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{"created":"2022-01-31T13:45:06.064407+00:00","id":"lit18459","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Schulze, E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 50: 508-524","fulltext":[{"file":"p0508.txt","language":"de","ocr_de":"ist die bei Luftzutritt eintretende Dunkelf\u00e4rbung des R\u00fcbensaftes durch einen Tyrosin- und Homogentisins\u00e4uregehalt\ndieses Saftes bedingt?\nVon\nE. Schulze.\n#\n(Aus dem agrikultur-chemischen Laboratorium des Polytechnikums in Z\u00fcrich.) (Der Redaktion zugegangen am 12. Januar 1907.)\nWenn man die Wurzeln einer Zuckerr\u00fcbe oder Runkelr\u00fcbe (Beta vulgaris) zerreibt und den Brei an der Luft stehen l\u00e4\u00dft, so f\u00e4rbt sich derselbe bekanntlich binnen kurzer Zeit rot; die F\u00e4rbung wird nach und nach dunkler und geht schlie\u00dflich in schwarz \u00fcber. Ganz \u00e4hnlich verh\u00e4lt sich der durch Auspressen des Breies gewonnene Saft. Es ist leicht zu konstatieren, da\u00df die Luft an diesem Vorg\u00e4nge sich beteiligt; wenn man einen mit dem frischen Saft gef\u00fcllten Zylinder mit einem St\u00f6psel luftdicht verschlie\u00dft, so h\u00e4lt sich der Saft darin ohne Ver\u00e4nderung, oder f\u00e4rbt sich nur sehr schwach. \u00d6ffnet man den Zylinder, so f\u00e4rbt sich die oberste Schicht des Saftes bald dunkel. Die F\u00e4rbung verbreitet sich nach und nach von oben her auf die tieferen Schichten, bis schlie\u00dflich die ganze Fl\u00fcssigkeit schwarz geworden ist.\nErhitzt man den frischen Saft bis zum Koagulieren der Eiwei\u00dfstoffe, so nimmt man ihm dadurch die F\u00e4higkeit, sich an der Luft zu f\u00e4rben. Das gleiche Ziel kann man erreichen, indem man eine R\u00fcbe in St\u00fccke schneidet und letztere eine Zeitlang in kochendem Wasser liegen l\u00e4\u00dft; der durch Zerreiben dieser St\u00fccke dargestellte Brei f\u00e4rbt sich dann nicht an der Luft. r)\n*) Es ist bemerkenswert, da\u00df eine durchschnittene R\u00fcbenwurzel sich auch bei l\u00e4ngerem Liegen an der Luft auf der Schnittfl\u00e4che nicht f\u00e4rbt. Man hat dies zu erkl\u00e4ren versucht, indem man annimmt, da\u00df entweder in den lebenden Zellen der R\u00fcbenwurzel die Substanz, durch","page":508},{"file":"p0509.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die bei Luftzutritt eintretende Dunkelf\u00e4rbung des R\u00fcbensaftes. 509\nDiese Beobachtungen machen es wahrscheinlich, da\u00df an der Dunkelf\u00e4rbung des R\u00fcbensaftes ein Enzym beteiligt ist und da\u00df dieses Enzym zu den Oxydasen geh\u00f6rt. Zu erw\u00e4hnen ist noch, da\u00df die Wurzeln und Knollen vieler anderer Gew\u00e4chse sich den R\u00fcbenwurzeln \u00e4hnlich verhalten, so z. B. die Knollen der Kartoffel und der Dahlie; das gleiche Verhalten zeigen auch andere Pflanzenteile.\nIm Jahre 1882 publizierte J. Reinke* 1) eine Untersuchung, deren Zweck es war, Aufschlu\u00df \u00fcber die Natur der Substanzen zu erhalten, durch weiche die F\u00e4rbung der Pflanzens\u00e4fte an der Luft verursacht wird. F\u00fcr seine Versuche verwendete er u, a. auch R\u00fcbensaft. Er versetzte denselben mit Bleiessig, trennte den dadurch hervorgebrachten Niederschlag von der Fl\u00fcssigkeit und zersetzte ihn mittels Schwefelwasserstoff ; die vom Schwefelblei abfiltrierte L\u00f6sung wurde sodann mit \u00c4ther gesch\u00fcttelt. Der farblose, \u00e4therische Extrakt hinterlie\u00df beim Verdunsten eine kleine Menge einer Substanz, die sich bei Luftzutritt zuerst kirschrot, sp\u00e4ter braun f\u00e4rbte. Eine Substanz von gleichem Verhalten erhielt Reinke auch, als er R\u00fcbensaft, der zuvor von den koagulierbaren Eiwei\u00dfstoffen befreit worden w^ar, mit \u00c4ther aussch\u00fcttelte. Er bezeichnet diese Substanz als Betarot. Nach seinen Beobachtungen zeigt das Betarot in seinem Verhalten gro\u00dfe \u00c4hnlichkeit mit dem Farbstoff von Anchusa tinctoria, dem Alkannarot; seine genauere Untersuchung wird aber dadurch erschwert, da\u00df es eine leicht ver\u00e4nderliche Substanz ist. Das beim Luftzutritt in Betarot \u00fcbergehende Chromogen, in welchem Reinke die Ursache f\u00fcr die F\u00e4rbung des R\u00fcbensaftes an der Luft sieht, bezeichnet er als Rhodogen. Aus dem Kartoffelsaft vermochte Reinke auf dem gleichen Wege eine Substanz von gleichem Verhalten nicht zu isolieren; der zuvor mit Salzs\u00e4ure erhitzte und dann filtrierte Kartoffelsaft gab aber\nwelche die Dunkelf\u00e4rbung hervorgebracht wird, bis zur Bildung farbloser Produkte weiter oxydiert wird, oder da\u00df in jenen Zellen auf die Oxydation, die zur Bildung gef\u00e4rbter Produkte f\u00fchrt, sofort eine Reduktion folgt, durch welche wieder farblose Produkte erzeugt werden (ich verweise auf die weiter unten von mir zitierte Abhandlung Re ink es).\nl) Diese Zeitschrift, Bd. VI, S. 263.","page":509},{"file":"p0510.txt","language":"de","ocr_de":"010\tE. Schulze,\nan \u00c4ther eine auch in Wasser l\u00f6sliche Substanz ab, die auf alkalische Silberl\u00f6sung reduzierend wirkte (besonders beim Erw\u00e4rmen) und mit Eisenchlorid eine smaragdgr\u00fcne F\u00e4rbung gab. Diese Substanz zeigte \u00c4hnlichkeit mit Brenzcatechin, konnte aber doch nicht f\u00fcr identisch mit letzterem erkl\u00e4rt werden.