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{"created":"2022-01-31T14:42:02.254677+00:00","id":"lit20588","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Verschaffelt, E.","role":"author"},{"name":"Frl. E. van Teutem","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 95: 130-135","fulltext":[{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"Dl\u00ab \u00c4nderung der mikroskopischen Struktur des Brotes beim\nAltbackenwerden.\n\u25a0 Von \u25a0\u25a0\nE. Verschaffelt und Fri. E. van Teutem in Amsterdam.\nMit 2 Lichtdrucktafeln.\n(Der Redaktion ziigegangen am 11. August 1915.)\nDie mikroskopische Struktur des Brotes wurde bis jetzt sehr wenig studiert. Es scheint uns daher nicht \u00fcberfl\u00fcssig, eine kurze Beschreibung derselben zu geben, bevor wir zur Untersuchung ihrer \u00c4nderungen beim Altbackenwerden \u00fcbergehen. Wir werden uns in dieser Abhandlung auf die Untersuchung von Wei\u00dfbrot (Weizenbrot) beschr\u00e4nken.\n\u00c0m leichtesten orientiert man sich, wenn man ein St\u00fcckchen Krume von Weizenbrot mit der Pinzette abpfl\u00fcckt und es auf einem Objekttr\u00e4ger in einem Tropfen Wasser, unter leichtem Druck mit dem Deckgl\u00e4schen, ausbreitet. Man sieht eine durchscheinende Masse, die in allen Richtungen durchkreuzt wird von st\u00e4rker lichtbrechenden Streifen, die zu d\u00fcnneren oder dickeren B\u00fcndeln vereinigt sind. St\u00e4rkek\u00f6rner zeichnen sich im frischbackenen Brot so gut wie gar nicht ab. Nur an den R\u00e4ndern des Pr\u00e4parates finden sich d\u00fcnnere Stellen, wo die Struktur deutlicher ist.\nViel besser kann man diese studieren, wenn man unter den W\u00e4nden der Brotalveolen eine sehr d\u00fcnne, durchscheinende aussucht, sie mit der Pinzette vorsichtig abhebt und in einem Tropfen Wasser ausbreitet (diesesmal ohne mit dem Deckgl\u00e4schen zu dr\u00fccken). Die d\u00fcnnsten Stellen der Brotlamelle sind dann meist nur zwei oder drei Schichten St\u00e4rkek\u00f6rner dick; macht man etwa zehn solcher Pr\u00e4parate, so findet man leicht eines, in dem eine Stelle nur eine bis zwei Schichten","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Die \u00c4nderung der mikroskopischen Struktur des Brotes usw. 131\nSt\u00e4rkek\u00f6rner zeigt.1) Man sieht dann, wie die gro\u00dfen St\u00e4rkek\u00f6rner ziemlich regelm\u00e4\u00dfig, in Reihen nebeneinander angeordnet liegen. Es ist diese Anordnung, welche dem Brot \u2014 vor allem bei schwacher Vergr\u00f6\u00dferung \u2014 ein streifiges Aussehen gibt; die kleinen St\u00e4rkek\u00f6rner liegen um und zwischen den gro\u00dfen. Das Eiwei\u00df (Gluten) des Brotes vereinigt die St\u00e4rkek\u00f6rner zu einem Ganzen. \u00dcberall sieht man es zwischen den einzelnen K\u00f6rnern liegen, meist als d\u00fcnne Streifen, die im optischen Durchschnitt als F\u00e4den erscheinen, zuweilen als breitere Lamellen. Jedes St\u00e4rkekorn ist vom Gluten ganz umgeben. Die Hefezellen liegen in den Glutenlamellen und sind ziemlich regelm\u00e4\u00dfig verteilt. Es sind kleine runde oder elliptische K\u00f6rperchen, oft zu Reihen von zwei bis drei verkettet; in diesem Falle sind sie meist von ungleicher Gr\u00f6\u00dfe. Man erkennt sie an dieser Knospenbildung und an ihrer eigenen Wand.\nSehr sch\u00f6n ist das Bild, das man sieht, wenn man die d\u00fcnne Brotlamelle in sehr verd\u00fcnnter Jodjodkaliuml\u00f6sung untersucht. Die St\u00e4rkek\u00f6rner f\u00e4rben sich dann blau bis schwarzblau, das Eiwei\u00df wird gelb, die Hefezellen werden dunkler gelb. Bemerkenswert ist dann die scharfe Begrenzung der St\u00e4rkek\u00f6rner, dem anders gef\u00e4rbten Gluten gegen\u00fcber. Und auff\u00e4llig ist die reingelbe F\u00e4rbung des Glutens; nirgends sind blaue oder gr\u00fcne Partien zu sehen. Offenbar ist die l\u00f6sliche St\u00e4rke des Brotes nur in den St\u00e4rkek\u00f6rnern enthalten; von einem Austritt in oder einer Vermischung mit dem Gluten bemerkt man nichts.