00c4ther. Die L\u00f6sung ist von roter Farbe, jedoch mit einem Stich ins Braune.\nAuch in ammoniakhaltigem Wasser ist sowohl der feuchte ausgewaschene Niederschlag, als auch der mit Alkohol und \u00c4ther behandelte l\u00f6slich, w\u00e4hrend Ammoniak, statt NaHO oder KHO der Milch zugesetzt, eine Rotf\u00e4rbung derselben nicht herbeizuf\u00fchren vermag.\n10.\tBei der spektroskopischen Untersuchung des roten Milchfiltrates, sowie der alkalischen L\u00f6sungen des aus ihm gewonnenen und mit Wasser ausgewaschenen Niederschlages kann man, bei geeigneter Verd\u00fcnnung, ein ziemlich breites, aber schwaches und undeutliches, namentlich zum violetten Ende hin sehr schlecht begrenztes Absorptionsband wahrnehmen. Dasselbe beginnt bei der Linie G und geht bis E und dar\u00fcber hinaus. Es scheint seine gr\u00f6\u00dfte Intensit\u00e4t etwa bei X 555\u2014556 zu haben. Seiner Lage nach entspricht dieses Band also dem Bande des reduzierten H\u00e4moglobins. Durch Zusatz von Schwefelammon \u00e4ndert sich weder die Farbe der L\u00f6sung, noch ihr spektroskopisches Bild.\n11.\tAlle Versuche, den Farbstoff zu isolieren, sind bisher erfolglos geblieben.\n12.\tGautier und Morel sagen, da\u00df zu dem Zustandekommen der Reaktion die gleichzeitige Gegenwart von einem Eiwei\u00dfk\u00f6rper (Casein) und einem Kohlehydrat (Laktose) in stark alkalischer L\u00f6sung notwendig sei.\nHoppe-Seylers Zeitschrift f. physiol. Chemie. L.\n21","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300\nFriedrich Kr\u00fcger,\nDa\u00df es sich hier um eine Wechselwirkung von Gasein und Milchzucker unter dem Einfl\u00fcsse von Alkalilauge handle, war auch mir der n\u00e4chstliegende Gedanke. Ich gab ihn jedoch bald auf und im Jahre 1898 sprach ich mich in der Tomsker Naturforscher- und \u00c4rztegesellschaft schon dahin aus, da\u00df die Rotf\u00e4rbung der Milch nicht einzig und allein durch die Gegenwart von Casein und Laktose bedingt sein k\u00f6nne, sondern auch noch andere Bestandteile der Milch dabei in Frage k\u00e4men.\nZu dieser \u00dcberzeugung gelangte ich auf Grund folgender Beobachtungen und Versuche:\na)\tSub 5. f\u00fchrte ich an, da\u00df Milch, welche 48 Stunden gegen flie\u00dfendes Wasser dialysiert war, sich Alkalilaugen gegen\u00fcber genau ebenso verhielt, wie frische Milch. Zur Dialyse benutzte ich Dialysierh\u00fclsen von Schleicher und Sc h\u00fc 11.\nMan k\u00f6nnte demnach annehmen, da\u00df Milchzucker an der Rotf\u00e4rbung der Milch durch Kali- oder Natronlauge keinen Anteil nimmt. Es stellte sich jedoch heraus, da\u00df die dialysierte Milch noch gro\u00dfe Mengen Zucker enthielt. Dieser Versuch ist somit nicht beweiskr\u00e4ftig. Auch durch l\u00e4nger fortgesetztes Dialysieren gelang es mir nicht, die Milch, ohne da\u00df F\u00e4ulnis eintrat, vollst\u00e4ndig vom Milchzucker zu befreien, woher ich die weiteren Versuche in dieser Richtung aufgab.\nb)\tAus einer gr\u00f6\u00dferen Reihe von Versuchen, die angestellt w^aren, um die Frage zu entscheiden, ob Natron- oder Kalilauge in einem Gemische von Casein und Milchzucker eine Ver\u00e4nderung hervorrufe, wie die, die wir an der Milch beobachten, will ich nur zwei anf\u00fchren.\nDie Darstellung des Caseins geschah genau so, wie es von Drechsel in seiner \u00abAnleitung zur Darstellung physiologischchemischer Pr\u00e4parate\u00bb angegeben ist.\nVersuch I. 0,5 g Casein wurden in 15 ccm Wasser aufger\u00fchrt und dann 5 ccm 10 \u00b0/o ige Natronlauge hinzugef\u00fcgt. Das Casein l\u00f6ste sich darin vollst\u00e4ndig. Zu dieser alkalischen Caseinl\u00f6sung wurden 4\u00b0/o Milchzucker getan und das Gemisch bei Zimmertemperatur stehen gelassen. Nach 48 Stunden war es nur durch den zersetzten Milchzucker etwas gelblich gef\u00e4rbt,","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber eine eigent\u00fcmliche Ver\u00e4nderung der Milch usw.