\nSp\u00e4ter erkl\u00e4rte M. Gonnermann1) die Homogentisins\u00e4ure f\u00fcr \u00abdie farbebedingende Substanz dunkler R\u00fcbens\u00e4fte\u00bb. Nach seinen Annahmen wird das in den R\u00fcben durch Einwirkung eines proteolytischen Enzyms auf Eiwei\u00dfstoffe entstandene Tyrosin durch ein anderes, wahrscheinlich mit der Tyrosinase Bertrands identisches Enzym in Homogentisins\u00e4ure \u00fcbergef\u00fchrt ; letztere liefert dann beim Zutritt von Luft zum R\u00fcbensaft ein dunkel gef\u00e4rbtes Oxydationsprodukt. Gonnermann teilt mit, da\u00df es ihm gelang, die Homogentisins\u00e4ure nach der von Huppert f\u00fcr die Darstellung dieser S\u00e4ure gegebenen Vorschrift aus dem R\u00fcbensaft zu isolieren. Die Darstellungsmethode sei \u00e4u\u00dferst umst\u00e4ndlich, zeitraubend und mit bedeutendem Verlust an Ausbeutematerial verbunden, doch sei es ihm schlie\u00df-lieh gelungen, \u00abeine \u00e4u\u00dferst geringe Menge der von Huppert charakterisierten wei\u00dfen Krystalle von Homogentisins\u00e4ure mit ihren reaktionellen Eigenschaften zu erhalten\u00bb. Uber die Elementarzusammensetzung2) und \u00fcber den Schmelzpunkt dieses Produktes macht Gonnermann keine Angaben: man darf daher wohl annehmen, da\u00df die Identifizierung sich nur auf das Verhalten desselben gegen Reagenzien gr\u00fcndete. Gibt nun auch die Homogentisins\u00e4ure mehrere zum Teil sehr empfindliche Reaktionen (ihre w\u00e4sserige L\u00f6sung wird durch ammoniakalisches Silbernitrat geschw\u00e4rzt, durch Eisenchlorid vor\u00fcbergehend blau gef\u00e4rbt, wird nach Zusatz von \u00fcbersch\u00fcssigem Alkali an der Luft rasch dunkel und gibt mit Mill on schein Reagens beim Erhitzen Gelbf\u00e4rbung, nach dem Erkalten einen ziegelroten Nieder-\n4) Pfl\u00fcgers Archiv der Physiologie, Bd. LXXXil, S. 289. In dieser Abhandlung bespricht der Verfasser auch die von anderen Autoren gemachten Versuche zur Erkl\u00e4rung des Dunkelwerdens der R\u00fcbens\u00e4fte.\n2) Wahrscheinlich war die von Gonnermann erhaltene Ausbeute an jenem Produkt nicht gro\u00df genug, um eine Elementaranalyse dieses Produktes ausf\u00fchren zu k\u00f6nnen.","page":510},{"file":"p0511.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die bei Luftzutritt eintretende Dunkelf\u00e4rbung des R\u00fcbensaftes. 511\nschlag), so l\u00e4\u00dft sich doch auf diese Reaktionen allein ein sicherer Nachweis der genannten S\u00e4ure in einem Pflanzensaft nicht gr\u00fcnden ; denn es gibt Substanzen, welche sich gegen Reagenzien ganz ebenso, oder doch sehr \u00e4hnlich verhalten. So gibt z. B. die Uroleucins\u00e4ure,*) die im Alkaptonharn zuweilen neben Homogentisins\u00e4ure sich findet, die gleichen Reaktionen. Sehr \u00e4hnlich verhalten sich Brenzcatechin, Resorcin und Hydrochinon. Diese Substanzen reduzieren bekanntlich alkalische Silberl\u00f6sung, f\u00e4rben sich in alkalischer L\u00f6sung an der Luft dunkel und geben mit Eisenchlorid blauviolette oder gr\u00fcne F\u00e4rbung. Um Homogentisins\u00e4ure in einem Pflanzensaft mit Sicherheit nachzuweisen \u2014 ein Nachweis, der f\u00fcr die Pflanzenphysiologie von bedeutendem Interesse sein w\u00fcrde \u2014, m\u00fc\u00dfte doch wohl das betreffende Produkt au\u00dfer durch seine Reaktionen mindestens noch durch Bestimmung seines Schmelzpunktes identifiziert werden.\nGesetzt nun aber, da\u00df im R\u00fcbensaft Homogentisins\u00e4ure in kleiner Menge sich findet, so folgt daraus noch nicht ohne weiteres, da\u00df der Gehalt an dieser S\u00e4ure die Ursache f\u00fcr die Dunkelf\u00e4rbung des R\u00fcbensaftes an der Luft ist. Zur Begr\u00fcndung dieser Ansicht ist zun\u00e4chst darauf hinzuweisen, da\u00df die Dunkelf\u00e4rbung des Saftes erfolgt, ohne da\u00df seine saure Reaktion in eine alkalische \u00fcbergeht (was ich bei Runkelr\u00fcbensaft leicht beobachten konnte). Eine w\u00e4sserige Homogentisins\u00e4urel\u00f6sung f\u00e4rbt sich aber an der Luft erst dunkel, wenn man sie zuvor alkalisch gemacht hat ;* 2) auch beim Alkaptonharn tritt starke Dunkelf\u00e4rbung erst ein, nachdem seine Reaktion infolge der Harnstoffg\u00e4rung alkalisch geworden ist. Man m\u00fc\u00dfte also, um die Homogentisins\u00e4ure f\u00fcr die farbegebende Substanz dunkel gewordenen R\u00fcbensaftes erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen, die Annahme machen, da\u00df\n*) Man glaubt, da\u00df diese S\u00e4ure eine Dioxyphenylmilchs\u00e4ure ist. Ich verweise auf Hoppe-Seylers Handbuch der physiologisch- und pathologisch-chemischen Analyse, bearbeitet von Thierfelder, S. 237.\n2) Eine reine w\u00e4sserige Homogentisins\u00e4urel\u00f6sung f\u00e4rbt sich auch nicht beim Eindunsten ; wenn w\u00e4hrend des Eindunstens durch Beimengungen eine F\u00e4rbung der L\u00f6sung verursacht wird, so ist letztere doch jedenfalls nicht mit derjenigen zu vergleichen, die in einer alkalisch gemachten L\u00f6sung der genannten S\u00e4ure eintritt.","page":511},{"file":"p0512.txt","language":"de","ocr_de":"512\nE. Schulze,\ndiese S\u00e4ure bei Einwirkung eines noch unbekannten Saftbestandteiles auch in nicht alkalischer L\u00f6sung sich unter Sauerstoffaufnahme dunkel zu f\u00e4rben vermag. Eine solche Annahme entbehrt aber bis jetzt der St\u00fctze. Ein Enzym, welches die Homogentisins\u00e4ure unter Bildung eines dunkel gef\u00e4rbten Produktes zersetzt, ist meines Wissens bis jetzt nicht aufgefunden worden. Da\u00df bei der Dunkelf\u00e4rbung einer Tyrosinl\u00f6sung durch Tyrosinase Homogentisins\u00e4ure als Zwischenprodukt auftritt, ist aus den in der Literatur sich findenden Angaben nicht zu schlie\u00dfen ; auch wird dies von Bertrand, dem Entdecker des genannten Enzyms, nach einer mir bekannt gewordenen m\u00fcndlichen \u00c4u\u00dferung1) dieses Forschers in Abrede gestellt.