\nAm sch\u00f6nsten aber werden die Pr\u00e4parate, wenn man sie in L\u00f6sungen von Farbstoffen untersucht, die das Gluten f\u00e4rben und die St\u00e4rkek\u00f6rner nicht. W\u00e4sserige Safraninl\u00f6sungen eignen sich sehr gut. Das Gluten wird dann rosarot, die St\u00e4rkek\u00f6rner f\u00e4rben sich nicht, die Hefezellen werden dunkelrot, die Konturen der St\u00e4rkek\u00f6rner zeichnen sich deutlich durch den Unterschied der Farbe ab. Man sieht bei schwacher Vergr\u00f6\u00dferung deutlich den streifigen Bau, und sieht, da\u00df sie eine\n\u2018) Beim holl\u00e4ndischen Wei\u00dfbrot, das zu einem sehr gro\u00dfen Volumen ausgebacken ist mit regelm\u00e4\u00dfig verteilten feinen Poren.","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\tE. Verschaffelt und E. van Teutem,\nFolge der regelm\u00e4\u00dfigen Ordnung der gr\u00f6\u00dferen St\u00e4rkek\u00f6rner ist. Bei starker Vergr\u00f6\u00dferung sieht man jetzt, da\u00df tats\u00e4chlich auch dort, wo die St\u00e4rkek\u00f6rner sehr nahe beieinander liegen, sie doch durch d\u00fcnne Eiwei\u00dflamellen voneinander getrennt sind. Bei weit ge\u00f6ffnetem Ab b e sehen Beleuchtungsapparat verschwinden die St\u00e4rkek\u00f6rner im Bilde, und nun l\u00e4\u00dft sich die Form des Glutens gut studieren. Es durchzieht wie ein Skelett, das die St\u00e4rkek\u00f6rner tr\u00e4gt und zu einem Ganzen vereinigt, das Brot. Es l\u00e4\u00dft sich dieses Skelett sehr leicht isolieren, wenn man Brotkrume einige Tage lang bei 65\u00b0 C. mit Malzextrakt oder mit einer L\u00f6sung k\u00e4uflicher Diastase behandelt. Es bleibt dann \u00fcbrig als ein wei\u00dfer K\u00f6rper, der (wenn er im Wasser schwimmt) etwa wie Brotkrume aussieht, nur viel schlaffer ist. Es besteht aus koaguliertem Eiwei\u00df.\nKehren wir aber zu den mit Safranin gef\u00e4rbten Zupfpr\u00e4paraten des frischbackenen Brotes zur\u00fcck. Das Gluten umschlie\u00dft die St\u00e2rkekorn\u00e7r sehr eng. Hohlr\u00e4ume zwischen beiden sieht man nicht oder nur ausnahmsweise.\nln den Lamellen des Glutens sieht man deutliche Mikro-somen, wohl haupts\u00e4chlich Fetttr\u00f6pfchen. Weizenmehl enth\u00e4lt n\u00e4mlich etwa zehn Prozent trockenes Eiwei\u00df und zwei Prozent Fett, es kann das Fett also im Gluten einen ziemlich auff\u00e4lligen Raum einnehmen. Man sieht jetzt auch deutlich, da\u00df die Hefezellen in den Glutenlamellen oder in deren Oberfl\u00e4che eingebettet liegen.\nBesonders sch\u00f6n werden die Bilder, die man bekommt, wenn man sehr d\u00fcnne Stellen durchsichtiger Brotlamellen in w\u00e4sseriger Safraninl\u00f6sung untersucht. Fig. 1 gibt das Bild einer solchen Stelle, und zwar bei frischbackenem Brote. In dieser Figur sind die Hefezellen schwarzgrau, das Gluten hellgrau, die St\u00e4rkek\u00f6rner fast wei\u00df abgebildet.\nUntersuchen wir jetzt mit denselben Untersuchungsmethoden altbackenes Brot, und zwar solches, das unter strenger Vermeidung von Wasserverlust altbacken geworden ist \u2014 etwa in einer hermetisch schlie\u00dfenden St\u00f6pselflasche. Wir bekommen dann Bilder von sehr \u00e4hn-","page":132},{"file":"p0132s0002.txt","language":"de","ocr_de":"Eine d\u00fcnne Brotlamelle (nach F\u00e4rbung mit Safraninl\u00f6sung)\nln frischem Brot\nPfg- 1.\nin altbackenem Brot\nFlg 2\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f\u00fcr physiol. Chemie., Band XCV, Tafel 3.