\n301\nw\u00e4hrend eine mit Milch aufgestellte Kontrollprobe nach dieser Frist eine sch\u00f6n blutrote Farbe zeigte.\nVersuch II. Es wurde eine L\u00f6sung hergestellt, die je 4\u00b0/tr Casein und Milchzucker enthielt. Zu 8 ccm dieser L\u00f6sung wurden 2 ccm einer 20\u00b0/oigen Natronlauge getan; das Gemisch enthielt folglich 4\u00b0/o NaHO. Als Kontrolle dienten eine 4\u00b0/oige Casein- und eine 4\u00b0/oige Milchzuckerl\u00f6sung mit dem gleichen Gehalt an NaHO. Von diesen L\u00f6sungen wurde je eine Probe bei Zimmertemperatur und bei 38\u201440\u00b0 C. stehen gelassen.\nDas Resultat dieses Versuches gibt folgende Tabelle wieder.\nNach\tGaseinl\u00f6sung\tZuckerl\u00f6sung\tGemisch\n\t| 1 A. Zimmertemperatur\t\t\n6 Stunden\tUnver\u00e4ndert\tSchwach gelblich\tSchwach gelblich\n24\t\u00bb\tDeutlich gelb\tSchwach gelb\n00\t\u00bb\tGelb\tHell br\u00e4unlichgelb\n\tB. K\u00f6rpertemperatur.\t\t\n6 Stunden\tUnver\u00e4ndert\tBraun\tBraun\n24\t\u00bb\tRotbraun\tRotbraun\n48\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\nDiese Ergebnisse sprechen dagegen, da\u00df zum Gelingen der Reaktion Casein und Milchzucker allein gen\u00fcgen.\nEs kann nicht unerw\u00e4hnt bleiben, da\u00df unter den Protokollen des Herrn Dr. V. Sehr \u00f6ppe sich eines findet, dessen Resultat mit den angef\u00fchrten nicht in Einklang steht \u2014 das Caseinmilchzuckergemisch f\u00e4rbte sich rot. Ich glaube das aber darauf zur\u00fcckf\u00fchren zu m\u00fcssen, da\u00df in diesem Falle das Casein\n#\ti\nnicht gen\u00fcgend rein war.\nc) Die sub 6 mitgeteilte Beobachtung, da\u00df sich, wie die Milch, auch das Milchserum durch Natron- oder Kalilauge rot f\u00e4rbt, deutet darauf hin, da\u00df das Casein nicht eine conditio sine qua non f\u00fcr den Eintritt der Reaktion ist. Freilich f\u00e4rbt sich das Milchserum weniger intensiv rot, als die zugeh\u00f6rige Milch. Doch das kann dadurch erkl\u00e4rt werden, da\u00df beim Aus-\n21*","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302 Kr\u00fcger, \u00dcber eine eigent\u00fcmliche Ver\u00e4nderung der Milch usw.\nscheiden des Gaseins mechanisch ein Teil von Milchbestanteilen mitgerissen wird, die an dem Zustandekommen der Reaktion mitbeteiligt sind.\nd)\tDie ebenfalls sub 6 erw\u00e4hnte Beobachtung, da\u00df mit \u00c4ther entfettete Milch durch Natronlauge nicht rot gef\u00e4rbt wird, macht es wahrscheinlich, da\u00df durch den \u00c4ther der Milch etwas entzogen wird, das bei der Farbenver\u00e4nderung eine Rolle spielt.\ne)\tEndlich f\u00fchre ich noch einen Versuch an, in dem ich ein Gemisch von Eieralbumin und Milchzucker der Natronlaugewirkung aussetzte.\nZu einer 2\u00b0/oigen Eieralbuminl\u00f6sung wurden 4\u00b0/o Milchzucker getan und von diesem Gemisch eine Probe mit 2\u00b0/o und eine andere mit 3\u00b0/o NaOH bei Zimmertemperatur aufgestellt. Beide Proben f\u00e4rbten sich zun\u00e4chst gelb und allendlich braun, infolge Zersetzung des Milchzuckers. Von einer Rotf\u00e4rbung war jedoch nichts wahrzunehmen.\nAlle diese Beobachtungen scheinen mir daf\u00fcr zu sprechen, da\u00df die beschriebene eigent\u00fcmliche Farbenver\u00e4nderung der Milch nicht durch das Zusammenwirken von einem Eiwei\u00dfk\u00f6rper (Casein, Albumin) und einem Kohlehydrat (Laktose) allein bedingt sein kann, sondern, falls diese \u00fcberhaupt in Betracht kommen, gleichzeitig noch ein oder mehrere andere Bestandteile der Milch mit an ihr teilnehmen.","page":302}],"identifier":"lit18445","issued":"1906-07","language":"de","pages":"293-302","startpages":"293","title":"\u00dcber eine eigent\u00fcmliche Ver\u00e4nderung der Milch durch Natron- resp. Kalilauge","type":"Journal Article","volume":"50"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:41:32.497474+00:00"}