\nEs ist ferner darauf aufmerksam zu machen, da\u00df die Homogentisins\u00e4ure, falls sie die Ursache f\u00fcr die Dunkelf\u00e4rbung des R\u00fcbensaftes w\u00e4re, sich in diesem Safte doch wohl in recht ansehnlicher Quantit\u00e4t vorfinden m\u00fc\u00dfte. Ich verglich die F\u00e4rbung, die eine alkalisch gemachte Homogentisins\u00e4urel\u00f6sung bei l\u00e4ngerem Stehen an der Luft annahm, mit derjenigen einiger der Luft ausgesetzten R\u00fcbensaftproben. Eine mit Ammoniak alkalisch gemachte L\u00f6sung, die in 5 ccm 0,01 g Homogentisins\u00e4ure enthielt, hatte sich nach mehrst\u00fcndigem Stehen in einem Porzellansch\u00e4lchen ungef\u00e4hr ebenso stark gef\u00e4rbt, wie drei daneben aufgestellte R\u00fcbensaftproben von gleichem Volumen (bei noch l\u00e4ngerem Stehen f\u00e4rbten sich diese Proben dunkler als jene L\u00f6sung). Gesetzt nun, da\u00df die Homogentisins\u00e4ure sich bei Einwirkung irgend eines noch unbekannten R\u00fcbensaftbestand-teiles ebenso stark zu f\u00e4rben verm\u00f6chte, wie nach Zusatz eines Alkalis, so m\u00fc\u00dfte doch der R\u00fcbensaft, um die bei ihm beobachtete starke Dunkelf\u00e4rbung auf Homogentisins\u00e4ure zur\u00fcckf\u00fchren zu k\u00f6nnen, im Liter ungef\u00e4hr 2 g dieser S\u00e4ure enthalten haben. Eine so betr\u00e4chtliche Quantit\u00e4t w\u00fcrde sich aber ohne Zweifel im R\u00fcbensaft leicht nachweisen lassen. Denn die von N. Castoro und mir2) ausgef\u00fchrten Versuche haben gezeigt, da\u00df man aus einem Keimpflanzenextrakt, dem man eine im Verh\u00e4ltnis hinter\n0 Diese \u00c4u\u00dferung wurde von Herrn G. Bertrand, gegen\u00fcber einem meiner Mitarbeiter bei Gelegenheit von dessen Anwesenheit in Paris, gemacht.\n2) Diese Zeitschrift, Bd. XLVIII, S. 396.","page":512},{"file":"p0513.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die bei Luftzutritt eintretende Dunkelf\u00e4rbung des R\u00fcbensaftes. 513\njenem Betrag weit zur\u00fcckbleibende Quantit\u00e4t von Homogentisins\u00e4ure zugesetzt hat, diese S\u00e4ure durch Aussch\u00fctteln mit \u00c4ther unter Zusatz von Schwefels\u00e4ure zum gro\u00dfen Teil wieder gewinnen und in dem beim Abdestillieren der \u00e4therischen L\u00f6sung verbliebenen R\u00fcckst\u00e4nde an ihren Reaktionen erkennen kann. Da\u00df f\u00fcr den R\u00fcbensaft das gleiche gelten werde, konnte von vornherein f\u00fcr sehr wahrscheinlich erkl\u00e4rt werden. (Dies ergibt sich auch aus den Versuchen, deren Ergebnisse weiter unten mitgeteilt werden.)\nMeine Versuche, aus Runkelr\u00fcben- und Zuckerr\u00fcbensaft durch Aussch\u00fctteln mit \u00c4ther unter Zusatz von Schwefels\u00e4ure Homogentisins\u00e4ure zu gewinnen, waren erfolglos. Ehe ich diese Versuche im einzelnen beschreibe, bedarf es einiger Bemerkungen \u00fcber die Art und Weise, in welcher ich den f\u00fcr dieselben verwendeten R\u00fcbensaft behandelte. Es ist klar, da\u00df man den f\u00fcr die Pr\u00fcfung auf Homogentisins\u00e4ure bestimmten Saft nicht an der Luft stehen lassen darf, bis er schwarz geworden ist; denn nach Gonnermanns Annahme beruht ja das Schwarzwerden auf einer Zersetzung der genannten S\u00e4ure. Es empfiehlt sich also, den Saft, aus dem man Homogentisins\u00e4ure gewinnen will, bis zum Koagulieren des Eiwei\u00dfes zu erhitzen, um ihn dadurch haltbar zu machen. Allerdings sagt Gon nermann, da\u00df R\u00fcbenbrei, der sich an der Luft rot zu f\u00e4rben begonnen hat, noch nicht viel Homogentisins\u00e4ure enthalte; aber er gibt nicht an, welchen Weg man einschlagen mu\u00df, um den Saft reicher an dieser S\u00e4ure zu machen. Dieser Weg k\u00f6nnte aber doch nur darin bestehen, da\u00df man den Saft in einem verschlossenen Gef\u00e4\u00df, also gesch\u00fctzt vor dem Luftzutritt, eine Zeitlang stehen l\u00e4\u00dft. Wir haben daher, um jener Meinung Gonnermanns Rechnung zu tragen, 1 Liter R\u00fcbensaft vor der Untersuchung in einem gut verschlossenen Gef\u00e4\u00df 10 Stunden lang aufbewahrt. Freilich mu\u00dften wir von vornherein diese Ma\u00dfregel deshalb f\u00fcr erfolglos halten, weil dieser Saft, wie aus den weiter unten gemachten Mitteilungen hervorgeht, Tyrosin nur in \u00e4u\u00dferst geringer Quantit\u00e4t enthielt.\nVor Mitteilung der von uns erhaltenen Versuchsergebnisse sei noch bemerkt, da\u00df f\u00fcr die Versuche I bis III Saftproben\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. L.\n35","page":513},{"file":"p0514.txt","language":"de","ocr_de":"514\nE. Schulze.\nverwendet wurden, die durch m\u00f6glichst rasches Auspressen des R\u00fcbenbreies gewonnen und sodann sofort im Wasserbade bis zum Koagulieren der Eiwei\u00dfstoffe erhitzt worden waren; f\u00fcr den Versuch IV verwendeten wir die 10 Stunden lang in einem verschlossenen Gef\u00e4\u00dfe aufbewahrte und erst dann vom koagulierbaren Eiwei\u00df befreite Saftprobe.