\nZu \u201eE. Verschaffelt und Fri. E. van Teutem, Die Aenderung der mikroskopischen Struktur des Brotes beim Altbackenwerden\u201c\nVerlag von Karl J. Tr\u00fcbner in Strasshur-;","page":0},{"file":"p0132s0003.txt","language":"de","ocr_de":"Umrisse von St\u00e4rkek\u00f6rnern in d\u00fcnnen Br\u00f4flame\u00efl\u00e9h.\nvor dem Altbackenwerden.\nFlg 4\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f\u00fcr physiol. Chemie, Band XCV, Tafel 4.\nZu .,E. Verschaffelt und Fri. E. van Teutem, die Aenderung der mikroskopischen Struktur des Brotes beim Altbacken werden.\u201c","page":0},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Die \u00c4nderung der mikroskopischen Struktur des Brotes usw. 133\nlicher Struktur. Nirgends sind im Brot Niederschl\u00e4ge entstanden, weder in den St\u00e4rkek\u00f6rnern, noch im Gluten. Aber doch ist in der allgemeinen Struktur des Brotes eine Ver\u00e4nderung aufgetreten. Sie zieht vielleicht nicht sofort die Aufmerksamkeit auf sich. Aber jeder, der mit einiger Sorgfalt Pr\u00e4parate von frischem und altbackenem Brot vergleicht, wird sich \u00fcberzeugen, da\u00df es sich hier um eine konstant auftretende Ver\u00e4nderung handelt.\nOben ist gesagt worden, da\u00df dickere St\u00fcckchen frischbackenen Brotes, in Wasser untersucht, keinen sehr deutlichen Bau zeigen, und da\u00df dann speziell die Grenzen der St\u00e4rkek\u00f6rner dem Gluten gegen\u00fcber nicht oder kaum zu beobachten sind. Im altbackenen Brote ist das etwas anders; dort zeichnen sich, auch bei dickeren St\u00fcckchen, die St\u00e4rkek\u00f6rner im allgemeinen viel deutlicher ab. Und wenn man untersucht, wie man diesen Unterschied erkl\u00e4ren soll, sieht man, da\u00df den Umrissen der St\u00e4rkek\u00f6rner entlang, \u00fcber einen gr\u00f6\u00dferen oder kleineren Abstand, feine lufthaltige Kan\u00e4lchen laufen, die die Umrisse der St\u00e4rkek\u00f6rner sch\u00e4rfer und etwas zackig, etwas unregelm\u00e4\u00dfig machen,\nBesonders sch\u00f6n sieht man diese \u00c4nderung der Struktur, wenn man wie oben die durchscheinenden Brotlamellen und zwar an ihren d\u00fcnnsten Stellen untersucht, wo sie nur noch eine Schicht St\u00e4rkek\u00f6mer dick sind; am besten werden die Bilder, wenn man in w\u00e4sseriger Safraninl\u00f6sung untersucht. Die Luftr\u00e4ume sind nun sehr deutlich und leicht zu beobachten. Das Gluten wird n\u00e4mlich sch\u00f6n rosarot gef\u00e4rbt, die Starkek\u00f6rner bleiben fast farblos, aber nehmen doch auch einen leichtesten rosaroten Farbenton an. Zwischen beiden findet man nun die ganz farblosen Luftr\u00e4ume, die zuweilen um das ganze St\u00e4rkekorn laufen, aber meistens nur an einem Teil des Umrisses auftreten. Dadurch scheinen die Umrisse des St\u00e4rkekornes bei mittelstarker Vergr\u00f6\u00dferung durch eine viel weniger d\u00fcnne und scharfe Linie gezeichnet; dieselbe ist dicker als beim frischen Brot und etwas zackig und unregelm\u00e4\u00dfig. Fig. 2 gibt eine Zeichnung dieses Bildes.","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\t<,E. Verschaffen und E. van Teutem,\nFig. 4 gibt eine Zeichnung von der Gr\u00f6\u00dfe und Form der auftretenden Luftr\u00e4ume, wie sie in den d\u00fcnnsten Stellen aussehen, wenn sie mit den st\u00e4rksten Linsen beobachtet werden. Das Gr\u00f6\u00dfen-Verh\u00e4ltnis zwischen St\u00e4rkekorn und Luftraum ist m\u00f6glichst richtig gezeichnet. Bei den gr\u00f6\u00dferen St\u00e4rkek\u00f6rnem betr\u00e4gt also die Weite des Luftraumes etwa 1Iso bis Vio des Durchmessers des St\u00e4rkekornes. Die Zeichnung zeigt, da\u00df der Hohlraum das St\u00e4rkekorn nicht allseitig zu umgeben braucht. Fig. 3 gibt an, wie dieselben St\u00e4rkek\u00f6rner vor dem Altbackenwerden aussehen. Es ist, als ob durch eine Schrumpfung St\u00e4rke und Gluten sich voneinander gel\u00f6st haben, wobei neue Luftr\u00e4ume entstanden sind; zuweilen haben die beiden Bestandteile sich ganz voneinander gel\u00f6st, meist aber sind sie an irgend einer Stelle doch miteinander in Ber\u00fchrung geblieben.