\nVersuchl: 800 ccm Zuckerr\u00fcbensaft*) wurden mit 50 ccm 5\u00b0/oiger Schwefels\u00e4ure versetzt und sodann mit ca. 400 ccm \u00c4ther im Scheidetrichter wiederholt anhaltend, durchgesch\u00fcttelt. Die Trennung der \u00e4therischen von der w\u00e4sserigen Schicht machte keine Schwierigkeiten.1 2) Die w\u00e4sserige Schicht wurde hierauf noch einmal mit ungef\u00e4hr der gleichen \u00c4thermenge gesch\u00fcttelt. Die vereinigten \u00c4therextrakte wurden der Destillation unterworfen. Den im Destillationskolben verbliebenen R\u00fcckstand brachten wir nach Zusatz von etwas Wasser in ein Sch\u00e4lchen, erhitzten dasselbe gelinde im Wasserbade, um die letzten \u00c4therreste zu entfernen, und unterwarfen die dabei verbliebene Fl\u00fcssigkeit, deren Volumen nur 4\u20145 ccm betrug, der Filtration. Das nahezu farblose Filtrat untersuchten wir auf Homogentisins\u00e4ure. Eine Probe dieses Filtrats f\u00e4rbte sich auf Zusatz von stark am-moniakalischer Silbernitratl\u00f6sung3) gelb, bei l\u00e4ngerem Stehen br\u00e4unlichgelb; eine Schw\u00e4rzung und eine Ausscheidung von Silber, wie sie eine Homogentisins\u00e4urel\u00f6sung auch bei sehr Marker Verd\u00fcnnung zeigt, trat aber nicht ein; durch das Hinzuf\u00fcgen einer \u00e4u\u00dferst geringen Homogentisins\u00e4uremenge zu der Probefl\u00fcssigkeit wurden diese Erscheinungen aber sofort hervor-\n1)\tWir erhielten die Zuckerr\u00fcben von der Zuckerfabrik Aarberg im Kt. Bern. Dieselben waren von den Nebenwurzeln befreit, auch war der oberste Teil der R\u00fcbe (der sog. Kopf) abgeschnitten worden.\n2)\tDie \u00e4therische Schicht trennte sich beim Stehen rasch von der w\u00e4sserigen; zwischen beiden Schichten blieb aber in mehreren F\u00e4llen eine Emulsion, deren Volumen bald geringer, bald etwas gr\u00f6\u00dfer war. Diese Emulsion wurde, nachdem sie von der w\u00e4sserigen und \u00e4therischen Schicht getrennt worden war, in einem Scheidetrichter mit \u00c4ther gesch\u00fcttelt, wodurch sie leicht zerlegt werden konnte.\n3)\tFehlte es an Ammoniak, so entstand ein wei\u00dfer Niederschlag, der vielleicht aus oxalsaurem Silber bestand; dieser Niederschlag l\u00f6ste sich aber auf Zusatz von Ammoniakfl\u00fcssigkeit wieder auf.","page":514},{"file":"p0515.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die bei Luftzutritt eintretende Dunkelf\u00e4rbung des R\u00fcbensaftes. 515\ngerufen. Eine andere Probe jenes Filtrats wurde mit Ammoniak alkalisch gemacht und sodann in einem Sch\u00e4lchen der Luft ausgesetzt; sie f\u00e4rbte sich nach dem Ammoniakzusatz zwar gelb, wurde aber auch bei l\u00e4ngerem Stehen an der Luft nicht braun. Eine dritte Probe jenes Filtrats wurde mit einigen Tropfen verd\u00fcnnter Eisenchloridl\u00f6sung versetzt: von einer dadurch bedingten Blauf\u00e4rbung war nichts zu bemerken. Ebensowenig trat beim Erw\u00e4rmen mit Mi 11 on schein Reagens eine F\u00e4rbung ein. Die in der beschriebenen Weise erhaltene L\u00f6-sung enthielt also zweifellos keine Homogentisins\u00e4ure.\nVersuch II. 1,4 1 Runkelr\u00fcbensaft wurden ebenso behandelt, wie der f\u00fcr den vorigen Versuch verwendete Saft. Die Untersuchung des \u00c4therextrakts, ausgef\u00fchrt in der bei Versuch I beschriebenen Weise, gab das gleiche Resultat; Homogentisins\u00e4ure konnte nicht nachgewiesen werden.\nVersuch III. 500 ccm Runkelr\u00fcbensaft, dargestellt aus einigen andern R\u00fcbenexemplaren, wurden in der gleichen Weise untersucht: das Resultat war auch hier negativ.\nVersuch IV. Ein Liter Runkelr\u00fcbensaft wurde in einem gut verschlossenen, mit dem Saft fast ganz gef\u00fcllten Gef\u00e4\u00dfe 10 Stunden lang aufbewahrt; dann wurde der Saft, der sich nur an der Oberfl\u00e4che etwas dunkel gef\u00e4rbt hatte, unter Zusatz von einigen Tropfen Essigs\u00e4ure im Wasserbade bis zum Koagulieren der Eiwei\u00dfstoffe erhitzt, hierauf filtriert. 750 ccm des Filtrats wurden nach Zusatz von 50 ccm 5\u00b0/oiger Schwefels\u00e4ure mit ca. 400 ccm \u00c4ther im Scheidetrichter sehr anhaltend gesch\u00fcttelt, Die Trennung der \u00e4therischen von der w\u00e4sserigen Schicht bot auch in diesem Falle keine Schwierigkeit dar. Der bei Destillation des \u00c4therextrakts verbliebene R\u00fcckstand wurde mit Wasser behandelt, die filtrierte L\u00f6sung, deren Volumen 4\u20145 ccm betrug, auf Homogentisins\u00e4ure untersucht. Das Resultat war negativ. Eine Probe jener L\u00f6sung f\u00e4rbte sich nach Zusatz von stark ammoniakalischem Silbernitrat nur br\u00e4unlichgelb, ohne da\u00df eine Ausscheidung erfolgte. Der Zusatz einer \u00e4u\u00dferst geringen Homogentisins\u00e4uremenge zur Probefl\u00fcssigkeit bewirkte, da\u00df letztere sich sofort unter Ausscheidung von Silber schw\u00e4rzte.\n35*","page":515},{"file":"p0516.txt","language":"de","ocr_de":"516\nE. Schulze,\nVersuch V. 400 ccm Runkelr\u00fcbensaft wurden unmittelbar nach der Darstellung, ohne zuvor bis zum Koagulieren der Eiwei\u00dfstoffe erhitzt worden zu sein, mit \u00c4ther unter Zusatz von Schwefels\u00e4ure (in dem oben angegebenen Mengenverh\u00e4ltnis) im Scheidetrichter gesch\u00fcttelt. Dabei entstand eine starke Emulsion. Nach l\u00e4ngerem Stehen hatte sich unter dieser Emulsion eine ziemlich klare w\u00e4sserige Schicht gebildet, welche aus dem Scheidetrichter abgelassen wurde. Zu der im Trichter verbliebenen Emulsion setzten wir ziemlich viel \u00c4ther hinzu. Nach l\u00e4ngerem Stehen hatte sich dieselbe wenigstens partiell in eine \u00e4therische und eine w\u00e4sserige Schicht geschieden. Die \u00e4therische Schicht wurde der Destillation unterworfen, der dabei verbliebene R\u00fcckstand auf Homogentisins\u00e4ure untersucht. Das Resultat war negativ.