\nWir betonen ausdr\u00fccklich, da\u00df alle diese Beobachtungen an Brotkrume gemacht worden sind, die unter Vermeidung jeglichen Wasserverlustes \u2014 in einer hermetisch schlie\u00dfenden St\u00f6pselflasche \u2014 altbacken geworden war. Von Austrocknen im gew\u00f6hnlichen Sinne des Wortes kann daher keine Rede sein. Die neu gebildeten Luftr\u00e4ume des Brotes, die viel d\u00fcnner sind als die, welche schon im frischbackenen Brote vorkamen, lassen nun \u2014 nach einer bekannten Erscheinung \u2014 ihre Luft weniger leicht von Wasser verdr\u00e4ngen und bleiben darum auch im Wasserpr\u00e4parat sichtbar.\nBrot, das etwa neun Stunden alt ist \u2014 das also, wie J. R. Katz gefunden hat, nach der Kr\u00fcmligkeit frisch, und nach seinen sonstigen Eigenschaften altbacken ist \u2014 verh\u00e4lt sich mikroskopisch wie frischbackenes Brot; wir konnten diese Tatsache zu wiederholten Malen feststellen, so da\u00df an deren Richtigkeit, scheint uns, nicht zu zweifeln ist. Es geht also die Entstehung der Luftr\u00e4ume dem Auftreten der Kr\u00fcmligkeit parallel, und nicht der Entwicklung der anderen Eigenschaften, also den \u00c4nderungen von H\u00e4rte, Quellungsverm\u00f6gen und Gehalt an l\u00f6slicher Amylose.\nEs bilden diese Befunde eine interessante Best\u00e4tigung der Theorie des Altbackenwerdens, die J. R. Katz in der vorigen Abhandlung gegeben hat. Nach ihm soll die Kr\u00fcm-","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Die \u00c4nderung der mikroskopischen Struktur des Brotes usw. 135\nligkeit die Folge einer Wasserabgabe von der St\u00e4rke an das Gluten sein, wodurch dieSt\u00e4rkek\u00f6rner kleiner werden, schrumpfen und dadurch einen loseren Zusammenhang mit dem Glutenskelett bekommen. Die mikroskopischen Ver\u00e4nderungen, die wir aufgefunden haben, entsprechen eben denen, die man nach dieser Theorie erwarten sollte.\nNoch einen zweiten Unterschied zwischen frisch und altbacken fanden wir regelm\u00e4\u00dfig wieder. Legt man ein St\u00fcckchen Brot in Wasser und dr\u00fcckt man es leicht mit dem Deckgl\u00e4schen zusammen, so werden viele der am Rande liegenden St\u00e4rkek\u00f6rnerfrei. Bei frischem Brot stehen die St\u00e4rkek\u00f6rner offenbar unter einer gewissen Spannung, die beim altbackenen Brot fehlt. Es werden n\u00e4mlich die St\u00e4rkek\u00f6rner im ersten Fall mit einem Buck fortgeschleudert, im zweiten fehlt diese ruckartige Bewegung. Der Unterschied ist nur dann sichtbar, wenn man das Pr\u00e4parat unmittelbar nach dem Anfertigen untersucht. Sehr bald schon ist der Unterschied nicht mehr zu sehen. Er ist vermutlich eine Folge von der viel st\u00e4rkeren Quellung der frischbackenen St\u00e4rke beim Einlegen in Wasser und von der Abwesenheit der Hohk r\u00e4ume/. .\t' ^\nAndere Unterschiede zwischen frischem und altbackenem Brote haben wir nicht auf\u00fcnden k\u00f6nnen.","page":135}],"identifier":"lit20588","issued":"1915","language":"de","pages":"130-135","startpages":"130","title":"Die \u00c4nderung der mikroskopischen Struktur des Brotes beim Altbackenwerden","type":"Journal Article","volume":"95"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:42:02.254683+00:00"}