\nEs war nun zu pr\u00fcfen, ob eine geringe, dem R\u00fcbensaft\nzugesetzte Homogentisins\u00e4urequantit\u00e4t beim Sch\u00fctteln des Safts \u2022 \u2022\nmit \u00c4ther in letzteren \u00fcberging. Ich versetzte 100 ccm vom koagulierbaren Eiwei\u00df befreiten R\u00fcbensafts mit 0,024 g Homo-gentisins\u00e4ure, gel\u00f6st in 5 ccm Wasser, und 15 ccm 5%iger Schwefels\u00e4ure. Diese Fl\u00fcssigkeit, deren Homogentisins\u00e4uregehalt nur 0,02 \u00b0/o betrug, wurde sodann im Scheidetrichter mit 100 ccm \u00c4ther 8 mal je 2\u20143 Minuten lang durchgesch\u00fcttelt. Den beim Verdunsten des von der w\u00e4sserigen Schicht getrennten \u00c4therextrakts verbliebenen R\u00fcckstand behandelten wir mit Wasser. Eine Probe der dabei erhaltenen L\u00f6sung schw\u00e4rzte sich nach Zusatz von ammoniakalischem Silbernitrat sofort unter Abscheidung von Silber. Eine zweite Probe der L\u00f6sung gab auf Zusatz einiger Tropfen sehr stark verd\u00fcnnter Eisenchloridsolution eine freilich nicht starke Rlauf\u00e4rbung, die rasch wieder verschwand. Eine dritte Probe der gleichen L\u00f6sung wurde mit Ammoniak alkalisch gemacht und sodann der Luft ausgesetzt. Sie f\u00e4rbte sich dabei br\u00e4unlich. Aus einer Vergleichung dieser Rraunf\u00e4rbung mit derjenigen, die eine alkalische Homogentisins\u00e4urel\u00f6sung bestimmter Konzentration beim Stehen an der Luft annahm, mu\u00dfte geschlossen werden, da\u00df bei dem ersten Aussch\u00fctteln mit \u00c4ther in letzteren nur ein Teil der dem Saft zugesetzteh Homogentisins\u00e4ure \u00fcbergegangen war.","page":516},{"file":"p0517.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die bei Luftzutritt eintretende Dunkelf\u00e4rbung des R\u00fcbensaftes. 517\nWir wiederholten daher das Aussch\u00fctteln mit \u00c4ther noch drei-\n\u2022 \u2022\nmal. Auch das letzte der dabei erhaltenen Atherextrakte gab beim Verdunsten einen R\u00fcckstand, dessen w\u00e4sserige L\u00f6sung auf Zusatz von ammoniakalischem Silbernitrat sich sofort schwarz f\u00e4rbte. Diese Beobachtungen zeigen, da\u00df die dem Saft zugesetzte Homogentisins\u00e4ure sich nur langsam aus\u00e4thern lie\u00df, was im Hinblick auf die Leichtl\u00f6slichkeit der genannten S\u00e4ure in Wasser \u00fcbrigens von vornherein zu erwarten war; jedes der in diesem Versuche erhaltenen \u00c4therextrakte gab aber beim Verdunsten einen R\u00fcckstand, der mit ammoniakalischem Silbernitrat die Homogentisins\u00e4urereaktion gab.\nNoch auf einem andern Wege versuchte ich, Homogentisins\u00e4ure aus dem R\u00fcbensaft zu isolieren. Da nach den dar\u00fcber vorliegenden Angaben diese S\u00e4ure auch in stark verd\u00fcnnter L\u00f6sung durch Bleiessig gef\u00e4llt wird, so versetzte ich ein Quantum von ca. 2M2 1 Runkelr\u00fcbensaft mit Bleiessig, bis dieses Reagens keine F\u00e4llung mehr hervorbrachte, trennte den Niederschlag von der Fl\u00fcssigkeit, wusch ihn mit kaltem Wasser und pre\u00dfte ihn sodann zwischen Filtrierpapier stark ab; der Niederschlag wurde nun in Wasser verteilt und mittels Schwefelwasserstoff zersetzt. Die vom Schwefelblei abfilirierte L\u00f6sung, welche nur wenig gef\u00e4rbt und v\u00f6llig klar war, wurde im Wasserbade eingeengt und sodann im Scheidetrichter mit \u00c4ther unter Zusatz einer kleinen Menge verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure gesch\u00fcttelt. Den beim Abdestillieren des \u00c4therextrakts verbliebenen R\u00fcckstand untersuchte ich auf Homogentisins\u00e4ure. Das Resultat war negativ. Ein Versuch, auf dem gleichen Wege aus Zuckerr\u00fcbensaft Homogentisins\u00e4ure zu isolieren, war ebenfalls erfolglos.\nWie aus den im vorigen gemachten Mitteilungen zu ersehen ist, gelang es mir nicht, in dem Saft der von mir untersuchten R\u00fcben Homogentisins\u00e4ure nachzuweisen; ich kann daher auch nicht annehmen, da\u00df die Dunkelf\u00e4rbung dieses Saftes an der Luft durch die genannte S\u00e4ure verursacht wurde.\nWie schon oben erw\u00e4hnt worden ist, liegt kein Beweis daf\u00fcr vor, da\u00df bei der Zersetzung des Tyrosins durch Tyrosinase Homogentisins\u00e4ure als Zwischenprodukt auftritt; aus den im vorigen mit geteilten Versuchsergebnissen l\u00e4\u00dft sich daher noch","page":517},{"file":"p0518.txt","language":"de","ocr_de":"518\nE. Schulze,\nnicht schlie\u00dfen, da\u00df bei der Dunkelf\u00e4rbung des von mir untersuchten R\u00fcbensaftes das Tyrosin gar keine Rolle spielte. Die weitere Untersuchung dieses Saftes zeigte aber, da\u00df derselbe nur eine \u00e4u\u00dferst geringe Quantit\u00e4t von Tyrosin enthielt. Die meisten Exemplare der von mir untersuchten R\u00fcbensorten enthielten ohne Zweifel nur Spuren der genannten Aminos\u00e4ure.\nEhe ich die Versuche beschreibe, die zu dieser Schlu\u00dffolgerung f\u00fchrten, mu\u00df ich einige Bemerkungen \u00fcber das dabei angewandte Verfahren machen. Wenn man einen tvrosin-\n#\tv\nhaltigen Pflanzensaft mit Bleiessig in schwachem \u00dcberschu\u00df versetzt, den Bleiniederschlag durch Filtration entfernt und dem Filtrate Mercurinitrat zuf\u00fcgt, so entsteht ein Niederschlag, in den neben anderen Saftbestandteilen (Asparagin, Glutamin usw.) auch ein Teil des Tyrosins eingeht. Zerlegt man diesen Niederschlag nach dem Abfiltrieren und Auswaschen durch Schwefelwasserstoff, neutralisiert die vom Schwefelquecksilber abfiltrierte Fl\u00fcssigkeit mit Ammoniak und engt sie im Wasserbade stark ein, so liefert sie nach dem Erkalten eine aus Tyrosin bestehende Ausscheidung. Von mir und meinen Mitarbeitern ist in dieser Weise z. B. aus den Knollen der Dahlie, der Stachys und der Steckr\u00fcbe, sowie aus den Keimpflanzen des K\u00fcrbis und der Kapuzinerkresse Tyrosin dargestellt worden; bei keinem, auf anderem Wege als tyrosinhaltig erkannten Pflanzenextrakte hat diese Methode versagt. Wie oben schon erw\u00e4hnt worden ist, bringt man aber, wenn man in der angegebenen Weise verf\u00e4hrt, das Tyrosin nur partiell zur Abscheidung. Die Ausbeute daran l\u00e4\u00dft sich erh\u00f6hen, indem man die Acidit\u00e4t der mit Mercurinitrat versetzten Fl\u00fcssigkeit durch Zusatz von Natronlauge stark verringert. Man kann aber auch so verfahren, da\u00df man nach dem Abfiltrieren des Mercurinitratniederschlages dem Filtrate noch etwas Mercurinitrat und sodann so viel Natronlauge zusetzt, da\u00df die saure Reaktion der Fl\u00fcssigkeit in eine alkalische \u00fcbergeht; man erh\u00e4lt dann noch einen starken gelblich gef\u00e4rbten Niederschlag, der bei der Zerlegung durch Schwefelwasserstoff noch Tyrosin liefert. Auf diesem Wege kann man ohne Zweifel auch aus Extrakten, die sehr wenig Tyrosin enthalten, diese Aminos\u00e4ure zur Abscheidung bringen. Ist im Ex-","page":518},{"file":"p0519.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die bei Luftzutritt eintretende Dunkelf\u00e4rbung des R\u00fcbensaftes. 519\ntrakt auch Leucin vorhanden, so geht dasselbe neben dem Tyrosin in den Niederschlag ein.\nEs gelang mir nicht, auf diesem Wege aus dem Safte der f\u00fcr meine Versuche verwendeten Zuckerr\u00fcben Tyrosin zu gewinnen. Der Niederschlag, welcher in dem zuvor durch Versetzen mit Bleiessig gereinigten Safte durch Mercurinitrat hervorgebracht wurde, lieferte bei der Zerlegung Glutamin, dem letzteren war aber kein Tyrosin beigemengt, wie sich aus dem Verhalten des Glutaminpr\u00e4parates gegen das Mill on sehe Reagens mit Sicherheit erkennen lie\u00df. Wir f\u00fcgten nun der vom Mercurinitratniederschlage abfiltrierten Fl\u00fcssigkeit, in der \u00fcbersch\u00fcssiges Mercurinitrat sich vorfand, Natronlauge bis zur alkalischen Reaktion hinzu, wodurch ein starker gelblicher Niederschlag hervorgebracht wurde. Auch die bei Zerlegung dieses Niederschlages erhaltene L\u00f6sung lieferte kein Tyrosin, als sie mit Ammoniak neutralisiert und sodann im Wasserbade stark eingeengt wurde; auch gab diese Fl\u00fcssigkeit beim Erw\u00e4rmen mit Mi 11 on schein Reagens keine deutliche Tyrosinreaktion und enthielt diese Aminos\u00e4ure ohne Zweifel nur in Spuren. Ganz \u00e4hnlich waren die Resultate, die wir bei Anwendung der beschriebenen Methode auf den Runkelr\u00fcbensaft erhielten. Mit diesem Material wurden 3 Versuche angestellt. Im ersten Versuche, f\u00fcr welchen 2M2 1 Saft verwendet wurden, erhielten wir genau das gleiche Ergebnis, wie in dem Versuche mit Zuckerr\u00fcbensaft ; es gelang nicht, Tyrosin zu gewinnen. Etwas anders war das Resultat im zweiten Versuch, f\u00fcr den wir 1 Saft, dargestellt aus anderen Runkelr\u00fcbenexemplaren, verwendeten: aus dem zweiten, durch Zusatz von Natronlauge hervorgebrachten Mercurinitratniederschlage lie\u00df sich eine sehr kleine Menge von Tyrosin (identifiziert durch sein Verhalten gegen das Mill on sehe und gegen das M\u00f6rn ersehe Reagens) gewinnen. Doch betrug das Gewicht der Tyrosinkrystalle nur ca. 0,025 g. Gesetzt nun, da\u00df wir nur die H\u00e4lfte des im Saft vorhandenen Tyrosins zur Abscheidung bringen konnten, so w\u00fcrde der Tyrosingehalt des Saftes doch nur 0,0020/0 betragen haben. Wir machten sodann noch einen dritten Versuch mit 4 1 Saft, dargestellt aus anderen Exemplaren der gleichen Runkelr\u00fcbensorte.","page":519},{"file":"p0520.txt","language":"de","ocr_de":"520\nE. Schulze.\nDieser Versuch verlief wieder ganz negativ; auch aus dem zweiten, durch Zusatz von Natronlauge hervorgebrachten Mer-curinitratniederschlage vermochten wir kein Tyrosin zu gewinnen. Die bei Zerlegung dieses zweiten Niederschlages erhaltene L\u00f6sung gab beim Erw\u00e4rmen mit Millonschem Reagens nur ganz schwache R\u00f6tung. Aus diesen Versuchsergebnissen ist zu schlie\u00dfen, da\u00df die meisten Exemplare dieser Runkelr\u00fcbensorte Tyrosin h\u00f6chstens in Spuren enthielten ; aus einigen Exemplaren lie\u00df sich zwar Tyrosin darstell eji, aber doch nur in \u00e4u\u00dferst geringer Quantit\u00e4t.\nEs sei hier noch erw\u00e4hnt, da\u00df in meinem Laboratorium wiederholt aus dem zuvor durch Versetzen mit Rleiessig ge-reinigten Runkelr\u00fcbensafte durch F\u00e4llung mit Mercurinitrat Glutamin dargestellt worden ist, da\u00df aber die auf diesem Wege gewonnenen Glutaminpr\u00e4parate fast immer frei von Tyrosin waren. Es ist mir nur ein Fall erinnerlich, in welchem aus der bei Zerlegung des Mercurinitratniederschlages erhaltenen Fl\u00fcssigkeit Tyrosin auskrystallisierte; doch war seine Quantit\u00e4t nur sehr gering.\nUm v\u00f6llig sicher zu sein, da\u00df aus dem R\u00fcbensafte das darin vorhandene Tyrosin durch Ausf\u00e4llung mit Mercurinitrat sich gewinnen l\u00e4\u00dft, habe ich noch folgende Versuche angestellt: 1. Zu 2 1 Runkelr\u00fcbensaft, der von den durch Rleiessig f\u00e4ll-baren Stoffen befreit worden war, wurden 3 g Tyrosin gesetzt, gel\u00f6st in so viel Wasser, da\u00df beim Erkalten der L\u00f6sung ein Auskrvstallisieren von Tvrosin nicht stattfand: dann f\u00fcgte ich Mercurinitrat in schwachem \u00dcberschu\u00df zu. Der dadurch hervorgebrachte Niederschlag wurde, nach dem Abfiltrieren und Auswaschen durch Schwefelwasserstoff, zersetzt, die vom Schwefelquecksilber abfiltrierte L\u00f6sung mit Ammoniak neutralisiert und im Wasserbade stark eingeengt. Nach dem Erkalten lieferte diese L\u00f6sung, noch ehe Glutamin auskrystallisierte, eine Ausscheidung von Tyrosin. Letzteres wurde abfiltriert, mit kaltem Wasser gewaschen, dann getrocknet und gewogen. Sein Gewicht betrug 0,8 g. 2. F\u00fcr einen zweiten Versuch verwendete ich 2 1 Runkelr\u00fcbensaft, welchem ebenfalls 0,3 g Tyrosin in der gleichen W eise zugesetzt worden waren. In diesem Falle wurde neben","page":520},{"file":"p0521.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die bei Luftzutritt eintretende Dunkelf\u00e4rbung des R\u00fcbensaftes. 521\ndem ersten Mercurinitratniedersehlag auch die zweite F\u00e4llung, die durch Zusatz von Natronlauge zum Filtrat vom ersten Niederschlage hervorgebracht wurde, auf Tyrosin verarbeitet. Die Ausbeute an dieser Aminos\u00e4ure war nun gr\u00f6\u00dfer, als im vorigen Versuch; sie betrug zwischen 0,1 und 0,2 g.1) Zur Identifizierung des Tyrosins diente sein Verhalten gegen das Mi lionsehe und das M\u00f6rnersche Reagens sowie die Piriasche Reaktion. Da\u00df nur etwa die H\u00e4lfte der dem Safte zugesetzten Tyrosinquantit\u00e4t wieder gewonnen werden konnte, ist eine leicht zu erkl\u00e4rende Erscheinung. Die F\u00e4llung, welche durch Mercurinitrat in dem Safte hervorgebracht wird, enth\u00e4lt auch Glutamin. Dunstet man die bei Zerlegung dieses Niederschlages erhaltene L\u00f6sung auf ein geringes Volumen ein, so krystallisiert aus derselben zuerst Tyrosin aus: selbstverst\u00e4ndlich aber ist auch dem sp\u00e4ter aus-krvstallisierenden Glutamin noch Tyrosin beigemengt, welches sich zwar mit Hilfe des Millonschen Reagens leicht erkennen, aber doch nicht quantitativ vom Glutamin trennen l\u00e4\u00dft. Die Gewinnung des Tyrosins aus den Mercurinitratniederschl\u00e4gen ist also mit Verlusten verbunden.\nAus den im vorigen mitgeteilten Versuchsergebnissen ist zu schlie\u00dfen, da\u00df die f\u00fcr meine Versuche verwendeten R\u00fcben Tyrosin nur in \u00e4u\u00dferst geringer Quantit\u00e4t, meistens nur in Spuren enthielten ; man kann daher nicht annehmen, da\u00df die sehr starke Dunkelf\u00e4rbung des Saftes dieser R\u00fcben an der Luft auf einer Zersetzung von Tyrosin durch Tyrosinase oder durch ein der letzteren \u00e4hnliches Enzym beruhte. F\u00fcr die Richtigkeit dieser Ansicht sprechen noch folgende Versuche: 1. 2 1 R\u00fcbensaft, gewonnen durch Auspressen von frischem R\u00fcbenbrei, wurden mit einer L\u00f6sung von 3 g Tyrosin in Wasser vermischt. Ich lie\u00df das Gemisch in einer offenen Schale unter h\u00e4ufigem Umr\u00fchren 5 Stunden lang an der Luft stehen, wobei es sich intensiv dunkel f\u00e4rbte. Der dunkel gef\u00e4rbten Fl\u00fcssigkeit f\u00fcgte ich nun Rleiessig in schwachem \u00dcberschu\u00df zu, beseitigte den dadurch erzeugten Niederschlag durch Filtration und versetzte das Filtrat mit Mercurinitrat, wodurch eine starke F\u00e4llung hervorgebracht wurde. Der davon abfiltrierten Fl\u00fcssigkeit f\u00fcgte ich noch etwas\np Diesem Tyrosin war kein Glutamin beigemengt.","page":521},{"file":"p0522.txt","language":"de","ocr_de":"522\nE. Schulze,\nMercurinitrat und sodann Natronlauge bis zur alkalischen Reaktion zu. Die dadurch erzeugte F\u00e4llung lieferte, ebenso wie die erste, bei der Zerlegung Tyrosin, dessen Identifizierung mit Hilfe der oben angef\u00fchrten Reaktionen geschah. Das Gewicht des zur Abscheidung gebrachten Tyrosins betrug ca. 0,15 g. 2. In einem zweiten Versuch lie\u00df ich ein in der gleichen Weise bereitetes Gemisch von Runkelr\u00fcbensaft mit einer w\u00e4sserigen Tyrosinl\u00f6sung 18 Stunden lang an der Luft stehen und behandelte die schwarz gewordene Fl\u00fcssigkeit dann ganz ebenso, wie es im Versuch 1 geschah. Auch in diesem Falle konnte aus den Mercurinitratniedersehl\u00e4gen Tyrosin gewonnen werden ; die Ausbeute daran war ungef\u00e4hr eben so gro\u00df wie im ersten Versuch.\nDiese Versuche f\u00fchren zu der Schlu\u00dffolgerung, da\u00df beim Schwarzwerden des R\u00fcbensaftes das dem letzteren zugesetzte Tyrosin nicht verbraucht worden war ; denn aus dem schwarz gewordenen Safte konnte ungef\u00e4hr ebenso viel Tyrosin wieder gewonnen werden, wie aus der R\u00fcbensaftprobe, die erst nach der Behandlung mit Bleiessig mit der gleichen Tyrosinmenge versetzt worden war. Auf die \u00dcbereinstimmung der bez\u00fcglichen Zahlen ist allerdings ein sehr gro\u00dfes Gewicht nicht zu legen; denn es handelt sich ja in diesen Versuchen nicht um eine genaue quantitative Bestimmung des Tyrosins, sondern um eine Ermittelung der Ausbeute, deren Gr\u00f6\u00dfe durch verschiedene Umst\u00e4nde beeinflu\u00dft wird. Trotz jener \u00dcbereinstimmung ist also die M\u00f6glichkeit nicht ausgeschlossen, da\u00df beim Stehen des R\u00fcbensaftes an der Luft ein geringer Teil des demselben zugef\u00fcgten Tyrosins zersetzt wurde. G\nAus den im vorigen gemachten Mitteilungen ist zu schlie\u00dfen, da\u00df die Dunkelf\u00e4rbung des f\u00fcr meine Versuche verwendeten R\u00fcbensaftes auf einen Gehalt dieses Saftes an Tyrosin und an Homogentisins\u00e4ure nicht zur\u00fcckzuf\u00fchren war. Denn im Saft fand sich Tyrosin nur in so geringer Menge vor, da\u00df diese Aminos\u00e4ure an der Dunkelf\u00e4rbung des Saftes einen wesentlichen Anteil\n*) Nach den Angaben Gonnermanns (loc. cit.) enth\u00e4lt der Zuckerr\u00fcbensaft ein Enzym, durch welches das Tyrosin unter Braunf\u00e4rbung zersetzt wird.","page":522},{"file":"p0523.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die bei Luftzutritt eintretende Dunkelf\u00e4rbung des R\u00fcbensaftes. 523\nnicht haben konnte ; Homogentisins\u00e4ure vermochte ich aber im Saft gar nicht nachzuweisen.\nDie Wahrnehmung, da\u00df der von mir untersuchte R\u00fcbensaft nur Spuren von Tyrosin enthielt, steht selbstverst\u00e4ndlich nicht in Widerspruch mit Gonnermanns Annahme, nach welcher die Zersetzung von Eiwei\u00dfstoffen in den R\u00fcben mit der Bildung der genannten Aminos\u00e4ure verbunden ist ; denn es ist m\u00f6glich, da\u00df letztere sp\u00e4ter dem Abbau unterlag. Wie von mir nachgewiesen worden ist, tritt Tyrosin auch in den Cotyledonen keimender Leguminosensamen auf, findet sich aber in den wachsenden Keimpflanzenteilen (hvpocotyles Glied, Wurzel usw.) nur in Spuren vor \u2014 offenbar deshalb, weil es sp\u00e4ter dem Abbau unterliegt. Bertel1) hat behauptet, da\u00df dieser Abbau in den Keimpflanzen vonLupinus albus durch Tyrosinase bewirkt werde und da\u00df dabei Homogentisins\u00e4ure sich bilde; N. Castoro und ich2) vermochten aber aus den genannten Keimpflanzen durch Sch\u00fctteln der Extrakte mit Schwefels\u00e4ure und \u00c4ther keine Homogentisins\u00e4ure zu gewinnen. Die negativen Resultate, die wir bei der Pr\u00fcfung auf diese S\u00e4ure bei den Keimpflanzen sowie jetzt beim R\u00fcbensaft erhielten, lassen selbstverst\u00e4ndlich noch die M\u00f6glichkeit offen, da\u00df beim Abbau des Tyrosins in den Pflanzen Homogentisins\u00e4ure zwar entsteht, aber rasch wieder zersetzt wird und infolge davon nur in einzelnen F\u00e4llen, unter besonders g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden, in einer f\u00fcr ihren Nachweis gen\u00fcgenden Quantit\u00e4t sich ansammelt. In einer Keimpflanze, die man untersucht, w\u00e4hrend in ihr die Bildung von Tyrosin aus Eiwei\u00dfstoffen noch im Gange ist, m\u00fc\u00dften aber doch die Verh\u00e4ltnisse f\u00fcr den Nachweis der Homogentisins\u00e4ure g\u00fcnstig hegen. Wenn man nun diese S\u00e4ure in der beim Aussch\u00fctteln des Safts mit \u00c4ther und Schwefels\u00e4ure erhaltenen L\u00f6sung trotz der Empfindlichkeit det bez\u00fcglichen Reaktionen nicht auffinden kann, so ist es h\u00f6chst unwahrscheinlich, da\u00df sie beim Abbau des Tyrosins in der Keimpflanze entsteht. Es ist denkbar, da\u00df beim\nfl Berichte der Deutsch. Botanischen Gesellschaft, 1902, Bd. XX, S. 454\u2014463.\n*) Diese Zeitschrift, Bd. XLV1II, S. 396.","page":523},{"file":"p0524.txt","language":"de","ocr_de":"E. Schulze, \u00dcber die Dunkelf\u00e4rbung des R\u00fcbensaftes.\nR\u00fcbensaft die Verh\u00e4ltnisse etwas anders liegen. Will man aber den sichern Beweis f\u00fcr das Vorhandensein von Homogentisins\u00e4ure in einer Pflanze liefern, so darf man sich nicht allein auf die Reaklionen dieser S\u00e4ure st\u00fctzen,x) da es, wie oben schon hervorgehoben wurde, noch andere Substanzen gibt, welche entweder die gleichen oder sehr \u00e4hnliche Reaktionen geben ; man wird also mindestens noch nachzuweisen haben, da\u00df die Substanz, die man f\u00fcr Homogentisins\u00e4ure erkl\u00e4rt, im Schmelzpunkte mit dieser S\u00e4ure \u00fcbereinstimmt.\nDie aus unseren Beobachtungen sich ableitenden Schlu\u00dffolgerungen sind selbstverst\u00e4ndlich nicht unvereinbar mit der Annahme, da\u00df in einem R\u00fcbensafte, der reicher an Tyrosin ist, als der von uns untersuchte, diese Aminos\u00e4ure und ihre Umwandlungsprodukte an dem Dunkelwerden des Saftes einen gewissen Anteil nehmen. Es ist ja m\u00f6glich, da\u00df die letztere Erscheinung nicht durch einen Saftbestandteil, sondern durch mehrere, im Safte neben einander vorhandene Stoffe verursacht wird.\nBei Ausf\u00fchrung eines Teiles der im vorigen beschriebenen Versuche wurde ich unterst\u00fctzt von Herrn Dr. 0. Hiestand, dem ich daf\u00fcr an dieser Stelle meinen besten Dank ausspreche.\n\u00dc Wie kaum bemerkt zu werden braucht, steht diese Ansicht nicht im Widerspruch mit dem Umstande, da\u00df wir in den Versuchen, in denen Pflanzensaft nach Zusatz von Homogentisins\u00e4ure mit \u00c4ther und Schwefels\u00e4ure gesch\u00fcttelt wurde, den Nachweis der genannten S\u00e4ure im \u00c4therextrakt nur auf ihre Reaktionen gr\u00fcndeten. Denn es handelte sich ja in diesen F\u00e4llen nur um den Nachweis der dem Safte zugesetzten Homogentisins\u00e4ure. Niemand wird behaupten wollen, da\u00df wir bei dieser Sachlage, um den \u00dcbergang dieser S\u00e4ure in den \u00c4ther zu beweisen, dieselbe aus den \u00c4therextrakten in Substanz abscheiden und durch Bestimmung ihres Schmelzpunktes identifizieren mu\u00dften. Letzteres w\u00e4re nur m\u00f6glich gewesen, falls wir dem Safte eine viel gr\u00f6\u00dfere Homogentisins\u00e4uremenge zugesetzt h\u00e4tten.","page":524}],"identifier":"lit18459","issued":"1906-07","language":"de","pages":"508-524","startpages":"508","title":"Ist die bei Luftzutritt eintretende Dunkelf\u00e4rbung des R\u00fcbensaftes durch einen Tyrosin- und Homogentisins\u00e4uregehalt dieses Saftes bedingt?","type":"Journal Article","volume":"50"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:45:06.064412+00:00"}